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Das ärmliche Studierzimmer des Galilei in Padua. Es ... - Gymportalen

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Hvad er matematik? C, i-bog<br />

ISBN 978 87 7066 499 8<br />

Reference:<br />

”Grosse kommentierte berl<strong>in</strong>er und Frankfurter ausgabe. Stücke 5. Leben <strong>des</strong> <strong>Galilei</strong>. Dansen. Was<br />

kostet das Eisen?”<br />

Forfatter: Bertolt Brecht<br />

Aufbau-Verlag Berl<strong>in</strong> und Weimar, 1988<br />

(Alle Rechte vorbehalten durch Suhrkamp Verlag Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. Copyright Stefan S. Brecht 1988).<br />

s. 9-11<br />

1<br />

GALILEO GALILEI, LEHRER DER MATHEMATIK IN PADUA WILL DAS NEUE KOPERNIKANISCHE<br />

WELTSYSTEM BEWEISEN<br />

<strong>Das</strong> <strong>ärmliche</strong> <strong>Studierzimmer</strong> <strong>des</strong> <strong>Galilei</strong> <strong>in</strong> <strong>Padua</strong>. <strong>Es</strong> ist morgens. E<strong>in</strong> Knabe, Andrea, der<br />

Sohn der Haushälter<strong>in</strong>, br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> Glas Milch und e<strong>in</strong>en Wecken.<br />

GALILEI sich den Oberkörper waschend, prustend und fröhlich: Stell die Milch auf den<br />

Tisch, aber klapp ke<strong>in</strong> Buch zu.<br />

ANDREA Mutter sagt, wir müssen den Milchmann bezahlen. Sonst macht er bald e<strong>in</strong>en<br />

Kreis um unser Haus, Herr <strong>Galilei</strong>.<br />

GALILEI lachend: <strong>Es</strong> heißt: er beschreibt e<strong>in</strong>en Kreis, Andrea.<br />

ANDREA Wie Sie wollen. Wenn wir nicht bezahlen, dann beschreibt er e<strong>in</strong>en Kreis um uns,<br />

Herr <strong>Galilei</strong>.<br />

GALILEI Während der Gerichtsvollzieher, Herr Cambione, gerade auf uns zukommt, <strong>in</strong>dem<br />

er was für e<strong>in</strong>e Strecke zwischen zwei Punkten wählt?<br />

ANDREA gr<strong>in</strong>send: Die kürzeste.<br />

GALILEI Gut. Ich habe was für dich. Sieh h<strong>in</strong>ter den Sterntafeln nach!<br />

Andrea fischt h<strong>in</strong>ter den Sterntafeln e<strong>in</strong> großes hölzernes Modell <strong>des</strong> ptolemäischen<br />

Systems hervor.<br />

ANDREA Ist das wie alle me<strong>in</strong>en, daß die Welt ist?<br />

GALILEI Ja. Beschreib es!<br />

ANDREA In der Mitte ist e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Ste<strong>in</strong>.<br />

GALILEI <strong>Das</strong> ist die Erde.<br />

ANDREA Darum herum s<strong>in</strong>d, immer übere<strong>in</strong>ander, Schalen. Acht.<br />

GALILEI <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d die kristallenen Sphären.<br />

ANDREA Auf den Schalen s<strong>in</strong>d Kugeln angemacht ...<br />

GALILEI Die Gestirne.<br />

ANDREA Die unterste Kugel ist der Mond, das steht drauf. Und darüber ist die Sonne.<br />

© 2011 L&R Uddannelse A/S • Vognmagergade 11 • DK-1148 • København K • Tlf: 43503030 • Email: <strong>in</strong>fo@lru.dk<br />

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Hvad er matematik? C, i-bog<br />

ISBN 978 87 7066 499 8<br />

GALILEI Und jetzt laß die Sonne laufen.<br />

ANDREA bewegt die Schalen: <strong>Das</strong> ist schon. Aber wir s<strong>in</strong>d so e<strong>in</strong>gekapselt.<br />

GALILEI sich abtrocknend: Ja, das fühlte ich auch, als ich das D<strong>in</strong>g zum ersten Mal sah.<br />

E<strong>in</strong>ige fühlen das. Mauern und Schalen und Unbeweglichkeit! Durch zweitausend Jahre<br />

glaubte die Menschheit, daß die Sonne und alle Gestirne <strong>des</strong> Himmels sich um sie<br />

drehten. Der Papst, die Kard<strong>in</strong>ale, die Fürsten, Gelehrten, Kapitäne, Kaufleute,<br />

Fischweiber und Schulk<strong>in</strong>der glaubten, unbeweglich <strong>in</strong> dieser kristallenen Kugel zu sitzen.<br />

Aber jetzt fahren wir heraus, Andrea.<br />

Denn die alte Zeit ist herum und es ist e<strong>in</strong>e neue Zeit. Seit hundert Jahren ist es, als<br />

erwartete die Menschheit etwas. Die Städte s<strong>in</strong>d eng und so s<strong>in</strong>d es die Köpfe.<br />

Aberglauben und Pest. Aber jetzt heißt es: da es so ist, bleibt es nicht so. Denn alles<br />

bewegt sich, me<strong>in</strong> Freund.<br />

Auf unserm alten Kont<strong>in</strong>ent ist e<strong>in</strong> Gerücht entstanden: es gibt neue Kont<strong>in</strong>ente. Und seit<br />

unsere Schiffe zu ihnen fahren, spricht es sich auf den lachenden Kont<strong>in</strong>enten herum: das<br />

große gefürchtete Meer ist e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Wasser.<br />

Und es ist e<strong>in</strong>e große Lust aufgekommen, die Ursachen aller D<strong>in</strong>ge zu erforschen: warum<br />

der Ste<strong>in</strong> fallt, den man lösläßt, und wie er steigt, wenn man ihn hochwirft.<br />

Jeden Tag wird etwas gefunden. Selbst die Hundertjährigen lassen sich noch von den<br />

Jungen <strong>in</strong>s Ohr schreien, was Neues entdeckt wurde.<br />

Da ist schon viel gefunden, aber da ist mehr, was noch gefunden werden kann. Und so<br />

gibt es wieder zu tun für neue Geschlechter. Die alten Lehren, die tausend Jahre geglaubt<br />

wurden, s<strong>in</strong>d ganz baufällig. An diesen Gebäuden ist weniger Holz als an den Stützen, die<br />

halten sollen. <strong>Das</strong> neue Wissen aber ist e<strong>in</strong> Neubau, von dem nur das Gerüst steht. Selbst<br />

die Lehre <strong>des</strong> großen Kopernikus ist noch nicht bewiesen. Aber die Menschheit wird bald<br />

Bescheid wissen über ihre Wohnstatte, den Himmelskörper, auf dem sie haust. Was <strong>in</strong> den<br />

alten Büchern steht, das genügt ihr nicht mehr.<br />

Denn wo der Glaube tausend Jahre gesessen hat, ebenda sitzt jetzt der Zweifel. Alle Welt<br />

sagt: ja, das steht <strong>in</strong> den Büchern, aber laßt uns jetzt selbst sehn.<br />

Den gefeiertsten Wahrheiten wird auf die Schulter geklopft, was nie bezweifelt wurde, das<br />

wird jetzt bezweifelt.<br />

Dadurch ist e<strong>in</strong>e Zugluft entstanden, welche sogar den Fürsten und Prälaten die<br />

goldgestickten Röcke lüftet, so daß fette und dürre Be<strong>in</strong>e darunter sichtbar werden, Be<strong>in</strong>e<br />

wie unsere Be<strong>in</strong>e.<br />

Die Himmel, hat es sich herausgestellt, s<strong>in</strong>d leer. Darüber ist e<strong>in</strong> fröhliches Gelachter<br />

entstanden.<br />

Aber das Wasser der Erde treibt die neuen Sp<strong>in</strong>nrocken, und auf den Schiffswerften, <strong>in</strong><br />

den Seil- und Segelhäusern regen sich fünfhundert Hände <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Ordnung.<br />

Selbst die Söhne der Fischweiber laufen <strong>in</strong> die Schulen. Auf den Markten wird von den<br />

Gestirnen gesprochen.<br />

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Hvad er matematik? C, i-bog<br />

ISBN 978 87 7066 499 8<br />

<strong>Es</strong> hat immer geheißen, die Gestirne s<strong>in</strong>d an e<strong>in</strong>em kristallenen Gewölbe angeheftet, daß<br />

sie nicht herunterfallen können. Jetzt haben wir Mut gefaßt und lassen sie im Freien<br />

schweben, ohne Halt, und sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> großer Fahrt, gleich uns, ohne Halt und <strong>in</strong> großer<br />

Fahrt.<br />

<strong>Das</strong> Weltall aber hat über Nacht se<strong>in</strong>en Mittelpunkt verloren und am Morgen hatte es<br />

deren unzählige. So daß jetzt jeder als Mittelpunkt angesehen wird und ke<strong>in</strong>er. Denn da<br />

ist viel Platz plötzlich.<br />

Unsere Schiffe fahren weit h<strong>in</strong>aus, unsere Gestirne bewegen sich weit im Raum herum,<br />

selbst im Schachspiel die Türme gehen neuerd<strong>in</strong>gs weit über alle Felder.<br />

So daß der Dichter sagt: O früher Morgen <strong>des</strong> Beg<strong>in</strong>nens! O Hauch <strong>des</strong> W<strong>in</strong><strong>des</strong>, der von<br />

neuen Küsten kommt!<br />

ANDREA Sie müssen Ihre Milch tr<strong>in</strong>ken, denn dann kommen sofort wieder Leute.<br />

GALILEI Hast du, was ich dir gestern sagte, <strong>in</strong>zwischen begriffen?<br />

ANDREA Was? <strong>Das</strong> mit dem Drehen?<br />

GALILEI Ja?<br />

ANDREA Ne<strong>in</strong>. Warum wollen Sie denn, daß ich es begreife? <strong>Es</strong> ist so schwer und ich b<strong>in</strong><br />

im Oktober erst dreizehn.<br />

GALILEI Ich will gerade, daß auch du es begreifst. Dazu arbeite ich und kaufe die Bücher,<br />

statt den Milchmann zu bezahlen.<br />

ANDREA Aber ich sehe doch, daß die Sonne abends woanders halt als morgens. Da kann<br />

sie doch nicht stillstehn! Nie und nimmer.<br />

GALILEI Du siehst! Was siehst du? Du siehst gar nichts. Du glotzt nur. Glotzen ist nicht<br />

sehen. Er stellt den eisernen Waschschüsselständer <strong>in</strong> die Mitte <strong>des</strong> Zimmers. Also das ist<br />

die Sonne. Setz dich. Andrea setzt sich auf e<strong>in</strong>en Stuhl. <strong>Galilei</strong> steht h<strong>in</strong>ter ihm. Wo ist die<br />

Sonne, rechts oder l<strong>in</strong>ks?<br />

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