Sommer 2012 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Landsmannschaft ...
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Terrakotta und Lindenholz<br />
Ein Besuch bei der Bildhauerin Annemarie Suckow von Heydendorff<br />
Fast ein Jahr ist seit meinem letzten<br />
Besuch bei der Allensteiner Bildhauerin<br />
vergangen. Was die junge Frau,<br />
trotz ihrer Hausfrauen- und Mutterpflichten,<br />
im vergangenen Jahr wieder<br />
geleistet hat, ist ganz verblüffend.<br />
Das letzte Mal hörten wir von dieser<br />
Arbeit durch verschiedene Königsberger<br />
Kritiken (sehr gute übrigens!),<br />
denn dort in der Gauhauptstadt war<br />
neben einem Kinderköpfchen von<br />
Mitte April bis Mitte Mai ihr „Mädchen<br />
in der Sonne“ ausgestellt, eine Terrakotta-Figur.<br />
Ein junges Mädchen<br />
lässt sich von der Sonne bescheinen.<br />
Annemarie Suckow zeigt mir verschiedene<br />
Abbildungen dieser Arbeit.<br />
Was soll man dazu sagen? Das ist<br />
ganz einfach schön. Schon „Die<br />
Schreitende“ hatte jene zauberhafte<br />
Mischung von Kraft und geschmeidiger<br />
Anmut, die den Frauenfiguren der<br />
Suckow sprühende Lebendigkeit verleiht,<br />
und das „Mädchen in der Sonne“<br />
blüht vor Leben. Das ist nicht einfach<br />
irgendeine gut ausgearbeitete<br />
Statue, das ist ein Stück Natur, also<br />
wirkliche Kunst.<br />
Vor einem Jahr etwa hatte die junge<br />
Bildhauerin ihre ersten Holzschnittversuche,<br />
die freilich sehr wohl gelungen<br />
waren, auf die damalige Königsberger<br />
Ausstellung geschickt –<br />
dies Mädchen nun, aus Lindenholz,<br />
ist ihr ganz wunderschön geglückt.<br />
„Die Mädchenfigur habe ich aus einem<br />
Ast unseres Lindenbaumes gemacht<br />
– er steht drunten im Garten.<br />
Ich habe den Ast in die passende<br />
Größe gesägt, dann behauen, erst<br />
mal so ganz roh – ja, aufpassen muss<br />
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man sehr, dass man nicht zu viel<br />
weghaut. Dann mit dem Stechbeitel<br />
die ungefähren Umrisse eingehauen.<br />
Wie man das macht? Man setzt den<br />
Stechbeitel an und schlägt ihn dann<br />
mit Hilfe eines Hammers in das Holz.<br />
Und dann kommt die Arbeit mit dem<br />
Schnitzmesser. Ganz zum Schluss<br />
wird dann die fertige Figur mit Glaspapier<br />
abgerieben und mit Wachs<br />
eingefettet. Bis es aber soweit ist,<br />
das dauert, wenn man sich jeden<br />
Tag von früh bis abends hinstellt, etwa<br />
sechs Wochen. Skizze? Nein, ich<br />
habe keinen Skizzenentwurf gemacht,<br />
obwohl das sonst wohl so<br />
üblich ist. Ich arbeite gleich ‚ins Reine‘,<br />
sozusagen.“<br />
Sie zeigt mir ihre Hände, breit sind sie<br />
geworden und ein bisschen schwielig<br />
– „so werden sie vom Holzbildhauen!“<br />
lacht sie, und bringt mir ein paar ihrer<br />
Arbeitswerkzeuge herbei. „Mein Mann,<br />
der großes Interesse an meiner Arbeit<br />
hat, hat sie auf einer Auktion für mich<br />
erstanden, sie sind zurzeit schwierig<br />
zu haben. Jetzt habe ich eine ganze<br />
Anzahl, in allen Größen...“. Nun hält<br />
sie schon wieder eifrig Ausschau<br />
nach Lindenholz, denn der Vorrat aus<br />
dem Garten ist erschöpft, und Lindenholz<br />
ist für Arbeiten dieser Art gerade<br />
richtig.<br />
Sonstige Pläne? Darüber, so behaupten<br />
Künstler, und sie haben sicherlich<br />
recht, soll man immer erst<br />
dann berichten, wenn sie schon nicht<br />
mehr Pläne, sondern fertige Tatsachen<br />
geworden sind.<br />
Anneliese Molsner<br />
Allensteiner Zeitung vom 30. Mai 1942