"Neuen Sozialstaats": Bürgerschaftliches ... - Doebler-online.de
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Joachim Döbler, <strong>Bürgerschaftliches</strong> Engagement 6<br />
rinnen und Bürger tragen Mitverantwortung durch Beteiligung an Gemeinschaftsaufgaben<br />
im sozialen, gesundheitlichen, kulturellen und ökologischen Bereich. Sie arbeiten<br />
eigenständig im Sinne einer <strong>de</strong>mokratischen Lebensordnung." Wer sie gewinnen<br />
will, muß nachhaltig soziale Räume und Infrastrukturen schaffen, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r<br />
Bürgerwillen artikuliert, öffentlich ausgehan<strong>de</strong>lt und in politische Entscheidungsprozesse<br />
eingebracht wer<strong>de</strong>n kann. Und er muß aushalten, daß Seniorenorganisationen<br />
in Zukunft neue, heute vielleicht noch befremdlich wirken<strong>de</strong> Wege gehen: In Norwegen<br />
beispielsweise haben Senioren durch Hausbesetzungen für ihre Interessen gestritten.<br />
Nun solches haben unsere ehrenamtsversessenen Politiker wohl kaum im Sinn. Und<br />
brav holen sich Sozialarbeiter, Gewerkschaftler o<strong>de</strong>r rührige Gemein<strong>de</strong>pastoren auf<br />
<strong>de</strong>n unzähligen Fortbildungsveranstaltungen – staatlich geför<strong>de</strong>rt und verbandlich<br />
organisiert - wohlfeile Rezepte ab, wie die Spezies <strong>de</strong>r "<strong>Neuen</strong> Ehrenamtlichen" zu<br />
gewinnen und zu bin<strong>de</strong>n ist. Daß <strong>de</strong>ren Engagement so ganz nebenbei auch jene<br />
Risse kitten soll, die durch "gesellschaftliche Erosionsprozesse wie Ausgrenzung,<br />
Benachteiligung, Desintegration und Gewaltphänomene" (Mühlum) aufgebrochen<br />
sind, gibt <strong>de</strong>r Angelegenheit einen gera<strong>de</strong>zu missionarischen Charakter.<br />
Nun erachte es we<strong>de</strong>r als meine Aufgabe, Sie mit Rezepturen zu versorgen, noch<br />
jenen Unsinn nachzubeten, <strong>de</strong>n sie ohnehin auf Fest- und Belobigungsveranstaltungen<br />
zum Ehrenamt serviert bekommen. Statt <strong>de</strong>ssen einige unbequeme Anmerkungen:<br />
Lassen Sie mich beginnen mit <strong>de</strong>r gängigen Gegenüberstellung von altem,<br />
wertgebun<strong>de</strong>nem und neuem, selbstbezogenem Ehrenamt:<br />
1. Soziales Han<strong>de</strong>ln – auch im traditionellen Ehrenamt – erfolgt nicht motivlos; es ist<br />
also auch nicht selbstlos. Neu ist allerdings, daß die offene Benennung von Eigenmotiven<br />
heute gera<strong>de</strong>zu erwartet wird. Sie ist Teil jenes Zwangs zur Selbststeuerung<br />
und Selbstvergewisserung, Selbstbeschreibung und Selbstdarstellung, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m<br />
Individualisierungsschub <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne untrennbar verbun<strong>de</strong>n scheint.<br />
2. Die Wirklichkeit sozialen Engagements zwischen "Dienst und Selbstbezug" ist<br />
vielschichtiger und wi<strong>de</strong>rsprüchlicher als einfache Gegenüberstellungen dies vermuten<br />
lassen. Im Einzelfall wird nur schwer zu unterschei<strong>de</strong>n sein,<br />
• ob ein Engagement in <strong>de</strong>r kulturellen Tradition <strong>de</strong>r Verantwortung steht,<br />
• ob es <strong>de</strong>r Suche nach neuen Lebensinhalten dient,<br />
• ob Gemeinschaftserfahrung gesucht wer<strong>de</strong>n,<br />
• o<strong>de</strong>r, ob es dabei helfen soll, eigene sehr persönliche Probleme zu überwin<strong>de</strong>n.<br />
3. Problematisch wird es drittens, wenn Begriffe mit Wertungen besetzt wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Unterstellung, daß sich hier nur solche und dort nur jene Menschen engagieren, trägt<br />
nicht dazu bei, <strong>de</strong>n Gesamtkomplex <strong>de</strong>s Engagements zu beför<strong>de</strong>rn. Freiwilliges soziales<br />
Engagement als "mo<strong>de</strong>rn" zu bezeichnen und traditionelle Ehrenamtlichkeit als<br />
"Auslaufmo<strong>de</strong>ll" abzuqualifizieren, bedient Abgrenzungsbedürfnisse und dient <strong>de</strong>r<br />
Vorurteilsbildung. Es hat, wie Martin Nörber, Referent für politische Bildung beim<br />
hessischen Jugendring, für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r verbandlichen Kin<strong>de</strong>r- und Jugendarbeit<br />
erfahren hat, zu<strong>de</strong>m <strong>de</strong>n politischen Effekt, daß öffentliche Mittel dorthin fließen, wo<br />
"Mo<strong>de</strong>rnität", d.h. "Mo<strong>de</strong>llhaftes" o<strong>de</strong>r "Neues" inszeniert wird. Formen <strong>de</strong>s Engagements<br />
wer<strong>de</strong>n so gegeneinan<strong>de</strong>r ausgespielt.