prostitution - Hannes Finkbeiner - Journalist
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REPORTAGE<br />
Reizthema<br />
PROSTITUTION<br />
Die meisten Hoteliers lehnen<br />
ein Interview ab. Das Thema ist<br />
ihnen zu heikel. Mit Prostitution<br />
will keiner sein Domizil in Verbindung<br />
bringen. Es ist ein bisschen<br />
wie in der Porno-Industrie: Jeden<br />
Monat erscheinen ca. 1000 neue<br />
Titel auf dem Markt – doch angeblich<br />
will die niemand sehen<br />
Es ist nach 23 Uhr. In die Hotelhalle ist mittlerweile<br />
Ruhe eingekehrt. Als der Gast aus der Bar kommt<br />
und ein Zimmer verlangt, ist der Concierge sichtlich<br />
irritiert: »Sie haben doch bereits eine Suite«, sagt er<br />
diskret. Er benötige aber ein weiteres Zimmer, erwidert<br />
der Gast. – Der Groschen fällt: Ob es ihm entgegen komme,<br />
wenn das Zimmer möglichst weit von seiner Suite<br />
entfernt sei? Der Gast nickt...<br />
Eine Stunde später verlässt die Prostituierte das Haus,<br />
die offene Zimmerrechnung begleicht der solvente Herr<br />
direkt aus seinem Portemonnaie. Am folgenden Morgen<br />
wird er das zweite Mal auschecken – in Begleitung seiner<br />
Ehefrau. Die Direktion des Stuttgarter Domizils will von<br />
solchen Vorkommnissen nichts gehört haben. Bei der<br />
Nachfrage durch den Autor wird das Gespräch grußlos<br />
und abrupt beendet.<br />
56 Top hotel 3/2008
Messestadt Hannover<br />
Harald Schmidt reduzierte Hannover einmal auf<br />
die Autobahnabfahrt zwischen Göttingen und<br />
Walsrode. Nicht ganz zu Unrecht: Die Stadt bemüht<br />
sich schon lange, ihren provinziellen Ruf<br />
abzuschütteln – mit mäßigem Erfolg. Abgesehen<br />
von den turbulenten Messezeiten. Insbesondere<br />
während der CeBIT und Hannover Messe platzt<br />
die Stadt aus allen Nähten. Überfüllte Bahnen,<br />
Bars und Restaurants: Die niedersächsische Metropole<br />
gleicht einem multikulturellen Rummelplatz.<br />
Hotelzimmer werden zu Wucherpreisen feil geboten<br />
– selbst Studenten verscherbeln ihre Buden,<br />
um aus der riesigen Nachfrage Profit zu ziehen.<br />
Eine Zeit, in der auch die käufliche Liebe<br />
Hochkonjunktur hat. Von rund 2500 Prostituierten<br />
wird gemunkelt, die gezielt zu diesen Messen<br />
anreisen; bevorzugt aus den Ostblockländern.<br />
Der Großteil der körperlichen Dienstleistung findet<br />
in den Clubs und Bordellen statt. Der restliche<br />
Nachfrage wird in den Hotelzimmern der<br />
Stadt befriedigt. Eingeleitet wird das anrüchige<br />
Geschäft meist per Telefon oder bei einem Drink<br />
in der Hotelbar.<br />
Vor diesem Hintergrund scheint es geradezu<br />
albern, dass manche Hoteliers Prostitution in<br />
ihren Betrieben zum Tabuthema erklären – die<br />
Existenz des Gewerbes sogar verleugnen. Anja<br />
war jahrelang Besitzerin eines Hotels in der Innenstadt.<br />
Sie schmunzelt über die angebliche<br />
Unwissenheit ihrer Kollegen. »Das Thema ist dort<br />
nah vor Augen. Ich sage vorsichtig: Die meisten<br />
Hoteliers sind keine Privatunternehmer, sondern<br />
gehören zu einer Kette. Wahrscheinlich wurde<br />
ihnen von oben Redeverbot erteilt.«<br />
Seit 2003 ist sie Eigentümerin des Hotels Viva<br />
Creativo in einem Außenbezirk von Hannover.<br />
Mit Damen aus dem horizontalen Gewerbe hat<br />
sie seither nur noch selten tun. Prostitution sei<br />
jedoch allgemein so verbreitet, dass es kaum<br />
Sinn macht, offensiv dagegen vorzugehen. »Das<br />
Thema hat sich am nächsten Morgen, spätestens<br />
aber nach der Messe ohnehin wieder erledigt. Es<br />
bringt nichts, diese Problematik groß aufzuwirbeln«,<br />
erzählt die 42-Jährige. Und trotzdem verschließt<br />
die Hoteldirektorin nicht ignorierend die<br />
Augen: Als ein Gast sein Zimmer die komplette<br />
Nacht doppelt belegte, erhöhte sie ihm kurzerhand<br />
die Rechnung. »Er hat anstandslos bezahlt<br />
und war froh, dass ich ihn nicht darauf angesprochen<br />
habe«, sagt sie lachend.<br />
Fünf Kilometer weiter. Podbielskistraße. Der<br />
schwere Geruch der Fleischerei im Parterre<br />
durchzieht das Treppenhaus. In der Wohnung von<br />
Olga lässt sich der Zigarettenqualm in Scheiben<br />
schneiden. Die schlanke Blondine raucht, als hinge<br />
ihr Leben davon ab. Das Ambiente entspricht<br />
dem Klischee: abgewetztes Sofa, schummriges<br />
Licht. Strombetriebene Kunststoffblumen wechseln<br />
träge ihre Farbe. Die Vorhänge sind schon<br />
am Vormittag zugezogen. Die gebürtige Russin<br />
empfängt ihre Kunden bevorzugt in den eigenen<br />
vier Wänden, gegen einen Aufpreis besucht sie<br />
aber auch die Pensionen und Hotels der Stadt.<br />
»Zu Messezeiten kommen die meisten Anfragen<br />
von Deutschen auf Geschäftsreise, die in Mittelklassehotels<br />
logieren.«<br />
Olgas Kontaktdaten erhält der Kunde über<br />
Zeitungsinserate. Ostblockmädchen sind bei den<br />
Deutschen unbeliebt, deswegen wirbt die Frau<br />
mit Aussicht auf eine verdorbene 21-Jährige<br />
Skandinavierin. »Wenn sich ein Interessent meldet,<br />
muss er mir seinen Namen, seine Etage und<br />
seine Zimmernummer mitteilen. Ich rufe danach<br />
zurück, um die Angaben zu überprüfen. Anschließend<br />
spreche ich noch mal ein paar Takte mit<br />
ihm, um sicher zu sein, dass ich auch den Richtigen<br />
habe – im Zweifelsfall rufe ich auch noch<br />
mal am Empfang an. Erst dann mache ich mich<br />
auf den Weg«, erklärt die 35-Jährige.<br />
Mit diesem letzten Gegencheck geht Olga auf<br />
Nummer sicher. Zu oft platzte der Auftrag wegen<br />
falscher Angaben oder einem Telefonstreich. Reibereien<br />
oder Probleme am Empfang hatte sie<br />
hingegen noch nie. »Ich tauche da nicht halbnackt<br />
auf, sondern bin ganz neutral angezogen.<br />
Ich könnte ein normaler Gast sein. Das Personal<br />
traut sich verständlicherweise nicht, mich nach<br />
dem Grund des Besuchs zu fragen.«<br />
Dass Hotelmitarbeiter in solchen Situationen<br />
völlig ahnungslos sind, klingt eher unglaubwürdig.<br />
Andreas arbeitete jahrelang als Restaurantleiter<br />
in verschiedenen Stadthotels – allein 15<br />
Jahre lang in Hannover und Umgebung. Anfang<br />
der 90er-Jahre war es durchaus üblich, dass nicht<br />
nur während den Messen, sondern auch bei Tagungen<br />
und großen Events Gäste gezielt nachfragten<br />
und Damen ins Hotel bestellten. »Wenn<br />
Gäste nur kurz im Haus wohnen, fallen die Prostituierten<br />
nicht auf. Man registriert es als Angestellter,<br />
weil die Frauen immer wieder kommen.<br />
In der Hotelbar merkt man es, weil sie mit einem<br />
Gast aufstehen und eine Stunde später wieder<br />
allein am Tresen sitzen.«<br />
Andreas hat sich eine klare Meinung zur Prostitution<br />
in der Hotellerie gebildet. Sein individuelles<br />
Handling bei diesem Thema wirkt routiniert.<br />
Während er erzählt, ruhen seine Hände gefaltet<br />
in seinem Schoß. Nur bei Prostituierten in der<br />
Hotelbar wird der gelernte Restaurantfachmann<br />
kritisch. Seine Haltung wird sichtlich gerader. Seine<br />
Hände beginnen, seine Sätze zu begleiten.<br />
»Man muss sehr aufpassen, wie offensichtlich<br />
das Thema in diesem Bereich auftritt. Es sind<br />
häufig Gäste anwesend, die diese Dienstleistung<br />
gern in Anspruch nehmen. Aber ich glaube, die<br />
meisten würden eher negativ reagieren, wenn<br />
sich die Damen zu offensichtlich anböten.«<br />
Die prekärste Situation ist der Aufenthalt<br />
mehrerer Prostituierter in Begleitung eines Aufpassers.<br />
Nicht, dass das Gewerbe noch deutlicher<br />
zu erkennen wäre: Die Damen verteilen<br />
sich meist in der Bar, der Aufpasser hält Abstand.<br />
Andreas sieht die Sache ganz pragmatisch: Es sei<br />
die Aufgabe des Barkeepers, darauf zu achten,<br />
dass keine Probleme in seiner Abteilung entstehen.<br />
Wenn dort zusätzlich ein Zuhälter nach dem<br />
Rechten sieht, sei dies jedoch ein potenzieller<br />
Unruhefaktor.<br />
Die Geschäftsleitung des Hotels<br />
machte sich jedoch mehr Sorgen<br />
um die Kundschaft. Der Manager<br />
wies darauf hin, dass die Gäste keinesfalls<br />
belästigt werden dürfen. Es<br />
folgten Gespräche und Diskussionen<br />
mit dem Direktionsassistenten.<br />
»Die Anmache der Prostituierten<br />
durfte nicht zu offensichtlich laufen.<br />
Sobald sich ein Gast beschwert<br />
hätte, wäre die Duldung aufgehoben<br />
worden und der Mann mit seinen<br />
Damen rausgeflogen.«<br />
Die Frauen seien deswegen stets<br />
sehr zurückhaltend gewesen, hätten<br />
sich meist alleinanwesende Herren<br />
rausgepickt. Erst nach einem netten<br />
Gespräch und einem Drink signalisierten<br />
sie, dass sie zur käuflichen<br />
Liebe bereit wären. Danach kam es<br />
zum Geschäftsabschluss oder nicht.<br />
Andreas ist überzeugt davon, dass<br />
die wenigsten Gäste zu Beginn des<br />
Gesprächs ahnten, mit wem sie sich<br />
gerade einlassen.<br />
Während die Prostitution auf<br />
dem Hotelzimmer dezent im Verborgenen<br />
abläuft, wird es in der<br />
Hotelbar für jedes wache Auge ersichtlich.<br />
Der Hotelier befindet sich<br />
plötzlich in einem sensiblen Konflikt:<br />
Einerseits gibt es Gäste, die<br />
gern auf das Angebot zurückgreifen<br />
und vielleicht gerade deshalb in<br />
diesem Hotel buchen, andererseits<br />
will der Großteil der Klientel nichts<br />
mit diesem anrüchigen Gewerbe zu<br />
tun haben; sie würden das Hotel<br />
schlimmstenfalls meiden, wenn sie<br />
davon wüssten. Die stillschweigende<br />
Duldung der Prostitution gerät<br />
zu einer gefährlichen Gratwanderung.<br />
»Ich arbeitete in einem Hotel<br />
in der Innenstadt. Dort saß häufig<br />
eine blonde Frau in der Bar. Sie war<br />
überaus gebildet, sprach Englisch<br />
und Französisch. Irgendwann erfuhr<br />
ich, dass sie eine Prostituierte war.<br />
Alleinunternehmerin. Diese Lösung<br />
fand ich positiv. In einer Bar, in der<br />
zusätzlich ein Aufpasser anwesend<br />
ist, besteht ein hohes Risiko, dass<br />
es auffällt«, sagt Andreas.<br />
Bankenmetropole Zürich<br />
Die zünftige Gaststätte bietet<br />
eine amüsante Kulisse für einen<br />
Plausch mit dem Unternehmer Reto:<br />
Seine drei Handys bimmeln im<br />
Minutentakt, seine weibliche Begleitung<br />
ist eine Edelprostituierte,<br />
am Nebentisch speist eine vierköpfige<br />
Familie. Es gibt unzählige Züricher<br />
Restaurants, die zu Anita pas-<br />
3/2008 Top hotel 57
REPORTAGE<br />
sen würden. Nur in dem gutbürgerlichen Ambiente<br />
scheint sie deplatziert: Sie hat strahlend<br />
hellbraune Augen, blonde Haare und gepflegte<br />
Hände, ein ruhiges, elegantes Wesen, eine Figur,<br />
die Aufmerksamkeit erregt, ein Lächeln, das ansteckt.<br />
Die 24-Jährige arbeitet für Retos Escort-<br />
Service, der körperliche Dienstleistung mit Qualitätsgarantie<br />
offeriert. Nach eigenen Angaben<br />
besitzt er die Agentur mit den exklusivsten Frauen<br />
im deutschsprachigen Raum.<br />
Die meisten seiner Aufträge erhält der Unternehmer<br />
aus der Züricher Luxushotellerie. »Wir<br />
haben mehr Hotelgäste als private Gäste. Darunter<br />
auch viele Stammkunden, die auch durchaus<br />
eine Woche vorher reservieren«, berichtet Reto –<br />
ganz zur Zufriedenheit von Anita: »Hotelkunden<br />
sind einfach lockerer.« Sie seien nicht so pingelig,<br />
schauen nicht dauernd auf die Uhr. »Meistens<br />
treffen wir uns auf dem Zimmer, gehen<br />
dann noch etwas trinken oder er bestellt eine<br />
Flasche Champagner beim Room-Service«, erzählt<br />
sie.<br />
Wie Olga hatte auch Anita noch nie Probleme,<br />
in ein Hotelzimmer zu gelangen. Sie weiß mittlerweile,<br />
wo sich die Lifts befinden. Nur in einem<br />
einzigen Züricher Hotel sei es nicht mehr so einfach:<br />
»Dort muss man sich an der Rezeption melden,<br />
Name und Zimmernummer sagen – teilweise<br />
sogar den Ausweis zeigen«, berichtet die<br />
Schweizerin. Grund für die verschärften Kontrollen<br />
war eine entwendete Rolex, die vermutlich<br />
von einer Prostituierten geklaut wurde. Danach<br />
hat dieses Hotel neue Zugangsregelungen eingeführt.<br />
Concierge mit lukrativem Nebenjob<br />
Der »Night Guide« gibt Zürichbesuchern<br />
Tipps für nächtliches Entertainment<br />
Mindestens zehn Aufträge erhält Reto täglich<br />
aus der Hotellerie. Ab und an auch direkt vom<br />
Concierge vermittelt – eine Tatsache, von der<br />
auch Andreas zu berichten weiß: In Hannover<br />
bekam man seinerzeit noch 50 Mark für eine<br />
Kontaktvermittlung. In Zürich sollen die Hotelangestellten<br />
angeblich zehn Prozent des Honorars<br />
erhalten. Bei einem Stundensatz von bis<br />
zu 600 Franken ein durchaus lukrativer Nebenverdienst.<br />
Ein brisanter Nebenaspekt, der unmittelbar<br />
Kündigungsszenarien wachruft. Aber an erwähnenswerte<br />
Konflikte kann Reto sich in den vergangenen<br />
Jahren nur ein einziges Mal erinnern:<br />
»In einem Hotel hatten wir zwei stockbetrunkene<br />
Russen. Die Männer wurden grob und ließen<br />
die Mädchen nicht mehr gehen. Da gab es ein<br />
Riesentheater – mit dem Hotelangestellten, den<br />
Mädchen und Gästen. Die Direktion bekam Wind<br />
von der Geschichte und es wurde ab diesem<br />
Zeitpunkt untersagt, dass der Concierge weiterhin<br />
Aufträge vermittelt.«<br />
Während des Gesprächs platzt Nicole in die<br />
Runde. Sie ist das augenscheinliche Pendant zu<br />
Anita: dunkle Haut, schwarze Haare und tiefbraune<br />
Augen. Ein jugendlich aufbrausendes<br />
Temperament. Nur eines haben die beiden Frauen<br />
gemeinsam: Sie sind bildhübsch. Sie entschuldigt<br />
sich für die Verspätung. Ein Auftrag in einem<br />
Züricher Luxusdomizil kam ihr dazwischen. »Es<br />
war ein guter Termin. Ich musste nur tanzen. Der<br />
Kunde war erkältet und müde«, sagt das Callgirl<br />
mit einem koketten Lächeln.<br />
Eine wirkliche Besonderheit des Züricher Geschäfts:<br />
Es muss nicht immer zwangsweise bis<br />
zum Äußersten gehen. Manchmal begleiten die<br />
Damen ihre Kunden auch nur zu einem Geschäftsessen<br />
und spielen auch mal die Gemahlin. Wahrscheinlich,<br />
weil der Geldbeutel in der Bankenmetropole<br />
etwas lockerer sitzt – das Geschäft muss<br />
nicht immer auf den Höhepunkt getrieben werden.<br />
Anita musste auch schon eine komplette<br />
Nacht mit Reden verbringen, was die junge Frau<br />
als »sehr anstrengend« empfand. Und auch Reto<br />
weiß sofort eine Anekdote beizusteuern: »Da<br />
war mal ein Iraner, der hatte Geburtstag und sich<br />
20 Mädchen für drei Stunden in seine Suite bestellt.<br />
Die mussten lediglich in Unterwäsche tanzen.<br />
Dafür hat er dann 30000 Franken bezahlt.«<br />
Von Prostitution in der Hotelbar weiß das<br />
Dreiergespann nur wenig zu berichten. Nicole<br />
rümpft bei dem Gedanken ihre Nase. »Züricherinnen<br />
würden so etwas nicht machen, auch<br />
wenn sie es gern täten. Die Gefahr ist zu groß,<br />
dass sie von Freundinnen oder Verwandten erkannt<br />
werden.« Meistens seien es Ostblockmädchen,<br />
die in den Bars anschaffen. Wie die<br />
exakte Vorgehensweise vor Ort funktioniert, das<br />
können die beiden Callgirls nur mutmaßen. Sie<br />
glauben, dass der Gast schnell merkt, ob die<br />
Frauen privat oder rein geschäftlich da sind –<br />
schlichtweg am intensiven Blickkontakt.<br />
In diesem Fall müsste es auch einfacher für<br />
die Hotelmitarbeiter sein, Prostituierte zu erkennen<br />
und zu reagieren – natürlich nur, wenn vom<br />
Management entsprechende Vorgaben existieren!<br />
In Zürich weiß Reto nur von einer Hotelbar,<br />
in der die Prostituierten rigoros vor die Tür gesetzt<br />
werden: »Wenn es die Angestellten im Park<br />
Hyatt herausfinden, dass ein Callgirl bei ihnen<br />
anschafft, dann bekommt sie sofort Hausverbot.<br />
Es ist nur sehr schwer zu differenzieren,<br />
du siehst den Unterschied<br />
kaum – ein gewisser Unsicherheitsfaktor<br />
bleibt immer bestehen.«<br />
»Das ist ein großes Thema –<br />
weltweit, nicht nur in der Schweiz.<br />
Vor allem in Luxusmetropolen gibt<br />
es eine vermehrte Aktivität in diesem<br />
Bereich«, erzählt Kurt Straub.<br />
Wenn es um Prostitution in der Hotellerie<br />
geht, ist der General Manager<br />
des Park Hyatt nicht zimperlich.<br />
Er hat keinerlei Hemmungen, offen<br />
über die Problematik zu sprechen.<br />
In seinem Hotel möchte er das horizontale<br />
Gewerbe nicht. Und er tut,<br />
was in seiner Macht steht, um dagegen<br />
vorzugehen. Vor allem in der<br />
hauseigenen Bar »Onyx« schöpft er<br />
seine Möglichkeiten aus: Eine Sicherheitsfirma<br />
wurde sogar beauftragt,<br />
speziell den Umgang mit Prostituierten<br />
zu schulen. Der Einlass<br />
wird den Damen seither auf professionelle<br />
Weise verweigert. »Aber<br />
auch hier ist Vorsicht geboten! Es<br />
ist sehr schwierig, den Unterschied<br />
zu erkennen«, sagt der 40-Jährige.<br />
Wenn sich Hotelgäste bei seinen<br />
Mitarbeitern nach der körperlichen<br />
Dienstleistung erkundigen, händigen<br />
sie den offiziellen City-Guide<br />
von Zürich aus (Foto), der zahlreiche<br />
Infos über einschlägige Etablissements<br />
enthält. Versucht ein Gast<br />
sich offensichtlich eine Frau zu ordern,<br />
wird er angesprochen, dass<br />
Prostitution im Park Hyatt nicht erwünscht<br />
ist. Zudem hat der General<br />
Manager gute Erfahrungen mit der<br />
Schweizer Sittenpolizei gemacht,<br />
die mit Rat und Tat zur Seite steht.<br />
»Sich mit der Problematik auseinander<br />
zu setzen, wenn sie erkannt<br />
wurde, und den Dialog mit den involvierten<br />
Mitarbeitern zu suchen,<br />
ist zwingend«, sagt Kurt Straub.<br />
Trotz des offenen Umgangs mit<br />
dem Thema lässt sich die Prostitution<br />
auch im Park Hyatt Zürich nicht<br />
völlig ausmerzen. Nur wenn die Hoteldirektion<br />
eindeutig Stellung bezieht,<br />
wissen die Mitarbeiter korrekt<br />
zu handeln. Zudem lässt sich<br />
der Umgang mit verschiedenen Situationen<br />
hotelspezifisch schulen,<br />
wie das Park Hyatt beweist. Und<br />
trotzdem ist und bleibt das Hotel<br />
ein halböffentlicher Raum: »Ob der<br />
mit seiner Frau oder einer Prostituierten<br />
im Zimmer liegt, das ist die<br />
Entscheidung des Gastes. Da hört<br />
meine Verantwortung auf«, sagt<br />
Hoteldirektorin Anja aus Hannover.<br />
HANNES FINKBEINER<br />
58 Top hotel 3/2008