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"Neuen Sozialstaats": Bürgerschaftliches ... - Doebler-online.de

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Joachim Döbler, <strong>Bürgerschaftliches</strong> Engagement 10<br />

Grenzen und Risiken bürgerschaftlichen Engagements<br />

Fragen zum sozial- o<strong>de</strong>r gesellschaftspolitischen Potential <strong>de</strong>s <strong>Neuen</strong> Ehrenamtes<br />

sind also keineswegs "unschuldig". Sie sind eng verwoben mit <strong>de</strong>m Diskurs um die<br />

Grenzen <strong>de</strong>s Sozialstaates. Die öffentlichen Kassen seien leer, soziale Leistungen<br />

seien in <strong>de</strong>m bestehen<strong>de</strong>n Umfang nicht länger bezahlbar, <strong>de</strong>r Sozialstaat sei an<br />

seinen Grenzen angelangt - dies ist das ökonomische a priori, das insbes. durch die<br />

Tatsache, daß Familien immer weniger in <strong>de</strong>r Lage sein wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Alterslawine<br />

anfallen<strong>de</strong>n Pflege- und Versorgungsbedarf zu <strong>de</strong>cken, an Gewicht gewinnt.<br />

Wesentliches Argument zunächst für die Wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s Ehrenamts, <strong>de</strong>r<br />

Selbsthilfe und <strong>de</strong>r Eigenarbeit und später auch für die proklamatorische Aufwertung<br />

<strong>de</strong>s informellen Sektors zur "<strong>Neuen</strong> Kultur <strong>de</strong>s Helfens" ist zweifelsohne die Hoffnung<br />

auf eine Kostenentlastung <strong>de</strong>r öffentlichen, vor allem <strong>de</strong>r kommunalen Haushalte. In<br />

diesem Kontext bietet die kulturkritische Einlassung, ein Zuviel an Staat habe soziale<br />

Potentiale, die in Selbsthilfe und Engagement begrün<strong>de</strong>t sind, ausgetrocknet, einen<br />

willkommenen i<strong>de</strong>ologischen Flankenschutz. Der Bürger verlasse sich, so die medienwirksame<br />

These, lieber auf <strong>de</strong>n Staat als die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.<br />

Dieser gedankliche Ansatz, <strong>de</strong>r die Klage über Staatsgläubigkeit und Abgreifmentalität<br />

mit For<strong>de</strong>rung nach einer Wie<strong>de</strong>rbelebung <strong>de</strong>s Gemeinschaftssinns verbin<strong>de</strong>t,<br />

hat sich in <strong>de</strong>n letzten Jahren als beson<strong>de</strong>rs anschlußfähig erwiesen. Er ist<br />

geeignet, sehr unterschiedliche soziale und politische Interessen mehrheitsbil<strong>de</strong>nd<br />

unter einer I<strong>de</strong>e zusammenzubringen: daß nämlich die Alternativen zu einer aufgeblähten<br />

Sozialbürokratie, zur staatlichen Regulierung und die Auswege aus <strong>de</strong>m<br />

Kältestrom <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne in lokalen und selbstorganisierten, von Bürgersinn getragenen<br />

Gemeinschaftsbildungen zu suchen seien. Dies ist die Grundi<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s aus <strong>de</strong>m<br />

amerikanischen Kulturkreis kommen<strong>de</strong>n Kommunitarismus. "Die Kommunitarier", so<br />

referierte <strong>de</strong>r Amerikanische Soziologe Amitai Etzioni 1996 vor <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Bun<strong>de</strong>stag,<br />

schlagen vor<br />

" daß ein starker, aber reduzierter Kern <strong>de</strong>s Sozialstaates erhalten bleiben sollte,<br />

während an<strong>de</strong>re Aufgaben <strong>de</strong>n Individuen, Familien und Gemeinschaften übertragen<br />

wer<strong>de</strong>n sollten."<br />

Der Staat, <strong>de</strong>r soziale Netzwerke för<strong>de</strong>rt und Selbsthilfepotentiale maximiert, ist also<br />

untrennbar verbun<strong>de</strong>n jenem Staat, <strong>de</strong>r „Kostendämpfungen“ durchsetzt, <strong>de</strong>r Ausgabenvolumina<br />

begrenzt und <strong>de</strong>r Leistungen auf Min<strong>de</strong>stsicherungen reduziert. Deutlichstes<br />

Beispiel hierfür ist die Pflegeversicherung, die eine Deckelung <strong>de</strong>r Pflegesätze<br />

mit <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung von Selbsthilfe verbin<strong>de</strong>t. Im Klartext von §4 Abs.2: "Bei häuslicher<br />

und teilstationärer Pflege ergänzen die Leistungen <strong>de</strong>r Pflegeversicherung die<br />

familiale, nachbarschaftliche o<strong>de</strong>r sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung."<br />

Nicht umgekehrt. Die generalisierte Risikoabsicherung setzt also ausdrücklich "Solidarität"<br />

immer schon voraus. Staatliche Politik <strong>de</strong>r Freiwilligenarbeit, wie sie vor allem<br />

in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg mit <strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>spolitischen För<strong>de</strong>rprogrammen und Kampagnen<br />

zum Aufbau "Bürgerschaftlichen Engagements" vorangetrieben wird, verfolgt<br />

<strong>de</strong>mentsprechend eine Doppelstrategie: <strong>de</strong>n Trägern sozialer Dienste Ehrenamtliche<br />

zuzuführen und sich zugleich abzusetzen von einer weiteren Ausweitung sozialstaatlicher<br />

Interventionen.

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