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Verena Kasper-Marienberg<br />

„vor Euer Kayserlichen Mayestät Justiz-Thron“


Schriften des Centrums für Jüdische Studien<br />

Band 19<br />

Reihenherausgeber: Klaus Hödl


Verena Kasper-Marienberg<br />

„vor Euer<br />

Kayserlichen Mayestät<br />

Justiz-Thron“<br />

Die Frankfurter jüdische Gemeinde<br />

am Reichshofrat in josephinischer Zeit<br />

(1765–1790)<br />

<strong>StudienVerlag</strong><br />

Innsbruck<br />

Wien<br />

Bozen


Gedruckt mit der Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF) D 4343-G18.<br />

© 2012 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck<br />

E-Mail: order@studienverlag.at<br />

Internet: www.studienverlag.at<br />

Buchgestaltung nach Entwürfen von Kurt Höretzeder<br />

Satz und Umschlag: Studienverlag/Georg Toll, www.tollmedia.at<br />

Umschlagabbildung: HHStA, RHR, Decisa K 334, Qdr. 5, unfol., graphische Bearbeitung:<br />

Thilo Kasper<br />

Registererstellung durch die Autorin<br />

Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier.<br />

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek<br />

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<br />

abrufbar.<br />

ISBN 978-3-7065-4974-5<br />

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie,<br />

Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages<br />

reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt<br />

oder verbreitet werden.


Inhaltsverzeichnis<br />

Danksagung 9<br />

Einführung 11<br />

Kapitel I Jüdische Prozessparteien am Reichshofrat im 18. Jahrhundert –<br />

quantitative Befunde<br />

1 Die Quellenbestände des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien<br />

und ihre Besonderheiten 25<br />

1.a Die historische Entwicklung der Bestandsserien 25<br />

1.b Aktenüberlieferung und Resolutionsprotokolle 28<br />

1.c Begriffsdefinitionen und Richtlinien der Verwendung 35<br />

2 Prozessfrequenzen 37<br />

2.a Prozessaufkommen am Reichshofrat mit jüdischer Beteiligung<br />

1559–1800 37<br />

2.b Prozessaufkommen mit jüdischer Beteiligung im 18. Jahrhundert<br />

in Bezugsetzung zu kaiserlichen Regierungszeiten 42<br />

2.c Prozessaufkommen jüdischer Gemeinden und deren Anteil<br />

an innerjüdischen Konflikten 50<br />

3 Soziale und geographische Verteilung der Prozessparteien<br />

in Verfahren von Frankfurter Juden am Reichshofrat 53<br />

3.a Geographische und soziale Herkunft der Kläger und Beklagten 53<br />

3.b Kombination der geographischen und ständischen Verteilung 56<br />

Kapitel II Das Reichshofratskollegium im sozialen Gefüge<br />

des Alten Reichs<br />

1 Reichshofratspersonalia 59<br />

1.a Reichshofräte – eine Positionsbestimmung 61<br />

1.b Die Reichshofräte unter Joseph II. 67<br />

2 Die Reichshofräte von Steeb 74<br />

2.a Johann Jakob von Steeb 74<br />

2.b Johann Baptist von Steeb 88<br />

2.c Zwei Generationen Reichshofräte 95<br />

2.d Jüdisches Umfeld Augsburg – Wien 101<br />

Kapitel III Argumentieren vor Gericht<br />

1 Prozesspraxis 113<br />

1.a Handeln ohne Worte – formales Agieren im Prozess 118<br />

2 „Wider alle Rechte und Freiheiten“ –<br />

Rechtliche Argumentationsstrategien 127


2.a Die Verfahrensgeschichten 130<br />

2.b Argumentationsanalytik – Methodische Vorüberlegungen 148<br />

2.c Formalien des Argumentierens – Rechtsbeibringung 149<br />

2.d „Hundert Jahr unrecht, ist keine Stunde recht“ – Rechtsquellen 156<br />

2.d.1 Handel 161<br />

2.d.2 Gemeindemitgliedschaft und Bann 179<br />

2.d.3 Immobilien, Chaluta und Bann 215<br />

2.d.4 Zeremonial und Bann 233<br />

2.d.5 Gerichtseid 239<br />

2.d.6 Totum pro parte – ein jüdischer Privatprozess 244<br />

2.d.7 Übergreifende rechtliche Argumentationsmuster 246<br />

3 Selbst- und Fremdbilder als Argumentationsstrategie<br />

der jüdischen Gemeindeleitung 253<br />

3.a Eigene Rollenbilder zwischen Ideal und Schreckensszenario 256<br />

3.b Diffamierung und Fremdbild 267<br />

3.c Konfliktperspektiven 273<br />

Abschließende Bemerkungen und Ausblick 279<br />

Quellenverzeichnis und Bibliographie 292<br />

Abkürzungs-, Tabellen-, Diagramm- und Abbildungsverzeichnis 328<br />

Anhang 331<br />

Ethnographische und juristische Literaturverweise im Quellensample 331<br />

Fallanalysen 339<br />

F1 Abzugsgelder 341<br />

F2 Gewölbe 348<br />

F3 Weißmehl 355<br />

F4 Bingen Stättigkeit I 360<br />

F5 Bingen Stättigkeit II 364<br />

F6 Nachsteuer 368<br />

F7 Bamberger 373<br />

F8 Taschengeleit 378<br />

F9 Zucker-, Tee-, Kaffeehandel 381<br />

F10 Reglement 384<br />

F11 Oppenheimer 388<br />

F12 Kastenmeisterwahl 390<br />

F13 Zipper Bann 393<br />

F14 Schreiber Tephillin 396<br />

F15 Dessauer Attestat 402<br />

F16 Branntweinhandel 406<br />

F17 Geiß/Krämer I 411<br />

F18 Geiß/Krämer II 416<br />

F19 Hanna Stättigkeit 421<br />

F20 Sichel Stättigkeit 430<br />

F21 Arnsteiner Stättigkeit 435<br />

F22 Viktualien- und Holzeinkauf 438


F23 Mayer Bann 444<br />

F24 Wertheimer Stiftung 450<br />

F25 Wallich Bann 455<br />

F26 Zeugeneid 459<br />

F27 Wallich Chelude 465<br />

F28 Verbot Schulbann 468<br />

F29 Beer Chelude 471<br />

F30 Schwab Bann 474<br />

Register 481<br />

I. Personenregister 481<br />

II. Sachregister 497


Danksagung<br />

Die diesem Band zugrundeliegende Arbeit wurde im Juli 2009 von der Geisteswissenschaftlichen<br />

Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz als Dissertation<br />

angenommen. Die Drucklegung wurde dankenswerterweise durch<br />

einen großzügigen Druckkostenzuschuss des FWF – Fonds zur Förderung der<br />

wissenschaftlichen Forschung ermöglicht. Dem Centrum für Jüdische Studien<br />

der Universität Graz, insbesondere meinen KollegInnen Klaus Hödl, Gerald<br />

Lamprecht und Petra Ernst, ebenso wie dem Studienverlag danke ich für die<br />

Aufnahme in ihre Schriftenreihe.<br />

Ich hatte das große Glück, diese Arbeit im Rahmen einer Tätigkeit als wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Universität Graz<br />

schreiben zu können. Die Einbindung in den universitären Lehr- und Forschungsbetrieb<br />

empfand ich dabei als Motivation und Bereicherung, ebenso wie<br />

die vielen wissenschaftlichen Gespräche und Diskussionen, die sich dadurch<br />

alltäglich ergaben und die diese Arbeit um viele Ideen bereichert haben.<br />

Mein größter Dank gilt meiner Doktormutter und akademischen Lehrerin<br />

Univ.-Prof. Dr. Gabriele Haug-Moritz, durch die ich die, mittlerweile umstrittene,<br />

Eins zu Eins Betreuung im besten nur möglichen Sinne erfahren habe. Sie hat das<br />

Entstehen dieser Arbeit mit so wenig Druck wie möglich, aber so viel wie nötig,<br />

begleitet, hatte immer ein offenes Ohr für Fragen, Zweifel und Nöte und schuf,<br />

wo immer möglich, Gelegenheiten, Kontakte herzustellen und mein Projekt in<br />

diversen nationalen und internationalen Foren vorzustellen. Das gab mir die<br />

unschätzbare Möglichkeit, frei und unabhängig zu arbeiten, aber trotzdem zu<br />

wissen, dass ich fachlich wie menschlich immer eine kompetente, vertrauensvolle<br />

und mir wohlgesinnte Anlaufstelle hatte. Vor allem aber hat sie durch ihre<br />

eigene Begeisterung für unser Fach mein Herz an die Frühe Neuzeit gebunden.<br />

Den Einstieg in die, wahrlich nicht leicht zu überblickenden, Wiener Archivbestände<br />

vermittelten mir Barbara Staudinger (Wien) und Eva Ortlieb (Wien).<br />

Eva Ortlieb ebenso wie Friedrich Battenberg (Darmstadt), Sabine Ullmann<br />

(Eichstätt) und Tobias Schenk (Wien) haben Teile der Arbeit kritisch gelesen,<br />

wichtige Hinweise gegeben und einiges richtig gestellt – dafür mein aufrichtiger<br />

und herzlicher Dank! Stefan Litt (Jerusalem/Graz), der als Zweitgutachter<br />

meiner Dissertation fungierte, begleitete diese Arbeit ebenfalls mit viel Engagement<br />

und gewährte mir zudem Einblick in seine Editionsarbeit der Frankfurter<br />

Gemeindestatuten von 1675, was meine Erkenntnisse aus den Akten<br />

so manches Mal ernüchternd gegenspiegelte – dafür mein bester Dank. Mein<br />

Mann Evyatar Marienberg (Chapel Hill) war mir, besonders in der Schlussphase<br />

dieser Arbeit und der Druckvorbereitung, eine große Unterstützung<br />

9


– für alle Fragen des jüdischen Rechts war er außerdem mein stets hilfsbereiter<br />

תודה רבה רבה ! mehr: und kompetenter Ansprechpartner. Dafür und für so vieles<br />

Im Rahmen eines Post Doc-Stipendiums in Jerusalem, finanziert von der<br />

Yad Hanadiv/Rothschild Foundation im akademischen Jahr 2009/2010 war es<br />

mir möglich, die Dissertation für die Drucklegung zu überarbeiten und um<br />

wichtige biographische Details zu erweitern. Der Foundation für die Gewährung<br />

des Stipendiums, ebenso wie für die unvergessliche Möglichkeit, ein Jahr<br />

in Jerusalem verbringen zu können, mein Dank. Edward Fram (Beer Sheva),<br />

der in dieser Zeit mein academic advisor war, habe ich neben seinem wertvollen<br />

fachlichen Rat und Hilfestellungen in den Jerusalemer Bibliotheken und Archiven<br />

nicht zuletzt für einen unvergesslichen Besuch bei einem sofer stam in Mea<br />

Shearim zu danken, dem ich bei seiner Arbeit mit Tephillin zuschauen durfte.<br />

Stephan Wendehorst (Gießen/Wien) danke ich für die Möglichkeit, die<br />

Mi kro fil me des Verfilmungsprojektes jüdischer Prozesse des RHR, das in<br />

Kooperation des Simon Dubnow Instituts Leipzig, des MPI für Rechtsgeschichte<br />

Frankfurt und des HHStA Wien entstand, für meine Arbeit zu nutzen.<br />

Auch Christian Steeb (Graz/Klagenfurt) bin ich zu großem Dank verpflichtet,<br />

weil er der neugierigen Doktorandin, die in sein Grazer Antiquariat mit der<br />

scheinbar absurden Frage kam, ob er eventuell der Nachfahre der Reichshofräte<br />

von Steeb sei, tatsächlich großzügig die Arbeit mit den umfangreichen<br />

Familienarchivalien gestattete.<br />

Viele weitere geschätzte KollegInnen haben bei der Entstehung und Überarbeitung<br />

dieser Arbeit an unterschiedlichen Stellen entscheidende Hinweise<br />

und Hilfestellungen gegeben – Cilli Kasper-Holtkotte (Kairo), Lucia Raspe<br />

(Frankfurt) und Jakob Eisler (Ludwigsburg) seien stellvertretend für viele weitere<br />

genannt und Ihnen allen mein Dank ausgesprochen.<br />

Zu danken habe ich insbesondere auch meinen FreundInnen und KollegInnen,<br />

die mir bei der Fertigstellung dieser Arbeit mit unermüdlichem<br />

Korrekturlesen, unzähligen Diskussionen, Gesprächen und Hilfestellungen,<br />

vor allem aber mit ihrer Freundschaft zur Seite standen: Stephanie Moisi insbesondere<br />

für diverse Runden sorgfältiger Korrekturen, ebenso Lisa Allram,<br />

Thomas Schreiber, Heidelinde Pollerus, Marlies Raffler und Katrin Schlegel.<br />

Wenngleich mich diese Arbeit in Excel mehr als geschult hat, bedurfte doch<br />

einiges der professionellen Hand der Graphikerin – Selâle Serter (Trier) hat<br />

sich deshalb den Diagrammen und Abbildungen angenommen.<br />

Meiner wunderbaren Familie sei dieses Buch für ihre unschätzbare Liebe<br />

und Unterstützung mit dem herzlichsten Dank gewidmet!<br />

Graz, den 31.01.2012<br />

10


Einführung<br />

„Übrigens aber stehen die Juden eben so gut als christliche Unterthanen,<br />

unter dem Schutz Ihro kayserlichen Majestät und der Obrigkeit. Sie haben in<br />

den Sachen, welche nicht der Religion wegen, oder nach dem Herkommen,<br />

besondere Gesätze erfordern, und aus dem Mosaischen Recht entschieden<br />

werden müssen, einerley Recht mit allen andern Einwohnern, und wenn sie<br />

sich beleidiget erachten, stehet ihnen der Weg zu dem Thron, der Weg zu<br />

den Reichsgerichten offen […].“ 1<br />

Mit diesen Worten wandten sich die Frankfurter Baumeister 1771 als Vorsteher<br />

und im Namen der jüdischen Gemeinde in Frankfurt an den Reichshofrat in<br />

Wien, um sich gegen ein Urteil des Frankfurter Schöffenrates zur Wehr zu<br />

setzen. Sie zeichnen damit gleichsam den Weg vor, mit dem sich diese Arbeit<br />

den Prozessen von und gegen Juden, und dabei insbesondere Frankfurter<br />

Juden, am kaiserlichen Reichshofrat während der Regierungszeit Josephs II.<br />

annähern möchte. Bevor jedoch auf die forschungsleitenden Fragestellungen<br />

näher eingegangen werden soll, sei zunächst die Position des Reichshofrates im<br />

institutionellen Gefüge des Reiches beleuchtet sowie der Bezug dieses Gerichts<br />

zu den Juden im Reich.<br />

Der Wiener Reichshofrat (RHR) als kaiserliches Höchstgericht im Heiligen<br />

Römischen Reich Deutscher Nation erfuhr mit der Neubewertung und Wiederentdeckung<br />

der Reichsgeschichte 2 in der historischen Forschung einen<br />

zunehmenden Bedeutungswandel. Er war zuvor im Vergleich zu dem zweiten<br />

Höchstgericht im Reich, dem Reichskammergericht (RKG), das als vermeintlich<br />

wichtigster Wegbereiter des modernen deutschen Justizwesens bereits früh<br />

und umfassend erforscht wurde, 3 nahezu unbeachtet geblieben. Seine Funktion<br />

1 HHStA, RHR, Obere Registratur, K 276/3, S. 422, 423. Gegenbericht der Frankfurter jüdischen<br />

Gemeinde an den Reichshofrat vom 12. Juli 1771 im Appellationsverfahren „Appellationis, den<br />

Verkauf und Crämerey des Weismehls in der Juden-Gass betreffend“.<br />

2 Siehe dazu als aktuellen Forschungsüberblick Stollberg-Rilinger, Barbara: Das Heilige Römische<br />

Reich Deutscher Nation: vom Ende des Mittelalters bis 1806, München 2006. Gotthard, Axel:<br />

Das Alte Reich 1495–1806, 3., durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage, Darmstadt<br />

2006. Sodann Neuhaus, Helmut: Das Reich in der frühen Neuzeit, München 1997. Durchhardt,<br />

Heinz: Deutsche Verfassungsgeschichte 1495–1806, Stuttgart/Berlin/Köln 1991. Aretin, Karl<br />

Otmar von: Das Alte Reich (1648–1806), 3 Bde., Stuttgart 1993–1997.<br />

3 Es sei auf die grundlegende Studie von Ranieri verwiesen, der u.a. ein System zur Erschließung<br />

und quantitativen Erforschung der Reichskammergerichtsakten entwickelte, das auch für die<br />

momentan laufenden Reichshofratserschließungsprojekte maßgeblich wurde. Ranieri, Filippo:<br />

Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption. Eine rechts- und sozialgeschichtliche<br />

11


nicht nur als politisch beratendes Regierungsgremium sowie Verwaltungsbehörde<br />

der kaiserlichen Reservatrechte und des Fiskalwesens, sondern auch<br />

als Gericht wurde aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive insbesondere<br />

durch die Arbeiten von Volker Press und Peter Moraw erstmals hervorgehoben.<br />

4 Die Vernachlässigung der gerichtlichen Funktion des Reichshofrats in der<br />

historischen wie rechtswissenschaftlichen Forschung folgte dabei der bereits<br />

zeitgenössisch geringeren Rezeption der reichshofrätlichen Spruchtätigkeit. So<br />

wurde er besonders von ständischer Seite oftmals als parteiisches und katholisch<br />

dominiertes, weil kaiserliches Gericht angesehen, nicht zuletzt da die<br />

Richter bzw. Reichshofräte vom Kaiser ernannt, entlassen und auch bezahlt<br />

wurden, die Stände also keinen Einfluss auf die Besetzung nehmen konnten,<br />

ganz im Gegensatz zum Reichskammergericht. 5<br />

Dazu trug bei, dass es am Reichshofrat keine so klar formalisierten Verfahren<br />

wie am Reichskammergericht gab, was die längste Zeit als negativ gewertet<br />

wurde und im Sinne des Verfahrensrechts in der zeitgenössischen juristischen<br />

Publizistik bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts daher auch weniger<br />

Niederschlag fand. 6 Erst die neuere Forschung konnte zeigen, dass die weniger<br />

Analyse der Tätigkeit des Reichskammergerichts im 16. Jahrhundert, Bde. 1–2, Köln 1985. Als<br />

Forschungsüberblick sowohl zu Reichskammergericht wie zu Reichshofrat siehe Ortlieb, Eva/<br />

Westphal, Siegrid: Höchstgerichtsbarkeit im Alten Reich – Einführung. In: zeitenblicke 3 (2004),<br />

Nr. 3, URL: http://www.zeitenblicke.de/2004/03/ortlieb/index.html (letzter Abruf: 20.12.2011).<br />

4 Press, Volker: Die kaiserliche Stellung im Reich zwischen 1648 und 1740 – Versuch einer Neubewertung.<br />

In: Press, Volker: Das Alte Reich. Ausgewählte Aufsätze, hg. von Johannes Kunisch,<br />

Berlin 1997, S. 189–222. Press, Volker: Der Reichshofrat im System des frühneuzeitlichen Reiches.<br />

In: Battenberg, Friedrich/Ranieri, Filippo (Hrsg.): Geschichte der Zentraljustiz in Mitteleuropa.<br />

Festschrift für Bernhard Distelkamp, Weimar/Köln/Wien 1994, S. 349–362. Moraw,<br />

Peter: Reichshofrat, in: HRG, Bd. 4, Berlin 1990, S. 630–638.<br />

5 Haug-Moritz, Gabriele: Des „Kaysers rechter Arm“: Der Reichshofrat und die Reichspolitik des<br />

Kaisers. In: Klueting, Harm/Schmale, Wolfgang (Hrsg.): Das Reich und seine Territorialstaaten<br />

im 17. und 18. Jahrhundert. Aspekte des Mit-, Neben- und Gegeneinanders, Münster 2004,<br />

S. 23–42, bes. S. 31–35.<br />

6 Als zeitgenössisch wichtige Werke zum Reichshofrat sind u.a. zu nennen: Herchenhahn, Johann<br />

C.: Darstellung der reichshofräthlichen ordentlichen Verfahrungsart nebst einer Abhandlung<br />

über das Studium des reichsgerichtlichen Processes, und eines Entwurfs von den Mitteln, Processen<br />

zuvorzukomen, oder gerichtliche Kriege abzukürzen, Mannheim 1793. Herchenhahn,<br />

Johann C.: Geschichte der Entstehung und gegenwärtigen Verfassung des kaiserlichen Reichshofraths<br />

nebst der Verhandlungsart der bei demselben vorkommenden Geschäft, 2 Bände,<br />

Mannheim 1792. Hanzely, Vincenz: Grundlinien der heutigen Reichshofrathspraxis im Allgemeinen,<br />

mit erläuternden Anmerkungen und Beyspielen, Nördlingen 1778. Malblanck, Julius<br />

Friedrich: Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-Gerichts- und Kanzleyverfassung<br />

und Praxis, o.O. 1791. Moser, Johann Jacob: Alte und Neue Reichs-Hof-Raths-<br />

Conclusa, so in lauter causis illustribus ergangen, oder doch sonsten ihrem Inhalt nach vor<br />

andern merckwürdig seynd; zur Forsetzung und Ergänzung beeder vorhergehender Sammlungen,<br />

wie auch zur Erläuterung des allgemeinen und besondern Staats-Rechts, und der Historie<br />

Teutschlands und dessen Stände, an das Licht gestellet von, Band 4, Leipzig/Ebersdorf 1745.<br />

Siehe dazu auch Sellert, Wolfgang: Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat im<br />

Vergleich mit den gesetzlichen Grundlagen des reichskammergerichtlichen Verfahrens, Aalen<br />

1973, S. 39–52.<br />

12


formalisierte Verfahrensführung, die „normativen Lücken“, 7 die Flexibilität<br />

oder den eigentlichen Handlungsspielraum des Reichshofrats bildeten. Aber<br />

auch in der ständisch geprägten, preußisch-kleindeutschen Historiographie<br />

fand der Reichshofrat keinen Platz, da er als Zentralgewalt in Österreich angesiedelt<br />

und an Hof und Person des Kaisers gebunden zu sein schien. Somit<br />

wurde er weiter als kaiserliches Kampfinstrument abgetan, ohne seine Breitenwirkung<br />

für das Reich in den Blick zu nehmen. In der österreichischen<br />

Geschichtsforschung andererseits fand man keine Anknüpfungspunkte zu<br />

diesem Reichsgericht, da sich die Reichsdimension nicht mehr in der erneuerten<br />

Traditionsbildung wieder fand, die zunehmend auf das 1804 gegründete<br />

Österreichische Kaisertum und nicht auf die führende Rolle des Hauses Habsburg<br />

in der beinahe 1000-jährigen Geschichte des Alten Reiches fokussierte. 8<br />

Der Reichshofrat hatte aber tatsächlich im Gegensatz zum Reichskammergericht<br />

nicht nur einen weiteren Wirkungsbereich, der beinahe 16 heutige europäische<br />

Staatsgebiete 9 umfasste, an ihn gelangten vor allem auch die politisch relevanten<br />

Prozesse wie Landstände gegen Landesherren, Verfassungskonflikte der Reichsstädte,<br />

Schutz mindermächtiger und mittlerer Reichsstände oder eben Juden- und<br />

Untertanenprozesse. Für die politische wie rechtliche Struktur des Alten Reiches<br />

sind dessen Spruchtätigkeit und die daraus entstandenen Aktenbestände daher<br />

kaum an Bedeutung zu überschätzen, insbesondere wenn man sich vergegenwärtigt,<br />

dass „politische Macht sich in der Kompetenz niederschlägt, Recht auszulegen<br />

und den eigenen Rechtsvorstellungen Geltung zu verschaffen“. 10 Auch wenn bislang<br />

lediglich durch eine Stichprobenuntersuchung auf Gesamtumfang und -verteilung<br />

des Prozessaufkommens geschlossen werden kann, zeigt doch bereits diese, dass<br />

insbesondere im 18. Jahrhundert in Spitzenzeiten dreimal so viele Prozesse am<br />

Reichshofrat wie am Reichskammergericht geführt wurden, im Durchschnitt für<br />

den Gesamtzeitrahmen 18. Jahrhundert immerhin 1,6 mal soviel. 11<br />

Neben den Standardwerken zu Personalstruktur und Verwaltungsapparat<br />

des Reichshofrats von Oswald von Gschließer 12 und Lothar Groß, 13 die trotz<br />

7 Haug-Moritz, Gabriele: Der Reichshofrat und die Reichspolitik des Kaisers, S. 27.<br />

8 Vergleiche dazu Fellner, Fritz: Geschichtsschreibung und nationale Identität: Probleme und<br />

Leistungen der österreichischen Geschichtswissenschaft, Wien/Köln/Weimar 2002.<br />

9 Siehe dazu Sellert, Wolfgang: Projekt einer Erschließung der Akten des Reichshofrats. In: Sellert,<br />

Wolfgang (Hrsg.): Reichshofrat und Reichskammergericht. Ein Konkurrenzverhältnis,<br />

Köln/Weimar/Wien 1999, S. 203. Auer, Leopold: Such- und Erschließungsstrategien für die<br />

Prozessakten des Reichshofrats. In: Sellert, Wolfgang (Hrsg.): Reichshofrat und Reichskammergericht,<br />

S. 211.<br />

10 Haug-Moritz, Gabriele: Der Reichshofrat und die Reichspolitik des Kaisers, S. 24.<br />

11 Ortlieb, Eva/Polster, Gerd: Die Prozessfrequenz am Reichshofrat (1519–1806). In: ZNR 26<br />

(2004), Nr. 3/4, S. 189–216, hier S. 207.<br />

12 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat. Bedeutung und Verfassung, Schicksal und Besetzung<br />

einer obersten Reichsbehörde von 1559 bis 1806, Wien 1942.<br />

13 Groß, Lothar: Die Geschichte der Deutschen Reichshofkanzlei von 1550 bis 1806, Wien 1933.<br />

13


Entstehungskontext in den 1930er und 40er Jahren nach wie vor unverzichtbar<br />

für jegliche Forschungen zum Reichshofrat geblieben sind, waren es zunächst<br />

vor allem Rechtshistoriker wie Wolfgang Sellert, die seit den 1970er Jahren<br />

erstmals die normativen prozessrechtlichen Gegebenheiten am Reichshofrat<br />

untersuchten, wobei bereits früh durch Sabine Frey die Prozesse mit jüdischer<br />

Beteiligung ins Blickfeld rückten. 14 Auch die Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung<br />

in Wetzlar hat in ihren Publikationsreihen und durch<br />

die Gründung und Verwaltung des Netzwerkes „Reichsgerichtsbarkeit“ den<br />

Reichshofrat zunehmend eingebunden. 15 Vor allem in den letzten zehn Jahren<br />

wurden nun einige grundlegende historische Studien zum Reichshofrat als<br />

Gericht mit territorialen, 16 sachbezogenen 17 oder personengeschichtlichen 18<br />

Bezügen vorgelegt. Dabei standen besonders die politisch bedeutsamen, Reichsund<br />

Territorialebene verknüpfenden Lokal-Kommissionen im Mittelpunkt. 19<br />

14 Frey, Sabine: Rechtsschutz der Juden gegen Ausweisungen im 16. Jahrhundert, Frankfurt am<br />

Main/Bern/New York 1983 (Jur. Diss.). Sellert, Wolfgang.: Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae<br />

am Reichshofrat im Vergleich mit den gesetzlichen Grundlagen des reichskammergerichtlichen<br />

Verfahrens, Aalen 1973. Sellert, Wolfgang (Hrsg.): Die Ordnungen des Reichshofrates 1550–<br />

1766, 2 Bde., Köln/Wien 1980–1990. Leyers, Peter: Reichshofratsgutachten an Kaiser Josef II.,<br />

Bonn 1976 (Jur. Diss.). Uhlhorn, Manfred: Der Mandatsprozess sine clausula des Reichshofrats,<br />

Wien 1990. Hartmann-Polomski, Carola: Die Regelung der gerichtsinternen Organisation und<br />

des Geschäftsgangs der Akten als Maßnahmen der Prozessbeschleunigung am Reichshofrat,<br />

Göttingen 2000 (Jur. Diss.). Baumann, Anette: Jüdische Reichskammergerichtsprozesse aus den<br />

Reichstädten Frankfurt und Hamburg. Eine quantitative Annäherung. In: Gotzmann, Andreas/<br />

Wendehorst, Stephan (Hrsg.): Juden im Recht. Neue Zugänge zur Rechtsgeschichte der Juden im<br />

Alten Reich, Berlin 2007, S. 297–316.<br />

15 So unter anderem in den Sammelbänden: Diestelkamp, Bernhard (Hrsg.): Oberste Gerichtsbarkeit<br />

und zentrale Gewalt im Europa der Frühen Neuzeit. Köln/Weimar/Wien 1996. Sellert,<br />

Wolfgang (Hrsg.): Reichshofrat und Reichskammergericht. Baumann, Anette et al. (Hrsg.):<br />

Reichspersonal. Funktionsträger für Kaiser und Reich, Köln 2003. Siehe zum Netzwerk<br />

Reichsgerichtsbarkeit Amend, Anja et al.: Netzwerk Reichsgerichtsbarkeit. In: zeitenblicke 3<br />

(2004), URL: http://www.zeitenblicke.de/2004/03/baumann3/baumann3.<strong>pdf</strong> (letzter Abruf<br />

20.12.2011).<br />

16 Westphal, Siegrid: Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung. Reichsgerichtsbarkeit<br />

in den thüringischen Territorialstaaten 1648–1806, Köln/Weimar/Wien 2002.<br />

Freitag, Tobias/Jörn, Nils: Zur Inanspruchnahme der obersten Reichsgerichte im südlichen<br />

Ostseeraum 1495–1806. In: Jörn, Nils/North, Michael (Hrsg.): Die Integration des südlichen<br />

Ostseeraumes in das Alte Reich, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 39–141. Haug-Moritz, Gabriele:<br />

Württembergischer Ständekonflikt und deutscher Dualismus. Ein Beitrag zur Geschichte des<br />

Reichsverbands in der Mitte des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1992.<br />

17 Ehrenpreis, Stefan: Kaiserliche Gerichtsbarkeit und Konfessionskonflikt: der Reichshofrat unter<br />

Rudolf II. 1576–1612, Göttingen 2006.<br />

18 Hughes, Michael: Law and politics in eighteenth century Germany. The Imperial Aulic Council<br />

in the reign of Charles VI, Suffolk 1988.<br />

19 Ortlieb, Eva: Im Auftrag des Kaisers. Die kaiserlichen Kommissionen des Reichshofrats und<br />

die Regelung von Konflikten im Alten Reich (1637–1657), Wien 2001. Ullmann, Sabine: Geschichte<br />

auf der langen Bank. Die Kommissionen des Reichshofrats unter Kaiser Maximilian<br />

II. (1564–1576), Mainz 2006. Fimpel, Martin: Reichsjustiz und Territorialstaat. Württemberg<br />

als Kommissar von Kaiser und Reich im Schwäbischen Kreis (1648–1806), Tübingen 1999. Ullmann,<br />

Sabine: Schiedlichkeit und gute Nachbarschaft. Die Verfahrenspraxis der Kommissionen<br />

des Reichshofrats in den territorialen Hoheitskonflikten des 16. Jahrhunderts. In: Stollberg-<br />

14


Während Volker Press bereits 1981 die Bedeutung der reichshofrätlichen<br />

Verfahren für die jüdische Frühneuzeitgeschichte hervorgehoben hatte, 20 war<br />

es in erster Linie Barbara Staudinger, die für den Zeitraum 1559–1670 erstmals<br />

umfänglich die Quellenbestände des Reichshofrates auf jüdische Prozessparteien<br />

hin untersuchte und erste quantitative Ergebnisse und Einblicke in den<br />

Umgang mit Juden in der Prozesspraxis des Reichshofrats vorgelegt hat. 21<br />

Gleichwohl bleiben die Desiderate der Reichshofratsforschung mehr als<br />

zahlreich. Nach wie vor ist beispielsweise der tatsächliche Umfang und Inhalt<br />

der archivalischen Bestände nur eine geschätzte Größe. Ein von der Göttinger<br />

Akademie der Wissenschaften finanziertes Projekt begann 2007 mit der<br />

Erschließung der Akten im Archiv des Reichshofrats im Wiener Haus-, Hofund<br />

Staatsarchiv nach Bestandsserien, wobei die Erschließung von zwei der elf<br />

Serien der Judizialregistratur, etwa 25% des Aktenmaterials, in einem Zeitraum<br />

von 18 Jahren geplant ist. 22 Dies zeigt bereits deutlich, dass es noch Generationen<br />

dauern wird, bis zunächst die Archivbestände überhaupt erschlossen<br />

sein werden und mit gesicherten Zahlen gearbeitet werden kann. Unbekannte<br />

Variable bleiben dabei nach wie vor die Aktenauslieferungen nach 1806 an die<br />

verschiedenen Staatsarchive 23 sowie die noch nicht bezifferbaren Aktenverluste,<br />

die nur durch eine ergänzende Auswertung der Protokolle erkennbar<br />

Rilinger, Barbara/Krischer, André (Hrsg.): Herstellung und Darstellung von Entscheidungen.<br />

Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne, Berlin 2010, S. 129–155.<br />

20 Press, Volker: Kaiser Rudolf II. und der Zusammenschluß der deutschen Judenheit. Die sogenannte<br />

Frankfurter Rabbinerverschwörung von 1603 und ihre Folgen. In: Haverkamp, Alfred<br />

(Hrsg.): Zur Geschichte der Juden im Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit,<br />

Stuttgart 1981, S. 243–293.<br />

21 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat. Jüdische Rechtsstellung und Judenfeindschaft<br />

am Beispiel der österreichischen, böhmischen und mährischen Juden 1559–1670, Wien 2001<br />

(ungedr. phil. Diss.). Dies.: „Gelangt an eur kayserliche Majestät mein allerunterthenigstes Bitten“.<br />

Handlungsstrategien der jüdischen Elite am Reichshofrat im 16. und 17. Jahrhundert. In:<br />

Hödl, Sabine/Rauscher, Peter/Staudinger, Barbara (Hrsg.): Hofjuden und Landjuden. Jüdisches<br />

Leben in der Frühen Neuzeit, Berlin/Wien 2004, S. 143–183. Dies.: Die Resolutionsprotokolle<br />

des Reichshofrats als Quelle zur jüdischen Geschichte. In: Baumann, Anette/Westphal, Siegrid/<br />

Wendehorst, Stephan/Ehrenpreis, Stefan (Hrsg.): Prozessakten als Quelle. Neue Ansätze zur Erforschung<br />

der Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Köln/Wien/Weimar 2001, S. 119–140.<br />

Dies.: Ritualmord und Schuldklage. Prozesse fränkischer Juden vor dem Reichshofrat im 16.<br />

und 17. Jahrhundert. In: Taddey, Gerhard (Hrsg.): … geschützt, geduldet, gleichberechtigt …<br />

Die Juden im baden-württembergischen Franken vom 17. Jahrhundert bis zum Ende des Kaiserreichs<br />

(1918), Ostfildern 2005, S. 47–59.<br />

22 Siehe dazu Schenk, Tobias: Ein Erschließungsprojekt für die Akten des kaiserlichen Reichshofrats.<br />

In: Archivar 63 (2010), S. 285–290, URL: http:// www.archive.nrw.de/ archivar/ hefte/ 2010/ ausgabe3/<br />

Archivar_3_10.<strong>pdf</strong> (letzter Abruf 20.12.2011). Sellert, Wolfgang: Einblicke in bisher kaum genutzte<br />

Quellen, URL: http:// adw-goe.de/ forschung/ forschungsprojekte-akademienprogramm/<br />

erschliessung-der-akten-des-kaiserlichen-reichshofrates/ (letzter Abruf 20.12.2011). Dem Großprojekt<br />

ging ein Erschließungsprojekt eines Teilbestandes 1999 bis 2003 voraus – siehe dazu: Ortlieb,<br />

Eva: Die ‚Alten Prager Akten‘ im Rahmen der Neuerschließung der Akten des Reichshofrats<br />

im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. In: MÖStA 51 (2004), S. 593–634.<br />

23 Battenberg, Friedrich: Reichshofratsakten in den deutschen Staatsarchiven. Eine vorläufige Bestandsaufnahme.<br />

In: Sellert, Wolfgang: Reichshofrat und Reichskammergericht, S. 221–240.<br />

15


würden. Erst nach Erhebung all dieser Daten wird tatsächlich das gesamte<br />

Ausmaß der Spruchtätigkeit dieses Gerichts erkannt werden können. Aber<br />

auch das reichshofrätliche Personal – allen voran die Richter (Reichshofräte)<br />

und Anwälte (Agenten) – ist seit den Kurzbiographien von Gschließer nicht<br />

weiter systematisch erforscht worden, insbesondere die Agenten werden erst<br />

in jüngster Zeit Gegenstand der Forschung. 24 Dem stehen umfangreiche prosopographische<br />

Werke auf Seiten des Reichskammergerichts gegenüber, deren<br />

Ergebnisse jedoch zwingend mit den Personalverhältnissen am Reichshofrat<br />

kontextualisiert werden müssten, arbeitete doch an beiden Gerichten dieselbe<br />

Juristenelite des Reiches, die nicht nur in der akademischen Bildung und<br />

peregrinatio academica vielfach miteinander sozialisiert wurde, sondern auch<br />

durch den Personalaustausch der beiden Gerichte in engster Wechselwirkung<br />

stand. 25 Der dritte noch weitgehend ausstehende Forschungskomplex betrifft<br />

die Prozesspraxis des Reichshofrats, die tatsächlichen Verfahrensformen, Verfahrensverläufe,<br />

Verhandlungsführungen, Entscheidungsfindungsprozesse etc.,<br />

wie sie sich eben nicht aus der normativen Literatur, also zeitgenössischer Publizistik<br />

und Reichshofratsordnungen, ergeben, sondern aus dem Aktenmaterial.<br />

Die dabei zu erwartenden Diskrepanzen zu den bisherigen Annahmen dürften<br />

enorm sein, wie es die Studien zu Kommissionen und territorial beschränkten<br />

Konflikten bereits eindrücklich zeigen.<br />

Die vorliegende Arbeit möchte an diesen drei Desideratkomplexen ansetzen<br />

und nimmt daher auch von den judizialen Quellenbeständen des Reichshofrats<br />

ihren Ausgang. Anknüpfend an die Forschungen von Barbara Staudinger werden<br />

dabei zunächst die quantitativen Erhebungen zur Prozessbeteiligung von<br />

Juden systematisch komplettiert. Der zeitliche Rahmen wurde auf das 18. Jahrhundert<br />

beschränkt, womit nun erstmals ein beinahe vollständiges Bild für das<br />

Prozessaufkommen am Reichshofrat mit jüdischer Beteiligung während der<br />

Frühen Neuzeit entstehen kann. Dass dabei in einem einkreisenden Vorgang<br />

der Fokus von der jüdischen Prozesstätigkeit allgemein zu den Prozessen mit<br />

Beteiligung von Frankfurter Juden und sodann zu den Frankfurter jüdischen<br />

24 Siehe dazu Ehrenpreis, Stefan: Die Reichshofratsagenten: Mittler zwischen Kaiserhof und Territorien.<br />

In: Baumann, Anette et al. (Hrsg.): Reichspersonal. Funktionsträger für Kaiser und<br />

Reich, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 165–177. Das derzeit laufende Dissertationsprojekt von<br />

Thomas Dorfner an der Universität Münster, Betreuung: Barbara Stollberg-Rilinger, verspricht<br />

grundlegend neue Forschungserkenntnisse insbesondere auch zu Aspekten der informellen Tätigkeit<br />

von Reichshofratsagenten im 17. und 18. Jahrhundert zu liefern.<br />

25 Siehe für das Reichskammergericht, wobei immer wieder Bezug genommen wird auf das Personal<br />

des Reichshofrats, vor allem Jahns, Sigrid: Das Kammergericht und seine Richter, 2 Bde.,<br />

Köln 2002. Burgdorf, Wolfgang: Die reichsrechtliche peregrinatio academica im 18. Jahrhundert.<br />

In: Baumann, Anette et al. (Hrsg.): Reichspersonal, S. 21–57. Baumann, Anette: Advokaten<br />

und Prokuratoren, Anwälte am Reichskammergericht (1690–1806), Köln/Wien/Weimar 2006.<br />

16


Gemeindeprozessen während der Regierungszeit Josephs II. im Besonderen<br />

wanderte, ergab sich gleichsam automatisch aus der Erhebung der Daten, wie<br />

in Kapitel I weiter ausgeführt wird.<br />

Ebenfalls aus der Bearbeitung des Aktenmaterials heraus bildete sich die<br />

Idee einer Schwerpunktbildung, eines eigenen Kapitels bezüglich der personalen<br />

Struktur des Reichshofrates über die, wie bereits ausgeführt, wenig bekannt<br />

ist. Dies war der grundlegenden Überlegung geschuldet, dass die kollegiale<br />

Beratungsweise bei reichshofrätlichen Verhandlungen die hohe Bedeutung<br />

des Einzelreferenten für Darstellung und Entscheidungsgrundlage der einzelnen<br />

Verfahren bedingte. Da für gewöhnlich nur der referierende Reichshofrat<br />

die Prozessakten sah und bearbeitete, seinen Gremiumskollegen die<br />

Fallinhalte sowie sein Votum vorstellte und dieser Vortrag die alleinige Basis<br />

der reichshofrätlichen Entscheidungen war, konnte er zweifellos hochgradig<br />

Einfluss auf deren Entscheidungsfindung nehmen. Dabei korrespondierte das<br />

Ergebnis einer deutlich zu erkennenden Spezialisierung zweier Reichshofräte<br />

auf Frankfurter jüdische Gemeindeprozesse in josephinischer Zeit mit dem<br />

glücklichen Zufall, dass deren Familienarchiv noch erhalten und zugänglich<br />

war. Obwohl daher exemplarisch vorgegangen werden musste, eröffnet dies<br />

dennoch die Möglichkeit, erstmals konkrete Einblicke in die Rekrutierungsund<br />

Spezialisierungsmechanismen des Reichshofrats zu bekommen und sie mit<br />

den Ergebnissen der Forschungen zu den Richtern des Reichskammergerichts<br />

in Beziehung zu setzen (Kapitel II).<br />

Den Hauptschwerpunkt dieser Arbeit bildet jedoch die Analyse der Pro zesspra<br />

xis, die systematisch am Korpus der 28 Frankfurter jüdischen Gemeindeprozesse<br />

während der Regierungszeit Josephs II. bearbeitet wurde. Diese<br />

wurden zu einem Großteil unter dem Rubrum der Appellation an den Reichshofrat<br />

gebracht und bildeten beinahe durchgehend die Weiterführung städtischer<br />

Konflikte zwischen den Frankfurter jüdischen Gemeindevorstehern,<br />

dem Frankfurter Magistrat sowie einzelnen jüdischen Gemeindemitgliedern<br />

unter umgekehrten Vorzeichen. Dabei lag erstmals auch ein besonderer Fokus<br />

auf den Verfahrensmechanismen, also dem formalen Agieren der Prozessparteien<br />

in den Prozessen am Reichshofrat, das als „Handeln ohne Worte“<br />

interpretiert wird. Damit soll an die Forschung zu vormodernen Verfahren<br />

angeknüpft werden, die in den letzten zehn Jahren damit begonnen hat, die<br />

hohe Bedeutung von Verfahrensformen, -techniken und -mechanismen für<br />

politische Institutionen und Gremien herauszuarbeiten. 26 Für jurisdiktionelle<br />

26 Siehe dazu Stollberg-Rilinger, Barbara (Hrsg.): Vormoderne politische Verfahren. In: ZHF-Beiheft<br />

25 (2001), S. 489–527.<br />

17


Gremien jedoch wurde diese Untersuchungsperspektive bislang nicht erprobt,<br />

wenngleich sie, wie die vorliegende Studie zeigen soll, auch in diesem Kontext<br />

nicht weniger bedeutsam ist.<br />

Dieser „formalen Analyse“ folgt eine Untersuchung der rechtlichen Argumentationsstrategien<br />

der Prozessparteien. Dies meint vor allem, dass in<br />

Anlehnung an die Forschungen von Peter Oestmann zur Rechtsanwendung<br />

am Reichskammergericht untersucht werden soll, welche Rechtsquellen in welchem<br />

Argumentationskontext eingebracht wurden. 27 Von besonderem Interesse<br />

ist dabei, in welchem Umfang sich die jüdische Prozesspartei nicht nur auf<br />

ihre kaiserlichen Privilegien stützte, sondern ihre Rechtsansprüche auch aus<br />

anderen Rechtsquellen wie der kaiserlichen Rechtsanwendung, der Observanz,<br />

dem gemeinen Recht, dem jüdischen Recht etc. herleitete und am Reichshofrat<br />

geltend machen konnte. Dass sich dies je nach Kontext unterscheiden würde,<br />

war anzunehmen und soll daher auch vergleichend betrachtet werden. Dazu<br />

wurden wiederum repräsentative Fallgruppen mit Verfahren, denen ähnlich<br />

gelagerte Konfliktlinien zugrunde lagen, gebildet und diese sowohl Fallgruppenimmanent<br />

als auch für das ganze ausgewählte Korpus auf übergreifende<br />

rechtliche Argumentationsmuster befragt.<br />

Während des Aktenstudiums wurde außerdem an vielen Stellen deutlich,<br />

dass ergänzend zur rechtlichen eine politisch-normative Argumentation zum<br />

Tragen kam, innerhalb derer die Konfliktparteien sowohl sich selbst als auch<br />

ihr Gegenüber im gesellschaftlichen Gefüge positionierten. Auch diese vor<br />

allem auf rhetorisch-persuasive Wirksamkeit bedachte Argumentationsstrategie<br />

soll im Hinblick auf die jüdischen Prozessbeteiligten und deren Kon struktion<br />

von Selbst- und Fremdbildern untersucht werden (Kapitel III).<br />

Dass speziell die Frankfurter jüdische Gemeinde insbesondere im dritten Kapitel<br />

in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt wurde, bedarf der Erklärung.<br />

Es ergab sich aus den Erhebungen für das jüdische Prozessaufkommen im 18.<br />

Jahrhundert eine überproportionale Präsenz sowohl von Frankfurter jüdischen<br />

Einzelklägern als auch der jüdischen Gemeinde am Reichshofrat (siehe<br />

dazu Kapitel I). Dabei erstaunte insbesondere das Auftreten von Prozessen<br />

der jüdischen Gemeinden als Ganzes, da bislang angenommen wurde, dass<br />

der Reichshofrat zunehmend nur noch für Schuldenklagen und nur für die<br />

jüdische Finanzelite im Reich zur Verfügung stand. 28 Auch ging die Forschung<br />

27 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht. Rechtsanwendung und Partikularrecht im Alten<br />

Reich, Frankfurt am Main 2002. Ders. (Hrsg.): Zwischen Formstrenge und Billigkeit. Forschungen<br />

zum vormodernen Zivilprozeß, Köln/Weimar/Wien 2009.<br />

28 Siehe dazu Staudinger, Barbara: „Gelangt an eur kayserliche Majestät mein allerunterthenigstes<br />

Bitten“. Handlungsstrategien der jüdischen Elite am Reichshofrat im 16. und 17. Jahrhundert.<br />

In: Hödl, Sabine/Rauscher, Peter/Staudinger, Barbara (Hrsg.): Hofjuden und Landjuden,<br />

18


islang davon aus, dass jüdische Gemeinden im 18. Jahrhundert zunehmend<br />

bis völlig ihre Autonomie verloren bzw. wo eine solche noch erhalten war,<br />

sei diese von der lokalen Obrigkeit kontrolliert und gesteuert worden. Der<br />

Durchgriff der Obrigkeit auf ihre Untertanen sei also gerade in den jüdischen<br />

Gemeinden besonders schnell und umfassend gelungen. 29 Dies ist nicht zuletzt<br />

einer die längste Zeit stark an den preußischen Juden orientierten Forschung<br />

zuzuschreiben, die besonders im 18. Jahrhundert als „Wiege“ der Haskalah,<br />

der jüdischen Aufklärung, das Bild jüdischen Lebens im Reich retrospektiv<br />

dominierte. 30 Mit Frankfurt einen besonders kaisernahen Raum herauszugreifen,<br />

scheint hingegen die Umkehrbewegung darzustellen und birgt die Gefahr,<br />

ebenfalls verzerrte Ergebnisse zu liefern. Denn freilich war die Frankfurter<br />

jüdische Gemeinde als größte jüdische Gemeinde neben Prag im Alten Reich<br />

eine ganz besondere Gemeinde, deren Rabbinatsgericht besonderes Ansehen<br />

genoss und die, da der Kaiser Frankfurter Stadtherr war, einen direkten Zugang<br />

zum Reichshofrat hatte, der anderen Gemeinden je stärker die Territorialgewalt<br />

ausgeprägt, umso mehr verwehrt war. Gänzlich versperrt war dieser Zugang<br />

zum kaiserlichen Gericht offenbar beispielsweise den Landjudenschaften, von<br />

denen sich nur ein Prozess im ganzen 18. Jahrhundert nachweisen ließ. Spätestens<br />

aber wenn man bedenkt, dass 90% aller Juden in der Frühen Neuzeit auf<br />

dem Land lebten, 31 wird klar, dass es nicht das Ziel einer solchen Studie sein<br />

kann, repräsentative Ergebnisse für das jüdische Leben im Reich anzubieten.<br />

Mag dies noch für die quantitativen Erhebungen in Hinblick auf Frankfurt und<br />

S. 143–183. Staudinger, Barbara: Von den Rechtsnormen zur Rechtspraxis. Eine Stellungnahme<br />

zu einem Forschungsvorhaben zur Rechtsgeschichte der Juden im Heiligen Römischen Reich.<br />

In: Aschkenas 13/1 (2003), S. 113. Laux, Stephan: Gravamen und Geleit. Die Juden im Ständestaat<br />

der Frühen Neuzeit (15.–18. Jahrhundert), Hannover 2010, S. 104.<br />

29 Siehe dazu als Überblick Breuer, Mordechai/Graetz, Michael: Deutsch-jüdische Geschichte in<br />

der Neuzeit. Band I: 1600–1780, München 1996, S. 239–243. Für die preußischen Judengemeinden<br />

wird dieser Veränderungsprozess besonders deutlich nachgezeichnet von Schmidt, Katja:<br />

Die Entwicklung der Jüdischen Religionsgesellschaft zu einer Körperschaft des öffentlichen<br />

Rechts in der Zeit von 1671 bis 1918 in Preußen – unter besonderer Würdigung der Berliner<br />

Verhältnisse, Berlin 2006.<br />

30 Sehr bezeichnend dafür ist nach wie vor das Handbuch zur Geschichte der Juden in Europa,<br />

in dem das Heilige Römische Reich offenbar 1648 endet, danach wird lediglich zwischen Preußen<br />

und Norddeutschland einerseits, Bayern und Süddeutschland andererseits unterschieden,<br />

Frankfurt beispielsweise, das bei dieser geographischen Zweiteilung wohl in der Mitte anzusetzen<br />

wäre, fällt schlicht aus dem Bild. Kotowski, Elke-Vera/Schoeps, Julius H./Wallenborn,<br />

Hiltrud (Hrsg.): Handbuch zur Geschichte der Juden in Europa, Bd. 1, Darmstadt 2001. Siehe<br />

zur preußischen Judenpolitik im 18. Jahrhundert und einer kritischen Sicht der Forschungslage<br />

zur preußischen Judenpolitik seit Stern – Schenk, Tobias: Wegbereiter der Emanzipation. Studien<br />

zur Judenpolitik des „Aufgeklärten Absolutismus“ in Preußen (1763–1812), Berlin 2010, bes.<br />

S. 29–62.<br />

31 Siehe dazu Breuer, Mordechai/Graetz, Michael: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit.<br />

Band I: 1600–1780, S. 183. Litt, Stefan: Hauptsiedlungsregionen der Juden in Europa, URL:<br />

http://www.historicum.net/themen/juedische-geschichte/themen/hauptsiedlungsregionen/<br />

(letzter Abruf 20.12.2011).<br />

19


möglicherweise auch andere Reichsstädte im Ansatz möglich sein, so endet es<br />

doch zwangsläufig bei der Inhaltsanalyse ausgewählter Verfahren, die immer<br />

kontext-, personen- und zeitgebunden sind. Vielmehr soll also gerade umgekehrt<br />

durch das Herausgreifen der Gemeindeprozesse am Reichshofrat einem<br />

allzu homogenisierenden Bild gegengesteuert werden, das das jüdische Leben<br />

im Reich gänzlich in territoriale Grenzen verschiebt und nur noch die jüdische<br />

Finanzelite als Grenzüberschreiter zur kaiserlichen Ebene wahrnimmt. 32 Ein<br />

solches Bild ergab sich aus einem hauptsächlich territorialen Zugang der Forschungen<br />

zur frühneuzeitlichen Geschichte der Juden. Damit soll gleichwohl<br />

nicht behaupten werden, dass allein der Kaiser und der imperiale Bezugsrahmen<br />

für die Juden im Reich dominant gewesen wäre. 33 Dies mag für die Frankfurter<br />

Juden, wie noch zu zeigen sein wird, in mancherlei Hinsicht zutreffen, für<br />

die meisten anderen jüdischen Gemeinden jedoch nicht. Erst eine inhaltliche<br />

Auswertung aller jüdischen Prozesse am Reichshofrat, die selbstverständlich<br />

anzuregen wäre, wird dazu genauer Auskunft geben können.<br />

Die frühneuzeitliche Geschichte der Frankfurter jüdischen Gemeinde nun hat<br />

trotz deren herausgehobener Stellung unter den jüdischen Gemeinden im Reich<br />

und trotz der umfangreichen und vergleichsweise guten Quellenüberlieferung,<br />

die in Frankfurt noch vorhanden ist, nach den grundlegenden Werken insbesondere<br />

Isidor Kracauers, 34 aber auch Alexander Dietz’ 35 und Markus Horovitz’ 36<br />

zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie Paul Arnsbergs in den 1970er Jahren 37 bis<br />

vor kurzem kaum Aufmerksamkeit in der Forschung erfahren. Einzig die so<br />

genannte Rabbinerverschwörung von 1603 und der so genannte Fettmilchaufstand<br />

1612–16, der zu einer kurzzeitigen Ausweisung der Frankfurter Juden-<br />

32 Siehe zur kritischen Einschätzung der gleichwohl bislang nicht zu ersetzenden Zugänge Ries, Rotraud:<br />

„Die nahen Fremden“ – Juden in der Geschichte der Frühen Neuzeit. Eine Einführung, URL:<br />

http://www.historicum.net/themen/juedische-geschichte/themen/einfuehrung/ (letzter Abruf:<br />

20.12.2011).<br />

33 Siehe dazu Gotzmann, Andreas/Wendehorst, Stephan (Hrsg.): Juden im Recht. Neue Zugänge<br />

zur Rechtsgeschichte der Juden im Alten Reich, Berlin 2007.<br />

34 Kracauer, Isidor: Geschichte der Juden in Frankfurt am Main (1150–1824), 2 Bde., Frankfurt<br />

am Main 1925/27. Kracauer, Isidor: Die Geschichte der Judengasse in Frankfurt am Main In:<br />

Festschrift zur Jahrhundertfeier der Realschule der israelitischen Gemeinde (Philanthropin) zu<br />

Frankfurt am Main 1804–1904, Frankfurt am Main 1904, S. 303–451.<br />

35 Dietz, Alexander: Stammbuch der Frankfurter Juden. Geschichtliche Mitteilungen über die<br />

Frankfurter Jüdischen Familien von 1349–1849, Frankfurt am Main 1907.<br />

36 Horovitz, Markus: Frankfurter Rabbinen. Ein Beitrag zur Geschichte der israelitischen Gemeinde<br />

in Frankfurt am Main. Mit Ergänzungen von Josef Unna, Hildesheim 1972.<br />

37 Arnsberg, Paul: Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution, 3 Bde.,<br />

Darmstadt 1983.<br />

Arnsberg, Paul: Neunhundert Jahre ›Muttergemeinde in Israel‹ Frankfurt am Main 1074–1974.<br />

Chronik der Rabbiner, Frankfurter am Main 1974.<br />

20


gemeinde geführt hatte, wurden Gegenstand umfangreicherer Forschungen. 38<br />

Abgesehen von den Publikationen des Frankfurter Jüdischen Museums, so<br />

unter anderem ein Sammelband 39 und zwei Ausstellungskataloge, 40 die auf die<br />

Frühe Neuzeit fokussieren, sind einige wenige Sammelbände und Aufsätze zu<br />

nennen, die sich aber größtenteils auf die älteren Werke, vor allem Kracauers,<br />

stützen und kaum neues Material erschlossen haben. 41 Jüngst hat nun Andreas<br />

Gotzmann seine sehr materialreiche kulturgeschichtliche Monographie zur<br />

innerjüdischen und städtischen Wahrnehmung der Frankfurter Gemeinde<br />

vorgelegt, die vielfach auch die Überlieferung der Frankfurter Stadtgerichte<br />

miteinbezogen hat und erstmals wieder umfangreiches neues Datenmaterial<br />

bietet. 42 Diese Studie wird ergänzt von der vor allem auf ökonomische, verwandtschaftliche<br />

Netzwerke der Frankfurter Gemeinde im 16. und 17. Jahrhundert<br />

konzentrierten Studie von Cilli Kasper-Holtkotte, die kurz vor Abschluss<br />

dieses Buches erschien. 43 Eine geplante Studie von Gabriela Schlick-Bamberger,<br />

die die Frankfurter Bürgermeisteraudienzprotokolle auf Verfahren mit jüdischer<br />

Beteiligung untersucht, verspricht ebenfalls, grundlegend neue Einblicke<br />

in die städtischen Konfliktlinien zu eröffnen, 44 aus denen vielfach die Prozesse<br />

38 Klein, Birgit: Wohltat und Hochverrat. Kurfürst Ernst von Köln, Juda Bar Chajjim und die<br />

Juden im alten Reich, Hildesheim 2003. Dies.: Die „Frankfurter Rabbinerversammlung“ von<br />

1603: Vorgeschichte, Verordnungen, Folgen. In: Backhaus, Fritz et al. (Hrsg.): Die Frankfurter<br />

Judengasse. Jüdisches Leben in der frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 2006, S. 161–170.<br />

Elhanan, Helen/Ulmer, Rivka: Turmoil, trauma, and triumph – the Fettmilch Uprising in<br />

Frankfurt am Main (1612–1616) according to the Megillas Vintz; a critical edition of the Yiddish<br />

and Hebrew text including an English translation, Frankfurt am Main 2001. Brandt, Robert/Cunitz,<br />

Olaf (Hrsg.): Der Fettmilch-Aufstand: Bürgerunruhen und Judenfeindschaft in<br />

Frankfurt am Main 1612–1616; ein Ausstellungsprojekt des Historischen Museums Frankfurt<br />

in Zusammenarbeit mit dem Historischen Seminar der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität,<br />

Frankfurt am Main 1996.<br />

39 Backhaus, Fritz et al. (Hrsg.): Die Frankfurter Judengasse.<br />

40 Brockhoff, Evelyn et al. (Hrsg.): Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle<br />

1356–1806. Ausstellungskatalog, Frankfurt am Main 2006. Heuberger, Georg (Hrsg.): Die<br />

Pracht der Gebote. Die Judaica-Sammlung des Jüdischen Museums Frankfurt am Main. Ausstellungskatalog,<br />

Köln 2006.<br />

41 Grözinger, Karl E. (Hrsg.): Jüdische Kultur in Frankfurt am Main von den Anfängen bis zur Gegenwart,<br />

Wiesbaden 1997. Dülmen, Richard van: Das Frankfurter Ghetto. Zur Lebensweise und<br />

Kultur der Juden in der frühen Neuzeit. In: Schneider, Reinhard (Hrsg.): Juden in Deutschland.<br />

Lebenswelten und Einzelschicksale, Ringvorlesung der Universität des Saarlandes im WS 1988/89<br />

[Annales Universitatis Saraviensis, Phil. Fakultät 1], St. Ingbert 1994, S. 151–178. Graetz, Michael/<br />

Künzl, Hannelore (Hrsg.): Vom Mittelalter in die Neuzeit – Jüdische Städtebilder. Frankfurt, Prag,<br />

Amsterdam. Essayband zur Jubiläumsausstellung, Heidelberg 1999. Aus kriminalgeschichtlicher<br />

Perspektive mit neuem Quellenmaterial zu Frankfurter Juden arbeitet Eibach, Joachim: Frankfurter<br />

Verhöre. Städtische Lebenswelten und Kriminalität im 18. Jahrhundert, Paderborn 2003.<br />

42 Gotzmann, Andreas: Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit. Recht und Gemeinschaft im<br />

deutschen Judentum, Göttingen 2008.<br />

43 Kasper-Holkotte, Cilli: Die jüdische Gemeinde von Frankfurt/Main in der Frühen Neuzeit. Familien,<br />

Netzwerke und Konflikte eines jüdischen Zentrums, Berlin 2010.<br />

44 Siehe dazu die von ihr bereits erschienen Aufsätze Schlick-Bamberger, Gabriela: Eine jüdische<br />

Elite in Frankfurt am Main im Spannungsfeld von ständischer und bürgerlicher Gesellschaft.<br />

21


esultierten, die als Appellationen vor den Reichshofrat gelangten. Dass diese<br />

Überlieferungen bislang kaum miteinander in Verbindung gebracht wurden,<br />

mag daran liegen, dass in Frankfurt fast keine Gegenüberlieferung der Reichshofratsprozesse<br />

mehr vorhanden ist. 45 Zuletzt sei auch auf die kürzlich vorgelegte<br />

Bearbeitung des Frankfurter Memorbuches durch Tzvia Koren-Loeb 46<br />

verwiesen, auf die derzeit laufende Edition der Frankfurter Gemeindestatuten<br />

von 1675 durch Stefan Litt (Jerusalem/Graz) 47 sowie auf die Bearbeitung der<br />

noch erhaltenen Unterlagen des Frankfurter Rabbinatsgerichts durch Edward<br />

Fram (Be’er Sheva), 48 die ebenfalls grundlegend neues Material zur frühneuzeitlichen<br />

Geschichte der Frankfurter jüdischen Gemeinde vorlegen werden,<br />

und deren Erkenntnisse vereinzelt auch bereits in die vorliegende Arbeit eingeflossen<br />

sind.<br />

Dass für die Quellenanalyse in Kapitel III explizit die Gemeindeprozesse der<br />

Frankfurter jüdischen Gemeinde während der Regierungszeit Josephs II.<br />

1765–90 herausgegriffen wurden, trug dem Gedanken Rechnung, eine vermeintliche<br />

Umbruchszeit der jüdischen Geschichte in den Blick zu bekommen,<br />

die zumindest geistesgeschichtlich mit dem Auftreten der jüdischen<br />

Aufklärer (den Maskilim) den Übergang von der jüdischen Frühen Neuzeit<br />

zur Moderne einläutete, politisch jedoch ganz zentral mit den Toleranzedikten<br />

Josephs II. verbunden wird. Dass in der Forschung zu Joseph II., aber auch zur<br />

jüdischen Geschichte, bislang nicht danach gefragt wurde, inwieweit sich die<br />

Intention der Toleranzedikte, die nur auf den österreichisch-erbländischen<br />

Raum begrenzt waren, auch im politischen Umgang mit den Juden im Reich<br />

äußerte, inwiefern hier also Übereinstimmungen oder Diskrepanzen vorliegen,<br />

mag verwundern. 49 Dieser Befund bildete jedoch den Impuls, genau diesen<br />

Das Beispiel des Wechselmaklers Süskind Isaak Hirschhorn. In: Hartmann, Anja Victorine/<br />

Morawiec, Malgorzata/Voss, Peter (Hrsg.): Eliten um 1800. Erfahrungshorizonte, Verhaltensweisen,<br />

Handlungsmöglichkeiten, Mainz 2000, S. 19–34. Schlick, Gabriela: Zur Rolle der reichsstädtischen<br />

Gerichtsbarkeiten in den Alltagsbeziehungen der Frankfurter Juden im 18. Jahrhundert.<br />

In: Backhaus, Fritz et al. (Hrsg.): Die Frankfurter Judengasse, S. 171–185.<br />

45 Die Sichtung der Findbücher zu den Frankfurter Judenakten im Stadtarchiv Frankfurt ergab die<br />

Gegenüberlieferung von 20 Reichshofratsprozessen, die noch erhalten sind, wobei diese nicht<br />

annähernd vollständig waren. (FStA, JA 43, 55, 58, 72, 84, 96, 146, 173, 195, 196, 197, 198, 209,<br />

248, 249, 257, 274, 301, 305, 383).<br />

46 Koren-Loeb, Tzvia: Das Memorbuch zu Frankfurt am Main – Erschließung und Kommentierung<br />

ausgewählter Themenkreise, Duisburg/Essen 2008, URL: http://duepublico.uni-duisburgessen.de/servlets/DocumentServlet?id=18193&lang=en<br />

(letzter Abruf 20.12.2011).<br />

47 Litt, Stefan (Hrsg.): Jüdische Gemeindestatuten aus dem aschkenasischen Kulturraum 1650–<br />

1850, Göttingen forthcoming 2012.<br />

48 Fram, Edward: A Window on Their World. The Court Diary of Rabbi Hayyim Gundersheim,<br />

Frankfurt am Main (1773–1794), Cincinatti forthcoming 2012.<br />

49 Auch der zuletzt erschienene Band von Derek Beales, der den Toleranzedikten ein umfassendes<br />

Kapitel widmet, verbleibt in seiner Deutung gänzlich in den erbländischen Grenzen. Beales,<br />

Derek: Joseph II, Bd. 2: Against the World, 1780–1790, Cambridge 2009, S. 196–213.<br />

22


Zeitrahmen für die Analyse der Frankfurter jüdischen Gemeindeprozesse zu<br />

wählen, um zu beleuchten, wie gerade die am kaiserlichen Gericht präsenteste<br />

jüdische Gruppe aus dem Reich diese Veränderung möglicherweise erkannte<br />

und aufgriff und ob dies in der Entscheidungsfindung des Reichshofrats bereits<br />

erkennbar Spuren hinterließ. Das vorrangige Erkenntnisinteresse lag dabei stets<br />

in den argumentativen Analysen der jüdischen Gemeinde, deren Prozessgegner<br />

daher nur in ihren Reaktionen, damit gleichwohl aber notwendigerweise<br />

verkürzt in den Blick geraten.<br />

Greift man nun noch einmal auf das an den Anfang dieser Einführung gesetzte<br />

Quellenzitat zurück, so sei hervorgehoben, dass nicht nur die Forschungsdesiderata,<br />

sondern in erster Linie die Quellen selbst die Zugänge und leitenden<br />

Forschungsfragen zu den gesichteten jüdischen, insbesondere den Frankfurter<br />

jüdischen Prozessen bestimmt haben. Denn wenn die Frankfurter Baumeister<br />

etwa den Zugang der Juden zum Thron und zu den Reichsgerichten gleich den<br />

„christlichen Unterthanen“ fordern, so stellt sich daraus von selbst die Frage, in<br />

welchem Umfang denn Juden im Vergleich zur christlichen Umgebung der Weg<br />

zum Thron, der Weg zu den Reichsgerichten, insbesondere zum Reichshofrat,<br />

tatsächlich offen stand. Es gerät aber auch ins Blickfeld, wem sie dabei gegenüberstanden,<br />

also wer ihre gegnerischen Prozessparteien waren und wer ihnen<br />

dabei als Richter zum geforderten Schutz verhalf oder nicht. Inwieweit konnte<br />

ihnen tatsächlich die kaiserliche Majestät und deren Thron, also deren oberstrichterliche<br />

Stellung im Reich, dabei zur Hilfe kommen und welcher Einfluss<br />

ging von der Besetzung dieses Throns, hier im konkreten Fall durch Joseph<br />

II., auf die Prozesstätigkeit jüdischer Kläger oder Beklagter aus? Insbesondere<br />

stellt sich die Frage, mit welchem Recht oder welchen Rechtsquellen den jüdischen<br />

Prozessparteien an diesem Gericht jurisdiktionell begegnet wurde. Die<br />

Frankfurter Baumeister sprachen selbstbewusst von „einerley Recht mit allen<br />

anderen Einwohnern“, aber auch vom „Mosaischen Recht“ und von „Herkommen“,<br />

das für sie zu gelten habe. Sie benannten und forderten damit ganz gezielt<br />

verschiedene Rechtsquellen ein, die zu ihren Gunsten zum Tragen kommen<br />

müssten und die ihnen an den Reichsgerichten zum gewünschten Schutz verhelfen<br />

sollten. Ob sich die Frankfurter Baumeister und ihre Gemeinde damit<br />

tatsächlich argumentativ ihren Weg zum kaiserlichen Thron und dessen Schutz<br />

bahnen konnten, wie sie dies taten und in welchem Umfang – diese Fragen<br />

bilden den Leitfaden der folgenden Untersuchung.<br />

23


Kapitel I<br />

Jüdische Prozessparteien am<br />

Reichshofrat im 18. Jahrhundert –<br />

quantitative Befunde<br />

1 Die Quellenbestände des Haus-, Hof- und Staatsarchivs<br />

Wien und ihre Besonderheiten<br />

1.a Die historische Entwicklung der Bestandsserien<br />

Die Quellenbestände des Reichshofrates im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv<br />

gliedern sich in Gratialia, Feudalia, Judicialia, die Plenipotenz in Italien,<br />

fiskalische Prozesse sowie mit den Verfassungsakten in einen administrativen<br />

Bestand, der neben Organisatorischem auch Personalakten – unter anderem die<br />

Bewerbungsunterlagen einiger Reichshofräte und Agenten, Material zu deren<br />

Besoldung, Nachlässe etc. – umfasst. 1 Für die hier vorliegende quantitative<br />

Analyse wurden ausschließlich die Akten des judicialen Bestands ausgewertet,<br />

für die qualitative Analyse zudem der administrative Bestand hinzugezogen.<br />

Nach einer Schätzung befinden sich derzeit etwa 70.000 Akten in den judicialen<br />

Reichshofratsbeständen im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. 2 Dabei wird<br />

von 10.000 noch erhaltenen archivalischen Einheiten (Kartons) ausgegangen,<br />

die durchschnittlich sieben Akten enthalten sollen. Zudem wird bislang mit<br />

einer Verlustquote von 50% gerechnet, was bedeutet, dass der ursprüngliche<br />

Bestand etwa 140.000 Akten umfasst haben könnte. 3 Da im 18. Jahrhundert<br />

Akten, die einen oder mehrere Kartons umfassen, durchaus häufig vorkommen,<br />

erscheint ein Durchschnitt von sieben Akten pro archivalischer Einheit<br />

für diesen Zeitraum eher unwahrscheinlich. 4 Zudem ist auch die geringe<br />

1 Auer, Leopold: Das Archiv des Reichshofrats und seine Bedeutung für die historische Forschung.<br />

In: Diestelkamp, Bernhard/Scheurmann, Ingrid (Hrsg.): Friedenssicherung und Rechtsgewährung.<br />

Sechs Beiträge zur Geschichte des Reichskammergerichts und der obersten Gerichtsbarkeit<br />

im alten Europa, Bonn/Wetzlar 1997, S. 117–130. Als Überblick über die Bestände siehe<br />

nach wie vor den Beitrag von Groß, Lothar: Die Reichsarchive. In: Bittner, Ludwig (Hrsg.): Gesamtinventar<br />

des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Bd. 1, Wien 1936, S. 273–394.<br />

2 Sellert, Wolfgang: Der Reichshofrat: Begriff, Quellen und Erschließung. In: zeitenblicke 3 (2004),<br />

Nr. 3, URL: http://www.zeitenblicke.de/2004/03/sellert/sellert.<strong>pdf</strong> (letzter Abruf 20.12.2011).<br />

Sellert, Wolfgang: Projekt einer Erschließung der Akten des Reichshofrats, S. 206.<br />

3 Ortlieb, Eva/Polster, Gert: Die Prozessfrequenz am Reichshofrat (1519–1806). In: ZNR 26<br />

(2004), S. 199.<br />

4 Polster beispielsweise kommt für die ersten fünf Bände des Wolfschen Repertoriums (6488<br />

Fälle in 1788 überprüften Kartons) auf eine Durchschnittszahl von 3,6 Akten pro Karton, was<br />

25


Überlieferungsquote für das 18. Jahrhundert wohl nicht zutreffend, worauf<br />

später noch eingegangen werden soll.<br />

Einige der noch erhaltenen archivalischen Einheiten der Judicialia wurden<br />

unter dem Registrator Nicolaus Wolf am Ende des 18. Jahrhunderts neu, jedoch<br />

nicht abschließend geordnet. Es bestanden damals 11 Serien, 5 die Wolf zu<br />

zwei Serien – den Acta currentia der Oberen Registratur und den Acta decisa<br />

zusammenfassen wollte. Da er dieses Vorhaben bis 1806 durch das Ende des<br />

Alten Reichs und die damit einhergehende Auflösung des Reichshofrats nicht<br />

beenden konnte, existiert nun eine Serie Decisa bis zum Klägernamenbuchstaben<br />

G, die Restbestände der Serien Antiqua, Denegata antiqua und Denegata<br />

recentiora ab dem Buchstaben H sowie die von Wolf fertig gestellte Serie Obere<br />

Registratur. Eigenständige Serien blieben die Relationes und die Alten Prager<br />

Akten, während die Acta primae instantiae, Commissionalia und die Vikariatsakten<br />

eingearbeitet wurden. Die Vota ad imperatorem, also Gutachten an<br />

den Kaiser in Prozesssachen, 6 wurde scheinbar nicht in diese Neuordnung<br />

miteinbezogen. Die Serie Relationes enthält die Relationen und Korrelationen<br />

der Reichshofräte zu den Verfahren, die teilweise den Akten beigelegt, teilweise<br />

getrennt von ihnen verblieben. Sie bilden einen der wichtigsten Bestände,<br />

da in den Relationen oftmals die Vota der zuständigen Reichshofräte für die<br />

Sitzungen verzeichnet sind. Sie geben daher Einblick in die Entscheidungsfindung<br />

und -praxis, was über die Akten allein nur unzureichend und indirekt<br />

über die Beschlüsse, soweit vorhanden, möglich ist. Das Potential dieses Quellenbestandes<br />

für die Rechtsdogmatik am Reichshofrat wurde weder von der<br />

zeitgenössischen Reichspublizistik 7 noch von der aktuellen Forschung bislang<br />

genutzt, 8 was als eines der größten Desiderata in der Reichshofratsforschung<br />

gewertet werden muss.<br />

wesentlich realistischer erscheint. Polster, Gert: Die elektronische Erfassung des Wolfschen Repertoriums<br />

zu den Prozeßakten des Reichshofrats im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv. In:<br />

MÖStA 51 (2003), S. 639f.<br />

5 Antiqua, Antiquissima, Denegata antiqua, Denegata recentiora, Acta currentia der Oberen Registratur,<br />

Acta primae instantiae, Acta commissionalia, Relationes, Acta vicariatus, Alte Prager<br />

Akten sowie die Vota – Ortlieb, Eva/Polster, Gerd: Die Prozessfrequenz am Reichshofrat (1519–<br />

1806), S. 193, 195.<br />

6 Siehe hierfür besonders: Leyers, Peter: Reichshofratsgutachten an Kaiser Josef II., Bonn 1976<br />

(Jur. Diss.).<br />

7 Siehe dazu Press, Volker: Der Reichshofrat im System des frühneuzeitlichen Reiches. In: Battenberg,<br />

Friedrich/Ranieri, Filippo (Hrsg.): Geschichte der Zentraljustiz in Mitteleuropa,<br />

S. 360f.<br />

8 Sie werden beiläufig erwähnt bei Ehrenpreis, Stefan: Voten und Relationen des Reichshofrats, in:<br />

zeitenblicke 3 (2004), Nr. 3, URL: http:// www.zeitenblicke.de/ 2004/ 03/ ehrenpreis/ ehrenpreis.<strong>pdf</strong><br />

(letzter Abruf 20.12.2011) – werden jedoch, wie meist, neben den Voten vergessen.<br />

26


Wolf erstellte das heute nach ihm benannte 17bändige Wolfsche Repertorium,<br />

das die von ihm neu geordneten beiden Serien Obere Registratur und Decisa, als<br />

auch die von ihm zur Auflösung vorgesehenen Serien Denegata recentiora und<br />

Denegata antiqua alphabetisch nach Klägern geordnet enthält. Dieses wurde<br />

in einem vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank finanzierten<br />

Projekt zur elektronischen Aufbereitung der Repertorien während der letzten<br />

Jahre sukzessive den Archivbenutzern zugänglich gemacht. 9 Zum Zeitpunkt<br />

der Datenerhebung für diese Untersuchung war bereits ein großer Teil eingearbeitet<br />

und konnte verwendet werden. 10 Der große Vorteil einer elektronischen<br />

Erfassung liegt vor allem in der Möglichkeit der raschen Sortierung<br />

nicht nur nach Klägern, sondern auch nach Beklagten oder chronologischer<br />

Abfolge sowie der Möglichkeit der gezielten Suche anhand von Stichworten,<br />

Prozessformen, Klagegegenstand, Jahr etc. Die letzten Bände des Wolfschen<br />

Repertoriums sowie die zum Zeitpunkt der Erhebung noch nicht in ihm enthaltenen<br />

Repertorien zu den Beständen der für den Untersuchungszeitraum<br />

relevanten Serien Antiqua, Denegata antiqua und Denegata recentiora, Relationes<br />

und Vota wurden daher ebenfalls in die Datenbank integriert, ebenso<br />

wie der Bestand der Badischen Akten 11 . Die Bestände Relationes und Vota<br />

stellen dabei Ergänzungen bzw. Teile der Prozessakten dar, die zumeist nicht<br />

als eigenständige Akten gewertet werden können. 12 Für das 18. Jahrhundert<br />

nicht relevant waren die Serien Antiquissima (1465–1490) und Alte Prager<br />

Akten (Kernzeit 1560–1620), 13 geographisch bzw. institutionell nicht relevant<br />

9 Polster, Gert: Die elektronische Erfassung des Wolfschen Repertoriums, S. 635–649. Stögmann,<br />

Arthur: Die Erschließung von Prozeßakten des Reichshofrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv<br />

in Wien. Ein Projektzwischenbericht. In: MÖStA, 47 (1999), S. 249–265.<br />

10 Für die vorab Zurverfügungstellung der elektronischen Findbehelfe zum Zeitpunkt meiner Archivaufenthalte<br />

2005/2006 gilt mein Dank Herrn Hofrat Dr. Leopold Auer und ganz besonders<br />

Dr. Eva Ortlieb, die die Mühe auf sich nahm, die jüdischen Prozesse aus den bereits digitalisierten<br />

Findbehelfen herauszufiltern.<br />

Mittlerweile sind die Wolfschen Repertorien vollständig elektronisch aufbereitet und vor Ort im<br />

Haus-, Hof- und Staatsarchiv als Exceldateien an PCs im Lesesaal zugänglich. Derzeit wird an<br />

der Verfügbarmachung im Internet gearbeitet, zum Stand des Projektes siehe: URL: http://www.<br />

oesta.gv.at/site/4934/default.aspx (letzter Abruf 20.12.2011). Die Datenbank der <strong>Online</strong>findmittel<br />

findet sich unter URL: http://www.archivinformationssystem.at (letzter Abruf 20.12.2011).<br />

11 Dabei handelt es sich um Akten, die für die Auslieferung an das Großherzogtum Baden vorbereitet<br />

worden waren, welche dann jedoch nicht erfolgte, weshalb sich die Serie nach wie vor im<br />

HHStA befindet. Siehe Sellert, Wolfgang: Projekt einer Erschliessung der Akten des Reichshofrats:<br />

In: Sellert, Wolfgang: Reichshofrat und Reichskammergericht, S. 209 und Groß, Lothar:<br />

Die Reichsarchive, S. 296–308.<br />

12 In Einzelfällen stellt die Überlieferung in diesen beiden Serien jedoch die einzige Dokumentation<br />

von Akten dar, die kassiert wurden oder verloren gingen. Wenngleich im vorliegenden Sample<br />

nicht von Relevanz, müssten sie generell in derlei Fällen doch zur Zählung hinzugezogen<br />

werden.<br />

13 Die Alten Prager Akten werden derzeit erschlossen – siehe dazu: Ortlieb, Eva: Die ‚Alten Prager<br />

Akten‘ im Rahmen der Neuerschließung der Akten des Reichshofrats im Haus-, Hof- und<br />

Staatsarchiv in Wien. In: MÖStA 51 (2004), S. 593–634.<br />

27


die Judicialia latinae expeditionis. 14 Nicht miteinbezogen wurden zudem die<br />

zur Gratialregistratur gehörigen Serien Judicialia miscellanea, Patente und<br />

Steckbriefe, Promotoriales, Moratorien sowie das Fiskalarchiv.<br />

Auf dieser Grundlage lässt sich nun erstmals die Verteilung von Verfahren mit<br />

jüdischer Beteiligung im 18. Jahrhundert errechnen. Er ergibt sich dabei eine<br />

Gesamtverfahrensanzahl von 1385 Verfahren mit jüdischer Beteiligung im<br />

18. Jahrhundert. 15 Sie verteilt sich auf die einzelnen Serien wie folgt: Antiqua<br />

1, Badische Akten 6, Decisa 416, Denegata antiqua 278, Denegata recentiora<br />

457, Obere Registratur 227. Aus den Relationes ergeben sich 166 Verfahren mit<br />

jüdischer Beteiligung, aus den Vota 15, die jedoch, wie erwähnt, meist keine<br />

eigenständigen Verfahren dokumentieren.<br />

1.b Aktenüberlieferung und Resolutionsprotokolle<br />

Die Problematik, bei quantitative Analysen auf die Wiener Findbücher zum<br />

Reichshofratsarchiv zurück zu greifen, hat Sabine Ullmann erneut in ihrer<br />

Habilitationsschrift hervorgehoben. 16 Die Unzuverlässigkeit sowohl bezüglich<br />

Verfahrensart und -dauer, als auch bei Prozessen des Streitgegenstandes und<br />

die Ungenauigkeit in Hinsicht auf die Prozessparteien erlauben es oft nur,<br />

ungefähre Entwicklungsstränge für die Inanspruchnahme des Reichshofrats<br />

herauszuarbeiten. Ergänzend werden daher für Analysen zumeist die Resolutionsprotokolle<br />

verwendet, wie zum Beispiel in den Studien von Ullmann 17<br />

und Staudinger. 18 Für den Zeitraum der Regierung Josephs II. 1765–90 wurden<br />

auch für die vorliegende Untersuchung die 64 einschlägigen Bände der Resolutionsprotokolle<br />

systematisch hinzugezogen. 19<br />

Die Protokolle des Reichshofrats werden gemeinhin in Resolutionsprotokolle<br />

und Exhibitenprotokolle unterschieden. Letztere umfassen alle einlaufenden<br />

Schriftstücke am Reichshofrat, während die Resolutionsprotokolle<br />

14 Die lateinische Expedition umfasst die Akten der romanischen Reichsgebiete, also insbesondere<br />

Reichsitalien und Teile des Burgundischen Kreises. Des Weiteren finden sich, jedoch unsystematisch,<br />

Ansuchen geistlicher Reichsstände, Universitäten und Akademien darin. Siehe Auer,<br />

Leopold: Das Archiv des Reichshofrats und seine Bedeutung für die historische Forschung,<br />

S. 117 sowie Auer, Leopold: Reichshofrat und Reichsitalien. In: Schnettger, Matthias/Verga,<br />

Marcello (Hrsg.): L’Impero e l’Italia nella prima età moderna, Bologna/Berlin 2006, S. 27–40.<br />

15 Siehe zur Problematik und Vorläufigkeit dieser Berechnungen in Hinblick auf jüdische Prozessbeteiligte<br />

Kapitel I.1.c.<br />

16 Ullmann, Sabine: Geschichte auf der langen Bank, S. 45ff. Ebenso Staudinger, Barbara: Juden<br />

am Reichshofrat, S. 175–177.<br />

17 Ullmann, Sabine: Geschichte auf der langen Bank.<br />

18 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat.<br />

19 HHStA Wien, RHR, Prot. res. XVIII, Bände 155–218 (entspricht dem Zeitraum 1765–1790).<br />

28


die Plenarsitzungen des Reichshofrates dokumentieren. 20 Während in<br />

den frühen Protokollbänden sowohl Reinschriften als auch Mitschriften,<br />

ebenso wie mehrere Bände für denselben Zeitraum anzutreffen sind, 21 ist<br />

dies zumindest für das späte 18. Jahrhundert nicht mehr der Fall. Gewöhnlich<br />

sind hier pro Jahr zwei Protokollbände jeweils für die Monate Januar<br />

bis Juli, sodann Juli bis Dezember vorzufinden. Jeder fünfte Protokollband<br />

umfasst etwa einen Zeitraum von anderthalb bis zwei Jahren und unterscheidet<br />

sich inhaltlich gänzlich von den anderen. 22 Erklärend könnte hierfür<br />

folgende bei Groß genannte Kompetenzumverteilung sein: „Um dieser<br />

Ungleichheit [der ungleich höheren Arbeitsbelastung des Reichshofratssekretärs<br />

der deutschen versus der lateinischen Expedition] abzuhelfen, verfügte<br />

der Erzkanzler am 30.07.1748 auf Vorschlag des Reichsvizekanzlers,<br />

dass künftighin der lateinische Reichshofratssekretär die Expedition aller<br />

Privilegienbestätigungen, aller Veniae aetatis [i.e. Volljährigkeitsansuchen],<br />

aller Impressorien [i.e. Druckbefugnisse] sowie jener die Reichsritterschaft<br />

betreffenden Angelegenheiten, welche die Korpora oder Kantone der Ritterschaft<br />

angingen, einschließlich der Streitsachen und schließlich alle minderen<br />

Lehenssachen haben sollte.“ 23 Es ist zu vermuten, dass es sich hierbei<br />

um die Agenden jener Protokollbände handelt, umfassen sie doch, soweit<br />

sich dies bei der unsystematischen Durchsicht der Indices bemerken ließ,<br />

hauptsächlich reichsritterschaftliche Ansuchen sowie Privilegienbestätigungen,<br />

Prozesse mit jüdischer Beteiligung fanden sich darin beispielsweise<br />

überhaupt nicht. Sie scheinen, wenngleich vom Reichshofratssekretär der<br />

lateinischen Expedition verfasst, inhaltlich auch nicht einer lateinischen<br />

Expedition der Resolutionsprotokolle zugeordnet werden zu können. 24 Ob<br />

sie daher in ihrer eng geführten inhaltlichen und nicht primär chronologisch<br />

an den Sitzungsverläufen orientierten Ausrichtung den eigentlichen Resolutionsprotokollen<br />

überhaupt zugehörig sind, scheint fraglich, kann aber<br />

hier nur Vermutung bleiben. Für das jüdische Prozessaufkommen können<br />

sie jedenfalls ausgeklammert werden.<br />

20 Siehe hierzu Groß, Lothar: Die Geschichte der Deutschen Reichshofkanzlei, S. 247–256.<br />

21 Ullmann, Sabine: Geschichte auf der langen Bank, S. 47.<br />

22 HHStA Wien, RHR, Prot. res. XVIII, Bände 157, 162, 167, 172, 177, 182, 187, 192, 197, 202, 207,<br />

212, 216/217.<br />

So bemerkt auch bei Auer, Leopold/Ortlieb, Eva: Die Akten des Reichshofrats und ihre Bedeutung<br />

für die Geschichte der Juden im Alten Reich. In: Gotzmann, Andreas/Wendehorst, Stephan<br />

(Hrsg.): Juden im Recht, S. 37: „Außerdem wurden in die Reihe [der Resolutionsprotokolle<br />

des 18. Jahrhunderts] auch Protokolle anderer Provenienz eingereiht“, jedoch ohne Erklärung.<br />

23 Groß, Lothar: Die Geschichte der Deutschen Reichshofkanzlei, S. 105f.<br />

24 So für das 16. und 17. Jahrhundert noch eindeutig zuordenbar, siehe Staudinger, Barbara: Juden<br />

am Reichshofrat, S. 182, Fußnote 630.<br />

29


Die Resolutionsprotokollbände geben zunächst den Sitzungstag, sodann die<br />

anwesenden Reichshofräte an. Dabei scheint die Reihung der Namen der Anwesenden<br />

die Hierarchie und möglicherweise zugleich die Sitzordnung gemäß<br />

der Aufteilung in Herren- und Gelehrtenbank, aber auch innerhalb der Bänke<br />

hierarchisch von oben nach unten widerzuspiegeln. Damit würde sie also recht<br />

exakt die Rangordnung abbilden. 25 Dies kann beispielsweise folgendermaßen<br />

aussehen:<br />

Lunae, 28. August 1769<br />

praesentibus<br />

Excell[entissi]mo D[omino] V. P[raeside] D.K. ab Hagen<br />

[Herrenbank]<br />

D[ominis] C[onsiliariis] [Aulicis]ab Überacker<br />

D[ominis] C[onsiliariis] [Aulicis]a Sternberg<br />

D[ominis] C[onsiliariis] [Aulicis] a Windischgraz<br />

D[octorem/omus] ad Thüngen<br />

Secr[etari]o Reizer<br />

Secr[etari]o a Stock<br />

[Ritter- und Gelehrtenbank]<br />

D[ominis] B[aronis] a Bartenstein<br />

D[ominis] B[aronis] ab Hillebrand<br />

D[octorem/omus] a Gartner<br />

D[octorem/omus] a Steeb<br />

D[ominis] B[aronis] a Münch<br />

D[octorem/omus] ab Hess<br />

Tabelle 1: Exemplarische Anwesenheitsliste einer Reichshofratsplenarsitzung 26<br />

Eine ähnliche Formalisierung hat Tim Neu für Landtagsprotokolle des 18. Jahrhunderts<br />

im Fürstbistum Münster als symbolische Verräumlichung der politisch-sozialen<br />

Hierarchie innerhalb der Landtagssitzungen heraus gearbeitet. 27<br />

Dabei sei zu beachten, dass der sozial höhere Status im Falle Münsters des<br />

Domkapitels im Vergleich zur Ritterschaft – im vorliegenden Falle analog der<br />

Herrenbank im Vergleich zur Ritter- und Gelehrtenbank –, durch Präferenz<br />

der linken Seite, „weil im Lesefluss ersten Stelle, wie es auch die Anbringung<br />

von Siegeln an Urkunden belegt“, 28 besonders hervorgehoben sei. Es werde<br />

also nicht direkt auf eine räumliche Anordnung verwiesen, sondern vielmehr<br />

auf die „hierarchische Verfasstheit“ 29 der Institution bzw. des Gremiums. In<br />

den RHR-Protokollen wird dies noch unterstrichen durch die Erstnennung<br />

des RHR-Präsidenten bzw. hier seines Stellvertreters Freiherr Johann Hugo<br />

25 Dies erwähnt auch Ehrenpreis, Stefan: Die Reichshofratsagenten, S. 111, jedoch ohne weitere<br />

Schlussfolgerung.<br />

26 HHStA, RHR, Prot. res. XVIII, Bd. 166.<br />

27 Neu, Tim: Inszenieren und Beschließen. Symbolisierungs- und Entscheidungsleistungen der<br />

Landtage im Fürstbistum Münster. In: Westfälische Forschungen, 57 (2007), S. 265.<br />

28 Neu, Tim: Inszenieren und Beschließen, S. 265.<br />

29 Neu, Tim: Inszenieren und Beschließen, S. 266.<br />

30


von Hagen linksseitig sowie durch die deutlich abgesetzte Nennung der RHR-<br />

Sekretäre an letzter Stelle. Wie bei den Landtagsprotokollen richtete sich dabei<br />

„die Inszenierung an die Teilnehmer selbst“, 30 denn auch die reichshofrätlichen<br />

Sitzungen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. 31 Jedoch handelte<br />

es sich bei solchen Landtagen vor allem um politische Gremien und damit um<br />

„vormoderne politische Verfahren“, die sich laut Barbara Stollberg-Rilinger<br />

dadurch auszeichnen, „dass sie symbolische Funktionen erfüllten, die nicht<br />

in erster Linie dazu dienten, die im Verfahren getroffenen Entscheidungen zu<br />

legitimieren, sondern dazu, die gesamte gesellschaftliche Ordnung zu bekräftigen,<br />

von deren Strukturen diese Verfahren noch in hohem Maße abhängig<br />

waren.“ 32 Ob dies in gleichem Maße auf gerichtliche Gremien übertragen werden<br />

kann, ist noch ungeklärt, wobei gerade das reichshofrätliche gerichtliche<br />

Gremium auch eine genuin politische Funktion hatte und die symbolische<br />

die instrumentelle oder funktionsgebundene Dimension nicht ausschließt<br />

und umgekehrt. Eventuell verweisen solche Kongruenzen vielmehr auf die<br />

übergreifende Geltung von symbolischen Formen der Darstellung und damit<br />

gleichzeitig Legitimierung sozialen Rangs in der altständischen Gesellschaft<br />

– in politischen Kontexten ebenso wie in jurisdiktionellen. 33<br />

Im weiteren Verlauf der reichhofrätlichen Sitzungen laut Protokoll folgt sodann<br />

die Auflistung der vorgestellten Fälle nach dem Muster x contra y in puncto<br />

z mit den jeweiligen Beschlüssen, wobei jedem Fall der zuständige Referent<br />

vorangestellt ist:<br />

30 Neu, Tim: Inszenieren und Beschließen, S. 270.<br />

31 Zum Zeremoniell des Reichshofrats im Vergleich bsp.weise zum RKG bezügliche Ort, Kleidung,<br />

Würde, bildliche Darstellungen etc. siehe Stollberg-Rilinger, Barbara: Die Würde des Gerichts.<br />

Spielten symbolische Formen an den Höchsten Reichgerichten eine Rolle? In: Oestmann, Peter<br />

(Hrsg.): Zwischen Formstrenge und Billigkeit, S. 191–216.<br />

Auszüge aus den Protokollbänden des Reichshofrats hingegen fanden in Abschriften durchaus<br />

ihren Weg an die Prozessparteien und erfuhren damit doch eine gewisse begrenzte öffentliche<br />

Wahrnehmung – für diesen Hinweis aus dem derzeit laufenden Erschließungsprojekt der Alten<br />

Prager Akten danke ich Dr. Tobias Schenk (Wien).<br />

32 Stollberg-Rilinger, Barbara: Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – Thesen<br />

– Forschungsperspektiven. In: ZHF 31 (2004), S. 489–527, hier S. 523.<br />

33 Die Erforschung symbolischer Kommunikation vor Gericht fokussiert bislang vor allem auf<br />

zeremonielle Formen und Formeln vor Gericht, Rangkonflikte sowie den Gebrauch von Rechtssymbolen<br />

beziehungsweise die Darstellung von Gerichten, Gerichtspersonal und Rechtsakten<br />

in Texten und Bildern. Siehe dazu als neuesten Überblick: Schulze, Reiner: Symbolische Kommunikation<br />

vor Gericht in der Frühen Neuzeit, Berlin 2006. Siehe auch: Stollberg-Rilinger, Barbara:<br />

Rang vor Gericht. Zur Verrechtlichung sozialer Rangkonflikte in der frühen Neuzeit. In:<br />

ZHF 28 (2001), S. 385–418.<br />

Die beiden obersten Reichsgerichte sind dabei (noch) nicht in den Blick geraten. Ein Vergleich<br />

symbolischer Kommunikationsformen von politischen und jurisdiktionellen Gremien in der<br />

Frühen Neuzeit steht ebenfalls aus.<br />

31


Steeb:<br />

Dünckelsbühl contra Dünckelsbühl, Commissionis<br />

Bart[enstein]:<br />

zu Niedermünster in Regensburg Frau Fürstin und Abbtissin, pto. constitutionis mandatary<br />

Bart[enstein]:<br />

von Seckendorf contra von Seckendorf, commissionis<br />

Sternb[erg]:<br />

von Stein modo von Thüngen contra den Herrn Bischof und Fürsten von Würzburg, pto. jus. retractio<br />

Sternb[erg]:<br />

Sperdegen, pto Privilegy<br />

Hill[ebrand]:<br />

zu Öttingen Herr Fürst contra das kayl. Landgericht, mandati s.c.<br />

Hill[ebrand]:<br />

Pollau contra Apel, appl.<br />

Gärt[ner]:<br />

von Falckenhaußen Freyherr contra den Grafen zu Limburg-Styrum, mandati<br />

Gärt[ner]:<br />

zu Veltheim Ferdinand […] contra die hochfürstl. Anhalt-Cothaische Landesregierung […], appl.<br />

Ste[e]b:<br />

zu Sachsen Gotha weyl. Frau Herzogin […] contra Sachsen Coburg-Saalfed, sententia<br />

Ste[e]b:<br />

von Weidinger contra den Herrn Bischof und Fürsten zu Würzburg, appl.<br />

Ste[e]b:<br />

zu Ulm Schiffleute-Zunfft […] contra die drei Segmüller, appl.<br />

Ste[e]b:<br />

zu Franckfurth […] jüdische Baumeister contra Jüdische Wittib Zipper, appl.<br />

Münch:<br />

zu Franckfurth Bürgermeister contra Churmayntz, mandati<br />

Münch:<br />

von Thüngen Freyherr contra Annam von Eyßenberg, rescripti<br />

Tabelle 2: Exemplarischer Verlauf einer RHR-Plenarsitzung (ohne Darstellung der<br />

Beschlüsse) 28.08.1769 34<br />

Die Abfolge der Referate scheint ebenfalls einer Hierarchie des Reichshofratskollegiums<br />

zu entsprechen, nicht etwa einer ebenso denkbaren thematischen<br />

oder prozessformalen Ordnung der Fälle. 35 Dazu fällt auf, dass die Referenten<br />

die von ihnen bearbeiteten Fälle je gesammelt vortragen. Hier ließen sich<br />

über eine serielle Auswertung der Sitzungsabläufe interessante Einblicke in die<br />

34 HHStA, RHR, Prot. res. XVIII, Bd. 166.<br />

35 Die normative Literatur beschreibt einen wechselnden Sach- und Personalturnus. Entscheidungsreife<br />

Fälle seien dabei in Fallgruppen verhandelt worden, ansonsten sei ein Personalturnus<br />

zum Tragen gekommen. Dieser beschränkte sich jedoch darauf, dass sowohl ein Referent<br />

der Gelehrten- und/oder der Herrenbank für eine bestimmte Zeitdauer referieren sollten. Eine<br />

solch diffizil rangspezifische Abfolge der Referate, wie es die Protokollbände nahe legen, wurde<br />

bislang nicht angenommen. Siehe Hartmann-Polomski, Carola: Die Regelung der gerichtsinternen<br />

Organisation, S. 70–79.<br />

32


Funktionsweise und Arbeitsabläufe des Reichshofrats gewinnen. Wer aktiv wie<br />

viele Fälle bearbeitete, wer von den insgesamt immerhin fast 40 introduzierten<br />

Reichshofräten unter Joseph II. 36 auch tatsächlich in den Sitzungen anwesend<br />

war, all dies ist bislang völlig unbekannt, wäre aber über die Protokollbände<br />

problemlos zu erheben. Allein ein Blick auf die obige exemplarische Sitzung<br />

legt nahe, dass die Hauptarbeit von den Reichshofräten der Ritter- und Gelehrtenbank<br />

geleistet werden musste, wie dies auch Gschließer bereits vermutet<br />

hat. 37 Vor allem aber lässt sich über die Resolutionsprotokollbände ermitteln,<br />

welcher Referent welchen Fall behandelt hat, was aus den Akten nicht hervorgeht.<br />

Für die Frage nach möglichen Spezialisierungen der Reichshofräte,<br />

gerade bei Prozessen mit jüdischer Beteiligung, ist dies von hoher Relevanz<br />

und sollte daher auch in Hinblick auf die Erschließung der Akten unbedingt<br />

ausgewertet werden. 38<br />

Während die Resolutionsprotokolle des 16. und 17. Jahrhunderts wesentlich<br />

inhaltsreicher in ihren Ausführungen zu den Verfahren zu sein scheinen, 39<br />

finden sich im 18. Jahrhundert neben den Verfahrensbeteiligten nur mehr die<br />

Beschlüsse der jeweiligen Sitzung zum Fall. 40 Detaillierte Inhalte der Verfahren<br />

sind über die Resolutionsprotokolle in dieser Zeit nicht mehr erschließbar,<br />

sondern können nur noch über Akteneinsicht geklärt werden. Dabei sind die<br />

Eintragungen in den Protokollbüchern inkohärent und verkürzen oder verdrehen<br />

gerade bei jüdischen Verfahrensbeteiligten sehr oft die Namen und<br />

führen zudem meist nur unzureichend den Klagegegenstand aus. 41 Insofern<br />

hat in dieser Hinsicht offenbar keine Standardisierung statt gefunden. Es muss<br />

daher nach wie vor Eintrag für Eintrag miteinander verglichen werden, ob<br />

es sich innerhalb der Protokollbücher um dieselben Fälle handelt, bevor die<br />

Protokollbücher mit den Findbüchern verglichen werden können.<br />

Häufig wird als Manko der Findbücher im Vergleich zu den Protokollbüchern<br />

die hohe Verlustquote an Akten genannt. Allgemein wird die Verlustquote<br />

bei ca. 50% angesetzt, wobei dies wohl insbesondere für das 17. Jahrhundert<br />

zu gelten hat. 42 Für das 18. Jahrhundert kann festgehalten werden,<br />

36 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 469–499.<br />

37 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 79.<br />

38 Siehe für die Frankfurter jüdischen Prozesse hierzu Kapitel II.1.b<br />

39 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 178, 179. Ullmann, Sabine: Geschichte auf der<br />

langen Bank, S. 46.<br />

40 Siehe dazu auch: Auer, Leopold/Ortlieb, Eva: Die Akten des Reichshofrats, S. 37.<br />

41 Am häufigsten nach wie vor „(in puncto) debiti“ oder gar nur die Prozessform „app(e)l(lationis)“,<br />

woraus sich nichts über den Prozessinhalt erschließen lässt – dazu ebenso: Staudinger, Barbara:<br />

Juden am Reichshofrat, S. 178.<br />

42 Diese Berechnung stützt sich auf die Erhebungen von Freitag/Jörn, die aufgrund einer Stichproben-Untersuchung<br />

(5 Bsp.jahre: 1660, 1661, 1662, 1668, 1669) auf eine Überlieferungsquote<br />

33


dass die Aktenüberlieferung im Vergleich zu den vorhergehenden beiden<br />

Jahrhunderten, zumindest was die jüdischen Prozessakten betrifft, wesentlich<br />

weniger Lücken aufweist. So beträgt die Überlieferungsquote der Prozesse<br />

mit Frankfurter Juden als Prozessbeteiligten für die von mir mit den Indices<br />

der Resolutionsprotokollbücher abgeglichenen Jahre 1765–90 94%, das heißt<br />

von 134 Fällen sind nur acht nicht in den Akten überliefert. Auf eine ähnliche<br />

Überlieferungsquote von 96% kam auch André Griemert für die Prozesse mit<br />

jüdischer Beteiligung in der Regierungszeit Franz I. Stephans. 43 Im Vergleich<br />

mit den von Freitag/Jörn erarbeiteten Befunden von 54,3% Aktenüberlieferung<br />

noch für die Mitte des 17. Jahrhunderts für den südlichen Ostseeraum 44 lässt<br />

sich hier also ein außerordentlicher Zugewinn an Zuverlässigkeit und – abgesehen<br />

von Kriegs- und nachträglich Kassationsbedingten Verlusten – bürokratischer<br />

Rationalität in der Zeit zwischen der Mitte des 17. und der Mitte<br />

des 18. Jahrhunderts konstatieren. Daher kann angenommen werden, dass<br />

anhand der Findbücher des 18. Jahrhunderts eine doch recht genaue Angabe<br />

über die Vollständigkeit der Prozesse mit jüdischer Beteiligung im 18. Jahrhundert<br />

gemacht werden kann. Ob diese hohe Überlieferungsquote auch auf<br />

den Gesamtbestand des RHR im 18. Jahrhundert übertragbar ist, kann nur<br />

Vermutung bleiben, wenngleich eine gesonderte Behandlung jüdischer Fälle<br />

nicht zu vermuten ist.<br />

Der methodische Ansatz, die Repertorien für quantitative Analysen heranzuziehen,<br />

hat sich indes in den neueren Untersuchungen durchgesetzt. Er<br />

wurde beispielsweise von Ortlieb/Polster für die Stichprobenuntersuchung der<br />

allgemeinen Prozessfrequenz am Reichshofrat, 45 von Eva Ortlieb für die Untersuchung<br />

der Frankfurter Prozesse am RHR 46 sowie von Siegrid Westphal für<br />

Prozesse der Dynastien aus den thüringischen Territorialstaaten (1648–1806) 47<br />

gewählt. Gleichwohl handelt es sich zumeist um Annäherungs- und vor allem<br />

Mindestwerte, insbesondere bei Prozessen mit jüdischer Beteiligung, da jüdische<br />

Kläger beziehungsweise Frankfurter jüdische Kläger möglicherweise nicht<br />

als solche identifiziert werden konnten. 48<br />

von 54,3% kommen. Siehe dazu Freitag, Tobias/Jörn, Nils: Zur Inanspruchnahme der obersten<br />

Reichsgerichte S. 39–141.<br />

43 Griemert, André: Jüdische Prozesse vor dem Reichshofrat. Ein diachroner Vergleich der Regierungszeiten<br />

Ferdinands III. (1637–57) und Franz I. Stephans (1745–65). Vortrag gehalten am<br />

04.04.2008 im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien.<br />

44 Freitag, Tobias/Jörn, Nils: Zur Inanspruchnahme der obersten Reichsgerichte, S. 39–141.<br />

45 Ortlieb, Eva/Polster, Gerd: Die Prozessfrequenz am Reichshofrat (1519–1806), S. 189–216.<br />

46 Ortlieb, Eva: Frankfurt vor dem Reichshofrat. In: Amend et al. (Hrsg.): Die Reichsstadt Frankfurt<br />

als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich, München 2008, S. 57–75.<br />

47 Westphal, Siegrid: Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung.<br />

48 Polster weist ebenfalls explizit darauf hin, dass die Suche nach Personen und deren Herkunft,<br />

Streitgegenständen etc. auch bei den elektronisch aufbereiteten Repertorien lückenhaft bleibt,<br />

da die Einträge nicht normalisiert, sondern in der uneinheitlichen Schreibung nach Wolf<br />

34


1.c Begriffsdefinitionen und Richtlinien der Verwendung<br />

Wenn im Folgenden von Prozessaufkommen die Rede sein wird, so meint<br />

dies die Anzahl der in einem Jahr jeweils neu angestrengten, nicht der bereits<br />

anhängigen, Prozesse am Reichshofrat. Dadurch ist eine gewisse Verzerrung<br />

unvermeidlich, was schon ein Blick auf die Regierungszeit Josephs II. zeigt,<br />

sind doch neben den 364 neu angestrengten Prozessen mit jüdischer Beteiligung<br />

in diesem Zeitraum weitere 34 Prozesse anhängig, die nicht in die<br />

statistische Auswertung mit einfließen. Gleichwohl scheint dieses Vorgehen<br />

legitim in Anbetracht der Invalidität der Laufzeitangaben in den Findbüchern<br />

sowie der Vermeidung von Doppelzählungen. Kaum quantitativ zu verwerten<br />

sind nämlich die in den Findbüchern vermerkten Enddaten, da sie den tatsächlichen<br />

Prozessverlauf nicht widerspiegeln, der zumeist wesentlich kürzer<br />

und auf einige aktive Prozessjahre beschränkt bleibt und wegen formaler<br />

Verfahrensschritte oder fehlender offizieller Niederlegung der Prozesstätigkeit<br />

erst später Eingang in die Registratur findet. 49 Laufzeit der Akten und<br />

Verfahrensdauer stimmten daher keineswegs immer überein und dürfen nicht<br />

verwechselt werden.<br />

Zu diskutieren ist auch der Begriff des Prozesses für die Verfahren am<br />

Reichshofrat. Bis zum 16. Jahrhundert kann man dabei allenfalls von prozessualen<br />

Fragmenten sprechen, vor allem da die Regierungs- und Gerichtsgeschäfte<br />

des Reichshofrats überwiegend nicht von einander unterschieden<br />

wurden. 50 Wenngleich dies für das 18. Jahrhundert nicht mehr in diesem<br />

Ausmaß konstatiert werden und insofern durchaus von Prozessen gesprochen<br />

werden kann, wird sich in Kapitel III zeigen, dass hier aus anderen Gründen<br />

der Begriff des Prozesses problematisch wird, da vielfach im Vorverfahren<br />

verblieben wurde. Dennoch soll regulär mit den Begriffen Prozess und Verfahren<br />

gearbeitet werden.<br />

Der besseren Lesbarkeit halber wird manchmal von „jüdischen Prozessen“<br />

anstatt von Prozessen mit jüdischer Beteiligung sowie „Frankfurter<br />

übernommen wurden. Damit kann die Identifizierung nicht standardisiert vom Programm,<br />

sondern muss händisch weiterhin von jedem Forscher selbst übernommen werden. Siehe Polster,<br />

Gert: Die elektronische Erfassung des Wolfschen Repertoriums, S. 644, 648.<br />

49 Freitag/Jörn verwenden die Laufzeitangabe dennoch als Angabe zur Prozessdauer, wenn auch<br />

mit dem Verweis, „dass die ungenaue Verzeichnung der Fälle im Wolfschen Repertorium im<br />

Haus-, Hof- und Staatsarchiv eine nicht zu unterschätzende Fehlerquelle darstellen dürften“,<br />

siehe Freitag, Tobias/Jörn, Nils: Zur Inanspruchnahme der obersten Reichsgerichte, S. 122. Dasselbe<br />

gilt für Siegrid Westphal, die jedoch die Daten von Reichshofrat und Reichskammergericht<br />

gemeinsam auswertet: Westphal, Siegrid: Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche<br />

Stabilisierung, S. 506, 507. Meine kritische Einschätzung zur Verwendung dieser Daten teilt<br />

Ullmann, Sabine: Geschichte auf der langen Bank, S. 45.<br />

50 Sellert, Wolfgang: Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae, S. 94. Ders.: Art. Prozeß des Reichshofrats.<br />

In: HRG, Bd. IV, Sp. 22–28, bes. 22, 23.<br />

35


jüdischen Prozessen“ anstatt von Prozessen mit Frankfurter Juden als Prozesspartei<br />

gesprochen. Die Begrifflichkeiten sollen hiermit trotz einer gewissen<br />

Unschärfe synonym gesetzt werden. Nicht zu verwechseln sind diese<br />

„jüdischen Prozesse“ mit jüdischen Prozessen im Sinne von Verfahren vor<br />

innerjüdischen Rabbinatsgerichten. Es soll diesbezüglich klar zwischen Jüdischem<br />

Recht als jüdischem Religionsrecht (Halacha) 51 und Judenrecht als<br />

den von nichtjüdischen Obrigkeiten erlassenen rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

für ihre jüdischen Untertanen, also insbesondere kaiserlicher Kammerknechtschaft,<br />

jüdischem Bürgerrecht, Judenregal und Schutzjudentum 52<br />

unterschieden werden.<br />

Ein ähnliches Verfahren gilt für den in dieser Arbeit benutzten Begriff<br />

„Frankfurter Jude/n“. Die hohe Mobilität insbesondere der jüdischen Oberschicht<br />

der Hoffaktoren im Reich und in den Erblanden, die berufsbedingt<br />

nicht selten mehrere Wohnorte und Aufenthaltsberechtigungen mit sich<br />

brachte, 53 macht eine genaue Zuordnung dieser Personengruppe zu einer Stadt,<br />

wie in diesem Falle Frankfurt, schwierig. Hier sei als ein Beispiel nur Süßel<br />

Mayer Juda Kulp (1736–1779) 54 genannt, der als kaiserlicher Hoffaktor hauptsächlich<br />

in Wien tätig war, dort auch in die angesehene Wiener Bankiersfamilie<br />

des Isaak Arnstein einheiratete, aber dennoch in die Frankfurter Stättigkeit<br />

aufgenommen wurde und in Frankfurt als Vorsteher tätig war. Einer Klassifikation<br />

als Frankfurter Jude zugrunde gelegt wurden daher konsequent die<br />

in den Repertorien und Protokollbüchern den Kläger- oder Beklagtennamen<br />

beigegebenen Formulierungen „Schutzjud(e) zu Frankfurt“, „Jude aus Frankfurt“,<br />

„aus Frankfurt“ oder „in Frankfurt“. Falls diese Angabe nicht vorhanden<br />

war, galt die Nennung als Frankfurter Jude bei Dietz, 55 Kracauer 56 oder in<br />

den gesichteten Reichshofratsakten. Dies hat zur Folge, dass sicherlich einige<br />

Frankfurter Juden nicht als solche identifiziert werden konnten, was angesichts<br />

der mangelnden Erschließung der Akten in Kauf genommen werden<br />

51 Gotzmann, Andreas: Die Grenzen der Autonomie. Der jüdische Bann im Heiligen Römischen<br />

Reich. In: Gotzmann, Andreas/Wendehorst, Stephan (Hrsg.): Juden im Recht, S. 41–55. Gotzmann,<br />

Andreas: Jüdisches Recht im kulturellen Prozeß, Die Wahrnehmung der Halacha im<br />

Deutschland des 19. Jahrhunderts, Tübingen 1997.<br />

52 Siehe dazu als Überblick: Battenberg, Friedrich: Rechtliche Rahmenbedingungen jüdischer<br />

Existenz in der Frühneuzeit zwischen Reich und Territorium. In: Kießling, Rolf (Hrsg.): Judengemeinden<br />

in Schwaben im Kontext des Alten Reiches, Berlin 1995, S. 53–79. Staudinger,<br />

Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 55–76, 105–111.<br />

53 Siehe dazu als Überblick: Ries, Rotraud/Battenberg, J. Friedrich (Hrsg.): Hofjuden – Ökonomie<br />

und Interkulturalität. Die jüdische Wirtschaftselite im 18. Jahrhundert, Hamburg 2002.<br />

54 Dietz, Alexander: Stammbuch der Frankfurter Juden, S. 175, 176.<br />

55 Dietz, Alexander: Stammbuch der Frankfurter Juden.<br />

56 Kracauer, Isidor: Geschichte der Juden in Frankfurt am Main (1150–1824).<br />

36


muss. Somit sind die folgenden quantifizierenden Auswertungen als Trends<br />

und Annäherungswerte zu verstehen, die tatsächlich wohl aber als noch höher<br />

einzustufen sind.<br />

2 Prozessfrequenzen<br />

2.a Prozessaufkommen am Reichshofrat mit jüdischer Beteiligung<br />

1559–1800<br />

Um die Prozessfrequenz mit jüdischer Beteiligung deuten zu können, bedarf<br />

es zunächst der Kontextualisierung mit der Entwicklung vor 1800. Barbara<br />

Staudinger hat über die Auswertung der Resolutionsprotokolle das Pro zessaufkom<br />

men mit jüdischer Beteiligung für den Zeitraum 1559 bis 1669 ermittelt.<br />

57 Sie kommt auf eine Gesamtprozessanzahl von 1250 Verfahren für diesen<br />

Zeitraum 58 , wobei davon nur 765 als gerichtliche Verfahren, 485 hingegen als<br />

Gratialverfahren zu werten sind. Das 18. Jahrhundert umfasst nach meinen<br />

Erhebungen insgesamt 1385 Verfahren mit jüdischer Beteiligung, wovon lediglich<br />

fünf mögliche Gratalia mit dem Rubrum „salvi conductus“ (Schutz briefan<br />

su chen) sowie „confirmationes caesarea“ (kaiserliche Bestätigungen) sind. 59<br />

Die registratorische Trennung zwischen Gerichts- und Gratialverfahren am<br />

Reichshofrat kann daher im 18. Jahrhundert offenbar als weitestgehend abgeschlossen<br />

betrachtet werden.<br />

Setzt man die Ergebnisse Staudingers, wie in Diagramm 1 zu sehen, in Bezug<br />

zu dem aus den Findbüchern ermittelten Prozessaufkommen für den Zeitraum<br />

1700–1799, so wird die erhebliche Zunahme an Prozessen mit jüdischer Beteiligung<br />

im 18. Jahrhundert unmittelbar deutlich.<br />

57 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 188–192.<br />

58 Staudinger, Barbara: In puncto debiti – Prozesse jüdischer Geldleiherinnen am Reichshofrat.<br />

In: Westphal, Siegrid (Hrsg.) In eigener Sache. Frauen vor den höchsten Gerichten des Alten<br />

Reiches, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 153–180.<br />

59 Es sind dies folgende vier Schutzbriefansuchen sowie eine Privilegienbestätigung: 1706 durch<br />

Hayum Jacob (HHStA, RHR, Denegata antiqua K 155), 1708 durch Abraham Meyer Günsburger<br />

(HHStA, RHR, Decisa K 319), 1712 durch Salomon Dellheim, Schutzjude zu Frankfurt (HHStA,<br />

RHR, Denegata antiqua, K 176), 1742 durch Gosman Lion Gumperz, Schutzjude zu Kassel<br />

(HHStA, RHR, Decisa K 2862), 1716 für die Judenschaft zu Schwaben, in puncto confirmationis<br />

caesareae des neuerwählten Rabbiners Löw Oppenheimers (HHStA, RHR, Denegata antiqua,<br />

K 178). Da statistisch unerheblich wurden sie im Folgenden nicht aus dem Sample herausgenommen.<br />

37


RHR Prozesse mit jüdischer Beteiligung insgesamt im Zeitraum 1559-1799 in Zehn-Jahres-Schritten<br />

(Die Daten für die Jahre 1559-1679 nach Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, Wien 2001, S. 191.<br />

Die Daten für den Zeitraum 1670-1699, 1800-1806 fehlen)<br />

250<br />

215<br />

200<br />

150<br />

132<br />

170<br />

149 155 158<br />

154<br />

140<br />

125 123 115<br />

100<br />

92<br />

96<br />

50<br />

40 41<br />

65 66<br />

50<br />

21 17<br />

26<br />

0<br />

Diagramm 1: Prozesse mit jüdischer Beteiligung am RHR 1559–1799<br />

Zwar wurde der Spitzenwert von 215 Prozessen der Jahre 1559–1569 nicht wieder<br />

erreicht, jedoch pendelte sich die Frequenz im 18. Jahrhundert dauerhaft<br />

auf einem ungleich höheren Niveau als dem der zweiten Hälfte des 16. und<br />

insbesondere des 17. Jahrhunderts bis 1669 ein. Starke Schwankungen, wie<br />

etwa der Rückgang der Prozesstätigkeit um beinahe zwei Drittel 1580–1589,<br />

sind derart für das 18. Jahrhundert nicht mehr feststellbar. Vielmehr zeigt<br />

sich im Vergleich die Konstanz des Prozessaufkommens mit jüdischer Beteiligung<br />

im 18. Jahrhundert. Damit folgt die jüdische Inanspruchnahme des<br />

RHR zugleich der allgemein stärkeren Inanspruchnahme seit dem Ende des<br />

17. Jahrhunderts. 60<br />

Leider fehlen, da bislang noch nicht erhoben, für den Zeitraum 1670–1699<br />

die entsprechenden Daten, um den gerade in diesem Zeitraum zu vermutenden<br />

enormen Anstieg der jüdischen Prozesstätigkeit am RHR nachvollziehen<br />

zu können. Die Prozessfrequenz versechsfachte sich zur Jahrhundertwende<br />

hin, während sie in der Mitte des 17. Jahrhunderts über einen längeren Zeitraum<br />

(1640–1669) beinahe zum Erliegen gekommen war. Staudinger führt<br />

dies auf den zunehmenden Territorialisierungsprozess zurück, der sich im<br />

Rückgang der Prozesse aus den habsburgischen Territorien des Reiches, der<br />

Reichsstädte und Reichsritterschaften niederschlage. 61 „Die Einbindung der<br />

Juden in den sich konsolidierenden Territorialstaat [habe] auch eine weit-<br />

60 Ortlieb, Eva/Polster, Gerd: Prozessfrequenz am Reichshofrat (1519–1806), S. 201ff. Siehe dazu<br />

Kapitel I.2.b.<br />

61 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 192.<br />

38


gehende Ablösung der rechtlichen Beziehungen zum Kaiser“ 62 zur Folge.<br />

In dieser Trennschärfe lässt sich dies bei Kenntnis der weiteren Entwicklung<br />

nicht mehr verifizieren. Vielmehr scheint sich der von Volker Press<br />

formulierte „Wiederaufstieg der kaiserlichen Machtstellung“ 63 nach dem<br />

Westfälischen Frieden, insbesondere während der Regierungszeit Leopolds<br />

I. (1657–1705), widerzuspiegeln. Zweifellos mit regionalen Unterschieden<br />

machte dieser für kaiser- bzw. königsnahe Gruppen, wie die jüdische Bevölkerung<br />

im Reich, eine intensivere Nutzung des kaiserlichen Gerichts wieder<br />

attraktiv.<br />

Gleichwohl kann die Inanspruchnahme des kaiserlichen Gerichts nicht als<br />

Gegenargument zur Einbindung der Juden in die Territorien gebraucht werden,<br />

da, wie Staudinger formuliert, „zunehmend nur mehr hochprivilegierte (Hof-)<br />

Juden, eine Gruppe, die aufgrund ihres Rechtsstatus von den anderen Juden zu<br />

unterscheiden ist, oder Juden aus den Reichsstädten am Reichshofrat klagten.“ 64<br />

Auch im 18. Jahrhundert ist die deutliche Überzahl der „jüdischen [finanziellen]<br />

Elite der Reichsstädte“, 65 insbesondere Frankfurts, nicht zu übersehen, 66<br />

ebenso wie zahlreiche Hoffaktoren aus verschiedensten Territorien ihre Geldforderungen<br />

am Reichshofrat einklagten.<br />

In Appellationssachen ist dabei bezüglich der Zugangsbeschränkungen stets<br />

zu fragen, inwieweit sich – angesichts von in privilegia de non appellando oft<br />

festgelegten Mindeststreitwerten von Appellationen – unvermögende jüdische<br />

ebenso wie christliche Bevölkerungsgruppen an den Reichshofrat hatten<br />

wenden können. 67 Aber nicht nur bei Appellationsklagen dürfte der finanzielle<br />

Faktor ein gewichtiges Hindernis für ein Verfahren am RHR gewesen sein.<br />

Aufgrund hoher Prozesskosten und Aufwendungen für die Wiener Anwälte<br />

engte sich der mögliche Klägerkreis jüdischerseits – sieht man von Fällen der<br />

Rechtsverzögerung oder -verweigerung ab – daher automatisch ein.<br />

Ein spezieller Rechtsstatus der Hofjuden hingegen, der Auswirkungen<br />

auf deren überproportionales Auftreten am RHR habe könne, scheint nicht<br />

schlüssig, 68 da dieser ohnedies im Einzelnen völlig differierte und für den<br />

RHR, waren es nicht Hofjuden aus den Erbländern, ohne Belang gewesen<br />

sein dürfte. Für das 18. Jahrhundert entfällt aber eben dieser große<br />

62 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 192.<br />

63 Press, Volker: Der Reichshofrat im System des frühneuzeitlichen Reiches, S. 349, 356ff.<br />

64 Staudinger, Barbara: Von den Rechtsnormen zur Rechtspraxis, S. 113.<br />

65 Staudinger, Barbara: In puncto debiti, S. 154.<br />

66 Siehe Kapitel I.2.c<br />

67 Sellert, Wolfgang: Über die Zuständigkeitsabgrenzung von Reichshofrat und Reichskammergericht<br />

insbesondere in Strafsachen und Angelegenheiten der freiwillige Gerichtsbarkeit, Aalen<br />

1965, S. 37–41.<br />

68 Staudinger, Barbara: Von den Rechtsnormen zur Rechtspraxis, S. 113.<br />

39


Anteil an Prozessen mit Beteiligung von österreichischen, böhmischen und<br />

mährischen Juden, der im 16. und 17. Jahrhundert noch über ein Drittel<br />

ausmachte. 69 Das heißt, das Anwachsen des Prozessaufkommens fällt mit<br />

einer geographischen Verschiebung der Prozesse von den Erblanden ins<br />

Reich zusammen. 70 Ob aufgrund der überragenden Präsenz der jüdischen<br />

Fi nanz elite am RHR darauf geschlossen werden kann, dass der Kaiser nur<br />

noch für diese von rechtlicher Relevanz war, scheint indes fraglich. Möglicherweise<br />

können hier Gemeindeprozesse als Gegenargument dienen,<br />

die auch im 18. Jahrhundert noch durchaus häufig waren und als eine Art<br />

Barometer für Kaisernähe gedeutet werden könnten. Denn „im Einschalten<br />

korporativer Zusammenschlüsse wie der gemeinen Judenheit oder bedeutender<br />

Judengemeinden kann von jüdischer Seite der Versuch gesehen werden,<br />

konkrete Strategien zur Wahrung und Erweiterung jüdischer Rechte zu entwickeln.<br />

Das Schutzverhältnis zum Kaiser wurde hier bewusst eingesetzt,<br />

um Repressalien oder Vertreibungen zu entgehen oder Restitutionsansprüche<br />

durchsetzen zu können.“ 71 Staudinger setzt den Schwerpunkt dieser<br />

Entwicklung in der zweiten Hälfte des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts<br />

an. Inwieweit, also in welchem Ausmaß und mit welchen Mitteln und<br />

Zielsetzungen, diese Handlungsstrategien von jüdischen Gemeinden auch<br />

im Verlauf des 18. Jahrhundert weiter eingesetzt wurden, wird daher im<br />

Folgenden zu untersuchen sein.<br />

69 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 193–200.<br />

70 So werden im ganzen 18. Jahrhundert nur noch 5 Prozesse mit jüdischer Beteiligung aus dem<br />

heutigen Tschechien (4 aus Prag, 1 aus Königswarth/Böhmen) und 4 Prozesse von Wiener Hofjuden<br />

verhandelt: 1714–1715 Rebe Isaak Thorz, Jude zu Prag contra Bunen Eger in puncto debiti<br />

(HHStA, RHR, Denegata antiqua K 176), 1719 Sara, Jüdin zu Prag in puncto constitutionis<br />

mandatarii (HHStA, RHR, Denegata antiqua K 176), 1720 Sara, Jüdin zu Prag contra Jakob<br />

Isaak, rescripti (HHStA, RHR, Denegata antiqua K 176), 1765–1767 Simon Aaron Neustädtl,<br />

Schutzjude zu Prag contra kaiserliches Landgericht des Burggraftums Nürnberg und das hofgerichtliche<br />

Geleitamt zu Fürth, rescripti (HHStA, RHR, Denegata recentiora 375/4), 1774–1781<br />

Samuel Baruch, Schutzjude zu Königswarth in Böhmen contra Kardinal Fürstbischof zu Passau<br />

und dessen nachgesetzter Hofrat, rescripti puncto relaxandi arresti (HHStA, RHR, Denegata recentiora<br />

375/5), 1783–1787 Joseph Samuel Wertheimer, Schutz- und Handelsjude in Wien contra<br />

von Kerpen, in puncto debiti cambialis (HHStA, RHR, Denegata recentiora K 388/5), 1773– Joseph<br />

Samuel Wertheimer, Schutz- und Handelsjude in Wien contra Anton Vacano, Reichshofratsagent,<br />

als Straubischer Vormund, in puncto debiti cambialis (HHStA, RHR, Obere Registratur<br />

K 453/4), 1777– Leytgerstorfer, Schutz- und Handelsjude zu Wien contra Erbprinz Carl<br />

zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, in puncto debiti cambialis (HHStA, RHR, Obere<br />

Registratur K 454/6), 1788 Joseph Samuel Wertheimer, Schutz- und Handelsjude in Wien contra<br />

Gräfin von Plettenberg und deren Kurator Reichsagent Schröder, in puncto debiti (HHStA,<br />

RHR, Obere Registratur K 462/5).<br />

Zur besonderen Rechtsstellung der böhmisch, mährischen und österreichischen Juden, die<br />

ab 1648 deren Möglichkeit, an den RHR zu gehen, zunehmend beschnitt, siehe Staudinger,<br />

Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 163–173.<br />

71 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 162, 163.<br />

40


Berechnet man nun für die fehlenden Jahre 1670–1699 Durchschnittswerte<br />

und zählt sie zu den beiden untersuchten Perioden hinzu, ergibt sich ein<br />

Gesamtaufkommen von ca. 2500–3000 Prozessen mit jüdischer Beteiligung<br />

am RHR für den Zeitraum 1559–1800 und damit für beinahe die gesamte<br />

Bestehenszeit des RHR. 72 Leider fehlt nach wie vor die Möglichkeit, dies mit<br />

einer Gesamtinanspruchnahme des Reichshofrats zu vergleichen. Bei der herkömmlichen<br />

Schätzung von 70.000 bis 140.000 Prozessen würde es bedeuten,<br />

dass die Prozesse mit jüdischer Beteiligung etwa zwischen 3 bis 5% des Prozessgesamtaufkommens<br />

am RHR ausmachten. In Anbetracht der für das 18. Jahrhundert<br />

aber wohl zu großzügig bemessenen Prozessanzahl dieser Schätzungen<br />

und der wesentlich besseren Überlieferungsquote an Akten, ist dabei für die<br />

jüdischen Prozesse eher der höhere Wert von 5% als realistisch einzuschätzen.<br />

Im Vergleich zu dem von Friedrich Battenberg für das RKG mit 1,5% bezifferten<br />

Prozessaufkommen mit jüdischer Beteiligung, 73 sind damit am Reichshofrat<br />

mindestens doppelt bis dreimal so viele Prozesse mit jüdischer Beteiligung<br />

verhandelt worden wie am Reichskammergericht. Bedenkt man zudem,<br />

dass der jüdische Bevölkerungsanteil im Reich nur etwa 0,2 bis max. 1,4% 74 der<br />

Gesamtbevölkerung ausmachte, ist das Auftreten jüdischer Prozessparteien an<br />

den obersten Reichsgerichten als überproportional hoch zu bewerten.<br />

72 Ohne Gratialia: 1559–1669=110 Jahre=765 Verfahren, 1700–1799=99 Jahre=1380 Verfahren,<br />

Durchschnittswert ca. 10 Verfahren/Jahr ergibt für den Zeitraum 1670–1699=29 Jahre=290<br />

Verfahren, Gesamt: 2435 Verfahren.<br />

Mit Gratialia: 1559–1669=110 Jahre=1250 Verfahren, 1700–1799=99 Jahre=1385 Verfahren,<br />

Durchschnittswert ca. 13 Verfahren/Jahr ergibt für den Zeitraum 1670–1699=29 Jahre=377<br />

Verfahren, Gesamt: 3012 Verfahren.<br />

Hinzu kämen die nicht im Untersuchungszeitraum liegenden Jahre 1498–1559 sowie 1800–<br />

1806. Der Beginn des Reichshofrats 1498 wird gemeinhin mit der Hofratordnung Maximilians<br />

I. festgelegt, siehe Moraw, Peter: Reichshofrat. In: HRG, Bd. IV, Sp. 630–638, hier Sp. 630. Das<br />

Ende des Reichshofrats 1806 fällt zusammen mit der Niederlegung der deutschen Kaiserkrone<br />

durch Franz II./I. und damit dem Ende des Alten Reichs.<br />

73 Battenberg, Friedrich: Rechtliche Rahmenbedingungen jüdischer Existenz, S. 61, 62. Ders.: Das<br />

Reichskammergericht und die Juden des Heiligen Römischen Reiches. Geistliche Herrschaft<br />

und korporative Verfassung der Judenschaft in Fürth im Widerspruch, Wetzlar 1992, S. 6. Frey,<br />

Sabine: Rechtsschutz der Juden gegen Ausweisungen im 16. Jahrhundert, S. 48.<br />

74 Es gibt nur wenige Schätzungen der jüdischen Bevölkerungsanzahl im Reich. Battenberg schätzt<br />

für die Zeit um 1600 im Reich zwischen 35.000–40.000 Juden bei einer Gesamtbevölkerung<br />

von ca. 18–20.000.000 (0,2%). Battenberg, Friedrich: Die Juden in Deutschland vom 16. bis<br />

zum 18. Jahrhundert, München 2001, S. 10, 11, 78, 79. An anderer Stelle spricht er von 0,5% im<br />

17. Jahrhundert, höchstens 1,4% zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Battenberg, Friedrich: Rechtliche<br />

Rahmenbedingungen, S. 62. Mordechai Breuer schätzt in den deutschen Territorien die<br />

Zahl der Juden auf 25.000 um 1700, 60.000–70.000 um 1750. Breuer, Mordechai/Graetz, Michael:<br />

Deutsch-jüdische Geschichte der Neuzeit, Bd. I: 1600–1780, S. 147. Sergio DellaPergola<br />

schätzt um 1800 die europäische Gesamtbevölkerung auf 195.000.000, davon ca. 2.000.000 Juden<br />

(West- und Mitteleuropa 333.000, Osteuropa und Balkan 1.687.000) was ca. 1% entspräche.<br />

DellaPergola, Sergio: Demographische Entwicklung der europäischen Juden. In: Kotowski,<br />

Elke-Vera/Schoeps, Julius H./Wallenborn, Hiltrud (Hrsg.): Handbuch zur Geschichte der Juden<br />

in Europa, Bd. 2, Darmstadt 2001, S. 15–17.<br />

41


2.b Prozessaufkommen mit jüdischer Beteiligung im 18. Jahrhundert<br />

in Bezugsetzung zu kaiserlichen Regierungszeiten<br />

Es gibt verschiedene, sich zum Teil ergänzende Deutungen, warum die jüdische<br />

Bevölkerung im Reich sich derart überproportional an die Reichsgerichte<br />

wandte. Friedrich Battenberg wertet dies als Indiz dafür, „dass die Juden sich<br />

ihrer Rechte und auch der noch immer bestehenden Rechtsdefizite bewusster<br />

wurden und nun einen Weg fanden, teilweise unter Übergehung der landesherrlichen<br />

oder städtischen Obrigkeiten eine Stabilisierung ihrer rechtlichen<br />

Situation zu erreichen“ 75 und vermutet aber auch, dass „sich die relativ häufige<br />

Inanspruchnahme der Reichsgerichte eher durch die überterritorialen Geschäftsbeziehungen<br />

der Juden erklärt“. 76 Barbara Staudinger kommt, wie gesehen, zu<br />

dem Ergebnis, dass nur noch die jüdische Finanzelite, die zumeist aus den Reichsstädten<br />

stammte, den Weg an den Reichshofrat einschlug, sich ansonsten jedoch<br />

die rechtlichen Beziehungen vom Kaiser ablösten. 77 Gleichwohl stellt sie heraus,<br />

dass „der Kaiser für die Rechtsstellung der Juden […] zumindest eine wichtige<br />

Komponente“ gewesen sei, die es von jüdischer Seite insbesondere durch die Bitte<br />

um kaiserlichen Schutz zu erhalten bzw. zu stärken gegolten hätte. 78<br />

Stephan Wendehorst und Andreas Gotzmann betonen hingegen die „imperiale<br />

Überwölbung“ jüdischen Lebens im Alten Reich, also die sich zum Teil<br />

überschneidenden oder zumindest überlappenden kaiserlichen und territorialen<br />

herrschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen als Strukturmerkmal,<br />

das der jüdischen Bevölkerung besondere „Rechts- und Handlungsspielräume“<br />

eröffnet habe. 79 Diese zeige sich gerade durch die „aktive Teilnahme der Juden an<br />

der Gestaltung dieses rechtlichen Rahmens“, nämlich „die Häufigkeit und Regelmäßigkeit,<br />

mit der sie Gerichte anriefen beziehungsweise anrufen mussten“. 80<br />

Dabei gelte insbesondere, dass „the imperial political and legal structures continued<br />

to provide a significant, though not evenly distributed, space which was<br />

also a Jewish space. […] it was precisely the specifically imperial dimension of the<br />

Holy Roman Empire which provided a crucial component of the life-worlds of its<br />

Jewish population.“ 81 Die kaiserlichen Privilegien seien gleichsam „‚Grundgesetz‘<br />

75 Battenberg, Friedrich: Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 62. Ders.: Das Reichskammergericht<br />

und die Juden, S. 6.<br />

76 Battenberg, Friederich: Die Juden in Deutschland, S. 74.<br />

77 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 113, 192.<br />

78 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 153.<br />

79 Gotzmann, Andreas/Wendehorst, Stephan: Zwischen Kaiser, Landesherrschaft und Halacha.<br />

In: Gotzmann, Andreas/Wendehorst, Stephan: Juden im Recht, S. 2ff.<br />

80 Gotzmann, Andreas/Wendehorst, Stephan: Zwischen Kaiser, Landesherrschaft und Halacha, S. 3.<br />

81 Wendehorst, Stephan: Imperial Spaces as Jewish Spaces – The Holy Roman Empire, the Em peror<br />

and the Jews in the Early Modern Period. Some Preliminary Observations. In: Diner, Dan<br />

(Hrsg.): Jahrbuch des Simon Dubnow Instituts, Band 2, Leipzig 2003, S. 439.<br />

42


jüdischer Existenz im Reich“, 82 Kaiser und Reichshofrat werden also als bestimmende<br />

Faktoren jüdischen Lebens im Reich angesehen.<br />

Für die Darstellung der Prozessfrequenz mit jüdischer und insbesondere<br />

Frankfurter jüdischer Beteiligung am RHR wurde daher statt einer zusammenfassenden<br />

Bündelung in Fünf- oder Zehn-Jahresschritten 83 der Versuch<br />

unternommen, die Ergebnisse graphisch zu den Regierungszeiten der Kaiser<br />

in Beziehung zu setzen. Diese Setzung entspricht dem angenommenen Konnex<br />

von Prozessfrequenz am RHR und der Person des jeweils regierenden<br />

Kaisers, denn, so Ortlieb/Polster: „das Reichsoberhaupt bedeutete […] nicht<br />

nur eine allgemeine Rahmenbedingung der reichshofrätlichen Tätigkeit, sondern<br />

konnte von potenziellen Klägern durchaus als konkrete Person mit einem<br />

bestimmten politischen Programm wahrgenommen werden.“ 84 Falls dem so<br />

ist, könnte sich dies durch gewisse Kongruenzen von politischen Ereignissen,<br />

Entwicklungen, insbesondere Herrscherwechseln, Kriegen, regionalen Ereignissen<br />

im statistischen Verlauf bemerkbar machen. Freilich können hier ohne<br />

Akteneinsicht nur Mutmaßungen angestellt werden. Da jedoch bereits Untersuchungen<br />

von Eva Ortlieb zur Entwicklung der allgemeinen Prozessfrequenz<br />

am RHR 85 und den Frankfurter Prozessen am RHR 86 sowie eine Untersuchung<br />

von Anette Baumann zu den Prozessen mit Frankfurter Juden als Prozesspartei<br />

am RKG 87 vorliegen, können die sich abzeichnenden Entwicklungen<br />

der jüdischen Prozessbeteiligten kontextualisiert und bis zu einem gewissen<br />

Grad gespiegelt werden.<br />

Besondere Berücksichtigung erfuhren die Prozesse mit Frankfurter Juden<br />

als Prozesspartei, da sie die bei weitem größte Prozessgruppe bildeten. So<br />

umfassen die 1385 Prozessen mit jüdischer Beteiligung 480, also rund ein<br />

Drittel, Prozesse mit Frankfurter Juden als Prozessbeteiligten, d.h. entweder<br />

Kläger oder Beklagter waren Frankfurter Juden. Sie sollen für die quantitative<br />

Untersuchung zunächst nur als statistisch besonders stark vertretener Teil des<br />

Gesamtsamples herausgegriffen, dann jedoch bei der Aktenanalyse inhaltlich<br />

genauer eingeführt werden.<br />

82 Gotzmann, Andreas/Wendehorst, Stephan: Zwischen Kaiser, Landesherrschaft und Halacha,<br />

S. 7.<br />

83 So Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 191 und Ortlieb, Eva/Polster, Gerd: Die<br />

Prozessfrequenz am Reichshofrat (1519–1806), S. 213, 216. Letztere kombinieren jedoch Regierungszeit<br />

und Prozessfrequenz inhaltlich in ihren Ausführungen, siehe S. 201–204.<br />

84 Ortlieb, Eva/Polster, Gerd: Prozessfrequenz am Reichshofrat (1519–1806), S. 201.<br />

85 Ortlieb, Eva/Polster, Gerd: Prozessfrequenz am Reichshofrat (1519–1806).<br />

86 Ortlieb, Eva: Frankfurt vor dem Reichshofrat.<br />

87 Baumann, Anette: Jüdische Reichskammergerichtsprozesse aus den Reichstädten Frankfurt<br />

und Hamburg. Eine quantitative Annäherung. In: Gotzmann, Andreas/Wendehorst, Stephan<br />

(Hrsg.): Juden im Recht, S. 297–316.<br />

43


Diagramm 2 und 3: Jüdische Prozesse (oben) und Frankfurter Jüdische Prozesse (unten) am RHR im 18. Jahrhundert<br />

44


Diagramm 2 zeigt die Frequenz aller Prozesse mit jüdischen Prozessbeteiligten<br />

mit Angabe der absoluten Zahlen im Vergleich zu der Frequenz an Prozessen<br />

mit Frankfurter Juden als Prozessbeteiligten, die in den absoluten Zahlen<br />

enthalten sind. Die genauen Werte für die Prozesse mit Frankfurter Juden als<br />

Prozessbeteiligten finden sich in Diagramm 3 aufgeschlüsselt. Die Gesamtzahlen<br />

für die jeweilige Regierungszeiten der Kaiser finden sich unter dem Namen<br />

des jeweiligen Kaisers wiedergegeben. Hierbei sind die Werte für die Regierungszeiten<br />

der Kaiser Leopold I. (1658–1705) und Franz II./I. (1792–1806)<br />

unvollständig, da ihre Regierungszeiten jeweils ins 17. bzw. 19. Jahrhundert<br />

hinein reichen und diese Regierungsjahre für den gewählten Analysezeitraum<br />

nicht mit einberechnet wurden. Besonders für Leopold I. können daher nur<br />

fünf Jahre seiner 47-jährigen Regierungszeit in den Blick genommen werden.<br />

Zunächst ist festzustellen, dass sich die hohe Frequenz der Prozesse mit<br />

jüdischer Beteiligung auf den ersten Blick beinahe analog zur allgemeinen Entwicklung<br />

der Prozessfrequenz am RHR im 18. Jahrhundert, wie von Ortlieb/<br />

Polster gezeigt, 88 entwickelt. Damit ist das höchste Prozessaufkommen unter<br />

Karl VI. mit 479 Prozessen (35%) mit jüdischer Beteiligung anzusetzen, die<br />

zweite Phase besonders hoher Prozessfrequenz findet sich unter Joseph II. mit<br />

364 Prozessen (26%) mit jüdischer Beteiligung. Was für die jüdischen Prozesse<br />

generell gilt, gilt für die Prozesse mit Frankfurter Juden als Prozessbeteiligten<br />

im Besonderen: auch hier ist die höchste Prozessfrequenz unter Karl VI. mit<br />

133 Prozessen (28%), danach unter Joseph II. mit 119 Prozessen (25%) sowie<br />

unter Franz I. Stephan mit 111 Prozessen (23%) zu erkennen.<br />

Mit Ausnahme des Regierungsantritts Josephs I. ist bei der jüdischen Prozessfrequenz<br />

insgesamt jeweils ein kurzfristiger Rückgang des Prozessaufkommens<br />

bei Regierungsantritt eines neuen Kaisers festzustellen. In größerem<br />

Ausmaß ist dies beim Regierungsende Karls VI. (1740 = 18 Verfahren, 1741 =<br />

10 Verfahren) und dem Regierungswechsel Karl VII./Franz I. Stephan (1745 =<br />

20 Verfahren, 1746 = 7 Verfahren) zu beobachten, worin sich möglicherweise,<br />

auch unter diesem Blickwinkel, die von der Forschung konstatierte, zunächst<br />

labile Machtposition des wittelsbachischen Kaisers widerspiegelt. 89 Dennoch,<br />

und dies steht im Widerspruch zu den von Anette Baumann für das RKG<br />

erarbeiteten Befunden, kam es auch während der Zeit der Reichsvikariats und<br />

der Herrschaft Karls VII. nicht zu einem Rückgang von jüdischen Prozessen<br />

am RHR. 90 Andererseits lässt sich jedoch nicht nachweisen, dass die Nähe des<br />

88 Ortlieb, Eva/Polster, Gerd: Prozessfrequenz am Reichshofrat (1519–1806), S. 201ff.<br />

89 Siehe dazu Gotthard, Axel: Das Alte Reich 1495–1806, S. 126–141. Stollberg-Rilinger, Barbara:<br />

Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, S. 92–103.<br />

90 Baumann, Anette: Jüdische Reichskammergerichtsprozesse, S. 304.<br />

45


RHR, der unter Karl VII. in Frankfurt residierte, zu einer erhöhten Anrufung<br />

desselben durch Frankfurter Juden geführt hätte, die Prozessfrequenz verhält<br />

sich bis auf Anfangs- und Endjahre unauffällig, wie in Diagramm 2 zu<br />

ersehen ist. 91 Demgegenüber erreichte die Inanspruchnahme des RHR durch<br />

Frankfurt(er) insgesamt, wie Eva Ortlieb aufzeigt, 1742 mit dem Regierungsantritt<br />

Karl VII. den höchsten Wert in der gesamten Bestehenszeit des RHR. 92<br />

Ein geringeres allgemeines „jüdisches Prozessaufkommen“ lässt sich hingegen<br />

für die Regierungszeit Franz I. Stephan konstatieren, wobei hier die<br />

Entwicklung der jüdischen Prozessfrequenz insgesamt und die der Frankfurter<br />

Juden auseinander treten. Denn während die jüdischen Prozesse allgemein<br />

am RHR zurückgingen, stiegen die Prozesse mit Frankfurter Juden<br />

als Prozessbeteiligten deutlich an. Dies ließe sich vor allem durch die starken<br />

innergemeindlichen Führungs- und Gemeindeverfassungskonflikte der Frankfurter<br />

Jüdischen Gemeinde erklären, die so genannten Kulp-Kannschen Wirren<br />

(1749–1765), 93 die sich in zahlreichen Prozessen am RHR niederschlugen,<br />

außerdem möglicherweise durch die Einquartierung französischer Truppen<br />

in Frankfurt im Zuge des siebenjährigen Krieges (1756–1763). 94 Vielleicht zeigt<br />

sich speziell bei den Frankfurter Juden in der erhöhten Anrufung des RHR<br />

unter Franz I. Stephan im Gegensatz zu Karl VII., der ihnen allein räumlich<br />

gesehen näher gewesen wäre, aber auch eine größere Nähe zu den habsburgischen<br />

Kaisern.<br />

Nicht immer spiegeln sich lokale Faktoren jedoch unbedingt direkt in der<br />

Prozessfrequenz wider. So führten beispielsweise die beiden Brände in der<br />

Frankfurter Judengasse von 1711 und 1721, die am RKG für eine erhöhte Prozessfrequenz<br />

offensichtlich einschlägig wurden, 95 am RHR nicht zu vermehrten<br />

91 So die Vermutung von Anette Baumann: „Denn nach dem Tod Kaiser Karls VI. bestieg der<br />

Wittelsbacher Karl VII. für zwei Jahre den Kaiserthron. Er residierte in Frankfurt, wo auch der<br />

Reichshofrat, das zweite oberste Reichsgericht tagte. Wie weit die Frankfurter Juden dieses kaiserliche<br />

Gericht in diesem Zeitraum verstärkt nutzten, muss beim derzeitigen Forschungsstand<br />

offen bleiben. Interessant ist jedoch, dass die Zahl der Frankfurter jüdischen Prozesse in diesem<br />

Jahrzehnt knapp unter der der Hamburger lag. Das legt den Schluss nahe, dass der Reichshofrat<br />

in dieser Zeit für die Frankfurter Juden eine große Rolle spielte.“ in Baumann, Anette: Jüdische<br />

Reichskammergerichtsprozesse, S. 304.<br />

92 Ortlieb, Eva: Frankfurt vor dem Reichshofrat, S. 74.<br />

93 Kracauer, Isidor: Die Geschichte der Juden in Frankfurt am Main, S. 178–216.<br />

94 Gotzmann, Andreas: Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit. Recht und Gemeinschaft im<br />

deutschen Judentum, Göttingen 2008, S. 411–438 sowie die ältere positivistische Darstellung<br />

bei Kracauer, Isidor: Die Kulp-Kannschen Wirren. Ein Beitrag zur Geschichte der jüdischen<br />

Gemeinde in Frankfurt am Main im XVIII. Jahrhundert. In: Archiv für Frankfurts Geschichte<br />

und Kunst, 10 (1910), S. 135–212.<br />

Eine Dissertation zu „Jüdischen Prozessen“ am Reichshofrat unter Franz I. Stephan im Vergleich<br />

zur Regierungszeit Ferdinand III. wird derzeit von André Griemert, Marburg, Betreuung:<br />

Christoph Kampmann, vorbereitet.<br />

95 Baumann, Anette: Jüdische Reichskammergerichtsprozesse, S. 305.<br />

46


Klagen. Der recht sprunghafte Anstieg der Prozesse mit Frankfurter Juden als<br />

Prozessbeteiligten zu Beginn des Jahrhunderts während den Regierungszeiten<br />

Leopolds I. und Josephs I. lässt sich dadurch nicht erklären. Auch der innerstädtische<br />

Verfassungskonflikt in Frankfurt (1705–1732) findet sich lediglich<br />

in zwei Prozessen mit jüdischer Beteiligung wieder, während dieser Konflikt<br />

für die Frankfurter Prozesse allgemein am RHR, wie von Eva Ortlieb gezeigt,<br />

durch die Einsetzung der kaiserlichen Kommission bis in die 1740er Jahre nicht<br />

nur bei Klagen der Stadt Frankfurt, sondern auch einzelner Frankfurter Bürger<br />

stark zum Tragen kam. 96 Hier könnte nur ein indirekter Zusammenhang<br />

vermutet werden, dass nämlich, wie Eva Ortlieb formuliert: „[…] die Präsenz<br />

des Kaisers durch kaiserliche Kommissionen und die vielen laufenden Verfahren<br />

in Verfassungsdingen die Frankfurter dazu ermuntert […] haben, auch<br />

andere Konflikte durch eine Anrufung des Reichshofrats einer Lösung näher zu<br />

bringen.“ 97 Andererseits stand das „Frankfurter jüdische Prozessaufkommen“<br />

am RHR in einer wesentlich längeren Tradition als das „nicht-jüdische Pro zessaufkom<br />

men“, das erst ab 1705 wirklich einsetzte, 98 weshalb die Relevanz der<br />

innerstädtischen Verfassungskonflikte auf die RHR-Inanspruchnahme durch<br />

Frankfurter Juden wohl als eher marginal eingestuft werden muss. Dies zeigt<br />

sich gerade zu Beginn des Jahrhunderts bis 1706, als sich die jüdische Inanspruchnahme<br />

des RHR gerade umgekehrt zur allgemeinen Inanspruchnahme<br />

entwickelt. 99 Es zeigt sich hierin eine bei jüdischen Prozessbeteiligten früher<br />

wieder aufgenommene intensivere Nutzung des Reichshofrates im Vergleich<br />

zu anderen Prozessgruppen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die, wie<br />

in Kapitel I.2.a gezeigt, mit einem vermutlich starken Anstieg der jüdischen<br />

Prozessfrequenz in der Regierungszeit Leopolds I. einhergeht, während sich<br />

dies bei der Gesamtinanspruchnahme am RHR erst nach dessen Tod 1706<br />

niederschlägt. 100<br />

Für Joseph II. lässt sich bei den Prozessen mit jüdischer Beteiligung insgesamt<br />

bis auf wenige Ausschläge nach oben in den Jahren 1770 (24), 1774<br />

(23), 1789 (20) und unten 1783 (9) ein vergleichsweise stabil hohes Prozessaufkommen<br />

zwischen 11 und 18 Prozessen feststellen. Diese ohnedies schwachen<br />

96 Ortlieb, Eva: Frankfurter vor dem Reichshofrat, S.68–70.<br />

Zum Frankfurter Verfassungskonflikt siehe: Hohenemser, Paul: Der Frankfurter Verfassungsstreit<br />

und die kaiserlichen Kommissionen 1705–1732, Frankfurt 1920. Soliday, Gerald Lyman:<br />

A community in conflict. Frankfurt society in the seventeenth and early eighteenth centuries,<br />

Hannover/New Hampshire 1974.<br />

97 Ortlieb, Eva: Frankfurter vor dem Reichshofrat, S. 74.<br />

98 90% der rund 1500 Frankfurter Prozesse am Reichshofrat sind nämlich zwischen 1705 und 1806<br />

angesetzt – auf das gesamten 16. und 17. Jahrhundert entfallen entsprechend nur 10%. Ortlieb,<br />

Eva: Frankfurter vor dem Reichshofrat, S. 64, 65.<br />

99 Ortlieb, Eva/Polster Gerd: Prozessfrequenz am Reichshofrat (1519–1806), S. 201.<br />

100 Ortlieb, Eva/Polster Gerd: Prozessfrequenz am Reichshofrat (1519–1806), S. 201.<br />

47


Schwankungen finden sich in den Prozessen mit Frankfurter Juden als Prozessbeteiligten<br />

nicht, das Jahr mit dem höchsten Prozessaufkommen ist hier<br />

1770 (10), das niedrigste Prozessaufkommen mit nur einem Prozess im Jahr<br />

1785. Dies ist im Hinblick auf die Prozessgegenstände besonders interessant, als<br />

sich auf den ersten Blick keine regionalen Ereignisse abzeichnen, die unmittelbare<br />

erhöhende Auswirkungen auf die Prozessfrequenz haben könnten. Dass<br />

dennoch in dieser Regierungszeit so viele Prozesse geführt wurden, deutet<br />

eventuell auf veränderte Konfliktlinien und/oder eine erhöhte Bereitschaft,<br />

den RHR anzurufen, hin.<br />

Sieht man die Regierungszeiten en bloc, treten die aufgezeigten Hauptentwicklungen<br />

besonders deutlich hervor. Zum Vergleich sollen hier die Tendenzen,<br />

wie von Ortlieb/Polster für den RHR insgesamt gezeigt, noch einmal hinzugezogen<br />

werden. 101 Die Prozessfrequenzen während den Regierungszeiten<br />

der verschiedenen Kaiser werden zusammenfassend dargestellt im Vergleich<br />

zum durchschnittlichen Prozessaufkommen. Die zusätzliche Information der<br />

Durchschnittswerte pro Regierungsjahr wurde gewählt, um die sehr unterschiedlich<br />

langen Regierungszeiten vergleichbar zu machen. Gleichwohl muss<br />

stets bedacht werden, dass solche Durchschnittswerte, ebenso wie die zusammenfassende<br />

Darstellung der Regierungszeiten, Konstrukte sind, die gegebene<br />

und begründete Schwankungen einebnen.<br />

4000<br />

Prozessfrequenz am RHR im 18. Jahrhundert nach der Stichproben-Untersuchung von Ortlieb/Polster (n=10119 Fälle)<br />

nach kaiserlichen Regierungszeiten aufgeschlüsselt<br />

3784<br />

3500<br />

3000<br />

Anzahl Fälle<br />

Durchschnitt<br />

2500<br />

2524<br />

2000<br />

1500<br />

1521<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

469<br />

730<br />

93,8 121,7 130,5 96,7 76,1 100,9<br />

Leopold I. (ab<br />

1700-1705)<br />

Joseph I.<br />

(1705-11)<br />

Karl VI. (1711-<br />

1740)<br />

494<br />

Karl VII.<br />

(1742-45) /<br />

Reichsvikariat<br />

(1740-1742)<br />

Franz I.<br />

Stephan<br />

(1745-65)<br />

Joseph II.<br />

(1765-90)<br />

175<br />

87,5<br />

Leopold II.<br />

(1790-92)<br />

Diagramm 4: Prozessfrequenz am RHR nach kaiserlichen Regierungszeiten (Sample<br />

Ortlieb/Polster n=10119) und nach Durchschnitt (Fälle/Jahr) aufgeschlüsselt<br />

422<br />

52,75<br />

Franz II./I.<br />

(1792 bis<br />

1800)<br />

101 Wobei nochmals betont sei, dass die Studie von Ortlieb/Polster Zahlen eines Analyseausschnittes<br />

wiedergibt, während für die jüdische Inanspruchnahme mit absoluten Zahlen gearbeitet<br />

wurde, so dass lediglich Tendenzen, nicht aber tatsächliche Fallzahlen verglichen werden können.<br />

48


Prozessfrequenz RHR Jüdische Prozesse (n=1385) im 18. Jahrhundert nach kaiserlichen Regierungszeiten aufgeschlüsselt<br />

600<br />

500<br />

479<br />

Anzahl Fälle<br />

Durchschnitt<br />

400<br />

364<br />

300<br />

200<br />

211<br />

100<br />

0<br />

69<br />

94<br />

79<br />

13,8 15,7 16,5 15,8 10,6 14,6<br />

Leopold I. (ab Joseph I. (1705- Karl VI. (1711- Karl VII. Franz I. Stephan Joseph II.<br />

1700-1705)<br />

11)<br />

1740) (1742-45) / (1745-65) (1765-90)<br />

Reichsvikariat<br />

(1740-1742)<br />

30<br />

15<br />

Leopold II.<br />

(1790-92)<br />

59<br />

7,4<br />

Franz II./I.<br />

(1792 bis 1800)<br />

Diagramm 5: „Jüdische Prozessfrequenz“ am RHR nach kaiserlichen Regierungszeiten<br />

(n=1385) und nach Durchschnitt (Fälle/Jahr) aufgeschlüsselt<br />

Prozessfrequenz RHR Frankfurter Jüdische Prozesse (n=480) nach kaiserlichen Regierungszeiten aufgeschlüsselt<br />

140<br />

120<br />

133<br />

111<br />

119<br />

Anzahl Fälle<br />

Durchschnitt<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

39<br />

28<br />

21<br />

5,6 6,5 4,6 4,2 5,6 4,8<br />

Leopold I. (ab<br />

1700-1705)<br />

Joseph I. (1705-<br />

11)<br />

Karl VI. (1711-<br />

1740)<br />

Karl VII. Franz I. Stephan<br />

(1742-45) / (1745-65)<br />

Reichsvikariat<br />

(1740-1742)<br />

Joseph II.<br />

(1765-90)<br />

9<br />

4,5<br />

Leopold II.<br />

(1790-92)<br />

20<br />

2,5<br />

Franz II./I.<br />

(1792 bis 1800)<br />

Diagramm 6: Frankfurter „Jüdische Prozessfrequenz“ am RHR nach kaiserlichen Regierungszeiten<br />

(n=450) und nach Durchschnitt (Fälle/Jahr) aufgeschlüsselt<br />

Die – bis auf Franz II./I. mit 7,4 Fällen/Jahr – relativ ähnlichen Durchschnittszahlen<br />

für die Prozesse mit jüdischer Beteiligung zeigen die Konstanz<br />

der Inanspruchnahme, was für die Bedeutung der Institution RHR für<br />

die jüdische Bevölkerung, wenngleich ohne Zweifel mit regionalen Unterschieden,<br />

bis zum Ende des 18. Jahrhunderts spricht, dessen konstant hohe<br />

Inanspruchnahme durch jüdische Prozessbeteiligte ein hohes Maß an Vertrauen<br />

in seine Stabilität und Funktionstüchtigkeit nahe legt. Dasselbe gilt<br />

für die Frankfurter jüdischen Prozessbeteiligten: Auch hier sind konstante<br />

Werte zu beobachten, wenngleich sie sich von der allgemeinen jüdischen<br />

Inanspruchnahme ein wenig unterscheiden. Besonders tritt dies bei Franz I.<br />

49


Stephan zu Tage, denn hier machen die Prozesse mit Frankfurter Juden als<br />

Prozessbeteiligten mehr als die Hälfte der Prozesse mit jüdischer Beteiligung<br />

insgesamt aus (111 von 211), entsprechend ist die durchschnittliche Zahl an<br />

Prozessen pro Jahr mit 5,6 relativ hoch. Ähnliches lässt sich für Joseph I. konstatieren,<br />

sind hier doch 42% (39 von 94) der „jüdischen Prozesse“ insgesamt<br />

„Frankfurter jüdische Prozesse“, was einen durchschnittlichen Wert von 6,5<br />

Prozessen pro Jahr ergibt. Bei den Kaisern Karl VI., Karl VII./Reichsvikariat,<br />

Joseph II., Leopold II. und Franz II./I. entspricht das Verhältnis je in etwa<br />

einem Drittel „Frankfurter jüdische Prozesse“, was dem Gesamtaufkommen<br />

im 18. Jahrhundert „Frankfurter jüdische Prozesse“ an „jüdischen Prozessen“<br />

insgesamt gleich kommt.<br />

Im Vergleich mit dem Sample von Ortlieb/Polster zeigt sich erneut die hohe<br />

Kongruenz der Entwicklung der jüdischen Inanspruchnahme zur allgemeinen<br />

Inanspruchnahme des RHR. Die Durchschnittswerte zeigen interessanterweise<br />

auch bei der Gesamtauswertung durch Ortlieb/Polster die besonders<br />

hohe Inanspruchnahme bei Joseph I., die aufgrund der kurzen Regierungszeit<br />

ansonsten leicht übersehen werden könnte.<br />

2.c Prozessaufkommen jüdischer Gemeinden und deren Anteil<br />

an innerjüdischen Konflikten<br />

Innerhalb der Vielzahl an Prozessen mit Beteiligung von Frankfurter Juden<br />

ist wiederum die Intensität, in der sich die Frankfurter jüdische Gemeinde<br />

als Korporation an den RHR wandte, besonders auffällig. In 93 Prozessen<br />

trat sie als Prozesspartei auf, wovon allein 76 Prozesse auf Konflikte mit<br />

dem Frankfurter Magistrat entfallen. Im Vergleich zu anderen jüdischen<br />

Gemeindeprozessen ist die Frankfurter Gemeinde (61%) damit die mit<br />

Abstand aktivste prozessführende jüdische Gemeinde am RHR. Ihr folgt<br />

die Wormser jüdische Gemeinde mit 25 Fällen (17%). An der Spitze der<br />

Inanspruchnahme durch jüdische Gemeinden stehen damit also die beiden<br />

ehemaligen Vertreter der „Judenschaft im Reich“, die im 18. Jahrhundert<br />

nur noch einmal als Kläger vor dem RHR agierte. 102 Möglicherweise deutet<br />

dies auf eine weiter bestehende Vorreiter- oder Vertreterrolle dieser beiden<br />

Gemeinden, besonders aber der Frankfurter Gemeinde, im Sinne einer die<br />

jüdische Interessen im Reich oder zumindest kaisernahen Gebieten vertretenden<br />

Instanz hin, wie dies bereits Press aufgrund der zentralen Rolle der<br />

102 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 152 Fußnote 518, S. 172. Herzig, Arno: Die Judischheit<br />

teutscher Nation. Zur Krise der deutschen Judenheit im Reich im 16. und 17. Jahrhundert.<br />

In: Aschkenas 4 (1994), S. 127–132.<br />

50


Frankfurter Juden im Umfeld der so genannten „Rabbinerverschwörung“<br />

1603 vermutet hat. 103 Dafür sprechen auch die im Frankfurter Stadtarchiv<br />

überlieferten 26 Anfragen an den Frankfurter Magistrat im 18. Jahrhundert<br />

aus vornehmlich süddeutschen Städten und Territorien zu – teils innerjüdischen<br />

104 – rechtlichen Fragestellungen, 105 wozu der Magistrat in sechs Fällen<br />

das Gutachten des Oberrabbiners einholte 106 oder auch auf laufende Fälle zu<br />

diesen Betreffen am RHR hinwies. 107<br />

Insgesamt sind in den Findbehelfen für das 18. Jahrhundert 150 Prozesse<br />

jüdischer Gemeinden am RHR ausgewiesen, was etwa 10% des Ge samt pro zessaufkom<br />

mens mit jüdischer Beteiligung entspricht. Dies zeigt zum einen, dass,<br />

wie zu erwarten war, die Hauptmasse an Prozessen von Einzelpersonen geführt<br />

wurde, zum anderen aber, dass im 18. Jahrhundert die jüdische Gemeinde als<br />

Korporation durchaus nicht als Akteur vor dem RHR verschwunden ist. Wenngleich<br />

die Hauptmasse an Gemeindeprozessen eindeutig auf Frankfurt und<br />

Worms entfiel, führten doch immerhin weitere 14 (15) verschiedene Gemeinden<br />

– zumeist als Kläger – Prozesse am RHR.<br />

103 Press, Volker: Kaiser Rudolf II. und der Zusammenschluß der deutschen Judenheit, S. 293.<br />

104 Wobei Gotzmann die Bedeutung dieser Anfragen aus innerjüdischer Perspektive als Marginalie<br />

interpretiert, die nicht zu der Vermutung Anlass gebe, dass rituelle Entscheidungen und Urteile<br />

tatsächlich an christliche Gerichte gelangten. Die Verhandlung religiöser Fälle außerhalb des<br />

Rabbinats sei vielmehr als Ausnahme anzusehen. Siehe: Gotzmann, Andreas: Strukturen jüdischer<br />

Gerichtsautonomie in den deutschen Staaten des 18. Jahrhunderts. In: HZ 267 (1998),<br />

S. 334.<br />

105 So zum Beispiel 1784 die Anfrage der badischen Regierung in Karlsruhe über die „Befugnisse<br />

des Juden-Schultheißen oder Parnassen (namentlich, ob er in Polizei-Zeremonien- und kleinen<br />

Rechtssachen allein und ohne Zuziehung der übrigen Vorsteher cognoscieren kann)“, JA<br />

166; 1736/1785 „Dohmb Capitel zu Bamberg et alii. verlangt Nachricht auf etl. puncten der Jüdischen<br />

Ceremonien und Einschlagen der Rechtsfragen (später dazu geschrieben) und Regierung<br />

zu Mergentheim de 1785“, JA 444; 1777 Anfrage der kurfürstlich Kölnischen Regierung<br />

zu Bonn, „ob es in Frankfurt ein vom Kaiser bestätigtes Gericht zur Entscheidung in jüdischen<br />

Zeremonialsachen gebe“, JA 123. – Im Wortlaut zitiert nach den elektronischen Findbehelfen im<br />

Stadtarchiv Frankfurt.<br />

106 So zum Beispiel 1781 Anfrage „der kurpfälzischen Regierung in Mannheim über die Befugnisse<br />

der Rabbiner in Zeremonialsachen“. Enthält besiegeltes Gutachten des Oberrabbiners Pincas<br />

Levi Horviz in hebr. Schrift, JA 154; 1782 „Gutachten des Oberrabbiners Pinkas Levi Horwitz in<br />

einem jüdischen Erbschaftsstreit über die Frage, ob ein auf Lebenszeit befristeter Schuldschein,<br />

der bei Tod erlöschen soll, Gültigkeit besitzt und Auswirkungen auf das Erbe hat (auf Requisition<br />

des fürstlich Salmischen und Rheingräflichen geminschaftlichen Rats- und Amtsmann<br />

Ernst Ludwig Hoppe in Diemaringen)“, JA 150. – Im Wortlaut zitiert nach den elektronischen<br />

Findbehelfen im Stadtarchiv Frankfurt.<br />

107 So zum Beispiel 1789 Anfrage der Regierung in Darmstadt „über Spezerei-, Tuch- und Cottonhandel<br />

der Juden“, JA 188 – Im Wortlaut zitiert nach den elektronischen Findbehelfen im<br />

Stadtarchiv Frankfurt.<br />

51


Gemeinde<br />

Anzahl Prozesse<br />

1 Gemeinde Buchau 5<br />

2 Gemeinde Corbach (Korbach) 2<br />

3 Gemeinde Frankfurt am Main 93<br />

4 Gemeinde Friedberg 1<br />

5 Gemeinde Fürth 6<br />

6 Gemeinde Grabfeldt (Grabfeld) 1<br />

7 Gemeinde Hamburg 1<br />

8 Gemeinde Hechingen 1<br />

9 Gemeinde Lonnerstadt 1<br />

10 Gemeinde Mühlhausen 4<br />

11 Gemeinde Niederwehren (Niederwerrn) 2<br />

12 Gemeinde Oettingen 1<br />

13 Gemeinde Regensburg 1<br />

14 (Gemeinde Schwaben) 108 (1)<br />

15 Gemeinde Speyer 1<br />

Tabelle 3: Prozessfrequenz jüdischer Gemeinden im Reich am RHR im 18. Jahrhundert<br />

Hauptsächlich aus dem Süden des Reiches kommend, war beinahe die Hälfte der<br />

Gemeinden in Reichsstädten angesiedelt (Frankfurt, Hamburg, Mühlhausen,<br />

Regensburg, Speyer, Wetzlar, Worms), weitere drei entstammten reichsritterschaftlichen<br />

Gebieten (Buchau, Lonnerstadt, Niederwerrn), eine der reichsunmittelbaren<br />

Herrschaft Thannhausen. Die verbleibenden fünf Gemeinden entstammten<br />

reichsunmittelbaren Territorien (Friedberg – Burggrafschaft Friedberg;<br />

Hechingen – Herrschaft Hohenzollern-Hechingen; Oettingen – Fürstentum Oettingen,<br />

Grabfeldt – Hochstift Würzburg, Korbach – Fürstentum Waldeck), die<br />

tendenziell ebenfalls als kaisertreues Klientel gelten können. Die Gemeinde Fürth<br />

unter der „Dreiherrschaft“ des Hochstifts Bamberg, der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach<br />

und der Reichsstadt Nürnberg eröffnete offensichtlich einen<br />

erweiterten Handlungsspielraum für kaiserliche Einflussnahme durch die Gemengelage<br />

der verschiedenen Herrschaftsrechte. Damit ist aber für die Mehrzahl der<br />

Gemeinden die Kaisernähe ersichtlich 109 und deckt sich mit dem Befund Barbara<br />

Staudingers, dass hauptsächlich „Juden aus den reichsunmittelbaren Gebieten […]<br />

am Reichshofrat als Kläger oder beklagte Partei auftraten, während Juden aus den<br />

anderen Territorien des Reiches eine Minderheit darstellten“. 110<br />

108 Hierbei handelt es sich um die erwähnte Privilegienbestätigung für den Rabbiner Löw Oppenheim<br />

und damit nicht um ein gerichtliches, sondern ein Gratial-Verfahren.<br />

109 Siehe zur Entwicklung des kaisernahen Klientels nach dem Westfälischen Frieden: Gotthard,<br />

Axel: Das Alte Reich 1495–1806, S. 9–18, 28–30, 107–116.<br />

110 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 152.<br />

52


3 Soziale und geographische Verteilung der<br />

Prozessparteien in Verfahren von Frankfurter Juden<br />

am Reichshofrat<br />

Die Ungenauigkeit hinsichtlich der Prozessbeteiligten in den Wiener Findbüchern<br />

betrifft zumeist mangelnde Informationen zur Herkunft der Parteien.<br />

So finden sich insbesondere bei jüdischen Klägerparteien häufig Namensverdrehungen,<br />

-verkürzungen oder -verwechslungen, was nur über einen Abgleich<br />

mit den Akten, den Protokollbüchern und der Sekundärliteratur aufgefangen<br />

werden kann. Gleichwohl zeichnete sich bei den 480 Frankfurter jüdischen<br />

Prozessen, nachdem sie als solche identifiziert waren, eine hohe Anzahl an<br />

Prozessen mit Herrschaftsträgern ab. Während es für Prozesse, in denen Kläger<br />

oder Beklagter als Privatpersonen firmieren, bis auf wenige Ausnahmen<br />

unmöglich ist, sie sozial zu verorten oder ihre geographische Herkunft zu<br />

bestimmen, lassen sich diese Zuordnungen für Prozesse, an denen Herrschaftsträger<br />

teilhatten, meist, wenngleich nicht immer, vornehmen. 111 Sie liegen daher<br />

der folgenden Analyse zugrunde. Zwar bleibt eine gewisse Ungenauigkeit bestehen,<br />

die jedoch zugunsten einer ersten überhaupt erkennbaren Differenzierungsmöglichkeit<br />

und Zuordnung in Kauf genommen wurde.<br />

3.a Geographische und soziale Herkunft der Kläger und Beklagten<br />

Die territoriale Zuordnung erfolgte anhand von Reichskreisen und Ritterkreisen,<br />

die in drei Fällen wiederum zu Regionen, nämlich Schwaben (Schwäbischer<br />

Reichskreis, Schwäbischer Ritterkreis und vorderösterreichische Gebiete), Franken<br />

(Fränkischer Reichskreis und Fränkischer Ritterkreis) und Rhein (Oberrheinischer<br />

Reichskreis, Kurrheinischer Reichskreis, Rheinischer Ritterkreis) zusammengefasst<br />

wurden. Dieses von Filippo Ranieri 112 entwickelte Vorgehen wurde,<br />

mit Modifikationen im Detail, bereits von Eva Ortlieb 113 und Sabine Ullmann 114<br />

in ihren quantitativen Untersuchungen angewandt und scheint die sinnvollste,<br />

weil auch zeitgenössisch gebräuchliche, geographische Unterteilung. 115 Gerade<br />

111 Die Zuordnung erfolgte nach Köbler, Gerhard: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die<br />

deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 7., vollständig überarbeitete Auflage,<br />

München 2007.<br />

112 Ranieri, Filippo: Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption, Bd. 1, S. 159f.<br />

113 Ortlieb, Eva: Im Auftrag des Kaisers.<br />

114 Ullmann, Sabine: Geschichte auf der langen Bank. Wobei Ullmann darauf verweist, dass die<br />

Reichskreise für die Auswahl der Kommissare im 16. Jahrhundert noch keine zentrale Rolle<br />

spielten, was die Wirksamkeit der Reichskreise reduzierte, siehe S. 195f.<br />

115 Ortlieb, Eva: Im Auftrag des Kaisers, S. 64.<br />

53


die Reichskreise entwickelten in der Reichsstruktur, so Burkhardt/Wüst, „von<br />

Anfang an exekutive Funktionen, zumindest in Arbeitsteilung mit Kaiser und<br />

Territorien“, 116 da beispielsweise die Kreisfürsten, wie Eva Ortlieb zeigen konnte, 117<br />

vielfach als Kommissare vor Ort für die kaiserlichen Kommissionen des Reichshofrats<br />

tätig waren. Siegrid Westphal betont zu Recht die Zusammenfassung in Regionen<br />

als unzulässigen Homogenisierungsfaktor verschiedener Herrschaftsgebiete,<br />

da die „politische, wirtschaftliche, soziale, rechtliche und konfessionelle Zusammensetzung<br />

eines aus mehreren Territorien bestehenden Gebiets […] ebenso wie<br />

deren Stellung zu Kaiser und Reich die Inanspruchnahme der Reichsgerichte“<br />

bestimmt habe. 118 Gleichwohl soll für die quantitative Analyse mit diesen Kategorien<br />

gearbeitet werden. Reichs- und Ritterkreise sollen hier jedoch nicht als<br />

administrative oder institutionelle, sondern vielmehr als geographische Einheiten<br />

verstanden werden, um die Kleinräumigkeit der verschiedenen Herrschaften in<br />

statistisch auswertbare, aber inhaltlich sinnvolle Kategorien zu fassen. Es soll damit<br />

aber auch der erhöhten Wahrnehmung der Reichskreise als politischem Ordnungsfaktor<br />

im Reich insbesondere im 18. Jahrhundert Rechnung getragen werden. 119<br />

Frankfurter Jüdische Prozesse am Reichshofrat im 18. Jahrhundert<br />

Geographische Zuordnung der Prozessparteien Kläger/Beklagte (Reichskreise und Ritterkreise) (n=808)<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

413 (davon Ff 405)<br />

331 (davon Ff 265)<br />

Kläger<br />

Beklagte<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

27<br />

0 2 0 0<br />

2 10 3<br />

Österreichischer Bayerischer Schwaben<br />

Franken<br />

Reichskreis Reichskreis (Schwäbischer (Fränkischer<br />

Rk und RtK, Rk und RtK)<br />

vorderöster.<br />

Gebiete)<br />

Rhein (Rheinische<br />

Rk und RtK)<br />

0 0<br />

1<br />

10<br />

1 6 1 1<br />

Burgundischer Niederrhein- Niedersächsischer Obersächsischer<br />

Reichskreis Westfälischer Reichskreis Reichskreis<br />

Reichskreis<br />

Diagramm 7: Geographische Zuordnung der Prozessparteien (n=808) 120<br />

116 Burkhardt, Johannes/Wüst, Wolfgang: Einleitung: Forschungen, Fakten und Fragen zu süddeutschen<br />

Reichskreisen – Eine landes- und reichshistorische Perspektive. In: Wüst, Wolfgang (Hrsg.):<br />

Reichskreis und Territorium: Herrschaft über der Herrschaft? Supraterritoriale Tendenzen in Politik,<br />

Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Vergleich süddeutscher Reichskreise, Stuttgart 2000, S. 7.<br />

117 Ortlieb, Eva: Im Auftrag des Kaisers, S. 82–86. Siehe zu dieser Thematik auch Fimpel, Martin:<br />

Reichsjustiz und Territorialstaat. Württemberg als Kommissar von Kaiser und Reich im Schwäbischen<br />

Kreis (1648–1806), Tübingen 1999.<br />

118 Westphal, Siegrid: Kaiserliche Rechtsprechung, S. 21–23.<br />

119 Dies stellten erst unlängst die Forschungen zur Entstehung des Deutschen Bundes 1814/1815 heraus,<br />

in dessen Kontext die Reichskreise als primäre Ordnungskategorie in Erwägung gezogen<br />

wurden. Siehe dazu: Treichel, Eckhardt: Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes, Bd. 1,<br />

Die Entstehung des Deutschen Bundes 1813 – 1815, Oldenburg 2000.<br />

120 Von 938 Prozessparteien war es möglich 808 (84%) geographisch zuzuordnen. Dass hierbei<br />

– im Gegensatz zur Statistik der sozialen Staffelung der Herrschaftsträger – nicht nur die<br />

54


Die geographische Zuordnung zeigt zunächst die begrenzte räumliche Reichweite<br />

der Konflikte, die die Frankfurter Juden am RHR verhandelten. So scheint<br />

die Mehrzahl der Prozessgegner der Frankfurter jüdischen Prozessbeteiligten<br />

– abgesehen von den Konflikten mit dem Frankfurter Magistrat und „innerjüdischen<br />

Prozessen“, die sich überlagerten, 121 weitere 58 Prozessparteien – recht<br />

lokal im rheinischen Raum angesiedelt gewesen zu sein. Ein weiterer Radius<br />

umfasst lediglich das benachbarte Franken mit 30, Schwaben mit 12 sowie den<br />

Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis mit 11 Prozessparteien, dies aber<br />

mit zunehmender Entfernung bereits sehr begrenzt.<br />

Die soziale Zuordnung der gegnerischen Herrschaftsträger jüdischer Prozessparteien<br />

aus Frankfurt wiederum erfolgte anhand der Reichsmatrikel, wobei<br />

Kurfürsten und Fürsten nicht unterschieden wurden. Auch hier stand nicht<br />

die politische, sondern vielmehr die soziale Zuordnung im Vordergrund – ein<br />

Verfahren, das ebenfalls in ähnlichen Untersuchungen zum Tragen kam. 122<br />

Dass Reichsstände häufig – meist die in Schuldenprozessen beklagte – Prozesspartei<br />

bei jüdischen Prozessen am RHR waren, stellte Barbara Staudinger<br />

bereits für das 16. und 17. Jahrhundert fest. 123 Auch im 18. Jahrhundert bildeten<br />

Herrschaftsträger, also Reichsstände und Reichsritter, erwartungsgemäß mit<br />

etwa einem Drittel (27%) eine der größten Prozessparteiengruppen. 124<br />

Betrachtet man nun die Verteilung, so fällt unmittelbar die hohe Anzahl an<br />

Prozessen, in denen der Frankfurter Magistrat Prozesspartei war, auf. Dies<br />

erklärt sich nicht nur aus den – zwar häufigen – erstinstanzlichen Klagen der<br />

Frankfurter Judenschaft gegen den Magistrat und vice versa (insg. 76), die<br />

immerhin beinahe die Hälfte der Frankfurter Prozesse mit Beteiligung des<br />

Frankfurter Magistrats überhaupt am RHR im 18. Jahrhundert ausmachen, 125<br />

sondern auch dadurch, dass der Frankfurter Magistrat bei Prozessen von<br />

Prozessgegner der Frankfurter Juden in die Statistik einberechnet wurden, war dem Umstand<br />

geschuldet, dass die Frankfurter Juden auch untereinander Prozesse am Reichshofrat führten<br />

und diese insofern nicht heraus genommen werden konnten.<br />

121 Siehe Kapitel I.3.b.<br />

122 Ortlieb, Eva: Im Auftrag des Kaisers, S. 71–78; Ullmann, Sabine: Geschichte auf der langen<br />

Bank, S. 67–78.<br />

123 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 153, 160.<br />

124 Offiziell eingetragen waren am Reichshofrat 938 Prozessparteien (480 Prozesse: 480 Kläger +<br />

458 Beklagte (22x kein Beklagter eingetragen) = 938 Prozessparteien). Dies berücksichtigt jedoch<br />

nicht, dass sich die Prozesspartei aus mehreren Personen zusammensetzen konnte oder,<br />

vor allem im Falle Frankfurts, noch häufiger den/die Beklagte/n der Vorinstanz sowie das erstinstanzliche<br />

Gericht gemeinsam als Beklagten nannte. Insofern wurden für die Auswertung der<br />

Herrschaftsträger in diesen Fällen nur die Herrschaftsträger gezählt und weitere genannte Privatpersonen<br />

vernachlässigt. Die „innerjüdischen Prozesse“ werden weiter unten quantifiziert.<br />

125 Ortlieb, Eva: Frankfurt vor dem Reichshofrat, S. 67: Für ein Fünftel aller Reichshofratsverfahren<br />

im Zusammenhang mit Frankfurt konnte der Frankfurter Magistrat als Prozesspartei ausge-<br />

55


Frankfurter Jüdische Prozesse am Reichshofrat im 18. Jahrhundert<br />

Soziale Staffelung der prozessbeteiligten Herrschaftsträger (n=258)<br />

160<br />

140<br />

144<br />

davon Ff<br />

Magistrat = 140)<br />

120<br />

100<br />

Kläger<br />

Beklagte<br />

80<br />

60<br />

40<br />

43<br />

39<br />

20<br />

0<br />

13<br />

8<br />

0 1 0 0<br />

0 2 0<br />

7<br />

davon Ff<br />

Magistrat = 7)<br />

1<br />

Geistliche Fürsten Weltliche Fürsten Prälaten Grafen und Herren Reichsritter Landsässiger Adel Städte<br />

Diagramm 8: Soziale Staffelung der prozessbeteiligten Herrschaftsträger (n=258)<br />

Frankfurter Juden als Vorinstanz und/oder Obrigkeit oftmals quasi automatisch<br />

mit prozessbeteiligt war. Während außer Frankfurt sonst nur vier weitere<br />

Reichsstädte Prozessbeteiligte waren, fallen weiters die Gruppen der weltlichen<br />

Fürsten (44x) sowie der Grafen und Herren (39x) als häufig prozessbeteiligt<br />

auf, während Reichsritter (15x), geistliche Fürsten (8x) und landsässiger Adel<br />

(1x) relativ gering vertreten sind. Prälaten traten überhaupt nicht als Prozessbeteiligte<br />

auf.<br />

Dass beinahe alle beteiligten Herrschaftsträger in Prozessen mit Frankfurter<br />

Juden Beklagte waren und nur in 10 Fällen Kläger, zeigt, dass die Frankfurter<br />

jüdischen Kläger den RHR in besonderem Maße für Verfahren gegen<br />

Reichsstände und Reichsritter nutzten, wie dies auch Barbara Staudinger für<br />

das 16. und 17. Jahrhundert zeigen konnte. Ob dies an der Rechtsstellung der<br />

Beklagten lag, die erstinstanzlich den Reichsgerichten unterstanden, oder der<br />

der Frankfurter jüdischen Kläger oder beiden, muss offen bleiben. 126<br />

3.b Kombination der geographischen und ständischen Verteilung<br />

Auf Diagramm 9 ist nun abschließend die Auswertung von 258 sowohl sozial als<br />

auch territorial zuordnungsbaren Herrschaftsträgern als Kläger oder Beklagte<br />

der Frankfurter jüdischen Prozesse am RHR im 18. Jahrhundert zu sehen.<br />

macht werden (ca. 300 von 1500), wovon zwei Drittel auf das 18. Jahrhundert entfallen (ca. 200).<br />

Davon 76 Prozesse Ff Judenschaft ctr. FF Magistrat = ca. 40%<br />

126 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 166.<br />

56


Frankfurter Jüdische Prozesse am Reichshofrat im 18. Jahrhundert<br />

Soziale und geographische Verteilung der Prozesse mit Herrschaftsträgern (n=258)<br />

160<br />

148<br />

(davon Frankfurter<br />

Magistrat = 147)<br />

140<br />

120<br />

100<br />

Geistliche Fürsten<br />

Weltliche Fürsten<br />

Grafen und Herren<br />

Reichsritter<br />

Landsässiger Adel<br />

Städte<br />

80<br />

60<br />

40<br />

24<br />

20<br />

18<br />

0<br />

0<br />

Bayer. RK<br />

10<br />

8<br />

6<br />

6 7 7<br />

3 2 1 1<br />

1<br />

Schwaben Franken (Fränk. Rhein (Rhein. RK<br />

8<br />

3<br />

2<br />

1<br />

1 1<br />

0<br />

Burgund. RK Niedrl.-Westf. RK Niedersächs.RK Obersächs.RK<br />

(Schwäb. RK ,<br />

RK und RtK)<br />

und RtK)<br />

RtK, vorderösterr.<br />

Gebiete)<br />

Diagramm 9: Soziale und geographische Verteilung der Prozesse mit Herrschaftsträgern<br />

(n=258)<br />

Setzt man nun soziale und geographische Aufteilung in Beziehung, so bietet sich<br />

folgendes Bild: häufigster Konfliktpartner unter den Herrschaftsträgern war ganz<br />

offensichtlich der Frankfurter Magistrat, sodann weltliche Fürsten besonders<br />

aus dem Rheingebiet und Franken, als auch vereinzelt aus Schwaben und dem<br />

Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis. Ebenso waren Grafen und Herren aus<br />

dem Rheingebiet und Franken häufige Konfliktpartner. Da diese Prozesse zumeist<br />

Schuldenkonflikte behandelten, vermag die These, dass der durch den gesteigerten<br />

Repräsentationsaufwand erhöhte Geldbedarf des rheinischen Hochadels durch<br />

jüdische Kapitalgeber der näheren Umgebung befriedigt wurde, mehr als nur<br />

Plausibilität für sich zu beanspruchen. 127 Sie wird zudem durch die Ergebnisse<br />

sowohl von Barbara Staudingers Erhebung als auch meiner Beobachtung gestützt,<br />

dass es sich bei jüdischen Klägern am RHR häufig um Hoffaktoren, also die<br />

finanzstarke jüdische Oberschicht handelte. Ob dies für die Frankfurter Juden<br />

in den Prozessen mit Herrschaftsträgern ebenfalls überwiegend zutrifft, könnte<br />

im Einzelnen nur durch Akteneinsicht geklärt werden, ist aber anzunehmen.<br />

127 Diese Kleinräumigkeit kann auch Cilli Kasper-Holtkotte für das späte 16. und 17. Jahrhundert<br />

anhand der Kreditbeziehungen ausgewählter Frankfurter Juden zeigen – siehe Kasper-Holtkotte,<br />

Cilli: Die jüdische Gemeinde von Frankfurt/Main, S. 37–94.<br />

57


Prozessbeteiligte Reichsritter kamen am häufigsten aus Franken und der<br />

rheinischen Region, während hingegen der landsässige Adel ebenso wie Prälaten<br />

quasi überhaupt nicht als Konfliktparteien in Erscheinung traten. Zusammenfassend<br />

kann also gesagt werden, dass die Prozesse Frankfurter jüdischer<br />

Prozessbeteiligter mit bzw. gegen Herrschaftsträger im Reich in ihrer geographischen<br />

Reichweite recht begrenzt waren und sich hauptsächlich auf den<br />

südwestdeutschen Raum beschränkten. Sozial traten den Frankfurter Juden<br />

dabei neben dem Frankfurter Magistrat vor allem weltliche Fürsten sowie<br />

Grafen und Herren aus den Regionen Rhein, Franken und Schwaben als Kontrapart<br />

gegenüber. 128<br />

Von den 938 Prozessparteien waren, was in den statistischen Auswertungen<br />

nach Herrschaftsträgern nicht aufscheint, 603 Prozessparteien jüdisch. Davon<br />

waren wiederum 531 Frankfurter Juden (390 Kläger, 141 Beklagte) und 72<br />

Nicht-Frankfurter Juden (36 Kläger, 36 Beklagte). Weitere 77 Prozessparteien<br />

entfallen – abgesehen von den Herrschaftsträgern (258) – auf andere soziale<br />

Gruppen beziehungsweise konnten nicht zugeordnet werden. Dass Frankfurter<br />

Juden beinahe dreimal häufiger Kläger als Beklagte waren, zeigt die aktive<br />

Nutzung des RHR zur Durchsetzung ihrer Interessen und Ansprüche, wobei<br />

sich Inanspruchnahme und Erfolgsaussicht gegenseitig bedingt haben dürften.<br />

Es konnten weiters 79 Prozesse von Juden gegen Juden (17% der Prozesse mit<br />

Frankfurter Juden als Prozessbeteiligten) ausgemacht werden, was die Bedeutung<br />

des RHR für Frankfurter innerjüdische Konflikte verdeutlicht. Vergleicht<br />

man die Frankfurter „innerjüdische Prozessentwicklung“ am RHR mit der<br />

„gesamtjüdischen“ im 16. und 17. Jahrhundert, so wird eine deutliche Zunahme<br />

„innerjüdischer Prozesse“ deutlich, wurden doch zwischen 1559–1670 nur 48<br />

solcher Prozesse (6,3%) 129 im gesamten Einzugsgebiet des RHR verhandelt. Vermutlich<br />

geht diese Entwicklung mit einer zunehmenden Öffnung der Gemeinden<br />

nach außen sowie einem Macht- und Bedeutungsverlust der rabbinischen<br />

Elite im 18. Jahrhundert einher. 130<br />

128 Siehe für eine ungefähre Kategorisierung der Fallinhalte Kapitel II.1.b.<br />

129 Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 201.<br />

130 Breuer, Mordechai/Graetz, Michael: Deutsch-jüdische Geschichte der Neuzeit, Band I: 1600–<br />

1780, S. 239–247.<br />

58


Kapitel II<br />

Das Reichshofratskollegium im<br />

sozialen Gefüge des Alten Reichs<br />

1 Reichshofratpersonalia<br />

Von institutioneller Seite treten in den zu untersuchenden jüdischen Verfahren<br />

vor allem die Reichshofräte als Akteure auf. Dass ein 2003 erschienener Sammelband<br />

zum „Reichspersonal“ 1 die „Berufsgruppe“ Reichshofräte jedoch noch<br />

gänzlich ausklammern kann bzw. muss, macht die prekäre Forschungslage zu<br />

dieser Personengruppe unmittelbar deutlich. Sowohl zu den Reichshofräten,<br />

als auch zu den ebenfalls in die Verfahren involvierten Agenten 2 ist bislang<br />

wenig bekannt, 3 allein die trotz ihres Entstehungszeitraumes noch immer maßgebliche<br />

und einzige Studie von Oswald Gschließer 4 bietet prosopographische<br />

1 Baumann, Anette et al. (Hrsg.): Reichspersonal.<br />

2 Erste Beobachtungen bei Ehrenpreis, Stefan: Die Reichshofratsagenten. Die Agenten des Reichshofrats<br />

waren die Anwälte, die die Prozessparteien vor dem Reichshofrat vertraten, d.h. – da es<br />

sich um einen durchweg schriftlichen Prozess handelte – die Prozessschriften nach den erforderlichen<br />

formalen Vorgaben erstellten bzw. überarbeiteten und bei Gericht eingaben.<br />

3 Zu einigen bekannten Reichshofräten, die zumeist nach ihrer Tätigkeit beim Reichshofrat in<br />

politisch wichtigen Ämtern tätig waren, wie z.B. Wenzel Anton Reichsgraf von Kaunitz-Rietberg<br />

(am Reichshofrat 1735–1741) und Franz Gundaker Reichsgraf von Colloredo (1753–1766)<br />

oder die zum Reichsrecht publizierten, wie etwa Dr. Heinrich Christian von Senckenberg (am<br />

Reichshofrat 1745–68) oder Aegidius Valentin Felix Freiherr von Borié (Beaurieux) (am Reichshofrat<br />

1755–1761), gibt es weiterführende Literatur, wobei jedoch zumeist nicht ihre Tätigkeit<br />

als Reichshofrat im Vordergrund steht. Siehe als leider nicht sehr umfängliche Ausnahme:<br />

Dölemeyer, Barbara: Heinrich Christian von Senckenberg – Frankfurter Jurist und Reichshofrat<br />

(1704–1768). In: Hessische Landeszentrale für Politische Bildung (Hrsg.): Fürstenhof und<br />

Gelehrtenrepublik. Hessische Lebensläufe des 18. Jahrhunderts, Wiesbaden 1996, S. 103–111.<br />

Auch zu diversen Adelsfamilien, aus deren Reihen immer wieder Reichshofräte gewählt wurden,<br />

wie etwa die Kaunitz, Kobenzl, Colloredo, Dietrichstein, Khevenhüller, Fürstenberg etc.<br />

ließe sich sicherlich Material finden, das auf ihre Tätigkeitsprofile, Einflussmöglichkeiten und<br />

Netzwerke beim und durch den Reichshofrat hin befragt werden könnte. Eine systematisch vergleichende<br />

Analyse der reichshofrätlichen Besetzungsstrategien anhand der reichshofrätlichen<br />

Biographien z.B. der recht deutlich zu Tage tretenden unterschiedlichen Funktion einer Reichshofratsstelle<br />

als entweder Karrieresprungbrett oder -endstation für die Kandidaten oder der<br />

Rolle des höfischen Umfeld und Netzwerks für die Rekrutierung wäre mehr als wünschenswert.<br />

Derzeit ist ein Dissertationsprojekt von Kathrin Rast an der Universität Beyreuth, Betreuung:<br />

Dieter Weiß, zu dem Reichshofrat bzw. späteren Reichshofratsvizepräsidenten Johann Heinrich<br />

Notthafft, Reichsgraf von Wernberg (1604–1665), in Vorbereitung, das erstmals an diesem Desiderat<br />

ansetzt und exemplarisch einen reichshofrätlichen Protagonisten, der sowohl im Reichshofratsgremium<br />

wie auch in wichtigen politischen Missionen tätig war, in seinen verschiedenen<br />

systemischen Bezügen in den Mittelpunkt stellt.<br />

4 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat. Gschließers Studie ist sehr quellennah – in seinem<br />

prosopographischen Teil überträgt er weitläufig die Gutachten aus den Verfassungsakten und<br />

hält sich mit Interpretationen und Kommentaren eher zurück, was für heutige Leser jedoch<br />

den besonderen Wert seiner Arbeit ausmachen kann. Siehe auch Gschließer, Oswald von: Das<br />

59


Details zu den Reichshofräten, wie sie sich vor allem in den Verfassungs- und<br />

Verlassenschaftsakten des Reichshofrats im HHStA finden. 5 Gschließer hat<br />

dabei nur wenig über die Informationen aus den Akten des Reichshofrats hinaus<br />

recherchiert, was in Anbetracht der 445 ordentlichen Reichshofräte, 6 die<br />

während der Bestehenszeit des Reichshofrats introduziert wurden oder für<br />

diesen Posten in Frage kamen, kaum verwundern kann. Dieser Mangel verschließt<br />

jedoch die Möglichkeit, die Lebensläufe und -stationen dieser Richter<br />

systematisch zu vergleichen und auszuwerten, da vielfach elementare Daten<br />

zu Herkunft, Ausbildung, Konnubium, Karriereweg bis zum Einstieg in den<br />

Reichshofrat etc. fehlen. Den Studien von Sigrid Jahns zu den Assessoren am<br />

Reichskammergericht 7 steht in der Reichshofratsforschung kein nur annähernd<br />

vergleichbares Kompendium gegenüber, was nicht zuletzt den Personalaustausch<br />

zwischen den Reichsgerichten nur schwer fassbar macht. Dass es einen<br />

solchen jedoch gab, darauf verwies vor allem Jahns 8 sowie zuletzt Ehrenpreis<br />

für die Regierungszeit Rudolphs II. (1576–1612). 9<br />

Beamtentum der hohen Reichsbehörden (Reichshofkanzlei, Reichskammgericht, Reichshofrat,<br />

Hofkriegsrat). In: Franz, Günther (Hrsg.): Beamtentum und Pfarrerstand 1400–1800, Limburg/<br />

Lahn 1972, S. 1–26.<br />

5 HHStA, RHR, Verfassungsakten (VA) und RHR, Verlassenschaftsakten. Ergänzend können<br />

nun biographische Details aus den Erhebungen von Sigrid Jahns hinzugezogen werden für die<br />

Reichshofräte, die vor oder nach ihrer Tätigkeit im Reichshofrat am RKG tätig waren. Siehe<br />

Jahns, Sigrid: Das Reichskammergericht und seine Richter: Verfassung und Sozialstruktur eines<br />

höchsten Gerichts im Alten Reich, 2 Bde., Köln/Weimar/Wien 2003.<br />

6 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 72.<br />

7 Jahns, Sigrid: Das Reichskammergericht und seine Richter. Jahns, Sigrid: Durchgangsposten<br />

oder Lebensstellung? Das Kammergerichtsassessorat in den Karriereverläufen frühneuzeitlicher<br />

Juristen. In: Battenberg, Friedrich/Ranieri, Filippo (Hrsg.): Geschichte der Zentraljustiz in<br />

Mitteleuropa, S. 271–309.<br />

8 In den von Jahns ermittelten Biographien von 128 RKG-Assessoren und Präsentierten während<br />

des Zeitraums 1740–1806 wurden laut Sachregister vier Personen erhoben, die bereits eine Vorkarriere<br />

am Reichshofrat hatten (Johann Ulrich Freiherr von Cramer Biogr. 65 bes. S. 661–663,<br />

Johann Adam Freiherr von Schroff Biogr. 78 bes. S. 833–835, Karl Heinrich Edler von Jodoci<br />

Biogr. 53 bes. S. 520, 521, Joachim Albert Freiherr von Hess Biogr. 73, bes. S. 752–759); drei,<br />

die als Assessoren oder als Präsident zum Reichshofrat wechselten (Georg Ludwig von Vulpius<br />

Biogr. 40 bes. S. 409, 410, Hess Biogr. 73 bes. S. 752–759, Ludwig Karl Eckbrecht Freiherr/Graf<br />

v. Dürckheim Biogr. 112 bes. S. 1252–1255); vier, die auf eine angebotene Reichshofratsstelle<br />

verzichteten sowie elf, die sich vergeblich am Reichshofrat bewarben. Das Register scheint nicht<br />

vollständig zu sein – so fehlt bsp.weise Aegidius Valentin Felix Freiherr von Borié (Beaurieux)<br />

Biogr. 22 bes. S. 225–228, der ebenfalls nach seiner Tätigkeit am RKG 1755–1761 am Reichshofrat<br />

tätig war. Auf die für die Ergänzung notwendige Sichtung aller Biographien wurde verzichtet,<br />

da für die vorliegende Fragestellung nicht von besonderer Relevanz. Es mögen die genannten<br />

Fälle von Personalaustausch zwischen RKG und Reichshofrat genügen, um darzulegen, dass<br />

es einen solchen gab.<br />

Siehe Jahns, Sigrid: Das Reichskammergericht und seine Richter, S. XLII–XLIII (Sachregister)<br />

sowie für die Biographien der einzelnen Personen die oben angegebenen Biographienummern).<br />

9 Ehrenpreis, Stefan: Kaiserliche Gerichtsbarkeit und Konfessionskonflikt, S. 108f. Hinweise zum<br />

Sozialprofil einiger Reichshofräte unter Maximilian II. finden sich zudem bei Ullmann, Sabine:<br />

Geschichte auf der langen Bank, S. 37–43.<br />

60


1.a Reichshofräte – eine Positionsbestimmung<br />

Eine Positionsbestimmung des Reichshofratsamtes in der gesellschaftlichen<br />

Hierarchie des Alten Reiches lässt sich nur vor der Folie der umfangreichen<br />

Forschungen zu Funktionseliten im Reich vornehmen, die wiederum Überschneidungen<br />

mit Fragen nach sozialer Mobilität und Netzwerken wie vor<br />

allem Patronage-Klientelsystemen aufweisen. 10 Für den speziellen Kontext<br />

Reichshofrat soll dabei der Fokus auf „Juristeneliten“ 11 eingeschränkt werden.<br />

10 Hier sind zuallererst die Büdinger Gepräche zu nennen, die bereits seit den 1960er Jahren<br />

verschiedene „Führungsschichten“ und „Führungskräfte“ im Reich wie beispielsweise Adel,<br />

Patriziat, Universität und Gelehrtenstand, Pfarrer und Beamtenschaft etc. vor allem in Hinblick<br />

auf prosopographische Merkmale und Beziehungsgeflechte in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses<br />

stellten. Siehe dazu für die Frühe Neuzeit zusammenfassend Hofmann,<br />

Hans Hubert: Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit. Eine Zwischenbilanz, Büdinger<br />

Vorträge 1978, Boppard am Rhein 1980. Siehe auch mit struktursystematischem Zugang<br />

Reinhard, Wolfgang (Hrsg.): Power Elites and State Building, New York 1996. Schwinges, Rainer<br />

C. (Hrsg.): Gelehrte im Reich. Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten<br />

des 14.–16. Jahrhunderts, Berlin 1996. Siehe auch die regionalen Studien aus dem Mainzer<br />

Forschungsprojekt „Kontinuitäten oder revolutionärer Bruch? Eliten im Übergang vom Ancien<br />

Régime zur Moderne (1750–1850)“ mit Fokus auf die Zeit um 1800 in Hartmann, Anja<br />

Victorine et al. (Hrsg.): Eliten um 1800. Erfahrungshorizonte, Verhaltensweisen, Handlungsmöglichkeiten,<br />

Mainz 2000.<br />

Zur sozialen Mobilität dieser Eliten siehe vor allem Schulz, Günther (Hrsg.): Sozialer Aufstieg.<br />

Funktionseliten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, München 2002. Schulze,<br />

Winfried (Hrsg.): Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität, München 1988. Hier speziell<br />

den Beitrag über die juristische Funktionselite von Sigrid Jahns. Ebenso Burgdorf, Wolfgang:<br />

Die reichsrechtliche peregrinatio academica im 18. Jahrhundert. In: Baumann, Anette<br />

et al. (Hrsg.): Reichspersonal, S. 21–57. Gschließer, Oswald von: Das Beamtentum der hohen<br />

Reichsbehörden, S. 1–26. Mit hauptsächlichem Fokus auf Frankreich siehe die aus dem Berliner<br />

Forschungsbereich „Soziale Mobilität im Frühmodernen Staat – Bürgertum und Ämterwesen“<br />

entstandenen Publikationen Mieck, Ilja (Hrsg.): Ämterhandel im Spätmittelalter<br />

und im sechzehnten Jahrhundert, Berlin 1984 und Malettke, Klaus (Hrsg.): Aspekte sozialer<br />

Mobilität im europäischen Vergleich (17. und 18. Jahrhundert), Berlin 1980.<br />

Zum Forschungskonzept Netzwerke und Patronage in diesem Zusammenhang grundlegend<br />

Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen. „Verflechtung“ als Konzept zur Erforschung<br />

historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600, München 1979. Weiters Asch,<br />

Ronald G./Birke, Adolf M. (Hrsg.): Princes, Patronage, and the Nobility. The Court at the<br />

Beginning of the Modern Age c. 1450–1650, New York 1991. Maczak, Antoni (Hrsg.): Klientelsysteme<br />

im Europa der Frühen Neuzeit, München 1988 sowie vieles in der oben genannten<br />

Literatur zu Eliten und sozialer Mobilität.<br />

11 Der Begriff Juristenelite scheint sich in der Literatur nicht durch Grad der Gelehrtheit im Sinne<br />

von „die Besten“ oder Professionalisierung (die „gelehrten Räte“ scheinen dies zu meinen, vielleicht<br />

daher dazu in Abgrenzung als die juristische Elite zu bezeichnen), sondern allein durch<br />

die Bekleidung von jurisdiktionellen Ämtern in einer gedachten Hierarchie von Gerichtsinstitutionen<br />

mit den Reichsgerichten an der Spitze derselben zu definieren.<br />

Der eigentlich soziologischen Begriff „Elite“ (von lat. eligere=auswählen), wird in der historischen<br />

Forschung äußerst divergent verwendet und nur sehr vage definiert. Die „konsensuale<br />

Begriffbestimmung“ versteht heute unter Eliten soziale Gruppen, die sich durch Selektionsprozesse<br />

mit Kriterien wie Geburt, Bildung, Qualifikation konstituieren und durch Ausbildung<br />

gemeinsamer kultureller Werte, Standesbildung, Kulturformen, interner Kommunikationsprozesse<br />

und Netzwerke Homogenisierung anstreben. Sie bekleiden Positionen, die ihnen gesteigertes<br />

gesellschaftliches Einfluss- oder Machtpotential verleihen, wodurch sie wiederum<br />

61


„Sieht man einmal vom Kammergericht ab, dann gab es keine reichsweite<br />

Juristen-Elite, sondern territoriale und zuweilen auch Eliten, die in einer größeren<br />

Region beheimatet waren“, 12 konstatiert Brakensiek 2002. Diese Aussage<br />

muss angesichts der mindestens gleichrangigen institutionellen Bedeutung des<br />

Reichshofrates mit dem Reichskammergericht und den teils prominenten Spitzenjuristen<br />

des Reichs, die dort tätig waren – zu denken wäre etwa an Friedrich<br />

Carl Moser –, ungemein verwundern und wohl wiederum auf die bereits konstatierte<br />

Forschungslage und fehlende Einordnung des Reichshofratspersonals<br />

im sozialen Gefüge des Reiches zurück geführt werden. Gleichwohl liegt die<br />

Problematik auf der Hand: Selbst wenn man den Reichshofrat engführte auf das<br />

Richtergremium der ordentlichen Reichshofräte und die anderen dort involvierten<br />

juristisch (vor)gebildeten Beamten (Reichshofratssekretäre, Agenten<br />

etc.) außer Acht ließe, zeigt schon allein die Unterscheidung in Herren- und<br />

Gelehrtenbank, dass in diesem Kollegium eben nicht nur Juristen, sondern<br />

auch Adelige mit wenig juristischer Vorbildung saßen, und dass dieses als<br />

zugleich oberster Verwaltungshof zudem Rechtshandlungen verschiedenster<br />

Art von Privilegien- bis Lehensvergabe und nicht wie am RKG „nur“ Prozesse<br />

im Sinne von Gerichtsverhandlungen durchführte.<br />

Spricht man aber von Juristeneliten am Reichskammergericht, muss man<br />

dann nicht auch von Juristeneliten am Reichshofrat sprechen? Dafür spricht<br />

vor allem, dass es sich, wie bereits erwähnt, teilweise um dasselbe Personal<br />

handelte, das zumeist nach dem RKG an den Reichshofrat als der offensichtlich<br />

gleich- oder höherrangigen und aussichtsreicheren, weil in politische Funktionen<br />

eingebundene, Arbeitsstelle ging, dies hat die Untersuchung Sigrid Jahns<br />

deutlich gemacht. 13 Burgdorf beschreibt: „Bekam man als Assessor einen Ruf als<br />

Reichshofrat nach Wien, war dies ein beachtlicher Karriereschritt. Umgekehrt<br />

Strukturen und Wandlungen einer Gesellschaft beeinflussen oder eine normativ wirkende<br />

Vorbildfunktion haben können. Elitenphänomene sind zeitlich begrenzt, insofern historisch zu<br />

verorten sowie durch Pluralismus von Eliten differenziert. Keller, Katrin: Eliten. In: EdN, Bd. 3,<br />

2006, Sp. 218–222.<br />

Zu problematisieren scheint mir die unterschiedliche und vielfach ungenaue kategoriale – teils<br />

methodische, teils systematische, teils Inhaltsbereiche umschreibende – Attribuierung in der<br />

historischen Forschung wie Funktionselite (Schulz) und Powerelite oder Machtelite (Reinhard).<br />

Daneben aber wird auch von Wissenselite, Bildungselite (als institutioneller Gegenbegriff zu<br />

Wissenselite?), religiöser (kirchlicher?) Elite, politischer Elite (politische Akteure oder politisch<br />

Partizipationsfähige?) oder aber Juristenelite (s.o.) gesprochen.<br />

12 Brakensiek, Stefan: Juristen in frühneuzeitlichen Territorialstaaten. Familiale Strategien sozialen<br />

Aufstiegs und Statuserhalts. In: Schulz, Günther (Hrsg.): Sozialer Aufstieg, S. 277.<br />

13 Hervorgehoben werden diese Personalverflechtungen auch bei Hammerstein, Notker: Universitäten<br />

– Territorialstaaten – Gelehrte Räte. In: Schnur, Roman (Hrsg.): Die Rolle der Juristen<br />

bei der Entstehung des modernen Staates, Berlin 1986, S. 731. Er betont die dadurch forcierte<br />

Verstärkung der Vereinheitlichung der obersten Rechtssprechung im Reich, die wiederum stilbildend<br />

und normativ für die Ausbildung der territorialstaatlichen Ordnungen wirkte.<br />

Auch Kunisch zählt die Reichshofräte ganz selbstverständlich zu den Führungsschichten im<br />

Reich, siehe: Kunisch, Johannes: Die deutschen Führungsschichten im Zeitalter des Absolutis-<br />

62


galt dies nur, wenn man sich als einfacher Reichshofrat erfolgreich um eine der<br />

beiden Präsidentenstellen am Reichskammergericht bewarb.“ 14 Und Gschließer<br />

schlussfolgert aus der Vielzahl der von ihm erstellten Reichshofratsbiographien,<br />

leider ohne jedoch genaue Daten zu nennen,<br />

„Wer auf der Gelehrtenbank den Platz angewiesen erhielt, wies fast<br />

immer längere Hochschulstudien, meist auch einen akademischen Grad<br />

auf und hatte sich schon in der Regel im kais. oder reichsständischen<br />

Dienst auf hohem Posten, zumindest als Hof-, Regierungs- (Regiments-)<br />

oder Justizrat oder sonst als Mitglied eines Justiz- oder Regierungskollegs<br />

bewährt oder war Beisitzer des Reichskammergerichtes oder Syndikus<br />

einer Reichsstadt gewesen oder hatte sich endlich als Professor der<br />

Rechte durch rechtswissenschaftliche Abhandlungen berühmt gemacht.<br />

[…] Hingegen wiesen namentlich in älterer Zeit sehr viele Grafen und<br />

Freiherren bei ihrer ja sehr oft in jungen Jahre erfolgten Aufnahme in<br />

den Reichshofrat keine vollendeten juristischen Studien und eine nur<br />

kurze Praxis beim Reichskammergericht oder bei einer höheren reichsständischen<br />

oder erbländischen Behörde, ja manche nicht einmal eine<br />

solche Vorbildung auf.“ 15<br />

Er verweist hier sowohl auf eine zu absolvierende Karriereleiter, also Rekrutierungskriterien<br />

der gelehrten, zumeist (noch) nicht adeligen Reichshofräte,<br />

die den Reichshofrat ebenfalls an die Spitze der jurisdiktionellen Institutionen<br />

im Reich setzt, als auch auf die im Reichshofrat durch die RHRO von 1654 16<br />

ermöglichte nicht zwingend an eine Eingangsprüfung gebundene Einstellung<br />

von Reichshofräten, die infolge dessen die Aufnahme von wenig juristisch<br />

vorgebildeten Personen ermöglichte. (Ebenso sah aber auch das RKG beispielsweise<br />

nach der RKGO von 1555 keine Graduierung für altadelige, ritterbürtige<br />

RKG-Anwärter vor). 17 Möchte man daher von den Reichshofräten als von<br />

einer Juristenelite sprechen, so darf man dies grundsätzlich nur in Hinblick<br />

mus. In: Hofmann, Hans Hubert/Franz, Günther (Hrsg.): Deutsche Führungsschichten in der<br />

Neuzeit, S. 131f.<br />

14 Burgdorf, Wolfgang: Die reichsrechtliche peregrinatio academica im 18. Jahrhundert. In: Baumann,<br />

Anette et al (Hrsg.): Reichspersonal, S. 30. Zur gleichen Bewertung gelangt auch Ullmann,<br />

Sabine: Geschichte auf der langen Bank, S. 42.<br />

15 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 73.<br />

16 RHRO 1654, Tit. I, §3 ermöglichte die Befreiung von der Eingangsprüfung, wenn der Kandidat<br />

zuvor in vornehmen Diensten von Reichsständen gestanden hatte. Siehe auch Gschließer, Oswald<br />

von: Der Reichshofrat, S. 72f. sowie allgemein zu Geschichte und Inhalt der RHRO Sellert,<br />

Wofgang: Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, S. 59–84 sowie dessen Quellenedition Sellert,<br />

Wolfgang (Hrsg.): Die Ordnungen des Reichshofrates 1550–1766.<br />

17 Jahns, Sigrid: Der Aufstieg in die juristische Funktionselite des Alten Reiches. In: Schulze, Winfried<br />

(Hrsg.): Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität, S. 380f.<br />

63


auf deren Bekleidung eines Richteramts innerhalb einer der beiden höchsten<br />

Rechtssprechungsinstanzen tun, nicht aufgrund einer angenommenen gleichförmigen<br />

juristischen Ausbildung oder juristischer Kenntnisse, was gleichwohl<br />

dem Konzept der „Juristenelite“ nicht widerspricht.<br />

Von besonderem Interesse innerhalb dieser Juristenelite scheinen nun aber<br />

die, von Gschließer beschriebenen, gelehrten Räte zu sein, über die in vielen<br />

Fällen nur sehr wenig bekannt ist. Ähnlich dem RKG ist anzunehmen, dass sich<br />

auch am Reichshofrat Möglichkeiten sozialer Mobilität boten, die besonders<br />

diesen gelehrten, auch als bürgerlichen (im Sinne von nicht adelig) bezeichneten,<br />

Räten nutzten. Es sollen im Folgenden daher zwei Reichshofratsbiographien<br />

exemplarisch untersucht werden, in denen dieses Phänomen besonders<br />

deutlich zu Tage tritt und deren Protagonisten, wie noch zu zeigen sein wird,<br />

auch in besonderem Verhältnis zu den Frankfurter jüdischen Verfahren am<br />

Reichshofrat standen.<br />

Sigrid Jahns benutzt zur Beschreibung und Untersuchung der Zugangsmobilität<br />

von RKG-Assessoren 18 folgende Kategorien, die in dieser oder ähnlicher<br />

Form – je nach Gewichtung – für beinahe alle Studien zur sozialen Mobilität<br />

unterschiedlichster Gruppen der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft konstitutiv<br />

geworden sind: Soziale Herkunft, Kapital, Heiraten, Beziehungen. 19 Die<br />

Kategorie „Beziehungen“ verweist dabei auf das Forschungsfeld der Netzwerkanalyse,<br />

für das prominent Wolfgang Reinhard zu nennen ist, der ebenfalls<br />

frühneuzeitliche Eliten bzw. Führungsgruppen untersuchte. 20 Seiner Grundthese<br />

zufolge sind „Führungsgruppen […] nicht in erster Linie durch gleiche<br />

soziale Daten ihrer Mitglieder konstituiert, sondern durch die soziale Verflechtung<br />

dieser Mitglieder“. 21 Um solche Verflechtungen sichtbar zu machen,<br />

erstellte er, unter Rückgriff auf soziologische Untersuchungsmethoden, Soziomatrizen<br />

in die er Eigenschaften einzelner Beziehungen, der Struktur eines<br />

Networks und der Umwelteinflüsse desselben eintrug, wobei er unter letzteren<br />

soziale Mobilität als eine von mehreren Kategorien fasste. 22 Reinhard konstituierte<br />

dabei grundlegend vier Gattungen persönlicher Beziehungen: Ver-<br />

18 Die RKG-Assessoren scheinen mir, weil ebenfalls auf der Reichsebene angesiedelt, wie oben<br />

ausgeführt, das angemessene Vergleichsebene zum Reichshofrat zu bieten. Die Untersuchungen<br />

territorialer oder regionaler Juristeneliten werden nur ausgewählt hinzugezogen, weil nicht in<br />

allen Kategorien, wie beispielsweise der Bedeutung der Rekrutierung von Landeskindern in vor<br />

allem protestantischen Territorien, übertragbar. Siehe als Überblick Brakensiek, Stefan: Juristen<br />

in den frühneuzeitlichen Territorialstaaten, S. 269–289.<br />

19 Jahns, Sigrid: Der Aufstieg in die juristische Funktionselite des Alten Reiches, S. 357–380.<br />

20 Reinhard, Wolfgang: Augsburger Eliten des 16. Jahrhunderts. Prosopographie wirtschaftlicher<br />

und politischer Führungsgruppen 1500 – 1620, Berlin 1996.<br />

21 Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen, S. 19.<br />

22 Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen, S. 24–32.<br />

64


wandtschaft, Landsmannschaft, Freundschaft und Patronage, 23 die mit Hilfe<br />

der genannten Soziomatrizen dargestellt und untersucht werden können. Diese<br />

Beschreibung hat wiederum teilweise Eingang in die Forschungen zu sozialer<br />

Mobilität gefunden, wenn beispielsweise Schulz folgenden forschungsleitenden<br />

Fragekatalog formuliert:<br />

„Ferner ist es erforderlich, die Kriterien herauszuarbeiten, die für den<br />

gesellschaftlichen Aufstieg ausschlaggebend waren. Welche Bedeutung<br />

hatten Herkunft, Verwandtschaft und Heiratskreis, Ehre, Vermögen und<br />

demonstrativer Konsum, Amt bzw. Funktion, Beruf bzw. Qualifikation,<br />

Reisen, Patronage bzw. Nepotismus etc. jeweils für sich und in ihrer<br />

Kombination?“ 24<br />

Der Begriff der „Patronage“ bedarf dabei weiterer Erläuterung, da für das Verständnis<br />

der ständischen Gesellschafts- und insbesondere Mobilitätsmechanismen<br />

unabdingbar. Reinhard beschreibt, auf Pflücke zurückgreifend, – „jeder<br />

dyadische, interpersonale Kontakt formellen oder informellen Charakters,<br />

durch den eine Person P auf Grund ihrer größeren Chancen Person C relativ<br />

dauerhaften Schutz gewährt“ 25 – den Zugang zu Sicherheit als die unabhängige<br />

Variable dieser asymmetrischen und dadurch von der Freundschaft abgegrenzten<br />

persönlichen Beziehungen. 26 Sicherheit oder auch Schutz 27 als vermutlich<br />

deutsche Übersetzung des Begriffs Protektion scheint dabei ein etwas unklarer,<br />

flexibler Begriff, der zwar die besondere Qualität dieses Verhältnisses<br />

ausdrückt, aber kaum die kommunikative und aktive, eben nicht reaktive,<br />

Dynamik abbildet. Vielleicht könnte dies im Hinblick auf soziale Mobilität<br />

am besten mit dem Zusatz soziale Sicherheit umschrieben werden bzw.<br />

bevorzugt wieder auf den Begriff der Protektion zurückgegriffen werden. Verflechtungen,<br />

die von Protektion und damit Abhängigkeit und/oder potentiell<br />

23 Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen, S. 35–41. Ebenfalls ausgeführt in Reinhard, Wolfgang:<br />

Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den<br />

Anfängen bis zur Gegenwart, dritte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 133–139.<br />

24 Schulz, Günther: Soziale Position und gesellschaftliches Netzwerk in Spätmittelalter und Frühneuzeit:<br />

Ansätze und Fragen der Forschung. In: Schulz, Günther (Hrsg.): Sozialer Aufstieg,<br />

S. 15.<br />

25 Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen, S. 38.<br />

26 Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen, S. 38–41. Moraw folgt dieser Einschätzung, wenn<br />

er die „Ungleichheit der Macht- und Mittelausstattung von Patron und Klient und ein relativ<br />

dauerhaftes, zunächst persönliches Verhältnis dieser Partner auf Gegenseitigkeit, wobei Schutz<br />

und Chancen Dienste und Ergebenheit gegenüberstanden“ als die Haupteigenschaften dieser<br />

Beziehung beschreibt. Moraw, Peter: Über Patrone und Klienten im Heiligen Römischen Reich<br />

des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. In: Maczak, Antoni et al. (Hrsg.): Klientelsysteme<br />

im Europa der Frühen Neuzeit, S. 6.<br />

27 So auch bei Moraw, Peter: Über Patrone und Klienten, S. 6.<br />

65


einforderbarer Gegenleistung der protegierten Person gekennzeichnet sind,<br />

bezeichnet Peter Moraw als „primär[e] sozialgeschichtliche Tatbestände“, 28 die<br />

insbesondere auch für die Verfassungsgeschichte und damit für Institutionen<br />

(wie den Reichshofrat) sichtbar gemacht werden müssten, wobei Nepotismus<br />

und Korruption eher als die extremen Randformen dieses Phänomens zu denken<br />

seien. „Man kann geradezu davon sprechen, daß Institutionen jeder Art,<br />

vom Rechtsverhältnis bis zur Behörde, und Personenbeziehungen wie Patronat<br />

und Klientel im Normalfall wie zwei Seiten einer einzigen Sache existierten.<br />

Neulinge sahen sich ebenso gut eingespielten Institutionen wie eingespielten<br />

Sozialbeziehungen gegenüber, die man beide akzeptieren mußte“. 29 Press<br />

beschreibt in diesem Rahmen beispielsweise die adelige Patronagepolitik am<br />

Hof, die auch in die bürgerlichen Beamtenschichten hineinreichen konnte, 30<br />

sowie die territorialübergreifende Patronage, die sich durch die Empfehlung<br />

von Beamten Einfluss zu sichern suchte. 31 So konnten beispielsweise die am<br />

RKG präsentierten Assessoren Beziehungen zum Ursprungshof unterhalten<br />

oder auch dorthin zurückkehren, 32 und es wäre analog ebenso an denselben<br />

Umstand am Reichshofrat zu denken. Jahns unterscheidet in diesem Zusammenhang<br />

zwischen primär verwandtschaftlicher und sekundär nicht-verwandtschaftlicher<br />

Patronage, die beide einschlägig für die Zugangsmobilität<br />

der RKG-Assessoren wurden. So z.B. für erstere in Form von Vater-Sohn-,<br />

Schwiegervater-Schwiegersohn-, Onkel-Neffe-Protektion, für zweitere durch<br />

Protektion von Dienstherren, Geistlichen etc.<br />

Ausgehend von Sigrid Jahns Beschreibungskategorien und den beschriebenen<br />

Erweiterungen sollen daher die beiden exemplarischen Reichshofratsbiographien<br />

unter folgenden Gesichtspunkten beleuchtet werden:<br />

1. soziale Herkunft, worunter neben der von Jahns eingeführten geburtsständischen<br />

Zugehörigkeit und dem Berufsprofil der Familie auch Ausbildung<br />

und Qualifikation gefasst werden soll, denn dies verspricht Rückschlüsse<br />

auf Rekrutierungsbedingungen des Reichshofrats.<br />

2. Kapital, im Sinne der Entwicklung des familiären Vermögens, aber auch<br />

als Form der Statusrepräsentation durch Besitz oder Konsumgegenstände.<br />

3. Heiraten, wobei nur die Heirat des betreffenden Reichshofrats und deren<br />

mobilitätswirksame Seite, z.B. in Form von Statuserhöhung finanzieller<br />

oder sozialer Art, gemeint sind. Die Überschneidungen dieser Kategorie<br />

28 Moraw, Peter: Über Patrone und Klienten, S. 5.<br />

29 Moraw, Peter: Über Patrone und Klienten, S. 5.<br />

30 Press, Volker: Patronat und Klientel im Heiligen Römischen Reich. In: Maczak, Antoni et al.<br />

(Hrsg.): Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit, S. 22.<br />

31 Press, Volker: Patronat und Klientel, S. 22.<br />

32 Press, Volker: Patronat und Klientel, S. 32.<br />

66


mit den anderen liegen auf der Hand, trotzdem soll sie, da für das Phänomen<br />

der Mobilität von so eminenter und unmittelbarer Bedeutung,<br />

beibehalten werden.<br />

4. Beziehungen, dies meint im vorliegenden Kontext zum einen verwandtschaftliche<br />

Verflechtungen, seien sie innerhalb der Blutsverwandtschaft<br />

oder durch angeheiratete Verwandte, sowie zum anderen Patronage, am<br />

Reichshofrat vor allem sichtbar in Form der Empfehlung. Freundschaft<br />

kann hier nur in sehr eingeschränkter Form einer gewissen Gruppenoder<br />

Organisationszugehörigkeit unterstellt werden, ist ansonsten aber<br />

mangels persönlicher Quellen nicht greifbar. Landsmannschaft als Faktor<br />

sozialer Mobilität hingegen lässt sich mit den zwei vorliegenden exem plari<br />

schen Fällen nicht belegen und wird daher ausgeklammert.<br />

Bevor jedoch die beiden Einzelbiographien betrachtet werden, sollen zunächst<br />

einige allgemeine Überlegungen und Beobachtungen zu den Reichshofräten<br />

unter der Regierung Josephs II. angestellt werden, um den personellen und<br />

fachlichen Rahmen, in dem die beiden Protagonisten agierten, genauer zu fassen.<br />

Der Bezug zu jüdischen Verfahren, der sich daraus ergibt, soll als abschließende<br />

Klammer ans Ende dieses Kapitels gestellt werden. Für die Darstellung<br />

der Biographien wurde der besseren Lesbarkeit halber, dies sei noch vorausgeschickt,<br />

zunächst eine zumeist chronologische Erzählform entlang der noch<br />

erhaltenen Quellen gewählt, der eine systematische Zusammenfassung folgt,<br />

die komparativ nach den beschriebenen Kategorien vorgehen wird.<br />

1.b Die Reichshofräte unter Joseph II.<br />

Weiterführung seit dem Tod Franz I. am 18.8.1765 bis Ostern 1766<br />

Präsident: Ferdinand Bonaventura II. Reichsgraf von Harrach zu Rohrau 1751–1778<br />

Vizepräsident: Johann Hugo Freiherr von Hagen 1740–1791 (ab 1778 Präs.)<br />

Herrenbank<br />

Ritter- und Gelehrtenbank<br />

Wolfgang Christoph Reichsgraf von Überacker<br />

1758–1801 (1778 Vizepräs., 1791 Präs.)<br />

Franz Gundaker Reichsgraf von Colloredo<br />

1753–1766<br />

Dr. Heinrich Christian von Senckenberg 1745–<br />

1768 (Augsburger Bekenntnis)<br />

Dominikus Josef Hayeck von Waldstätten<br />

1745–1772<br />

Johann Graf von Taaffe 1760–1765 Dr. Johann Paul Reichsritter von Vockel 1746–1766<br />

(Augsburger Bekenntnis)<br />

67


Gundaker Thomas Graf Sternberg 1763–1791 Josef Reichsfreiherr von Bartenstein 1750–1804<br />

Ludwig Karl Eckbrecht von Dürckheim 1763–1768<br />

(Augsburger Bekenntnis)<br />

Dominikus Andreas Reichsgraf von Kaunitz-<br />

Rietberg-Questenberg 1765–1775<br />

Stephan Andreas Hilleprand Freiherr von<br />

Prandau 1752–1775<br />

Ägyd Valentin von Borié (Beaurieux) Reichsfreiherr<br />

zu Schönbach 1752–1761, Besoldung ab 1755<br />

Robert Balthasar Clemens von Milwitz (Mülwitz)<br />

1758–1765<br />

Dr. Karl Adolf von Braun (Augsburger Bekenntnis)<br />

1760–1792<br />

Karl Friedrich von Gärtner 1760–1776 (Augsburger<br />

Bekenntnis)<br />

Heinrich Balthasar Blum 1761–1766<br />

Dr. Johann Jakob von Steeb 1761–1782<br />

Franz Josef Freiherr von Münch-Belinghausen<br />

1764–1792<br />

Neubesetzung im April 1766<br />

Präsident: Ferdinand Bonaventura II. Reichsgraf von Harrach zu Rohrau 1751–1778<br />

Vizepräsident: Johann Hugo Freiherr von Hagen 1740–1791 (ab 1778 Präs.)<br />

Herrenbank<br />

Ritter- und Gelehrtenbank<br />

Wolfgang Christoph Reichsgraf von Überacker<br />

1758–1801 (1778 Vizepräs., 1791 Präs.)<br />

Franz Gundaker Reichsgraf von Colloredo<br />

1753–1766<br />

Dr. Heinrich Christian von Senckenberg 1745–<br />

1768 (Augsburger Bekenntnis)<br />

Dominikus Josef Hayeck von Waldstätten 1745–<br />

1772<br />

Gundaker Thomas Graf Sternberg 1763–1791 Josef Reichsfreiherr von Bartenstein 1750–1804<br />

Ludwig Karl Eckbrecht von Dürckheim 1763–<br />

1768 (Augsburger Bekenntnis)<br />

Dominikus Andreas Reichsgraf von Kaunitz-<br />

Rietberg-Questenberg 1765–1775<br />

Josef Graf Windischgrätz 1766–1775<br />

Johann Siegmund Karl Freiherr von Thüngen<br />

1767–1772 (ab 1772 RKG-Präs.) (Augsburger<br />

Bekenntnis)<br />

Stephan Andreas Hilleprand Freiherr von Prandau<br />

1752–1775<br />

Ägyd Valentin von Borié (Beaurieux) Reichsfreiherr<br />

zu Schönbach 1752–1761, Besoldung ab 1755<br />

Dr. Karl Adolf von Braun (Augsburger Bekenntnis)<br />

1760–1792<br />

Karl Friedrich von Gärtner 1760–1776<br />

Heinrich Balthasar Blum 1761–1766<br />

Dr. Johann Jakob von Steeb 1761–1782<br />

Franz Josef Freiherr von Münch-Belinghausen<br />

1764–1792<br />

Friedrich Karl von Moser 1767–1770 (Augsburger<br />

Bekenntnis)<br />

68


Chronologisch nachrückend:<br />

Josef Wenzel Graf zu Wrbna (Würben) 1768–1784 Joachim Albert von Heß (1768–1800)<br />

Ernst Graf von Firmian (1768–1789)<br />

Friedrich Fridolin Freiherr von Kagenegg (Kageneck)<br />

1769–1778<br />

Karl Christian Reichsgraf zur Lippe-Biesterfeld-<br />

Weißenfeld 1771–1791 (Reformiertes Bekenntnis)<br />

Friedrich Reichsgraf von Gräveniz (Grävenitz)<br />

1772–1785 (Augsburger Bekenntnis)<br />

Josef Johann Graf Kinsky 1777–1792<br />

Josef Graf Seilern 1776–1785<br />

Rudolf Reichsfreiherr von Dietmar (Dittmar,<br />

Ditmar, Dithmar) 1770–1787 (Augsburger Bekenntnis)<br />

Konrad Friedrich von Pufendorf (Puffendorff)<br />

1770–1806 (Augsburger Bekenntnis)<br />

Friedrich von Mauchart (Maukhart) 1773–1781<br />

Franz Josef Weißkirch 1775–1789<br />

Lazarus Karl von Woelckern 1779–1805 (Augsburger<br />

Bekenntnis)<br />

Johann Nepomuk Graf Harrach 1785–1792 Josef Josua von Riefel (Riefl, Rieffel) 1782–1806<br />

Philipp Karl Graf zu Öttingen-Wallerstein<br />

Johann Baptist Edler von Steeb 1783–1800<br />

1785–1790 (1801 Präs.)<br />

Franz Paul Christoph Freiherr von Seckendorf<br />

1785–1800 (Augsburger Bekenntnis)<br />

Georg Ludwig von Vulpius 1788–1790 (Augsburger<br />

Bekenntnis)<br />

Tabelle 4: Personelle Besetzung des Reichshofrats während der Regierungszeit Joseph II.<br />

(1765–90) chronologisch nach Aufnahme geordnet 33<br />

Während der Regierungszeit Joseph II. wurden 40 Reichshofräte introduziert, 34<br />

wobei im Durchschnitt und mit wenigen Schwankungen 19 Reichshofräte<br />

gleichzeitig angestellt waren. 35 Es zeigt sich, dass die Gewichtung zwischen<br />

Herren- und Gelehrtenbank dabei erstaunlich ausgewogen war. So wurden<br />

sowohl 20 adelige, als auch 20 gelehrte Reichshofräte im Zeitraum 1765–90<br />

in tro du ziert und die zeitliche Aufschlüsselung auf einzelne Jahre zeigt, dass<br />

sich die Besetzung der Bänke dabei zumeist die Waage hielt. Insofern scheint<br />

sich die von Gschließer konstatierte Entwicklung zwischen Leopold I. und<br />

Karl VI. hin zu einer stärkeren Besetzung der Herrenbank als der Gelehrten-<br />

33 Alle Daten erhoben nach Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat.<br />

34 Dabei wurden die Reichshofräte Johann Graf von Taaffe (am Reichshofrat 1760–1765), Dr. Johann<br />

Paul von Vockel (am Reichshofrat 1746–66) und Robert Balthasar Clemens von Milwitz<br />

(am Reichshofrat 1758–1765) mitgezählt, da sie vor der Neubesetzung des Reichshofrats durch<br />

Joseph II. im April 1766 noch offiziell dem Reichshofrats-Kollegium angehörten, dann jedoch<br />

nicht erneut berufen werden konnten, da sie 1765/66 alle drei innerhalb eines knappen Jahres<br />

verstarben. Siehe Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 440, 441, 459, 460, 461, 469.<br />

35 1765:19, 1766:18, 1767:16, 1768:19, 1769:18, 1770:20, 1771:20, 1772:21, 1773:32, 1774:21, 1775:22,<br />

1776:20, 1777:20, 1778:20, 1779:18, 1780:18, 1781:18, 1782:18, 1783:18, 1784:18, 1785:20, 1786:18,<br />

1787:18, 1788:19, 1789:19, 1790:17. Erhoben nach Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat,<br />

S. 431–499.<br />

69


ank zum Zwecke „der Personalreserve für […] politische […] Missionen“ 36<br />

zumindest unter Joseph II. derart nicht weiter fortzusetzen. Zwar stellte die<br />

Herrenbank im Vergleich zur Gelehrtenbank ganz unzweifelhaft eher ein<br />

Sprungbrett in die höchsten politischen Ämter auf Reichsebene dar, eventuell<br />

ist jedoch die Betrachtungsweise verkürzt, dass dies deren einzige und hauptsächliche<br />

Funktion gewesen sei.<br />

Anzahl und Sitzverteilung der introduzierten Reichshofräte pro Jahr im Zeitraum 1765-90<br />

n=40, davon adelige Reichshofräte=20, gelehrte Reichshofräte=20<br />

25<br />

20<br />

15<br />

19<br />

18<br />

16<br />

19<br />

18<br />

20<br />

20<br />

21 21 21 22<br />

20 20<br />

20<br />

18 18 18 18 18<br />

18<br />

20<br />

18 18<br />

19<br />

19<br />

17<br />

10<br />

10<br />

9 9 9<br />

8 8<br />

12 12 12 12<br />

11<br />

10 10 10 10<br />

10<br />

9<br />

9 9 9 9<br />

8<br />

9<br />

11<br />

12 12<br />

12<br />

10 10 10 10 10 10 10 10 10 10<br />

9<br />

8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8<br />

9<br />

8<br />

5<br />

0<br />

1765 1766 1767 1768 1769 1770 1771 1772 1773 1774 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790<br />

Gelehrtenbank RHRäte/ Jahr Herrenbank RHRäte/ Jahr Gesamtanzahl RHRäte/ Jahr<br />

Diagramm 10: Anzahl und Sitzverteilung der introduzierten Reichshofräte pro Jahr im<br />

Zeitraum 1765–90 37<br />

Denn ebenso wenig kann für die Regierungszeit Josephs II. Sellerts Aussage<br />

zugestimmt werden, dass „[…] der Personenwechsel auf der Herrenbank viel<br />

größer als auf der Gelehrtenbank […]“ 38 gewesen sei. Gleichwohl sagt die Besetzung<br />

der Ämter noch wenig über die Anwesenheit und vor allem über die<br />

Arbeitsbelastung der einzelnen Reichshofräte aus, die in der Literatur für die<br />

gelehrten Reichshofräte gemeinhin als höher angenommen wird. 39 Dies ließe<br />

sich nur durch eine Überprüfung der Präsenzlisten aus den Protokollbüchern<br />

sowie über eine Aufschlüsselung der Verteilung der Fälle auf die einzelnen<br />

Reichshofräte nachvollziehen.<br />

36 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 70. Ihm folgend auch Sellert, Wolfgang: Der<br />

Reichshofrat. In: Diestelkamp, Bernhard (Hrsg.): Oberste Gerichtsbarkeit, S. 15–44, bes. S. 36,<br />

37.<br />

37 Für die Berechnung der Sitzverteilung wurden der Reichshofratspräsident und -vizepräsident<br />

der Herrenbank zugerechnet.<br />

38 Sellert, Wolfgang: Der Reichshofrat, S. 37. Ebenso Hughes, Michael: The Imperial Aulic Council<br />

(„Reichshofrat“) as Guardian of the Rights of Mediate Estates in the Later Holy Roman Empire:<br />

Some Suggestions for Further Research. In: Vierhaus, Rudolf (Hrsg.): Herrschaftsverträge,<br />

Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze, Göttingen 1977, S. 48–50.<br />

39 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 79, der hier auf Herchenhahn zurückgreift, nicht<br />

auf eine Auswertung seiner Daten (!).<br />

70


Durch die Überprüfung von Präsenzlisten für Verfahren bestimmter Personengruppen<br />

– wie hier vorliegend der Frankfurter Juden – kann jedoch keine serielle<br />

Auskunft über die Anwesenheitsfrequenz der zuständigen Reichshofräte<br />

vorgenommen werden, da die Fälle nicht periodisch vorgetragen wurden. Aber<br />

eine Aufschlüsselung der Verteilung der Fälle für die 134 Prozesse mit Beteiligung<br />

von Frankfurter Juden zwischen 1765 und 1790 lässt zumindest eine<br />

Aussage zur Arbeitsaufteilung zwischen den beiden Bänken zu. Es zeigt sich<br />

dabei eine gleichgewichtige Aufteilung zwischen Herren- und Gelehrtenbank.<br />

So wurden jüdische Fälle an insgesamt 29 der 40 introduzierten Reichshofräte<br />

vergeben, davon an 14 adelige und 15 gelehrte Reichshofräte mit einer Verteilung<br />

von 79 zu 81 Fällen. Dieses Ergebnis scheint zunächst keine Spezialisierungstendenz<br />

abzubilden, sondern vielmehr eine unspezifische Behandlung<br />

jüdischer Fälle in gleichgewichtiger Verteilung auf beide Bänke. Eine genauere<br />

Aufschlüsselung zeigt jedoch durchaus eine verdichtete Vergabe jüdischer Fälle<br />

an einzelne Reichshofräte, wie im folgenden Diagramm zu sehen ist.<br />

Verteilung der 134 Frankfurter Jüdischen Fälle laut Protokollbuch auf Reichshofräte im Zeitraum 1765-90<br />

n= 160, wobei Einzel-, Zweit- und Koreferate berücksichtigt wurden, daher in 26 Fällen Doppelzählung<br />

30<br />

Reichshofräte der Herrenbank<br />

Reichshofräte der Ritter- und Gelehrtenbank<br />

25<br />

25<br />

25<br />

25<br />

25<br />

25<br />

20<br />

21<br />

23<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

20<br />

21<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

15 16<br />

16<br />

10<br />

9<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

13<br />

9<br />

5 4<br />

5<br />

4 2 2 2<br />

9<br />

1<br />

1<br />

1<br />

11<br />

10<br />

7<br />

7 6 6<br />

17<br />

14<br />

11<br />

4 4 4 4 4<br />

3 3<br />

3<br />

10<br />

8<br />

2 2<br />

2<br />

1<br />

Fälle (insg.)<br />

Anzahl Dienstjahre während Regierungszeit Joseph II.<br />

Diagramm 11: Verteilung der 134 Frankfurter „Jüdischen Prozesse“ laut Protokollbuch auf<br />

Reichshofräte im Zeitraum 1765–90 40<br />

So wurden die meisten jüdischen Fälle (>10) während der Regierungszeit<br />

Jo sephs II. von Graf Ernst von Firmian (am Reichshofrat 1768–1789) 41 , Graf<br />

40 Die Diskrepanz zu Diagramm 3 mit 119 Verfahren für die Regierungszeit Josephs II. ergibt sich<br />

aus acht fehlenden Fällen, die nicht in den Findbüchern aufschienen, sowie sieben Verfahren,<br />

die bereits anhängig waren und deshalb nicht in die Erhebung der Prozessfrequenz einflossen.<br />

41 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 480, 481. Benedikt, Heinrich: Firmian. In: NDB,<br />

Bd. 5, S. 169.<br />

71


Josef Seilern (am Reichshofrat 1776–1785) 42 auf der Herrenbank sowie von<br />

Johann Jakob von Steeb (am Reichshofrat 1761–1782) 43 und dessen Sohn Johann<br />

Baptist von Steeb (am Reichshofrat 1783–1800) 44 auf der Ritter- und Gelehrtenbank<br />

referiert. Ein Zusammenhang zwischen Dienstzeit und Fallzuteilung<br />

war dabei nicht festzustellen.<br />

Leider lassen sich die Klagegegenstände, wie bereits erwähnt, lücken- und<br />

fehlerlos weder aus den Repertorien noch aus den Protokollbüchern ersehen<br />

– es sind jedoch einige vorsichtige Tendenzen erkennbar. Von den 134 jüdischen<br />

Fällen in der Regierungszeit Joseph II. sind in den Protokollbüchern<br />

und Repertorien 40 nur mit der Verfahrensart beschrieben (39 Appellationen,<br />

1 Mandatsverfahren) und inhaltlich nicht zuzuordnen (30%). 45 56 Verfahren<br />

(42%) betrafen Schulden und Wechselforderungen. Dies spiegelt die, auch in<br />

anderen Untersuchungen bereits hervorgetretene, Dominanz dieser Klagegegenstände<br />

am Reichshofrat wider. 46 Die restlichen 38 Verfahren lassen sich in<br />

folgende Themenbereiche untergliedern:<br />

• Handel und Gewerbe (7, alle im Zusammenhang mit unklaren und/oder<br />

zu restriktiven Stättigkeitsverordnungen),<br />

• Rechtsverweigerung bzw. -verzögerung (3),<br />

• Privilegienbestätigung bzw. -verletzung (3),<br />

• Eidleistung (1),<br />

• Bücherkommission (1, das Eisenmengerische Buch betreffend 47 ),<br />

• innerjüdische Erbangelegenheiten (3),<br />

• innerjüdische Immobiliengeschäfte (4),<br />

• innerjüdische Gemeindeorganisation (6, Besetzung und Struktur von<br />

Gemeindeämtern) und<br />

• innerjüdische Rechtsprechung (10), vornehmlich Bannverhängung und<br />

verweigerte Aufnahme in die Stättigkeit)<br />

42 Gschließer, Oswald: Der Reichshofrat, S. 492.<br />

43 Gschließer, Oswald: Der Reichshofrat, S. 464, 465.<br />

44 Gschließer, Oswald: Der Reichshofrat, S. 495, 496.<br />

45 Auch Freitag/Jörn konnten aufgrund der mangelhaften Verzeichnung in ihrem Sample bei<br />

33,4% der Fälle keinen Klagegegenstand zuordnen, siehe Freitag, Tobias/Jörn, Nils: Zur Inanspruchnahme<br />

der obersten Reichsgerichte, S. 67.<br />

46 Freitag, Tobias/Jörn, Nils: Zur Inanspruchnahme der obersten Reichsgerichte, S. 66–76. Ortlieb,<br />

Eva: Im Auftrag des Kaisers, S. 90–97. Staudinger, Barbara: Juden am Reichshofrat, S. 159–161.<br />

Ullmann, Sabine: Geschichte auf der langen Bank, S. 78–81, 87–89. Westphal, Sigrid: Kaiserliche<br />

Rechtsprechung, S. 45–64.<br />

47 Siehe zum Leben und Wirken des Orientalisten Johann Andreas Eisenmenger: Berghahn, Klaus:<br />

Grenzen der Toleranz: Juden und Christen im Zeitalter der Aufklärung, Köln/Weimar/Wien<br />

2001, S. 12–22. Bei dem vorliegenden Verfahren am Reichshofrat handelt es sich um einen Prozess<br />

der Erben Eisenmengers, die, nach dessen Tod 1704, weiterhin versuchten, die Druckfreigabe<br />

für dessen Buch „Entdecktes Judenthum“ oder andernfalls Schadenersatz zu erhalten.<br />

72


Gleichwohl können hier aufgrund der geringen Fallzahlen keine Kategorien<br />

gebildet werden wie bei der Auswertung der RKG-Verfahren, die sich ohnedies<br />

leider nicht sinnvoll auf die jüdischen Fälle übertragen lassen. 48 Auch<br />

erlaubt die geringe Anzahl zuordenbarer Fälle keine repräsentative Aussage<br />

zur Verteilung der Klagegegenstände. 49 Sie lassen jedoch in Kombination mit<br />

der Verteilung der Fälle auf die einzelnen Reichshofräte vorsichtige Schlüsse<br />

auf eine inhaltliche Spezifizierung der Arbeit der Reichshofräte zu.<br />

Reichshofräte, denen wenige Fälle zugeteilt wurden, referierten hauptsächlich<br />

Schuldenprozesse. Diese wurden bekanntlich nicht nur von jüdischer Seite<br />

besonders häufig an den Reichshofrat herangetragen und erforderten daher möglicherweise<br />

keine Spezialisierung, sondern gehörten zum „Grundrepertoire“ aller<br />

Reichshofräte. Die meisten Schuldenprozesse mit Frankfurter Juden als Prozessbeteiligten<br />

behandelten Würben (8), Pufendorf (5) und Hess (4), die sich im<br />

Rahmen der Frankfurter jüdischen Verfahren auch beinahe ausschließlich mit<br />

diesem Klagegegenstand auseinandersetzten. Weiters wurden von den innerjüdischen<br />

Klagegegenständen nur Erbangelegenheiten und Immobiliengeschäfte<br />

auch von Reichshofräten mit wenigen jüdischen Fällen behandelt (Erbangelegenheiten:<br />

Graevenitz, Pufendorf, Weißkirch/Immobiliengeschäfte: Hess, Weißkirch).<br />

Die Fälle Handel und Gewerbe betreffend wurden hauptsächlich von<br />

Kaunitz (4) referiert. Die deutlichste Verdichtung von Klagegegenständen jedoch<br />

ist bei den beiden Reichshofräten von Steeb zu finden, die sämtliche anderen<br />

innerjüdischen Klagen bearbeiteten, d.h. insbesondere beinahe alle Fälle, die die<br />

innerjüdische Gemeindeorganisation (5 von 6) und alle, die die innerjüdische<br />

Rechtsprechung betrafen. Zumindest bei diesen Beiden kann daher durchaus<br />

von einer ansatzweisen Spezialisierung ausgegangen werden.<br />

Es fehlen in der Literatur, wie erwähnt, bislang biographische Analysen der<br />

Reichshofräte, die auf Familienarchiven aufbauen müssten, deren Existenz<br />

oder Verbleib gleichwohl in den allermeisten Fällen völlig unklar ist. Das Haus-,<br />

48 Auch die von Anette Baumann für die jüdischen Fälle am RKG aus den allgemeinen RKG-Kategorien<br />

ausgewählten Kategorien Geldwirtschaft, Jurisdiktion, Familienverband, Handel und<br />

Gewerbe wurden – abgesehen von Handel und Gewerbe – hier nicht benutzt, da sie vor allem<br />

die innerjüdische Dimension der Verfahren ausblenden und zudem das grobe Raster nur bei<br />

einer größeren Fallanzahl Ergebnisse erkennen lässt. Siehe Baumann, Anette: Jüdische Reichskammergerichtsprozesse,<br />

S. 306, 307. Zur Einteilung der 10 Kategorien von Klagegegenständen<br />

bei den übrigen Reichskammergerichtsakten siehe Ranieri, Filippo: Recht und Gesellschaft im<br />

Zeitalter der Rezeption, Bd. I, S. 135–247 und Bd. II, S. 493–511.<br />

49 Ebenso lässt sich nur in etwa die Verteilung der Verfahrensarten errechnen – von den 134 Verfahren<br />

sind explizit 79 als Appellationen bezeichnet, 6 als Mandats- und 10 als Reskriptsprozesse.<br />

Die Rubren der restlichen 39 Verfahren werden nur mit „in puncto […]“ eingeleitet, können<br />

also allen drei Verfahrensarten angehören. Gleichwohl ist dieses Ergebnis mit großer Vorsicht<br />

zu bewerten, da die Verfahrensart gewechselt werden konnte, ohne dass dies registratorisch vermerkt<br />

wurde, wie in der Analyse des Samples weiter unten zu sehen sein wird.<br />

73


Hof- und Staatsarchiv bietet leider außer den erwähnten Beständen kein Material.<br />

Es lässt sich daher eigentlich nicht rekonstruieren, weshalb eine Vergabe wie<br />

erfolgte bzw. weshalb sich ein Reichshofrat besonders für eine gewisse Fallgruppe<br />

geeignet haben könnte. Für die zwei Reichshofräte Johann Jakob von Steeb sowie<br />

dessen Sohn Johann Baptist von Steeb, bei denen eine verdichtete Vergabe der<br />

Frankfurter innerjüdischen Fälle besonders deutlich zu Tage trat und die daher<br />

für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse sind, kann jedoch zumindest<br />

eine ausführlichere biographische Skizze vorgelegt werden, die gleichwohl<br />

weniger zu deren besonderer fachlicher Befähigung für Prozesse mit jüdischer<br />

Beteiligung aussagen kann, sondern vielmehr deren Herkunft und Werdegang<br />

im bereits beschriebenen Forschungskontext exemplarisch beleuchten soll. 50<br />

2 Die Reichshofräte von Steeb<br />

2.a Johann Jakob von Steeb<br />

Johann Jakob von Steeb wurde am 24. Juli 1718 in Zusmarshausen 51 /Fürstbistum<br />

Augsburg geboren. Als viertes von neun Kindern des Anton(ius) Ste(e)b<br />

oder Stöb aus Osterzell/Reichsstift Rottenbuch 52 (*1686, †1726) und dessen Frau<br />

50 Dies ist nur durch die Hilfe von Dr. Christian Steeb (Graz/Klagenfurt) möglich gewesen, der so<br />

überaus freundlich und großzügig war, mir die umfangreichen Familienarchivalien sowie die<br />

von seiner Familie über Generationen gesammelten und aufbereiteten Materialien aus diversen<br />

deutschen und österreichischen Archiven zu überlassen. Ihm gilt daher nicht nur dafür, sondern<br />

auch für die erhellenden und profunden Fachgespräche über die Familiengeschichte der<br />

Steebs mein herzlicher Dank.<br />

51 Die Marktgemeinde Zusmarshausen, die seit 1421 endgültig zum Fürstbistum Augsburg gehörte<br />

– jedoch nach wie vor kleinere Anwesen der Markgrafschaft Burgau sowie der Grafen von<br />

Pappenheim umschloss –, zählte 1755 113 Steuerhaushalte. Sie lag verkehrsgünstig an der wichtigen<br />

Reise- und Handelsstrecke Augsburg-Ulm im östlichen Mittelschwaben. Seit 1684 beherbergte<br />

Zusmarshausen eine Poststation der Fürsten Thurn und Taxis. Neben der Reichspost lief<br />

aber auch der hochstiftische und domkapitelische Verkehr über Zusmarshausen, das durch den<br />

Sitz des Pflegamtes der bischöflich-augsburgischen Regierung in Dillingen zudem dessen zentralen<br />

Verwaltungssitz bildete. Vom Durchgangsverkehr der Händler, Kaufleute, Diplomaten,<br />

aber auch Privatreisender profitierten insbesondere die Gastwirte am Ort – die von der Mitte<br />

des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zu den wohlhabendsten Familien gehörten – sowie<br />

die Handwerker im Ledergewerbe, die überproportional (1766: 15) vertreten waren.<br />

Siehe Pötzl, Walter: Die Entwicklung des Zentralortes Zusmarshausen vom späten Mittelalter<br />

bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. In: Pötzl, Walter (Hrsg.): Zusmarshausen. Markt, Pflegamt,<br />

Landgericht und Bezirksamt, Zusmarshausen 1992, S. 17–43. Kießling, Rolf: Der Markt Zusmars<br />

hau sen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. In: Pötzl, Walter (Hrsg.): Zusmarshausen,<br />

S. 44–90. Wüst, Wolfgang: Zusmarshausen: Die Entwicklung eines bischöflichen Amtsortes. In:<br />

Pötzl, Walter (Hrsg.): Zusmarshausen, S. 91–155. Bosch, Leonhard/Helmschrott, Franz: Zusmarshausen.<br />

Heimatbuch einer schwäbischen Marktgemeinde, Weißenhorn 1979, S. 30–68.<br />

52 Köbler, Gerhard: Historisches Lexikon, S. 583. Ortseintrag „Gemeinde Osterzell“, Haus der<br />

Bayerischen Geschichte, URL: http://www.hdbg.de/gemeinden2/bayerns-gemeinden_detail.<br />

php?gkz=9777157 (Abruf 06.01.2009).<br />

74


Abbildung 1: Stammtafel der Familie Steeb 1686–ca. 1880 (4 Generationen)<br />

75


Maria Anna geb. Mon(d)schein aus Zusmarshausen (*1691, †1758) wuchs er im<br />

von mütterlicher Seite geerbten Wirtshaus „Zum Mond und zur Sonne“ (später<br />

„Krone“ 53 ) in Zusmarshausen auf. Von seinen acht Geschwistern überlebten<br />

das erste Lebensjahr außer ihm nur seine Brüder Anton Bartholomäus (*1717,<br />

† unbekannt) und Johann Thomas (*1722, † nach 1753), 54 der 1743–1745 Wirt<br />

und Posthalter in Illertissen und ab 1753 Fourier in Dillingen war. 55<br />

Der aus einer Allgäuer Wirtsfamilie stammende Vater Anton Steeb war,<br />

ebenso wie sein Schwiegervater Thomas Monschein, der ihm dies vermutlich<br />

ermöglichte, in Zusmarshausen als Mitglied des örtlichen Zwölfer-Rates und<br />

als Gerichtsverwandter oder -beisitzer 56 sowie als Präfekt der Spitalskirche<br />

zu St. Geiselbrecht tätig. 57 1726, im Alter von acht Jahren, verlor Johann<br />

Jakob seinen Vater und Maria Anna geb. Monschein ehelichte noch im selben<br />

Jahr Dagobert Eberlein (*1696, †1770), mit dem sie weitere vier Kinder<br />

bekam. Für den späteren Karriereweg des Johann Jakob könnte hier von<br />

Interesse sein, dass die Trauzeugen dieser zweiten Ehe der fürstbischöflichaugsburgische<br />

Pfleger in Zusmarshausen Franz Carl Freiherr von Rost und<br />

der Gubernator der Universität von Dillingen J[uris] U[triusque] D[octor]<br />

Franz Joseph von Schallern waren, die möglicherweise für dessen spätere<br />

Tätigkeit am Domkapitel und an der Dillinger Universität wegweisend<br />

waren. Zumindest verweist deren Trauzeugenschaft 58 auf bereits bestehende<br />

enge Kontakte der Familie Steeb resp. Eberlein zu Entscheidungsträgern im<br />

fürstbischöflichen Umfeld.<br />

Die Steebs gehörten zu den reichsten Familien im Ort Zusmarshausen,<br />

in einer Steuervermögensliste von 1755 wird ihr versteuertes Vermögen auf<br />

über 1755 fl. beziffert. Wie von Hartmann und Wüst gezeigt, verfügten alle<br />

Zus mars hau se ner Wirte über Vermögen dieser Größenordnung, da sie besonders<br />

von der wirtschaftlich begünstigten Lage Zusmarshausens an der Straße<br />

zwischen Augsburg und Ulm profitierten. Entsprechend waren es diese Familien,<br />

die ihren Kindern überdurchschnittlich oft höhere Bildung zukommen<br />

ließen. 59 1729 bis 1734 besuchte Johann Jakob daher, wie seine beiden Brüder,<br />

53 Pötzl, Walter: Die Entwicklung des Zentralortes Zusmarshausen, S. 27.<br />

54 Für den älteren Bruder Anton Bartholomäus ist kein Sterbedatum belegt, er wird jedoch als<br />

Schüler des Dillinger Gymnasiums erwähnt (siehe weiter unten). Für die Lebensdaten der anderen<br />

Geschwister siehe Stammtafel der Familie Steeb in Abb. 1.<br />

55 Alle biographischen Lebensdaten zitiert nach Familienarchiv Steeb, Sammlung Christian Steeb<br />

zur Familiengeschichte (unveröffentliches Manuskript), S. 110, 111, 114–116.<br />

56 Wüst, Wolfgang: Zusmarshausen: Die Entwicklung eines bischöflichen Amtsortes, S. 144.<br />

57 Wüst, Wolfgang: Zusmarshausen: Die Entwicklung eines bischöflichen Amtsortes, S. 145.<br />

58 Die Bedeutung von Trauzeugenschaft in Hinblick auf Netzwerke in der Frühen Neuzeit streicht<br />

bereits heraus: Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen, S. 44.<br />

59 Hartmann, Anni: Gymnasiasten und Studenten aus Zusmarshausen. In: Pötzl, Walter (Hrsg.):<br />

Zusmarshausen, S. 200.<br />

76


das Dillinger Gymnasium, 60 wo er als „hervorragend begabt, sehr fleißig,<br />

einer der ersten, mit recht gutem Betragen“ 61 beschrieben wurde. Als offenbar<br />

einzigem der Geschwister 62 war es ihm anschließend möglich, ein Studium<br />

zu beginnen. 1735 zunächst an der Universität Dillingen eingeschrieben, 63<br />

exmatrikulierte er sich dort noch im selben Jahr und inskribierte im Oktober<br />

1735 Logik an der Jesuitenuniversität in Ingolstadt. 64 Alsbald wechselte er<br />

dann jedoch an die Universität Innsbruck zum juridischen Studium, das er<br />

um 1739 mit der Promotion, nach eigenen Angaben „mit ausnehmendem<br />

elegio“, 65 als Doktor beider Rechte abschloss. 66 Im Anschluss an sein Studium<br />

– während der Thronvakanz (1740–1742) nach dem Tod Karls VI. 67<br />

– trat er in die Dienste des kurpfälzischen Reichsvikariats und arbeitete<br />

am Reichsvikariatsgericht in München. 68 In dieser Zeit heiratete er die aus<br />

Augsburg stammende Maria Barbara spätere Freiin von Brutscher auf Schorn<br />

(*1719, †1795), Tochter des J[iuris] U[triusque] L[icentiatus] Franz Xaver Freiherr<br />

von Brutscher auf Schorn zu Stetten und Burgleithen, 69 mit der er den<br />

60 Hartmann, Anni: Gymnasiasten und Studenten aus Zusmarshausen, S. 189.<br />

61 Stegmeyer, Joseph: Die Studenten an der ehemaligen Universität Dillingen (maschinenschriftl.<br />

Manuskript, Kreis- und Studienbibliothek Dillingen), Dillingen 1935, S. 108.<br />

62 Sein älterer Bruder Johann Thomas Steeb wird „als fähig beschrieben, wenn er die Dummheiten<br />

ablegen würde.“ Dem jüngeren Bruder Johann Bartholomäus hingegen, der wohl noch 1735<br />

zeitgleich mit Johann Jakob in Dillingen immatrikuliert wurde, wird lediglich „ein hinkendes<br />

Talent“ zugebilligt. Ob letzterer tatsächlich studierte oder einen Abschluss machte, ist unklar.<br />

Zit. nach Hartmann, Anni: Gymnasiasten und Studenten aus Zusmarshausen, S. 198.<br />

63 Hartmann, Anni: Gymnasiasten und Studenten aus Zusmarshausen, S. 189, 198.<br />

64 Pölnitz, Götz (Hrsg.): Die Matrikel der Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt-Landshut-<br />

München, Band III, 1. Halbband 1700–1750, München 1941, S. 475. Eintrag für den 24. Oktober<br />

1735: „86. Joannes Jacobus Steb Zusmarshusanus Suevis logices studiosus 30kr.“<br />

65 ÖStA, AVA Adel RAA, Steeb Edler von, Fol. 8r. Seine Studien in Ingoldstadt erwähnt er erstaunlicherweise<br />

nicht.<br />

66 Eine Matrikel ist im Universitätsarchiv in der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol nicht<br />

erhalten, da die juristischen Matrikeln erst ab 1755 überliefert sind. Jedoch sind drei Belege<br />

seiner bezahlten Prüfungstaxe vom 25. Mai und 29. August 1739 in den Familienarchivalien<br />

überliefert, Familienarchivalien Steeb, o.F.<br />

Obwohl die Entscheidung für die Jesuitenuniversität Ingoldstadt scheinbar näher liegt als für<br />

die Universität Innsbruck, war diese Studienortwahl für Studenten aus Zusmarshausen nach<br />

den Angaben Hartmanns offenbar nicht ungewöhnlich. Zieht man allerdings das von ihr erstellte<br />

chronologische Verzeichnis der 146 zwischen 1500 und 1800 nachgewiesenen Gymnasiasten<br />

und Studenten aus Zusmarshausen hinzu, so sind dort lediglich 5 Studenten in Innsbruck verzeichnet<br />

(alle nach 1741 (!)), Johann Jakob Steeb findet sich unter ihnen nicht. Hartmann, Anni:<br />

Gymnasiasten und Studenten aus Zusmarshausen, S.187–192.<br />

67 Nicht wie bei Gschließer fälschlich angeführt „nach dem Tode Karls VII.“, Gschließer, Oswald<br />

von: Der Reichshofrat, S. 464.<br />

68 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 464. Gschließer zitiert hier nach der Standeserhebung,<br />

in der jedoch nur erwähnt wird, dass er „sohin anfangs bey dem Reichsvicariat […] in<br />

Diensten gestanden […]“. Woher Gschließers Information über das Vikariatsgericht stammt, ist<br />

unklar. ÖStA, AVA, Adel RAA, Steeb Edler von, fol. 8r.<br />

69 J[iuris] U[triusque] L[icentiatus] Franz Xaver Freiherr von Brutscher auf Schorn zu Stetten<br />

und Burgleithen (1692–1761) war seit 1740 Erbportner des Domstifts zu Augsburg, außerdem<br />

Propst zu Groß- und Kleinaitingen, oberster Richter zu Graben und Pfleger zu Göggingen.<br />

77


gemeinsamen Sohn Johann Baptist (*1742, †1800), möglicherweise noch in<br />

München, bekam. 70<br />

Vermutlich wechselte er noch 1741 oder 1742 in die Dienste des Fürstbischofs<br />

von Augsburg, 71 wo er zunächst als Hofrat, 72 1754–1761 als Gubernator 73 der<br />

Jesuitenuniversität Dillingen und seit 1759 zudem als Geheimer Rat, Hofkanzler,<br />

Lehenspropst und Kreisgesandter 74 tätig war. Am 8. Januar 1761 gelangte<br />

ein Empfehlungsschreiben des Augsburger Generalvikars, Domscholastikers<br />

und Geheimen Rats Franz Bernhard Freiherr von Hornstein-Göffingen an den<br />

Reichshofrat, in dem er berichtete, vom Reichshofratssekretär Johann Georg<br />

Reitzer und dem „mir schon mehrere Jahre bekante[n] damalen in Wien subsistirenden<br />

hiesigen fürstlichen Hofrath Braun“ über die Neubesetzung einer<br />

Reichshofratsstelle informiert worden zu sein, „[…] daß zu dem höchstpreislichen<br />

kayserlichen Reichs Hof Raths Dicasterio ein oder anders taugliches<br />

Subjectum gesuchet werde […]“. 75 Er empfehle daher die Aufnahme des „[…]<br />

Herrn Hoff Canzler von Steb […]“, da<br />

„1mo die an Ihme von Steb jederzeit bemerkt unversehrtest allerunterthänigste<br />

Devotion für Ihro Kayserliche Mayestät. 2do seine unverstelt<br />

christlich und catholische gedenkens-arth, Menschen-Liebe, und<br />

Als Bauernsohn aus Oberstdorf/Fürstbistum Augsburg hatte er vermutlich in Dillingen studiert<br />

und war anschließend seit etwa 1718 im Augsburger Domkapitel angestellt, wo er sich<br />

rasch hocharbeitete. 1747 und 1753 erwarb er Grundbesitz (Herrschaft Stötten am Auerberg<br />

mit Burgstall Burgleiten, Hofmark Schorn), 1753 bekam er ein Adelsdiplom von Kurfürst Max<br />

Joseph von Bayern und gehörte damit zum bayerischen Landadel. Außer seiner Tochter Maria<br />

Barbara hatte er noch zwei Söhne Franz Anton (bayerischer wirklicher Hofrat in München) und<br />

Alexander Siegmund Pirminus (fürstbischöflicher Pfleger in Nesselwang). Grundmann, Werner:<br />

Der „Edelmändlar aus Oberstdorf Franz Xaver Freiherr von Brutscher“. Obervogt, Propst,<br />

Oberrichter und Erbportner des Augsburger Domkapitels und die Großaitinger Sebastianskapelle.<br />

In: Das schöne Allgäu: die Zeitschrift für Brauchtum, Kultur, Heimatpflege, Freizeit und<br />

Umwelt, Kempten 1975, S. 119–124.<br />

70 In den Augsburger Kirchmatrikeln ist er nicht verzeichnet, was dafür sprechen könnte, dass er<br />

noch in München geboren wurde.<br />

71 Zu diesem Zeitpunkt: Joseph Ignaz Philipp, Landgraf von Hessen-Darmstadt (1740–1768). Siehe:<br />

Wüst, Wolfgang: Joseph: Landgraf von Hessen-Darmstadt 1699–1768. In: Haberl, Wolfgang<br />

(Hrsg.): Lebensbilder aus dem Bayerischen-Schwaben, Bd. 14, Weißenhorn 1993, S. 64–75. Zur<br />

Struktur des fürstbischöflichen Hofes siehe Wüst, Wolfgang: Das Fürstbistum Augsburg. Ein<br />

geistlicher Staat im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, Augsburg 1997 besonders<br />

Kap. 3 und 4.<br />

72 Wüst, Wolfgang: Geistlicher Staat und altes Reich: frühneuzeitliche Herrschaft, Administration<br />

und Hofhaltung im Augsburger Fürstbistum, Bd. 2, München 2001, S. 768.<br />

73 Der juridischen Fakultät zugehörig hatte der Gubernator die inneruniversitäre Gerichtsbarkeit<br />

in Zivil- und Kriminalfällen inne. Er wurde stets aus den Reihen der fürstbischöflichen Hofräte<br />

gewählt. Siehe dazu: Specht, Thomas: Geschichte der Universität Dillingen (1549–1804) und der<br />

mit ihr verbundenen Lehr- und Erziehungsanstalten, Freiburg i.B. 1902, S. 128f., 281.<br />

74 ÖStA, AVA Adel RAA, Steeb Edler von, fol. 8r und HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 5r. Diese<br />

Informationen auch zum Teil bei Gschließer, Oswald: Der Reichshofrat, S. 464.<br />

75 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 1r.<br />

78


illigkeits-achtung. 3tis der sehr schnell- und haitere begriff, bündig und<br />

behände Entschlüssungen. 4to die sehr grosse fertigkeit in Aufsätz- und<br />

Verfassung deren Schrifften, auch willige beypflichtung anderen besseren<br />

Meinungen, samt grosser Gelährthait, ansehnlicher Übung, mitlerm<br />

Alter, auch sonstigen so gemüths als natures begebenheiten, mir die<br />

begründete Hoffnung zu geben, ja allerdings die bürgen zu seyn schienen,<br />

dass gemeldeter Herr von Steb allenfalls in ein so erhabenen dienstsposto<br />

Ihro Kayserliche Mayestät vernügliche, Euer Excellenz angenehme, dann<br />

dem Publico erspriessliche dienste zu leisten unter Gottes Leithung und<br />

beystandt nicht untüchtig seyn dörfte.“ 76<br />

Interessant erscheinen dabei die Fähigkeiten oder vielmehr Eigenschaften,<br />

die Hornstein als für den Reichshofrat notwendig ansah – und die heute<br />

wohl als „soft skills“ bezeichnet würden – wie Empathiefähigkeit, Gerechtigkeitssinn,<br />

rasche Auffassungsgabe, schnelle Entschlusskraft, Kritikfähigkeit,<br />

ebenso aber auch Ergebenheit gegenüber Kaiser und Katholizismus, die weit<br />

mehr Raum einnehmen als die von ihm nur recht ungenau beschriebene<br />

Erfahrung und Kompetenz. Hingegen legte vielmehr der Reichsvizekanzler<br />

in seinem Antwortbrief an den Dompropst Gerhard Wilhelm von Dollberg<br />

zu Augsburg vom 28. Januar 1761 das größere Augenmerk auf dessen fachliche<br />

Kompetenz:<br />

„[…] Es wird der dasige fürstliche Canzler von Steb mir gantz besonders<br />

angerühmt, und preiset man an demselben vorzuglich, daß er<br />

bey seinen anderen stattlichen begabnüssen nicht nur in jure trefflich<br />

beschlagen seye, sondern dass er auch bey einem vieljährigen praxi bey<br />

dem fürstlichen Augsburgischen Hofrath in Dillingen sich dergestalten<br />

hervorgethan habe, dass Ihro Durchlaut andurch bewogen worden<br />

seye ihn zu ihrem Hof Canzler zu ernennen […] ob er auch in den<br />

teutschen staats Rechten folglich in der Verfassung des Reiches, und<br />

dessen gesätzen erfahren und bewanderet seye und ob er in gerichts<br />

und dicastarial geschäften eine ausnehmende fähigkeit besitze, dan<br />

eine geschickte feder führe, dieses ist es, worüber ich eine auskunft zu<br />

erhalten wünschte.“ 77<br />

Wenngleich das Antwortschreiben aus Augsburg nicht vorliegt, so zeigt<br />

doch das mit dem Aufnahmedekret ergangene Schreiben Colloredos an den<br />

76 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 1v, 2r.<br />

77 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 4r.<br />

79


Augsburger Fürstbischof vom 21. Februar 1761, 78 dass Steeb die Aufnahmeerfordernisse<br />

des Reichshofrats erfüllte, die wie folgt erläutert wurden:<br />

„[…] Ihro Mayestät Richten hierbey ihr augenmerck auf solche Subjecta,<br />

die nicht nur mit den zu diesem hochsten Reichs-Dicasterio erforderlich<br />

Eigenschaften begabt sind, folglich die nothige Kanntnüß und erfahrung<br />

in den gesätzen des reichs, und genugsam geschicklichkeit in deren<br />

anwendung besitzen, sondern die auch in dicasteriis patriotischer Reichsstanden<br />

davon vielfaltige proben abgeleget, und insonders unter deren<br />

augen gleichsam zu einer redlichen, gerechten und Rainen patriotischen<br />

gedenckensart sich angewohnet haben. Da nun Ihre kayserliche Mayestät<br />

insonders anruhmet worden ist, daß in der Person des Euer durchlaucht<br />

Hof Cantzlers des von Steeb diese eigenschaften und erfordernüssen sich<br />

verwirklüget finden, allerhöchst dieselbe auch davon um so weniger eines<br />

Zweiffels trage alß die beforderung dessen biß zum hof Cantzler durch<br />

einen so erlauchten und Reichs Kundigter massen eyfrigst und devotesten<br />

Reichsfürsten, wie Er, durch bey Ihrer Kayserlichen Mayestät sind<br />

bey allerhochst deroselben ihr das vollgültigste Zeügniß dabey beyleget,<br />

so sind allerhochst dieselbe andurch bewogen worden gedachten Hof<br />

Cantzler zu dero wurcklichen Reiches hof Rath zu erklären und ihm in<br />

dieser eigenschaft anhero zu beruffen. […]“ 79<br />

Colloredo zeigt hier die besondere Bedeutung der Weiterempfehlung eines<br />

Kandidaten sowie der Vordienste bei einem kaisertreuen Reichsstand in<br />

der Rekrutierung zum Reichshofrat auf, die zumindest gleichwertig neben<br />

die erforderliche Kompetenz und Kenntnis in Reichs- und Landesgesetzen<br />

gestellt wird. Die vorhergehende Tätigkeit Steebs am Reichsvikariatsgericht<br />

hingegen, die ihn ebenfalls zu dieser Stelle befähigen könnte, wird von beiden<br />

Seiten nicht erwähnt, was auf die für den Reichshofrat offensichtlich<br />

gewichtigere Rekrutierungsbasis höfisches Netzwerk verweisen könnte. Denn<br />

auch die Vorteile der Abwerbung Steebs für das Domkapitel werden damit<br />

begründet, dass<br />

78 Das Dekret zur Aufnahme Steebs in den Reichshofrat, mundiert vom Kanzleischreiber Jos. Anton<br />

Öckhl von Helmberg, datiert vom 28. Januar 1761, also zeitgleich mit dem Schreiben Colloredos.<br />

HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 5v–7v. Laut Gschließer wurde es jedoch erst am 21.<br />

Februar 1761 abgefertigt und ging daher vermutlich zusammen mit dem Schreiben Helmbergs<br />

nach Augsburg. Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 465. Vielleicht war bereits im Januar<br />

klar, dass Steeb der Kandidat der Wahl sein würde. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass dies<br />

lediglich der Vermerk der Bearbeitung durch die Registratur ist.<br />

79 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 8v.<br />

80


„[…] Ihre Kayserliche Mayestät dadurch Ihro ein neües Kenn Zeichen<br />

ihrer allerhöchsten vorzuglichen Zuneigung und Vertrauens darlegen,<br />

und in der That Euer Serenissimo einigen hohen dienst und jenem des<br />

Ihro untergebenen hochstiftes bey dem Kayserlichen Reiches Hof Rath<br />

ein grosser Vorstand anmit verschaffet wird, daß kunfttighin darinnen<br />

sich ein mitglied finden wird, der die genaueste Kanntnuß von allen Euer<br />

Serenissimo und dero Hochstift zustehenden gerechtsamen, und befugnissen<br />

besitzet.“ 80<br />

Colloredo benennt damit also recht unumwunden den Einfluss, den ein „Mann<br />

aus den eigenen Reihen“ in einem solchen Reichsgremium zugunsten des vorherigen<br />

Arbeitsgebers, in diesem Falle des Fürstbischofs bzw. des Domkapitels,<br />

geltend machen könnte.<br />

Obgleich Steeb bereits im Februar per decretum vom 28. Januar 1761 bzw.<br />

21. Februar 1761 81 zum wirklichen Reichshofrat auf der Ritter- und Gelehrtenbank<br />

mit einer Besoldung von 4000 fl. 82 ernannt worden war, suchte er zunächst<br />

in einem Schreiben vom 28. Februar 1761 um Verlängerung seiner Anreisefrist<br />

an, denn „[…] wie bedaurlich soanmit mir im gegenspiehl billich fallen<br />

müsste der nochweihls andaurende un-Begriff Serenissimo Hochfürstlicher<br />

Durchlaucht meines gnädigsten Herrens, als Höchst welcher meine entlassung<br />

ohnerträglich vorkommen will. […]“, so bitte er, seine Sachen ordnen zu dürfen,<br />

„um damit fürderlich meines bißherigen Dienstes wie in gnaden entlassen [zu]<br />

werden […]“. 83 Trotz der offiziellen Einwilligung des Bischofs von Augsburg 84<br />

verschob er am 23. März 1761 ein weiteres Mal die Anreise nach Wien,<br />

„[…] denn die vorfallende zum theil wichtig, zum theil bedauerliche<br />

behinderungen zu meiner selbstigen Ermüdung täglich sich anhäuffen,<br />

anermassen die Entladung von denen Cancellariats Geschäften, die vorseyende<br />

Chur-Cölnische wahl, und die ganz unvermuthet meiner Frauen<br />

ihrem Vatter dem Baron Brutscher vom Schorn zugestossene todtsgefährliche<br />

Unpässlichkeit […]“. 85<br />

80 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 8r.<br />

81 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 5r–7r.<br />

82 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 13r. Im Gegensatz dazu die Reichshofräte auf der Herrenbank:<br />

2600 fl.<br />

83 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 10r.<br />

84 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 17r. Das Original-Schreiben vom 2. März 1761 ist nicht<br />

(mehr) im Faszikel enthalten, es wird jedoch erwähnt im Antwortschreiben, mundiert vom<br />

Kanzleischreiber Christoph Libano.<br />

85 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, fol. 19r. Diese Informationen sind auch zu finden bei Gschließer,<br />

Oswald von: Der Reichshofrat, S. 465.<br />

81


So konnte er wohl erst zwischen Mai und Juli nach Wien übersiedeln, wo er<br />

am 9. Juli 1761 nunmehr offiziell in den Reichshofrat introduziert wurde, dem<br />

er 21 Jahre lang angehören sollte.<br />

Nach 18jähriger Dienstzeit wurde Steeb am 25. Mai 1779 in den Reichsritterstand<br />

mit dem Prädikat eines „Edlen von Steeb“ erhoben. 86 Steeb selbst<br />

verweist in seinem Erhebungsgesuch auf ein bereits bestehendes Adelsprädikat:<br />

„Bereits im vorigen Jahrhundert wurden denen damaligen Steebischen<br />

Gebrüdern, […] Wappen und Kleinod mit Schild, und Helm […] er thei let<br />

[…] wie dann auch des Supplicanten Eltern und Voreltern dieses Vorzugs<br />

sich zu allerzeit erfreuet, sondern auch in verschiedenen theils civilund<br />

Militairediensten bey seiner kaiserlichen Majestät auch des Heiligen<br />

Reichs Ständen mit untadelhafter Treue sich hervor gethan, auch sonsten/<br />

mannigfältige ersprießliche/Dienste geleistet.“ 87<br />

Welcher Art die insbesondere für den Kaiser geleisteten „civil-Dienste“<br />

waren, lässt sich nicht rekonstruieren, da Johann Jakob eigentlich als erster<br />

das Berufsfeld seiner Familie und die Region verließ, durch Karriere und<br />

Heirat die soziale Schicht wechselte und dadurch mit dem Kaiserhof direkt<br />

in Berührung kommen konnte. Zwar wird Steeb innerhalb der Korrespondenz<br />

zwischen dem Augsburger Domkapitel und dem Reichshofrat, ebenso<br />

wie in seiner Ernennung zum wirklichen Reichshofrat, als „von Steeb“ tituliert,<br />

gleichwohl mag dies Ehren oder Form halber geschehen sein, da kein<br />

tatsächlicher Nachweis einer früheren Nobilitierung beigebracht wurde.<br />

Lediglich für Anton Steeb (der diesen Titel allerdings offensichtlich nicht<br />

86 Ausschreibung durch Kurfürst Carl Theodor zu Pfalzbayern laut dessen Schreiben vom 13. August<br />

1785 wohl erst im Herbst 1785 „Euer kaiserlich königlich Apostolischen Majestät Höchstverehrliches<br />

Schreiben vom 9. Julius abhin in Belang des unterm 25en May 1779 in des heiligen<br />

römischen Reichs Ritterstand erhobenen Reichshofraths Johann Jakob von Steeb […] habe ich<br />

nicht sobald zu erhalten die Ehre gehabt, als ich sogleich die dießfalsig unentgeldliche Ausschreibung<br />

in meinen Landen zu verfügen, allerhöchster Gesinnung gemäß unermanglet habe<br />

[…]“ ÖStA/AVA Adel RAA, Steeb Edler von, o.F.<br />

87 ÖStA/AVA Adel RAA, Steeb Edler von, o.F. Den Entwurf für die Standeserhebung verfertigte<br />

Johann Jacob selbst, er wurde in großen Teilen in das offizielle Dokument übernommen. Familienarchivalien<br />

Steeb, Handschrift von Johann Jacob von Steeb, o.F. Die Taxe in Höhe von 158<br />

Gulden und 30 Kreuzern „pro juribus Cancelleriae Libello, Capsula, et Sigullatoria, wie auch für<br />

den Wappen Inspectorn“ wurden am 26. Juni 1779 von Johann Jakob bezahlt. Familienarchivalien<br />

Steeb, Taxe für Adelsdiplom, o.F.<br />

Bei Wurzbach wird die Standeserhebung irrtümlich seinem Sohn Johann Baptist zugeschrieben,<br />

siehe Wurzbach, Constantin: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreichs: enthaltend<br />

die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate<br />

und in seinen Kronländern gelebt haben, Bd. 37, Wien 1856–1923, S. 280f.<br />

82


führte) ist eine Wappengrabtafel an der Außenmauer der Pfarrkirche in<br />

Zusmarshausen belegt. 88<br />

Bereits 1764 hatte Johann Jakob gemeinsam mit seiner Frau zwei Häuser, nebst<br />

Garten und Weingarten, in „Entzerstorff an dem Gebürg“ (Maria Enzersdorf<br />

am Gebirge, Nähe Mödling, ca. 25 km südlich vom Zentrum Wiens) gekauft,<br />

neben dem dortigen Franziskanerkloster gelegen. Der Vorbesitzer Martin<br />

Anton Stöger Edler von Schönthall, wirklicher kaiserlicher Rat und „Hofkriegs<br />

Commissariats Referendarium“, und dessen Frau, Maria Antonia geb. Freyin<br />

von Langlet, verkauften an Steeb für 1000 Gulden, plus 200 Gulden für Effecten<br />

und Mobiliar, das die Schönthalls bereits vom Vorbesitzer übernommen hatten.<br />

Weiters waren „Abfartgeld, wie auch die Steuern und all übrige Anlaagen bis<br />

auf das erst vergangene Georgi fest dieses Jahrs [23. April 1764]“ zu erlegen<br />

sowie in bar „einhundert Gulden Leithkauff oder Schlüppegeld“ bei Vertragsunterzeichnung.<br />

89 Nach dem Tod des Johann Jakob, der am 13. Dezember 1782<br />

an Brustwassersucht 90 gestorben war, verkaufte Maria Barbara gemeinsam mit<br />

ihrem Sohn Johann Baptist im März/April 1784 nunmehr mit großem Gewinn<br />

die beiden Häuser mitsamt älterem und neuerem Mobiliar, ebenso wie den „zu<br />

dem Haunold Schiechlerischen Stift grundbaren, und in der Heugassen bey<br />

Bronn [Brunn] gelegenen Weingarten“ 91 mit Weinpressen und „Haus-Bauund<br />

Garten-Geräthschaften“ zu insgesamt 3500 Gulden an den Reichshofrat<br />

Joseph von Riefel 92 sowie dessen Frau Dorothea von Riefel geb. Dalmüller. 93<br />

Maria Barbaras nachmaliger Wohnsitz ist nicht bekannt, möglicherweise zog<br />

sie zu ihrem Sohn Johann Baptist in die Erdberggasse 232, am unteren Prater<br />

88 Familienarchivalien Steeb, Fotografie der Grabtafel, o.F. Angemerkt auch bei Both, Leonhard/<br />

Helmschrott, Franz: Zusmarshausen, S. 63.<br />

89 Familienarchivalien Steeb, Kaufvertrag vom 5. Mai 1764, o.F.<br />

90 „Serothorax oder Hydrothorax, Ansammlung wässriger Flüssigkeit im Brustraum zwischen Lungenfell<br />

und Rippenfell; entsteht bei schweren Herzleiden, durch Kreislaufstörungen, Rippenfellentzündung<br />

u.a.“ http:// www.wissen.de/ wde/ generator/ wissen/ ressorts/ gesundheit/ medizin/ index,page=1069436.<br />

html (letzter Abruf 20.12.2011).<br />

91 Es handelte sich um 3 Weingärten, genannt „der lange Acker, die Wollerin, und die Moserin“,<br />

die für je 50 Gulden verkauft wurden. Familienarchivalien Steeb, Kaufkontrakte vom 26. März<br />

und 1. April 1784, o.F.<br />

92 Dieser war ein Jahr vor Johann Baptist im Januar 1782 in das Reichshofratskollegium introduziert<br />

worden. Johann Baptist hatte sich zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls um die Aufnahme<br />

beworben, wurde jedoch abgelehnt, da sein Vater noch in diesem Gremium saß (siehe Kapitel<br />

II.1.b). Der etwa gleich alte Riefel (*um 1740) war vor seiner Reichshofratstätigkeit zunächst Professor<br />

für privates und öffentliches Recht in Würzburg, danach fürstbischöflich-speyerischer<br />

geheimer Rat und Vizekanzler. Mehrfach publizistisch tätig, verfasste er ab 1791 das Werk „Der<br />

Reichshofrat in Justiz-, Gnaden- und anderen Sachen“. Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat,<br />

S. 494f. und http://www.koeblergerhard.de/Rechtsfakultaeten/Wuerzburg716.htm (letzter<br />

Abruf 20.12.2011).<br />

93 Familienarchivalien Steeb, Kaufskontrakte vom 26. März und 1. April 1784, o.F.<br />

83


in Wien. 94 Sie starb am 21. Januar 1795 im Alter von 76 Jahren, jedoch nicht im<br />

Hause ihres Sohnes, sondern im „Martinelli’schen Haus Nr. 758 in der unteren<br />

Läukerstrasse […] an Entkräftung“. 95<br />

Leider sind über die Mobiliargegenstände, insbesondere die älteren, die<br />

offensichtlich ohne Wertverlust wieder für 200 Gulden an das Ehepaar Riefel<br />

weiter verkauft werden konnten, keine näheren Hinweise erhalten. Es<br />

ist jedoch ein Ölgemälde des Ehepaars Steeb überliefert, das sich heute im<br />

Depot des Kroatischen Historischen Museums in Zagreb befindet. 96 Es zeigt<br />

Johann Jakob von Steeb in der Bildmitte in Hofkleid und mit Degen als Standesattribut,<br />

neben ihm sitzend in der rechten unteren Bildecke Maria Barbara<br />

in einem weißen Seidenkleid und Hochsteckfrisur in barocker Manier.<br />

Johann Jakob hält mit zwei Fingern der rechten Hand einen Spazierstock<br />

und stützt sich mit dem linken Arm auf ein angedeutetes Pult, über dem<br />

im durchweg dunkelbraun gehaltenen, gedämpft beleuchteten, unspezifischen<br />

Hintergrund eine antike Männerstatue in umgekehrter Sitzhaltung<br />

zu Maria Barbara und paralleler Bewegungsrichtung zu Johann Jakob zu<br />

sehen ist. Die zweite Nachbesitzerin des Hauses bestätigte in einem späteren<br />

Briefwechsel mit Louise Edler von Steeb (*1851, †1895) die Identität<br />

der abgebildeten Personen, was vermutlich dadurch möglich war, dass es<br />

im Hause verblieb oder dort beim Kauf von ihr gesehen worden war, da es<br />

die Witwe Steeb offensichtlich nicht mit nach Wien übersiedelte, sondern<br />

verkaufte. 97 Dies würde bedeuten, dass das Gemälde zumindest vor 1784<br />

gemalt wurde, möglicherweise sogar vor der Standeserhebung 1779, da sich<br />

das verliehene Wappen, das ausdrücklich auch „auf Gemählden“ verwendet<br />

werden durfte, 98 nicht darauf findet. In den Familienbesitz zurückgekauft<br />

wurde es erst vier Generationen nach Johann Jakob von General Christian<br />

Franz Eugen Freiherr von Steeb (1848–1921).<br />

94 Hof- und Staats-Schematismus der römisch kaiserlichen auch kaiserlich königlichen und erzherzoglichen<br />

Haupt- und Residenz-Stadt Wien […], Wien 1793, S. 168.<br />

95 Familienarchivalien Steeb, Auszug aus dem Sterberegister der Stadt Wien 1795, o.F.<br />

96 Inventar HPM/PMH 10248.<br />

97 Familienarchivalien Steeb, Bildregister, o.F.<br />

98 ÖSta/AVA Adel RAA, Steeb Edler von, unfol. „Thun das gönnen, und erlauben ihm Johann Jacob<br />

von Steeb des heiligen Römischen Reichs Ritter, […] dass sie vorbeschriebenes Ritter-Wappen<br />

[…] in […] Gemählden, und sonsten an allen anderen Orten, und Nothdurften, Willen, und<br />

Wohlgefallen führen, sich derselben gebrauchen, und bedienen können, und mögen“.<br />

84


Abbildung 2: Doppelbildnis Johann Jakob von Steeb, Maria Barbara von Steeb geb. Freiin<br />

von Brutscher auf Schorn zu Stetten und Burgleithen, nach 1761, Öl auf Leinwand, 108 x<br />

81 cm, HPM 10248, Hrvatski Povijesni Muzej (Kroatisches Historisches Museum/Privatbesitz)<br />

85


Zuletzt sei noch auf die vermutliche Zugehörigkeit Johann Jakobs zur Goldund<br />

Rosenkreuzerbruderschaft verwiesen, die gerade in Hinblick auf mögliche<br />

Beziehungsnetze nicht ohne Bedeutung gewesen sein mochte. 99 Leider war<br />

bislang lediglich ein Literaturvermerk von 1901 aufzufinden, der Steebs Mitgliedschaft<br />

dokumentiert. 100 Die Gold- und Rosenkreuzerbruderschaft gründete<br />

sich vermutlich um 1757 101 in Wien und stellte eine Verbindung zwischen<br />

rosenkreuzerischem Gedankengut und Freimaurerei dar. 102 Freimaurerisch<br />

war in erster Linie das Organisationsprinzip in Hochgradsysteme mit einer<br />

weiteren Untergliederung in Zirkel von bis zu 9 Personen und die Bedeutung<br />

des Arkanums. Rosenkreuzerisch waren hingegen die Inhalte, 103 die betont<br />

mystisch-religiöser Natur waren unter Einbezug christlicher und kabbalistischer<br />

Traditionen, Okkultismus, Magie und Alchemie. Die Bruderschaft<br />

öffnete sich nach einer Reform 1777 zunehmend politischeren Zielsetzungen,<br />

die vor allem in Preußen zum Tragen kommen sollten, war aber in ihrer Ausrichtung<br />

anti-aufklärerisch, 104 insofern als das religiöse Moment konstitutiv<br />

blieb. 105 Steeb scheint 1775 die Leitung der Bruderschaft übernommen und<br />

99 Möller, Horst: Die Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer. Struktur, Zielsetzung und Wirkung<br />

einer anti-aufklärerischen Geheimgesellschaft. In: Reinalter, Helmut (Hrsg.): Freimaurer<br />

und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, Frankfurt am Main 1993, S. 199–239.<br />

Reinalter, Helmut: Die Freimaurerei zwischen Josephinismus und frühfranziszeischer Reaktion.<br />

Zur gesellschaftlichen Rolle und zum indirekt politischen Einfluß der Geheimbünde im<br />

18. Jahrhundert. In: Reinalter, Helmut (Hrsg.): Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert,<br />

S. 35–31. Krivanec, Ernst: Die Anfänge der Freimaurerei in Österreich. In: Reinalter, Helmut<br />

(Hrsg.): Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert, S. 177–195. Binder, Dieter Anton:<br />

Die Freimaurer. Ursprung, Rituale und Ziele einer diskreten Gesellschaft, Freiburg/Basel/<br />

Wien 2006 2 . Huber, Eva: Sozialstruktur der Wiener Freimaurer, 5 Bände, Wien 1991.<br />

100 Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, dritte, völlig umgearbeitete und mit den neuen wissenschaftlichen<br />

Forschungen in Einklang gebrachte Auflage von Lennings Encyclopädie der<br />

Freimaurerei, Bd. 2, Leipzig 1901, S. 262, 263.<br />

101 Siehe zur genaueren Entstehungsgeschichte: Möller, Horst: Die Bruderschaft der Gold- und<br />

Rosenkreuzer, S. 201, 202. McIntosh, Christopher: The rose cross and the age of reason. Eighteenth-century<br />

rosicrucianism in central Europe and its relationship to the Enlightenment,<br />

Leiden/New York/Köln 1992. Leider basiert McIntoshs Studie hauptsächlich auf Dokumenten<br />

des Freimaurerhistorikers Georg Kloß (1787–1854) in den Niederlanden, dessen Material offensichtlich<br />

wenig zur Entstehungsgeschichte des Ordens umfasst. Daher beschreibt McIntosh<br />

beinahe ausschließlich die Entwicklungen nach 1784, Mitgliederlisten oder dergleichen sucht<br />

man vergeblich. Insofern wird auch Steeb bei ihm nicht erwähnt.<br />

102 Möller, Horst: Die Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer, S. 201. Eine genaue Einschätzung<br />

und Darstellung der Organisation, Inhalte und Traditionen dieser Bruderschaft soll hier nicht<br />

vorgelegt werden. Die nachfolgenden Ausführungen dienen nur einer allgemeinen annähernden<br />

Einordnung, um den ideologischen und gesellschaftlichen Rahmen, in dem sich Steeb hier<br />

bewegte, deutlich zu machen, sie werden der Komplexität der angesprochenen Phänomene freilich<br />

nicht gerecht.<br />

103 Wobei die Gold- und Rosenkreuzer wohl nicht in direkter Nachfolge der bekannten Rosenkreuzer<br />

des 17. Jahrhunderts gesehen werden dürfen, weil in ihrer Ausrichtung wesentlich „pseudoreligiöser“,<br />

so Binder, Dieter Anton: Die Freimaurer, S. 59.<br />

104 Zur genauen politischen Genese der Bruderschaft siehe die Studie von McIntosh, Christopher:<br />

The rose cross and the age of reason.<br />

105 Möller, Horst: Die Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer, S. 212–223.<br />

86


unter anderem 1780, also kurz vor seinem Tod, einen Zirkel gemeinsam mit<br />

dem „Oberstallmeister und Grossmeister der [Freimaurer] Provinzialloge von<br />

Österreich Graf Dietrichstein“ gebildet zu haben. 106 Vermutlich ist damit der<br />

Geheime Rat und Oberstallmeister Karl Johann Baptist Walter Fürst zu Dietrichstein<br />

(-Proskau-Leslie) (1728–1808) gemeint, 107 ein enger Vertrauter Josephs<br />

II., der tatsächlich für einige Zeit dem Gold- und Rosenkreuzerorden angehört<br />

haben soll, jedoch stärker seinen freimaurerischen Wurzeln verhaftet blieb und<br />

sich Anfang der 1780er Jahre wieder vom Orden abwandte. Sollte dem so sein,<br />

so wird hier unmittelbar die Bedeutung einer solchen Ordenszugehörigkeit<br />

als soziales Vehikel in der Steebschen Biographie deutlich. Denn „zu den Mitteln<br />

der rosenkreuzerischen Politik […] gehörten vor allem eine ausgeprägte<br />

Personalpolitik und die Bildung einer sozial integrierenden elitären Gruppe<br />

[…].“ 108 Waren Steeb aufgrund seiner bürgerlichen Herkunft hochadelige Kreise<br />

ansonsten sicherlich verschlossen, ermöglichte es ihm diese Zugehörigkeit<br />

eventuell, enge Kontakte in die höchsten politischen Kreise zu knüpfen. 109<br />

Ob er bei den Gold- und Rosenkreuzern auch auf jüdische Ordensmitglieder<br />

traf, ist unklar, aber nicht auszuschließen, da aufgrund der Ordensreform von<br />

1767 „Deisten und Heiden“ zwar nicht aufgenommen werden durften, Juden<br />

aber in Ausnahmefällen durchaus. 110 Angesichts der wenig freimaurerischen<br />

und sehr religiösen Verhaftung der Bruderschaft scheint deren Frequentierung<br />

durch Juden aber eher unwahrscheinlich. Von Bedeutung wurde hier vielmehr<br />

der 1784 gegründete Orden der Asiatischen Brüder. 111 Zu diesem Zeitpunkt war<br />

106 Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, S. 263.<br />

107 Felgel, Anton Victor: Dietrichstein, Johann Carl Fürst zu. In: ADB, Bd. 5, Leipzig 1877, S. 202–<br />

203. (Der ADB-Artikel scheint hier insofern inkorrekt, als es sich den Lebensdaten nach um<br />

Karl Johann (1728–1808) handeln muss, nicht um dessen Sohn Johann Karl (1772–1852)). Siehe<br />

auch Wurzbach, Constantin von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 3,<br />

S. 297, 302–304. Dass es sich um seine Person handelte, dafür spricht die weitere Beschreibung<br />

des Weges Dietrichstein in diesem Handbuch, der 1783–1785 die Oberhauptdirektion in Wien<br />

übernommen haben soll, danach jedoch aus der Bruderschaft ausgetreten sei und Joseph II.<br />

zu der Freimaurerverordnung von Dezember 1785 veranlasst habe. Allgemeines Handbuch der<br />

Freimaurerei, Bd. 2, S. 263. In einem anderen Freimaurerlexikon von 1932 wird von „Fürst Dietrichstein“<br />

gesprochen, der jedoch nicht der Provinzialloge von Österreich, sondern der großen<br />

Landesloge von Österreich seit 1784 als Großmeister vorgestanden habe. Lennhoff, Eugen/Posner,<br />

Oskar: Internationales Freimaurerlexikon, Zürich/Leipzig/Wien 1932, Sp. 1704. McIntosh<br />

erwähnt ihn ebenfalls als zeitweise den Gold- und Rosenkreuzern zugehörig, siehe McIntosh,<br />

Christopher: The rose cross and the age of reason, S. 66, 111, 168, 169.<br />

108 Möller, Horst: Die Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer, S. 218.<br />

109 Eine Analyse der Zugehörigkeit der Reichshofräte insgesamt, insbesondere der bürgerlichen, zu<br />

verschiedenen Freimaurerlogen oder Rosenkreuzerorden wäre in Hinblick auf Netzwerke und<br />

soziale Mobilität sicherlich außerordentlich ergiebig und anzuregen.<br />

110 Möller, Horst: Die Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer, S. 202.<br />

111 Zur jüdischen Präsenz in Freimaurerlogen (jedoch im Reich und in den österreichischen Erblanden<br />

erst ab Mitte der 1780er Jahre) siehe Katz, Jakob: Der Orden der Asiatischen Brüder. In:<br />

Reinalter, Helmut (Hrsg.): Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa,<br />

Frankfurt am Main 1993, S. 240–283. Katz, Jakob: Jews and Freemasons in Europe 1723–1939,<br />

87


Johann Jakob Steeb aber bereits verstorben. Über eine freimaurerische oder<br />

rosenkreuzerische Tätigkeit seines Sohnes ist nichts bekannt.<br />

2.b Johann Baptist von Steeb<br />

1742 in München oder Augsburg geboren, wuchs Johann Baptist, der einzige<br />

Sohn von Johann Jakob und Maria Barbara von Steeb, in Augsburg und<br />

Dillingen auf und besuchte dort vermutlich die örtlichen Gymnasien. 112 Als<br />

die Familie 1761 nach Wien übersiedelte, studierte er wohl an der Universität<br />

Wien Rechtswissenschaften. 113 Mit Dekret vom 1. September 1766 wurde er<br />

zum kurfürstlich bayerischen wirklichen Hofrat 114 auf der adeligen Bank<br />

ernannt, „[…] jedoch mit Vorbehalt […], dass er vorerst noch bei dem kaiserlichen<br />

Reichshofrath in Wien zu praktiziren habe, um seinerzeit in reichs<br />

gerichtlichen Angelegenheiten mit Nutzen dahier [in München] gebraucht zu<br />

werden.“ 115 Die unlängst von Burgdorf exemplarisch anhand der von Sigrid<br />

Jahns erhobenen Daten genauer beleuchtete peregrinatio academica, zeigt<br />

eindrücklich die hohe Bedeutung eines solchen Praktikums, das im vollen<br />

Umfang eigentlich auch noch Aufenthalte in Wetzlar und Regensburg vorsah,<br />

nicht nur als weitere Qualifikation, sondern vor allem im Hinblick auf social<br />

networking. 116 Denn „[d]ie Chancen, in den Institutionen des Reiches tätig<br />

Cambridge 1970. Katz, Jacob: Echte und imaginäre Beziehungen zwischen Freimaurerei und<br />

Judentum. In: Katz, Jakob (Hrsg.): Zwischen Messianismus und Zionismus: zur jüdischen Sozialgeschichte,<br />

Frankfurt am Main 1993, S. 62–71. Weisberger, Richard William: Freemasonry<br />

as a source of Jewish civic rights in late eighteenth-century Vienna and Philadelphia: a study in<br />

Atlantic history. In: East European Quarterly 34/4 (2000), S. 419–445. McIntosh, Christopher:<br />

The rose cross and the age of reason, S. 161–177.<br />

112 Sein Vater Johann Jakob war seit der Anstellung durch den Fürstbischof von Augsburg 1741<br />

oder 1742 zunächst in Dillingen tätig, wo sich die Zweitresidenz der Augsburger Fürstbischöfe<br />

befand. Möglicherweise lebte die Familie dort bis in die späten 1750er Jahre, bevor Steeb sen.<br />

zum Geheimen Rat und Hofkanzler in Augsburg avancierte. Siehe Familienarchivalien Steeb,<br />

unveröffentlichtes Manuskript von Steeb, Christian, S. 114.<br />

113 Familienarchivalien Steeb, „Resultat der Forschungen im k.u.k. Haus-, Hof- und Staats-Archiv<br />

in Wien“ um 1884, o.F. sowie unveröffentlichtes Manuskript von Steeb, Christian, S. 116.<br />

114 Siehe zur Regentschaft des damaligen Kurfürsten Maximilian III. Joseph (1727–1777), der zahlreiche<br />

Reformen der bayerischen Verwaltung betrieb, v.a. die Publikationen im Umfeld der<br />

Kommission für bayerische Landesgeschichte sowie als Einführung Schmid, Alois: Maximilian<br />

III. Joseph von Bayern. In: NDB, Bd. 16, Berlin 1990, S. 485–487 mit weiterführenden Literaturhinweisen.<br />

115 Familienarchivalien Steeb, Auskunft des Amtsgericht München I, Abtheilung A für Civilsachen.<br />

Betreff: Aufräumung älterer Testamente vom 15. Juli 1884, o.F.<br />

116 Burgdorf, Wolfgang: Die reichsrechtliche peregrinatio academica, S. 51–57. Der erste Teil der<br />

Habilitation von Jahns, Sigrid: Das Kammergericht und seine Richter, Köln 2002 war bei Abschluss<br />

dieser Arbeit leider noch nicht veröffentlicht. Er verspricht eine umfassende Auswertung<br />

der in ihrem prosopographischen Teil (Jahns, Sigrid: Das Reichskammergericht und seine<br />

Richter) erhobenen Daten zu sein. Jahns, Sigrid: Das Reichskammergericht und seine Richter,<br />

Teil 1: Darstellung, Köln/Wien/Weimar 2011. Einen Hinweis zur Bedeutung von Praktika an<br />

88


zu werden, wurden durch die Praktika der reichsrechtlichen peregrinatio<br />

entscheidend verbessert.“ 117<br />

Wie lange Steeb in Wien blieb, ist unklar – spätestens 1768 kam er jedoch nach<br />

München, wo er am 5. Juni selben Jahres Maria Amalia Josepha Antonia Dominika<br />

geb. von Leelmacher zu Sandersheim, die Tochter des kurfürstlich pfalzbayerischen<br />

Truchseß, wirklichen Hofrats und Geheimen Kabinett-Sekretärs Johann Wilhelm<br />

Reichsritter und Edlen von Leelmacher zu Sandersheim, heiratete. 118 Mit ihr hatte<br />

er drei Kinder: Jakob Karl Dominikus (*1776), Maria Dominika Floriana (*1777)<br />

und Maria Barbara Anna Theresia (*1778). 119 1768 wurde Johann Baptist bereits<br />

zum geistlichen Rat 120 und 1769 zum „Rath bei dem kurfürstlichen Reriserium<br />

(Oberappellationsgericht)“ sowie Kanzleidirektor 121 befördert. 122 1771 wurde er von<br />

Kurfürst Maximilian III. Joseph „mit einem Spezial auftrag zu längerem Aufenthalte<br />

an den kaiserlichen Hof nach Wien“ entsandt 123 und erscheint dann nochmals<br />

1776–1778 (also während der Zeit, in der seine drei Kinder geboren wurden) in den<br />

Akten des Münchner Amtsgerichts, als er „lebhaften Anteil an den Berathungen<br />

über Organisationsfragen des Geistlichen Raths und der Kirchen degutationen<br />

[nimmt].“ 124 1779 kehrte er mit seiner Familie zurück nach Wien, wo er auf den<br />

Posten des kaiserlichen Reichshoffiskals berufen wurde. In München nahm man<br />

„[…] seinen Abschied in den wärmsten Ausdrücken der dankbarkeit,<br />

der empfindung, und der freundschaft, welch alles das collegium unter<br />

den obersten Gerichtshöfen als Rahmen der Zugangsmobilität gibt sie bereits in Jahns, Sigrid:<br />

Der Aufstieg in die juristische Funktionselite, S. 362, 363.<br />

117 Burgdorf, Wolfgang: Die reichsrechtliche peregrinatio academica, S. 29.<br />

118 Familienarchivalien Steeb, Kopie des Trauungs-Schein durch Pfarrvikar Lochner des Metrapulitan-Stadtpfarramts<br />

München vom 30. März 1883, o.F. Die Trauzeugen waren „Carolus Josephus<br />

von Pauli, Hof-Raths-Kanzler“ und „Maximilianus von Hagenau, Hof-Rath“. Die Angaben<br />

zum Vater der Maria Amalia nach Familienarchivalien Steeb, unveröffentlichtes Manuskript<br />

von Steeb, Christian, S.110 und nach dessen Testament vom Jahr 1736, Familienarchivalien<br />

Steeb, Testament des Johann Wilhelm Leelmacher und der Maria Aloisia Dominica, o.F.<br />

Die Eheleute bekamen zur Hochzeit vom Brautvater „4000 fl, welche dem Manne übergeben<br />

wurden, weiters ein Haus, München, hintere schwäbische Gasse, 8000 fl wert, und Mobiliar“,<br />

vom Bräutigamvater hingegen 6000 fl. Man dürfte die Verbindung daher fügsam als gute Partie<br />

für Johann Baptist ansehen. Familienarchivalien Steeb, o.F.<br />

119 Familienarchivalien Steeb, Auszug aus den Pfarrmatrikeln von Pfarrvikar Lochner des Metrapulitan-Stadtpfarramts<br />

München vom 7. Februar 1784, o.F.<br />

120 Siehe dazu Bauer, Richard: Der kurfürstliche Geistliche Rat und die bayerische Kirchenpolitik<br />

1768–1802, München 1971, bes. S. 105.<br />

121 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, Johann Baptist, fol. 4v.<br />

122 Gschließers Angaben, dass Johann Baptist über 14 Jahre hinweg bei der obersten Justizstelle und<br />

als Kanzleidirektor des geistlichen Ratskollegiums tätig gewesen sein soll, sind somit ungenau.<br />

Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 496.<br />

123 Familienarchivalien Steeb, unveröffentlichtes Manuskript von Steeb, Christian, S. 114 ergänzt<br />

folgende Daten: 9. März bis 21. Juli 1771 Aufenthalt in Wien wegen Maut- und Kommerz-Angelegenheiten.<br />

124 Familienarchivalien Steeb, Auskunft des Amtsgericht München I, Abtheilung A für Civilsachen.<br />

Betreff: Aufräumung älterer Testamente vom 15. Juli 1884, o.F.<br />

89


der Versicherung erwiederte, dass das collegial bedauren einen so rechtschafen<br />

und geschickten Rath verliehren zu müssen nur der gedanke<br />

vermindern kann, dass durch sein von Steebs Abrufung sowohl seine<br />

Umstände verbessert, als auch das credit des churfürstlichen Bayerischen<br />

Revisory dadurch desto mehr bevestiget werde“ 125<br />

Auch hier ist, ähnlich wie bei Johann Jakobs Ausscheiden in Augsburg, zumindest<br />

indirekt zu vernehmen, dass man sich offensichtlich von reichsständischer<br />

Seite als ehemaliger Arbeitgeber eine gewisse Prestige-Bonität aus der<br />

Abwerbung der eigenen Leute durch kaiserliche Stellen ausrechnen konnte,<br />

durch einerseits positive Außenwirksamkeit, aber auch andererseits gegenseitige<br />

Loyalitätsbekundungen, hinter denen vermeintliche oder tatsächliche<br />

Interessenvertretung stecken konnte.<br />

Gleichwohl übernahm Johann Baptist die Stelle des Reichsfiskals nur, um<br />

seinem angestrebten Ziel, Reichshofrat zu werden, näher zu kommen. Die, nicht<br />

zuletzt räumliche, Nähe zum Hof schien ihm dafür offensichtlich der größere<br />

Garant, war doch seine erste Bewerbung 1775 abgelehnt worden. 126 Jedoch<br />

auch seine zweite Bewerbung 1781 auf die durch den Tod des Reichshofrats<br />

Friedrich von Mauchart (am Reichshofrat 1773–1781) freigewordene Reichshofratsstelle<br />

scheiterte, sie wurde, wie gesehen, durch seinen Kollegen Riefel<br />

besetzt. Die Begründung bestand in beiden Fällen in der, gleichwohl erst seit<br />

Joseph II. derart streng durchgeführten, Richtlinie, dass Vater und Sohn nicht<br />

zugleich im Reichshofratskollegium sitzen sollten. 127 Seiner Verbitterung ließ<br />

er daraufhin in einem Lamento an den Reichshofrat freien Lauf:<br />

„Vor allen erlauben also Euer kayserlich königliche Apostolischen Maiestät!<br />

allerunterthänigst vorstellen zu dorffen, wie niederschlagend sotane<br />

Einrede für mich seyn muste,[…] wie traurig meine Aussicht zur Beförderung<br />

wäre, wann ich sie allerst in meinen ganz entkräfteten Jahren,<br />

und in dem Grabe meines ohnehin alten, und immer kränklichten Vaters<br />

suchen müsste. Wie niederdrückend dieser einzige Gedanke für den Eyfer<br />

des dienstes – für den Sohn – für den rechtschaffenen Mann wäre, der<br />

von Jahren her gewohnet ist, die Justiz unparteilich – ohne alle Wortliebe<br />

125 Familienarchivalien Steeb, Note so über den Abstandt des churfürstl. Revisions Raths herren<br />

von Steeb in dem revisions collegial […] 14. Juni 1779, o.F.<br />

126 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, Johann Baptist, fol. 3r „schon zur Zeit, als der […] von Mauchart,<br />

und der […] von Weisskirchen allergnädigst benennet worden; hatte ich die Künheit um gleiche<br />

Gnade zu competieren. Ich wurde aber bei ersterem Falle nicht erhöret […]“ und fol. 9v, 10r<br />

„Was den […] Reichs-Fiscal von Steeb betrift, so hat dieser schon bei den beeden vorigen Erledigungsfällen<br />

1775 und 1781 darum angesucht […]“.<br />

127 Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 76, 490, 494.<br />

90


– und ganz ohne Rücksichten zu pflegen, worüber mir ganz Baiern während<br />

meines vieliährigen Aufenthaltes das unweigerliche Zeügniß leisten<br />

muß. Dazu noch kommet: dass nicht nur in Reichs:ständischen Collegiis,<br />

sondern auch bey dem kayßerlichen Reichs:kammer-Gericht, und selbst<br />

bey dem kayerserlichen Reichs: Hofrath derley Beyspiele bereits vorliegen,<br />

ohne dass die heilige Justiz-Pflege im mindesten dabey gelitten hätte.<br />

[…] ob ich schon damahls in Baiern bey der obersten Justiz-stelle, und<br />

bey dem geistlichen Raths Departement als Kanzley-Director; sohin mit<br />

einem in allem Betracht ser ansehnlichen Character einerseits angestellet;<br />

Und andererseits mit einer für dortige Laage nicht weniger ergiebigen<br />

Besoldung von iährlichen zwey tausend, zwey hundert Gulden begnadiget,<br />

Nebenbey aber vorzusehen ware, dass mein, und meiner Famille<br />

Anherozug – die Auslösung der Secreten(?) – und endlicher die auf nur<br />

nöthigste Anschickung, und Einrichtung auf einige tausend Gulden<br />

mir zu stehen kommen: dass der hirige Aufenthalt, wann ich auch nur<br />

bürgerlich zu leben, und in einer Vorstatt zu wohnen mich bequemen<br />

werde, nach denen unentberlichsten Bedürfnissen gedopelt kostbarer, als<br />

der dortige: hingegen mein zu erwartender Besoldungs Genuß in dessen<br />

Gegenhalt unendlich kleiner, und kaum zu dem täglichen Unterhalt; viel<br />

weniger zu Erziehung meiner unmündigen Kindere hinreichend seyn<br />

werde.“ 128<br />

Dass Johann Baptist auch auf die Gefahr hin, nicht angenommen zu werden,<br />

eine im Verhältnis zu den Lebenserhaltungskosten schlechter bezahlte Stellung<br />

am kaiserlichen Hof einer besser bezahlten und offensichtlich höher honorierten<br />

Tätigkeit am bayerischen Hof vorzog, weil er sich davon bessere Chancen<br />

im Bewerbungsverfahren des Reichshofrats versprach, zeigt, von welcher Wichtigkeit<br />

die direkte persönliche Einflussnahme vor Ort im Rekrutierungsprozess<br />

dieser Stellen gewesen sein muss. Wenn er die Folgen dessen gleichwohl<br />

überzogen darstellt, 129 ist seinem vorwurfsvollen Ton doch zu entnehmen, dass<br />

er es geradezu als Wortbruch wertet, dass trotz seiner „Opfer“ ein – ihm offensichtlich<br />

nur vorgeschoben erscheinender – Grund dazu genutzt werde, ihn<br />

nicht zum Reichshofrat zuzulassen. Damit unterstellt er dem Gremium bzw.<br />

dem Kaiser beinahe eine Fürsorge-Bringschuld. Interessant ist zudem, dass er<br />

nicht nur die, in der Tat, auch beim Reichshofrat bis dato übliche Praxis, Väter<br />

128 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, Johann Baptist, fol. 3v,4v.<br />

129 Wie Obersteiner zeigt, bezog der Reichshoffiskal ein Jahresgehalt von etwa 2000 Gulden, wozu<br />

noch Strafgelder hinzukamen. Das Lemento Steebs dürfte also deutlich übertrieben sein. Siehe<br />

Obersteiner, Gernot P.: Das Reichshoffiskalat 1596 bis 1806. In: Baumann, Anette et al. (Hrsg.):<br />

Reichspersonal, S. 122, 123. Zu Steebs Karriereweg an den Reichshofrat findet sich dort auch<br />

eine kurze Zusammenfassung S. 103, 104.<br />

91


und Söhne gleichzeitig zu beschäftigen, anführt, sondern den Vergleich zu den<br />

„Reichs:ständischen Collegiis“ und zum „Reichs:kammer-Gericht“ heranzieht,<br />

die für ihn offensichtlich den Vergleichsmaßstab mit und die Handlungsmaßgabe<br />

für den Reichshofrat bildeten. Gleichermaßen wendet sich auch sein Vater<br />

Johann Jakob mit einem Beschwerde- bzw. Bittbrief an den Reichshofrat:<br />

„Auf eines theils hirwegen kein gesäze vorlige; 2ten theils das bereits bey<br />

kaiserlichen Reichs-Hofrathe selbst beyspiehle vorhanden, dass Vatter,<br />

und Sohn – verschwägerte, auch Schwiger Vatter, und Schwiger Sohn<br />

zu gleicher Zeit Reichs-Hofräthe waren, dass 3tens bey der kaiserlichen<br />

Reichs kammer noch wirklich von Kurfürsten, und Ständen praesentirte<br />

assessores sich vorfinden, und unbedenklich, unerachtet ihrer Väter, noch<br />

erben, als tauglich recipiret worden, dass 4tens kaum ein Kurfürstliches,<br />

oder mehr beträchtlich alt fürstliches Hause im Reich zu finden seyn<br />

werde, bey welchem nicht in dieser maas versizzt bey justiz Collegien<br />

anzutreffen, und entlich 5tens das vor einen grau gewordenen Vatter<br />

zu gewiß Trostloos, vor einen Sohn aber fast grausam die aussicht seyn<br />

müsste, wenn diesem jenes, seines Vatters nemmliche, Todt, sein beförderung<br />

sollte hoffen können […]“ 130<br />

Johann Jakob bringt nun, ohne dies jedoch weiter auszuführen, die juristische<br />

Komponente ins Spiel, dass es bislang nicht nur nicht der Brauch gewesen sei, sondern<br />

dass diesbezüglich auch „keine Gesäze“ vorlägen. Beide führen aber vor allem<br />

das emotionalisierende Argument der Unzumutbarkeit an, den Sohn nur beim<br />

Tode des Vaters zu befördern. Abgesehen davon, dass dadurch der Tod als quasi<br />

natürlicher Ausscheidungsgrund aus dem Reichshofrat angegeben wird, unterstellen<br />

beide, dass die Nachfolge des Sohnes auf die Stelle des Vaters eine automatische<br />

Folge wäre, was gleichwohl nicht der Fall sein musste, konnten doch ohne weiteres<br />

andere Bewerber aus anderen Gründen vorgezogen werden. Wenngleich man in<br />

Wien nicht von dem Standpunkt bezüglich der gleichzeitigen Aufnahme von Vater<br />

und Sohn abrückte, so spielte die Verwandtschaftsbeziehung in der letztendlichen<br />

Aufnahme Johann Baptists nach dem Tode seines Vater in das Kollegium doch<br />

eine gewichtige Rolle. Während sich nämlich weitere fünf Bewerber außer ihm auf<br />

die freigewordene Stelle bewarben, 131 plädierte der Reichshofratspräsident Johann<br />

Hugo Freiherr von Hagen in seinem Gutachten vom 19. Januar 1783 an Joseph II.:<br />

130 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, Johann Baptist, fol. 1r, v.<br />

131 „1mo Johann Baptist von Steeb, des abgelebten Reichshofraths Sohn 2do Joseph Bernard von<br />

Baniza, n.ö. Regirungs-Rath und Professor juris Civilis et Criminalis zu Inspruck 3tio Johann<br />

Peter Söhngen, Reichshofraths-Secretaire 4to Andreas Steigentesch fürstlich Hildesheimischer<br />

geheimer Regierungs Rath und Praesentatus ad Cameram des Nieder-Rheinischen Westphälischen<br />

Kreises 5to Alois Joseph Mauerer von Kronegg, Kaiserlicher Praesentatus am Reichs-<br />

92


„Nachdeme nun angeführter massen der Reichs Fiscal von Steeb, der<br />

RHRats Secretaire Söhngen und der von Steigentesch die erforderlichen<br />

Eigenschaften besitzen, so vermuthe, dass die Auswahl aus denenselben<br />

gemacht werden dörfte: Um nun meine allerunterthänigste Meinung Euer<br />

kaiserlichen Majestät anbefohlenermassen allerunterthänigst vorzulegen,<br />

so glaube, dass der von Steeb in Rücksicht auf die von seinem Vater<br />

langwierig geleisteten Dienste einigen Vorzug aus allerhöchsten kaiserlichen<br />

Gnaden verdienen dörffte, besonders als durch eine solche allergnädigste<br />

Rücksicht auf die väterliche Verdienste der Muth und Diensteyfer<br />

bey denen gesamten Reichshof Räthen ungemein würde angeflammet<br />

werden.“ 132<br />

Es wurde daher nicht nur das Verdienst des Vaters zugunsten des Sohnes ausgelegt,<br />

sondern auch die positive Wirkung eines solchen „Belohnungssystems“<br />

auf die anderen Reichshofräte als nutzbare Leistungs- und Motivationsressource<br />

hervorgehoben. Gleichwohl blieben auch die persönlichen Kontakte<br />

und die Nähe zum Hof, auf die Johann Baptist zunächst gesetzt hatte, nicht<br />

ohne Relevanz, denn von Hagen beginnt seine Empfehlung bereits damit: „Da<br />

aber die erstern zwey Steeb und Söhngen allhier genügsam bekannt sind, und<br />

deren Fähigkeit außer allem Zweifel stehet […]“ 133 Joseph II., der offensichtlich<br />

mit den Gutachten von Colloredo und Hagen übereinstimmte, gab nunmehr<br />

direkt seine Zustimmung, 134 so dass mit Dekret vom 19. Januar 1783 Johann<br />

Baptist von Steeb bereits zum wirklichen Reichshofrat auf der Gelehrtenbank<br />

ernannt wurde. In dieser Stellung wurde er in weiterer Folge sowohl von Kaiser<br />

Leopold II., als auch von Kaiser Franz II. bestätigt. 135<br />

kammergerichte 6to Johann Baptist Freyherr von Benzal Kuhr Maynzischer Regirungs- und<br />

Hofgerichts-Rath“ HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, Johann Baptist, fol. 18r.<br />

132 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, Johann Baptist, fol. 20r.<br />

Auch Reichsvizekanzler Rudolph Joseph Fürst von Colloredo spricht sich in seinem Referat vor<br />

Kaiser Joseph II. vom 14. Januar 1783 betont positiv für Johann Baptist aus: „Da ansonsten zur<br />

Begleitung einer Reichshofrathsstelle auf der Gelehrten Bank besonders darauf gesehen zu werden<br />

pfleget, das ein solcher vorher mehrere Jahren in einem vornehmen Reichsständischen dicasterio<br />

gestanden, und darinnen sowohl in Justitz- als andern Reichsgeschäften Wissenschaft,<br />

Erfahrung und Vertrauen, sammt Ansehen in Publico erworben, so ist all solches den 2 Steeb<br />

bereits in beeden vorigen Fällen vorzüglich zustatten gekommen; welches auch derselbe in dem<br />

Fiscalatamt in Reichsjustitzsachen fortgesetzet, geübet und erhalten hat, und daher ihm zu erkennen<br />

zu geben angeführet worden, dass er außer sothanen Anstand, und wann sein Vater<br />

nicht mehr vorhanden, in Reichshofrath vorzüglich aufzunehmen seye.“ HHStA, RHR, VA, K<br />

31, Steeb, Johann Baptist, fol. 10r, v.<br />

133 HHStA, RHR, VA, K 31, Steeb, Johann Baptist, fol. 18v.<br />

134 Sein Placet „Ich benenne dem (sic!) Steeb […]“ findet sich handschriftlich in HHStA, RHR, VA,<br />

K 31, Steeb, Johann Baptist, fol. 38r.<br />

135 Familienarchivalien Steeb, Ernennungsurkunden vom 19. Januar 1783, 18. Dezember 1790,<br />

12. September 1792, o.F.<br />

93


Privat jedoch ging alsbald die Ehe der Steebs in die Brüche, was sich in einer<br />

Neuaufsetzung des Ehevertrags und darin offensichtlich werdenden Trennung<br />

vom 4. Dezember 1798 zeigt. 136 Als Trennungsgrund wurde die Verschuldung<br />

Maria Amalias von Steeb angegeben, die ihr Vermögen von 10.000 auf 6.000<br />

Gulden Wiener Währung reduziert habe. Dabei wurde, im Sinne eines Gütertrennungsrechtes,<br />

klar zwischen dem Vermögen der Ehegatten unterschieden:<br />

„[…] und zumalen mein, der Gemalinn, nach dem dortigen [bei der Verlobung<br />

am 7. Mai 1768] 2ten § mit zehn tausend Gulden eingebrachtes paraphernal<br />

Vermögen, durch mehrmalige von mir gemachte, und von meinem Gemal<br />

hernach getilgte Schulden, bis auf Sechstausend Gulden bereits gemindert und<br />

herabgekommen ist […]“ 137 . Dies dürfte wohl zugleich als Schuldbekenntnis<br />

gegolten haben, da die getroffenen finanziellen Regelungen, die im Folgenden<br />

ausgeführt werden, durchweg zu ihren Ungunsten ausfielen. So musste sie<br />

ihr gesamtes Vermögen „eigenthümlich an […] beyde jetzt lebende Kinder“ 138<br />

abtreten, die Administration jedoch übernahm bis zu deren Volljährigkeit<br />

Johann Baptist, der damit sofort über ihr Vermögen verfügen konnte. Bis zu<br />

seinem Tode sollte sie jährlich ein „Spielgeld“ ungenannter Summe und freie<br />

Unterkunft erhalten, als Witwe jährlich 500 Gulden in vierteljährlichen Zahlungen,<br />

in die jedoch bereits der „Kindestheil“ eingerechnet sein sollte. Damit<br />

ging auch die Verfügungsgewalt über ihr „Witwen-Gehalt“ auf Johann Baptist<br />

über. 139<br />

136 Der von Johann Baptist und Maria Amalia unterzeichnete Vertrag beschreibt „die Auflösung<br />

der Ehepacten“ und die finanzielle Neuregelung des Ehegütervertrages. Dort heißt es ferner:<br />

„Als caßiren und vernichten Wir andurch gedachte unsre Ehepacten gänzlich, und sollen solche<br />

für nicht existierend angesehen und geachtet […] werden“. Familienarchivalien Steeb, Ehevertrag<br />

zwischen Johann Baptist und Maria Amalia von Steeb vom 4. Dezember 1798, o.F.<br />

Um eine Scheidung handelt es sich im vorliegenden Fall sicherlich nicht. Da frühestens ab<br />

dem Code Civil 1804 eine Ehe nach weltlichem Eherecht geschieden werden konnte, kann im<br />

Falle Johann Baptists und Maria Amalia ohnedies nicht von einer tatsächlichen Scheidung<br />

im heutigen Sinne ausgegangen werden. Vielmehr kannte die „Ehescheidung“, insbesondere<br />

nach dem Ehepatent Josephs II. 1783, keine Trennung des Ehebandes. Da nach katholischem<br />

Kirchenrecht die Ehe ein Sakrament und daher unauflöslich ist, bestand lediglich bei gewichtigen<br />

Trennungsgründen die Möglichkeit der „Trennung von Tisch und Bett“ (separatio a<br />

thoro et mensa). Insofern ist die „Auflösung der Ehecontracte“ der katholischen Steebs höchstens<br />

als eine solche Trennung anzusehen, die aber nicht gleichbedeutend mit einer Lösung<br />

des Ehebandes ist. Siehe dazu: Scholz-Löhnig: Art. Eheauflösung. In: Jäger, Friedrich (Hrsg.):<br />

EdN, Bd. 3, Stuttgart 2006, Sp. 52–57. Für Ausnahmefälle von Scheidungen im protestantischen<br />

Bereich siehe Buchholz, Stephan: Ehescheidungsrecht im späten 17. Jahrhundert: Marie<br />

Elisabeth Stoffelin und der Husar. In: Gerhard, Ute (Hrsg.): Frauen in der Geschichte des<br />

Rechts, München 1997, S. 105–114.<br />

137 Familienarchivalien Steeb, Ehevertrag zwischen Johann Baptist und Maria Amalia von Steeb<br />

vom 4. Dezember 1798, o.F.<br />

138 Welches der beiden Mädchen zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war, konnte nicht geklärt<br />

werden.<br />

139 Familienarchivalien Steeb, Ehevertrag zwischen Johann Baptist und Maria Amalia von Steeb<br />

vom 4. Dezember 1798, o.F.<br />

94


Doch noch im selben Jahr erkrankte Johann Baptist schwer und starb am<br />

21. September 1800 im Bechmanischen Haus Nr. 779 am Haarmarkt an einem<br />

„Nervenschlag“, also vermutlich einem Schlaganfall, im Alter von 58 Jahren. 140<br />

Sein Nachlass war mit einer Summe von 88.494 Gulden im Vergleich zu seinem<br />

Vater als sehr bedeutend zu bezeichnen: „Baar in Gold, Silber und Papier<br />

11.984 fl 28, Obligationen 75.320 fl, Prätiosen 3757 fl, Kleider und Wäsche 810<br />

fl, Möbel, Wägen, Pferde 1095 fl, Wein 2071 fl.“ Hiervon bekamen die Kinder<br />

bis zur Volljährigkeit jährlich 900 fl, die Witwe Maria Amalia, die ihren Gatten<br />

um 5 Jahre überleben sollte, letztlich doch 1200 fl. 141<br />

2.c Zwei Generationen Reichshofräte<br />

Vergleicht man nun die beiden Biographien der Reichshofräte von Steeb auf die<br />

zuvor herausgearbeiteten Kategorien sozialer Mobilität bzw. Zugangsmobilität<br />

zum Reichshofrat, so ergibt sich folgendes Bild:<br />

1) Soziale Herkunft<br />

Johann Jakob von Steeb hatte denkbar ungünstige Startbedingungen für eine<br />

Karriere, die ihn zum Richter an einem der höchsten Reichsgerichte werden<br />

lassen sollte. Er stammte aus einer kinderreichen Wirtsfamilie, die zwar recht<br />

vermögend, jedoch ohne höhere Bildung war und in der kleinen, wenn auch<br />

nicht unbedeutenden und aufgrund der verkehrstechnischen Lage sicherlich<br />

überregional orientierten Marktgemeinde Zusmarshausen lebte. Ihm war es<br />

als Erstem und Einzigem seiner Familie möglich, ein Studium zu absolvieren,<br />

das ihn nicht nur an die nächstgelegene Universität Dillingen, sondern auch<br />

an die renommierten Universitäten Ingolstadt und Innsbruck führte. Dies<br />

entspricht dem Befund von Hesse für lokale Amtsträger ab dem Spätmittelalter,<br />

die gerade nicht aus den alten städtischen Führungsschichten entstammten<br />

und für die der „Faktor Studium […] zunehmend als zusätzliche ‚Empfehlung‘<br />

erkannt [wurde], die verschiedene Möglichkeiten der weiteren kirchlichen oder<br />

weltlichen Karriere offen ließe“. 142 Denn „ein Studium trug vielleicht dazu bei,<br />

die außerhalb des wirtschaftlichen Bereiches oft erst kürzlich erworbene Stel-<br />

140 Familienarchivalien Steeb, Kopie Auszug Sterberegister der Stadt Wien 1800, o.F.<br />

141 Familienarchivalien Steeb, handschriftliche Auflistung des Nachlasses Johann Baptist von<br />

Steeb, o.F.<br />

142 Hesse, Christian: Qualifikation durch Studium? Die Bedeutung des Universitätsbesuchs in<br />

der lokalen Verwaltung spätmittelalterlicher Territorien im Alten Reich. In: Schulz, Günther<br />

(Hrsg.): Sozialer Aufstieg, S. 267.<br />

95


lung der Familie zu konsolidieren oder auszubauen. Häufig hatten die Väter,<br />

die erstmals ein landesherrliches oder auch städtisches Amt eingenommen<br />

hatten, nicht studiert, sorgten jedoch oft dafür, dass ihre Söhne eine Universität<br />

besuchen konnten.“ 143 Tatsächlich hatten sowohl Steebs Großvater als auch<br />

sein Vater wenngleich keine städtischen, so doch leitende Ämter im örtlichen<br />

Rat inne, gehörten also innerhalb der Gemeinde zu den sowohl politischen<br />

führenden als auch finanzstärksten Persönlichkeiten. Dies kann sicherlich als<br />

klassische Aufstiegschance für Johann Jakob gewertet werden, wobei es nicht<br />

verwundern darf, dass er als einziger der Geschwister diese Chance bekam, war<br />

doch ein solches Studium mit erheblichen Kosten verbunden und konnte daher<br />

oft nur einem Kind ermöglicht werden. 144 Doch trotz Studium beschreibt Jahns<br />

für bürgerliche RKG-Assessoren aus universitätsfernen Milieus, „waren [sie]<br />

auf Grund ihrer sozialen Herkunft am weitesten von einer späteren Karriere<br />

als RKG-Assessor entfernt, mussten also innerhalb nur einer Generation das<br />

größte Maß an Zugangsmobilität erbringen, die das Sozialprofil ihrer Familie<br />

wirklich entscheidend veränderte.“ 145 Dies traf sicherlich in mindestens gleichem<br />

Maße auch für Reichshofratsanwärter zu. So ist es beispielsweise bezeichnend,<br />

dass Johann Jakob keine peregrinatio academica vollziehen konnte, also<br />

keine Praktikantenjahre in Wien, Wetzlar oder Regensburg verbrachte, sondern<br />

nach seinem Studium direkt in die Dienste des Fürstbischofs von Augsburg,<br />

seines Landesherrn, trat. Eine solche finanziell aufwendige Praxisphase<br />

konnte sich die Wirtsfamilie Steeb bzw. Eberlein für den (Stief)Sohn sicherlich<br />

nicht leisten, vielmehr war der Eintritt in den landesherrlichen Dienst bereits<br />

ein erstaunlicher Aufstieg, der daher vermutlich auch zunächst das Ziel dieser<br />

Karriere bilden sollte.<br />

Das Einzelkind Johann Baptist hingegen wurde geboren, als der Vater bereits<br />

in den Diensten des Augburger Fürstbischofs reüssiert und durch seine Verbindung<br />

mit Maria Barbara in die lokale landadelige Oberschicht eingeheiratet<br />

hatte. Damit hatte er freilich gänzlich andere Startbedingungen. Durch<br />

die universitäre Ausbildung seines Vaters war es gleichsam folgerichtig, dass<br />

auch er Rechtswissenschaften studieren würde, um den neuen sozialen Status<br />

der Familie zu erhalten. 146 Er tat dies am Wohnort der Familie, in Wien, und<br />

143 Hesse, Christian: Qualifikation durch Studium?, S. 259. Zur Bedeutung des universitären Studiums<br />

für soziale Mobilität siehe auch Reinhard, Wolfgang: Power Elites, S. 170–172.<br />

144 Jahns, Sigrid: Der Aufstieg in die juristische Funktionselite, S. 362.<br />

145 Jahns, Sigrid: Der Aufstieg in die juristische Funktionselite, S. 358.<br />

146 Brakensiek, Stefan: Juristen in frühneuzeitlichen Territorialstaaten, S. 282–285. Jahns, Sigrid:<br />

Der Aufstieg in die juristische Funktionselite, S. 357. Hansert, Andreas: Adel der Geburt und<br />

Adel des Geistes. Zu einem paradigmatischen Rang- und Standeskonflikt zwischen Patriziern<br />

und Gelehrten in Frankfurt im 17. und 18. Jahrhundert. In: Schulz, Günther (Hrsg.): Sozialer<br />

Aufstieg, S. 146f.<br />

96


wechselte, soweit aus den Quellen bekannt, dabei nicht auf andere Universitäten.<br />

Auch er trat unmittelbar nach seinem Studium im Alter von 24 Jahren in<br />

landesherrliche Dienste, jedoch nicht, wie zu vermuten gewesen wäre, im Fürstbistum<br />

Augsburg, wo sein Vater eine erhöhte Platzierungsmacht gehabt hätte,<br />

sondern sogar im wesentlich höherrangigen Kurfürstentum Bayern. Allerdings<br />

war es ihm, im Gegensatz zu seinem Vater, möglich, eine Praktikantenzeit<br />

zumindest in Wien zu absolvieren, deren Bedeutung man in München, wie<br />

im Anstellungsdekret 1766 formuliert, klar (an)erkannte und in späteren Entsendungen<br />

Steebs nach Wien nutzte. Es verweist auch in Hinblick auf Johann<br />

Baptists Ambitionen darauf, dass seine Dienste in der kurfürstlichen Kanzlei<br />

wohl nicht das Ziel, sondern eine Durchgangsstation seiner Karriere bilden<br />

sollten. Ob sein Aufenthalt am Reichshofrat dabei von seinem Dienstherrn<br />

oder von seiner Familie finanziert wurde, bleibt ungeklärt.<br />

2) Kapital<br />

„Eines der allerwichtigsten Mobilitätsvehikel war Geld. Geht man nur genügend<br />

weit in die Familiengeschichte eines RKG-Assessors zurück, dann stößt<br />

man […] darauf, daß der Prozeß der Akademisierung zumeist durch ein in<br />

nichtakademischen Tätigkeiten angesammeltes Kapital in Gang gesetzt worden<br />

war.“ 147 Dasselbe Phänomen ist für die Reichshofräte von Steeb nachzuvollziehen.<br />

Johann Jakobs Vorfahren hatten erst die finanzielle Grundlage geschaffen,<br />

die ihm den Einstieg in die akademische Welt ermöglichte und damit ebenfalls<br />

der ihm nachfolgenden Generation(en). Dennoch musste es ihm gelingen, den<br />

einmal erreichten Status, der mit höherem finanziellen Aufwand verbunden<br />

war, zu halten und sowohl er als auch sein Sohn sicherten sich dies durch den<br />

klassischen Schritt der „guten Partie“, wie unter Punkt 3) weiter ausgeführt<br />

werden soll. Während Johann Jakob außer Immobilienbesitz jedoch kein Kapital<br />

vererben konnte, zeigt der Nachlass Johann Baptists von 88.469 Gulden,<br />

dass hier – wiederum innerhalb einer Generation – ein enormes finanzielles<br />

Polster aufgebaut werden konnte, der soziale Aufstieg, den Johann Jakob<br />

geschafft hatte, wurde nun also durch den finanziellen Aufstieg seines Sohnes<br />

abgesichert. Hauptsächlich scheint dies durch Schuldverschreibungen möglich<br />

gewesen zu sein, weist sein Nachlass doch Obligationen im Wert von über<br />

75.000 Gulden auf.<br />

Insbesondere Statusrepräsentation in Form von Immobilien, Mobiliar,<br />

Statussymbolen, aber auch Nobilitierung bedeutete dabei einen erhöhten<br />

147 Jahns, Sigrid: Der Aufstieg in die juristische Funktionselite, S. 362.<br />

97


Kapitalbedarf, denn fast durchweg versuchten bürgerlichen Aufsteiger den<br />

adeligen Lebensstil und Habitus zu imitieren und zu adaptieren. Dies lässt sich<br />

auch am Wohngebaren der Steebs deutlich ablesen. So kaufte Johann Jakob<br />

nicht nur das Haus des Adeligen von Schönthall, er übernahm auch zumindest<br />

Teile von dessen Mobiliar. Ihm war es jedoch „nur“ möglich, Immobilienbesitz<br />

außerhalb der Stadt Wien, in Maria Enzersdorf, zu erwerben, während<br />

sein Sohn bereits im Inneren der Stadt logierte als deutlicher Tribut an eine<br />

höfische Gesellschaft, bei der sich die Nähe zum Herrscher und damit gesellschaftlicher<br />

Rang auch durch räumliche Nähe ausdrückte. Dies wird ebenfalls<br />

in den in Johann Baptists Nachlassinventar aufgeführten Posten deutlich: so<br />

werden dort Kleider und Wäsche, Möbel, Wägen, Pferde und Wein im Wert<br />

von jeweils 1000–2000 Gulden aufgeführt, je Posten also mehr als sein Vater im<br />

Vergleich für seine Häuser bezahlt hatte. All dies waren freilich Luxusposten,<br />

die für eine repräsentative Lebensführung in der Wiener höheren Gesellschaft<br />

notwendig waren.<br />

Das zum Mobiliar gehörige Porträt der Steebs muss ebenfalls in diesem<br />

Zusammenhang gesehen werden. So entwickelte sich die Gattung des Porträts<br />

zuerst im Adel, dann auch im gehobenen Bürgertum zum repräsentativen<br />

Wertgegenstand. Im Falle des Steeb-Porträts kann man für das 18. Jahrhundert<br />

schon beinahe von einer prototypischen Ausführung eines Repräsentationsbildnisses<br />

sprechen: ohne einen konkreten Raum steht die Figur im Mittelpunkt<br />

(alleine oder mit Familie), deren Stand durch kennzeichnende Eigenschaften,<br />

Attribute oder Insignien (hier Hofkleid, Degen, griechische Statue<br />

vermutlich als Symbol für Bildung) abgebildet wird und kaum individuelle<br />

Züge trägt. 148 Durch ein solches Statussymbol konnte Steeb seinen Aufstieg<br />

gleichsam visuell festschreiben und tradieren.<br />

Auch die Nobilitierung Johann Jakobs kann als Ausdruck von Aufstieg und<br />

Statusrepräsentation gewertet werden, weil für bürgerliche Juristen geradezu<br />

typisch. So beschreibt Jahns:<br />

„Die alten sozialen Funktionen des juristischen Grades wurden vom<br />

Adelstitel übernommen. Er diente zur Demonstration des bereits Erreichten,<br />

war aber zugleich auch Zukunftsinvestition, weil sich mit der Nobilitierung<br />

die Erwartung weiteren beruflichen und sozialen Aufstiegs verband.<br />

Dabei hoffte der Neunobilitierte auch, auf diesem Wege sich der<br />

Welt des alten Geburtsadels anzunähern, von ihm akzeptiert und […]<br />

möglichst auch integriert zu werden.“ 149<br />

148 N.N.: Art. Bildnis. In: Lexikon der Kunst, Bd. I A-Cim, Leipzig 1987, S. 558–560.<br />

149 Jahns, Sigrid: Der Aufstieg in die juristische Funktionselite, S. 375.<br />

98


War Johann Jakob auch kein weiterer beruflicher Aufstieg möglich, so konnte<br />

er dieses Potential doch zumindest an seinen Sohn weitergeben, dem es möglicherweise<br />

den Einstieg in den Reichshofrat und die Wiener höfische Gesellschaft<br />

erleichterte.<br />

3) Heiraten<br />

Johann Jakob heiratete durch seine Verbindung mit Maria Barbara Freiin von<br />

Brutscher in eine landadelige Familie ein, wodurch er nicht nur finanziell, sondern<br />

auch sozial aufstieg. Dies scheint auf den ersten Blick ein völlig einleuchtender<br />

Befund. Interessanterweise war aber sein Schwiegervater Franz Xaver<br />

Freiherr von Brutscher ebenfalls ein Aufsteiger, der es aus großbäuerlichen<br />

Verhältnissen zu einem Studium, einer gut bezahlten Anstellung am Augsburger<br />

Domkapitel, in den 1750er Jahren schließlich sogar zu einer Nobilitierung<br />

und erheblichem Grundbesitz gebracht hatte. Dies zeigt zunächst einmal, dass<br />

Johann Jakob aufgrund seiner Herkunft, trotz Studium und für sein junges<br />

Alter bereits ansehnlicher Karriere am Münchner Reichsvikariatsgericht sowie<br />

darauf folgend als Hofrat im fürstbischöflichen Dienst, der alteingesessene<br />

Landadel für Heiratsverbindungen offensichtlich nach wie vor verschlossen<br />

blieb. Als er 1741 oder 1742 aus München nach Augsburg wechselte, hatte sein<br />

Schwiegervater kurz zuvor das Erbportneramt am Domkapitel Augsburg erhalten<br />

– sein Aufstieg in den Landadel sollte erst rund 10 Jahre später erfolgen.<br />

Da aber ganz unmittelbar bei Johann Jakobs Tätigkeitsbeginn die Hochzeit<br />

zwischen Johann Jakob und Maria Barbara erfolgte, war dies also eine Verschwägerung<br />

unter Kollegen im landesherrlichen Dienst, wobei die Familie<br />

Brutscher vermutlich finanziell besser gestellt war, da zu diesem Zeitpunkt<br />

schon über 20 Jahre in fürstbischöflichen Diensten. Es war also auf den zweiten<br />

Blick zunächst keine Hochzeit nach oben, sondern eine Integration in die<br />

landesherrliche Beamtenschaft sowie natürlich eine finanzielle Absicherung.<br />

Diese Verbindung reproduzierte also eher die Mobilität von Bräutigam und<br />

Schwiegervater, als dass sie eine weiterführende produziert hätte. 150<br />

Auch die Eheschließung Johann Baptists mit Maria Amalia von Leelmacher<br />

zeigt zunächst einmal das Ziel der Integration und Verschwägerung im Kollegenkreis,<br />

wiederum recht zu Beginn seiner Tätigkeit als Hofrat am kurfürstlichen<br />

Hof in München, aber bereits nach seiner Praktikantenzeit in Wien. Steeb<br />

senior war zu diesem Zeitpunkt bereits seit 7 Jahren als Reichshofrat in Wien<br />

tätig, es wäre also durchaus nahe liegend gewesen, dort eine entsprechende<br />

150 Jahns, Sigrid: Der Aufstieg in die juristische Funktionselite, S. 364, 365.<br />

99


eheliche Verbindung zu suchen, z.B. mit einer anderen Reichshofratsfamilie,<br />

um die Karriere Johann Baptists für einen Einstieg in den Reichshofrat vorzubereiten.<br />

Dies war aber nicht der Fall, vielmehr sicherte man seine Stellung<br />

in München durch seine Heirat ab, die ihn nun aber im Vergleich zu seinem<br />

Vater tatsächlich sowohl finanziell, wie an der sehr hohen Mitgift abzulesen<br />

war, als auch sozial aufsteigen ließ durch die Verbindung mit einer reichsritterschaftlichen<br />

Familie.<br />

4) Beziehungen<br />

Patronage war für beide Steebs das entscheidende Vehikel zur Rekrutierung in<br />

den Reichshofrat. Bei Johann Jakob von Steeb entstammte diese seinem beruflichen<br />

Umfeld und fand Ausdruck in Empfehlungsschreiben des Augsburger<br />

Generalvikars Freiherrn von Hornstein-Göffingen sowie seines Dienstherrn,<br />

des Fürstbischofs von Augsburg. 151 Die Bedeutung solcher Empfehlungen und<br />

ihre positive Rückwirkung auf den Patron formulierte der Reichsvizekanzler,<br />

wie gesehen, in seinem Schreiben an den Fürstbischof mehr als deutlich und<br />

auch das Münchner Kollegium Johann Baptists hob den Nutzen eines solchen<br />

Aufstiegs für den ehemaligen Dienstherrn besonders hervor. Für Johann Baptist<br />

hingegen wurde in erster Linie Patronage durch Familie, nämlich seinen Vater,<br />

wirksam, wenngleich sie ihm zunächst zum Verhängnis zu werden schien,<br />

verhinderte sie doch eine frühzeitigere Aufnahme ins Reichshofratskollegium.<br />

Vater wie Sohn rekurrierten in dieser Situation auf Rekrutierungsregeln am<br />

RKG und „Reichs:ständischen Collegiis“, denen man also ganz selbstverständlich<br />

analoge Rekrutierungsprinzipien wie am Reichshofrat zuschrieb. Nach<br />

dem Tode seines Vaters wurde Johann Jakobs Tätigkeit und Engagement im<br />

Reichshofrat, wie im Begründungsschreiben des Reichshofratspräsidenten<br />

von Hagen explizit ausgeführt, für Johann Baptist der entscheidende Rekrutierungsgrund<br />

und zwar nicht nur als Anerkennung der geleisteten Dienste,<br />

sondern auch als Vorbildwirkung für das gesamte Kollegium. 152 Er selbst war<br />

sich dieses Potentials sehr wohl bewusst, wie er in seinen Ansuchen an den<br />

Reichshofrat nicht müde wurde zu erwähnen.<br />

Für beide einschlägig wurde außerdem ein höfisches Arbeitsumfeld in<br />

reichsständischen Diensten vor der Aufnahme in den Reichshofrat, das nicht<br />

nur juristische, sondern auch administrative und politische Aufgaben und<br />

151 Dieses Phänomen findet sich analog auch beim RKG, siehe Jahns, Sigrid: Der Aufstieg in die<br />

juristische Funktionselite, S. 369, 370. Siehe auch Press, Volker: Patronat und Klientel, S. 22.<br />

152 Auch dies ein typisches Muster, das ebenfalls am RKG zum Tragen kam. Jahns, Sigrid: Der<br />

Aufstieg in die juristische Funktionselite, S. 368, 369.<br />

100


Funktionen umfasste. Johann Jakob war jedoch wesentlich länger und ohne<br />

Unterbrechungen am Augsburger Domkapitel bzw. fürstbischöflichen Hof tätig<br />

als Johann Baptist in München. Gleichwohl war der kurfürstlich-bayerische<br />

Hof wesentlich prestigereicher, was am deutlich selbstbewussteren Auftreten<br />

Johann Baptists gegenüber dem Reichshofrat in den Bewerbungsschreiben<br />

abzulesen war. War für Johann Jakob noch der Ausweis seiner Qualifikation,<br />

persönlichen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften nötig, wurde bei Johann<br />

Baptist sein Tätigkeitsprofil am bayerischen Hofe oder gar seine juristischen<br />

Kenntnisse weit weniger beachtet, als vielmehr sein dortiger Status sowie seine<br />

Bereitschaft, diesen für eine Stelle als Reichsfiskal verbunden mit der Aussicht<br />

auf einen Platz im Reichshofrat aufzugeben.<br />

Inwiefern auch auf anderen Ebenen Patronage vorhanden war, kann<br />

nur vermutet werden, zu denken wäre aber an folgende Konstellationen:<br />

So könnten die Trauzeugen der zweiten Ehe von Johann Jakobs Mutter,<br />

der fürstbischöflich-augsburgische Pfleger in Zusmarshausen Franz Carl<br />

Freiherr von Rost und der Gubernator der Universität von Dillingen J[uris]<br />

U[triusque] D[octor] Franz Joseph von Schallern sicherlich fördernd auf<br />

ein juristisches Studium und eine Anstellung Johann Jakobs im fürstbischöflichen<br />

Dienst eingewirkt haben. Ebenso könnten für die Anstellung<br />

Johann Baptists, ebenso wie für seine Heirat in München sowohl ehemalige<br />

Kontakte seines Vaters aus dessen Zeit am Reichsvikariatsgericht genutzt<br />

worden sein, als auch wiederum verwandtschaftliche Patronage durch seinen<br />

Onkel mütterlicherseits Franz Anton von Brutscher, der ebenfalls als Hofrat<br />

in München tätig war.<br />

Freundschaftliche Beziehungen, in unklarer Abgrenzung zur Patronage,<br />

könnte man hingegen bei Johann Jakobs Ordensbrüdern von den Gold- und<br />

Rosenkreuzern vermuten. So könnte sich seine eventuell enge Beziehung zum<br />

Fürsten von Dietrichstein und dessen wiederum gute Beziehung zum Kaiser<br />

sicherlich auch in Hinblick auf die Einstellung seines Sohnes letztlich positiv<br />

ausgewirkt haben. Aber dies kann, mangels Quellenbelegen, nur Vermutung<br />

bleiben.<br />

2.d Jüdisches Umfeld Augsburg – Wien<br />

Wenngleich sich die besondere Befähigung der Reichshofräte von Steeb für die<br />

Behandlung jüdischer Fälle quellenmäßig nicht direkt erschließen lässt, scheint<br />

ein Ausblick auf den anzunehmenden lebensweltlichen Erfahrungshintergrund<br />

insbesondere Johann Jakob von Steebs mit jüdischen Gemeinden und jüdischen<br />

Individuen im Augsburger fürstbischöflichen Umfeld, aber auch in Wien<br />

101


lohnend, wenngleich sich direkte Kontakte nicht belegen lassen. Für Johann<br />

Baptist von Steeb muss wohl angenommen werden, dass seine Spezialisierung<br />

auf jüdische Fälle von der Übernahme der Stelle seines Vater herrührte, nicht<br />

zuletzt, da er sicherlich auf eventuell vorhandene Freundschafts- oder Klientelverhältnisse<br />

seines Vaters zurückgreifen konnte und zudem durch Kindheit,<br />

Studium und Praktikantenzeit in Wien im väterlichen Reichshofrat-Umfeld<br />

sozialisiert wurde.<br />

Der ostschwäbische Raum im Südwesten des Reiches war von einer Vielzahl<br />

sich überlagernder und dynamischer Rechts- und Herrschaftsräume geprägt.<br />

Dies konnte für die dort ansässige jüdische Bevölkerung sowohl negative Folgen<br />

haben, wie es sich in den besonders häufigen Ausweisungen und Vertreibungen<br />

vor allem im 15. und 16. Jahrhundert widerspiegelte, 153 als auch<br />

Vorteile, insofern sich immer wieder angrenzende und nahe Räume eröffneten,<br />

die zahlreichen jüdischen Gemeinden vor allem in den ländlichen Gebieten<br />

Ansiedlungsmöglichkeiten boten. 154 Insbesondere die starke Position des Kaisers<br />

in dieser Region, der durch die zerstreuten vorderösterreichischen Gebiete<br />

als (benachbarter) Landesherr und Akteur unmittelbar präsent war, wirkte sich<br />

zunehmend konsolidierend auf das jüdische Leben auch der angrenzenden<br />

Gebiete aus. 155 Der Süden des Reiches, insbesondere in den Regionen Schwaben<br />

und Franken, war der am dichtesten jüdisch besiedelte Raum im Kerngebiet<br />

des Reiches.<br />

Wenngleich Juden die Ansiedlung im Fürstbistum Augsburg bereits seit<br />

der Mitte des 14. Jahrhunderts mit Unterbrechungen, dann jedoch endgültig<br />

ab 1574 untersagt war, 156 kamen durch die burgauische Pfandschaft in der<br />

153 Kießling, Rolf: Zwischen Vertreibung und Emanzipation – Judendörfer in Ostschwaben während<br />

der Frühen Neuzeit. In: Kießling, Rolf: Judengemeinden in Schwaben im Kontext des Alten<br />

Reiches, Berlin 1995, S. 154–180.<br />

154 Kießling, Rolf: Zwischen Schutzherrschaft und Reichsbürgerschaft: Die schwäbischen Juden<br />

und das Reich. In: Kießling, Rolf/Ullmann, Sabine (Hrsg.): Das Reich in der Region während<br />

des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Konstanz 2005, S. 99–122. Kießling, Rolf: „Under deß<br />

Römischen Adlers Flügel“. Die schwäbischen Judengemeinden und das Reich. In: Müller, Rainer<br />

(Hrsg.): Bilder des Reiches, Sigmaringen 1997, S. 221–255. Baer, Wolfram: Zwischen Vertreibung<br />

und Wiederansiedlung. Die Reichsstadt Augsburg und die Juden vom 15. bis zum 18. Jahrhundert.<br />

In: Kießling, Rolf: Judengemeinden in Schwaben, S. 110–127. Ullmann, Sabine: Nachbarschaft<br />

und Konkurrenz: Juden und Christen in Dörfern der Markgrafschaft Burgau 1650 bis<br />

1750, Göttingen 1999.<br />

155 So in der dem Fürstbistum Augsburg benachbarten habsburgischen Markgrafschaft Burgau,<br />

siehe Ullmann, Sabine: Nachbarschaft und Konkurrenz, 136–146.<br />

156 Wüst, Wolfgang: Die Judenpolitik der geistlichen Territorien Schwabens während der Frühen<br />

Neuzeit: In: Kießling, Rolf: Judengemeinden in Schwaben, S. 128–153, hier S. 130–133. Eine rigide<br />

Durchsetzung dieser Ausweisungsmandate darf jedoch, so Wüst, bezweifelt werden, S. 133.<br />

Wüst, Wolfgang: Die Judenpolitik geistlicher Staaten im Augsburger Umland. In: Jahresbericht<br />

des Heimatvereins für den Landkreis Augsburg 1989/90, S. 142–162. Wüst, Wolfgang: Juden im<br />

Augsburger Hoch- und Domstift. Eine Minderheit im Spannungsfeld zwischen ökonomischen<br />

102


ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zeitweise zahlreiche bedeutende jüdische<br />

Landgemeinden unter die fürstbischöfliche Herrschaft und Verwaltung, wie<br />

beispielsweise Kriegshaber oder Günzburg, und blieben auch danach durch<br />

fürstbischöfliche Besitzungen in der Markgrafschaft präsent. 157 Gleichwohl<br />

gilt für das Fürstbistum Augsburg kaum die von Battenberg für geistliche<br />

Territorien konstatierte Beobachtung der „comparatively favorable conditions<br />

of life for the Jews who lived under the bishop’s crosier“ aufgrund von „special<br />

relevance of the Judenregalien and the close ties to the center of imperial power;<br />

consequences of the electoral system […] and the effectiveness of the cathedral<br />

chapter’s and the territorial estates’ right to participate in the system“ sowie<br />

„relatively open[ing] to the lower knighthood“, wie sich dies in den Fürstbistümern<br />

Bamberg und Würzburg darstellte. 158<br />

Die judenfeindliche Territorialpolitik des Fürstbistums schlug sich beispielsweise<br />

in der kaum vorhandenen Nutzung des Dillinger Hofgerichts durch Juden<br />

nieder, da offensichtlich „eine wenig judenfreundliche Rechtssprechung seitens<br />

der bischöflichen Territorialgerichte“ 159 zu erwarten war. Man wandte<br />

sich vielmehr bevorzugt an das Rottweiler kaiserliche Hofgericht, 160 obwohl<br />

der Rechtszug über die bischöflichen Gerichte bis zum Reichskammergericht<br />

durchaus gangbar gewesen wäre. Selbst noch am Ende des 18. Jahrhunderts<br />

war es burgauischen Juden beispielsweise nicht möglich, liegende Güter als<br />

Zwischenhändler zu erwerben – so beispielsweise 1795 belegt in einem abgeschlagenen<br />

Gesuch des Zusmarshausener Wirts „zum Mondschein“, 161 Grund<br />

an einen Juden als Zwischenhändler weiterzugeben – obwohl dies andernorts<br />

längst übliche Praxis geworden war. Dass es sich bei dem Wirt dabei noch um<br />

einen Nachfahren der Familie Steeb handelte, ist nicht anzunehmen, gleichwohl<br />

zeigt es den alltäglichen Umgang jüdischer und nichtjüdischer Personen<br />

in handelsrelevanten Orten des Fürstbistums wie Zusmarshausen. Denn<br />

Fortschritt, grenzüberschreitendem Handel, konfessionskonformer Staatlichkeit und bischöflicher<br />

Mandatswillkür. In: Fassl, Peter (Hrsg.): Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben II.<br />

Neuere Forschungen und Zeitzeugenberichte, Stuttgart 2000, S. 189–208.<br />

Zu den Rahmenbedingungen jüdischen Lebens in geistlichen Territorien siehe Battenberg,<br />

Friedrich: Jews in Ecclesiastical Territories. In: Hsia, Ronny Po-Chia/Lehmann, Hartmut<br />

(Hrsg.): In and Out of the Ghetto. Jewish-gentile relations in late medieval and early modern<br />

Germany, Cambridge 1995, S. 247–274.<br />

157 Wüst, Wolfgang: Die Judenpolitik der geistlichen Territorien Schwabens, S. 131–132, 134. Zu<br />

den jüdischen Gemeinden in der Markgrafschaft Burgau siehe vor allem Ullmann, Sabine:<br />

Nachbarschaft und Konkurrenz. Zur Größe der Gemeinden im Oberdonaukreis siehe Kießling,<br />

Rolf: Zwischen Vertreibung und Emanzipation, S. 156, 157.<br />

158 Battenberg, Friedrich: Jews in Ecclesiastical Territories, S. 272, 273.<br />

159 Wüst, Wolfgang: Die Judenpolitik der geistlichen Territorien Schwabens, S. 135.<br />

160 Siehe zu Prozessen mit jüdischer Beteiligung am kaiserlichen Hofgericht in Rottweil auch Lang,<br />

Stefan: Ausgrenzung und Koexistenz. Judenpolitik und jüdisches Leben in Württemberg und<br />

im »Land zu Schwaben« (1492–1650), Ostfildern 2008.<br />

161 Wüst, Wolfgang: Die Judenpolitik der geistlichen Territorien Schwabens, S. 140.<br />

103


aller Ansiedlungsproblematik ungeachtet blieb die jüdische Handelstätigkeit<br />

freilich auch in den genuin fürstbischöflichen und domkapitelischen Herrschaftsräumen<br />

rege: „Die Tatsache, daß der Handel mit Juden […] bis zur<br />

Säkularisation mit Einschränkungen legalisiert blieb, zeugt von der wirtschaftlichen<br />

Abhängigkeit dieser beiden geistlichen Staaten von der ostschwäbischen<br />

Judenschaft.“ 162 In Zusmarshausen konnten von Sabine Ullmann insbesondere<br />

Handelsaktivitäten von Juden aus den ca. 30 km entfernten Gemeinden<br />

Binswangen und Kriegshaber nachgewiesen werden, 163 gleichwohl wird auch<br />

die Frequenz jüdischer Händler außerhalb der Markgrafschaft Burgau, die<br />

die Verkehrsstrecke zwischen den Handelszentren Augsburg und Ulm über<br />

Zusmarshausen nutzten, hoch gewesen sein. Johann Jakob Steeb könnte also<br />

durch diese Reisenden und Händler, selbst wenn keine jüdische Gemeinde vor<br />

Ort existierte, insbesondere im elterlichen Wirtshaus bereits früh alltäglich<br />

mit Juden und eventuell auch deren besonderen Bedürfnissen beispielsweise in<br />

Hinblick auf Ernährung Umgang gehabt haben. Aber auch in seinen späteren<br />

Positionen am fürstbischöflichen Hof hatte er sicherlich Kontakt zu Juden,<br />

waren doch häufig jüdische Hoffaktoren dort tätig, so wohl beispielsweise der<br />

Sohn des bekannten Samson Wertheimer, Wolff Wertheimer. Zwar wurde,<br />

im Gegensatz zu anderen Residenzen, kein Hofjude in eine höhere Position<br />

der fürstbischöflichen Hofkammer berufen, dennoch umfasste 1767/68 „[d]er<br />

Anteil der Zahlungen an jüdische Hoffaktoren […] über 30.234 fl. bzw. 18, 3%<br />

der gesamten Hofzahlamtsausgaben […]“, 164 was deren häufige Anwesenheit<br />

bei Hofe nahe legt sowie ihre zeittypische Bedeutung für die fürstbischöfliche<br />

Prachtentfaltung zeigt.<br />

Auch während seiner Zeit in Wien kam Johann Jakob von Steeb vermutlich mit<br />

Juden in Kontakt. Zwar war eine Gemeindegründung seit der Vertreibung der<br />

jüdischen Gemeinde aus Niederösterreich und Wien 1670/71 (zweite Wiener<br />

Gesera) auch hier nicht möglich, dennoch konnten sich seit Ende des 17. Jahrhunderts<br />

erneut Hofjuden durch besondere Privilegierung in Wien ansiedeln,<br />

die wiederum Familie und Bedienstete mitbrachten. So hatten, wie Christoph<br />

Lind ausführt, 1752 zwölf Familienoberhäupter Schutzbriefe, die jeweils rund<br />

37 Personen umfassten, also mindestens 452 Juden den offiziellen Aufenthalt<br />

162 Wüst, Wolfgang: Die Judenpolitik der geistlichen Territorien Schwabens, S. 133.<br />

163 Ullmann, Sabine: Nachbarschaft und Konkurrenz, S. 255–258, allerdings aus der Perspektive,<br />

welche der von ihr untersuchten Orte aus der Markgrafschaft in den Zusmarshausener Protokollen<br />

erwähnt werden, nicht welche jüdischen Händler dort überhaupt protokolliert wurden.<br />

164 Wüst, Wolfgang: Die Judenpolitik der geistlichen Territorien Schwabens, S. 141, 142. Baer, Wolfram:<br />

Zwischen Vertreibung und Wiederansiedlung, S. 122, 123.<br />

104


in Wien ermöglichten. 165 Unter ihnen befanden sich berühmte Hofjudenfamilien<br />

wie die Oppenheims, Wertheims, Arnsteins – die mit der Frankfurter<br />

Gemeinde in enger familiärer Verbindung standen 166 – und bereits im 17. und<br />

frühen 18. Jahrhundert durch Persönlichkeiten wie Samuel Oppenheim oder<br />

Samson Wertheim und deren enger Beziehung zum Kaiserhaus hervortraten. 167<br />

Auch hatte die Frankfurter Gemeinde wohl beinahe während des ganzen<br />

18. Jahrhunderts einen sogenannten „Deputierten“ vor Ort in Wien, der den<br />

Gang ihrer Prozesse beaufsichtigen und wenn nötig beschleunigen sollte. 168<br />

Dass dieser den Kontakt zu dem wichtige Frankfurter Gemeindeprozesse<br />

behandelnden Reichshofrat von Steeb gesucht hat, ist mehr als wahrscheinlich.<br />

So vermerkt ein Eintrag in das Frankfurter Jüdische Gemeindebuch:<br />

„21 Ab 1732 wurde wieder ein Mendel Drach […] nach Wien gesandt und<br />

erhielt fl. 2000 rheinisch Reisespesen auf Ein Jahr, und für das folgende<br />

Jahr, so er dort weilen müsse fl. 1000. Zu einem längeren Aufenthalt hat<br />

er sich nicht verpflichtet.<br />

5 Tischri 1773 wurde Moses Coblenz auf 3 Jahre zum Unterhändler in<br />

Wien für alle dort zu verhandelnden Gemeindeangelegenheiten, mit<br />

einem jährlichen Gehalt von fl. 500 Wiener Court. ernannt. Wenigstens<br />

zweimal im Monat muss er in diesen drei Jahren in Wien anwesend sein,<br />

und wenn nothwendig einen ganzen Monat, um mit den dortigen Agenten<br />

zu conferiren und den Gemeindevorstehern darüber zu berichten.“ 169<br />

165 Lind, Christoph: Juden in den habsburgischen Ländern 1670–1848. In: Brugger, Eveline et al.<br />

(Hrsg.): Geschichte der Juden in Österreich, Wien 2006, S. 348. Siehe als Forschungsüberblick<br />

und weiterführende Literaturhinweise Rauscher, Peter: 150 Jahre jüdisches Leben in Österreich.<br />

Das Forschungsprojekt Austria Judaica des Instituts für Geschichte der Juden in Österreich<br />

(1998–2005). In: Frühneuzeit-Info 16 (2005), S. 81–86.<br />

166 Dietz, Alexander: Stammbuch der Frankfurter Juden, S. 211–223 (Oppenheim), 319–323 (Wertheim),<br />

15, 16 (Arnstein).<br />

167 Lind, Christoph: Juden in den habsburgischen Ländern 1670–1848, S. 341–346. Weitere Literaturhinweise<br />

ebenfalls bei Rauscher, Peter: 150 Jahre jüdisches Leben in Österreich.<br />

168 Kracauer, Isidor: Geschichte der Juden in Frankfurt, Bd. 2, S. 301, 310. Battenbergs Annahme,<br />

dass von einer „ständigen Gesandtschaft seit dem späten 17. Jh. nicht mehr die Rede<br />

ist“ kann nur in Hinblick auf eine Vertretung der Gesamtjudenschaft zugestimmt werden.<br />

Seine Erklärung „Dies hängt aber auch mit der Professionalisierung der Agententätigkeit am<br />

Reichshofrat zusammen, die eine persönliche Residenz überflüssig machte“, ist bspw. weise<br />

für die Frankfurter Gemeinde nicht zutreffend und übersieht die hohe Bedeutung des<br />

Moments der mündlichen Einflussnahme in Verfahren am Reichshofrat auch während des<br />

18. Jahrhunderts. Battenberg, Friedrich: Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des<br />

18. Jahrhunderts, S. 74–75.<br />

169 Ullmann, H. E.: Mittheilungen zur Geschichte der israelitischen Gemeinde dahier. a) Die Tijurim<br />

und Anderes. Mitgetheilt von H. E. Ullmann, Actuar der Gemeinde, aus dem israelitischen<br />

Gemeindebuch von 1546–1798. In: Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde<br />

in Frankfurt am Main, Bd. V (ca. 1875), S. 107f.<br />

105


Auch für 1787/1788 gibt es einen weiteren Eintrag über Coblenz’ Fürsprecherrolle<br />

in Wien, die er offenbar über viele Jahre hinweg wahrnahm. Horovitz<br />

erwähnt zudem für den Beginn des 19. Jahrhunderts einen weiteren Deputierten<br />

der Frankfurter Judengemeinde in Wien, Jakob Baruch Mergentheim,<br />

dessen Vermittlung außerordentlich erfolgreich gewesen sein soll. 170 Dass eine<br />

solche „Interessenvertretung“ auch jenseits von verfahrensbezogenen Besprechungen<br />

mit den Wiener Anwälten (Agenten) nötig und üblich gewesen war,<br />

lässt sich nicht zuletzt daraus ersehen, dass es bis zur Regierung Josephs II.<br />

üblich war, den zuständigen Referenten „Verehrungen“ zukommen zu lassen. 171<br />

Ebenso hatte beispielsweise auch der Magistrat Frankfurt einen solchen Interessenvertreter<br />

vor Ort in Wien, der zugleich auch als deren Agent fungierte. 172<br />

Auch der Verkauf geheimer Aktenstücke durch Kanzleischreiber an Agenten<br />

soll selbst am Ende des 18. Jahrhunderts, wenngleich nicht legal, so doch üblich<br />

gewesen sein. 173 Wenngleich Joseph II. rigide versuchte, diese Praxis zu unterbinden<br />

und eine Annahme von „Geschenken“ mit Verlust der Dienststelle zu<br />

bestrafen drohte, 174 ist doch anzunehmen, dass sich dies nicht unmittelbar<br />

durchsetzen ließ. Gleichwohl mussten solche Zuwendungen nicht unbedingt<br />

fallentscheidend sein, vermutlich wirkten sie zumeist eher verfahrensbeschleunigend,<br />

erlaubten einen Informationsvorsprung der entsprechenden Prozesspartei<br />

bzw. förderten den informellen Informations- und Meinungsaustausch<br />

zwischen zuständigem Reichshofrat und den betreffenden Agenten.<br />

Informelle Gespräche zwischen Agent und Reichshofrat scheinen dabei<br />

nichts Ungewöhnliches gewesen zu sein und konnten sich beispielsweise auch<br />

auf Initiative des entsprechenden Reichshofrats ergeben. Sehr aufschlussreich<br />

hierfür sind zwei Berichtsschreiben des Agenten des Frankfurter Magistrats<br />

Johann Jacob Bittner an seine Klienten, die ganz explizit fallbezogene Unterhaltungen<br />

zwischen ihm und dem Reichshofrat von Steeb erwähnen. Bittner<br />

beschreibt dabei seine Unterhaltungen mit dem Reichshofrat von Steeb wie<br />

folgt zunächst in seinem Schreiben vom 30. August 1788: „Der herr R[eich]s<br />

Hof Rath v[on] Steeb Referens in anmaßl[icher] Appellat[ion] […] findet das<br />

170 Horovitz, Markus: Frankfurter Rabbinen, S. 242. Horovitz erwähnt zudem, der „Geheimrat von<br />

Götz“ habe die Frankfurter Gemeinde beglückwünscht, „dass sie einen Mann wie Baruch zu<br />

ihrem Vertreter nach Wien deputiert hatte“, der, so die Worte von Götz, durch sein Geschick,<br />

Charakter und Kompetenz „überall Eingang, gute Aufnahme und gefällig Rücksicht auf das,<br />

was er für seine Gemeinde kurz, bündig und lichtvoll anbringt“ finde. Siehe ebda. Bei Götz<br />

handelt es sich um einen der Agenten der Frankfurter Gemeinde vor dem Reichshofrat, wie aus<br />

den Fallanalysen im Anhang ersichtlich.<br />

171 Groß, Lothar: Die Geschichte der Deutschen Reichshofkanzlei, S. 131, 133.<br />

172 Dies war durchaus nicht unüblich, siehe Ehrenpreis, Stefan: Die Reichshofratsagenten, S. 165–<br />

177, hier bes. S. 167ff.<br />

173 Groß, Lothar: Die Geschichte der Deutschen Reichshofkanzlei, S. 132.<br />

174 Groß, Lothar: Die Geschichte der Deutschen Reichshofkanzlei, S. 132, 133.<br />

106


Appellatische Betragen so auffallend […], daß derselbe mir dieses zu eröfnen<br />

nicht unterlassen können. Dieses in geziemendem Vertrauen zu berichten, habe<br />

meiner Obliegenheit gemäß erachtet […]“. 175 Daraufhin gibt man von Seiten<br />

des Magistrat allenthalben die konkrete Anweisung:<br />

„An den H[ern] Agent Bittner in Wien. Unserm p. überschiken wir in<br />

dem Anschluß Unsere in Sachen der hiesige Schuz Juden Zacharias Wertheimer<br />

c[ontr]a die Judenbaumeister und Uns, die Einberufung eines<br />

fremden beweibten Lehrers zur Wertheimerischen Stiftung betr[effend]<br />

abgefassten Bericht, und zwar unverschlossen, mit dem Ersuchen, denselben<br />

zuvorderist durchzulesen, sodann sowol zu gehörigen Orts zu überreichen,<br />

als auch mündlich dem Herrn Referenten die wichtigen Gründe<br />

bemerklich zu machen, welche Uns in dieser Sache, so, wie geschehen ist,<br />

zu decretiren, haben bewegen müssen. Wir hoffen, Unser p. werde bei<br />

einer solchen mündlichen Unterredung Gelegenheit finden, dem Herrn<br />

Referenten die Sache von einer andern Seite zu zeigen, als von welcher<br />

derselbe sie, nach Unsers p. an Unsern Ältern Herrn Bürgermeister sub<br />

dato 30. Aug[ust] a[nni] p[rioris] erlassenen Schreiben, vor der Hand<br />

[…] zu betrachten scheint, und es werde dadurch die von Uns gebetene<br />

Abschlagung der nachgesuchten Appellationsprocesse und Remission<br />

der Sache an Uns desto eher bewirkt werden […]“ 176<br />

In seinem Schreiben vom 20. Mai 1789 erklärt Bittner dann, dass wiederum<br />

ein Treffen mit Steeb stattgefunden habe: „Vergangene Woche habe Gelegenheit<br />

genommen, mit dem Herrn Reichs Hof Rath von Steeb über den am 12.<br />

curr[entis] übergebenen Bericht in anmaßl[iche]r Appellati[ions] Sache […] zu<br />

sprechen, worauf derselbe mir zusicherte, solchen zu durchlesen und mir so<br />

nach seine Meynung darüber zu eröfnen, welche nun dahin gehet […]“ 177 Dass<br />

es ebensolche Unterredungen mit den Agenten der jüdischen Prozesspartei<br />

gegeben hat, ist mehr als anzunehmen, wenngleich eine solche Korrespondenz<br />

von Seiten des jüdischen Interessenvertreters Coblenz nicht überliefert bzw.<br />

175 FSTA, Juden Akten 198 (Ubg D 33 N 198), Schreiben des Agenten Bittner an den Frankfurter<br />

Rat, 30. August 1788 o.F. Diese Unterhaltung war auf das Verfahren bezüglich der Wertheimer<br />

Stiftung bezogen, das zum Untersuchungssample gehört (HHStA Obere Registratur K 461/1).<br />

Die Transkription der Schreiben befindet sich im Anhang bei der Fallanalyse F24 Wertheimer<br />

Stiftung.<br />

176 FSTA, Juden Akten 199 (Ubg D 33 N 199), Entwurf eines Schreibens des Magistrats an Agenten<br />

Bittner vom 1. und 2. Mai 1789, o.F.<br />

177 FSTA, Juden Akten 199 (Ubg D 33 N 199), Schreiben des Agenten Bittner an den Frankfurter<br />

Rat, 20. Mai 1789 o.F.<br />

107


nicht mehr erhalten ist. 178 Gleichwohl wird aus dem zweiten Schreiben Bittners<br />

deutlich, dass man seitens des Referenten durchaus dazu geneigt war, auch auf<br />

die Gegenpartei mündlich einzuwirken, um eine gütliche Lösung anzustreben.<br />

179 Hieraus wird deutlich, dass außergerichtliche Verfahrensabsprachen<br />

zwischen Referenten und Parteien durchaus üblich waren, wenngleich dies<br />

freilich stets im Inoffiziellen verblieb. Dementsprechend beschließt Bittner<br />

zuletzt seinen „Spezialauftrag“ mit der Bitte um Vertraulichkeit der übermittelten<br />

Informationen: „Euer Hochwohlgebohrn ex speciali Commissione hirvon<br />

vertrauliche Eröfnung zuthung ermangele nicht, der ich mit aller Veneration<br />

bin Euer hochwohlgebohrn gehorsamster Diner Bittner.“ 180<br />

178 Es findet sich lediglich ein vager Hinweis bei Kracauer in genau diesem Verfahrenszusammenhang:<br />

„Eine maßgebende Persönlichkeit in Wien, wahrscheinlich ein Mitglied des Reichshofrates,<br />

von den Frankfurter Juden ins Vertrauen gezogen, war gleichfalls dieser Ansicht und schlug<br />

vor […]“ Kracauer, Isidor: Geschichte der Juden in Frankfurt, Bd. 2, S. 310. Ob es sich dabei<br />

tatsächlich um einen Reichshofrat und im Besonderen um Steeb handelte, kann nicht mehr<br />

verifiziert werden.<br />

179 FSTA, Juden Akten 199 (Ubg D 33 N 199), Schreiben des Agenten Bittner an den Frankfurter<br />

Rat, 20. Mai 1789 o.F.<br />

180 FSTA, Juden Akten 199 (Ubg D 33 N 199), Schreiben des Agenten Bittner an den Frankfurter<br />

Rat, 20. Mai 1789 o.F.<br />

108


Kapitel III<br />

Argumentieren vor Gericht<br />

Nachdem in Kapitel I ein quantitativer Überblick über das Vorkommen von<br />

Prozessen mit jüdischer Beteiligung und die soziale und regionale Zuordnung<br />

der Konfliktparteien allgemein und für Frankfurt im Besonderen im 18. Jahrhundert<br />

erschlossen wurde, näherte sich Kapitel II dem Reichshofrat als kaiserlichem<br />

Gericht über seine personelle Struktur an. Ziel dabei war es nicht<br />

zuletzt, das persönliche Moment dieser Institution, das für Prozesse potentiell<br />

entscheidend werden konnte, herauszustellen. So verdeckt die Gremiumssituation<br />

dieses Gerichts zunächst die hohe Entscheidungs- und Gestaltungsmacht<br />

der Referenten für die Verfahren, die – wie im Falle der Referenten Steeb<br />

gezeigt werden konnte – spezialisiert immer wieder Verfahren der gleichen<br />

Klägerpartei verhandelten, d.h. vor ihren Richterkollegen präsentierten. Dass<br />

diesem Prozedere ein höchst subjektives Moment inne wohnte, das durch die<br />

Gremiumssituation eher verstärkt als abgeschwächt wurde, da angesichts der<br />

Arbeitsbelastung, Spezialisierung, unterschiedlichen Kompetenz und unter<br />

Umständen fehlenden Koreferate kaum ein Kontrollmoment vorhanden sein<br />

konnte, muss daher bei der Untersuchung und Analyse von Verfahren an solchen<br />

Institutionen unbedingt mitbedacht werden. Denn es kann davon ausgegangen<br />

werden, dass auch den Prozessparteien der große Einfluss des jeweiligen<br />

Referenten bekannt war und einberechnet wurde. Wie im Falle des Frankfurter<br />

Stadtsyndicus gesehen, suchte man sogar das direkte Gespräch, die persönliche<br />

Beeinflussung – das Moment der mündlichen Kommunikation war also auch<br />

in einem rein schriftlichen Verfahren, das eben diesen Faktor auszuschalten<br />

versuchte, latent immer vorhanden.<br />

Sicherlich ist dieses Vorgehen als paradigmatisch anzusehen und wurde<br />

von allen Prozessparteien, so sie die Mittel und Möglichkeiten dazu hatten,<br />

so gehandhabt. Es hebt zugleich die hohe Bedeutung des finanziellen Faktors<br />

für die Prozesse am Reichshofrat und die Entscheidungsfindung heraus, da<br />

freilich die Einflussname vor Ort in Wien ein teures Unterfangen darstellte,<br />

dessen Kosten insbesondere kleinere, mindermächtige Prozessparteien wohl<br />

kaum oder nur in Verbänden tragen konnten. 1 Die Frankfurter Judengemeinde<br />

konnte es sich jedoch offenbar leisten, einen ständigen Deputierten und Interessenvertreter<br />

in Wien zu haben. Dass sie dies auch während des ganzen<br />

1 Siehe dazu mit weiteren Literaturhinweisen Troßbach, Werner: Untertanenprozesse am Reichshofrat.<br />

In: zeitenblicke 3 (2004), URL: http://www.zeitenblicke.de/2004/03/trossbach/index.<br />

html (letzter Abruf 20.12.2011).<br />

109


18. Jahrhunderts tat und finanzierte, lässt Rückschlüsse auf die eminente<br />

Bedeutung dieser persönlichen Einflussnahme innerhalb der reichshofrätlichen<br />

Prozesse zu. Leider sprechen, wie so oft, die Quellen nur selten von diesen<br />

mündlichen, außergerichtlichen Absprachen, in den Gerichtsakten selbst<br />

fehlen sie freilich völlig.<br />

Wenn nun im Folgenden die Gerichtsakten auf die Argumentationsstrategien<br />

der beteiligten Prozessparteien untersucht werden sollen, so sei stets zu<br />

bedenken, dass es erstens innerhalb dieser Verfahren noch eine zweite, nicht<br />

schriftlich auf uns gekommene Verhandlungsargumentation gab und damit<br />

ein wichtiges Mosaikstück für das Gesamtbild fehlt, und dass zweitens neben<br />

den Prozessparteien auch der Referent und seine Positionierung durch sein<br />

Votum als dritte und entscheidende Variable in jedem Verfahren zu sehen ist.<br />

In diesem Kapitel sollen nun die 28 Prozesse einer genaueren Analyse unterzogen<br />

werden, in die die Vorsteher der Frankfurter Judenschaft, die so genannten<br />

Baumeister oder Zehender, während der Regierungszeit Josephs II. als Prozesspartei<br />

involviert waren. Bereits in der quantitativen Analyse stellte sich<br />

heraus, dass ein ganz erheblicher Teil der Prozesse der Frankfurter Judenschaft<br />

während des 18. Jahrhunderts von dieser Führungsgruppe und im Namen der<br />

gesamten Gemeinde geführt wurde (n= 93). Von den 28 Baumeisterverfahren<br />

in den Jahren 1765–90 waren 23 Appellationen, 5 kamen erstinstanzlich mit<br />

einer Klageschrift, davon zweimal mit Bitte um ein Reskript sine clausula, ein<br />

– einmal gegen die kurmainzische Regierung, einmal gegen den Frankfurter<br />

Magistrat. 2 Tatsächlich wendeten sich außer dem Reskriptsprozess gegen<br />

Kurmainz und einem Verfahren gegen die Gemeindemitglieder Beer Löw<br />

Isaac (Kann) und Süßkind Samuel Stern alle anderen Verfahren gegen den<br />

Frankfurter Magistrat, genauer den Frankfurter Schöffenrat als Vorinstanz,<br />

sowie oftmals gegen einzelne Gemeindemitglieder, die bei jenem Rechtsschutz<br />

vor Entscheidungen der Baumeister gesucht hatten. 3 Nur einmal bildeten die<br />

2 F8: „Baumeistere gemeiner Judenschafft zu Franckfurt am Mayn contra Ihro Churfürstliche<br />

Gnaden zu Mayntz, dero Hofcammer und Zoll-Beamte daselbst in puncto Rescripti S. Cl. das<br />

neu erichteten Taschen-geleit betr.“. F9: „Baumeister gemeiner Judenschaft zu Frankfurt contra<br />

Schöffenrat zu Frankfurt P[unc]to diversorum gravaminum in der Reglements Sache betr.“.<br />

F10: „Baumeister gemeiner Judenschaft zu Frankfurt contra Schöffenrat zu Frankfurt P[unct]o<br />

diversorum gravaminum in der Reglements Sache betr.“. F12: „Die Baumeister gemeiner Judenschafft<br />

zu Franckfurth am Mayn contra Beer Löw Isaac und Süßkind Samuel Stern et consortes“.<br />

F28 Rubrum: „Zu Frankfurth Bau- und Kastenmeister der gemeinen Judenschafft contra<br />

Den Magistrat der Reichsstadt Frankfurth Die Verbietung des Schulbanns gegen saumselige<br />

Gemeindsgläubiger, dann die Ausfertigung der Chelude betr.“<br />

3 Zu den Frankfurter Gerichten und Ämtern siehe Dölemeyer, Barbara: Frankfurter Juristen im<br />

17. und 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1993, S. XXXI–XLVI. Ruppersberg, Otto: Der Aufbau<br />

der reichsstädtischen Behörden. In: Voelcker, Heinrich (Hrsg.): Die Stadt Goethes. Frankfurt<br />

am Main im XVIII. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1932, S. 51–82.<br />

110


Baumeister mit dem Magistrat gemeinsam die beklagte Partei, als Kläger trat<br />

hier ein jüdisches Gemeindemitglied auf. 4 Die zeitliche Begrenzung auf die<br />

Regierungszeit Kaiser Josephs II. bedeutet, dass die Verfahren entweder insgesamt<br />

zwischen den Jahren 1765 und 1790 verhandelt wurden oder während<br />

dieses Zeitraums noch anhängig waren, währenddessen entschieden oder wieder<br />

aktiviert wurden.<br />

Diese Prozessgruppe innerhalb des genannten Zeitraums herauszugreifen,<br />

folgte verschiedenen Überlegungen. Da 23 der 28 Prozesse, die im gesetzten<br />

Untersuchungszeitraum von den Frankfurter Baumeistern oder gegen sie<br />

unter dem Rubrum Appellation an den Reichshofrat gebracht wurden, kann<br />

geschlossen werden, dass hier Konflikte auf städtischer und innergemeindlicher<br />

Ebene sowie deren Verschränkung ineinander ausgefochten wurden. Dies<br />

verspricht, eine besondere Verklammerung von Stadt- und Reichsebene wie sie<br />

zum einen über Kommissionsverfahren am Reichshofrat, vor allem aber über<br />

Appellationen zu greifen ist, genauer in den Blick zu bekommen. Sie eröffnet<br />

zudem eine dreifache Perspektivierung der Frankfurter jüdischen Gemeinde<br />

durch Gemeindeführung, Magistrat und Reichshofrat.<br />

Es gilt zu betonen, dass es sich in den Akten stets um bewusst konstruierte,<br />

durch die Gerichtssituation bedingt zugespitzte Argumentationsstrategien<br />

handelt. Es soll also auch in der Rekonstruktion und Analyse nicht mit<br />

dem Anspruch aufgetreten werden, es könnten die durch die Quellengattung<br />

gegebenen Determinanten durchbrochen werden, um „authentische“<br />

Wahrnehmungsmuster des Eigenen und/oder des Anderen, so sie denn überhaupt<br />

rekonstruierbar wären, hinter den Sprachkonstrukten zu suchen. In<br />

den Gerichtsakten wurden für konkrete situative Gegebenheiten konkurrierende<br />

mögliche Realitäten argumentativ formuliert und konstruiert. Die Entscheidung<br />

des Reichshofrats, so vorhanden, sprach dann im idealtypischen<br />

Falle jeweils einer dieser Konstruktionen Legitimität zu. Das heißt durch die<br />

Festschreibung der eigenen Wahrnehmung in einem Höchstgerichtsprozess<br />

bewirkte man trotz ihrem umstrittenen Konstruktionscharakter im besten<br />

Falle eine gewisse legitimierte Realitätswerdung derselben.<br />

Dies birgt aus analytischer Perspektive freilich die Problematik der tendenziösen<br />

Darstellung und des nivellierenden Moments in sich, da die Konstruktionen<br />

möglichst kohärent, homogen und harmonisch, im Sinne von<br />

nicht widersprüchlich, sowie auf den Adressaten selbst, seine Erwartungen,<br />

4 F24 Rubrum: „Wertheimer Zacharias, als Samson Wertheimerische Stiftungs Administrator zu<br />

Frankfurt contra Die Juden Baumeister und den Magistrat als Judicem a quo Appellationis die<br />

Einberufung eines Lehrers zur Wertheimerischen Stiftungsschule betr.“<br />

111


Vorurteile etc. ausgerichtet sind, um überzeugend zu wirken. Nicht ohne<br />

Grund bildet die Gerichtssituation Ausgangs- und Mittelpunkt der Rhetoriktheorie<br />

seit der Antike. Diesem persuasiv-narrativen Zwangsmoment sieht<br />

sich freilich auch die Analyse ausgesetzt, weshalb daher die Fragestellung<br />

nicht davon ausgehen darf, was faktisch gesagt wird, sondern vielmehr, wie<br />

und warum es derart dargestellt wird. Aufbrechen oder völlig transparent<br />

machen lässt sich die Konstruktion dadurch zwar nicht, aber zumindest als<br />

eine solche kenntlich machen. Doch muss dies nicht unbedingt als negative<br />

Implikation gewertet werden.<br />

Vielmehr sollte gerade das, was speziell diese Quellen zu leisten vermögen,<br />

herausgestellt werden, nämlich eine, zumeist von der Judenschaft erzwungene,<br />

konstruktive Diskussion zwischen scheinbar getrennten Welten sichtbar zu<br />

machen, in der die Hierarchie zwischen christlicher Obrigkeit und jüdischen<br />

Gemeinde wenn nicht ausgeschaltet, so doch zweitrangig und hinterfragbar<br />

wurde und resultierend daraus konkurrierende Realitätskonzepte des Mitein<br />

an ders austariert werden konnten. Wie vor allem die jüdische Partei dabei<br />

agierte, welche Eigen- und Fremdkonstruktionen sie für notwendig und zielführend<br />

hielt, welche rechtlichen Argumentationsmuster sie heranzog und wie<br />

sie in diesem Diskurs ihre städtische Obrigkeit sowie den Reichshofrat und<br />

damit den Kaiser positionierte und festschrieb, wie hingegen sich der Referent<br />

als dritte Größe dazu stellte und Argumentationsmuster aufgriff oder auch<br />

nicht, soll in diesem Kapitel untersucht werden.<br />

Unter Argumentationsmuster soll dabei nicht nur eine rein inhaltliche Argumentation<br />

verstanden werden. Auch durch formale Schritte der Prozessparteien<br />

wie vor allem Prozessverschleppung konnte zugunsten des eigenen Anliegens<br />

aktiv gehandelt werden, wenngleich es von außen betrachtet passiv wirken<br />

mochte. Dabei sei dahin gestellt, ob dieses Anliegen gleichbedeutend mit den<br />

innerhalb des Prozesses formulierten Forderungen sein musste oder nicht.<br />

Auch solche intentionalen Handlungsstrategien konnten argumentativ wirken,<br />

bildeten eine Aussage, obwohl scheinbar nichts gesagt wurde. Insbesondere im<br />

Hinblick auf die Reaktion oder fehlende Reaktion des Reichshofrats muss dies<br />

beachtet werden. Brachte beispielsweise ein Kläger den geforderten Gegenbericht<br />

nicht innerhalb der gegebenen Zeitfrist ein und das Gericht sanktionierte<br />

dies trotz wiederholter Einmahnungen des Beklagten nicht, so konnte dies<br />

zumindest für die Prozessbeteiligten eine deutliche Signalwirkung haben, einer<br />

Willensbekundung gleich kommen und ohne Worte eine deutliche Sprache<br />

sprechen. Insofern soll auch dieses formale Agieren in die Argumentationsanalyse<br />

im weiteren Sinne miteinbezogen werden.<br />

112


Begonnen werden soll daher zunächst mit einer formalen Analyse der 28<br />

„Baumeister-Prozesse“, konkret also anhand von Prozessverläufen das Verhalten<br />

der involvierten Parteien im Sinne der Verfahrensführung untersucht<br />

werden. Daraufhin soll das auf die innertextuelle Argumentation hin analysierte<br />

Sample des besseren Verständnisses wegen zunächst in seinen Inhalten<br />

vorgestellt werden, um anschließend die einzelnen Argumentationsmuster in<br />

einer komparativen Perspektive herausarbeiten zu können.<br />

1 Prozesspraxis<br />

Um eine möglichst hohe methodische Transparenz, eine Fokussierung auf die<br />

Ergebnisse und eine bessere Lesbarkeit der Analysen zu gewährleisten, soll auf<br />

eine rein deskriptive Einzeldarstellung aller Fallinhalte und Verfahrensverläufe<br />

verzichtet werden. Diese findet sich ausführlich in tabellarischer Form<br />

im Anhang dieses Buches. Die Nummerierung der Verfahren wurde chronologisch<br />

nach Beginn vorgenommen. War, wie in Fall 4 und 5, ein Verfahren in<br />

zwei Bestände aufgeteilt worden, 5 wurde zwar der registratorischen Einteilung<br />

gefolgt, für die formale Analyse jedoch nur ein Verfahren gezählt. Ein ausgewähltes<br />

Verfahren gehört nicht zum engeren Korpus der „Baumeisterprozesse“,<br />

sondern wurde von einer Privatperson aus der Gemeinde gegen den Schöffenrat<br />

angestrengt. 6 Diesen Prozess mit in die Analyse hineinzunehmen, folgte der<br />

Überlegung, exemplarisch aufzeigen zu können, wie die Baumeisterprozesse<br />

auch für Verfahren von Einzelpersonen der jüdischen Gemeinde relevant werden<br />

konnten, um so deren Modellcharakter in den Blick zu rücken. Allerdings<br />

wurde dieses Verfahren in der formalen Analyse nicht berücksichtigt, da diese<br />

sich nur auf das Quellenkorpus „Baumeisterprozesse“ beziehen soll.<br />

Teils angelehnt an die Erschließungssystematik der Reichskammergerichtsund<br />

Reichshofratsakten 7 sind die Einzelanalysen neben den archivalischen<br />

Fundorten in folgende Bereiche untergliedert:<br />

5 F4 Bingen Stättigkeit I wurde abgelegt unter HHStA, RHR, Denegata antiqua K 160, F5 Bingen<br />

Stättigkeit II unter HHStA, RHR, Decisa K 2135.<br />

6 F21 Arnsteiner Stättigkeit, HHStA, RHR, Decisa K 334.<br />

7 Die sogenannten „Frankfurter Grundsätze“ beschreiben das Erschließungsverfahren für die<br />

Reichskammergerichtsakten, das auch für die nun laufenden Reichshofratserschließungsprojekte<br />

adaptiert wurde. Siehe zum Reichskammergericht Ewald, Martin: Inventarisierung von<br />

norddeutschen Beständen des Reichskammergerichts. In: Der Archivar 33 (1980), Sp. 381–382.<br />

Hausmann, Jost: Die Verzeichnung von Reichskammgerichts-Akten. Ein Erfahrungsbericht. In:<br />

Sellert, Wolfgang (Hrsg.): Reichshofrat und Reichskammergericht, S. 241–251. Zum Reichshofrat,<br />

insbesondere dem APA-Projekt: Ortlieb, Eva: Die ‚Alten Prager Akten‘ im Rahmen der Neuerschließung<br />

der Akten des Reichshofrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. In: MÖStA<br />

51 (2004), S. 593–634. Jüngst sind nun die ersten drei Bände der Verzeichnung der APA und der<br />

Antiqua erschienen: Sellert, Wolfgang (Hrsg.): Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats (RHR),<br />

113


1.) Personen, wobei hier neben den Klägern, Beklagten und eventuell Nebenklägern<br />

bzw. -beklagten auch die Agenten mit Substituten, der zuständige<br />

Reichshofratsreferent, wie aus den Protokollbänden ermittelt, sowie die in der<br />

Vorinstanz beteiligten Personen aufgeführt werden. Letzteres meint neben den<br />

zuständigen Funktionsträgern, die bei der Appellationseinreichung involviert<br />

waren, vor allem auch die jeweils zwei im Monat stehenden Baumeister, 8 die im<br />

Namen aller Baumeister und der Gemeinde Appellationen einreichten. Sodann<br />

können über die Agentenvollmachten in den Akten jeweils alle zum Zeitpunkt<br />

der Erstellung des Dokuments im Amt stehenden Baumeister namentlich<br />

ermittelt werden, da sie alle dieses Dokument unterschreiben und siegeln mussten.<br />

Es sei angemerkt, dass hierdurch für die Jahre 1765–90 beinahe lückenlos<br />

nachvollzogen werden kann, wer als Baumeister in der Frankfurter jüdischen<br />

Gemeinde tätig war – eine für personen- wie gemeindegeschichtliche Untersuchungen<br />

höchst wertvolle Information und Quelle, die bislang unbekannt<br />

war. Auch wenn dies nicht im Fokus der nachfolgenden Untersuchung stehen<br />

soll, wurden diese Daten daher dennoch erhoben, um Material für weitere<br />

Studien zur Verfügung zu stellen.<br />

2.) Äußere Formalia, worunter zunächst die Verfahrensdauer aufgeschlüsselt<br />

wird. Hierbei soll unterschieden werden zwischen einerseits der registratorisch<br />

vermerkten Dauer, wie sie in den Findbüchern, leider nicht immer zuverlässig, zu<br />

finden ist, d.h. dem Zeitraum zwischen dem Jahr der ersten und der letzten Eingabe<br />

bzw. Entscheidung, andererseits aber den tatsächlich aktiven Prozessjahren,<br />

also den Jahren, in denen Eingaben der Parteien am Reichshofrat eingingen und<br />

verhandelt wurden sowie gegebenenfalls zeitlichen Lücken. Weiters wird hier die<br />

registratorische Bearbeitung der einzelnen Aktenstücke aufgeführt, was sowohl<br />

die originale Quadrangulierung und Foliierung bzw. Paginierung der Agenten<br />

oder Kanzleibeamten des Reichshofrats im 18. Jahrhunderts meint, als auch die<br />

von mir auf den Reproduktionen neu durchgeführte Paginierung der Prozessakten.<br />

Eine solche Neupaginierung war notwendig, da sich die kanzleisystematische<br />

Bearbeitung in den meisten Fällen auf eine Quadrangulierung beschränkte,<br />

wobei selbst dies nicht durchgehend der Fall war. 9 Hier wichen RHRO-Norm<br />

Serie I: Alte Prager Akten. Band 1: A-D und Band 2: E-J, bearbeitet von Eva Ortlieb, Berlin 2009<br />

und 2011; Serie II: Antiqua, Band 1: Karton 1–43, bearbeitet von Ursula Machoczek, Berlin 2010.<br />

8 Dem Baumeisterkollegium standen monatlich rotierend zwei Baumeister vor, die daher in den<br />

Quellen als „im Monat stehend“ bezeichnet werden.<br />

9 Zur genauen Darstellungsform des so genannten Protonotats auf den Reichshofratsakten, des<br />

Praesentatum des Aktenstücks am Reichshofrat, also des Eingangsvermerks, und dergleichen<br />

formalen Vorschriften siehe die zwar rein an den normativen Quellen der RHRO und juristischen<br />

Literatur orientierte, für die rasche Erschließung der Kanzleivermerke jedoch präzise<br />

und hilfreiche Dissertation von Carola Hartmann-Polomski. Hartmann-Polomski, Carola: Die<br />

Regelung der gerichtsinternen Organisation, S. 10–16.<br />

114


und Gerichtspraxis also auch im 18. Jahrhundert noch voneinander ab. Eine Foliierung<br />

oder Paginierung findet sich nur selten und interessanterweise zumeist<br />

in den Prozessschriften des Magistrats, was darauf schließen lässt, dass sie von<br />

dem Anwalt, mit dem der Magistrat in Frankfurt vor Ort zusammenarbeitete,<br />

oder aber von ihrem Agenten in Wien durchgeführt wurde. Es war dies jedoch<br />

offensichtlich keine formale Notwendigkeit beim Reichshofrat. Für die nachfolgende<br />

inhaltliche Analyse schien eine Neupaginierung daher unumgänglich, um<br />

Quellenzitate möglichst präzise angeben zu können – war eine Foliierung oder<br />

Paginierung vorhanden, wurde diese jeweils zusätzlich angegeben. 10 Über die<br />

Tabellen im Anhang lässt sich nun durch die Seitenangabe rasch rückverfolgen,<br />

in welchem Aktenstück sich die Quellenstelle befindet.<br />

3.) Innere Formalia meint das Aktenrubrum, also die Angabe des Verfahrensinhalts,<br />

wie sie sich im Protonotat findet, sowie die dort angegebene Verfahrensart.<br />

Mit Aktenrubrum und Verfahrensart wurden zugleich inhaltliche<br />

Angaben zum Prozess gemacht, die trotz ihrer scheinbaren Eindeutigkeit zu<br />

hinterfragen sind. Was tatsächlich in einem Prozess verhandelt wurde, konnte<br />

sich unter Umständen erheblich vom Aktenrubrum, wie es sich auch vielfach<br />

in den Findbüchern wieder findet, unterscheiden. Ebenfalls zu hinterfragen ist<br />

die Deklaration der Verfahrensart, die zumeist einfach als Appellation angegeben<br />

wurde, aber durch die fehlende Prozessrechtsordnung am Reichshofrat<br />

durchaus unbürokratisch wechseln konnte oder informatorische Vorverfahren<br />

enthielt. 11 Darauf folgt nun der genau aufgeschlüsselte Akten- bzw. Prozessverlauf<br />

der 1. und 2. Instanz, jeweils mit kurzer Inhaltsangabe zum Aktenstück,<br />

Datum (Praesentatum am Reichshofrat bzw. Ausfertigungsdatum der reichshofrätlichen<br />

Entscheidungen), Quadrangel entsprechend der Kanzleiregistratur<br />

und Seitenangabe entsprechend der Neupaginierung. Dies eröffnet sowohl die<br />

Möglichkeit, genau feststellen zu können, wer zu welchem Zeitpunkt des Prozesses<br />

das Verfahren vorantrieb oder verzögerte, als auch ob und wie prompt<br />

am Reichshofrat die Eingaben verhandelt wurden und weitere Verordnungen<br />

10 Die Bearbeitung der Akten in Kopie wurde mir durch ein Kooperationsprojekt des Max-Planck-<br />

Instituts für Rechtsgeschichte in Frankfurt, des Simon Dubnow Instituts Leipzig und des<br />

HHStA Wien ermöglicht, in dessen Rahmen ein Teil der „jüdischen Prozessakten“ am Reichshofrat<br />

mikroverfilmt wurde. Insbesondere Frau Dr. Sigrid Amedick danke ich für die Hilfe und<br />

Betreuung vor Ort im MPI Frankfurt. Herrn Dr. Stefan Wendehorst, der es möglich machte,<br />

dass „meine Fälle“ in das zu verfilmende Aktenkorpus aufgenommen werden konnten, sei ebenfalls<br />

mein herzlicher Dank ausgesprochen.<br />

11 Siehe dazu in Kürze Kasper-Marienberg, Verena: ‚daß in erster Instanz übel und widerrechtlich<br />

gesprochen‘ Zur Rechtspraxis und Funktionsweise von Appellationen am Reichshofrat im Kontext<br />

jüdisch-nichtjüdischer Konflikte in Frankfurt a.M. im 18. Jahrhundert. In: Auer, Leopold/<br />

Ortlieb, Eva: In letzter Instanz. Appellation und Revision im Europa der Frühen Neuzeit, forthcoming<br />

2013.<br />

115


ergingen. Welche Prozesspartei wie viele und welche Eingaben machte bzw.<br />

wie viele und welche Entscheide vom Reichshofrat kamen, lässt Rückschlüsse<br />

darauf zu, wer das Verfahren formal dominierte und den Fortgang erfolgreich<br />

beförderte oder verzögerte.<br />

4.) Inhalte. Hier findet sich die im Folgenden erklärte Verschlagwortung der<br />

Fälle sowie ein Regest über den Fallinhalt. Querverweise auf andere am Reichshofrat<br />

anhängige Verfahren oder Nennungen in der Literatur werden dabei<br />

aufgeschlüsselt sowie vereinzelt Transkriptionen von Aktenteilen beigegeben. 12<br />

Da insbesondere für weitere rechtshistorische Forschungen zur Rechtsquellenbeibringung<br />

am Reichshofrat die Nennung juristischer oder ethnographischer<br />

Werke in den Verfahren von Interesse sein können, wurden diese ebenfalls für<br />

die inhaltlich analysierten Fälle angegeben sowie, wenn möglich, entschlüsselt. 13<br />

Während die formale Analyse der Verfahren alle 28 bzw. 29 Verfahren miteinbezog,<br />

war für die inhaltliche Analyse aus arbeitspragmatischen Gründen<br />

eine eingrenzende Schwerpunktbildung notwendig. Um die Auswahl repräsentativ,<br />

d.h. sowohl die Gewichtung als auch die Vielfalt abbildend, anzulegen,<br />

soweit dies bei einem in jedem Fall unterschiedlichen Kontext möglich ist,<br />

wurde zunächst versucht, inhaltliche Felder abzustecken, entsprechend derer<br />

die Fälle verschlagwortet wurden, wobei jedem Fall mehrere Schlagwörter<br />

zugeordnet werden konnten, um den Inhalt möglichst genau zu spezifizieren.<br />

Anschließend wurden anteilsmäßig entsprechend der Häufigkeit vor allem die<br />

Prozesse ausgewählt, die zur Gruppe der offensichtlich gewichtigeren weil häufigeren<br />

Konfliktlinien gehörten (Bann, Gemeindemitgliedschaft, Gemeindeabgaben,<br />

Immobilien, Handel), aus den kleineren Gruppen hingegen Bereiche<br />

herausgegriffen (Zeremonial, Unzucht, Gerichtseid), die entweder in engem<br />

Zusammenhang mit den Großgruppen standen, oder gerade aufgrund ihrer<br />

Ungewöhnlichkeit auffielen. Im Falle der „Unzucht“, die zweimal Frauen betraf,<br />

was sonst in keinem anderen Verfahren der Fall war, bot sich beispielsweise die<br />

Möglichkeit, den Genderaspekt besonders miteinzubeziehen, der ansonsten<br />

mangels weiblicher Prozessbeteiligter kaum nachvollzogen werden konnte. 14<br />

12 So in F14 ein Gutachten der Frankfurter Rabbiner, in F19, F22, F23 und F26 die Voten des zuständigen<br />

Reichshofrates, in F24 die in Kapitel II erwähnte, im Frankfurter Stadtarchiv aufbewahrte<br />

Korrespondenz zwischen einem Reichshofratsagent und dem Frankfurter Magistrat,<br />

in F18 die Übersetzung einer Chaluta sowie in F30 die Transkription eines Bannspruches und<br />

eines fallzugehörigen kaiserlichen Rekripts.<br />

13 Ich danke Herrn Em. o. Univ.-Prof. Dr. Gunter Wesener (Graz) für die Hilfe bei der Entschlüsselung<br />

der Werke.<br />

14 Siehe zur Präsenz jüdischer Frauen am Reichshofrat im 18. Jahrhundert: Kasper-Marienberg,<br />

Verena: Die Judizialakten des Reichshofrates als Quelle zur jüdischen Alltags- und Sozialgeschichte<br />

im 18. Jahrhundert. In: FrühneuzeitInfo 21 (2011), S. 45–60.<br />

116


F8 Taschengeleit<br />

F1 Abzugsgelder<br />

F6 Nachsteuer<br />

F17 Geiß/Krämer I<br />

F18 Geiß/Krämer II<br />

F27 Wallich Chelude<br />

F29 Beer Chelude<br />

F25 Wallich Bann<br />

F28 Verbot Schulbann<br />

F23 Mayer Bann<br />

F20 Sichel Stättigkeit<br />

Verfahren<br />

F24 Wertheimer Stiftung<br />

F4 + 5 Bingen Stättigkeit<br />

F7 Bamberger<br />

F19 Hanna Stättigkeit<br />

F11 Oppenheimer<br />

F12 Kastenmeisterwahl<br />

F26 Zeugeneid<br />

F2 Gewölbe<br />

F3 Weißmehl<br />

F9 Zucker-, Tee-, Kaffeehandel<br />

F16 Branntweinhandel<br />

F22 Viktualien- und Holzeinkauf<br />

F15 Dessauer Attestat<br />

F13 Zipper Bann<br />

F10 Reglement<br />

F14 Schreiber Tephillin<br />

F30 Schwab Bann<br />

Abgaben fremd<br />

Abgaben städtisch<br />

Abgaben städtisch<br />

Verfahrensinhalt<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien, Bann<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien, Bann<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien, Bann<br />

Gemeindemitgliedschaft<br />

Gemeindemitgliedschaft<br />

Gemeindemitgliedschaft, Bann<br />

Gemeindemitgliedschaft, Bann<br />

Gemeindemitgliedschaft, Unzucht, Bann<br />

Gemeindeorganisation<br />

Gemeindeorganisation<br />

Gerichtseid<br />

Handel<br />

Handel<br />

Handel<br />

Handel<br />

Handel<br />

Kriminalität, Schulden<br />

Unzucht, Bann<br />

Zeremonial, Bann<br />

Zeremonial, Bann<br />

Zeremonial, Bann<br />

Tabelle 5: Verschlagwortung der Verfahrensinhalte der 28 Frankfurter „Baumeisterprozesse“<br />

1765–90 15<br />

Zusätzlich zu diesem kleineren Sample wurde, wie erwähnt, das Verfahren F21<br />

„Arnsteiner Stättigkeit“ hinzugenommen, das von einer Privatperson, nicht<br />

von den Baumeistern, angestrengt wurde. Für die Verfahren, die nicht zum<br />

engeren Untersuchungssample gehören, finden sich jeweils kurze Regesten im<br />

Bereich Inhaltsanalyse (Anhang), um eine Übersicht über die Konfliktfelder<br />

zu ermöglichen.<br />

15 Die Hervorhebungen in der Tabelle beziehen sich auf das ausgewählte Fallsample der Argumentationsanalysen.<br />

117


Baumeisterprozesse während der Regierungszeit Josephs II. (1765–90)<br />

Verfahrensinhalte der 28 Baumeisterprozesse<br />

Bann<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien<br />

Gemeindemitgliedschaft<br />

Handel<br />

Abgaben städtisch<br />

Gemeindeorganisation<br />

Zeremonial<br />

Unzucht<br />

Abgaben fremd<br />

Gerichtseid<br />

Kriminalität, Schulden<br />

Diagramm 12: Quantitative Verteilung der Verfahrensinhalte der 28 Frankfurter<br />

„Baumeisterprozesse“ 1765–90<br />

1.a Handeln ohne Worte – formales Agieren im Prozess<br />

Um die 28 Frankfurter „Baumeisterprozesse“ einer formalen Analyse unterziehen<br />

zu können, wurden, wie bereits erwähnt, für alle Verfahren die Prozessverläufe<br />

nachvollzogen. Diese finden sich im Anhang tabellarisch dargestellt.<br />

Betrachtet man zunächst das Verhältnis zwischen offizieller Prozessdauer und<br />

aktiven Prozessjahren, so zeigt sich eine starke Diskrepanz – während die<br />

Prozessdauer nämlich durchschnittlich 14 Jahre beträgt, wird dabei nur in<br />

durchschnittlich vier Jahren aktiv prozessiert. Wie in Diagramm 13 zu sehen,<br />

wird diese Differenz insbesondere bei den zehn sehr langen Prozessen (≥ 10<br />

Jahre) 16 deutlich, was die Frage aufwirft, ob diese Prozesse nach kurzer aktiver<br />

Prozessphase einfach zum Erliegen kamen oder ob sie während des gesamten<br />

Zeitraums immer wieder aktiviert wurden.<br />

Bei sieben der zehn genannten Langzeitprozesse zeigt der Prozessverlauf,<br />

dass die Verfahren jeweils mehrfach reaktiviert wurden, d.h. die lange Verfahrensdauer<br />

rührte in den meisten Fällen nicht von einem ausbleibenden<br />

gerichtlichen Entscheid oder mangelnden Verhandlungsführung seitens des<br />

16 F1, F2, F3, F6, F10, F17, F18, F28, F29, F30.<br />

118


Baumeisterprozesse während der Regierungszeit Josephs II. (1765-90)<br />

Verfahrensdauer/aktive Prozessjahre<br />

80<br />

70<br />

73<br />

67<br />

70<br />

Laufzeit in Jahren<br />

Aktive Prozessjahre<br />

60<br />

50<br />

40<br />

33<br />

33<br />

30<br />

27<br />

20<br />

10<br />

0<br />

17<br />

10 9<br />

4 4<br />

13<br />

5 5 5 4<br />

1 1<br />

4<br />

1 1<br />

5<br />

3<br />

1 1 1 1 2 2<br />

6 6<br />

15<br />

8<br />

4 4 4 4 4 4 4<br />

3<br />

5<br />

4<br />

2 2 2 2 3<br />

12<br />

10 10<br />

6<br />

1 1 1 2<br />

Diagramm 13: Verfahrensdauer/aktive Prozessjahre der Frankfurter „Baumeisterprozesse“<br />

1765–90<br />

Reichshofrats nach Eingabe aller Prozessschriften der Parteien, sondern vielmehr<br />

hauptsächlich von ausbleibenden Prozessschriften der Prozessparteien<br />

her. In F1 beispielsweise stockte das Verfahren dreimal wegen ausbleibender<br />

Berichte des Magistrats für vier (1728–1734), zwei (1736–1738) und sieben<br />

Jahre (1740–1747) sowie wegen der unterlassenen Zusendung der Akten der<br />

Vor in stanz für 4 Jahre (1773–1777), wegen der ausbleibenden Replik der Baumeister<br />

sogar für 23 Jahre (1748–1771). In F3 kam das Verfahren, trotz zwischenzeitlicher<br />

Terminmahnungen des Magistrats (1747, 1748, 1770, 1771),<br />

wegen des ausbleibenden Gegenberichts der Judenschaft 31 Jahre (1740–1771),<br />

wegen fehlender Übersendung des Gegenberichts an den beklagten Magistrat<br />

weitere 6 Jahre (1771–1777) zum Erliegen. Das gleiche Bild zeigt sich in F6, als<br />

wegen des ausbleibenden Gegenberichts der Judenschaft 25 Jahre (1765–1790),<br />

also ganz exakt während der Regierungszeit Josephs II., das Verfahren trotz<br />

mehrfacher Anträge des Magistrats auf Abschlagung der Appellation (1771,<br />

1780, 1783, 1788) liegen blieb. In F30 hingegen spiegeln sich in der Prozessverschleppung,<br />

zumindest nach Auskunft der Parteien, die Auswirkungen des<br />

ersten Koalitionskrieges (1792–1797) wider, die dazu führten, dass dem Magistrat<br />

neun Terminverschiebungen für die Einbringung des Berichts gestattet<br />

wurden, wodurch das Verfahren rund 4 Jahre stockte. Danach wurde jedoch<br />

aktiv weiterprozessiert, bis das Verfahren ab 1799 aufgrund der ausbleibenden<br />

Replik der Judenschaft zum Erliegen kam.<br />

Allein in F2, F28 und F29 zeigt sich ein anderes Bild – während in F2 das Verfahren<br />

nach der Eingabe des Gegenberichts zunächst für 22 Jahre (1749–1771)<br />

zum Erliegen kam, wurde der Appellationsprozess ohne Antrag der Parteien<br />

119


im November 1771 vom Reichshofrat unerwartet per Reskript abgeschlagen.<br />

Damit war der Prozess jedoch nicht, wie zu vermuten gewesen wäre, beendet.<br />

Die Judenschaft als Kläger legte vielmehr daraufhin eine Remedium Supplik,<br />

also Revision gegen das Reskript, ein, über die sogleich erkannt wurde, worauf<br />

das Verfahren einfach weiterverhandelt wurde, dann nach dem Bericht des<br />

Magistrats und der Nebenkläger für fünf Jahre (1773–1778) zum Erliegen kam<br />

und nach erneutem Ansuchen des Magistrats um Abschlagung des Prozesses<br />

innerhalb nur einer Woche plötzlich entgegen des ersten Reskripts zugunsten<br />

der Kläger entschieden wurde. Daraufhin nun kam das Verfahren wiederum<br />

zum Erliegen, bis es 1804 seinen formalen Abschluss mit der Extradition der<br />

Akten auf Antrag der Kläger fand.<br />

In F28 hingegen kam die Judenschaft im Dezember 1789 mit der Bitte um<br />

ein Reskript sine clausula gegen den Frankfurter Magistrat am Reichshofrat<br />

ein. Der Prozess kam jedoch bereits nach der Klageschrift zum Erliegen, so dass<br />

zwölf Jahre später der Agent der Kläger mit der Bitte einkommen musste, ob ein<br />

Reichshofratsreferent ernannt werden könnte, was wiederum keine Reaktion<br />

seitens des Reichshofrats zur Folge hatte: Das Verfahren blieb bis zum Ende<br />

des Alten Reichs und damit dem Tätigkeitsende des Reichshofrats offen. Ein<br />

ähnliches Bild bietet F10, in dem nach zweijähriger intensiver Prozesstätigkeit<br />

in den Jahren 1768/69 das Verfahren nach dem magistratischen Bericht<br />

zum Erliegen kam. Erst 1800, also 30 Jahre später, baten die Kläger um die<br />

Benennung eines neuen Referenten. In F29 wurde bereits im Jahr der Klage ein<br />

Vergleich mit dem beklagten ehemaligen Gemeindemitglied geschlossen, das<br />

Verfahren gegen den Magistrat als zweitem Beklagten blieb hingegen anhängig<br />

und wurde erst 1800, als nach neun Jahren keine weiteren Prozessschriften<br />

mehr eingegangen waren, von Seiten des Reichshofrats beendet.<br />

Dass der Reichshofrat von sich aus aktiv wurde, wenn Prozesse verzögert<br />

wurden, kam nur sechsmal in 28 Prozessen vor. Dabei wurde zweimal<br />

das Verfahren mit Abschlagung der Appellationsprozesse beendet, einmal<br />

wurde eine Commissio ad exequendum gegen den Beklagten Kurmainz<br />

erkannt, dreimal wurden Berichte der Parteien eingefordert. 17 Ansonsten<br />

jedoch wurde der Reichshofrat nur auf Aufforderung der Prozessparteien hin<br />

aktiv, auch wenn gesetzte Fristen überschritten wurden, was eventuell eine<br />

diesbezügliche Prozessmaxime im Sinne einer erweiterten Verhandlungsund<br />

Dispositionsmaxime, 18 zumindest jedoch ein systematisches Vorgehen<br />

17 Abschlagung der Appellationsprozesse: F2 Reskript vom 14.11.1771; F26, Reskript vom<br />

27.01.1791. Erkennung eines Exekutionbescheids gegen den Beklagten Kurmainz: F8, Reskript<br />

vom 10.11.1772. Einforderung von Prozessschriften: F6, Ultimum Conclusum vom 25.01.1790,<br />

Reskript vom 25.02.1796; F18, Reskript vom 07.02.1801.<br />

18 Braun, Johann: Einführung in die Rechtswissenschaft, Tübingen 2007 3 , S. 194–197. Wesener,<br />

Gunter: Art. Prozessmaximen. In: HRG IV, Berlin 1990, Sp. 55–62. Sellert, Wolfgang: Art.<br />

120


vermuten lassen könnte. 19 Im Regelfall musste daher bei ausbleibender Eingabe<br />

einer Prozessschrift die jeweilige Gegenpartei diese einfordern, sonst kam das<br />

Verfahren zum Erliegen, was die große Menge an Terminmahnungen, den<br />

Anzeigen des „lapsus termini“, erklärt. Damit einher geht die am Reichshofrat<br />

sehr dehnbare Fristsetzung, die mehrfache Verlängerungen zur Einreichung<br />

von Prozessschriften ermöglichte. Eine wie in der RHRO und zeitgenössischen<br />

juristischen Literatur beschriebene Beschränkung auf drei Verlängerungstermine<br />

mit widrigenfalls Einleitung eines Kontumazial – also Säumigkeitverfahrens<br />

20 beziehungsweise Abschlag des Verfahrens auf Antrag der Gegenpartei<br />

war in keinem der 28 Verfahren zu beobachten, obwohl mehrfach die<br />

Gelegenheit dazu bestanden hätte, wobei hier – was jedoch nicht anzunehmen<br />

ist – möglicherweise erst- und zweitinstanzlich bzw. in Vor- und Hauptverfahren<br />

unterschiedliche Modi angewandt wurden. 21 Der Umstand, dass der<br />

Prozeß des Reichshofrats. In: HRG IV, Berlin 1990, Sp. 22–29. Sellert, Wolfgang: Prozessgrundsätze<br />

und Stilus Curiae am Reichshofrat, S. 284. Die Verhandlungs- und Dispositionsmaxime<br />

setzt, im Zivilprozess bis heute, fest, dass nur die Parteien, nicht das Gericht, Prozesse einleiten<br />

und den Streitgegenstand bestimmen können. Wenn sowohl Sellert als auch Wesener schreiben,<br />

dass die Parteien auch „für den Fortgang der Prozesse“ verantwortlich waren, so ist dies<br />

zwar nicht auf obigen Zusammenhang gemünzt, vielleicht war aber genau das am Reichshofrat<br />

der Fall. Jedoch konnte der Reichshofrat sehr wohl die Verfahrensart ändern und direkt auf<br />

den Streitgegenstand einwirken – insofern greift die Begriffsbestimmung der Prozessmaximen,<br />

dass von den Parteien der Streitgegenstand unabänderlich festgelegt wurde, ohnedies nicht am<br />

Reichshofrat.<br />

19 Bekannt sind die von Sellert erwähnten Sollizitaturen in Verfahren, die am Reichshofrat üblich<br />

waren: formlose Eingaben, die „das Gericht an die alsbaldige Erledigung ihrer Prozesse“ erinnern<br />

sollten. Siehe Sellert, Wolfgang: Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat,<br />

S. 332–339, hier 332. Diestelkamp führt auch für das Reichskammergericht an: „Diese pazifizierende<br />

Wirkung von Reichskammergerichtsverfahren, in denen es gar nicht mehr auf ein Endurteil<br />

ankam, hatte sogar dazu geführt, daß das Gericht ermächtigt wurde, Prozesse nur dann<br />

weiter zu bearbeiten, wenn die Parteien darauf sollizitierten, wie auch Goethe in seinem Bericht<br />

plastisch schildert.“ Diestelkamp, Bernhard: Recht und Gericht im Heiligen Römischen Reich,<br />

Frankfurt am Main 1999, S. 258. Da jedoch bei allen Verfahren, abgesehen von den erwähnten<br />

sechs Ausnahmen, der jeweils nächste Verfahrensschritt nur nach Aufforderung und Einmahnung<br />

durch die Gegenpartei erfolgte, scheint sich hier doch eher eine Systematik abzubilden,<br />

die eventuell auf eine zumindest de facto gehandhabte Prozessmaxime verweisen könnte. Auch<br />

verweist Sellert auf die Versuche seitens des Reichshofrats insbesondere im 18. Jahrhundert,<br />

die Sollizitatur und die daraus erwachsenen Missstände abzustellen – er beschreibt sie zudem<br />

als nicht regulär zu den Akten gehörig (S. 333), was in den vorliegenden Verfahren jedoch der<br />

Fall ist: Sie sind fortlaufend, auch registratorisch gleichförmig, in den Aktengang eingebunden.<br />

Insofern handelt es sich hier wohl kaum um Sollizitaturen.<br />

20 Siehe dazu Sellert, Wolfgang: Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, S. 271–289.<br />

21 Siehe dazu insbesondere den Prozessverlauf von F6. Durchschnittlich wurden in den 28 untersuchten<br />

Frankfurter Baumeisterverfahren 4 Terminverschiebungen beantragt, 5–6 Terminmahnungen<br />

standen dem durchschnittlich gegenüber – auch dieses Ergebnis stützt die<br />

Vermutung, dass die Prozessschritte von den Parteien eingefordert wurden. Kurze Prozesse<br />

erforderten freilich meist gar keine Terminverlängerungen oder -forderungen, stets war es aber<br />

so, dass Terminverlängerung und -forderung in ausgeglichenem Verhältnis standen, d.h. meist<br />

etwas mehr Terminforderungen einkamen.<br />

Uhlhorn weist ebenfalls auf die großzügigen Fristen als Möglichkeit zur Prozessverschleppung<br />

hin und zitiert ein Gutachten des Reichshofratsreferenten Gärtner von 1766, das den<br />

121


Reichshofrat im Regelfall die Prozessführung nicht oder nur selten aktiv vorantrieb<br />

und Fristüberschreitungen nicht sanktionierte, bedeutete freilich de facto<br />

einen großen Handlungsspielraum für die Prozessparteien, nämlich den der<br />

Prozessverschleppung. Dass dieser genutzt wurde, zeigt sich bei einer genaueren<br />

Betrachtung der 34 zwei- und mehrjährigen Prozessunterbrechungen der<br />

28 Frankfurter Baumeisterverfahren. Hier wird deutlich, dass es überwiegend<br />

der Magistrat als Beklagter war, der, oftmals vergeblich, versuchte, die Prozesse<br />

wieder zur Entscheidung zu bringen (18 von 34 Eingaben nach Prozessunterbrechungen),<br />

nicht etwa, wie zu vermuten gewesen wäre, die Judenschaft als<br />

Kläger (10 von 34 Eingaben nach Prozessunterbrechungen), die dabei nur in<br />

drei Fällen um einen Entscheid der von ihr eingebrachten Klage bat. 22 In sechs<br />

Fällen wurde das Verfahren auf Initiative des Reichshofrats wieder aktiviert.<br />

Der Magistrat fasste sein Missfallen darüber durchaus explizit in Worte:<br />

„[…] als dergleichen Fälle […] nicht selten vorkommen, und den<br />

appellantis[chen] Bau- und Kastenmeistern aus Misstrauen gegen ihre<br />

Sache nichts an der Beendigung, wohl aber daran, daß ihre Appellationen<br />

nie zur Entscheidung kommen, gelegen, und folglich von ihnen selbsten<br />

die gehörige Beitreibung nicht zu erwarten ist.“ 23<br />

Unterschied zwischen Norm und Praxis verdeutlicht: „Daß man denn Parteien ›ohne Unterschied<br />

der Sachen und ohne Bescheinigung einigen Impedimenti, ja of[t] ohne deren Ansuchen<br />

die zur Einreichung ihrer Schriften oder zu Leistung der schuldigen Parition gesezte Termin<br />

3.4. auf mehrmahlen‹ verlängere, widerspräche den gesetzlichen Vorschriften“. Siehe Uhlhorn,<br />

Manfred: Der Mandatsprozeß, S. 144.<br />

22 Wer reaktiviert womit nach Prozessunterbrechungen das Verfahren? F1– 6 Unterbrechungen:<br />

1728–1732 BK Mag. Einreichung Bericht, 1736–1738 BK Mag. Einreichung 2. Bericht, 1740–1747<br />

HK Judenschaft Bitte um Erkennung über Antrag, 1748–1771 BK Mag. Terminmahnung, 1773–<br />

1777 BK Mag. Bitte um formalen Abschluss, 1779–1801 HK Judenschaft Bitte um Entscheid//F2<br />

– 4 Unterbrechungen: 1740–1748 BK Mag. Bitte um Abschlagung der Prozesse, 1749–1771 RHR<br />

Reskript, 1773–1778 BK Mag. Bitte um Abschlagung der Prozesse, 1778–1804 BK Mag. Bitte um<br />

formalen Abschluss//F3 – 4 Unterbrechungen: 1740–1747 BK Mag. Terminmahnung, 1748–1770<br />

BK Mag. Terminmahnung, 1771–1777 BK Mag. Terminmahnung, 1777–1800 HK Judenschaft<br />

Bitte um Entscheid// F6 – 7 Unterbrechungen: 1765–1771 BK Mag. Bitte um Abschlagung der<br />

Prozesse, 1771–1780 BK Mag. Bitte um Abschlagung der Prozesse, 1780–1783 BK Mag. Bitte um<br />

Abschlagung der Prozesse, 1783–1788 BK Mag. Bitte um Abschlagung der Prozesse, 1788–90<br />

RHR Ultimum Conclusum, 1791–1794 BK Mag. Terminmahnung, 1794–1796 RHR Reskript//<br />

F8 – 1 Unterbrechung: 1770–1772 RHR Reskript Commissio ad exequendum// F10 – 1 Unterbrechung:<br />

1770–1800 HK Judenschaft Bitte um Ernennung eines Referenten und Anforderung<br />

eines Gegenberichts// F12 – 2 Unterbrechungen: 1769–1771 BK Mag. Einreichung Bericht, 1771–<br />

1773 BK Mag. Moritorium// F17 – 2 Unterbrechungen: 1775–1783 BK Mag. Bitte um Entscheid,<br />

1783–1789 HK Judenschaft Einreichung Libell. grav.// F18 – 2 Unterbrechungen: 1775–1789 HK<br />

Judenschaft Einreichung Libell. grav., 1789–1801 RHR Reskript um Bericht// F20 – 1 Unterbrechung:<br />

1782–1786 HK Judenschaft Vergleichsanzeige// F26 – 1 Unterbrechung: 1789–1791 RHR<br />

Reskript Abschlagung der Prozesse// F28 – 1 Unterbrechung: 1789–1801 HK Judenschaft Bitte<br />

um Ernennung eines Referenten// F30 – 2 Unterbrechungen: 1791–1791 RHR Schreiben um Bericht,<br />

1795–1798 HK Terminmahnung Bericht.<br />

23 F17, HHStA, RHR, Decisa K 2134, S. 182, 183.<br />

122


„[…] da Sie doch bey andern Vorfällen, wo Sie sich beschwert zu seyn<br />

vermeynen, keine anscheinende Gelegenheit aus Handen lassen, gegen<br />

Ihre Obrigkeit die beschwerlichste Processe anzuhängen und solche auf<br />

Gewinnsüchtiges Anstiften Ihrer bösen Rathgeber viele Jahre durch mit<br />

zu unterhalten, und fortzuführen, wie solches die vielfältige Exempel bey<br />

Eur[er] Römisch-Kayserlich-Königlich-Apostolischen Mayestät Höchstpreislichen<br />

Reichs Hofrath sattsam bestärcken.“ 24<br />

Warum aber könnte den Klägern, in den vorliegenden Verfahren also beinahe<br />

durchgängig der Judenschaft, daran gelegen sein, dass ihre Prozesse nicht zu<br />

einer Entscheidung gelangen? Dies scheint zunächst dem, zumindest heutigen,<br />

Verständnis eines Gerichtsprozesses, der die eigenen Rechte durch ein<br />

möglichst rasches, rechtskräftiges Urteil sichern soll, äußerst widersprüchlich.<br />

Ein gewichtiger Grund scheint in den Rechtsfolgen, die ein Prozess am<br />

Reichshofrat mit sich brachte, zu liegen. Wurde nämlich eine Appellation beim<br />

Reichshofrat eingeleitet, so brachte dies nicht nur die Präventionswirkung<br />

mit sich, dass das Verfahren an keinem anderen Gericht, so beispielsweise<br />

am RKG, mehr anhängig gemacht werden konnte. Die Appellationsklage<br />

bewirkte auch, dass durch die Rechtshängigkeit vom Beklagten, also in den<br />

vorliegenden Verfahren dem Magistrat als städtischer Obrigkeit bzw. dem<br />

Schöffenrat als Gericht der Vorinstanz, bis zur Erlangung eines Entscheids<br />

am Reichshofrat in der zu verhandelnden Sache nichts weiter unternommen<br />

werden durfte 25 und bereits gefällte Urteile der Vorinstanz in ihrer Wirkung<br />

suspendiert wurden. 26 So lange daher ein Verfahren am Reichshofrat anhängig<br />

war, konnte die Rechtskraft von städtischen Verordnungen, gegen die<br />

appelliert worden war, verhindert werden. Auch wenn die Möglichkeiten,<br />

ein Verfahren letztendlich für sich zu entscheiden, für die Judenschaft aus<br />

vielfältigen Gründen, die noch zu beleuchten sein werden, begrenzt gewesen<br />

sein mochte, konnte durch eine langwierige Appellation am Reichshofrat die<br />

Rechtswirksamkeit von für sie beschwerlichen städtischen Verordnungen<br />

24 F22, HHStA, RHR, Decisa K 2139, S. 103, 104.<br />

25 Sellert, Wolfgang: Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, S. 226, 386–390. Laut<br />

Sellert war die Suspensivwirkung umstritten und wurde in der Wahlkapitulation Karls VI. aufgehoben<br />

(siehe S. 389). Sie scheint später aber wieder in Kraft getreten zu sein, da in den vorliegenden<br />

Verfahren der Suspensiveffekt ganz selbstverständlich geltend gemacht wurde. Für<br />

Revisionen von erstinstanzlichen Reichshofratsurteilen war der Devolutiveffekt jedoch de facto<br />

ausgesetzt, da diese ebenfalls am Reichshofrat verhandelt wurden. Siehe Uhlhorn, Manfred: Der<br />

Mandatsprozess, S. 156–158.<br />

26 Weitzel, Jürgen: Art. Appellation. In: HRG I, Berlin 20082, Sp. 196–199, hier bes. Sp. 196. Diesen<br />

positiven Effekt für die jüdische Gemeinde erkennt auch Hohenemser im reichshofrätlichen<br />

Kommissionsverfahren um die Verfassungsstreitigkeiten in Frankfurt zu Beginn des 18. Jahrhunderts:<br />

Hohenemser, Paul: Der Frankfurter Verfassungsstreit und die kaiserlichen Kommissionen<br />

1705–1732, Frankfurt 1920, S. 55.<br />

123


zumindest für einen längeren Zeitraum ausgesetzt werden, währenddessen im<br />

ungünstigen Fall eine andere Lösung, beispielsweise ein Vergleich, 27 gesucht<br />

oder aber im günstigen Fall vom Reichshofrat zu ihren Gunsten entschieden<br />

werden konnte. Zugleich konnte auch jeder weitere Versuch des Magistrats,<br />

in einer rechtsanhängigen Angelegenheit weiter fortzuschreiten, aufgehalten<br />

werden, so beispielsweise wie folgt:<br />

„Daß aber Appellanten, dieser ihrer eingewandten Appellation ohnerachtet,<br />

nach dem unterm 30ten May nach ergangenem gleichmäßigen<br />

Decreto à quo das gewöhnliche Document, die Gelude, über diesen Verkauf<br />

ausfertigen sollen, stehet in keinem Bezug zu justificiren, denn einmahl<br />

Judex à quo notorie pendente appellatione ohne Begehung eines<br />

Attentats nichts unternehmen darf […]“ 28<br />

„Diesemnach ist es sehr unerwartet gewesen, daß Herr Unterrichter gegen<br />

die interponirte- denen gemeinen geschriebenen Rechten, als auch in<br />

specie denen Kayserlichen Allermildesten Privilegiis, der Stadt Franckfurtischen<br />

Reformation und gedruckten Verordnungen angemessene<br />

Appellation das eben erwehnte Decretum à quo attentativè abfassen- und<br />

dadurch Anwaldts Principalen de novo graviren mögen.“ 29<br />

„Mit was vor Rechtsbestand also der Hochansehnliche appellatische<br />

Schöffenrath […] sein eigenes gegen die letztere allerunterthänigste<br />

Beruffung vermittelst der- den appellantischen Baumeistern abgezwungenen<br />

Wiederaufhebung des Bannes begangenes Attentatum behaupten<br />

möge, können Anwaldts appellantische Principales ohnmöglich auf eine<br />

legale Weise einsehen“ 30<br />

„[…] dieses vermeintliche Verbott auch erst am 21ten Merz 1781. also<br />

nach der an Euer Kais[erlich] Königl[ichen] Mayestät am 21sten February<br />

ejusdem anni eingewandten allerunterthänigsten Appellation ergangen,<br />

mithin diesem Höchstpreyßlichen Reichsgericht zum Veracht gegebenein<br />

Attentatum begangen- und dadurch dieser Theil als noch mehr in<br />

der nämlichen rechtsanhängigen Sache beschweret worden ist; Als bittet<br />

Anwaldt Namens der gemeinen Judenschafft allerunterthänigst und<br />

27 Diestelkamp beschreibt beispielsweise, wie oben bereits erwähnt, die pazifizierende Wirkung<br />

als hauptsächliche Begründung für lange Prozesse am Reichskammergericht, siehe Diestelkamp,<br />

Bernhard: Recht und Gericht im Heiligen Römischen Reich, S. 257, 258.<br />

28 F17, HHStA, RHR, Decisa K 2134, S. 40, 41.<br />

29 F17, HHStA, RHR, Decisa K 2134, S. 41, 42.<br />

30 F19, HHStA, RHR. Decisa K 2139, S. 101, 102.<br />

124


wehemüthigst, dieses ipso jure null und nichtige Verbott in Ansehung des<br />

Fischeinkaufs auserhalb gänzlich wieder zu cassieren, und aufzuheben.“ 31<br />

Auf Seiten des Magistrats kritisierte man diese Vorgehensweise vehement als<br />

Missbrauch von Rechtsmitteln:<br />

„Wozu sollten auch Gesetze und Ordnung dienen, wenn ein jeder sich<br />

eine solche Eigenmacht erlauben, und die sonsten heilsamen Rechtsmittel<br />

zu diesem Ende, wie die appellanten, missbrauchen wollte und dorffte.“ 32<br />

„[…] die jüdische Neigung zu Zanck, Hader und Feindseligkeiten vormit<br />

die hiesige Gerichte täglich behelliget werden, und sich beschäftiget sehen<br />

müßen, ist eine derer größten Beschwerden Unserer Gerichts-Stellen, welchen<br />

man aus gerechten Abscheu öfters Einhalt thun würde, wann nicht<br />

durch eigennüzige Rathgeber mittelst Missbrauch ergriffender Rechtsmittel<br />

die jüdische Streitsucht genähret würde, somit diesem schädlichen<br />

Unwesen mit Verabscheuung und Wiederwillen nachgesehen werden<br />

müßte.“ 33<br />

„Als leben Wir auch der allerunterthänigsten Zuversicht, es werde der in<br />

dieser Sache von den jüdischen Baumeister und ihrem Sachwalter verübte<br />

appellations-Mißbrauch und Respecktswidrige zügellose Antastung des<br />

Obrigkeitlichen Amts nachdrücklichst geahndet, und diesem dem teutschen<br />

Justiz-Wesen zur Schmach und Verachtung gereichenden Unweesen<br />

in Zukunft aller gerechtest gesteuert werden.“ 34<br />

Hier wird also die Handlungsohnmacht seitens des Magistrats deutlich, die<br />

man emotional, polemisch und dramatisierend als unrechtmäßig zu deklarieren<br />

und gleichzeitig, teils unter Verwendung antijüdischer Stereotype, zu<br />

überdecken versuchte.<br />

Betrachtet man nun das Ende der 28 Verfahren, wird ebenfalls deutlich, dass<br />

ein positives Endurteil kaum das durch eine solche Appellation erreichbare<br />

Ziel sein konnte, wurde doch lediglich in sechs Fällen, also 21%, das Verfahren<br />

überhaupt durch einen Entscheid seitens des Reichshofrats beendet, davon<br />

jedoch immerhin in dreien zugunsten der Judenschaft.<br />

31 F22, HHStA, RHR, Decisa K 2139, S. 179.<br />

32 F17, HHStA, RHR, Decisa K 2134, S. 186.<br />

33 F20, HHStA, RHR, Decisa K 2139, S. 207–209/fol. 32r–33r.<br />

34 F19, HHStA, RHR Decisa K 2139, S. 282, 283/35r, v.<br />

125


Baumeisterprozesse während der Regierungszeit Josephs II. (1765–90)<br />

Verfahrensende der 28 Baumeisterprozesse<br />

Auf Eingabe Judenschaft liegen geblieben<br />

Auf Eingabe Magistrat liegen geblieben<br />

Klage zurückgezogen<br />

Reskript, Abschlagung der Appell.prozesse<br />

Sentenz reformatoria<br />

Vergleich<br />

Diagramm 14: Verfahrensende der 28 Frankfurter „Baumeisterprozesse“ 1765–90<br />

Zwar kann bei einem Sample von 28 Prozessen hier nur von einer relativen<br />

Repräsentativität ausgegangen werden, doch entspricht dieser Befund den<br />

Ergebnissen aus der Literatur. So vermied man seitens des Reichshofrats weit<br />

möglichst Endurteile, zum einen da die Exekutionsfrage letztlich nicht geklärt<br />

war, zum anderen aber weil gütliche Lösungen klar favorisiert wurden. 35 Hierfür<br />

steht beispielsweise die umfangreiche Kommissionstätigkeit, die bislang den<br />

Forschungsschwerpunkt zum Reichshofrat bildete und die paradigmatisch für<br />

den Versuch stand, die kaiserliche Autorität für eine möglichst neutrale, vor Ort<br />

präsente Mediation zu nutzen. 36 Wenngleich Kommissionen bei den Prozessen<br />

mit jüdischer Beteiligung im 18. Jahrhundert eine vernachlässigbare Rolle spielten<br />

37 und in den 28 Frankfurter „Baumeisterverfahren“ nur einmal zum Tragen<br />

35 Siehe u.a. Sellert, Wolfgang: Art. Prozeß des Reichshofrats. In: HRG, Bd. IV, Sp. 28. Sellert,<br />

Wolfgang: Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, S. 341, 342. Gschließer, Oswald<br />

von: Der Reichshofrat, S. 39, 40.<br />

36 Siehe dazu Ortlieb, Eva: Im Auftrag des Kaisers, bes. S. 348ff. Ullmann, Sabine: Geschichte auf<br />

der langen Bank, bes. S. 194–197, 291–295. Westphal, Siegrid: Kaiserliche Rechtssprechung und<br />

herrschaftliche Stabilisierung, bes. S. 438–442. Zur Kommissionstätigkeit siehe ebenfalls Fimpel,<br />

Martin: Reichsjustiz und Territorialstaat.<br />

37 Laut Findbüchern wurden im 18. Jahrhundert in 46 von knapp 1400 Verfahren mit jüdischer<br />

Beteiligung Kommissionen eingesetzt (16 in pct debiti, 16 ad exequendum, 14 andere, u.a. im<br />

Zuge des Frankfurter Verfassungsstreits). Doch könnte die tatsächliche Anzahl höher liegen<br />

und die Kommissionstätigkeit lediglich nicht im Repertorium verzeichnet sein, insofern sollen<br />

diese Zahlen nur unter Vorbehalt genannt werden.<br />

126


kamen, 38 zeigt auch das Ergebnis dieses kleinen Samples, wie in Diagramm 14<br />

zu sehen, dass Vergleichslösungen mit mehr als einem Drittel einen nicht zu<br />

unterschätzenden Anteil der Verfahrensenden ausmachten. Die pazifizierende<br />

Wirkung, die von einem Reichshofratsprozess ausgehen konnte, kam also auch<br />

beim Konfliktpaar Frankfurter Baumeister vs. Magistrat zum Tragen. Eine größere<br />

Anzahl der Verfahrensenden jedoch bestand darin, dass Verfahren nach<br />

Eingaben der Prozessparteien zum Erliegen kamen, insbesondere auf Eingaben<br />

des Magistrats, was sich mit der Überlegung deckt, dass der Judenschaft nicht<br />

unbedingt daran gelegen sein musste, die Prozesse rasch voranzutreiben, da der<br />

Suspensiveffekt im Vordergrund gestanden haben könnte. Gleichwohl lässt dies<br />

vermuten, dass auch bei zum Erliegen gekommenen Verfahren, insbesondere<br />

bei besonders langer Prozessdauer, eine außergerichtliche gütliche Einigung<br />

oder doch zumindest ein für beide Seiten für einen gewissen Zeitraum lebbarer<br />

Status quo gefunden wurde. Erst wenn dieser problematisch wurde, versuchte<br />

man den Prozess am Reichshofrat wieder zu aktivieren.<br />

2 „Wider alle Rechte und Freyheiten“ –<br />

Rechtliche Argumentationsstrategien<br />

„Wen kümmert’s, wer spricht“ – Becketts oft zitierter Aphorismus sei hier vorangestellt,<br />

um zwei Prämissen herauszuheben, die zu bedenken sind, bevor<br />

im Folgenden die Argumentationsstrategien der Prozessparteien beleuchtet<br />

werden sollen. Zum ersten betrifft dies die Frage „wer spricht?“ – denn es<br />

muss herausgehoben werden, dass zwischen Prozesspartei und Gericht stets<br />

die anwaltliche Instanz zwischengeschaltet war, beim Reichshofrat gar in<br />

zweifacher Form: in Person des vor Ort in Frankfurt betreuenden Anwalts<br />

und in Person des Agenten in Wien. Insbesondere bei rechtlichen Argumentationsstrategien<br />

muss daher davon ausgegangen werden, dass diese hauptsächlich<br />

von anwaltlicher Seite, nicht von den Baumeistern selbst, ausgewählt<br />

38 Erkennung auf Commissio ad exequendum gegen Kurmainz als Beklagten in F8. Dieser Fall ist<br />

bezeichnend für die Exekutionsproblematik des Reichshofrats, denn wie sollte er sich gegenüber<br />

einem der politisch wichtigsten Reichsstände positionieren, der auf die zuvor ergangenen<br />

weniger scharfen Reskripte und Handlungsaufforderungen schlicht nicht reagiert hatte. Am<br />

Prozessverlauf wird deutlich, dass man alle Mittel der gütlichen Einigung zu nutzen versuchte.<br />

Auch die Einsetzung einer Exekutions- und nicht einer Gütekommission muß dabei nicht<br />

unbedingt als Vollstreckung gewertet werden, sondern war vermutlich in erster Linie dazu gedacht,<br />

eine gütliche Lösung zu finden. Zumindest war es einer beispielsweise finanziellen oder<br />

prestige schmälernden Strafe vorgezogen worden. Das Verfahren der Frankfurter Judenschaft<br />

wurde hier durch einen Prozess durch den Frankfurter Magistrat flankiert – also eine dia metra<br />

le Positionierung im Vergleich zu allen anderen Prozessen, die aber zeigt, dass diese durchaus<br />

flexibel je nach Erfordernis der Situation gewechselt werden konnte.<br />

127


wurden. Als besonders bedauerlich ist es dabei zu bewerten, dass aus den<br />

Akten nicht zu entnehmen ist, wer die Anwälte der Frankfurter Judenschaft<br />

waren, 39 denn gerade sie scheinen als transkulturelle Mittler zwischen jüdischer<br />

und nichtjüdischer Sphäre fungiert zu haben, indem sie Sprache, Vorstellungen<br />

und Erklärungsmuster ihrer jüdischen Mandanten in eine für das<br />

jeweilige christliche Gericht passende Form brachten. Wo man sich dabei<br />

traf und besprach, ob man möglicherweise an Details gemeinsam feilte und<br />

Verteidigungsstrategien entwarf, lässt sich leider nicht mehr rekonstruieren.<br />

Auch ob man seitens der Baumeister mit den angeführten Rechtstexten vertraut<br />

war und inwieweit Einfluss auf die anwaltliche Argumentation genommen<br />

wurde, kann nicht mehr festgestellt werden. Floss vereinzelt jüdisches<br />

Recht in die Argumentation ein, so könnte unterstellt werden, war vermutlich<br />

eine direkte Einflussnahme vorhanden. Analog ist dies wohl für die oft sehr<br />

ausführlichen Eigen- und Fremdbilder, die in den Prozessschriften dargestellt<br />

wurden, zu sehen. Aber auch hier kann der anwaltliche Anteil der Kon struktio<br />

nen nicht nachvollzogen werden, sondern lediglich davon ausgegangen<br />

werden, dass man diesen Konstruktionen von jüdischer Auftraggeberseite<br />

für die spezielle Prozesssituation zustimmte und sie ebenfalls als passend<br />

und Erfolg versprechend ansah.<br />

Fragt man hingegen „Wen kümmert’s?“, so verweist dies auf die Rezeptionsseite<br />

der jüdischen Prozesseingaben. Denn für Magistrat und Reichshofrat<br />

sprachen freilich in diesen Schriften die Baumeister im Namen der<br />

Frankfurter Judenschaft. Sie waren diejenigen, denen diese Prozessschriften<br />

inhaltlich und rechtlich zugeeignet waren, die dafür also verantwortlich und<br />

letztlich meist allein von den Konsequenzen betroffen waren. Die Anwälte<br />

sind daher zwar als die Verfasser, nicht jedoch als die Autoren zu betrachten,<br />

diese Funktionen treten auseinander. Gleichwohl kann sich auch die vorliegende<br />

Analyse „nicht darum kümmern“, wer spricht, sondern analysiert die<br />

Prozessschriften als Schriften der Baumeister, da voraus gesetzt wird, dass<br />

man die Argumentationen durch die Auftraggeberschaft und Akzeptanz der<br />

Schriften legitimierte und sich damit aneignete. Gleiches gilt natürlich unter<br />

39 In den Appellationen der Frankfurter jüdischen Gemeinde werden im Prozess der Appellationseinreichung<br />

in Frankfurt die Prokuratoren Hartwig (F26, F30), Hempel (F6, F7, F13, F15),<br />

Lehr (F26), Münch (F23, F24), Nordmann (F2, F3), Rößing (F4+5, F7, F14, F15), Stöß (F19, F20,<br />

F22, F24), Weege (F1) genannt. Möglicherweise handelt es sich dabei um die Anwälte der jüdischen<br />

Gemeinde in Frankfurt, die die Abfassung der Prozessschriften anfertigten. Sie können<br />

zumindest teilweise als Frankfurter Advokaten nachgewiesen werden. Siehe Dölemeyer, Barbara:<br />

Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert, Eintrag 249: Hartwig, Friedrich Christian,<br />

Eintrag 366: Lehr, Iohann Iustus, Eintrag 437: Münch, Iohann Gerhard, vermutlich Eintrag 513:<br />

Rössing, Iohann Georg – er selbst kann nicht gemeint sein, da erst 1778 geboren, sein Vater<br />

Iohann Nicolaus Alexander Rössing jedoch, gest. 1786, war Prokurator in Frankfurt. Hempel,<br />

Nordmann, Stöß, Weege konnten nicht nachgewiesen werden.<br />

128


umgekehrten Vorzeichen auch für die Schriften des Magistrats. Gleichwohl<br />

soll aber, wie bereits oben angeführt, der Konstruktionscharakter stets in<br />

den Vordergrund gerückt, und damit nicht nur der speziellen Kommunikationssituation<br />

Gericht, sondern auch der „Vielstimmigkeit“ der Quellen<br />

Rechnung getragen werden.<br />

Bevor nun im Folgenden die Ergebnisse der Argumentationsanalyse des<br />

engeren exemplarischen Samples der 12 ausgewählten Fälle vorgestellt werden,<br />

sollen zunächst die Fallinhalte beschrieben werden, um deskriptive<br />

und analytische Ebene trotz unvermeidbarer Verschränkungen zu unterscheiden.<br />

Es erschien zudem lesefreundlicher, zunächst die „Geschichten“<br />

der Fälle kompakt zu erzählen, so dass, wenn bei der Analyse einzelne<br />

Beispiele herausgegriffen werden, die Inhalte der anderen bereits bekannt<br />

sind und mitgedacht werden können. Dank der schlicht beeindruckenden,<br />

unersetzbaren und leider bis dato unveröffentlichten prosopographischen<br />

Arbeit „Ele Toldot“ von Shlomo Ettlinger, die beinahe alle Einzelpersonen<br />

der Frankfurter Gemeinde der Frühen Neuzeit v.a. nach internen Gemeindequellen<br />

ausweist, war es möglich, ergänzende biographische Details zu<br />

den Verfahrensteilnehmern zu erheben, die den folgenden Fallbeschreibungen<br />

in den Fußnoten beigegeben werden sollen, um die Personen, die in<br />

diesen Prozessen nur in Momentaufnahmen und ohne persönlichen Kontext<br />

auftreten, sichtbarer zu machen. 40 Andererseits bieten aber die reichshofrätlichen<br />

Akten ebenfalls zum Teil Informationen zu den beteiligten<br />

Personen – etwa ihren Berufen, Alter, Stellung innerhalb der Gemeinde etc.<br />

– die bislang nicht bekannt waren. Die Namensgebung wurde, wenngleich<br />

oftmals von der innergemeindlichen Überlieferung abweichend, gemäß der<br />

eingedeutschen Lesung, wie sie in den reichshofrätlichen Akten auftaucht,<br />

übernommen.<br />

40 CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bekannt sind für die Personen meist nur die Todesund<br />

Hochzeitsdaten, hingegen kaum Geburtsdaten, und auch dies nur wenn die Personen in<br />

Frankfurt verstorben sind. Unter anderem die Erhebung dieser Daten war mir während eines<br />

Post Doc Stipendiums der Yad Hanadiv Foundation in Jerusalem im Studienjahr 2009/2010<br />

möglich. Der Foundation ebenso wie den Mitarbeiterinnen im Central Archive gilt für ihre<br />

Hilfe mein herzlicher Dank. Zur Person Shlomo Ettlingers siehe den Eintrag des Jüdischen Museums<br />

Frankfurt in http://www.judengasse.de/dhtml/sources.htm (letzter Abruf 20.12.2011).<br />

Zum Abgleich der Namensvarianten wurde benutzt: Beider, Alexander: A Dictionary of Ashkenazic<br />

Given Names. Their Origins, Structure, Pronunciation, and Migrations, Bergenfield,<br />

NJ, 2001.<br />

129


2.a Die Verfahrensgeschichten<br />

F3<br />

„Zu Franckfurth Gemeiner Judenschafft Baumeister contra Bürgermeister<br />

und Rath, in specie das Recheney-Amt daselbst – Appellationis, den<br />

Verkauf und Crämerey des Weismehls in der Juden-Gasse betreffend“ 41<br />

Auf eine Klage verschiedener christlicher Mehlhändler und Bäcker im Juli 1738<br />

hin erlässt der Schöffenrat ein Dekret, dass Juden 42 zukünftig kein Weißmehl<br />

mehr in der Gasse handeln dürften. Nachdem auch eine von den Baumeistern<br />

erbetene erneute Untersuchung durch das Rechneiamt sowie mehrfache<br />

Memoriale der Judenschaft das Urteil unverändert lassen, wenden sich die<br />

Baumeister per Appellation im April 1739 an den Reichshofrat. Ein Vergleichsversuch<br />

des Magistrats 1740, der auf einem von den christlichen Mehlhändlern<br />

vorgelegten Regelungsentwurf basiert, scheitert. Der Reichshofrat erkennt auf<br />

ein Schreiben um Bericht, der auch noch im selben Jahr in Wien einlangt, auf<br />

dem das Verfahren dann jedoch zunächst zum Erliegen kommt. 1770, als die<br />

beteiligten Mehlhändeler wohl bereits verstorben sind, aktiviert der Magistrat<br />

erneut den Prozess und kommt mit der Termineinforderung des Gegenberichts<br />

der Baumeister ein, woraufhin der Reichshofrat diesen nun offiziell einfordert.<br />

41 HHStA, RHR, Obere Registratur, K 276/3.<br />

42 Die Klage betraf zunächst nur die drei Mehlhändler Samuel Löw im rothen Huth, Samuel Maaß<br />

im rothen Schild, David Abraham Hecht und die Mehlhändlerin Moele, Frau des Gumprecht<br />

Maaßen zum frohlichen Mann, wurde dann jedoch vom Schöffenrat auf alle Frankfurter Juden<br />

ausgeweitet. F3, HHStA, RHR, Obere Registratur, K 276/3, S. 171.<br />

Bei Samuel Löw im rothen Huth handelt es sich vermutlich um Smul Lejb schwarz Schi(e)ld<br />

Buthe, gestorben am 2. Oktober 1751, eingeschrieben im Haus roter Hut. Sein Vater war Lejb<br />

schwarz Schild zum roten Hut (gest. 22. September 1716), seine Mutter Hewle (gest. 7. Juli<br />

1737), Tochter des Gerson Worms. Er heiratete 1716 Rehle (gest. 28. Juli 1737), Tochter des Zalman,<br />

mit der er den Sohn Lejb schwarz Schild hatte, der unverheiratet am 24. April 1777 starb.<br />

CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 20, Eintrag: Smul Lejb schwarz. Schi(e)ld Buthe<br />

1751/X/2, o.F.<br />

Samuel Maaß (vermutlich Familienname Meise) konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden.<br />

David Abraham Hecht oder auch Dowid Awrom Hecht starb bereits im Jahr der Klageeinreichung<br />

am 30. März 1739. Sein Vater war Awrom zum Hecht (gest. 25. August 1729), seine Mutter<br />

Bejle (gest. 7. Oktober 1734), Tochter des Itsek Stiefel. Er heiratete 1734 Hajche (gest. 1. März<br />

1759), Tochter des Simche Hahn, mit der er den Sohn Awrom hatte, der bereits als Kind am<br />

9. September 1743 starb. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 20, Eintrag: Dowid<br />

Awrom Hecht, 1739/III/30, o.F.<br />

Moele, Mörlein oder Mele, selbst nicht aus Frankfurt a. M. stammend, heiratete den Frankfurter<br />

Juden Gumpricht Meise (gest. 25. März 1747) um 1700 und starb ein Jahr vor diesem<br />

am 5. November 1746. Ihr Vater war David Wolf zu Koblenz, der laut Memorbuch parnas (Gemeindevorsteher)<br />

in Koblenz gewesen war, der Name ihrer Mutter ist nicht bekannt. Kinder<br />

sind in ihrem Eintrag nicht verzeichnet, jedoch in dem ihres Mannes: ein Sohn Wolf Meise<br />

zum Weinfass (gest. 16. März 1779) und zwei Töchter Sejnche (gest. 28. Februar 1778), Ehefrau<br />

des Bendit Goldschmied-Kassel, und Gitlin (gest. 11. Oktober 1755). Die Familie war zunächst<br />

eingeschrieben im Haus zum goldenen Fass, dann Schule, dann Falke sowie zuletzt fröhlicher<br />

Mann. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 20, Eintrag: Gumpricht Meise, 1747/<br />

III/25, o.F./ohne Bandnr., Eintrag: Mele, 1746/XI/5, o.F.<br />

130


Die Judenschaft erbittet Fristverlängerung, da ihr Anwalt gestorben sei und die<br />

Akten nicht mehr auffindbar seien. 1771 erfolgt der Gegenbericht der Judenschaft<br />

mit dem Hinweis, dass mittlerweile alle 12 Baumeister von 1738, der<br />

Anwalt, die Agenten am Reichshofrat, 43 die Berichtsteller 44 und der Syndicus<br />

Lichtenstein gestorben seien, und weil so viel Zeit vergangen sei, seien die<br />

Vorgänge „gantz aus den Gedanken der Menschen gebracht, so, daß niemand<br />

aus der Principalschafft sich mehr etwas erinnern können, das in dieser Sache<br />

verhandelt worden wäre“. 45 Es werden vom zuständigen Referenten die in Wien<br />

vorhandenen Akten nach Frankfurt versandt. Der Gegenbericht setzt sich vor<br />

allem mit dem Bericht des Magistrats auseinander und enthält außerdem die<br />

Zeugenbefragung dreier älterer Gemeindemitglieder, 46 danach kommt das Ver-<br />

43 Im Falle der Kläger handelt es sich dabei um den verstorbenen Reichshofratsagenten Johann<br />

Heinrich von Middelburg, der 1770 durch Gottlieb Lyncker ersetzt wird, beim Agenten des<br />

magistratischen Beklagten um den verstorbenen Reichshofratsagenten Johann Friedrich von<br />

Harpprecht, der 1771 durch Albrecht Theodor Moll ersetzt wird.<br />

44 Es ist unklar, wen die jüdischen Kläger damit meinen könnten.<br />

45 HHStA, RHR, Obere Registratur, K 276/3, S. 375.<br />

46 Mayer Wormbs (85 Jahre), Benedict Daub (93 Jahre) und Isaac Schwarzschild (90 Jahre). HHStA,<br />

RHR, Obere Registratur, K 276/3, S. 438–443.<br />

Mayer Wormbs bzw. Majer Aaron Worms starb am 12. Dezember 1776 und wurde daher, rechnet<br />

man mit der Altersangabe der reichshofrätlichen Akten, wohl um 1686 geboren, denn er<br />

verstarb erst 91jährig. Sein Vater war Aaron Worms zur goldenen Rose (gest. 3. Oktober 1697),<br />

seine Mutter Jidle (gest. 14. Juli 1735). Er heiratete um 1715 Mele (gest. 5. August 1742), die<br />

Tochter des Wajbe Hirschhorn, mit der er vier gemeinsame Kinder hatte: drei Söhne, Zalman<br />

(gest. 10. Januar 1749) und Jozefe (gest. 6. Dezember 1799), die wohl beide nicht verheiratet<br />

waren, sodann Mose Worms zum silbernen Leuchter (gest. 24. Februar 1791) und die Tochter<br />

Frommetle (gest. 15. Juli 1785), Ehefrau des Herts Meise zum goldenen Strauss. Die Familie war<br />

eingeschrieben in das Haus roter Widder, hatte dann eine Wohnung im Hinterhaus silberner<br />

Leuchter sowie zuletzt im goldenen Ross. Mayer Worms war laut reichshofrätlichen Akten zumindest<br />

1761–65 als Baumeister tätig, so weisen es die Anwaltsmandatsunterschriften in den<br />

Verfahren F4 und F5 aus, in den innerjüdischen Quellen wird dies nicht erwähnt. CAHJP, P237,<br />

Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot, Bd. 22, Eintrag: Majer Aaron Worms, 1776/XII/12, o.F.<br />

Benedict Daub oder Bendit Josef Taube starb am 8. Februar 1772 im Alter von etwa 94 Jahren.<br />

Sein Vater war der parnas (Gemeindevorsteher) Josef Taube zu Reiffenberg (gest. 1. April 1695),<br />

seine Mutter Tajchen (gest. 5. Februar 1699), Tochter des Bendit von Mainz. Er heiratete um<br />

1697 Zemle (gest. 5. Mai 1742), Tochter des Fajbelman Emmerich, mit der er zwei Söhne und<br />

eine Tochter hatte: Josef Taube zu Reifenberg, dann zur Eichel (gest. 26. März 1787), Fajbelman,<br />

der als Kind verstarb (gest. 6. April 1714) und Bele (gest. 12. November 1729), Ehefrau des Löb<br />

Schloss zum wilden Mann. Eingeschrieben war Benedict Daub in das Haus goldener Bär. FStA,<br />

S6a/60C10, Eintrag: Bendit Josef Taub, 1772/II/8, o.F.<br />

Isaac Schwarzschild findet sich als Itsek Jisrol schwarzer Schild, der am 23. November 1772 offenbar<br />

im Alter von 92 Jahren starb. Geboren wurde er seinen Eltern dem chazzan [Vorsänger]<br />

Jizroel schwarz Schild (gest. 12. Januar 1690) und der Serchen (gest. 22. Januar 1699), Tochter<br />

des Michel Hut, somit um 1681. Er heiratete um 1719 Judche (gest. 30. Oktober 1731), Tochter<br />

des Hers Kaidnower, mit der er drei Töchter hatte: Sejnle (gest. 20. Januar 1750), Jachet (gest. 25.<br />

April 1778), Ehefrau des Simon zum grünen Hut, und Serche (gest. 24. Oktober 1797), Ehefrau<br />

des Zeeligman Jessel zur wilden Ente. Er war eingeschrieben im Haus goldener Hut. CAHJP,<br />

P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 22, Eintrag: Itsek Jisrol schwarzer Schild, 1772/XI/23,<br />

o.F.<br />

131


fahren zum Erliegen. 47 1800/1801 versucht die Judenschaft noch einmal, den<br />

Prozess zu aktivieren und bittet um Entscheid, danach gibt es keinen weiteren<br />

Vermerk mehr, das Verfahren kommt zum Erliegen.<br />

Dieser Prozess schien von besonderem Interesse, weil hier über eine Prozessdauer<br />

von 70 Jahren, also fast über das ganze 18. Jahrhundert hinweg, mit<br />

aktiven Phasen in den späten 1730er und beginnenden 1740er Jahren, dann<br />

wiederum zu Beginn der 1770er Jahre und um 1800 möglicherweise Veränderungen<br />

und Brüche oder aber Kontinuität in der Argumentationsstrategie<br />

verfolgt werden können.<br />

F14 „Bau- und Kastenmeister gemeiner Judenschafft zu Franckfurt am Mayn<br />

contra Hertz Abraham Schreiber und den löblichen Schöffenrath zu<br />

Franckfurt – Appellationis“ 48<br />

Herz Abraham Schreiber, 49 sofer s(e)tam 50 in der Frankfurter jüdischen<br />

Gemeinde, kommt im Frühjahr 1769 in der jüngeren Bürgermeisteraudienz<br />

47 Kracauer berichtet aus den Unterlagen des – leider kaum noch erhaltenen – Gemeindearchivs,<br />

dass man seitens der Frankfurter Judenschaft dem Deputierten Koblenz in Wien bedeutet habe,<br />

sich besonders diesem Fall am Reichshofrat anzunehmen. Auch hier wird also wieder eine<br />

mündliche Einflussnahme sichtbar. Kracauer vermutet, „Seine Schritte waren wohl von Erfolg<br />

begleitet“ – tatsächlich blieb das Verfahren liegen, damit jedoch auch die magistratische Verordnung<br />

dispensiert. Siehe Kracauer, Isidor: Die Geschichte der Juden in Frankfurt am Main,<br />

S. 302.<br />

48 HHStA, RHR, Decisa, K 2136.<br />

49 Herz Abraham Schreiber ist eine den eigentlichen Nachnamen überdeckende Schreibung des<br />

Berufsstandes. Tatsächlich hieß der Beklagte laut den innerjüdischen Quellen Herts Awrom<br />

Fulda und war von Beruf Schreiber (siehe nachfolgende Fußnote) in der Frankfurter jüdischen<br />

Gemeinde, wenngleich er offenbar kein Gemeindeangestellter war. Er starb am 12. Juni 1770.<br />

Bereits sein Vater wird bei Ettlinger als sofer [Schreiber] Awrom Fulda z. Birnbaum genannt<br />

(gest. 2. Januar 1743). Seine Mutter war Made (gest. 13. April 1750), Tochter des Leijb Flasche.<br />

Er heiratete Tajche (gest. 22. August 1761), Tochter des Mose Trier. Kinder sind nicht vermerkt,<br />

so dass er möglicherweise alleinstehend war, als der Prozess begann. CAHJP, P237, Ettlinger,<br />

Shlomo: Ele Toldot. Bd. 22, Eintrag: Herts Awrom Fulda/Herts Fulda-Schreiber, 1770/VI/12,<br />

o.F.<br />

50 Der sofer s(e)tam ist ein professioneller Schreiber von Torah Rollen, und traditionell zuständig<br />

für das Schreiben der Tephillin und Mezuzot (s.u.). Seine Tätigkeit in den Gemeinden war unverzichtbar,<br />

da der Besitz und rituelle Gebrauch dieser Produkte, insbesondere der Tephillin<br />

konstitutiv für ein jüdisch religiöses Leben war und ist. Oftmals war er zugleich als Schreiber<br />

für den Rabbinatsgerichtshof (Beit Din) tätig bsp.weise zur Ausfertigung von Scheidungsbriefen.<br />

Das Schreiben der Torah Rollen bzw. Torah Auszüge für Tephillin und Mezuzot erforderte zahlreiche<br />

Spezialkenntnisse und war an genaue Vorschriften gebunden, so z.B. das Abschreiben<br />

von einer Vorlage statt aus dem Gedächtnis, die Verwendung von Feder, bestimmter Tinte und<br />

Pergament, genaue Linienführung, Verbot jeglicher Korrekturen etc. Zur historischen Entwicklung<br />

dieses Berufs und weiterer Literatur siehe Demsky, Aaron: Art. Scribe. In: Encyclopaedia<br />

Judaica, Vol. 18, Detroit 2007 2 , S. 212–213.<br />

132


mit der Klage ein, man habe ihn seitens der Baumeister mit dem Schulbann 51<br />

und Verkaufsverbot belegt, weil seine Tephillin 52 und Mezuzot 53 für fehlerhaft<br />

befunden worden seien. Der Magistrat lässt daraufhin die Baumeister verhören,<br />

wobei diese zwar den angeblich verhängten Schulbann bestreiten, jedoch<br />

das für alle Gemeindemitglieder geltende Kaufverbot der Schreiberischen Produkte<br />

bestätigen. Die Untersuchung mehrerer seiner Tephillin und Mezuzot<br />

durch die Frankfurter Unterrabbiner, die durch ein Gutachten derselben in<br />

deutscher Übersetzung bescheinigt wird, 54 habe zweifelsfrei ergeben, dass die<br />

Produkte schwere Mängel aufwiesen, ihr Verkauf in der Gasse könne daher<br />

nicht weiter geduldet werden. Das Verfahren gelangt daraufhin an den Schöf-<br />

51 Der sogenannte Schulbann, auch Schulstrafe genannt, war eine mildere Form des Bannes, der<br />

den Baumeistern als Zwangsmittel zur Verfügung stand. Das Präfix Schul- leitet sich von dem<br />

damit oft einhergehenden Verbot des Besuchs der Synagoge ab, an die auch eine höhere Schule,<br />

Jeshiva, angeschlossen war. Zu den verschiedenen Abstufungen des Bannes, der von ebensolchen<br />

Schulstrafen bis zur Verweisung aus der Gemeinde reichen konnte, siehe v.a. Gotzmann,<br />

Andreas: Die Grenzen der Autonomie. Der jüdische Bann im Heiligen Römischen Reich, S. 41–<br />

80. Ders.: Rabbiner und Bann, Zur Problematik der Analyse zweier Topoi des aufklärerischen<br />

Diskurses, in: Aschkenas, 1 (1994), S. 99–125.<br />

52 Das Anlegen der Tephillin zum Morgengebet der Männer gehört, wie das Anbringen der Mezuzot<br />

(s.u.), zu den zentralen Geboten im Judentum. Es handelt sich bei den Tephillin (Sing.<br />

Tephillah) um zwei schwarz gefärbte quadratische Lederkästchen mit beidseitig schwarzen Lederbändern<br />

(jeweils von rituell reinen Tieren), die zunächst an Oberarm und Hand, sodann<br />

am Kopf auf spezielle Art und Weise gebunden werden. In den Kästchen befinden sich kleine<br />

Schriftröllchen mit Textpassagen der Torah, die bis heute von einem professionellen Schreiber,<br />

nach den oben beschriebenen Regeln, handschriftlich verfasst sein müssen. Fehlen beispielsweise<br />

Textstellen oder ist Pergament oder Tinte durch Alter beschädigt, sind die Tephillin ungültig.<br />

Sie werden daher in regelmäßigen Abständen geöffnet und überprüft. Außer an Shabbat und<br />

bestimmten Feiertagen muss jeder Mann nach Eintritt in die religiöse Mündigkeit täglich die<br />

Tephillin zum morgendlichen Gebet in einer, je nach Kulturkreis, festgelegten Art und Weise<br />

anlegen. Für die genauen Bestimmungen hinsichtlich Gestaltung und Tragen der Tephillin<br />

siehe Rabinowitz, Louis Isaac: Art. Tefillin. In: Encyclopaedia Judaica, Vol. 19, Detroit 2007 2 ,<br />

S. 577–580.<br />

53 Das Befestigen der Mezuzot in Privathäusern gehört, wie das Anlegen der Tephillin (s.o.), zu den<br />

zentralen Geboten im Judentum. Die Mezuzot (Sing. Mezuzah) sind kleine Schriftrollen, die<br />

Auszüge aus der Torah enthalten und in kleinen, teils künstlerisch gestalteten Kapseln tra ditio<br />

nell am oberen Drittel des rechten Türpfostens bei Eintritt, also heute am Türrahmen, befestigt<br />

werden. Den Mezuzot wird, unabhängig von ihrer rituellen Verwendung, oftmals auch eine<br />

Schutzfunktion zugeschrieben. Die Schriftrollen müssen bis heute von einem professionellen<br />

Schreiber nach den bereits weiter oben beschriebenen Regeln handschriftlich gefertigt werden.<br />

Auch die Mezuzot müssen regelmäßig, meist zweimal alle sieben Jahre, auf Unversehrtheit überprüft<br />

werden. Ob das Gebot der Anbringung der Mezuzot nur Privathäuser und welche Türen<br />

innerhalb des Hauses betrifft, oder auch öffentliche Gebäude, wurde und wird verschieden interpretiert<br />

und tradiert. Siehe auch hier für den genauen Inhalt der Schriftrollen, Gestaltung<br />

etc. Rabinowitz, Louis Isaac: Art. Mezuzah. In: Encyclopaedia Judaica, Vol. 14, Detroit 2007 2 ,<br />

S. 156–157.<br />

54 HHStA, RHR, Decisa K 2136, S. 20–29 – Die Transkription des übersetzten Gutachtens findet<br />

sich bei der Fallanalyse im Anhang. Offensichtlich ging dem Verfahren am christlichen Gericht<br />

ein Verfahren am Frankfurter Rabbinatsgericht voraus, das sich in den noch erhaltenen Erinnerungen<br />

des damaligen Frankfurter Rabbiners Nathan Maas wieder findet. Dort findet sich<br />

auch das hebräische Original des in den Reichshofratsakten befindlichen Gutachtens. Center for<br />

Jewish History New York, YIVO, Gershon Epstein Collection, Mikrofilm 482.2 und 482.3. (Ich<br />

danke Dr. Edward Fram für diesen Hinweis und die Übersetzung).<br />

133


fenrat. Dieser erlässt nach einem Verhör nach nur zwei Wochen ein Dekret,<br />

das den Baumeistern die Beibringung eines unparteiischen Gutachtens sowie<br />

die Kenntlichmachung der unbedenklichen Schreiberschen Tephillin und<br />

Mezuzot durch Stempel aufträgt. Die Baumeister legen Eventualappellation<br />

an den Reichshofrat ein, verweigern eine solche Kenntlichmachung aus religiösen<br />

Gründen und bitten um Rückverweisung an die jüdischen Gemeindeinstanzen,<br />

da es sich um eine Zeremonialangelegenheit handle, woraufhin der<br />

Schöffenrat jedoch eine Definitivsentenz erlässt, die das erste Dekret bestätigt.<br />

Daraufhin wird die Appellation im Juli eingereicht, im November 1769 legen<br />

die Baumeister in Wien die Appellationsschrift vor. Seitens der Baumeister<br />

wird die hohe religiöse Bedeutung der Tephillin und Mezuzot hervorgehoben.<br />

Außerdem werden die genauen Vorschriften, die bei ihrer Herstellung beachtet<br />

werden müssen (direkt aus der Torah abgeschrieben, perfekte Schrift, keine<br />

Ausbesserungen, Korrekturen oder Hinzufügungen etc.), beschrieben. Bei<br />

der Untersuchung der Schreiberschen Produkte habe sich jedoch erwiesen,<br />

dass vor allem in den Tephillin Fehler gewesen seien, eingefügte Korrekturen<br />

und fremde Wörter, was alle Gebete, die mit diesen Tephillin gesprochen<br />

würden, ungültig mache, und Schreiber somit Sünde über alle seine Käufer<br />

gebracht habe. Der Reichshofrat erkennt auf ein Schreiben um Bericht, der<br />

vom Magistrat im Juni 1771 eingebracht wird. Dieser beschreibt u.a. den weiteren<br />

Verlauf des Geschehens in Frankfurt. Schreiber sei mit dem großen Bann<br />

belegt und damit de facto der Gasse verwiesen worden, weil den Gemeindemitgliedern<br />

sowohl verboten worden sei, seine Schriften zu kaufen, als auch<br />

ihm Unterkunft zu gewähren oder sozialen Kontakt mit ihm zu pflegen. Er<br />

habe daraufhin ein Bittschreiben an den Magistrat gerichtet, man möge ihm<br />

eine Unterkunft in einem christlichen Wirtshaus der Stadt zuweisen, was<br />

ihm auch gewährt worden sei. Alle Anweisungen an die Baumeister, Schreiber<br />

eine Kammer in der Judengasse zuzuweisen oder gar, wie von Schreiber<br />

gefordert, für seinen Unterhalt zu bezahlen, seien jedoch fruchtlos geblieben,<br />

derselbe daraufhin „in dem grösesten Elend gestorben“. 55 Nach dem Tod des<br />

Beklagten Schreiber, der, wie Ettlinger nach dem Sefer ha-Kabranim (Buch<br />

der Beerdigungsbrüderschaft) ausweist, 56 ein Schandbegräbnis erhielt, kommt<br />

das Verfahren am Reichshofrat zum Erliegen.<br />

55 HHStA, RHR, Decisa K 2136, S. 169/fol. 19r.<br />

56 Quellennennung bei Ettlinger: sk 530=65, d.h. Sefer ha-Kabranim im jüdischen Jahr 5530 [1770],<br />

Eintrag 65. Siehe CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 22, Eintrag: Herts Awrom Fulda/Herts<br />

Fulda-Schreiber, 1770/VI/12, o.F.<br />

134


F17, 18 „Gemeine Judenschafft zu Frankfurt am Mayn contra Handelsleute<br />

Geiß und Krähmer, proprio et consortium nomine sodann den Schöffenrath<br />

daselbsten – Appellationis 1mae et 2dae“ 57<br />

Am 3. Januar 1774 wurde das 1/3 Haus des in Konkurs geratenen Ehepaars<br />

Abraham und Frommet Löw Oettingen 58 (Haus zur hinteren Schul) in der<br />

Synagoge an den Meistbietenden Isaac Salomon Wallich 59 versteigert. Die<br />

Baumeister fordern vom Rat, dass vor der Abgabe der Verkaufssumme von<br />

1145 fl. an das Rechneiamt zur Befriedigung der christlichen und jüdischen<br />

Gläubigeransprüche der jüdischen Gemeinde das Vorzugsrecht eingeräumt<br />

und also gestattet werden müsse, die noch ausstehenden Gemeindeschulden<br />

des Ehepaares Oettingen von 212 fl. von der Verkaufssumme abzuziehen.<br />

In der Vorinstanz klagen die Handelsleute Geiß und Krähmer sowie die<br />

übrigen christlichen Gläubiger gegen dieses Vorzugsrecht der Baumeister<br />

vor dem Schöffenrat, worauf ein erstes Schöffenratsdekret am 14. Mai 1774<br />

ergeht, das dem Petitum der Kläger folgt und das Vorzugsrecht abweist. Die<br />

einzige jüdische Gläubigerin und – wie die innerjüdischen Quellen ausweisen<br />

– Verwandte der Öttingens Ester Faist Adler, 60 die einen sogenann-<br />

57 HHStA, RHR, Decisa K 2134 und Obere Registratur K 278/1.<br />

58 Es handelt sich wohl um Aberle Lejb Öttingen (gest. 22. Mai 1793) und seine zweite Frau Frommet<br />

(gest. 23. Februar 1786), die er im Mai 1739 – ein Jahr nach dem Tode seiner ersten Frau Brendle<br />

(gest. 27. März 1738), beides Töchter des Mose Flasche – geheiratet hatte. Er hatte zwei Söhne<br />

– Lejb (gest. 10. Februar 1821) und Mose, der aus unklaren Umständen „des Landes verwiesen“<br />

wurde – sowie eine Tochter Bonle (gest. 9. Mai 1822), Ehefrau des Zalman Schotten zum Falken,<br />

die wohl nach Amsterdam verzog. Sein Vater war Lejb Öttingen zur Schule (gest. 2. Januar 1719),<br />

seine Mutter Gutle (gest. 6. Februar 1757), Tochter des Lejb Ochse. Die Familie ist laut Ettlinger<br />

in mindestens dritter Generation eingeschrieben im Haus Schule, ein Verkauf oder Änderung der<br />

Einschreibung, wie es die reichshofrätlichen Akten ausweisen, ist nicht vermerkt. CAHJP, P237,<br />

Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 23, Eintrag: Aberle Lejb Öttingen, 1793/V/22, o.F.<br />

59 Der Arzt Ajzek Shlome Wallech rofe, wie er in den innergemeindlichen Quellen genannt wird,<br />

starb am 29. August 1797. Bereits sein Vater Shlome Wallich-rofe war, wie der Name ausweist<br />

rofe [Arzt] (gest. 3. Juni 1749), seine Mutter war Hindle (gest. 29. März 1767), Tochter des Shlomo<br />

Wol. Er heiratete um 1764 Rehle (gest. 4. Oktober 1810), Tochter des Lejb Schloss, mit der er<br />

offenbar keine Kinder hatte. Eingeschrieben war er in das Haus Rosenkranz, dessen Verkauf in<br />

einem späteren Verfahren am Reichshofrat zum Streitgegenstand zwischen Gemeinde und Magistrat<br />

wurde (F28). CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 23, Eintrag: Ajzek Shlome<br />

Wallech rofe, 1797/VIII/29, o.F. Siehe zur Geschichte der Ärztefamilie Wallich Kottek, Samuel<br />

S.: Abraham and Löb Wallich, zwei Frankfurter jüdische Aerzte im 17. und 18. Jahrhundert in:<br />

Hessisches Ärzteblatt 9 (1977), S. 908–914. Zur allgemeinen Situation jüdischer Ärzte in Frankfurt<br />

siehe Treue, Wolfgang: Lebensbedingungen jüdischer Ärzte in Frankfurt am Main während<br />

des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. In: Medizin, Gesellschaft und Geschichte.<br />

Jahrbuch des Robert-Bosch-Instituts für Geschichte der Medizin 17 (1998), S. 9–55.<br />

60 Ester Adler, Ehefrau des am 25. April 1763 verstorbenen Fajbes Majer Adler, war Tochter des<br />

gabbai [Vorstand der Kassenverwaltung der Gemeinde] Aaron Öttingen zur Schule (gest. 25.<br />

April 1733), dem Großvater des Schuldners Aberle Lejb Öttingen. Ester war die Schwester von<br />

Aberles’ Vater Löb Öttingen, somit also die Tante Aberles. Sie hatte anscheinend keine Kinder<br />

und war offenbar als Witwe finanziell so gut gestellt, dass sie eine solch hohe Summe von 1000<br />

fl. über einen längeren Zeitraum hinweg verleihen konnte. Eingeschrieben war das Ehepaar bzw.<br />

135


ten Storbrief 61 von 1000 fl. auf das Oettingerische Haus hält, beteiligt sich<br />

nicht an dieser Klage und gibt an, dass ihr das Vorzugsrecht der Gemeinde<br />

bekannt sei und sie daher mit dem vorherigen Abzug einverstanden sei.<br />

Ausgehend von dem schöffenrätlichen Dekret erfolgt die erste Appellation<br />

an den Reichshofrat. Kurz darauf wird am 30. Mai 1774 ein weiteres Schöffenratsdekret<br />

erlassen, das den Baumeistern die Ausfertigung der Chaluta<br />

an den Käufer Wallich auferlegt. Diese von Baumeistern und Oberrabbiner<br />

auszustellende Urkunde enthalte die Bestätigung, dass keine Schulden,<br />

insbesondere keine Gemeindeschulden, mehr auf einem zu verkaufenden<br />

Haus haften. 62 Die Baumeister verweigern die Ausstellung dieses Dokuments<br />

im Falle Oettingen/Wallich, da die ausstehenden Gemeindeschulden<br />

nicht bezahlt worden seien und entsprechend keine solche Urkunde wahrheitsgemäß<br />

aufgesetzt werden könne, ihre Kastenmeister sich vielmehr des<br />

Meineids schuldig machen würden. Von diesem Schöffenratsdekret ergeht<br />

daher die zweite Appellation an den Reichshofrat.<br />

Beide Verfahren werden am Reichshofrat zwar sowohl registratorisch als<br />

auch in den Protokollbüchern als zwei Verfahren (F17 – RHR, Decisa K 2134,<br />

F18 – RHR, Obere Registratur 278/1) geführt, tatsächlich werden sie jedoch<br />

gemeinsam verhandelt – das Libellum gravaminum sowie der Bericht des<br />

Magistrats in F17 bezieht sich inhaltlich auf beide Fälle, das Libellum gravaminum<br />

in F18 bietet ergänzend eine Begriffserklärung des Chaluta-Dokuments.<br />

Zunächst wird das Verfahren unter dem Rubrum der ersten Appellation<br />

die Witwe Adler in das Haus Hecht, später in eine Wohnung im Haus roter Turm. Sie starb am<br />

30. November 1778. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. ohne Bandangabe, Eintrag:<br />

Ester, 1778/XI/30, o.F. FStA, S6a/60C7, Eintrag: Aaron Öttingen, 1733/IV/25.<br />

61 Shtar (Pl. shtarot) bezeichnet wortgemäß einen Vertrag oder Schein, meint aber im vorliegenden<br />

Fall wohl einen Schuldschein oder Wechselbrief. Die in den Quellen am häufigsten vorkommende<br />

Bezeichnung stores dürfte die aschkenasische Lesung von shtarot sein.<br />

62 In der Literatur konnte ich keine Hinweise zum Gebrauch dieser Urkunde in Frankfurt finden.<br />

Höchst wahrscheinlich leitet sich das Wort jedoch vom rabbinischen Begriff חלט (chalat) ab, der<br />

in der talmudischen Literatur als Ausdruck für einen tatsächlichen, endgültigen, nicht rückgängig<br />

zu machenden Verkauf steht. Belegstelle bezüglich eines Hausverkaufs BT, Baba Qama<br />

82b: “[…] Ten special regulations were applied to Jerusalem: That a house sold there should<br />

not be liable to become irredeemable [‘chalut’] […]“. Siehe auch Jastrow, Marcus: Dictionary<br />

of Targumim, Talmud and Midrashic Literature, Art. ‏,חלט New York 1926, S. 467. (Ich danke<br />

Dr. Evyatar Marienberg für diesen Hinweis). Der Grundgedanke des endgültigen im Gegensatz<br />

zum potentiellen, noch nicht abschließend vollzogenen Verkaufs deckt sich mit der Bedeutung<br />

der Chaluta, wie sie sich in den reichshofrätlichen Quellen findet. Die Chaluta stellte danach der<br />

Kastenmeister bei einem Hausverkauf in der Gasse dem Käufer aus, und bescheinigte damit,<br />

dass keine Gemeindeabgaben oder Schulden von Vorbesitzern mehr auf dem Haus hafteten.<br />

Ohne dieses Dokument übernahm der Käufer ansonsten mit der Übergabe des Kaufschillings<br />

auch die Schulden, die auf dem Haus lagen. Der Rabbiner erstellte von der Chaluta dann eine<br />

förmliche Ausfertigung in hebr. Sprache, erst damit war der Kauf endgültig vollzogen.<br />

Da verschiedene Schreibweisen der Urkunde (Chelude, Chalotte, Geluda, Gelude etc.) in den<br />

Quellen vorkommen, soll im Folgenden mit der vermutlich ethymologisch nächst liegenden Lesung<br />

Chaluta gearbeitet werden.<br />

136


weitergeführt, ab 1789 dann unter dem Rubrum der zweiten Appellation. 1801<br />

nach der letzten Eingabe des Magistrats (Bericht in der zweiten Appellation),<br />

wird/werden das Verfahren/die Verfahren abgeschlagen.<br />

F19 „Zu Franckfurth Baumeister gemeiner Judenschaft contra Jüdin Hanna,<br />

Wolf Ursels Tochter, die Juden Herz Isaac und Isaac Herz Fuld und der<br />

Schöffenrath zu Franckfurth – Appellationis pto wiederrechtlich eingestandene<br />

Stättigkeit“ 63<br />

Hanna (Henle, Hänle) 64 Ursels Vater, Wolf Ursel, 65 war zwar nach Frankfurt<br />

verheiratet, starb jedoch 1755, bevor er die Stättigkeit erhielt. Nach der erneuten<br />

63 HHStA, RHR, Decisa K 2139. Auch zu diesem Fall gibt es zeitgleich (1778) ein innerjüdisches<br />

Verfahren am Frankfurter Rabbinatsgericht mit Bannverhängung, das im so genannten Frankfurter<br />

Pinkas, den Aufzeichnungen des Frankfurter Rabbinatgerichts erwähnt wird. Pinkas Ffm<br />

§ 480. Dieser Eintrag endet jedoch damit, dass Hanna nach der Scheidung von ihrem ersten<br />

Mann aus der Stättigkeit ausgeschlossen wurde – erst das Verfahren am Reichshofrat kann zeigen,<br />

dass dies tatsächlich nicht geschah. So erklären sich wohl auch die Unklarheiten der § 481,<br />

483, 485 als Aufhebungen aus den Jahren 1779 und 1782 wie erwähnt bei Gotzmann, Andreas:<br />

Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit, S. 268, 287.<br />

64 Hindle Fulda starb, laut Sefer ha-Kabranim und Memorbuch wie Ettlinger ausweist, am 14. Juli<br />

1803. Ihr Vater war Wolf Ursel (gest. 13. März 1755), ihre Mutter möglicherweise Rifke (gest.<br />

3. September 1752) (siehe dazu die folgende Fußnote). Sie heiratet, wie es auch die reichshofrätlichen<br />

Akten bestätigen, 1782 Itsek Fulda (Isaak Fuld, gest. 6. Mai 1814), Sohn des Herts Fulda.<br />

Sie war eingeschrieben in das Haus Stern. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot, ohne<br />

Bandangabe, Eintrag: Hindle,1803/VII/14. JNUL <strong>Online</strong> Sources, Digitized Manuscripts, Das<br />

Frankfurter Memorbuch, ms. Heb 1092, p. 789.<br />

65 Wolf Ursel starb am 13. März 1755 in Frankfurt. Sein Vater war Manes Ursel zum Goldstein,<br />

Sohn des Laze (gest. 19. Januar 1763), seine Mutter Hanle (gest. 14. Juni 1736), Tochter des Itsek<br />

Stern. Er heiratete, laut Ettlinger, um 1750 die Hebamme Rifke, Tochter des Jakef Stern, die am<br />

3. September 1752 während der Geburt ihres Kindes starb. Was mit ihrem Kind geschah, ist<br />

nicht bekannt, Ettlinger glaubt jedoch nicht, dass sie – trotz Protokollbucheintrag (480) – die<br />

Mutter von Hanna ist, da sie zu weit von ihr entfernt begraben liege. Beide waren, wie die Großeltern<br />

Hannas, im Haus Goldstein eingeschrieben. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot.<br />

Bd. 21, Eintrag: Wolf Ursel, 1755/III/13, o.F. und ohne Bandangabe, Eintrag: Rifke, 1752/IX/1.<br />

Ebenso der ausführliche Eintrag in der epidat Datenbank zur jüdischen Grabsteinepigraphik<br />

des Steinheim Instituts zum Grabstein Rivkas, der das Todesdatum richtig mit 3. September<br />

(24. Elul 5512) angibt. epidat: Digitale Edition – Jüdischer Friedhof Frankfurt/Main, Battonnstraße<br />

URL: http://www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat?function=Ins&sel=ffb&inv=1544<br />

(letzter Abruf 20.12.2011).<br />

Dass Hanna nicht die Tochter der Rifke ist, dafür sprechen ihre eigenen Angaben im Verhör<br />

durch das Rechneiamt. Offenbar muss es eine zweite Ehe des Wolf Ursel gegeben haben, die,<br />

ebenso wie möglicherweise die Tochter der beiden, nicht verzeichnet wurde. Denn Hanna<br />

selbst erklärt, dass ihr Vater erst ein Jahr vor seinem Tod, den sie ebenfalls mit 1755 angibt<br />

(F19, S. 124), geheiratet habe und deshalb noch nicht an der Reihe gewesen sei, in die Stättigkeit<br />

aufgenommen zu werden. Dies würde aber ein Hochzeitsdatum im Jahr 1754 nahelegen und<br />

somit eventuell ebenso das Geburtsjahr der Hanna, sollte sie aus dieser nicht belegten zweiten<br />

Ehe stammen, auf den Zeitraum 1754/55 konkretisieren. Wahrscheinlicher scheint jedoch, dass<br />

sie doch das Kind aus erster Ehe und damit Tochter der Rifke war und dies entweder nicht<br />

wusste oder schlicht ihre Stiefmutter als Mutter angab. Entsprechend wäre ihr Geburtsdatum<br />

somit der Todestag ihrer Mutter, nämlich der 1. September 1752. Hanna beschreibt weiter (F19,<br />

137


Heirat der Mutter mit Moses Löw Reus wuchs sie, nach eigenen Angaben inzwischen<br />

sechs Jahre alt, bei ihren väterlichen Großeltern (Großvater Manasse<br />

Lazarus Ursel) in Hamburg auf. Hanna heiratete in erster Ehe vermutlich um<br />

1775/76 den Frankfurter Juden Salomon Herz Zunß 66 , wurde jedoch innerhalb<br />

weniger Monate wieder geschieden, weil sie sich bereits von einem ungenannten<br />

Anderen schwanger befunden hatte und zwei Monate nach der Verehelichung<br />

entband. Ein Jahr nach der Scheidung will sie nun den Schutzjuden Isaac<br />

Herz Fuld 67 heiraten. Ein Gremium zusammengesetzt aus den Baumeistern<br />

und 15 weiteren Gemeindemitgliedern toleriert zwar zunächst die halbjährige<br />

Verlobungszeit, gestattet ihr jedoch letztlich aufgrund ihres „unzüchtigen und<br />

liederlichen Verhaltens“ weder die Heirat noch den Vorschlag für die Stättigkeit.<br />

Nachdem die Baumeister im November 1777 Anzeige in der Bürgermeisteraudienz<br />

erstatten mit der Bitte um ein Heiratsverbot, wird zunächst<br />

auf ein Verhör erkannt, danach geht die Klage 1778 an den Schöffenrat. Das<br />

Rechneiamt verhört beide Seiten – Hanna vertritt die ihre sehr vehement: Ihre<br />

Schwangerschaft sei Resultat eines Jugendfehlers gewesen, den sie mit einer<br />

entsprechenden Geldstrafe (15fl. an den Schöffenrat) gebüßt habe und den man<br />

ihr nicht Zeit ihres Lebens vorhalten könne. Sie habe bei ihren Großeltern in<br />

Hamburg zwar gelebt, stamme aber doch eigentlich aus Frankfurt, besitze dort<br />

ein halbes Haus (zum goldenen Stein 68 ) sowie Vermögen (200 Carolinen) und<br />

S. 125, 126), ihre Mutter (oder Stiefmutter) habe den Vater Wolf Ursel überlebt und sich neu<br />

verheiratet an Moses Löw Reuß. Dieser konnte in Frankfurt nicht nachgewiesen werden und<br />

stammte insofern möglicherweise aus einer anderen Gemeinde, was auch erklären würde, wie<br />

die zweite Ehefrau von Wolf Ursel angesichts der kurzen Ehedauer übersehen werden konnte.<br />

Hanna selbst hingegen sei, so berichtet sie selbst, als Sechsjährige, also entsprechend entweder<br />

um 1758 oder um 1760/61, zu ihren väterlichen, in Hamburg lebenden Großeltern gekommen,<br />

die sie aufgezogen hätten. Der Personeneintrag Ettlingers für den Großvater Manes Ursel zeigt<br />

jedoch, dass dieser bereits 1763 in Frankfurt (!) starb, was bedeuten müsste, dass Hanna weitgehend<br />

von ihrer Großmutter allein erzogen wurde. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot.<br />

Bd. 22, Eintrag: Manes Ursel, 1763/I/19, o.F.<br />

66 Bei Gotzmann wird er als „Salman b. Herz Fulda (Zunz?)“ geführt, in den reichshofrätlichen<br />

Akten als Salomon Herz Zunß, er war jedoch nicht eindeutig zu identifizieren. Siehe Gotzmann,<br />

Andreas: Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit, S. 287.<br />

67 Der Makler Isaac Fulda starb erst zehn Jahre nach seiner Frau Hanna am 6. Mai 1814 im Alter<br />

von 68 Jahren. Sein Vater war, wie es auch die reichshofrätlichen Akten ausweisen, Herts Fulda<br />

zum goldenen Ross (gest. 16. Mai 1785), seine Mutter Rajtshe (gest. 9. Februar 1762), Tochter des<br />

Juda Fulda. Laut Ettlinger hatte er zwei Kinder: einen Sohn namens Mayer Fulda (gest. 12. März<br />

1869) sowie eine Tochter Rajtshe, die jedoch bereits am 25. Januar 1785 als Kind starb. Eines<br />

der beiden war wohl das von Hanna in die Ehe mitgebrachte Kind. Nach seiner Ehe mit Hanna<br />

heiratete Isaac Fulda im Jahr darauf Made aus Windecken. Er war eingeschrieben in das Haus<br />

Stern. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 25, Eintrag: Isaac Fulda, 1814/V/6, o.F.<br />

68 Dabei handelte es sich um das halbe Haus Goldstein, das Hanna von ihren Großeltern/ihrem<br />

Vater erbte und dessen andere Hälfte, wie Hanna beschreibt, „dem hiesigen Schutz Juden Baer<br />

Rindskopf zustünde“ (F19, S. 127). Offenbar hatte sie dieses später verkauft, denn in den innerjüdischen<br />

Quellen erscheint sie, wie ihr Ehemann, eingeschrieben in das Haus Stern oder weisser<br />

Stern. Siehe zu beiden Häusern die Beschreibung in der Datenbank Judengasse der jüdischen<br />

Museums Frankfurt: Eintrag Häuser – Goldstein, URL: http://www.judengasse.de/dhtml/H168.<br />

138


sei somit zur Stättigkeit befugt. Den Baumeistern wird vom Schöffenrat per<br />

Dekret aufgetragen, die Trauung durchzuführen und zugleich verboten, den<br />

Bann gegen das Paar zu verhängen. Die Baumeister appellieren gegen diese<br />

Entscheidung im Juni 1778 an den Reichshofrat. Dieser erkennt auf ein Schreiben<br />

um Bericht, die Einreichung von magistratischem Bericht und jüdischem<br />

Gegenbericht zieht sich jedoch bis ins Jahr 1782. Zwischenzeitlich haben Hanna<br />

und ihr Mann Isaac Herz Fuld just vor der Insinuation der Appellationseinreichung<br />

auswärts, in der Frankfurt nahe gelegenen jüdischen Gemeinde in<br />

Niederursel, 69 geheiratet, wofür sie wegen des Ignorierens der Rechtshängigkeit<br />

des Verfahrens jeweils eine Mark Silber als Verwaltungsstrafe des Reichshofrats<br />

an den kaiserlichen Fiskus zahlen müssen. Daraufhin wird die Appellation der<br />

Baumeister per Reskript abgeschlagen, somit de facto für Hanna entschieden.<br />

Sowohl der Magistrat als auch die Baumeister werden ernstlich verwarnt. Eine<br />

Stättigkeitsliste von 1802 ergibt ebenfalls, dass das Ehepaar Isaak Hertz und<br />

Hanna Fuld letztlich doch in die Stättigkeit aufgenommen wurde, da sie dort<br />

als im Haus zum weisen Stern wohnhaft angegeben werden. 70 Sie stirbt ein Jahr<br />

später am 14. Juli 1803, während Isaak Herz Fulda 1804 noch einmal heiratet<br />

und erst 1814 verstirbt.<br />

F20 „Zu Franckfurth gesamte Judenschaft contra Moses Salomon Sichel und<br />

den Schöffenrath daselbst – Appellationis pto widerrechtlich eingestandene<br />

Stättigkeit“ 71<br />

Der bereits seit ca. September 1777 mit der Tochter des Alexander Rindskopf<br />

verheiratete Sohn des 1776 verstorbenen Baumeisters Salomon Sichel, Moses<br />

Salomon Sichel, 72 möchte unter die 12 Ehepaare, die jährlich in die Stättigkeit<br />

aufgenommen werden können, vorgeschlagen werden. Anstatt seiner<br />

htm (letzter Abruf 20.12.2011) und Eintrag Häuser – Weisser Stern, URL: http://www.judengasse.de/dhtml/H171.htm<br />

(letzter Abruf 20.12.2011).<br />

69 Carow, Walter: Zur Geschichte der Gemeinde Niederursel, in: Jüdische Familienforschung, Jg.<br />

14 (1937), Bd. III, H. 48, S. 905. Arnsberg, Paul: Bilder aus dem jüdischen Leben im alten Frankfurt,<br />

Frankfurt am Main 1970, S. 84.<br />

70 Stättigkeitsliste abgedruckt bei Arnsberg, Paul: Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der<br />

Französischen Revolution, 3 Bde., Darmstadt 1983, S. 156–256, hier S. 162.<br />

71 HHStA, RHR, Decisa K 2139.<br />

72 Mosche Salman Sichel, Sohn des gabbai [Vorstand der Kassenverwaltung der Gemeinde] Zalman<br />

Kalman Sichel (gest. 7. Mai 1776) und der Sorle, Tochter des Amsel Kulpe (gest. 8. März<br />

1765), starb am 9. November 1815. Er heiratete – so der Eintrag Ettlingers – um 1780 Jentle,<br />

genannt Jette, (gest. 17. Juli 1812), Tochter des Sender Rindskopf. Er hatte zwei Söhne: Salman<br />

Sichel (gest. 4. August 1845) und Amschel, der als Ellenwaren-Kramhändler 1824 in der<br />

Bürgerrechtsliste gelistet wird. Moses Sichel selbst war eingeschrieben in das Haus Kranich.<br />

CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 25, Eintrag: Mose Sichel 1815/XI/9, o.F. FStA,<br />

S6a/60C14, Eintrag: Mose Sichel 1815/XI/9, o.F. Das von Ettlinger geschätzte Hochzeitsdatum<br />

139


schlagen die Baumeister aber den Sohn eines anderen Baumeisters, Samuel<br />

Juda Schuster, 73 vor, obwohl dieser nach Sichel geheiratet habe und Sichel der<br />

Meinung ist, er müsse diesem gerechterweise vorgezogen werden. Als Begründung<br />

wird seitens der Baumeister angegeben, dass sie Sichel für untüchtig<br />

halten, weil von seinem verstorbenen Vater noch Gemeindeabgaben ausstünden<br />

und er sich ungesittet gegenüber den Baumeistern verhalten habe. Zwar<br />

habe Sichel bereits einen Teil der ausstehenden Abgaben bezahlt, beim Tod des<br />

Vaters habe sich jedoch herausgestellt, dass dessen Vermögen höher gewesen<br />

sei als angegeben, entsprechend falle eine Nachzahlung an. Sichel klagt beim<br />

Schöffenrat, dass er Vorrecht vor Schuster habe, auch keine Eltern habe, durch<br />

die er Nahrung bekäme und die höchste Schatzung übernehmen wolle. Seine<br />

Aussenstände seien alle bezahlt, andernfalls hätte er gar nicht heiraten können,<br />

und auch seine Geschwister 74 seien bereits alle in die Stättigkeit aufgenommen<br />

worden, ohne sich derlei Forderungen gegenüber zu sehen. Die Baumeister<br />

hätten ihm auf zehnmaliges Nachfragen auch zunächst versprochen, ihn unter<br />

die zwölf neu Aufzunehmenden zu zählen, hätten dann aber doch den Schuster<br />

genommen. Die angeblichen Beleidigungen seien erfunden, vielmehr rühre der<br />

Hass des Baumeisters Schuster daher, dass Sichels verstorbener Vater ihm seine<br />

Stimme bei der Baumeisterwahl nicht gegeben habe. Der Rat erlässt ein Dekret,<br />

dass Sichel vor Schuster in die Stättigkeit aufgenommen werden müsse – die<br />

Baumeister legen dagegen im Frühjahr 1779 Appellation beim Reichshofrat ein,<br />

da unbefugterweise in ihr stättigkeitsgeschütztes Vorschlagsrecht zur Mitgliederaufnahme<br />

eingegriffen werde. Der Reichshofrat erlässt ein Schreiben um<br />

Bericht an den Frankfurter Magistrat, der auch recht rasch einkommt, sechs<br />

Jahre später erfolgt jedoch erst der Gegenbericht der Baumeister trotz jährlicher<br />

Termineinforderung des Magistrats. 1786 vergleichen sich die Parteien, wobei<br />

kann jedoch nach Ausweis der reichshofrätlichen Akten nicht stimmen, die Ehe muss bereits<br />

1777 oder früher geschlossen worden sein.<br />

73 Shmul Juda Schuster, war, wie es auch die reichshofrätlichen Akten ausweisen, Sohn des parnas<br />

[Gemeindevorstehers] Juda Schuster-Öttingen zur Kanne (gest. 16. Juli 1782) und der Hewle<br />

(gest. 11. Dezember 1792), Tochter des Model Hase. Offenbar tat der Prozess seiner Aufnahme<br />

in die Stättigkeit keinen Abbruch. Er heiratete am 11. November 1777 seine Frau Jidchen (gest.<br />

5. Juni 1840), Tochter des Mose Hamburg, mit er sieben Söhne und eine Tochter hatte: Juda<br />

(gest. 25. Februar 1838), Model (gest. 17. März 1847), Josef (gest. 18. November 1858), Lemle<br />

(geb. 9. Januar 1792, heiratete auswärts), Hers (geb. 16. Januar 1794, heiratete auswärts), Jacob<br />

(geb. 1. April 1780, gest. 6. Juni 1795 ohne Beerdigungsvermerk), Samuel Moritz (geb. 5. Februar<br />

1805) und Henriette (gest. 10. Dezember 1854), Ehefrau des Zalman Hamburg. Er selbst starb<br />

am 18. Januar 1805, erlebte also die Geburt seines jüngsten Sohnes Jacob nicht mehr. Die Familie<br />

war eingeschrieben in das Haus Lilie. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 24, Eintrag:<br />

Shmul Juda Schuster, 1805/I/18, o.F.<br />

74 Er hatte laut Eintrag seines Vaters vier Brüder, von denen einer, Shmul (gest. 22. April 1748),<br />

bereits als Kind starb. Die drei anderen Brüder waren Jozle Sichel zum Schlüssel (gest. 1. August<br />

1798), Juda Sichel zur goldenen Arche (gest. 30. März 1809) und Majer Sichel zur goldenen Leiter<br />

(gest. 13. April 1810). CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 22, Eintrag: Zalman<br />

Kalman Sichel, 1776/V/7, o.F.<br />

140


nicht erwähnt wird, in welcher Form. Wie Hanna Ursel findet sich aber auch<br />

Moses Salomon Sichel mit seiner Frau Jentle, wohnhaft im Haus zur Engen<br />

Tür und Kranich, in der Stättigkeitsliste von 1802, er wurde also offensichtlich<br />

letztlich aufgenommen. 75 Mit der Vergleichsanzeige wird der Prozess am<br />

Reichshofrat eingestellt, obwohl aus dem Votum des Referenten hervorgeht,<br />

dass man seitens des Reichshofrats durchaus geneigt gewesen wäre, die Position<br />

der Baumeister zu bekräftigen.<br />

F21 „Arnsteiner, Wolf Isaac Schutz- und Handelsjud zu Franckfurth am Mayn<br />

contra den Schöffenrath daselbst – Appellationis dessen Widerkehr und<br />

Stättigkeit betr.“ 76<br />

Der aus Wien gebürtige, seit dem 16. Januar 1764 in der Frankfurter Stättigkeit<br />

stehende Wolf Isaac Arnstein(er) 77 (Haus zum weissen Ring) hält sich, nach<br />

dem Tod seiner Frankfurter Ehefrau Rebecca, mit seinem noch unmündigen<br />

Kind seit einigen Jahren geschäftlich in Frankreich auf. Sein Vermögen in<br />

Frankfurt wird derweilen von seinem Neffen Isaac Raphael Sinßheim 78 ver-<br />

75 Arnsberg, Paul: Die Geschichte der Frankfurter Juden, S. 175.<br />

76 HHStA, RHR, Decisa K 334.<br />

77 Der aus Wien stammende Wolf Itsek Arnstein, hatte wohl während seiner 1763 geschlossenen<br />

Ehe mit Rifke (gest. 3. September 1771 in Steinheim a.M.), Tochter des parnas und stadlan<br />

[Gemeindevorstehers und -fürsprechers] Zussel Kulpe zur goldenen Zange, in Frankfurt gewohnt.<br />

Er war Spross der berühmten Wiener Hofjudenfamilie Arnstein, sein Vater war Itsek<br />

(Isaak) Arnstein, und auch er selbst kehrte zumindest vor 1812 dorthin zurück. Er heiratete<br />

dort in zweiter Ehe Veronika (gest. 1805), Tochter des Michael Simon. In Frankfurt war er, wie<br />

es auch die reichshofrätlichen Akten ausweisen, im Haus weisser Ring eingeschrieben, gab seine<br />

Stättigkeit dann aber offenbar auf, da er 1812 nicht unter den Juden war, die das Frankfurter<br />

Bürgerrecht erlangten. Das unmündige Kind, von dem in den Akten die Rede ist, wird in den<br />

Frankfurter innerjüdischen Quellen nicht erwähnt, auch nicht im Eintrag Rifkes. CAHJP, P237,<br />

Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. ohne Bandangabe, Eintrag: Rifke, 1771/IX/3, o.F. und CAHJP,<br />

P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 26, Eintrag: Wolf Itsek Arnstein, 1821/XI/22, o.F.<br />

78 Der Lotteriedirektor Itsek zum Schiff Sinzheim war der um 1748 geborene Sohn des Refoel zu<br />

Sinzheim und der Eleonore Arnstein, Schwester des Wolf Isaak Arnstein. Er heiratete am 1767<br />

Gutle (gest. 4. Juli 1796), Tochter des Mose Scheuer und Schwester des parnas [Gemeindevorstehers]<br />

Amschel Moyses Beyfuß, der an zumindest vier Reichshofratsverfahren der Gemeinde<br />

als Baumeister beteiligt war (F25, F26, F27, F29). Die beiden Töchter des Ehepaars, Edel (gest.<br />

26. Dezember 1789) und Githe (gest. 17. Mai 1772) verstarben beide im Kindesalter. Ein Jahr<br />

nach dem Tod von Gutle heiratete er Fleurette aus Nancy (gest. 19. September 1817), Tochter<br />

des Elchan, mit der er die Tochter Fanny (geb. 1787, gest. 9. Februar 1827), Ehefrau des Johann<br />

Bodenstal, hatte. Es wäre nahe liegend, dass Wolf Isaak Arnstein diese Ehe arrangierte, der sich<br />

just zu diesem Zeitpunkt in Frankreich befand, wie es die reichshofrätlichen Akten ausweisen.<br />

Die Familie, zunächst eingeschrieben in das Haus Schiff und mit Geschäftslokal im Hekdesh<br />

[Arial des Hospitals und Armenhaus der Gemeinde], konvertierte jedoch 1793 und wurde 1794<br />

ins Frankfurter Bürgerrecht aufgenommen. Isaac Sinzheim starb am 29. Oktober 1815 im Alter<br />

von 66 Jahren. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 25, Eintrag: Itsek zum Schiff<br />

Sinzheim, 1815/X/29, o.F. und CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 23, Eintrag: Amschel<br />

Moyses Beyfuß, 1796/VII/4, o.F.<br />

141


waltet. 1778 erlässt der Schöffenrat auf Veranlassung des Schatzungsamts zwei<br />

Dekrete, die seine Rückkehr binnen Jahr und Tag anordnen. Andernfalls werde<br />

eine Decimation, also Besteuerung, seines Vermögens vorgenommen. Dagegen<br />

appelliert Arnstein am Reichshofrat, mit dem Verweis auf ein am Reichshofrat<br />

anhängiges Verfahren der Baumeister gegen den Frankfurter Magistrat in<br />

puncto Abzugsgelder 79 als Grundlage. Es ergeht in diesem Falle kein Re skript<br />

um Bericht, das Verfahren kommt nach der Appellationsschrift zunächst zum<br />

Erliegen. Fünf Jahre später wird die Klage zurückgezogen – offensichtlich hatte<br />

man eine gütliche Lösung gefunden, wonach Arnstein seine Stättigkeit behalten<br />

konnte, er befindet sich ebenfalls 1802 noch unter den verzeichneten Stättigkeitsjuden.<br />

80<br />

F22 „Zu Frankfurth gemeine Judenschaft contra Den Magistrat und das Rechneyamt<br />

daselbst – Pto. widerrechtlich verbottenen – und eingeschränkten<br />

Victualien- und Holzeinkauf “ 81<br />

Laut Stättigkeit dürfen die Frankfurter Juden sowohl Holz (weil nicht in<br />

der Stättigkeit geregelt) als auch Viktualien, d.h. Kraut, Rüben, Zwiebeln,<br />

Knoblauch, Obst etc. zu jeder Tageszeit „frühe und spat“; Fisch, Eier, lebendiges<br />

Vieh jedoch zur Sommerzeit erst nach sieben, im Winter nach acht<br />

Uhr einkaufen, da den christlichen Frankfurter Bürgern ein Vorzugsrecht<br />

eingeräumt wurde. 1781 erlässt der Magistrat ein Dekret, dass die Frankfurter<br />

Juden Viktualien und Holz im Sommer nach 9, im Winter erst nach 10 Uhr<br />

und auf zwei Stunden eingeschränkt kaufen dürfen, damit es den Christen<br />

wieder möglich sei, vor den Juden einzukaufen. So sei es ursprünglich in<br />

der Stättigkeit gedacht gewesen, mittlerweile würden aber die Märkte später<br />

beginnen, so dass dieses Vorzugsrecht der Christen de facto nicht zum Tragen<br />

komme. Die Baumeister appellieren gegen diese städtische Verordnung am<br />

Reichshofrat. Zunächst wird auf ein Schreiben um Bericht erkannt, nach<br />

Erstattung von Bericht und Gegenbericht ergeht ein kaiserliches Reskript, das<br />

die Verordnung des Magistrats kassiert, denn man betrachte die städtischen<br />

Verordnungen als Eingriff in die kaiserlich privilegierte Stättigkeit, deren<br />

Änderung allein dem Kaiser zustehe.<br />

79 F1, HHStA, RHR, Obere Registratur K 277.<br />

80 Arnsberg, Paul: Die Geschichte der Frankfurter Juden, S. 157.<br />

81 HHStA, RHR, Decisa K 2139.<br />

142


F23 „Zu Frankfurt gemeine Judenschaft contra Mayer Michael David und der<br />

Magistrat zu F[rank]furth – Appellationis die bey 200 Reichsthalern Straf<br />

beschehene Verbietung des Schulbannes bey Eintreibung der gemeinen<br />

Anlagen und Schulden betr.“ 82<br />

David Michael Mayer 83 hat zwei halbe Häuser in Frankfurt (zur Klock, zum<br />

Knoblauch), lebt aber, nach Angaben seines Verwalters, nunmehr seit längerem<br />

in Hannover und will bzw. soll auch, laut Magistrat, seine Häuser vermieten.<br />

Da er aber noch ausstehende Gemeindeschulden von 1330 Rthl. hat,<br />

soll er diese, laut den Baumeistern, erst bezahlen, bevor die Häuser vermietet<br />

werden dürfen. Da er dies nicht tut, werden seine Häuser um 1782 mit dem<br />

Bann belegt, d.h. kein Gemeindemitglied darf sie mehr mieten. Auch der von<br />

Mayer eingesetzte Verwalter seines Vermögens in Frankfurt, Jacob Emden, 84<br />

wird durch diesen Bann in seiner Tätigkeit behindert. Dieser klagt daher<br />

in seinem und im Namen Mayers beim Schöffenrat um die Aufhebung des<br />

Bannes. Ein erstes Bannverbot-Dekret bei Strafe von 50 Rthl. des Schöffenrats<br />

wird dem Baumeister Geyer insinuiert, der, laut Angaben der Baumeister,<br />

dies jedoch seinen übrigen Baumeisterkollegen nicht mitteilte, wodurch sie<br />

keine Kenntnis über das Verbot erlangen konnten. Von den Eingaben der<br />

Baumeister unberührt, verbietet der Schöffenrat noch einmal den Bann in<br />

seinem Definitivdekret bei einer noch höheren Strafe von 200 Rthl., außerdem<br />

82 HHStA, RHR, Decisa K 2139.<br />

83 David Michael Mayer (gest. 27. Juli 1799), Sohn eines Hannover Kammeragenten, war selbst<br />

kein Frankfurter Jude, jedoch seine Frau Hendle (gest. 5. Oktober 1761), Tochter des parnas<br />

[Gemeindevorstehers] Elje Reuse-Bingen, die er 1739 heiratete und nach Hannover holte. Von<br />

ihrem Vater erbte das Paar offenbar einen Teil des Hauses zum Knoblauch, außerdem waren sie<br />

noch in das Haus zur Glocke (Klock in den reichshofrätlichen Akten genannt) eingeschrieben.<br />

Ettlinger bemerkt dazu: „Auffallend ist nur, dass trotz d. 32jährigen Steuerzahlung die Eheleute<br />

sonst nicht in Frft. vorkommen. Doch kam es öfters vor, dass z. Erhaltg. der frkftr. Stättigkeit<br />

auswärts Wohnende die Steuerzahlung fortsetzten.“ CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele<br />

Toldot. Bd. 20, Eintrag: Elje Reuse-Bingen, 1749/IV/14, o.F. David Michael Meyer ist somit ein<br />

Beispiel für einen als Frankfurter Juden in die Stättigkeit eingeschriebenen, aber tatsächlich<br />

nicht in Frankfurt lebenden Juden, wie in Kapitel I.1.c beschrieben.<br />

84 Vermutlich handelt es sich dabei um den Lotteriekollekteur Jakef Emden, Sohn des Jakef Emden<br />

zum Lamm (gest. 14. Februar 1721) und der Gutle (gest. 28. Mai 1750), Tochter des Jakef Schloss.<br />

Er heiratete um 1754 Tajche (gest. 27. September 1789), Tochter des Dewle Flasche und Witwe<br />

des Awrom. Mit ihr hatte er 8 Kinder: Manche (Manasse) Emden zur goldenen Stelze (gest.<br />

30. Juli 1809), Jajjem Emden zum Springbrunnen (gest. 24. Februar 1817), Shmul Emden zur<br />

goldenen Kanne (gest. 28. August 1822), Mose Emden zur goldenen Ente (23. Oktober 182?), Fajs<br />

Emden zur goldenen Ente (gest. 7. September 1831), Awrom Emden (gest. 4. Mai 1838), Zimlen<br />

(gest. 26. September 1764), der als Kind starb, und Gutle (gest. 2. April 1784). Eingeschrieben<br />

war Jakob Emden in das Haus Lamm sowie in eine Wohnung im Haus gelber Ring. 1786 soll er<br />

wegen Überschuldung in Haft gewesen sein, auch gegen seine Söhne Manasse und Faist sei Haftbefehl<br />

ergangen. Möglicherweise ist es daher kein Zufall, dass das Verfahren am Reichshofrat<br />

zu diesem Zeitpunkt zum Erliegen kam, sondern durch die Haft Emdens bedingt. Nur wenige<br />

Jahre später, am 10. November 1792 starb Jakob Emden. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele<br />

Toldot. Bd. 23, Eintrag: Jakef Jakef Emden, 1792/XI/10, o.F.<br />

143


auch den Bann gegen einen anderen Juden, Gottschalk Moses Levi, der jedoch<br />

nicht in das Verfahren involviert ist. Daraufhin reichen die Baumeister im<br />

Frühjahr 1783 beim Reichshofrat die Appellation ein. Es ergeht ein Schreiben<br />

um Bericht, dessen Zustellung jedoch über drei Jahre aussteht. 1786 kommt<br />

es zu einem nicht näher beschriebenen Vergleich, über den der Prozess zum<br />

Erliegen kommt.<br />

F24 „Wertheimer Zacharias, als Samson Wertheimerischer Stiftungs Administrator<br />

zu Frankfurt contra Die Juden Baumeister und den Magistrat als<br />

Judicem a quo – Appellationis die Einberufung eines Lehrers zur Wertheimerischen<br />

Stiftungsschule betr.“ 85<br />

Die Erben des Wiener Hoffaktors Samson Wertheim unterhalten verschiedene<br />

Stiftungen, u.a. in Frankfurt eine Schule mit zugehörigen Wohnplätzen<br />

für Schüler und Lehrer, die so genannte Klaus Synagoge und Schule. 86<br />

Zacharias Wertheim 87 hat als Administrator der Wertheimischen Stiftung<br />

einen auswärtigen Rabbiner namens Isaac Zacharias Fränckel 88 (ein Urenkel<br />

Samson Wertheims, gebürtig aus Fürth, wohnhaft in Brandeis in Böhmen<br />

[heute Brandýs nad Labem in Tschechien]) als Lehrer an die Stiftung<br />

berufen. Als Fränckel bereits auf der Reise nach Frankfurt ist, legen die<br />

85 HHStA, RHR, Obere Registratur K 461/1.<br />

86 Die offizielle Zacharias Wertheim Stiftung wird unter den Frankfurter jüdischen Stiftungen erst<br />

im 19. Jahrhundert aufgeführt, mit offizieller Gründung 1888. Es handelt sich aber hierbei um<br />

die Fortführung oder Wiederbelebung der Wertheimischen Stiftungsschule des 18. Jahrhunderts,<br />

denn – so schreibt Arnsberg – „120.000 Mark für die Wiedererrichtung der von seinen<br />

Ahnen gegründeten, in Verfall geratenen „Klaus“ (Beth-Hamidrasch)“, Arnsberg, Paul: Die Geschichte<br />

der Frankfurter Juden, S. 136. Siehe auch Schiebler, Gerhard/Lustiger, Arno: Jüdische<br />

Stiftungen in Frankfurt am Main: Jüdische Stiftungen in Frankfurt am Main, Biographischer<br />

Teil mit Kurzbiographien jüdischer Stifter, Politiker und Mäzene. Sachteil mit der Beschreibung<br />

von Stiftungen, Organisationen, Vereinen und Schenkungen, Frankfurt am Main 1988, S. 234.<br />

87 Zecharje Wertheim war Sohn des Isaak Wertheim aus Wien, Enkel des Shmul Simson Wertheim<br />

und Urenkel des berühmten Hofjuden Simson (Samson) Wertheim. Er heiratete in erster Ehe<br />

Rehle (gest. 27. Februar 1769), die Witwe des Mose Harheim von Hannover, in zweiter Ehe dann<br />

um 1777 Frommet (gest. 7. Oktober 1826), Tochter des Michel Speyer. Er hatte zwei Söhne und<br />

fünf Töchter: Jechjel Wertheim zum roten Turm, der später nach Wien verzog, Wolf Wertheim<br />

(gest. 17. Oktober 1844), Jachet (gest. 17. April 1815), Frau des Zeligmann Bamberg, Jette (gest.<br />

17. April 1815), Ehefrau des Bankier Herz in Hamburg, Tsimi (gest. 5. Oktober 1842), Ehefrau<br />

des Isaac Regensburg sowie, nach dessen Tod, des Simon Baruch (später Siegmund Börne), dann<br />

des Hermann Sugenheim, Seijnle (gest. 21. März 1854), Ehefrau des Nerdche Königswerth, Leonore<br />

(gest. 7. März 1862), Ehefrau des Philipp Cohen, Hanchen (gest. 1. Januar 1860), Ehefrau<br />

des Israel Wallach. Zacharias Wertheim selbst war eingeschrieben ins Haus roter Turm. Er starb<br />

am 3. September 1808. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 24, Eintrag: Zecharje<br />

Wertheim, 1808/IX/3, o.F.<br />

88 Zu seiner Person und seinem Verbleiben konnten vorläufig keine genaueren Informationen gefunden<br />

werden, nach Frankfurt kam er aber offenbar auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt.<br />

144


Baumeister beim Schöffenrat Klage ein, man wolle seitens der Gemeinde<br />

keinen fremden Lehrer samt Familie zu dieser Stelle berufen lassen, da genügend<br />

fähige einheimische Lehrer vorhanden seien. Der Schöffenrat erlässt<br />

entsprechend 1787 ein Dekret, worin er die Berufung des fremden Lehrers<br />

verbietet. Fränckel bleibt währenddessen auf Stiftungskosten in Offenbach<br />

und wartet auf den Entscheid. Der Administrator Wertheim appelliert<br />

daraufhin am Reichshofrat, denn der Stiftungsbrief sehe als Auflage vor,<br />

Verwandte mit den Stiftungspositionen zu versehen – dies sei auch schon<br />

zuvor im Falle des jüngst verstorbenen Lehrers Jakob Baß geschehen. Falls<br />

dies künftig nicht mehr möglich sein sollte, wäre man seitens der Stiftung<br />

gewillt, die Frankfurter Niederlassung zu schließen bzw. an einen anderen<br />

Ort zu verlegen. Der Reichshofrat lässt ein Schreiben um Bericht ergehen,<br />

dieser wird jedoch erst zwei Jahre später vom Magistrat eingebracht. Die<br />

Baumeister agieren in der zweiten Instanz nicht selbst, sondern werden vom<br />

Magistrat vertreten, wobei dessen Hauptkritikpunkt jedoch darin besteht,<br />

dass man städtischerseits von der Existenz dieser Stiftung gar nichts gewusst<br />

habe, was den Baumeistern als Verletzung der Meldepflicht zu Last gelegt<br />

wird. Letztendlich gibt die Stiftung nach, wenngleich sie sich ein anderes<br />

Vorgehen in Hinkunft vorbehält. Ein Lehrer aus Frankfurt wird auf die<br />

Stelle berufen, entsprechend erfolgen am Reichshofrat Vergleichsanzeige<br />

und Niederlegung des Verfahrens.<br />

Zu diesem Verfahren findet sich im Frankfurter Stadtarchiv der bereits<br />

in Kapitel II erwähnte Briefwechsel des Frankfurter Stadtsyndicus mit dem<br />

Magistrat, der über zumindest zwei mündliche Besprechungen zwischen dem<br />

Agenten und dem zuständigen Referenten am Reichshofrat Steeb Auskunft<br />

gibt. 89 Darin bedeutete man der Stadt von Seiten des Reichshofrats, dass man<br />

deren aggressives Vorgehen gegen die jüdische Stiftung nicht schätze, man<br />

„glaubt in diesem Bericht einige Gehäßigkeit gegen Appellanten um so mehr<br />

zu finden“. 90 Man wünsche solche Bildungseinrichtungen vielmehr zu unterstützen,<br />

der Magistrat möge sich daher zukünftig zurückhalten, andernfalls<br />

könne ihm dies einen Verweis wegen policeylicher Aufsichtspflichtverletzung<br />

einbringen. Letztlich wird sogar eine außergerichtliche Vergleichslösung<br />

vorgeschlagen, die das Stiftungsrecht der Wertheimer Familie gewahrt hätte,<br />

jedoch kommt es offensichtlich bereits zuvor zu dem oben beschriebenen<br />

Vergleich zwischen den Baumeistern und Zacharias Wertheim.<br />

89 Die Schreiben sind transkribiert in die Fallanalyse im Anhang eingefügt.<br />

90 FSTA, Juden Akten 199 (Ubg D 33 N 199), o.F.<br />

145


F26 „Der Judenschaft zu Franckfurth im Monath stehende Bau- und Kastenmeister<br />

contra Der Schöffenrath daselbst – Appell[ationis] den in geringfügigen<br />

Sachen auferlegten Zeugeneid bey der grossen Thora betr.“ 91<br />

Diesem Appellationsverfahren geht ein Prozess zwischen den Privatparteien<br />

David Jakob Wohl, 92 Garkoch, und Isaak Buchsbaum, 93 Pächter der jüdischen<br />

Backöfen auf dem gemeindeeigenen Bleichgarten, voraus. Da am Sabbat nicht<br />

gekocht werden darf, wird von Wohl das Essen an die Haushalte geliefert. Die<br />

Baumeister legen den Pächter auf 10 Heller/2,5 Kr pro Topf als Pacht fest. Es<br />

entsteht ein Streit zwischen Wohl und Buchsbaum, weil Wohl mit weniger,<br />

aber dafür größeren Töpfen koche, und für diese seine 10 Heller pro Topf beim<br />

Pächter abliefere, tatsächlich aber viel mehr einnehme. Daher geben ihm die<br />

Baumeister auf, 5 Kr. pro Topf an Buchsbaum abzugeben, worauf Wohl gegen<br />

Buchsbaum vor dem Schöffenrat klagt. Die Baumeister werden als Zeugen<br />

geladen und sollen den Zeugeneid „in der Judenschul auf die Thora“ schwören,<br />

was sie aber „wegen so einer geringfügigen Sache“ nicht tun wollen, weil sie<br />

auch so die Wahrheit sagen würden, das würde schon ihr Amt und ihr Amtseid<br />

erfordern. Daraufhin ergeht 1786 ein Schöffenratsdekret, das sie zum Eid<br />

zwingt. Die Bau- und Kastenmeister appellieren an den Reichshofrat, da sie<br />

laut Stättigkeit bei einer so geringfügigen Sache, bei der es um eine Summe<br />

von 6fl. jährlich gehe, nicht zum Eid gezwungen werden dürften. Dies würde<br />

innerhalb der Gemeinde den Eindruck erwecken, „daß man den Bau, und<br />

Kastenmeistern ohne Eid nicht glaube, und daß ihr Amt keine Achtung ver-<br />

91 HHStA, RHR, Decisa K 2140/6.<br />

92 David Jacob Wohl oder Dowid Jokkel Wol war Sohn des Jokkel Wol zum goldenen Helm (gest.<br />

30. März 1772) und der Brendle, Tochter des Lejb schwarz Schild, (gest. 16. April 1790). Er heiratete<br />

um 1786 Jidche (gest. 15. Mai 1808), Tochter des Lejb Günzburg, mit er zwei Kinder hatte:<br />

Jokkel (gest. 15. Juli 1810), der als Kind starb und Charlotte (gest. 16. März 1830). Er starb 73jährig<br />

am 1. Juli 1811. Er war eingeschrieben ins Haus goldner Helm und in eine Wohnung im Haus<br />

goldner Anker. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele Toldot. Bd. 24, Eintrag: Dowid Jokkel Wol,<br />

1811/VII/1, o.F.<br />

93 Es war nicht eindeutig zu bestimmen, ob es sich bei Isaak Buchsbaum um (1) Ajzek Hajem<br />

Buchsbaum oder (2) Ajzek Aberle Buchsbaum Unna handelte. Beide Personeneinträge werden<br />

daher angegeben: (1) Ajzek Hajem Buchsbaum war Sohn des Hajjem Halle zum Buchbaum (gest.<br />

4. Dezember 1816) und der Edel, Tochter des Ajzek Hahn (gest. 25. Dezember 1830). Er war<br />

eingeschrieben ins Hinterhaus Buchsbaum und starb unverheiratet am 13. Juni 1800. (2) Ajzek<br />

Aberle Buchsbaum war Sohn des Aberle Buchsbaum zum Diamant (gest. 9. Oktober 1740) und<br />

der Hindche (gest. 26. Februar 1784), Tochter des Lejb Kette. Er heiratete in erster Ehe 1766<br />

Hindle (gest. 5. Juni 1768), Tochter des Lemle Flörsheim, in zweiter Ehe 1770 Jidle (gest. 23. Oktober<br />

1777), Tochter des Nosen Kulpe. Er hatte drei Töchter: Rejdelche (gest. 3. Januar 1817),<br />

Ehefrau des Zelkle Schuster, Sorle (gest. 17. Mai 1800) und Gittelche (gest. 30 September 1814).<br />

Er war eingeschrieben ins Haus Diamant und starb am 10. Februar 1808. Ettlinger vermerkt, er<br />

sei Ajzek Unna gerufen worden, was dafür spricht, das (1) Ajzek Hajem Buchsbaum vermutlich<br />

die in den reichshofrätlichen Akten erwähnte Person ist. CAHJP, P237, Ettlinger, Shlomo: Ele<br />

Toldot. Bd. 24, Eintrag: Ajzek Hajem Buchsbaum, 1800/VI/13, o.F. bzw. CAHJP, P237, Ettlinger,<br />

Shlomo: Ele Toldot. Bd. 24, Eintrag: Ajzek Aberle Buchsbaum Unna, 1808/II/10, o.F.<br />

146


diene, die Juden würden sich an sie nicht mehr kehren, sie gering schätzen, und<br />

dann auch keiner mehr das so beschwerliche, und nichts eintragende Bau- und<br />

Kastenmeisteramt annehmen wollen“. 94 Der Reichshofrat erlässt ein Schreiben<br />

um Bericht, dieser wird jedoch erst 1789 eingereicht. Darin argumentiert der<br />

Magistrat zunächst für den Kläger Wohl, dass bewusst solche Bau- und Kastenmeister<br />

als Zeugen benannt worden seien, die besondere Feindschaft gegen<br />

den Kläger hegten und „wo sie nur könnten, ihn zu kränken befliessen wären“.<br />

Außerdem gelte der Zeugeneid für alle Personen unabhängig von ihrem Amt.<br />

Die Appellation wird daraufhin 1791 abgeschlagen.<br />

F28 „Zu Frankfurth Bau- und Kastenmeister der gemeinen Judenschafft contra<br />

Den Magistrat der Reichsstadt Frankfurth – Die Verbietung des Schulbanns<br />

gegen saumselige Gemeindsgläubiger, dann die Ausfertigung der<br />

Chelude betr.“ 95<br />

Der Magistrat habe, so die Baumeister, in mehreren Fällen gerichtlich die Aufhebung<br />

des Bannes und/oder die Ausfertigung der Chaluta erzwungen. Man<br />

bezieht sich dabei auf die teils noch anhängigen Verfahren gegen Geiß und<br />

Krähmer, 96 Michael David Mayer 97 und Isaac Salomon Wallich, 98 bei denen sich<br />

der Magistrat eingeschaltet und die Herausgabe der Chaluta sowie, im Falle<br />

Mayers und Wallichs, die Aufhebung des Bannes angeordnet hatte. Ergänzend<br />

zu diesen Appellationen eröffnet man nun zusätzlich ein erstinstanzliches Verfahren,<br />

das die Problematik per se thematisiert. Man kommt mit der Bitte um<br />

ein Reskript sine clausula gegen den Magistrat ein, wobei vielfach Versatzstücke<br />

aus den Prozessschriften der genannten Fälle mit einbezogen werden. In der<br />

Anlage befinden sich zwei exemplarische Chalutot in deutscher Übersetzung. 99<br />

Der Prozess kommt bereits nach der Klageschrift zum Erliegen, was mit dem<br />

kurz darauf eingetretenen Tode Josephs II. zusammenhängen könnte, durch<br />

den sich auch das Reichshofratskollegium zunächst auflöste, die Prozesstätigkeit<br />

ans Reichsvikariatsgericht in München verlagert wurde, bis sich unter<br />

Leopold II. ein neues Kollegium konstituierte. 1801 kommt man seitens der<br />

Judenschaft, wie bereits weiter oben erwähnt, wieder in der Sache ein und bittet<br />

um die Zuweisung eines Referenten. Dies bedeutet aber nicht, dass zuvor kein<br />

94 HHStA, RHR, Decisa K 2140/6, S. 6.<br />

95 HHStA, RHR, Obere Registratur K 278/2.<br />

96 Siehe F17 und 18.<br />

97 Siehe F23.<br />

98 Siehe F25 und 27.<br />

99 Die Transkription einer der beiden Chaluta-Urkunden findet sich in der Fallanalyse F28 im<br />

Anhang.<br />

147


Referent bestimmt wurde: Einträge in den Protokollbüchern und eine bereits<br />

vor der Eingabe 1801 erstellte Relation zeigen, dass zuvor Johann Baptist von<br />

Steeb das Verfahren zugeteilt wurde, dieser verstarb jedoch 1800, weshalb nun<br />

um einen neuen Referenten gebeten wurde. Das Verfahren bleibt jedoch nach<br />

diesem Schreiben liegen.<br />

2.b Argumentationsanalytik – Methodische Vorüberlegungen<br />

Die nun folgende Argumentationsanalyse orientiert sich an den zwei inhaltlichen<br />

argumentativen Ebenen, die bei der Lektüre der Prozesseingaben besonders<br />

dominant waren. Dies ist zum einen, wie bei Gerichtsakten zu erwarten,<br />

eine rechtliche, d.h. normativ-deduktive oder normativ-kasuistische Argumentation,<br />

die aus Rechtsquellen die Anwendbarkeit von Rechtssätzen und damit<br />

Rechtswirksamkeit derselben auf die spezifische Verfahrenssituation herleitete.<br />

Hier lassen sich daher verschiedene Rechtskreise und deren je fallspezifische<br />

Gewichtung ausmachen, die von den Parteien zur rechtlichen Legitimation<br />

ihres Handelns herangezogen wurden.<br />

Zum anderen manifestiert sich eine normativ-politische Argumentation,<br />

die über die Konstruktion von Eigen- und Fremdbildern topisch verfestigte<br />

Diskursmuster und gesellschaftliche Wertekomplexe aufrief, um die eigene<br />

Position auf-, die Gegenposition hingegen im – vor allem moralischen – Status<br />

abzuwerten. Deshalb ist neben der Rechtfertigung des eigenen Handelns als<br />

beispielsweise Wahrer der (Gesellschafts)Ordnung, des allgemeinen Besten,<br />

Friedens und Sicherheit, eben auch nach Strategien der Diffamierung und<br />

Diskreditierung der jeweiligen Gegenpartei als beispielsweise tyrannisch und<br />

willkürlich herrschend, subversiv, unmenschlich oder dergleichen zu fragen.<br />

Die Vorannahme topisch verfestigter Argumentationsmuster soll dabei darauf<br />

verweisen, dass diese Argumentationsmuster nicht unbedingt spezifisch für<br />

die hier anzutreffende gerichtliche Kommunikationssituation oder die an ihr<br />

beteiligten Personen beziehungsweise sozialen Gruppen waren, sondern bereits<br />

aus anderen frühneuzeitlichen Kommunikationskontexten heraus bekannt<br />

sind. Von besonderem Interesse ist daher, welche Argumentationsmuster aus<br />

dem zur Verfügung stehenden gesellschaftlich-diskursiven Repertoire jeweils<br />

von wem herausgegriffen wurden, um ein Bild des Eigenen und des Anderen<br />

zu zeichnen und beide im sprachlich-imaginären gesellschaftlichen Gefüge<br />

zu verorten.<br />

Während im nachfolgenden Kapitel die rechtliche Argumentation im<br />

Zentrum der Analyse stehen soll, da der Schwerpunkt auf die Prozesspraxis<br />

des Reichshofrats und die in den reichshofrätlichen Verfahren benutzten<br />

148


Rechtsquellen gelegt wurde, wurden die normativ-politischen Argumentationselemente<br />

dennoch in Kapitel 3.3 exemplarisch für die jüdische Partei<br />

analysiert, um die Zweigleisigkeit der Argumentationsstrategien kenntlich<br />

zu machen. Denn freilich überlagerten sich diese beiden Argumentationen<br />

vielfach, diente die eine zur Verstärkung der anderen und war gerade die Verschmelzung<br />

zugunsten der persuasiven Wirksamkeit beabsichtigt. Dies bereitet<br />

jeder nachzeitigen Analyse, die kategoriale Unterscheidungsebenen einziehen<br />

muss, erhebliche Schwierigkeiten, da sich die idealtypische Abtrennung der<br />

Argumente nur abstrakt, konkret am Text aber nur schwer und kaum trennscharf<br />

durchführen lässt. Wenn daher trotzdem das argumentative Wollknäuel<br />

in seine einzelnen Fäden zerlegen werden soll, um die Argumentationsstrategien<br />

herauszuarbeiten, so birgt die jeweilige Zuordnung der Argumente zu<br />

den einzelnen Kategorien ein hohes subjektives Moment, das gleichwohl nicht<br />

zu umgehen ist.<br />

2.c Formalien des Argumentierens – Rechtsbeibringung<br />

Die moderne Vorstellung, dass in einem Gerichtsverfahren das jeweilig räumlich<br />

und sachlich einschlägige Recht, also beispielsweise das BGB in einem<br />

privatrechtlichen Prozess in Deutschland, sowohl dem Gericht als auch den<br />

anderen Prozessparteien bekannt und in seiner umfassenden alleinigen Rechtsgültigkeit<br />

unbestritten ist, letztere somit auch nicht bewiesen werden muss,<br />

entspricht einem historisch gewachsenen Rechtsverständnis (formales Geltungsdenken<br />

100 ), das für die Frühe Neuzeit (noch) nicht galt. Vielmehr ist das<br />

Neben- und Übereinander verschiedener, teils widersprüchlicher und sich<br />

gegenseitig aussetzender Rechte ein Signum dieser Epoche, dem sich frühneuzeitliche<br />

Gerichte in ihrer diffizil zwischen diesen Rechtskreisen austarierenden<br />

Entscheidungsfindung gegenüber sahen (usuales Geltungsdenken 101 ).<br />

Im Reich betraf dies vor allem das sich aus römischrechtlichen und kanonischen<br />

Wurzeln mit territorial- und gewohnheitsrechtlichen Anreicherungen<br />

zusammengesetzte Gemeine Recht, das ius commune, das nach der humanistischen<br />

Rezeptionsphase durch die zeitgenössische Rechtswissenschaft und<br />

deren usus modernus im 17. und 18. Jahrhundert neu systematisiert und um<br />

Elemente der Gerichtspraxis und damit Rechtsanwendung erweitert wurde. 102<br />

100 Simon, Thomas: Geltung. Der Weg von der Gewohnheit zur Positivität des Rechts. In: Rechtsgeschichte<br />

7 (2005), S. 100–137, hier S. 120–124.<br />

101 Simon, Thomas: Geltung, S. 102, 103.<br />

102 Kroeschell, Karl: Deutsche Rechtsgeschichte, Band 3: Seit 1650, Köln/Weimar/Wien 2005 7 ,<br />

S. 9–12. Schlosser, Hans: Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte. Ein Studienbuch. 7.,<br />

völlig neubearbeitete und erweiterte Auflage, Heidelberg 1993, S. 60–66.<br />

149


Dabei flossen besonders seit dem 17. Jahrhundert zunehmend naturrechtliche<br />

Überlegungen in die Systematisierung vor allem römischen Rechts ein, die die<br />

deduktive Ableitung aus allgemein gültigen Prämissen, aus „obersten Wahrheiten“<br />

als Systematisierungsschlüssel ansetzte. 103 Diesem gemeinrechtlichen<br />

Komplex nun standen zum einen das statutarische ius particulare, also partikulare<br />

Rechte beispielsweise von Territorien, Provinzen, aber auch sozialen<br />

Gruppen, sowie zum anderen das schriftlich nicht fixierte Gewohnheitsrecht,<br />

die consuetudo, gegenüber. 104 Grundsätzlich behielt das Gemeine Recht vor den<br />

großen Kodifikationen des späten 18., beginnenden 19. Jahrhunderts wie dem<br />

ABGB (1812) in Österreich oder dem ALR in Preußen (1794) 105 während der<br />

Frühen Neuzeit dabei subsidiären Charakter, d.h. das partikulare Recht ging<br />

dem universalen, dem Gemeinen Recht an Geltung voran (Subsidiaritätsregel).<br />

Dies konnte freilich gerade für eine soziale Gruppe wie die Juden mit speziellem<br />

Rechtsstatus im Konfliktfall von erheblicher Bedeutung sein. Denn wurde<br />

ein schriftliches partikulares Recht oder aber ein Gewohnheitsrecht z.B. am<br />

Reichshofrat eingebracht, konnte dies durchaus maßgebliche Entscheidungsgrundlage<br />

des richterlichen Urteils werden.<br />

Ein erheblicher Unterschied bestand jedoch in der Beweispflicht. So musste,<br />

aus normativer Perspektive, das schriftlich fixierte Gemeine Recht, vor allem<br />

in seinen römisch-rechtlichen Bestandteilen, und seine Geltung vor Gericht<br />

nicht bewiesen werden – es konnte sowohl als bekannt wie auch als gültig<br />

vorausgesetzt werden, während die Gültigkeit partikularer Rechte oder die<br />

Notorietät von Gewohnheitsrechten eigentlich „bewiesen“ werden musste, 106<br />

ein nicht immer leichtes und unstrittiges Unterfangen, wie sich auch in den<br />

vorliegenden Reichshofratsverfahren zeigen wird. Als besonders einschlägig<br />

soll hier die Habilitationsstudie von Peter Oestmann herangezogen werden,<br />

der die Form der Rechtsbeibringung am Reichskammergericht für die Städte<br />

Lübeck und Frankfurt am Main 1496–1806 untersuchte. 107 Oestmann fasst<br />

dabei vier Arten der Rechtsbeibringung zusammen:<br />

103 Schlosser, Hans: Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 70–90. Stein, Peter G.: Römisches<br />

Recht und Europa. Die Geschichte einer Rechtskultur, Frankfurt am Main 1993, S.156–<br />

159, 176–181. Kroeschell, Karl: Deutsche Rechtsgeschichte, Band 3: Seit 1650, S. 56–59.<br />

104 Schlosser, Hans: Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 1–15, bes. 34f., 67ff. In europäischer<br />

Perspektive und besonders für die Entwicklung und Stellung des Gewohnheitsrechts<br />

Stein, Peter: Römisches Recht und Europa, S. 117–135, 137–140, 142.<br />

105 Schlosser, Hans: Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 91–102, 112–117.<br />

106 Schlosser, Hans: Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 2, 3, 61. Simon, Thomas:<br />

Geltung, S. 114, 115, 120–122.<br />

107 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht. Rechtsanwendung und Partikularrecht im Alten<br />

Reich, Frankfurt am Main 2002.<br />

150


1.) „pauschale Rechtshinweise, […] in denen die Parteien sich ohne nähere<br />

Erläuterung auf das Recht oder auf die Gewohnheit beriefen“ 108<br />

2.) „konkret-individuelle Rechtsbehauptungen […], bei denen die Parteien<br />

Sachverhaltsschilderungen und Rechtsäußerungen untrennbar<br />

miteinander verwoben“ 109<br />

3.) „abstrakt-generelle Rechtsbehauptungen […], bei denen innerhalb der<br />

anwaltlichen Schriftsätze vollständige Rechtssätze formuliert und oftmals<br />

auch mit Belegstellen abgesichert wurden“ 110<br />

a. Nicht belegte Rechtsbehauptungen -„Rechtsbeibringungen ohne<br />

Nennung konkreter Belegstellen oder mit Pauschalhinweisen“ 111<br />

b. Einfach belegte Rechtsbehauptungen – „mit exakter Bezeichnung<br />

der Norm, auf der der behauptete Rechtssatz beruhen sollte“ 112<br />

c. Mehrfach belegte Rechtsbehauptungen – „Rechtssätze, die gleichzeitig<br />

auf mehrere Rechtsnormen zurückgeführt wurden.“ 113<br />

4.) „Übergabe von Rechtstexten an das Gericht“. 114<br />

Diese verschiedenen Abstufungen der abstrakten bis konkreten Rechtsbeibringung<br />

zeigen sich ebenfalls in den hier untersuchten Reichshofratsverfahren,<br />

wobei jedoch kein Verfahren, nicht einmal einzelne Klageschriften auf eine<br />

dieser Rechtsbeibringungsformen festgelegt waren – vielmehr kamen alle diese<br />

Abstufungen ineinander geschoben vor. Insbesondere betraf dies die Verknüpfung<br />

von abstrakt-generellen Rechtsquellen, die im weiteren Verfahrensverlauf<br />

konkret nachgewiesen wurden, mit pauschalen Rechtshinweisen, die im Folgenden<br />

weiter untergliedert wurden. So beispielsweise zu sehen im Falle des<br />

strittigen jüdischen Mehlhandels (F3), in dem die Judenschaft zur Begründung<br />

ihrer Klage u.a. anführt:<br />

„Wie nun dieses allerunterthänigste petitum der Juden Stättigkeit, der<br />

Kayserlichen allergnädigsten Confirmation, dem Natürlichen Völcker<br />

Recht, denen Civil-Rechten und der Uralten Observanz gemäß ist […]“ 115<br />

In diesem Falle werden zunächst zwei sehr konkrete Rechtsquellen genannt<br />

– zum einen die kaiserlich privilegierte Judenstättigkeit von 1616 sowie deren<br />

108 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 66.<br />

109 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 66.<br />

110 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 66.<br />

111 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 77.<br />

112 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 77.<br />

113 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 77.<br />

114 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 66.<br />

115 F3, S. 77.<br />

151


kaiserliche Konfirmation durch den, zu Beginn dieses Verfahrens noch<br />

amtierenden, Kaiser Karl VI. Beide werden im Folgenden nicht nur pauschal<br />

erwähnt, sondern es wird auch direkt im Text aus ihnen zitiert. 116 Weiters werden<br />

pauschal zwei schriftliche Rechtsquellenkomplexe benannt – Naturrecht<br />

und Zivilrecht. Diese werden im weiteren Verfahren durch Verweisstellen aus<br />

juristischer Literatur, so genannte Allegationen, 117 weiter differenziert – so z.B.<br />

wie folgt:<br />

„[…] daß die Freyheit des Gewerbes natürlichen Rechtens, und also nicht<br />

zu restringiren, commercia enim iure gentium ubiq. libera sunt. ›Klock.<br />

cons. 37. n. 306. Richter p.1. Cons. 55. n. 29‹ Sed commerciorum libertas<br />

quibus cunq. modis promovenda; Ad communem enim omnium utilitatem<br />

& salutem pertines exlibertate commerciorum nihil immutari<br />

›Vasquez de Success. §. 29. & Illustr. contorvers. c. 5. n. 15.‹“ 118<br />

„[…] da in vorbesagter der Frankfurther Juden Stättigkeit diejenige Waaren<br />

und Stücke, womit die Juden nicht handlen sollen, Specialiter benahmet<br />

seynd; diese odiosa auf casus non expressos nicht extendirt werden<br />

können ›l. cum quidam 19. ff. de lib. & posth. in odia de Reg. suc.‹ Hinc<br />

in odiosis statutis interpretationes hujus modi & conjectaris desumta,<br />

Locum non inveniunt, sed potius eorum verba stricte accipienda, & ne<br />

latum unquem ab us recedendum. ›Gloss. in cap. cupientes §. quod si de<br />

Elect. in 6. Gloss. & Ddres in auth Quas actiones cod. de sac. sanct. Eccles.<br />

Decius cons. 679. Hartm. Pistor. 1. q pract. 16. n. 23.“ 119<br />

Hier wird bereits die Vermischung oder Verklammerung der von Ostmann<br />

herausgearbeiteten Kategorien in den Quellen sichtbar. Denn es werden in<br />

beiden Zitaten mehrere Rechtsbehauptungen vorgebracht, die auf konkrete<br />

Rechtsquellen zurückgeführt werden, jedoch im ersten Fall in abstrakt-genereller<br />

Form, dass die Freiheit des Gewerbes zu schützen sei, im zweiten Fall<br />

dagegen in konkret-individueller Form bezogen auf die spezielle Situation, dass<br />

in der Frankfurter Judenstättigkeit bestimmte Waren nicht genannt würden,<br />

mit denen daher, wiederum abgeleitet von abstrakt-generellen Rechtsbehauptungen,<br />

der Handel erlaubt sein müsse, weil Verbote für bestimmte Waren<br />

nicht auf andere, nicht ausdrücklich genannte ausgeweitet werden dürften.<br />

116 F3, Stättigkeit S. 49, 50, kaiserliche Konfirmation S. 50, 51, 66, 67 (jeweils die selbe Stelle)<br />

117 Zur Unschärfe des Terminus v.a. in Abgrenzung zum Beweis siehe ebenfalls Oestmann, Peter:<br />

Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 29–32.<br />

118 F3, S. 62, 63. Zur genaueren Aufschlüsselung der zitierten juristischen Literatur siehe Anhang.<br />

119 F3, S. 63, 64.<br />

152


Dabei wird nicht genau unterschieden, woher eine Rechtsbehauptung exakt<br />

stammt. So wird im ersten Quellenauszug beispielsweise weder klar, ob sie nun<br />

aus der Konziliensammlung des Kameralisten Klock 120 (1583–1655) oder der,<br />

das Sächsische Gemeinrecht behandelnden, des Jenaer Professors Richter 121<br />

(1602–1673) zitiert wurde, noch wie nah der Beleg am Text der Rechtsquelle<br />

ist. Vielmehr werden allenfalls sinngemäße Belege angegeben, wie es noch<br />

deutlicher im zweiten Quellenauszug zu erkennen ist. Dort wird eine halb<br />

lateinische halb ins Deutsche übersetzte Digestenstelle 122 angeführt, die sich<br />

jedoch im Kern eigentlich mit Testamentsrecht beschäftigt, und nicht etwa<br />

wortgetreu zitiert wird. 123 Dem folgt eine Rechtsbehauptung, zu deren weitgefächerter<br />

Stützung nicht nur Belegstellen aus den Glossatoren, sondern auch eine<br />

Konziliensammlung des italienischen Rechtswissenschaftlers Philipp Decius<br />

(1454–1536) 124 aus dem späten 15., beginnenden 16. Jahrhundert sowie ein das<br />

römische und sächsische Recht behandelndes Werk von Hartmann Pistor 125<br />

(1543–1601) angeführt werden.<br />

Jedoch sollen hier nicht die juristischen Inhalte von Interesse sein, sondern<br />

es soll vielmehr aufgezeigt werden, wie die verschiedenen Ebenen der Rechtsbeibringung<br />

obgleich zweifellos vorhanden, flexibel miteinander verbunden<br />

wurden und werden durften.<br />

Denn betrachtet man nun noch einmal das erste Quellenzitat mit den sowohl<br />

120 Klock, Kaspar: Consiliorum, 3 Bde., Frankfurt 1649/50. Zur Person siehe Dittrich, Erhard: Art.<br />

Klock(e), Kaspar. In: NDB, Bd. 12, S. 102, 103 und Jacobs, Eduard: Art. Klocke, Kaspar. In: ADB,<br />

Bd. 16, S. 202–203. Pütter, Johann Stephan: Litteratur des Teutschen Staatsrechts, Bd. 1, Göttingen<br />

1776, S. 200.<br />

121 Richter, Christoph Philipp: Consilia et responsa in casibus intricatissimis atque utilissimis, Jena<br />

1665–1668. Zur Person siehe Landsberg, Ernst: Art. Richter, Christoph Philipp. In: ADB, Bd. 28,<br />

S. 455.<br />

122 Diese lautet im Original: „Cum quidam filiam ex asse heredem scripsisset filioque, quem in<br />

potestate habebat, decem legasset, adiecit‚’et in cetera parte exheres mihi erit’, et quaereretur,<br />

an recte exheredatus videretur, Scaevola respondit non videri, et in disputando adiciebat ideo<br />

non valere, quoniam nec fundi exheres esse iussus recte exheredaretur, aliamque causam esse<br />

institutionis, quae benigne acciperetur: exheredationes autem non essent adiuvandae.“ (Dig. 28,<br />

2, 19) Corpus Iuris Civilis, Vol. I. Institutiones et Digesta, bearbeitet von Paul Krueger, Berlin<br />

1908.<br />

123 Oestmanns Ergebnis für die Reichskammergerichtsverfahren bestätigt sich hier in den untersuchten<br />

Reichshofratsverfahren nicht: „Durch Einfachbelege demonstrierten die Parteien, daß<br />

ihre Behauptungen mit der zitierten Stelle wortgleich waren und dort nachgelesen werden konnten.<br />

Bei mehrfach belegten Rechtsbehauptungen war einerseits die Absicherung größer, andererseits<br />

die Wortidentität mit der Belegstelle nicht gegeben.“ Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor<br />

Gericht, S. 90.<br />

124 Decius, Philipp: Consilia sive Responsa, Venedig 1570 (?), Nachdruck Frankfurter 1588. (Es findet<br />

sich eine frühere Consilienausgaben unter gleichem Titel von Decius in Lugduni (Lyon) 1556<br />

in der BSB München, wobei unklar ist, ob es sich um die gleiche handelt)<br />

125 Pistoris, Hartmann: Opera omnia/Sim. Ulrici F. Pistoris studio et additionibus editioni praeparata,<br />

Vol. 1: Questionum iuris tam Romani quam Saxonici libri IV, Lübeck 1621. Zur Person<br />

siehe Eisenhart, August von: Familienart. Pistoris ADB, Bd. 26, S. 186–194, bes. 190, 191.<br />

153


konkreten als auch pauschalen Rechtsquellenbelegen aus Stättigkeit, kaiserlicher<br />

Konfirmation, Naturrecht, Zivilrecht und Observanz, so wird zum einen<br />

deutlich, dass hier die Gliederung der rechtlichen Argumentation schlagwortartig<br />

abgebildet wurde, da auch die scheinbar pauschalen Rechtsquellen im<br />

weiteren Verlauf, wenngleich in unterschiedlicher Form, konkretisiert wurden,<br />

zum anderen konnte durch die Verschränkung konkreter und pauschaler<br />

Rechtsquellen für letztere eine ebenso „eindeutige“ Belegbarkeit suggeriert<br />

werden, wie sie sich für die ersteren darstellte. Ostmann geht zudem davon<br />

aus, dass pauschale Rechtshinweise entweder 1. als allgemeiner Ausdruck dessen<br />

gewertet werden könnten, dass sich die Partei im Recht fühlte oder 2. bei<br />

römischrechtlichen Äußerungen als pauschaler Hinweis auf die einschlägige<br />

Rechtsquellenmasse funktionierten oder 3. dazu dienten, die Oberrichter von<br />

der Legitimität der Entscheidung der Unterrichter zu überzeugen. 126 Punkt 3<br />

kann in unserem Fall ausgeschlossen werden, da der Judenschaft, um deren<br />

Klageschrift es sich hier handelt, vielmehr an der Falsifizierung des unterrichterlichen<br />

Urteils gelegen war, Punkt 1 und 2 scheinen hingegen zutreffend.<br />

Durch die Nennung vielfältiger, völlig unterschiedlicher Rechtsquellen – wobei<br />

insbesondere auch an die genannte Obervanz als nicht schriftliche Rechtsquelle<br />

gedacht werden muss, die hier vorerst noch ausgeklammert wurde – konnte<br />

sowohl den Richtern als auch der Gegenpartei eine ubiquitär belegbare Rechtmäßigkeit<br />

der Klage demonstriert und suggeriert werden. Zugleich wurden die<br />

als einschlägig angeführten Rechtsquellenkomplexe, trotz im weiteren Argumentationsverlauf<br />

unterschiedlicher Beleggenauigkeit und Gewichtung, als<br />

scheinbar gleichwertig eingeführt.<br />

Dieses Vorgehen einer zunächst pauschalen Nennung und dann im Verlauf<br />

des Verfahrens je unterschiedlichen Konkretisierung konnte in weiteren<br />

acht der zwölf Fälle analog beobachtet werden und scheint damit ein Strukturmerkmal<br />

der klägerischen Prozessschriften darzustellen. 127 Auf Seiten des<br />

Magistrats hingegen war eine derartige Zusammenstellung von Rechtsquellen<br />

nicht festzustellen, was aber auf dessen Grundposition als Beklagter in allen<br />

Verfahren zurückzuführen sein wird, aus der heraus hauptsächlich reaktiv auf<br />

die Klägerschriften, die die zu diskutierenden Rechtsquellen für die Verfahren<br />

offenbar festsetzten, geantwortet wurde, um sie anders zu interpretieren oder<br />

ihre Gültigkeit zu bestreiten. Wenn von Seiten des Magistrats weitere Rechtsquellen<br />

heran gezogen wurden, so entstammten diese beinahe durchgehend der<br />

städtischen Rechtsanwendung oder den kaiserlich privilegierten Stadtrechten,<br />

und man bewegte sich damit ebenfalls nicht in einer neuen, sondern vielmehr<br />

126 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 71.<br />

127 F14 – S. 71, 72, 73. F18 – S. 30–32. F19 – S. 81, 82, 83, 320, 321. F20 – S. 51. F22 – S. 10, 11, 12, 14.<br />

F21 – S. 45, 46. F23 – S. 2, 3, 58. F28 – S. 56, 57.<br />

154


in der grundsätzlich strittigen Rechtsquellenmasse. Ansonsten verblieb man<br />

jedoch in dem durch den Kläger abgesteckten Rahmen von Rechtsquellen.<br />

Zuletzt sei noch die Rechtsquellenbeibringung nach Kategorie vier betrachtet.<br />

Hier ist – analog zu Oestmanns Befunden 128 – festzustellen, dass Extrakte aus<br />

dem römischen und kanonischen Recht oder der juristisch kommentierenden<br />

Literatur nie als Anlage beigegeben, sondern, wenn überhaupt, in der innertextuellen<br />

Argumentation weiter ausgeführt, oft jedoch, wie oben gesehen,<br />

nur als Belegstelle angegeben wurden. Beigefügt wurden hingegen vor allem<br />

Auszüge städtischer Verordnungen und Urteile aus Verfahren vor den Frankfurter<br />

Gerichten als Ausdruck städtischer Rechtsanwendung, 129 Auszüge der<br />

Judenstättigkeit und kaiserlicher Privilegien als Ausdruck kaiserlicher Gesetzgebung<br />

130 und Verfahrensentscheide aus Prozessen vor dem Reichshofrat als<br />

Ausdruck kaiserlicher Rechtsanwendung. 131 Jedoch, und dies verweist unmit-<br />

128 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 92.<br />

129 So in F18, Anl. 2 und 3 Bürgermeisteraudienzprotokolle in Sachen Kastenmeister contra Emden<br />

und Feist Kahn und Emden contra Kastenmeister, S. 108–113. F22, Anl. E Rechneiamtsprotokoll<br />

1695–1706, S. 90, 91/fol. 8r, v, Anl. F gedrucktes Senatsconclusum 1756, S. 92, 93/fol. 9r, v,<br />

Anl. G, Extract aus der Frankfurter Viehmarktsordnung 1618, S. 94/fol. 10r, Anl. H Erneuerte<br />

Viehmarktsordnung, gedruckt, 1747, S. 95/fol 12r. F24, Anl. D Senatsconclusum bezügl. Beherbergung<br />

Fremder 1694, S. 190, 191, Anl. E Senatsconclusum (gedruckt) bezügl. Beherbergung<br />

Fremder 1763, S. 192. F28, Anl. B Schöffenratsdekret in Sachen Mayer Michael David contra<br />

jüdische Baumeister 1783, S. 64, 65, Anl. C Schöffenratsdekret in Sachen Jüdische Kastenmeister<br />

contra Isaac Salomon Wallich 1787, S. 66–68, Anl. D Schöffenratsdekret in Sachen Christl. Gäubiger<br />

contra Wallich 1774, S. 68–69, Anl. E. Schöffenratsdekret in Sachen Wallich contra Bauund<br />

Kastenmeister 1783, S. 70–72, Anl. F Schöffenratsdekret in Sachen Landauische Gläubiger<br />

contra Kastenmeister 1788, S. 73–75. Jeweils beglaubigt durch die Frankfurter Stadtkanzlei oder<br />

einen Frankfurter kaiserlichen Notar.<br />

130 So in F3, Anl. C Auszug aus kaiserlich konfirmierter Taxrolle, S. 214. F23, Anl. E Extrakt aus<br />

dem Privileg der Frankfurter Judenschaft von Kaiser Matthias 1613 sowie Konfirmation desselben<br />

von Joseph II. 1766, S. 123–128. F21, Anl. 5 Extrakt der Frankfurter Judenstättigkeit 1616,<br />

Art. 13, 14, 15, 112, S. 65–67. F28, Anl. A Extrakt aus dem Privileg der Frankfurter Judenschaft<br />

von Kaiser Matthias 1613 sowie Konfirmation desselben von Joseph II. 1766, S. 60–64. Die Kopie<br />

der Taxrolle ist nicht beglaubigt, die anderen Dokumente wurden jeweils von einem kaiserlichen<br />

Notar in Frankfurt beglaubigt.<br />

131 So in F3, Anl. U Auszug aus dem Frankfurter Bürgervertrag 1613, S. 301. F14, Anl. 5 Extrakt<br />

aus dem jüdischen Reglementsprojekt, S. 200–202, Anl. 6 Extrakt aus dem magistratischen Gutachten<br />

über das jüdische Reglementsprojekt, S. 203–210. F17, Anl. 3 Extrakt der kaiserlichen<br />

Resolution in Sachen Jüdische Bau- und Kastenmeister contra Frankfurt Magistrat bezüglich<br />

Einschreibung der Hypotheken auf Häuser in der Judengasse in die städtischen Insatzbücher,<br />

S. 46–51. F21, Anl. 3 RHR-Conclusum in Sachen Frankfurter Judenschaft contra Magistrat Appell.<br />

in puncto Abzugsgelder 1735, S. 60, 61, Anl. 6 Extrakt der kaiserlichen Resolution in Sachen<br />

Frankfurt contra Frankfurt in specie der Bürgerschaft wider die Judenschaft daselbst eingeklagte<br />

Beschwerden betreffend 1728, S. 67–71, Anl. 7a Extrakt des Bürgervertrags und Com missions<br />

abschieds 1613, S. 71, 72, Anl. 7b Extrakt der kaiserlichen Resolution in Sachen Frankfurter<br />

Judenschaft contra Frankfurt Magistrat in puncto Schatzung 1725 und 1732, S. 72–77, Anl. 8 Extrakt<br />

des RHR-Conclusum in Sachen Judenschaft zu Frankfurt contra den Magistrat in specie<br />

die Abzugsgelder betr. 1738, S. 77–80. Der Auszug des Bürgervertrags in F3 ist nicht beglaubigt,<br />

die anderen Dokumente wurden jeweils durch die Frankfurter Stadtkanzlei oder einen Frankfurter<br />

kaiserlichen Notar beglaubigt.<br />

155


telbar auf eine fehlende Regulierung der Rechtsbeibringung am Reichshofrat,<br />

war auch dies variabel und wurde nicht durchgehend so gehandhabt. Es<br />

konnte ebenso vorkommen, dass Auszüge der betreffenden Rechtsquellen in<br />

der Prozessschrift selbst zitiert wurden oder aber, wie oben gesehen, nur darauf<br />

verwiesen wurde. Besonders häufig war dies bei der Frankfurter Judenstättigkeit<br />

der Fall, die in allen Formen – als pauschale Nennung, mit Verweis auf<br />

bestimmte Paragraphen, in Auszügen zitiert oder als kompletter Rechtstext in<br />

der Anlage (F1, Anl. P) – vorkommen konnte. Offensichtlich lag dies völlig im<br />

Ermessensspielraum der Prozessparteien, eine systematische Unterscheidung<br />

ist nicht erkennbar.<br />

Hierbei sei nochmals auf die Befunde Oestmanns zum Reichkammergericht<br />

verwiesen, der aus dem Umfang der Eingaben auf die angenommene Rechtskenntnis,<br />

die man seitens der Parteien dem Gericht zuschrieb, rückschließt. 132<br />

Denn selbst wenn zwar davon ausgegangen werden kann, dass man durch die<br />

„[…] Abschriften des Stadtrechts, der Spezialgesetze und auch der Privilegien<br />

[…] dem Gericht diejenigen Normtexte zur Verfügung [stellte], auf die es nach<br />

Ansicht der beibringenden Partei bei der Entscheidung des Prozesses ankam“, 133<br />

so kann daraus nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass nur die Anlagen<br />

Aufschluss über die herangezogenen Rechtsquellen geben können. Vielmehr<br />

lässt das Übergewicht an Verweisen und Zitaten im Text ohne Anlage des<br />

Rechtstextes vermuten, dass man die Kenntnis und den Zugriff des Gerichts<br />

auf die entsprechenden Rechtsquellen schlicht voraussetzte.<br />

2.d „Hundert Jahr unrecht, ist keine Stunde recht“ 134 –<br />

Rechtsquellen<br />

All dies eröffnet nun die Möglichkeit, bereits einen ersten Eindruck von den<br />

in den Verfahren herangezogenen Rechtsquellen zu gewinnen, nach denen die<br />

rechtliche Argumentation kategorisiert und analysiert wurde. Einen, wenn<br />

auch noch nicht vollständigen, Überblick, um welche Rechtskreise es sich dabei<br />

handelt, sollen folgende Quellenzitate geben:<br />

„[…] das allerunterthänigste Zutrauen, daß Allerhöchst Dieselbe das<br />

Unrecht, welches ihnen bey dieser Gelegenheit von dem Löbl[iche]n<br />

132 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 97, 98.<br />

133 Oestmann, Peter: Rechtsvielfalt vor Gericht, S. 99.<br />

134 F22, S. 175 – dort nach Wiesands Juristischem Handbuch zitiert. Wiesand, Georg Stephan: Juristisches<br />

Handbuch, worinnen die Rechte der Deutschen in alphabetischer Ordnung kürzlich<br />

erörtert werden, Hildburghausen, 1762.<br />

156


Schöffen Rath zu Franckfurt, gegen die Vorschrifft der Gesätze, kayserlichen<br />

allergnädigsten Freyheiten, und selbst des taciti pacti receptionis,<br />

wiederfähret, nicht bestehen lassen werden.“ 135<br />

„[…] von Seiten Löblichen Magistrats des wider die Stättigkeit, und die in<br />

selbiger den Juden ertheilte und zugestandene Privilegia, Freyheiten, und<br />

Befugnisse, wider ihre Principia und Grundverfassung, und wider das<br />

alte Herkommen schnurstracks laufende Verfahren, und der Eingriff in<br />

die Allerhöchste Kayserliche Gesätzgebung, wo nicht in Abrede gestellet,<br />

dann doch wenigsten beschöniget werden will.“ 136<br />

„Wann nun Allergnädigster Kayser, König, und Herr, Herr! aus vorhergehender<br />

Deductione gravaminum sonnenklar erhellet, daß Anwaldts<br />

jüdische Principalschaft zu Frankfurt am Mayn durch die- […] willkührlich-<br />

gegen Gesätze, und ausdrücklich Kayserliche Anordnungen,<br />

und bestättigte Verträge anstossende Magistratische Verordnung<br />

nicht nur widerrechtlich beschweret, sondern auch von dem Magistrat<br />

der Reichs Stadt Frankfurt dem §pho 37. der Stättigkeit, oder denen<br />

von Kayserl[iche]r Mayestät der Frankfurter Judenschaft allergnädigst<br />

er theilten Privilegien, und Freyheiten schnur stracks zu wider gehandelt,<br />

mithin ein Factum nullo jure justificabile begangen, und solches in<br />

continenti bewiesen worden […]“ 137<br />

„[…] die mit einigem Scheinrechtens um daweniger beleget werden<br />

mögen, als dieselbe einerseits die kaiserlichen Privilegien, die Observanz,<br />

und den besizstand bey Ausübung des Schulbanns gegen saumselige<br />

Gemeindsschuldner, anderer Seits aber das Herkommen, die rechtliche<br />

Begründung eines stillschweigenden pfandschaftlichen Rechtes, die<br />

Sicherheit des Käufers sowohl, als des Jüdischen Aerarii in Ansehung<br />

der rukständigen Gemeindspraestanden, dann einem ebenmässigen<br />

Besizstand, die Chelude nach befund der Kastengebühr zu ertheilen<br />

oder zu verweigern, augenscheinlich untergraben, und übern Haufen<br />

werfen.“ 138<br />

Quellennah und dem hier vorliegenden besonderen Korpus an Verfahren entsprechend<br />

wurden folgende rechtlichen Argumentationskategorien gebildet:<br />

135 F14, S. 71.<br />

136 F19, S. 320, 321.<br />

137 F22, S. 14.<br />

138 F28, S. 56, 57.<br />

157


1. Gemeines Recht, ius commune<br />

2. Kaiserliche Privilegien, mit besonderer Berücksichtigung der kaiserlich<br />

privilegierten Stättigkeit und daraus abgeleitet auch des Zwangmittels<br />

Bann auf Seiten der Judenschaft und privilegiertes städtisches Recht im<br />

Sinne von Obrigkeitsrecht auf Seiten des Frankfurter Magistrats<br />

3. Rechtsanwendung, unterschieden in kaiserlich und städtisch<br />

4. Öffentliches Recht, ius publicum, worunter auch Policeyrecht gefasst<br />

wurde<br />

5. Naturrecht, womit nicht die rechtswissenschaftlich deduktive Systematik,<br />

sondern im engeren Sinne Verweise auf das sogenannte ius naturae et<br />

gentium, das natürliche Völkerrecht, gemeint sein soll<br />

6. Jüdisches Recht, Halacha<br />

7. Observanz, unterschieden in städtische Observanz und Observanz der<br />

jüdischen Gemeinde<br />

8. Verfahrensfehler<br />

Die Übersicht der zur Rechtsbeibringung herangezogenen ethnographischen<br />

und juristisch kommentierenden Werke findet sich als tabellarische Zusammenstellung<br />

im Anhang.<br />

Da für Frankfurt als freier Reichstadt die Besonderheit vorliegt, dass der<br />

Kaiser auch als Stadtherr fungierte, wurde das Stadtrecht, weil vom Kaiser<br />

privilegiert, als Ausfluss kaiserlicher Gesetzgebungstätigkeit angesehen und<br />

zur Kategorie „kaiserliche Privilegien“ gezählt. Dadurch entfällt die Kategorie<br />

„territoriales Recht“, die sich andern Orts zweifellos ergeben hätte. Denn, wie<br />

die Argumentationsanalyse zeigen wird, barg gerade die Konstellation, dass<br />

sowohl die Judenschaft als auch der Magistrat „ihr Recht“ vom Kaiser bekamen,<br />

eine besondere Brisanz. Für die Frankfurter Judenschaft stellte das zentrale<br />

Gesetzeswerk dabei die kaiserlich privilegierte Stättigkeit von 1616 dar, die<br />

nach dem so genannten Fettmilch-Aufstand – den schweren Unruhen zwischen<br />

dem Frankfurter Patrizier-Rat, den Zunftmeistern und der Bürgerschaft, 139<br />

die zunächst zur Austreibung der Juden aus Frankfurt 1614, dann jedoch zur<br />

Wiederansiedelung durch den Kaiser geführt hatten – ihr dauerhaftes Verbleiben<br />

in der Frankfurter Judengasse bis zum Ende des Alten Reichs sichern<br />

139 Siehe dazu Meyn, Matthias: Die Reichsstadt Frankfurt vor dem Bürgeraufstand von 1612 bis<br />

1614. Struktur und Krise, Frankfurt am Main 1980. Soliday, Gerald L.: A community in conflict.<br />

Frankfurt Society in the seventeenth and early eighteenth century, Hannover/New Hampshire<br />

1974. Bothe, Friedrich: Frankfurts wirtschaftlich-soziale Entwicklung vor dem dreissigjährigen<br />

Kriege und der Fettmilchaufstand (1612–1616), 2 Bde., Frankfurt am Main 1920. Hohenemser,<br />

Paul: Der Frankfurter Verfassungsstreit.<br />

158


sollte. 140 Erweitert wurde dieses kaiserliche Privileg durch die kaiserlichen<br />

Konfirmationen derselben, die jeweils bei Amtsantritt eines neuen Kaisers<br />

durch die Frankfurter Judenschaft beantragt wurden und teils Erweiterungen<br />

der Schutzbestimmungen enthielten. Für die Stadt Frankfurt kann wohl als<br />

zentrales Gesetzeswerk die Frankfurter Stadtreformation von 1578 bzw. die<br />

erneuerte <strong>Ausgabe</strong> von 1611, das Frankfurter Stadtrecht, angesehen werden. 141<br />

Observanz, auch Gewohnheitsrecht, Herkommen und consuetudo genannt,<br />

ist – in der Form, wie sie im 18. Jahrhundert entgegen tritt – eine aus heutiger<br />

Sicht besonders fremde Rechtsquelle, deren Bedeutung für das frühneuzeitliche<br />

Rechtsverständnis jedoch zentraler nicht sein könnte. Es sei daher unter<br />

Zuhilfenahme der Studie von Thomas Simon 142 deren Stellenwert noch einmal<br />

kurz erläutert. Die grundsätzliche Bedeutung der Observanz liegt schon darin,<br />

dass nicht nur im Falle des Gewohnheitsrechts, sondern auch bei schriftlicher<br />

Gesetzgebung die Verbindlichkeit der Rechtsnormen von deren faktischem<br />

Gebrauch abhängig war. Dies beinhaltete sowohl die Anwendung derselben<br />

bei Gerichten – die daher oftmals die Aufforderung bekamen, ein Gesetz „ad<br />

observantiam“ zu bringen – als auch bei schriftlichem Recht die Publikation,<br />

die tatsächliche Kenntniserlangung des Adressaten und die Akzeptanz der<br />

Normsetzung durch die von der Rechtssetzung Betroffenen. 143 Das heißt, erst<br />

durch die kontinuierliche Anwendung, daher auch usuales Geltungsdenken,<br />

konnte eine, auch schriftliche, Rechtsnorm Gültigkeit erlangen, und umgekehrt<br />

durch kontinuierliche Nichtanwendung ebenso untergraben werden:<br />

die Observanz war also vom Gesetzgebungsvorgang unabhängig. 144 Dies ließ<br />

den Rechtssetzungsvorgang freilich mindestens zweiseitig werden, da sich ein<br />

Empfänger oder Adressat theoretisch durch schlichte oder teilweise Nichtbeachtung<br />

gegen die Einführung einer Rechtsnorm wehren konnte, ein Umstand<br />

140 Siehe dazu Kracauer, Isidor: Die Juden Frankfurts im Fettmilch’schen Aufstand 1612–1618. In:<br />

Zeitschrift für die Geschichte der Juden, 2 (1890), S. 127–169, 1 (1892), S. 319–365, 3 (1892),<br />

S. 1–26. Kracauer, Isidor: Geschichte der Juden in Frankfurt, Bd. 1, S. 358–398. Backhaus, Fritz:<br />

„Daß die Begünstigung der Juden und Bluthunde so groß sei …“. Juden und Patriziat im alten<br />

Frankfurt. In: Rebentisch, Dieter/Hils-Brockhoff, Evelyn (Hrsg.): Archiv für Frankfurts Geschichte<br />

und Kunst, Bd. 58 (2002), S. 125–149. Elhanan, Helen: Turmoil, trauma, and triumph.<br />

Brandt, Robert/Cunitz, Olaf (Hrsg.): Der Fettmilch-Aufstand. Breuer, Mordechai/Graetz, Michael:<br />

Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Bd. I: 1600–1780, S. 91–97. Zur jüdischen<br />

Vorgeschichte der sogenannten „Rabbinerverschwörung“ siehe Press, Volker: Kaiser Rudolf II.<br />

Klein, Birgit: Wohltat und Hochverrat. Klein, Birgit: Die „Frankfurter Rabbinerversammlung“<br />

von 1603.<br />

141 Siehe dazu Coing, Helmut: Die Frankfurter Reformation von 1578 und das Gemeine Recht ihrer<br />

Zeit. Eine Studie zum Privatrecht der Rezeptionszeit, Weimar 1935.<br />

142 Simon, Thomas: Geltung, S. 100–137. Siehe zu dieser Thematik auch: Roeck, Bernd: Reichssystem<br />

und Reichsherkommen. Die Diskussion über die Staatlichkeit des Reiches in der politischen<br />

Publizistik des 17. und 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1984. Wiegand, Wolfgang: Studien zur<br />

Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, Ebelsbach 1977.<br />

143 Simon, Thomas: Geltung, S. 100–102.<br />

144 Simon, Thomas: Geltung, S. 101, 102.<br />

159


der insbesondere mit einem absolutistischen Politikverständnis schwer vereinbar<br />

war. 145<br />

Bis weit ins 18. Jahrhundert gab es keine trennscharfe Unterscheidung zwischen<br />

den Normtypen Gesetz und Gewohnheitsrecht. Beide bezogen – zunehmend<br />

seit dem 17. Jahrhundert – ihre Verbindlichkeit aus der Vorstellung vom<br />

Willen des Gesetzgebers, im Falle des Gewohnheitsrechts wurde eine stillschweigende<br />

Zustimmung angenommen. 146 Schriftliche Gesetze konnten dabei<br />

auch als Unterkategorie von Gewohnheitsrecht begriffen werden, als lediglich<br />

schriftlicher Ausdruck eines bereits bestehenden mündlichen Gesetzes, als<br />

Unterschied in der Form. 147 Inhaltlich unterschieden wurde dies jedoch in der<br />

Beweislast vor Gericht. Für das gemeine Recht wurde hier die Observanz vorausgesetzt,<br />

Gewohnheitsrecht hingegen musste, wenn nicht gerichtsnotorisch,<br />

also vor Gericht bereits anerkannt, bewiesen werden – durch Zeugen, andere<br />

Beweismittel oder gerichtliche Praxis. 148 Doch wer konnte eine Observanz<br />

ausbilden und für sich geltend machen? Erler führt aus, dass Observanz „das<br />

innerhalb eines zur Autonomie berechtigten Verbandes geltende Gewohnheitsrecht“<br />

sei, im weiteren Sinne „das in irgendwelchen Körperschaften gebildete<br />

Gewohnheitsrecht“ meine. 149 Dazu gehören neben Herrscherhäusern, Standesherrschaften<br />

und Orden auch Genossenschaften im weitesten Sinne, ein<br />

Umstand, der für die folgende Analyse daher besonders beachtet werden soll.<br />

Natürlich kann die hier gewählte kategoriale Unterscheidung, dies sei nochmals<br />

betont, nicht trennscharf vorgenommen werden, zum einen weil dies,<br />

wie bereits erwähnt, von den Verfassern nicht so konzipiert war, zum anderen<br />

weil auch die rechtlichen Argumentationskategorien sich überlagerten und<br />

ergänzten. Auch beeinflusste der situative Kontext der Prozesse die Wahl der<br />

von den Parteien nutzbaren Rechtsquellen erheblich und lässt infolgedessen<br />

jeweils Gewichtungen vermuten, die entsprechend kontextualisiert werden<br />

müssen. Griff beispielsweise der Magistrat in den innerjüdischen, kaiserlich<br />

besonders geschützten Zeremonialbereich ein, so ist es bereits nahe liegend<br />

anzunehmen, dass die Argumentation wesentlich konkreter auf die einschlägigen<br />

kaiserlichen Privilegien als Rechtsquelle fokussiert sein wird, als wenn,<br />

wie in den den Handel betreffenden Prozessen, die Interpretation nicht vorhandener<br />

Regulationen zur Diskussion stand und daher ein möglichst breites<br />

Spektrum an Rechtsquellen miteinbezogen werden musste, um die eigene<br />

145 Simon, Thomas: Geltung, S. 126, 127.<br />

146 Simon, Thomas: Geltung, S. 102, 103.<br />

147 Simon, Thomas: Geltung, S. 103, 106, 107.<br />

148 Simon, Thomas: Geltung, S. 115.<br />

149 Erler, Adalbert: Art. Observanz. In: HRG, Bd. III, Sp. 1174, 1775.<br />

160


Position zu legitimieren. Insofern kann das eine nicht ohne das andere gedacht<br />

werden, die Wahl und Gewichtung der herangezogenen Rechtsquellen nicht<br />

ohne die je fallspezifischen situativen Erfordernisse. Um beides in der Analyse<br />

zu verklammern, soll daher nach den oben bereits beschriebenen Inhaltsbereichen<br />

(Bann, Gemeindemitgliedschaft, Gemeindeabgaben, Immobilien, Handel,<br />

Zeremonial, Unzucht, Gerichtseid), aus denen die Fälle repräsentativ Gewichtung<br />

und Vielfalt abbildend ausgewählt wurden, vorgegangen werden, da so<br />

vergleichbare rechtliche Argumentationsmuster zu erwarten sind und zugleich,<br />

in den größeren Fallgruppen, nach Überschneidungen gefragt werden kann,<br />

also ob die Verfahrensargumentationen sich gegenseitig bedingten und/oder<br />

durch die Parteien in Verbindung gebracht wurden. Erst aus der kleinteiligen<br />

Analyse soll dann zusammenfassend beleuchtet werden, ob es trotz situativer<br />

Verschiedenheit übergreifende rechtliche Argumentationsmuster gab, um einer<br />

allzu nahe liegenden homogenisierenden Annahme, dass sich die jüdischen<br />

Kläger automatisch immer und hauptsächlich auf ihre kaiserlichen Privilegien<br />

zur Wahrung ihrer Interessen beriefen, vorzubeugen. Denn, und dies sei die<br />

diesem Kapitel vorangestellte Beobachtung, dem scheint zumindest in den<br />

vorliegenden Klagen am Reichshofrat nicht so gewesen zu sein.<br />

2.d.1 Handel<br />

Die beiden ausgewählten, den Handel betreffenden, Fälle (F3 und F22) hatten,<br />

wie bereits weiter oben ausgeführt, zum einen den Mehlhandel innerhalb der<br />

Gasse, zum anderen den Einkauf von Viktualien, Fisch und Holz durch die<br />

Frankfurter Juden auf christlichen Märkten zum Gegenstand. In beiden Fällen<br />

waren zunächst einzelne Gemeindemitglieder von magistratischen Verordnungen<br />

betroffen, bevor die Baumeister im Namen der Gemeinde die Verfahren am<br />

Frankfurter Schöffenrat sowie die Appellationen am Reichshofrat einleiteten.<br />

Die Grundproblematik war ebenfalls ähnlich gelagert – in beiden Fällen bot<br />

die Stättigkeit keine ausreichende und eindeutige Rechtsgrundlage für einen<br />

Entscheid: Im einen Fall war zwar den Juden der Handel mit Getreide, nicht<br />

aber explizit mit Mehl verboten, im zweiten Fall handelte es sich mit Viktualien<br />

und Holz um Warengruppen, die in der Stättigkeit keine (restriktive)<br />

Erwähnung fanden und zudem hatten sich die Marktöffnungszeiten so verschoben,<br />

dass sich die durch unterschiedlich angesetzte Einkaufszeiten von<br />

Christen und Juden charakterisierte Situation zugunsten der Juden verändert<br />

hatte. Die Argumentation der Judenschaft stützte sich daher in erster Linie<br />

auf das Gemeine Recht und die Rechtsregel, dass, was nicht explizit verboten<br />

sei, erlaubt sein müsse, sowie auf Observanz. Der Magistrat verlegte hingegen<br />

161


seine Hauptargumentation auf die Intention des kaiserlichen Gesetzgebers<br />

der Stättigkeit, die restriktiven Charakter habe und daher in unklaren Fällen<br />

ebenso restriktiv zugunsten der christlichen Bevölkerung anzuwenden sei. In<br />

diesen sich auf völlig unterschiedliche Rechtsebenen berufenden Grundpositionen<br />

standen sich die beiden Parteien nun gegenüber, als sie sich an den<br />

Reichshofrat wandten, was bedeutete, dass sie sowohl die eigenen Rechtsquellen<br />

untermauern, als auch die der Gegenposition entkräften und als in diesem Fall<br />

nicht rechtswirksam darstellen mussten.<br />

In F3 erweitert die jüdische Klägerpartei in ihrer Klageschrift aus den<br />

1730er Jahren die, aus ihrer Sicht, heranzuziehenden Rechtsquellen. Sie belegt<br />

zunächst die oben angeführte Rechtsregel durch römischrechtliche Belegstellen<br />

aus den Digesten und Glossatoren mit der Erweiterung, dass gerade in denjenigen<br />

Rechtstexten, in denen explizit eingeschränkt werde, dasjenige, was nicht<br />

speziell eingeschränkt werde, als erlaubt anzusehen sei und wendet dies dann<br />

deduktiv auf die Stättigkeit an:<br />

„So wäre auch diese Meel Crämerey Ihnen Juden unter denen Posten<br />

womit Ihnen zu handlen in der Stättigkeit verbotten, nicht enthalten,<br />

und also die odiosa, wofür die Verbietung des freyen Gewerbs billig zu<br />

achten, einzuschrencken, und auf Specialiter nichts verbottene fälle und<br />

Gewerb nicht zu extendiren, sondern eo ipso für erlaubt anzusehen.“ 150<br />

Hier wird zudem die Verschränkung mit einer naturrechtlichen Begründung<br />

offenkundig, die ebenfalls durch juristische Literatur belegt wird. 151 Es sei nämlich<br />

die Freiheit des Gewerbes ein natürliches Völkerrecht, das den Juden, weil<br />

nicht durch ihre Stättigkeit eingeschränkt, ebenso zustehen müsse wie den<br />

Christen. Und da es für diesen speziellen Fall des Mehlhandels keine exakt<br />

passende Rechtsvorschrift oder ein Urteil gebe („sententia causa cognitionem<br />

desiderat“), während die Judenschaft jedoch Rechtsquellen für ihre Position<br />

anführen könne, dürften zu ihrem Nachteil keine Verordnungen getroffen<br />

werden. 152<br />

Als weitere Rechtsquelle werden sodann kaiserliche Privilegien heran gezogen,<br />

zum einen die kaiserliche Konfirmation der Stättigkeit durch Karl VI., in<br />

der verordnet wurde, dass die Juden in ihrer Hantierung und ihren Gebräuchen<br />

nicht behindert werden dürfen, zum anderen der Paragraph 112 der Stättigkeit:<br />

150 F3, S. 41, 42, siehe auch 48, 49, 60, 61, 63, 64.<br />

151 F3, S. 62, 63, 70, in pauschalen Rechtshinweisen zudem S. 4, 64, 66, 74, 77. Zur Freiheit des<br />

Handels v.a. bei Mevius, der hier in der Quelle ebenfalls zitiert wird, siehe Güde, Wilhelm: Die<br />

rechtliche Stellung der Juden in den Schriften deutscher Juristen, Sigmaringen 1981, S. 70, 71.<br />

152 F3, S. 74.<br />

162


„daß wieder diese Stättigkeit und deren puncten N[omine] keine Neuerungen<br />

und Beschwehrung ohne der Kayserl[ichen] Mayestät Bewilligung<br />

eingeführt, sondern die Judenschafft bey ihren ceremonien und N[omine]<br />

hergebrachten Gebräuchen und Privilegien gelaßen werden solle“, 153<br />

was gleichwohl, aus Sicht der Kläger, durch die magistratischen Verordnungen<br />

geschehe und diese daher gegen kaiserliches Recht verstießen. 154 Ebenfalls<br />

zentral in der Argumentation tritt die Rechtsquelle Observanz hervor, dass<br />

nämlich 1. stadtkundigerweise bereits seit mehr als 60 Jahren in der Gasse<br />

von Juden Mehl verkauft werde, woraus sich ein ius quaesitum, also ein wohlerworbenes<br />

Recht, ableite, 2. „ehedeßen“ die Juden sogar ordentlich und in<br />

größerem Umfang mit Mehl gehandelt, dieses also direkt von der städtischen<br />

Mehlwaage bezogen hätten, wie dies die alten städtischen Bücher der Mehlwaage<br />

bezeugen müssten, während sie nunmehr lediglich einen kleinen Kram,<br />

also einen kleinen Handel damit führen würden und es 3. ein vielmehr neues<br />

Phänomen sei, das noch keine 20 Jahre währe, dass Christen in der Judengasse<br />

Mehl verkauften. 155 Auch hier werden wieder juristische Literaturbelegstellen<br />

angeführt, die zunächst die grundsätzliche Rechtswirksamkeit der Rechtsquelle<br />

belegen –„Habet enim observantia parem vim cum Lege […]“, 156 dass also der<br />

Observanz die gleiche (Rechts)Kraft innewohne wie dem (schriftlichen) Gesetz<br />

–, aus der wiederum deduktiv auf die Rechtswirksamkeit des Herkommens im<br />

vorliegenden Kontext geschlossen wird. Zuletzt wird ex negativo ein Argument<br />

des Magistrats vorweggenommen, nämlich der Bezug auf die Kommissionbeschlüsse<br />

bezüglich der Mehlhändler im Zuge der kaiserlichen Kommission<br />

während den Frankfurter Verfassungsstreitigkeiten zu Beginn des 18. Jahrhunderts.<br />

157 Dabei wird mit kaiserlicher Rechtsanwendung argumentiert, die<br />

in diesem Falle jedoch nicht auf die Judenschaft anwendbar sei, da diese in<br />

dieser Angelegenheit nicht gehört worden und damit kein Vertragspartner<br />

des Vertrags sei, als der der Kommissionsabschied offenbar interpretiert wird.<br />

Deshalb könne der Abschied weder für die Judenschaft gelten, noch für sie<br />

präjudizierlich sein oder negative Auswirkungen haben. 158<br />

Der Magistrat greift in seinem Bericht, der, wie in allen Fällen, vielmehr<br />

die Gegenschrift des Beklagten darstellt, sämtliche von den Klägern genannten<br />

Rechtsquellen auf, wenngleich er nicht immer präzise die eigentlich<br />

153 F3, S. 49, 50 (Unterstreichungen wie im Original).<br />

154 F3, S. 50, 51, 66, 67, in pauschalen Rechtshinweisen zudem S. 4, 7, 8, 54, 74, 77.<br />

155 F3, S. 42, 43, 46–48, 60, 64–66, 68, in pauschalen Rechtshinweisen zudem S. 4, 44, 49, 66, 74, 77.<br />

156 F3, S. 64–66.<br />

157 Siehe dazu vor allem Hohenemser, Paul: Der Frankfurter Verfassungsstreit. Soliday, Gerald Lyman:<br />

A community in conflict.<br />

158 F3, S. 60.<br />

163


angeführten Stellen widerlegt, sondern vielmehr andere Rechtszusammenhänge<br />

aus den Rechtsquellen für sich geltend machen möchte. So hinterfragt er<br />

zunächst die Rechtsregel, auf die man sich seitens der jüdischen Kläger beruft,<br />

als allgemein und im speziell vorliegenden Falle der Intention des kaiserlichen<br />

Gesetzgebers nicht gemäß:<br />

„[…] unerfindlich, daß denen Juden mit Weißem Mehl [zu handeln] nicht<br />

verbotten seyn solle. Gesetzt aber es fände sich kein solcher verbott so<br />

folgte doch noch lange nicht daß alles dasjenige, was denen Juden in<br />

besagter Stättigkeit nicht ausdrücklich verbotten ist, zugelassen seyn solle,<br />

indeme die Regul, quod prohibitum non est, permissum censetur, ihren<br />

mercklichen abfall ex mente et intentione prohibentis leydet. ›Etsi enim<br />

prohibitio odiosasit, et idcirco veniat restringenda attamen semper mens<br />

et voluntas prohibentis inspici debet, et secundam eam restringenda vel<br />

amplianda est prohibitio Mascard. Concl. 1243. num. 81.‹“ 159<br />

Damit dreht der Magistrat zum einen die Rechtsregel um, dass nämlich nicht<br />

alles was nicht verboten ist, automatisch erlaubt sei und, dies scheint noch<br />

wesentlicher, etabliert sich als Willensträger der kaiserlichen Gesetzgebung, in<br />

deren restriktivem Sinne er lediglich mit seinen schöffenrätlichen Verordnungen<br />

vorgegangen sei. Denn es liege all diesen Verordnungen letztlich zugrunde,<br />

dass dem Handel und den bürgerlichen Professionen durch die ansässigen<br />

Juden kein Abbruch oder Verderben entstehe. Der Magistrat müsse daher<br />

quasi anstatt und im Sinne des Kaisers die christlichen Händler und Bürger<br />

schützen. Dies folge – und hier begibt er sich in seiner Argumentation nun<br />

vom Gemeinen zum Öffentlichen Recht – aus den „Principia einer gesunden<br />

Politique aller Christlichen Herrschaften“ und den Reichsgesetzen, die<br />

den Obrigkeiten aufgegeben hätten, den gemeinen Nutzen der Untertanen<br />

im Blick zu behalten, worunter die ansässigen Juden von ihm ganz offenbar<br />

nicht begriffen werden. 160 Entsprechend sei auch die kaiserliche Konfirmation,<br />

ebenso wie die Stättigkeit zugunsten der Christen, nicht aber zugunsten<br />

der Juden auszulegen, insbesondere da die Stättigkeit bei anderen zünftigen<br />

Berufssparten wie den Schneidern, Büchsenschmieden oder Schwertfegern 161<br />

den Juden den Handel mit deren Produkten explizit verbiete. 162 Zudem führt<br />

der Magistrat, als zusätzliche sachliche Fundierung und wiederum anhand<br />

159 F3, S. 186.<br />

160 F3, S. 192, 193, 187–189.<br />

161 Siehe Grimm, Jacob und Wilhelm: Grimms Deutsches Wörterbuch, Bd. 15, Sp. 2587–2589:<br />

„handwerker der die vorher roh geschmiedeten schwerter zum gebrauch fertig macht, auch<br />

selbst fertigt und verkauft“.<br />

162 F3, S. 190, 191.<br />

164


juristischer Literatur, aus, dass das Mehl dem Getreide und dieses wiederum<br />

der Frucht zugehörig bzw. als darunter subsumiert angesehen werden müsse,<br />

und da der Handel mit selbigen in der Stättigkeit den Juden verboten worden<br />

sei, dies entsprechend auch für den Mehlhandel gelten müsse. 163 Derart verknüpft<br />

er also geschickt eine ideologisch-gesellschaftspolitische Doktrin mit<br />

einer sachspezifischen Rechtsquelleninterpretation. Zur Untermauerung werden<br />

zudem – wie von den jüdischen Klägern erwartet, was sich vermutlich aus<br />

der erstinstanzlichen Verhandlung herschreibt – die Beschwerden des Bäckerhandwerks<br />

gegen die jüdischen Weck- und Mehlhändler sowie den Magistrat,<br />

die von der kaiserlichen Lokalkommission 1713 bearbeitet wurden, angeführt.<br />

Diese Eingaben werden sogar als Anlage in Abschrift beigegeben. Zudem wird<br />

jedoch noch eine weitere kaiserliche Resolution im selben Verfahrensumfeld<br />

angeführt, die während des Verfassungskonfliktes gegen den Magistrat erging<br />

und ebenfalls „die favorisierung der Juden zum Nachtheil der Burger Allergerechtest<br />

verworffen“ habe. 164 Weiters wird ein nicht datiertes, publiziertes<br />

Reichshofratskonklusum in der Kommissionssache Rüd von Collimberg (Rüdt<br />

von Collenberg) contra die Gemeinde zu Bödigheim zitiert, das ebenso das<br />

Verbot der Beschwerung des christlichen Nahrungserwerbs durch ansässige<br />

Juden betonte. 165 Der gleich dreifache Bezug auf kaiserliche Rechtsanwendung<br />

in scheinbar ähnlichen Zusammenhängen zeigt, dass man dem „Recht des<br />

Richters“ als Entscheidungsgrundlage offenbar starkes Gewicht einräumte.<br />

Zuletzt wird sodann versucht, die Gültigkeit der von den jüdischen Klägern<br />

eingebrachten Observanz zu demontieren. So wird diese grundsätzlich in ihrer<br />

Legitimation bestritten:<br />

„[…] es komt aber in dießer Sache […] per super adducta einig und<br />

allein darauff an, daß die Juden zu dem Weißen Mehlhandel allhier das<br />

geringste Recht nicht haben, auch Ihnen einige Observanz und Possession<br />

/: woran es doch in substrato fehlet […]. :/ gegen ihre beschworne<br />

Stättigkeit nicht zu statten komme […]“ 166<br />

Das heißt, man nimmt zunächst seitens des Magistrats eine klare Hierarchisierung<br />

der Rechtsquellen vor, dass nämlich die schriftliche, kaiserlich<br />

163 F3, S. 163–166.<br />

164 F3, S. 194, 195. Die Kommissionsakten dazu finden sich hauptsächlich unter dem Rubrum<br />

Frankfurt contra Frankfurt commissionis, in specie die von der Bürgerschaft wider die Juden<br />

eingeklagten Beschwerden betreffend 1707–1768 im Bestand HHStA, RHR, Decisa K 2210–<br />

2212. Zudem gab es in diesem Fall eines der seltenen direkten Voten an den Kaiser, zu finden in<br />

HHStA, RHR, Vota, K 14.<br />

165 F3, S. 189, 190.<br />

166 F3, S. 200.<br />

165


privilegierte Stättigkeit klar über der nicht schriftlichen Observanz stehe.<br />

Sodann zweifelt man deren Existenz an, indem vorgegeben wird, 1. man kenne<br />

diese nicht, 2. die Bücher der Mehlwaage könnten als Beweis für diese nicht<br />

dienen, da dort nur die Verkäufer, nicht aber die Käufer aufgezeichnet würden<br />

und 3. auch wenn es eine solche gegeben habe, sei sie „nicht beständig continuiret“<br />

worden, denn man habe seitens der jüdischen Kläger eingeräumt, dass sie,<br />

„[…] ihren eigenen Geständtnuß nach initio citis sich des Weißen Mehlhandels<br />

neuerlich erst angemaßet gehabt, dasjenige so lite pendente geschehen aber<br />

ihnen kein Recht beylegen kann […]“ 167 . Damit verweist der Magistrat sowohl<br />

auf die grundsätzliche Problematik der Rechtsquelle Observanz, nämlich ihre<br />

schwierige Beweisbarkeit, als auch auf die verfahrensrechtliche Komponente,<br />

dass die Rechtshängigkeit eines Verfahrens auf den „ruhigen Besitz“, die Unbestrittenheit<br />

der in diesem Verfahren angeführten Observanz Einfluss nehme<br />

und diese dadurch delegitimiere. Eine Annahme, die freilich dann zum Tragen<br />

kommen musste, wenn sich Prozesse, wie gesehen, über Jahrzehnte hinziehen<br />

konnten. Ebenfalls verfahrensrechtlich argumentiert der Magistrat außerdem<br />

in Hinblick darauf, dass sich, seiner Meinung nach, in dieser Appellation die<br />

christlichen und jüdischen Mehlhändler, nicht aber die jüdischen Baumeister<br />

und der Magistrat als Prozessparteien gegenüber stehen müssten. Es wird also<br />

die prozessrechtliche Flexibilität am Reichshofrat sowohl als ungewöhnlich<br />

wahrgenommen als auch offen kritisiert.<br />

Nach diesem Bericht des Magistrats kommt das Verfahren für mehr als<br />

20 Jahre zum Erliegen, 1747/48 fordert der Magistrat zwar nochmals die Erstattung<br />

des Gegenberichts ein, dazu kommt es jedoch erst 1771. Hier ist nun<br />

interessant zu beobachten, ob und inwiefern sich möglicherweise die rechtliche<br />

Argumentation verändert hat. Es wird deutlich, dass das Verfahren am<br />

Reichshofrat tatsächlich die magistratische Verordnung aussetzte, denn nach<br />

wie vor handeln auch 20 Jahre später noch ungehindert Juden in der Gasse mit<br />

Mehl. Die jüdischen Kläger verändern ihre Argumentation insofern, als sie nun<br />

hauptsächlich die Demontage der magistratischen Position als kaiserlichem<br />

Willensträger anstreben und demgegenüber ihre Stellung als gleichwertige<br />

Untertanen hervorheben, die unzulässig geschmälert werde. Zudem wird die<br />

Bedeutung der Observanz noch mehr hervorgehoben.<br />

Zunächst jedoch greifen sie ebenfalls Belegstellen aus der juristischen Literatur<br />

heraus, die das Mehl gerade nicht unter Getreide oder Frucht subsumieren,<br />

sondern, weil künstlich bearbeitet, einer anderen Warensorte zuordnen, um<br />

das vom Magistrat eingeführte neue sachliche Argument zu widerlegen. 168<br />

167 F3, S. 195, 196.<br />

168 F3, S. 380, 381, 397–399.<br />

166


Dabei betonen sie auch nochmals die bereits angeführte Begründung, dass<br />

nach dem Naturrecht, das „semper basis et fundamentum totius legislationis“,<br />

also Grundlage aller Gesetzgebung sein müsse, der Handel frei sei, und durch<br />

zivilrechtliche Einschränkungen nur in solchen Fällen außer Kraft gesetzt werden<br />

könne, in denen diese Einschränkungen speziell benannt und reguliert<br />

seien. 169 Damit wird die naturrechtliche Begründung also weit mehr in den<br />

Vordergrund gestellt, als dies noch in der Klageschrift der 1730er Jahre der<br />

Fall war. Bei der Diskussion um die Auslegung der Rechtsregel, ob nun, was<br />

nicht explizit verboten sei, erlaubt sei oder umgekehrt, wird davon gesprochen,<br />

dass diese Regel vom Magistrat „auf eine den Juden gehässige Weiße festgesetzet<br />

werden“ 170 wolle. Es wird also ganz explizit ein antijüdisches Moment der<br />

magistratischen Verordnung unterstellt, das weder Intention des Schöffenrats<br />

von 1616, also bei der Einrichtung der Stättigkeit, und noch viel weniger des<br />

Kaisers gewesen sein könne. Damit aber beginnt die Demontage der ma gistra<br />

ti schen Position, denn<br />

„Wenigstens kann Magistrat nicht wissen, was der Kaiser für einen mentem<br />

et intentionem gehabt habe, und ist es etwas voreilig darüber zu<br />

judicieren, ohne sich bey dem Supremo Legislatore, welcher die Stättigkeit<br />

gegeben, genau zu erkundigen.“ 171<br />

„Allein posito, sed non concesso hoc argumento, so bleibet dieser Schluß<br />

doch immer falsch, wenn man die Geschichte der Stättigkeit zum Grund<br />

leget. Der Anfang des 17.ten Jahrhunderts, oder der Jahre 1600. waren der<br />

Stadt Franckfurth und auch den Juden sehr fatal. Ein gefährlicher Aufruhr,<br />

der auf die letzte Blut kostete, entstunde damahls. Die Judengasse<br />

wurde geplündert, die Juden selbst vertrieben. Der Rath war zu schwach,<br />

der Rebellion zu widerstehen, und die Kaiserliche Allerhöchste Hülfe<br />

muste implorirt werden, und stunde der rechtmäßigen Obrigkeit gegen<br />

die Rebellen so kräfftig bey, daß diese endlich ihre Schuld mit dem Leben<br />

bezahlen musten. Wie nun Ihro glorreiche Kayserliche Majestät auf diese<br />

Weise die Ruhe unter Rath und Bürgerschafft hergestellet, so bemüheten<br />

sich auch Allerhöchstdieselbe, die Judenschafft auf einen gewissen Fuß zu<br />

setzen. Unter allerhöchsten auspiciis wurde die Stättigkeit verfertiget, und<br />

beyde Theile, Magistratus et Cives auf einer, Judaei auf der andern Seite,<br />

169 F3, S. 407, 408, 419–421. Weiterer Verweis auf Naturrecht S. 406, 407: „[…] Man spricht hier von<br />

keinem privilegis der Juden, sondern von einer in dem jure gentium selbstgegründeten, ohnehin<br />

eingeschränckten libertate commerciorum […],“ und S. 421, 422: „So spricht die Natur, und so<br />

haben auch Eure Kayserliche Majestät […] gesprochen […].“<br />

170 F3, S. 396.<br />

171 F3, S. 397–399.<br />

167


fügten sich derselben in allerunterthänigster Ehrfurcht; daher dieselbe<br />

dann auch einestheils zwar, et quidem potissimum Respectu ad Augustissimum<br />

habito, pro lege, anderntheils aber hauptsächlich pro pacto inter<br />

Christianos, Magistratum et Cives ab unã, et Judaeos ab alterã parte, zu<br />

achten ist. Es ist also nicht hinlänglich zu sagen, Magistratus habe hanc<br />

vel illam mentem et intentionem geheeget, sondern wird auch, wie bey<br />

allen pactis, nöthig seyn zu erweisen, daß compaciscentes, sive pars altera,<br />

gleichermassen diese intention geheeget hat, […]“ 172<br />

Zunächst wird also differenziert, dass die magistratische Intentio nicht gleichzusetzen<br />

sei mit der kaiserlichen Intentio, denn der Kaiser als Oberster Richter,<br />

Supremus Legislator, gebe und verleihe die Stättigkeit, d.h. der Magistrat empfange<br />

sie ebenso wie die Judenschaft. Da dies als einseitiger Vorgang attribuiert<br />

wird, nämlich vom Gebenden zum Nehmenden, könne der Magistrat die<br />

kaiserliche Intention nicht kennen, wenn sie ihm nicht mitgeteilt werde. Dies<br />

wird versucht durch die Entstehungsgeschichte der Stättigkeit zu belegen, in<br />

der deutlich geworden sei, dass der Rat nicht der (alleinige) kaiserliche Wil lensträ<br />

ger oder gar Träger des kaiserlichen Schutzes der Untertanen sein könne,<br />

denn er sei ja bereits damals „zu schwach“ und nicht gegen Rebellion gefestigt<br />

gewesen, so dass er zur Niederschlagung der Rebellion den kaiserlichen Schutz<br />

selbst habe erbitten müssen. Der Schutz geht also in dieser Interpretation allein<br />

vom Kaiser aus. Insofern stelle auch die Stättigkeit aus Sicht der Beteiligten<br />

vielmehr einen Vertrag zwischen Christen, worunter gleichgestellt Bürger und<br />

Magistrat subsumiert werden, und Juden dar. Die Vorstellung eines Vertragscharakters<br />

der Stättigkeit suggeriert also gleichwertige Vertragspartner, woraus<br />

geschlossen wird, dass dabei der eine Teil nicht mehr Träger der kaiserlichen<br />

Intention als der andere sein könne, vielmehr beide sich als Untertanen in den<br />

Gehorsam gegenüber dem Kaiser fügen müssten, der dafür den Schutz verleihe.<br />

Insofern sei es auch nicht zulässig, wenn die Juden vom Magistrat nicht unter<br />

die zu schützenden Untertanen gerechnet würden:<br />

„Übrigens aber stehen die Juden eben so gut als christliche Unterthanen,<br />

unter dem Schutz Ihro kayserlichen Majestät und der Obrigkeit. Sie<br />

haben in den Sachen, welche nicht der Religion wegen, oder nach dem<br />

Herkommen, besondere Gesätze erfordern, und aus dem Mosaischen<br />

Recht entschieden werden müssen, einerley Recht mit allen andern Einwohnern,<br />

und wenn sie sich beleidiget erachten, stehet ihnen der Weg zu<br />

dem Thron, der Weg zu den Reichsgerichten offen; daß demnach die so<br />

172 F3, S. 398–401.<br />

168


unglücklich angeführte Kayserliche Befehlen von weiter nichts als einem<br />

Verbott der Vorliebe zu erklären seyn können.“ 173<br />

Entsprechend könnten auch die „principia sanae politices“ und die Reichsgesetze,<br />

die den Juden Hantierung, Handel und Arbeit erlaubten, wie es den Untertanen<br />

und dem gemeinen Nutzen zum Besten sei, nicht zu einer Restriktion führen,<br />

denn auch die Juden gehörten schließlich zu den Untertanen und auch sie<br />

müssten daher in Überlegungen zum gemeinen Nutzen einbezogen werden: 174<br />

„Mit Thränen müssen Anwaldts Principales hier klagen, daß man seit<br />

einiger Zeit anfängt, sie, die Juden, gar nicht mehr so anzusehen, als ob<br />

sie ad rem publicam gehörten. Sie gehören aber doch würcklich dahin,<br />

und es ist eine Schuldigkeit der Obrigkeit, auch auf sie eine Rücksicht zu<br />

nehmen, und da ihnen ohnehin so viele Lebensarten verwehrt sind, daß<br />

es schwehr ist, sich durchzubringen, die erlaubte nicht weiter per odiosum<br />

restrictionem einzuschräncken.“ 175<br />

„Aber noch weiter, was heißet salus publica et civium? heißet es salus<br />

unius hominis aut alterius? heißet es salus unius ordinis civium? Es ist<br />

Anwaldts Principalibus verboten, sich in dem engen Verstand Cives, oder<br />

Bürger von Franckfurth zu nennen, und sie sollen nur accolae, Schutzgehörige<br />

jüdische Beysassen und Hindersassen genannt werden: aber in dem<br />

weitläuftigen Verstand des Worts civis, da es einen jeden heiset, der das<br />

jus habitandi in aliquã civitate besitzet, kann ihnen doch dieser Nahmen<br />

nicht streitig gemacht werden; Sie gehören also mit ad publicum, cujus<br />

salus suprema lex est, so lange nicht unius ordinis suppressio pro salute<br />

publicã gehalten werden wird.“ 176<br />

Daher sei auch die kaiserliche Rechtsanwendung nicht gegen sie zu wenden, da<br />

man – und hier wird auf die Klageschrift zurück gegriffen – sie im genannten<br />

173 F3, S. S 422, 423.<br />

174 Auch dies könnte als naturrechtlicher Ansatz gewertet werden, wenngleich der Gedanke des<br />

Gemeinwohls natürlich bereits eine lange Kontinuität im politischen wie rechtlichen Denken<br />

aufweist (siehe Kapitel III.3). Siehe zur Geschichte der Gemeinwohlidee Hibst, Peter: Utilitas<br />

Publica – Gemeiner Nutz – Gemeinwohl. Untersuchungen zur Idee eines politischen Leitbegriffs<br />

von der Antike bis zum späten Mittelalter, Frankfurt am Main/Bern/New York/Paris,<br />

1991. Siehe zur sich zunehmend ausbildenden Dominanz der Idee des ubiquitären Gemeinwohls<br />

durch naturrechtliche Ansätze Roeck, Bernd: Reichssystem und Reichsherkommen, S. 101ff.<br />

Stollberg-Rilinger, Barbara: Europa im Jahrhundert der Aufklärung, Stuttgart 2000, S. 200–203.<br />

Schlosser, Hans: Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 86–88.<br />

175 F3, S. 414–417.<br />

176 F3, S. 417, 418.<br />

169


Kommissionsverfahren nicht dazu gehört habe, 177 es aber abgesehen davon<br />

auch nicht um ein Privileg gehe, das ihnen eine besondere Erlaubnis geben<br />

müsse, da ihnen der Mehlhandel mangels besonderer Einschränkungen nach<br />

der naturrechtlich gesicherten Freiheit des Handels gar nicht verboten sei. 178<br />

Auch die kaiserliche Resolution von 1728 „heist in dem allerhöchsten Munde<br />

gewiß nicht so viel, als Magistratus soll die Juden unterdrücken“, 179 vielmehr<br />

gehe es um die Vermeidung einer Übervorteilung. Eine solche sei jedoch ohnedies<br />

nicht zu befürchten, da es sich nicht um ein ordentliches Negotium handle,<br />

das strittig sei, sondern lediglich um einen kleinen Kram der „armen Juden“,<br />

„welches Meel hauptsächlich nur zu Sabbathkuchen gebraucht“, 180 nur in der<br />

Judengasse und nur an Juden verkauft werde. 181 Dadurch sei auch dem städtischen<br />

Handwerk nichts genommen, wobei die Mehlhändler ohnedies nicht<br />

unter die zünftischen Handwerker gezählt würden und insofern dieser Vergleich<br />

des Magistrats hinfällig sei. Hier wird also der Konnex zur bereits in der ersten<br />

Klageschrift erwähnten „Neuerung“ hervorgehoben, dass nun christliche Mehlhändler<br />

ihr Mehl in der Gasse verkaufen würden und vielmehr dies den Grund<br />

der magistratischen Verordnung darstelle. Damit wird also indirekt nun eine<br />

unrechtmässige Favorisierung der christlichen Mehlhändler zum Nachteil der<br />

jüdischen Mehlhändler suggeriert, die Anschuldigung also umgekehrt:<br />

„Ein jeder, thue was sein Beruf ist. Keiner greife dem andern in seine<br />

Sache. Der Becker backe Brod, und nehme nicht dem armen Juden die<br />

Freyheit, ein wenig Geld mit dem eingeschränckten Handel zu verdienen.<br />

Er setze sich in seinen Brodladen, und nicht in die Judengasse, dann wird<br />

es im gemeinen Weesen wohl stehen, dann wird salus publica et civium<br />

bestehen, dann wird ein jeder leben können.“ 182<br />

„Denn wenn man diese Worte, auf eine willkührliche Weise, dahin ausdehnen<br />

dürfte, daß, zum Beyspiel, der Stadthändler sagen könnte, ihm<br />

geschähe durch Verkauffung der Stoffe, dem Zeughändler durch Verkauffung<br />

der Zeuge, der Capitalist durch Ausborgung der Gelder pp.<br />

Schaden; so würde es gar bald um die arme Juden geschehen seyn, und<br />

sie genöthiget werden, die Welt, oder doch wenigstens den Theil der Welt,<br />

wo eine solche Erklärung der Gesätze herrschete, zu verlassen.“ 183<br />

177 F3, S. 389–392.<br />

178 F3, S. 406, 407.<br />

179 F3, S. 421, 422.<br />

180 F3, S. 413, 414.<br />

181 F3, S. 381–385.<br />

182 F3, S. 417, 418 (Unterstreichung wie im Original).<br />

183 F3, S. 402–404.<br />

170


Infolgedessen wird auch die Observanz als Rechtsquelle vehement verteidigt,<br />

denn um diesen Vorwurf aufbauen zu können, muss der jüdische Mehlhandel<br />

als langes und kontinuierliches Gewohnheitsrecht etabliert werden:<br />

„So lange es noch ein jus non Scriptum in der Welt giebt; so lange die<br />

Rechtsregel gelten mag, daß die consuetudo tamquam lex zu consideriren<br />

ist; so lange lex posterior, etiam non scripta, legi priori, quantumvis<br />

scriptae, derogire, wenn die übrige zu einer introductione consuetudinis<br />

et observantiae nöthige requisita vorhanden sind […]“ 184<br />

Es wird wiederum argumentiert, dass die Observanz gleich dem (schriftlichen)<br />

Gesetz anzusehen ist, selbst wenn das schriftliche vor dem nicht schriftlichen<br />

Gesetz bereits existiere, letzteres jedoch hinreichend mit den „nöthige[n] requisita“<br />

bescheinigt werden könne. Wenngleich man sich daher nicht mehr auf die<br />

Mehlbücher berufen könne, sei doch die „vollkommene notorietaet“ ebenso<br />

durch Zeugenaussagen zu belegen. Daher habe man die ältesten Leute der<br />

Gasse dazu befragt, diese seien auch zu einem „leiblichen Eyd anheischig“, „daß<br />

von jeher, und so lange es Menschen gedencket, jederzeit in der Juden-Gasse<br />

Leute gewesen sind, und zwar Juden, welche den Meelkram unter ihnen geführet<br />

haben.“ 185 Die von einem kaiserlichen Notar durchgeführte und beglaubigte<br />

Befragung der drei ältesten Gemeindemitglieder Mayer Wormbs (85 Jahre),<br />

Benedict Daub (93 Jahre), Isaac Schwarzschild (90 Jahre), die sich als Anlage<br />

beifügt finde, ergebe entsprechend, dass diese sich bereits seit ihrer jüngsten<br />

Kindheit an Mehlhändler in der Gasse erinnern und diese auch mit Namen<br />

und Wohnort benennen könnten. Damit seien denn die Haupterfordernisse<br />

eines Gewohnheitsrechtes bereits belegt – lange Dauer und Kontinuität.<br />

In F22 nun steht noch deutlicher die Diskrepanz zwischen kaiserlich schriftlichem<br />

Recht und Observanz im Zentrum der Argumentation. In diesem Fall<br />

ist es jedoch der Magistrat, der eine städtische Observanz geltend machen will,<br />

während die jüdischen Kläger sich auf den kaiserlichen Schutz, wie er sich in<br />

der Stättigkeit intendiert finde, berufen. Der Magistrat begründet diese Observanz<br />

mit seiner obrigkeitlichen Aufsichtspflicht in Policeyangelegenheiten, dass<br />

er nämlich diese zum allgemeinen Besten und in Hinblick auf das Vorzugsrecht<br />

der Christen ausüben müsse. 186 Daher sei es den Juden, auch wenn sich dies<br />

nicht in der Stättigkeit finde, seit jeher verboten gewesen, zur gleichen Zeit wie<br />

die Christen einzukaufen, insbesondere da sie stets das Ende des freitäglichen<br />

184 F3, S. 423–425.<br />

185 F3, S. 427, 428.<br />

186 F22, S. 75/pag. 4; 77, 78/pag. 6, 7; 78, 79/pag. 7, 8; 98, 99/pag. 13, 14.<br />

171


Gottesdienstes abzuwarten hätten, bevor sie die Gasse verlassen dürften. 187<br />

Zwar habe man immer wieder städtische Edikte bezüglich der Marktbesuche<br />

ausgeben müssen, da diese seitens der Judenschaft vielfach übertreten worden<br />

seien. 188 Trotzdem sei seit der Einführung der Stättigkeit 1616 von jüdischer<br />

Seite kein juristischer Einspruch erhoben worden, mithin liege eine Observanz<br />

vor, die „alt und stadtkundig“ sei. 189 Diese sei ein „Usus contrarius qui<br />

legem tollit“, 190 nämlich den §37 der Stättigkeit, der den Juden den Besuch der<br />

Märkte ab 9 Uhr erlaube. Da dieser nie zur Ausübung gekommen sei, habe<br />

er damit keine Gültigkeit erlangt. 191 Hier spiegelt sich also paradigmatisch<br />

die Geltungsproblematik von Rechtsnormen in der Frühen Neuzeit wider, die<br />

durch Nichtanwendung ausgesetzt werden können. In diesem Falle entbehrt<br />

dies freilich nicht an Brisanz, ist es doch eine kaiserliche Rechtsnorm, die<br />

dadurch ausgehebelt werden sollte. Daher versucht der Magistrat, dies durch<br />

seine policeyliche Oberaufsicht zu legitimieren. Policeysachen, also öffentliche<br />

Verwaltungsangelegenheiten, lägen in seinem Kompetenzbereich, er dürfe<br />

also für Bürger wie für Juden gleichermaßen Verordnungen zum allgemeinen<br />

Besten und zur Aufrechterhaltung der Ordnung ausgeben. 192 Er versucht dies<br />

zusätzlich mit einem antijüdischen Hinweis in Hinblick auf den Fischkauf zu<br />

bekräftigen, dass es den Juden nämlich nur deshalb um den frühen Einkauf<br />

der Fische des Freitags gehe,<br />

„[…] weilen die Juden aus einem besondern Aberglauben alle Sabbath<br />

Fische essen wollen, und Ihnen in Ihren Jüdischen Büchern gebotten, auf<br />

den Sabbath und absonderlich bey der 3.ten Mahlzeit von den allerbesten<br />

Fischen zu essen, wie solches in Eisenmengers entdeckten Judenthum<br />

P. II. p. 38. mit mehrerem angeführet worden, so sind dieselbe solche<br />

Freytags vorher einzukauffen sehr begierig.“ 193<br />

Dass hier ausgerechnet Eisenmengers Buch zitiert wird, ist zweifellos eine<br />

zusätzliche Provokation für die jüdischen Kläger, da es genau jenes Buch<br />

ist, dessen Druck im Reich besonders die Frankfurter jüdische Gemeinde<br />

am Reichshofrat über Jahrzehnte erfolgreich bekämpfte. 194 Die Intention des<br />

187 F22, S. 81, 82/pag. 10, 11; 83, 98/pag. 12, 13.<br />

188 F22, S. 74, 74/pag. 3, 4; 81–83/pag. 10–12.<br />

189 F22, S. 102, 103/pag. 17, 18.<br />

190 F22, S. 104/pag. 19.<br />

191 F22, S. 102, 103/pag. 17, 18.<br />

192 F22, S. 75, 76/pag. 4, 5; 78, 79/pag. 7, 8; 98, 99/pag. 13, 14; 101, 102/pag. 16, 17.<br />

193 F22, S. 81/pag. 10.<br />

194 Siehe zu diesem Fall HHStA, RHR, Decisa K 185 (Relation liegt bei, nicht wie im Archivbehelf<br />

fälschlich angegeben im Bestand Relationes). Es handelt sich um die Akten des Prozesses<br />

zwischen Eisenmenger bzw. später seinen Erben gegen die Frankfurter Jüdische Gemeinde um<br />

172


Magistrats indes scheint klar: Er versucht religiöse Bräuche gegeneinander<br />

auszuspielen, den gering geschätzten jüdischen „Aberglauben“ versus den<br />

„ungestörten“ christlichen Gottesdienst, vermutlich in der Annahme, dass<br />

man seitens des Reichshofrats bei der Notwendigkeit des Schutzes der christlichen<br />

Religion über ein außer Kraft gesetztes kaiserliches Gesetz hinwegblicken<br />

könne.<br />

Dies bestreiten nun die jüdischen Kläger vehement. Abgesehen davon,<br />

dass man hier anhand von „mit unverdienten Anzüglichkeiten gewürtzen<br />

Worten“ 195 gegen sie vorgehen wolle, sei bis auf Karfreitag der Freitag kein<br />

besonderer christlicher Bettag und ihnen der Ausgang daher zu jeder Zeit zu<br />

erlauben.<br />

„[…] und daß andern Theils die Stättigkeit von einem eingeschränkten<br />

freytägigen Ausgang aus der Judengasse nicht eine Sylbe disponire,<br />

[…] mithin dörfen auch die Juden, wie ihnen in der ganzen Welt, wo sie<br />

geduldet werden, erlaubet ist, auf selbigen zu jeder Stunde ohngehindert<br />

aus ihrer Gasse gehen, und kaufen und verkaufen, was ihnen erlaubt ist.<br />

Denn hat man in anno 1616., da die Judenstättigkeit publiciret worden,<br />

und da die Toleranz noch lange nicht so groß war als jetzo, den freytägigen<br />

Ausgang auf keine Stunde eingeschränket; so kann dieses jetzo Löbl[iche]r<br />

Magistrat, welcher ohnehin ohne Euer Kais[erlich] Königl[iche]<br />

Mayestät allergnädigste Bewilligung nichts neues, und der Stättigkeit<br />

widriges verordnen darf, noch weniger thun […].“ 196<br />

Dies nun steht im Zentrum der Argumentation der jüdischen Kläger: der<br />

Magistrat sei mitnichten befugt, eine kaiserliche Anordnung auszusetzen.<br />

Vielmehr sei dies als eine grobe Zuwiderhandlung gegen die „Gesätze, und<br />

ausdrückliche Kayserliche Anordnungen, und bestättigte Verträge“ anzusehen,<br />

„willkührlich wider alles Recht und Billigkeit“ 197 , als „eigenmächtige Unternehmungen<br />

wider die Stättigkeit und Judenordnung, und strafbare Fürschritte,<br />

welche ohne Allerhöchstes Kaiserliches Vorwissen, und allergnädigste Bewilligung<br />

nicht haben gethan werden können.“ 198 Hier wird also, ähnlich wie in F3<br />

gesehen, wieder ein Vertragscharakter der Stättigkeit herausgehoben, weswegen<br />

Schadenersatz. Zu Leben, Werk und der Auseinandersetzung mit der Frankfurter Gemeinde<br />

siehe Avneri, Zvi: Art. Eisenmenger, Johann Andreas. In: Encyclopaedia Judaica, Vol. 6, Detroit<br />

2007 2 , S. 268. Breuer, Mordechai/Graetz, Michael: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit,<br />

Bd. I: 1600–1780, S. 152, 153. Horovitz, Markus: Frankfurter Rabbinen, S. 185–187.<br />

195 F22, S. 173.<br />

196 F22, S. 159, 160.<br />

197 F22, S. 14, 155.<br />

198 F22, S. 169, 170.<br />

173


der Magistrat als einzelner Vertragsteil nicht ermächtigt sei, daran etwas zu<br />

ändern, ungeachtet seiner obrigkeitlichen Position. Seine Verordnungen als<br />

Eigenmächtigkeit und strafbares Verhalten zu stigmatisieren, delegitimiert<br />

zugleich jeglichen Einwand einer policeylichen Oberaufsicht oder gemeinnützigen<br />

Handlung seitens des Magistrats, die nicht anzuerkennen sei, wenn<br />

sie nicht dem kaiserlichen Gesetz – und dies meine neben der Stättigkeit auch<br />

die kaiserliche Resolution von 1728, die die Unveränderbarkeit der Stättigkeit<br />

erneut festgeschrieben habe 199 – gemäß sei. Denn: „Alles, was dawider ist,<br />

ist nicht Ordnung, sondern sträfliches Vergehen, es mag geschehen von wem<br />

es will […]“. 200 Entsprechend wird die Observanz, die vom Magistrat geltend<br />

gemacht worden war, ausgehebelt. Es sei diese nämlich nicht existent, weil man<br />

sich jüdischerseits an die magistratischen Verordnungen bewusst nie gehalten,<br />

sondern vielmehr das kaiserliche Recht beachtet und damit sehr wohl in<br />

Anwendung gebracht habe.<br />

„Denn so ist [es] […] ein nie erwiesen werden könnendes Vorgeben, daß<br />

dasjenige, was in Ansehung der Zeit des jüdischen Einkaufs aus dem §. 37.<br />

der Judenstättigkeit de anno 1616. diesseits vorgebracht worden, niemalen<br />

zur Übung gekommen seye. Lex lata semper loqui praesumitur. Die<br />

Juden zu Frankfurt sind von dem Ihr in der Stättigkeit in Ansehung des<br />

Victualien=Einkaufs allergnädigst gegebenen Recht nicht abgewichen,<br />

und haben sich an die anmaßliche Verordnungen, die ihr selbiges haben<br />

nehmen wollen, nicht gekehret […].“ 201<br />

„Da nun die Verordnungen alle nichts gelten; so haben auch die Juden<br />

wohl gethan, daß sie sich an selbige, wie oben […] bereits unterthänigst<br />

gesagt worden, nicht gekehret haben; mithin können sie auch aus dieser<br />

Ursach nicht wider sie angezogen werden.“ 202<br />

Damit kehren die Baumeister nun das magistratische Argument der Rechtsungültigkeit<br />

bei fehlender Anwendung um, bewiesen durch dessen eigene<br />

Aussage, dass die Juden die städtischen Verbote immer wieder überschritten<br />

hätten. Zwar streitet man auch seitens der jüdischen Prozesspartei nicht ab,<br />

dass einer solche Observanz, sollte sie existieren, „vim legis“, 203 also Rechtsoder<br />

Gesetzeskraft zukomme, dafür müsse sie jedoch schriftlich belegt,<br />

199 F22, S. 166–168.<br />

200 F22, S. 151.<br />

201 F22, S. 153, 154.<br />

202 F22, S. 170, 171.<br />

203 F22, S. 12, 13.<br />

174


kontinuierlich und lange ausgeübt 204 worden und „à Summo Imperatore taciti<br />

[…] approbata“ 205 sein, d.h. vom Kaiser stillschweigend genehmigt. Dies nun<br />

freilich könne in diesem Fall nicht zutreffen, da sich die Observanz ja gegen<br />

das kaiserliche Gesetz wende, das den schriftlichen Ausdruck des kaiserlichen<br />

Gesetzgebungswillens darstelle. Daher gelte hier vielmehr das Rechtssprichwort<br />

„Hundert Jahr unrecht, ist keine Stunde Recht“. 206 Auch hier wird also,<br />

wie in F3, die Bedeutung offenkundig, die man der Übereinstimmung des<br />

eigenen Handelns mit der kaiserlichen Intention beimisst.<br />

Neben diesen Hauptargumenten wird von den Klägern weiter angeführt,<br />

dass man prinzipiell durchaus damit einverstanden sei, dass in Policeysachen<br />

die Juden sich wie die Christen zu fügen hätten, wenn dies bedeute, dass man<br />

sie darin gleich behandle, denn das Vorzugsrecht könne man den Christen<br />

allenfalls in den speziell geregelten Fällen zugestehen, nicht jedoch in genere:<br />

„Gleichwie aber die Juden denen christlichen Einwohnern den Vorkauf in<br />

Ansehung der Victualien in keinen andern Fällen, und auf keine andere<br />

Art einräumen, und nie eingeräumet haben, als wo die Stättigkeit solchen<br />

expressis verbis vorgeschrieben hat […].“ 207<br />

Dies wird verbunden mit dem römisch-rechtlichen Einwand, der auch in F3<br />

bereits vorgebracht wurde, dass nämlich die Juden, sobald sie „in Geleid, und<br />

Schutz genommen sind“, sich außer in Spezialfällen aller Rechte der „Bürger,<br />

Unterthanen, und Christen“ erfreuen dürften, „quod Judaei sint de corpore<br />

civitatis, sicque statutum civitatis quoque Judaeos comprehendat“. 208 Das heißt,<br />

hier wird Bezug auf ihre Stellung als „cives Romani“ 209 im Römischen Recht<br />

genommen und in der Konsequenz diese gleichberechtigte Stellung auch auf<br />

das Policeyrecht übertragen – eine hoch politische Forderung. Bezeichnenderweise<br />

äußert sich der Magistrat zu dieser Aussage nicht und übergeht sie geflissentlich.<br />

Die Kläger aber führen weiter aus, dass man seitens des Magistrats<br />

in policeylichen Angelegenheiten dem gar nicht entspreche, sondern vielfach<br />

in Fällen, wo von Juden gegen Auflagen verstoßen worden sei, gar eine viel<br />

204 F22, S. 12–14, 135, 136.<br />

205 F22, S. 12, 13, 174, 175.<br />

206 F22, S. 175.<br />

207 F22, S. 147.<br />

208 F22, S. 11, 12.<br />

209 Siehe zur „cives Romani“-Stellung der Juden, die sich aus der Interpretation des Codextitels 1.9<br />

ergibt und in der Frühen Neuzeit vor allem von Reuchlin im so genannten Bücherstreit 1511<br />

prominent vertreten wurde, jedoch, so Güde, „die nahezu einhellige Meinung bei den Juristen<br />

der frühen Neuzeit“ (S. 49) gewesen sei: Battenberg, Friedrich: Rechtliche Rahmenbedingungen<br />

jüdischer Existenz, S. 66–69. Güde, Wilhelm: Die rechtliche Stellung der Juden in den Schriften<br />

deutscher Juristen des 16. und 17. Jahrhunderts, S. 47–66.<br />

175


höhere Strafe als erforderlich verhängt, gekaufte Waren eingezogen oder den<br />

Arrest vollzogen habe, obwohl bei einigen dieser Verstöße eine Notsituation<br />

vorgelegen habe. 210<br />

Zuletzt verweisen die jüdischen Kläger noch auf Verfahrensfehler, die seitens<br />

des Magistrats begangen worden seien. So seien sie vor der erstinstanzlichen<br />

Urteilsfällung nach dem Verhör beim Rechneiamt nicht mehr zum Gegenbericht<br />

aufgefordert worden, und auch ein zweites Dekret, das den Fischeinkauf<br />

außerhalb der Stadt beschränkt habe, sei erst im März 1781 211 nach Einlegung<br />

der Appellation ergangen und mißachte daher die Rechtshängigkeit des<br />

Verfahrens – „mithin diesem Höchstpreyßlichen Reichsgericht zum Veracht<br />

gegeben – ein Attentatum begangen […]“. 212<br />

Wie reagiert nun der Reichshofrat auf diese Positionen? Im vorliegenden Fall<br />

ist eines der wenigen Voten des Referenten, Graf Josef von Seilern, 213 erhalten,<br />

das Aufschluss über die richterlichen Entscheidungsgründe gibt. So hält er das<br />

jüdische Gesuch für umfassend begründet, denn es stehe dem Magistrat nicht<br />

zu, irgendeine Änderung an der Stättigkeit „ohne anzeig und Bewilligung“ 214<br />

vorzunehmen, es sei ihm allenfalls erlaubt, Vorschläge in Wien zu unterbreiten,<br />

keineswegs aber sei er „befugt via facti zu Werk zu gehen“. 215 Insofern seien<br />

die magistratischen Dekrete nicht zu rechtfertigen und sogleich zu kassieren.<br />

Entsprechend der Argumentation der Judenschaft hält auch Seilern fest,<br />

was aber „die angeführte observanz betrift, so laß sich nach meiner ohnmaßgeblichen<br />

Meinung keine contra jura caesarea erdenken, und ist auch keine<br />

erwiesen“. 216 Gleichwohl bezweifelt auch er nicht die Möglichkeit einer rechtsgültigen<br />

Observanz, derenthalben man dem Magistrat frei stellen solle, diese<br />

gewohnheitsrechtlich begründeten Einwände noch einzubringen. 217 Im Falle<br />

einer Konkurrenz jedoch stehe das kaiserliche Recht klar über der Observanz.<br />

Ebenso urteilt er in Hinblick auf die vom Magistrat angeführte policeyrechtliche<br />

Notwendigkeit der Verordnungen zum Schutz des gemeinen Nutzens. Zwar<br />

ist der Referent nicht willens, die von der Judenschaft beigebrachten Fälle, in<br />

denen das übliche Strafmaß überschritten worden sei, zu ahnden, weil diese<br />

zum einen nicht den Handel, sondern das Verlassen der Gasse zum Inhalt<br />

210 F22, S. 162–164.<br />

211 Dieses Dekret wird weder von der Judenschaft noch vom Magistrat in das Appellationsverfahren<br />

eingebracht und findet sich daher nicht im Prozessverlauf.<br />

212 F22, S. 179.<br />

213 Siehe Gschließer, Oswald von: Der Reichshofrat, S. 492.<br />

214 F22, S. 251.<br />

215 F22, S. 252.<br />

216 F22, S. 251.<br />

217 F22, S. 252, 262.<br />

176


hätten, zum anderen weil er die Urteile in diesen Fällen als zu Recht ergangen<br />

einstuft, jedoch seien auch policeyliche Verordnungen nicht legitim, wenn<br />

sie in die „jura reservata Caesarea einschlagen“, 218 was hier der Fall sei. Das<br />

Reichshofratsgremium folgt diesem Votum in allen Punkten und kassiert per<br />

Reskript vom 14. Juli 1783 die magistratischen Dekrete, weil es dem Magistrat<br />

„nicht gebühret habe, in dieser Sache, wo es auf eine Ihro Kayserlichen<br />

Mayestät allein vorbehaltene Abänderung der Juden Stättigkeit ankommen,<br />

eigenmächtig, ohne vorhero Bericht erstattet, und die Kaiserliche<br />

Resolution nach Vorschrift mehrmahliger Kaiserlicher Verordnungen<br />

abgewartet zu haben, eine neue Einrichtung zu machen.“ 219<br />

Es wird dem Magistrat jedoch ausdrücklich gestattet, mögliche Änderungsvorschläge<br />

die Judenstättigkeit betreffend zukünftig noch vorzulegen. Sämtliche<br />

andere Beschwerden der Juden haben hingegen „nicht statt“ 220 . Man lässt sich<br />

also auch von reichshofrätlicher Seite nicht auf die von den jüdischen Klägern<br />

ausgeführte politische Forderung oder deren theoretische Diskussion ihrer<br />

Rechtsstellung ein, sondern ist lediglich auf die Wahrung der kaiserlichen<br />

Interessen bedacht.<br />

Betrachtet man nun beide Verfahren im Vergleich, so wird deutlich, dass es<br />

den Prozessparteien in den Appellationsprozessen vor dem Reichshofrat nicht<br />

mehr nur um die konkrete Konfliktsituation und die Lösung derselben ging,<br />

sondern auch um die umstrittene Legitimation des Magistrats als kaiserlichem<br />

Willensträger. Die Judenschaft beanspruchte diese Position, wie gesehen, ebenfalls,<br />

indem sie sich als Verteidiger des kaiserlichen Rechts gegen den „Aggressor“<br />

Magistrat zu etablieren versuchte, der die kaiserliche Gesetzgebung durch<br />

eigenmächtige Policeyverordnungen zu unterwandern suche. Dieser Einschätzung<br />

folgte der Reichshofrat auch tatsächlich in seinem Urteil und unterstützte<br />

die jüdische Position, allerdings kaum um jüdische, sondern vielmehr um die<br />

kaiserlichen Interessen zu wahren.<br />

Die jüdischen Kläger versuchten weiters eine Statusabwertung des Magistrats<br />

als kaiserlichen Befehlsempfänger sowie gegenüber der Judenschaft als<br />

Vertragspartner in Hinblick auf die Stättigkeit zu begründen, deren Ver tragscha<br />

rak ter in beiden Fällen herausgestrichen wurde. Deutlich zu verstehen gab<br />

man dabei, dass man sich an magistratische Verordnungen in keiner Form<br />

gebunden sehe, sondern einzig an die kaiserliche Normsetzung, wobei die<br />

218 F22, S. 262.<br />

219 F22, S. 222, 223.<br />

220 F22, S. 223.<br />

177


offene Boykottierung der magistratischen Verordnungen als Hebel zur Geltungsentziehung<br />

den jüdischen Klägern völlig rechtmäßig erschien. Auch<br />

vom Referenten, ebenso wie vom Reichshofratsgremium, wurde dies offenbar<br />

keineswegs als ungewöhnlich oder illegitim empfunden. Dem alleinigen<br />

Gehorsam gegenüber kaiserlichem Recht stellte man auf Seiten der jüdischen<br />

Klägerpartei den Kaiser als alleinigen Schutzgarant gegenüber, und rief derart<br />

eine Form der Gegenseitigkeit auf.<br />

Bezüglich der fehlenden Regulation wurde auf die kaiserliche Gesetzesintention<br />

verwiesen, zu deren rechtmäßiger Interpretation sich beide Seiten<br />

berechtigt sahen. Die Judenschaft begründete dies über ihr Schutz-Gehorsam-<br />

Verhältnis zum Kaiser und sah sich als Wahrer der kaiserlichen Rechte, der<br />

Magistrat hingegen über seine Stellung als Obrigkeit, die in policeyrechtlichen<br />

Fragen im Sinne des Gemeinen Besten und unter Bevorzugung der christlichen<br />

Bürger entscheiden dürfe, was wiederum religiös legitimiert wurde. Dass<br />

sowohl die jüdischen Kläger als auch der Magistrat mehrfach auf die kaiserliche<br />

Rechtsanwendung in anderen Fällen verwiesen, lässt erkennen, dass dahinter<br />

die Annahme gestanden haben mag, die Intention des Gesetzgebers könne über<br />

das vom kaiserlichen Gericht gesetzte Recht erschlossen werden. Insbesondere<br />

die kaiserlichen Kommissionsabschiede als Normquelle traten dabei in beiden<br />

Fällen in den Vordergrund. Der von Seiten der Judenschaft unternommene<br />

Versuch, ihre römisch-rechtliche Gleichstellung zu betonen, die überall dort<br />

aufrechtzuerhalten sei, wo nicht spezielle restriktive Gesetze für sie galten,<br />

und die daraus abgeleitete Etablierung einer rechtlichen Gleichberechtigung<br />

auch auf städtischer Ebene durch Übertragung auf das Policeyrecht wurde<br />

hingegen sowohl von Seiten des Magistrats wie auch von Seiten des Reichshofrats<br />

ignoriert.<br />

Deutlich wurde die Bedeutung der Observanz für beide Seiten, die vom<br />

Magistrat sogar in einem Fall de facto über das kaiserliche Gesetz gestellt<br />

wurde. Für beide galt sie dabei, insofern sie erwiesen, kontinuierlich und<br />

langjährig sei, als ebenso geltungsmächtige Rechtsquelle wie geschriebenes<br />

Recht. Dies unterlag auch, wie in F3 gesehen, zeitlich keiner Veränderung, was<br />

der allgemeinen Rechtsentwicklung entgegensteht, für die eine Abnahme der<br />

Bedeutung gewohnheitsrechtlicher Maximen im 18. Jahrhundert angenommen<br />

wird. 221 In beiden Fällen wurde außerdem auf Verfahrensfehler verwiesen, was<br />

Rückschlüsse darauf zulässt, wie hoch die Rechtmäßigkeit des Verfahrens und<br />

die Einhaltung prozessrechtlicher Maximen bewertet wurde. Solche Fehler<br />

wurden offenbar als so zwangsläufig Rechtsfolgen nach sich ziehend eingestuft,<br />

dass sie auffielen, notiert und argumentativ verwertet wurden. Dass dieses<br />

221 Simon, Thomas: Der Weg von der Gewohnheit zur Positivität des Rechts, S. 120–130.<br />

178


Argument jedoch in der Entscheidungsfindung eines Gerichts, das sich gerade<br />

selbst durch ein so flexibles prozessrechtliches Vorgehen auszeichnete, nicht<br />

zum Tragen kam, mag nicht verwundern.<br />

2.d.2 Gemeindemitgliedschaft und Bann<br />

In zwei der drei Fälle wegen strittiger Gemeindemitgliedschaft handelte es<br />

sich um eine Appellation der Baumeister gegen Verfügungen des Schöffenrates<br />

zugunsten eines Gemeindemitglieds, dem die Aufnahme verweigert worden<br />

war, sowie gegen den Schöffenrat selbst, der die Aufnahme gegen den Willen<br />

der Baumeister in der Vorinstanz verfügt hatte. Im einen Verfahren (F20) war<br />

dem Juden Moses Salomon Sichel wegen ausstehender Gemeindeschulden seines<br />

Vaters, im anderen (F19) Hanna Ursel wegen „Unzucht“ von den Baumeistern<br />

die Mitgliedschaft verwehrt worden. Im dritten Verfahren (F24) hingegen<br />

ging die Appellation wegen der Besetzung einer Rabbiner-/Lehrerstelle in der<br />

Stiftungsschule „Klaus“ von dem Gemeindemitglied Zacharias Wertheim aus<br />

und richtete sich gegen die Baumeister und den Frankfurter Magistrat, eine<br />

ungewöhnliche Konstellation, die derart nur dieses eine Mal im Prozesskorpus<br />

vorkam. Ob und inwiefern nun gerade in diesem Verfahren die Argumentation<br />

gewechselt wurde, ob etwa eine flexible Annäherung der sonst konfligierenden<br />

Parteien Baumeister und Magistrat zu beobachten ist, soll hierbei besonders<br />

in den Vordergrund des Interesses gerückt werden.<br />

Im Zentrum der Argumentation in dem Verfahren gegen Moses Salomon<br />

Sichel steht die Auslegung der Stättigkeitsparagraphen 106 und 107, die die<br />

Aufnahme neuer Mitglieder an eine „Kundschaft des Wohlverhaltens“ von<br />

den Baumeistern sowie an die Abgeltung offener Gemeindeschulden koppeln,<br />

sowie die Observanz in derlei Verfahren innerhalb der jüdischen Gemeinde,<br />

die von beiden Seiten unterschiedlich beschrieben wird, aber für die jeweils<br />

eigene Position als rechtswirksam etabliert werden soll.<br />

So berufen sich die jüdischen Kläger in Hinblick auf den §107, der die offenen<br />

Gemeindeschulden, in diesem Fall des verstorbenen Vaters, betreffe, zunächst<br />

auf eine gemeinrechtliche Norm: „Haeres personam defuncti repraesentiret,<br />

und beyde eine Person aus machen, mithin der Sohn, der den Vater geerbet,<br />

auch alle dessen Facta praestiren […]“ 222 müsse. Indem also der Sohn durch<br />

Antritt des Erbes „ob identitatem personae“ die (Rechts)Person des Vaters<br />

repräsentiere, sei er auch für die Abgeltung von dessen Schulden haftbar. Da<br />

222 F20, S. 258, 259.<br />

179


nun die Baumeister einem Kandidaten erst dann ihre „Kundschaft“, also ihr<br />

Gutachten oder Attestat, geben könnten, wenn dieser alle Erfordernisse für die<br />

Stättigkeit erbringe – nämlich ein ausreichendes Vermögen, eine Wohnstätte,<br />

die Ehe mit einer/m Frankfurter Juden/Jüdin und die Abgeltung aller offenen<br />

Gemeindeschulden –, sei es offenkundig, dass sie Sichel ein solches nicht ausstellen<br />

könnten, da er nach obiger Regel zunächst die ausständigen Schulden<br />

bezahlen müsse. 223 Ob er dabei früher geheiratet habe als andere Kandidaten,<br />

sei in diesem Zusammenhang völlig unerheblich, da in der Stättigkeit weder<br />

erwähnt noch festgeschrieben. 224 Die Bezahlung der Gemeindeschulden durch<br />

die entsprechend erfolgende Ausstellung der „Kundschaft“ zu kontrollieren, sei<br />

das wohl erworbene Recht der Baumeister, ihr ius quaesitum, 225 das vom Kaiser<br />

„doch lediglich deßwegen gegeben worden, damit diese Weitläufigkeiten vermieden<br />

werden, und die gemeine Judenschaft durch den kürzesten Weg zu dem<br />

Ihrigen gelangen solle.“ 226 Damit wird wiederum auf die kaiserliche Gesetzesintention<br />

verwiesen, der man durch die Ausübung des Stättigkeitsparagraphen<br />

zugunsten der Gemeindekasse und damit dem gemeinen Nutzen der Gemeinde<br />

in diesem Sinne folge. Dass der Magistrat die Aufnahme Sichels erzwinge, sei<br />

ein Versuch, den Baumeistern ihr Recht aus den Händen zu winden, 227 die<br />

Stättigkeit abzuändern 228 und kaiserliches Gesetz und „Willensmeynung“ zu<br />

übergehen, 229 wie es nicht nur in diesem Fall, sondern ebenso im ebenfalls<br />

anhängigen Reichshofratsprozess gegen die Jüdin Hanna Ursel geschehe. 230 Die<br />

beiden reichshofrätlichen Verfahren werden explizit in Beziehung zueinander<br />

gesetzt und offensichtlich, wenngleich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu einer<br />

Entscheidung gediehen, 231 bereits als einschlägiger Beispiel- oder Präjudizfall<br />

als Rechtsquelle aufgerufen. Es sei nun gar so,<br />

„[…] daß ein sonst respectirl[iches] Judicium à quo die Frankfurther<br />

Judenstättigkeit nach und nach durch solche entgegen laufende Decreta<br />

zu entkräften, und sich ohne Rüksicht der gemessenen allerhöchsten<br />

Willensmeynung darüber hinaus zusezen anmassen wolle. Wenn<br />

aber dergleichen unterrichterl[iche]m Beginnen kein allergerechtestes<br />

Maas und Ziel gesezet wird, nicht unbillig zu befürchten stehet, daß die<br />

223 F20, S. 27, 28, 254, 255, 258, 259, 271, 272.<br />

224 F20, S. 254, 255.<br />

225 F20, S. 260, 261.<br />

226 F20, S. 271, 272. Zur „kayserlichen Willensmeinung“ außerdem 32, 33, 50, 51, 52.<br />

227 F20, S. 42.<br />

228 F20, S. 49, 50, 51.<br />

229 F20, S. 50.<br />

230 F20, S. 22, 23, 24, 25.<br />

231 Im Verfahren gegen Hanna Ursel war ebenfalls erst sechs Monate zuvor im März 1779 das Libellum<br />

gravaminum eingereicht worden.<br />

180


Frankfurt[isch]e Judenschaft ihrem Untergang und Verderben näher<br />

gebracht werde.“ 232<br />

Damit wird dem Magistrat – abgesehen von einem feindlichen Ansinnen gegenüber<br />

der Judenschaft – eine Handlungsstrategie durch seine Gerichtsbarkeit<br />

unterstellt, die das kaiserliche Gesetz durch städtische Verordnungen zunehmend<br />

untergrabe und auszusetzen drohe. Wehre sich daher die Judenschaft<br />

gegen solche Eingriffe des Magistrats, so scheint die logische Folge, verfechte<br />

sie nicht nur ihr eigenes Recht, sondern schütze in erster Linie die Position des<br />

Kaisers als oberster Gesetzgeber. Zugleich vollzieht sie dadurch argumentativ<br />

geschickt eine Gleichsetzung der Wahrung ihrer Rechte mit den kaiserlichen<br />

Rechten – werden die ihren angegriffen, werden zugleich stets die kaiserlichen<br />

mit angegriffen. Insofern könne eine Befolgung der magistratischen Verordnungen<br />

nur unter dem Prinzip der Gegenseitigkeit erfolgen:<br />

„Anwaldts Principales sind weit davon entfernt, ihre ordentliche Obrigkeit<br />

jemalen zu verkennen: diese soll sie aber auch bey ihrer Judenstättigkeit,<br />

Gewohnheiten, und Herkommen allerhöchste anbefohlner massen<br />

schüzen. Hierunter gehöret in specie das § 107. der Judenstättigkeit<br />

enthaltene verbietende Gesäz, daß kein Jud aufgenommen werden soll,<br />

er habe sich dann mit den Baumeistern verglichen waß er der Gemeinde<br />

schuldig ist, und deswegen von ihnen einen Schein aufzulegen.“ 233<br />

Als zweites zentrales Argument wird nun die Observanz innerhalb der jüdischen<br />

Gemeinde geltend gemacht. Diese sei eine „fast den Kindern auf der Gaße<br />

bekannte“, 234 „eine gute alte- und jedem Frankfurter Juden bekannte“ 235 sowie<br />

eine „ohnunterbrochene Observanz“. 236 Zunächst werden Legitimitätskriterien<br />

der Rechtsquelle abgerufen, wobei nun der langen Dauer und Kontinuität noch<br />

die Bekanntheit hinzugefügt wird, womit auf eine Öffentlichkeit und einen<br />

öffentlichen Raum, in dem diese bekannt sein müsse, verwiesen wird. Es besage<br />

diese Observanz zum ersten, dass in Insolvenzfällen, in denen der Schuldner<br />

versterbe, der bei dessen Tod noch nicht in die Stättigkeit aufgenommene<br />

Sohn zunächst die Gläubiger des Vaters ausbezahlen müsse, bevor er rezipiert<br />

werden könne. 237 Brisanterweise habe gerade der verstorbene Sichel, der<br />

ebenfalls Baumeister war, diese Observanz gegen den Sohn eines insolventen<br />

232 F20, S. 50, 51.<br />

233 F20, S. 42, 43.<br />

234 F20, S. 36, 37.<br />

235 F20, S. 266, 267, ähnlich auch 273.<br />

236 F20, S. 44.<br />

237 F20, S. 44.<br />

181


Gemeindemitgliedes, Herz Amschel Maas, angewandt, woraufhin dieser die<br />

Gemeinde tatsächlich verlassen und ins nahe gelegene Offenbach wegziehen<br />

habe müssen. 238 „Und jezo soll der Sohn von einem Namentl[ich] in der Judenstättigkeit<br />

enthaltenen Gesäze exems seyn, das der Vater in der weiter ausgedehnten<br />

Observanz würksam seyn lassen.“ 239 Hier wird die Legitimität der<br />

Observanz also durch jüdische Rechtsanwendung im weitesten Sinne, konkret<br />

durch einen Beispielfall unterfüttert.<br />

Zum zweiten habe zwar jedes Gemeindemitglied nach Proportion seines<br />

Vermögens seine „Schazung“ und Armenbillets, d.h. seine Abgaben, zu entrichten,<br />

jedoch werde die Anlage auf Treu und Glauben ohne Überprüfung<br />

der tatsächlichen Vermögensverhältnisse vorgenommen und seit den „Kulp-<br />

Kannschen Wirren“ in der Mitte des 18. Jahrhunderts 240 eine entsprechende<br />

Eventualitätsklausel in die Quittungen aufgenommen. 241 Werde im Todesfall<br />

nun durch die Höhe des Erbes deutlich, dass falsche Angaben gemacht wurden<br />

und zu wenig „verschäzet“ worden sei, so müsse gerade der jüngste Sohn, so<br />

er beim Tode des Vaters noch nicht in die Stättigkeit aufgenommen worden<br />

sei, für die Differenz haften. 242 Erst im Nachhinein könne sich dieser dann<br />

an seinen Geschwistern schadlos halten, um zu vermeiden, dass aufgrund<br />

geschwisterlicher Erbstreitigkeiten die Gemeindeschulden ausständig blieben.<br />

243 Im Falle des verstorbenen Sichel sei es gar so, dass er nicht einmal die<br />

Hälfte des Vermögens angegeben habe, „sondern die Gemeinde schändlicher<br />

238 F20, S. 44, 45.<br />

239 F20, S. 44, 45.<br />

240 Die so genannten „Kulp-Kannschen Wirren“ meinen den innerjüdischen Konflikt in der Mitte<br />

des 18. Jahrhunderts, während dem die oligarchisch geschlossene, von bestimmten Familien<br />

– so unter anderem der Familien Kann und Kulp – dominierte Vorsteherschaft zunächst in<br />

einen internen Konflikt zwischen Baumeistern und Kastenmeister geriet, dann jedoch von der<br />

Gemeinde zunehmend in Frage gestellt und zur Offenlegung ihrer Amtsgeschäfte gezwungen<br />

wurde. Während dieses Konflikts geriet die Schatzung offensichtlich ins Stocken, daher wohl<br />

die genannte Eventualitätsklausel. Die gegnerischen jüdischen Parteien wandten sich dabei<br />

mehrfach an den Reichshofrat. Zur Befriedung wurde das so genannte Reglement-Projekt in<br />

Gang gesetzt, das eine erneuerte transparentere Gemeindeordnung zum Ziel hatte. Auch die<br />

Vermittlung dieses Projekts lief über den Reichshofrat, kam, obwohl weit gediehen, jedoch zu<br />

keinem offiziellen Abschluss. Gotzmann ist der Meinung, dass die Gemeindeordnung intern<br />

dennoch zur Ausübung gelangte. Siehe Gotzmann, Andeas: Jüdische Autonomie in der Frühen<br />

Neuzeit, hier S. 417, 418, die sehr hilfreiche Darstellung des Konflikts, die auch die innerjüdischen<br />

Quellen und die Stellung des Oberrabbiners dazu mit einbezieht S. 411–438 sowie die<br />

ältere positivistische Darstellung bei Kracauer, Isidor: Die Kulp-Kannschen Wirren, S. 135–212.<br />

241 Das Vorgehen bei der Schatzung in Frankfurt stellt sich demnach, zumindest in dieser Beschreibung,<br />

anders dar als in der Darstellung von Breuer/Graetz: „Das Vermögen jedes Steuerzahlers<br />

wurde von Steuer-Einschätzern (ma’arichim, schamma’im) geschätzt, nachdem diese durch Eid<br />

verpflichtet worden waren, daß sie weder aus Haß zu viel, noch aus Liebe oder Verwandtschaft<br />

zu wenig verschätzen würden.“ Graetz, Michael: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit,<br />

Bd. I: 1600–1780, S. 165.<br />

242 F20, S 45, 46.<br />

243 F20, S 48, 49, 266–268.<br />

182


Weise defraudiret hat“, 244 und gerade in einem solchen Betrugsfalle komme<br />

die Eventualitätsklausel zum Tragen. Daher seien auch die von Sichel erst instanz<br />

lich als Beweis vorgelegten Quittungen unerheblich.<br />

Dem setzt der Beklagte Sichel, wie aus den Eingaben an die Vorinstanz<br />

zu ersehen sowie im Bericht des Magistrats erneut ausgeführt, eine gänzlich<br />

andere Vorstellung der Observanz entgegen. Es sei nämlich gerade die Heirat<br />

das entscheidende Kriterium, da bereits diese erst erlaubt werde, wenn alle<br />

Gemeindeschulden abgeglichen seien. 245 Da es nun so sei,<br />

„[…] weilen nach ihren Gebräuchen keinem, wenn er etwas an die<br />

Gemeinde schuldig seye, die Verheurath= und Hochzeitmachung erlaubet<br />

würde. Da nun er bereits schon lange verheurathet, so folge von selbsten,<br />

daß er nicht schuldig seye, sondern mit den Bau= und Castenmeistern<br />

sich berechnet haben müsse.“ 246<br />

Dabei könne von den Baumeistern auch nicht allein aufgrund des allgemeinen<br />

Nutzens ein solches Verfahren über die Heirat hinaus aufrecht erhalten werden,<br />

da ihnen zum einen diese „Vorsorge“ gar nicht zu stehe, zum anderen aber das<br />

Recht eines Einzelnen nicht, „weil daraus dem Aerarium ein Vortheil zuwachsen<br />

könnte“, 247 entzogen werden könne. Sichel scheint damit den Baumeistern<br />

eine Obrigkeitsfunktion abzusprechen, aus der heraus erst für den gemeinen<br />

Nutzen gehandelt werden könne, womit er freilich den bereits herausgearbeiteten<br />

Grundkonflikt um die magistratischen obrigkeitlichen Rechte, die man<br />

durch solch gemeindeinterne Entscheidungen beschneide, zu seinen Gunsten<br />

aktiviert. Zum anderen benennt er damit aber eine Grundproblematik der Idee<br />

des gemeinen Besten oder gemeinen Nutzens, nämlich den Konfliktfall, wenn<br />

dadurch die Rechte Einzelner überschritten werden. Hierbei stellt Sichel heraus,<br />

dass für ihn klar das Recht des Einzelnen vor dem Recht der Gesamtheit<br />

kommen müsse, er vertritt damit also eine bereits moderne Hierarchisierung<br />

der Rechtsquellen. 248<br />

Der Magistrat nun seinerseits setzt zunächst an der gemeinrechtlichen<br />

Begründung an, indem er der Rechtsquelle der Baumeister die römischrechtliche<br />

Kodexstelle „ne filium pro patre“ 249 entgegen setzt, und damit bestreitet,<br />

dass die Schulden automatisch vom Vater an den Sohn übergehen könnten,<br />

244 F20, S. 270, 271.<br />

245 F20, S. 79.<br />

246 F20, S. 66, 67.<br />

247 F20, S. 84.<br />

248 Siehe zur Entwicklung der Diskussion Gemeinwohl vs. Eigennutz Weber, Wolfgang: Art. Gemeinwohl.<br />

In: EdN, Bd. 4, Sp. 413, 414.<br />

249 F20, S.190, 191.<br />

183


zumal auch der Stättigkeitsparagraph 107 explizit davon spreche, was die<br />

betreffende Person der Gemeinde schuldig sei, und väterliche Schulden nicht<br />

erwähne. Er ergänzt dies zudem mit einem Verweis auf das jüdische Recht, das<br />

eine Primogeniturregelung in der Erbfolge vorsehe und daher dem Erstgeborenen<br />

zwei Teile des Erbes, den Zweit- und Drittgeborenen jedoch nur einen Teil<br />

vorbehalte. 250 Es wird also interessanterweise versucht, der gemeinrechtlichen<br />

Regel, die von den jüdischen Klägern eingebracht wurde, eine Norm aus deren<br />

eigenem partikularen Recht entgegen zu halten. Darauf antworten die jüdischen<br />

Kläger jedoch schlicht, dass diese jüdische Rechtsregel nicht „in usu“ 251<br />

sei, womit sie wiederum das rechtliche Geltungsverständnis durch Anwendung<br />

auch auf das jüdische Recht übertragen.<br />

Ausgehend von diesen beiden Rechtsquellen, die im Übrigen wie bei den<br />

jüdischen Klägern nicht durch Belegstellen irgendeiner Art abgesichert werden,<br />

kommt nun auch der Magistrat zu seiner Version der jüdischen Observanz.<br />

Die Existenz der Regelungen, wie sie die Baumeister anführen, bestreitet er<br />

dabei schlicht generell als nicht der Wahrheit entsprechend 252 und zudem nicht<br />

bewiesen, wobei er nicht weiter ausführt, inwiefern ein solcher Beweis seiner<br />

Meinung nach hätte erbracht werden müssen, 253 was wiederum auf die Grundproblematik<br />

der Rechtsquelle verweist. Den von den Baumeister als gültigen<br />

Beweis angesehenen Beispielfall des ausgewiesenen Juden Maas übergeht er<br />

geflissentlich und dies obwohl er selbst völlig analog ebenso einen Beispielfall<br />

als Beweis der Nichtexistenz einsetzt. Es könne diese Observanz speziell<br />

in diesem Fall nämlich gar nicht existieren, da auch der ältere Bruder des<br />

Sichel zur Stättigkeit aufgenommen wurde trotz der Schulden seines Vaters. 254<br />

Daher wäre, gerade in Hinblick auf die jüdisch-rechtliche Primogeniturregelung,<br />

eine „observantia ad modum irrationabilis adeoque minime toleranda“<br />

gegeben, 255 wird also der von den jüdischen Klägern angegebenen Observanz<br />

die Legitimation aufgrund fehlender Vernünftigkeit abgesprochen. Es müsste<br />

schon aufgrund von „Billigkeit“ derjenige zuerst in die Stättigkeit aufgenommen<br />

werden, der zuerst geheiratet habe, um ihn „in den Betrieb seiner Nahrung“<br />

zu setzen, da ihm ohne Mitgliedschaft in der Gemeinde, wozu Ledige<br />

„im engen Verstand“ gar nicht gezählt würden, das Betreiben eines Gewerbes<br />

250 F20, S. 205, 206. Diese Regel entstammt der Mischna, Baba batra, VIII, 2 – siehe Keil, Martha:<br />

Familie im Judentum. In: Kotowski, Elke-Vera et al. (Hrsg.): Handbuch zur Geschichte der Juden<br />

in Europa, Bd. II, S. 99.<br />

251 F20, S. 273.<br />

252 F20, S. 205, 206.<br />

253 F20, S. 185–187.<br />

254 F20, S. 195.<br />

255 F20, S. 190, 191.<br />

184


nicht möglich sei. 256 Und da „qua aequitatis regula statui Judaeorum omnio<br />

convenienti et observantiae conformi“, also die statutarischen Regeln oder<br />

Gesetze der Judenschaft mit deren Observanz übereinstimmen müssten, wird<br />

indirekt wiederum auf eine Gesetzesintention verwiesen, die sich in beidem<br />

gleichermaßen ausdrücken müsse. Insofern seien die von Seiten der jüdischen<br />

Kläger „angemaßten eigenmächtigen Ausleg= und Anwendung[en] nur gedachter<br />

Stättigkeit gänzlich ohnstatthaft und verwerflich.“ 257 Nicht also dass die<br />

Baumeister sich das Recht zur Aufnahme zusprechen, wird vom Magistrat als<br />

Eingriff gewertet, sondern vielmehr die Auslegung des Stättigkeitsparagraphen.<br />

Beide Parteien versuchen zuletzt auch Verfahrensfehler geltend zu machen:<br />

Seitens der Klägerpartei wird ausgeführt, dieser bestehe darin, dass man ihnen<br />

erstinstanzlich das Protokoll des Rechneiamts von der Vorstellung Sichels<br />

nicht kommuniziert habe. Dies beinhaltet den Vorwurf gegen den Schöffenrat,<br />

dass man ihnen nicht Gelegenheit gegeben hätte, dazu Stellung zu beziehen,<br />

wodurch dem Untergericht der Vorwurf eines nicht formgerechten und damit<br />

unrechtmäßigen Prozessierens gemacht wird.<br />

Seitens des Magistrats, der auf diesen Vorwurf nicht reagiert, hingegen wird<br />

zwischen den Verfahren um die ausständigen Gemeindeschulden Sichels einerseits<br />

und der tatsächlichen Aufnahme andererseits unterschieden. Es sei die<br />

Nichtaufnahme als ein aktiver Prozessschritt zu werten, der den Baumeistern,<br />

weil ein Verfahren diesbezüglich gegen den verstorbenen Sichel gerichtsanhängig<br />

sei, nicht zustehe, sie vielmehr „in dem rechtlichen ordnungmäßgen<br />

Weg fortschreiten“ müssten und den Sichel nicht in der Aufnahme hemmen<br />

dürften. 258 Da sie es aber dennoch täten, sei dies als strafbarer Eingriff in die<br />

Jurisdiktion, als Selbsthilfe und ungebührliche Eigenmacht zu betrachten. 259<br />

Dem widersprechen die jüdischen Kläger, denn das gerichtlich anhängige Verfahren<br />

wegen der Gemeindeschulden habe der verstorbene Sichel mit dem<br />

Gemeindemitglied Oppenheim geführt. Sie seien nicht als offizielle Prozesspartei<br />

involviert, insofern könne dieses Verfahren für sie in der vorliegenden<br />

Angelegenheit nicht bindend sein. 260 Wichtig scheint dabei, dass erneut<br />

die Litispendenz, die Rechtshängigkeit, in diesem Fall vom Magistrat, als ein<br />

gewichtiges Argument angesehen wird, das für die eigene Position am Reichshofrat<br />

nutzbar gemacht werden könne.<br />

Leider gibt es zu diesem Verfahren kein Votum des Referenten und da es<br />

zudem mit einem nicht näher beschriebenen Vergleich beendet wurde, kann<br />

256 F20, S. 177–179.<br />

257 F20, S. 209, 210.<br />

258 F20, S. 195, 196.<br />

259 F20, S. 203, 204.<br />

260 F20, S. 42, 264.<br />

185


auch mangels Urteil des Reichshofrats keine Positionierung zu diesen Argumentationstrategien<br />

ausgemacht werden.<br />

Der Fall von Hanna Ursel (F19) unterscheidet sich von den anderen 27 Verfahren<br />

bereits dadurch, dass hier eine Frau, ohne vormundschaftliche Vertretung,<br />

als aktive Prozesspartei auftritt. Zwar kommen in der zweiten Instanz auch ihr<br />

Schwiegervater und ihr Ehemann in spe als Beklagte mit hinzu – jedoch wird<br />

zu keinem Zeitpunkt deutlich, dass diese oder ein Anwalt als ihre Vormünder<br />

agieren. 261 In der Vorinstanz war dies ebenfalls nicht der Fall, denn die Schreiben<br />

an den Schöffenrat, die dem Libellum gravaminum als Anlagen angehängt<br />

sind, sind von ihr allein unterschrieben, ebenso wie sie auch in dem Verhör<br />

beim Rechneiamt allein auftritt, um ihre Position zu verteidigen.<br />

In diesem Verfahren steht zunächst scheinbar analog zum vorigen Fall<br />

argumentativ die Auslegung der Stättigkeit im Vordergrund, insbesondere<br />

die Paragraphen 106 und 112, die, wie nun schon bekannt, zum ersten die<br />

Aufnahme neuer Mitglieder an eine „Kundschaft des Wohlverhaltens“, die<br />

von den Baumeistern ausgestellt werden müsse, knüpft sowie zum zweiten die<br />

Beschwerung der Frankfurter Judenschaft durch weitere Verordnungen oder<br />

oneribus verbietet, sodann das von Kaiser Joseph II. 1766 nach Regierungsantritt<br />

erteilte Privileg, das das Bannrecht der Vorsteher schützt. Neben diesen<br />

kaiserlichen Privilegien stehen außerdem die jüdische Observanz und ihre<br />

Legitimität als Rechtsquelle im Zentrum der Argumentation. Während in F20<br />

noch recht explizit auf den konkreten Konflikt in Hinblick auf die Stättigkeit<br />

eingegangen und gemeinrechtliche Bezüge zur Begründung angeführt wurden,<br />

wird in diesem Fall, zumindest von Seiten der jüdischen Kläger, recht rasch auf<br />

eine übergeordnete abstrakte Ebene der rechtlichen Argumentation gewechselt.<br />

So wird zunächst wieder der Vertragscharakter der Stättigkeit beschrieben,<br />

die von der kaiserlichen Kommission verfasst und eingesetzt worden sei und<br />

„[…] daß weder einem Hochedlen, und Hochweisen Magistrat der<br />

Reichsstadt Frankfurt noch der dasigen Bürger, und eben sowenig der<br />

Judenschaft daselbst, als sämmtlichen paciscirenden Theilen ohne Allerhöchste<br />

Kayserliche vorherige Anfrage, und allergnädigste Genehmigung<br />

in keinem Punct von dem Inhalt der Frankfurtischen Judenstättigkeit<br />

abzuweichen […]“ 262<br />

261 Zur vormundschaftlichen Vertretung von Frauen insbesondere am Reichshofrat, die zwar häufig,<br />

aber nicht konstitutiv war siehe Staudinger, Barbara: In puncto debiti – Prozesse jüdischer<br />

Geldleiherinnen am Reichshofrat, S. 153–180.<br />

262 F19, S. 55.<br />

186


erlaubt sei, was also die Gleichwertigkeit der Vertragspartner, unter die der<br />

Magistrat ebenso falle wie die Judenschaft, erneut herausstellt. Es gehe daher<br />

um die Willensmeinung des Kaisers, die die jüdischen Kläger ihrerseits über<br />

zusätzliche Rechtsquellen erschließen. Dafür wird zunächst die Konfirmation<br />

der Stättigkeit durch Kaiser Matthias 1617 angeführt, die die Unveränderbarkeit<br />

derselben herausstreiche, sowie dass sie den Rechten und dem Herkommen<br />

der jüdischen Gemeinde nichts Präjudizierliches oder Nachteiliges gebären<br />

könne. 263 Sodann werden Präjudizfälle aus der kaiserlichen Rechtsanwendung<br />

herangezogen, so zum einen ein kaiserliches Reskript aus einem Reichshofratsverfahren<br />

von 1755 264 sowie ein Konklusum aus einem Reichshofratsverfahren<br />

von 1756, 265 die jeweils in Kopie den Anlagen beigefügt werden. Bei<br />

beiden handelt es sich unter anderem um Anweisungen an den Magistrat, sich<br />

nicht mit Verordnungen über die Stättigkeit hinwegzusetzen sowie im Falle<br />

des Konklusums um die ablehnende Entscheidung der Baumeister bezüglich<br />

der Mitgliedschaft Bings aufgrund üblen Verhaltens oder Rufs. 266 Es sei hervorgehoben,<br />

dass ohne weiteres nach über 20 Jahren Verfahrensakten aus früheren<br />

Reichshofratsprozessen vorgelegt werden konnten, wie es die notarielle<br />

Beglaubigung ausweist. Dies deutet auf ein gut sortiertes Gemeindearchiv hin<br />

sowie darauf, dass man sich der zukünftigen Bedeutung solcher Verfahren als<br />

Rechtsquelle sehr wohl bewusst war. Es widerspricht dies dem Eindruck, den<br />

beispielsweise Gotzmann aus den unsystematisch geordneten innerjüdischen<br />

Aufzeichnungen der Frankfurter Gemeinde erhalten hat, wobei Ablage- und<br />

Protokollssystem freilich zweierlei sind und unterschiedlich gut geführt worden<br />

sein konnten. 267<br />

Aus diesen Präjudizfällen erhelle nicht nur, so die Argumentation der jüdischen<br />

Kläger, dass der Grund des §106 darin bestehe,<br />

„[…] daß nämliche lauter rechtschaffene Leute, keines Weeges aber<br />

diejenige, die im üblen Ruff stehen, […] zur Stättigkeit admittiret werden<br />

sollen, sondern es ergiebt sich auch daraus, daß Euer Kais[erlich]<br />

Königl[iche] Mayestät die Judenschaft bey ihrer Stättigkeit, Privilegien,<br />

263 F19, S. 53–55.<br />

264 F19, S. 107–109. Notariell beglaubigte Kopie des RHR-Reskripts o.D. „in Sachen Provisional<br />

Baumeister zu Gemeiner Judenschaft zu Frankfurt wieder die dasige Juden Meyer Götz Amßel<br />

und Meyer Amßel Flörsheim“ – das Verfahren findet sich unter HHStA, RHR, Decisa K 2132,<br />

2133, Laufzeit laut Archivbehelf 1754–1755.<br />

265 F19, S. 190–192. Notariell beglaubigte Kopie des RHR-Conclusum „Süssel Mayer Juda et Consorten<br />

jüdische Baumeister zu Franckfurth c[ontr]a den Schöffen Rath daselbst, und Mayer Bing<br />

applois die Reception gedachten Bings betr.“ – das Verfahren findet sich unter HHStA, RHR,<br />

Denegata recentiora K 374/13, Laufzeit laut Archivbehelf 1756.<br />

266 F19, S. 60, 88, 89, 328–330.<br />

267 Siehe Gotzmann, Andreas: Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit, S. 313, 314.<br />

187


und Freyheiten geschützet, und alle nichts taugende Vetteln von der<br />

Gemeinde ausgeschlossen wissen wollen, maßen durch bemeltes Allerhöchstes<br />

Conclusum dem Löbl[ichen] Magistrat aufgegeben worden, auf<br />

das, was dem Bing zur Last geleget worden, zu inquiriren.“ 268<br />

Insofern sei daher vom Magistrat gegen die kaiserliche Willensmeinung verstoßen<br />

worden, sie sei „willkühlich abgeändert worden“, 269 obwohl man seitens der<br />

Judenschaft dieses Recht zur Aufnahme in die Stättigkeit stets ausgeübt 270 und<br />

somit demselben Geltung verschafft habe. Wiederum wird damit der Konnex<br />

zwischen dem Schutz des Rechtes der Juden zu dem des Kaisers hergestellt.<br />

Denn es bedeuteten diese Eingriffe in die Stättigkeit nicht nur einen Umsturz<br />

ihrer „Fundamental Verfassung“, 271 sondern die Abänderung der Stättigkeit sei<br />

zuallererst ein kaiserliches Reservatrecht, das vom Magistrat nicht beansprucht<br />

werden könne:<br />

„Gleichwie aber bisher gezeigtermaßen der Inhalt des §. 106. und 112.<br />

der Frankfurtischen Judenstättigkeit ohne Abbruch der Allerhöchsten<br />

Kayserlichen Authorität, und ohne eine dem Allerhöchsten Reservato<br />

eingreifende neue Gesätzgebung von Einem Hochlöbl[ichen] Frankfurtischen<br />

Schöffenrath nicht abgeändert werden kann, […]“ 272<br />

Insofern sei es ein Schutz des kaiserlichen Rechts, wenn die Juden ihre eigenen<br />

Rechte schützen würden. 273 Die Stellung des Magistrats als Verwalter „Reichsständischer<br />

Gerechtsamen“ könnten sie also nur anerkennen, wenn dieser<br />

ihnen ebenso ihr Recht zur „Kundschaft“ zugestehe, 274 womit wiederum das<br />

Prinzip der Gegenseitigkeit angesprochen wird. Dazu gehöre ebenso wie der<br />

§106 auch das Bannrecht, das ihnen von Kaiser Joseph II. erneut privilegiert<br />

worden sei. 275 Auch dieses müsste vom Magistrat vielmehr geschützt als angegriffen<br />

werden, wie es vom Kaiser anbefohlen wurde. 276 Es sei in diesem Fall der<br />

Bann ohnedies nur verhängt worden, weil man den „reißenden Strohm“, dem<br />

weder durch die Berufung, noch durch ein bürgermeisterliches Verbot hätte<br />

Einhalt geboten werden können, nur durch den Bann noch hätte aufhalten<br />

268 F19, S. 329, 330, ebenso 323, 324.<br />

269 F19, S. 63, 64.<br />

270 F19, S. 63, 64, 326, 327.<br />

271 F19, S. 84, 85.<br />

272 F19, S. 59, 60, ebenso 56, 63, 64, 81, 82, 84, 85, 98, 104, 105, 324.<br />

273 F19, S. 84, 85.<br />

274 F19, S. 326, 327.<br />

275 F19, S. 60, 61, 98, 99.<br />

276 F19, S. 98, 99.<br />

188


können. 277 Gemeint ist hiermit zwar lediglich die auswärtige Verheiratung der<br />

Beklagten Ursel und Fuld, indem aber eine unmittelbare Bedrohung, Gefahr<br />

im Verzug, suggeriert wird, die ein ebenso unmittelbares Eingreifen erfordert<br />

habe, können sich die jüdischen Kläger wiederum mit ihrem Zwangsmittel<br />

Bann als Wahrer der Rechte und der Ordnung etablieren, während zugleich<br />

impliziert wird, dass den städtischen Behörden dies nicht möglich war.<br />

Weiterhin wird die Rechtsquelle „jüdische Observanz“, also die Observanz<br />

innerhalb der jüdischen Gemeinde, in die Argumentation eingebracht. Dass<br />

tatsächlich neunmal der Begriff der „jüdischen Observanz“ oder „jüdisches in<br />

ihrer Gemeinde besonders hergebrachtes Herkommen“ 278 benutzt wird, zeigt,<br />

wie selbstverständlich man davon ausging, dass der Judenschaft als Gemeinde<br />

die Ausbildung einer solchen Rechtsnorm zustehe. Hier sei nochmals auf die<br />

Definition bei Erler verwiesen, dass sich Gewohnheitsrecht nur in Körperschaften<br />

oder Genossenschaften im weitesten Sinne bilden könne, 279 was also<br />

bedeutet, dass die Verwendung dieses Begriffes bereits Rückschlüsse auf das<br />

politische Selbstbild, das hier von den jüdischen Klägern imaginiert wird,<br />

zulässt. Es beinhalte nun diese Observanz, die ein „ohnfürdenkliches Herkommen<br />

nicht allein der Frankfurtischen, sondern aller Judengemeinden“ 280<br />

sei, dass eine (weibliche) Person, die sowohl der Unzucht, insofern sie vorehelichen<br />

Geschlechtsverkehr gehabt habe und sich in ledigem Stand schwanger<br />

befunden habe, als auch des Betrugs, indem sie sich bei ihrem ersten Mann<br />

als Jungfrau ausgegeben habe, nicht in die Gemeinde rezipiert, sondern vielmehr<br />

von dieser ausgeschlossen werden müsse. 281 Wieder wird die Rechtsquelle<br />

Observanz zunächst durch lange Dauer legitimiert, dann jedoch auch durch<br />

eine räumliche Kategorie, nämlich durch überregionale Anwendung, insofern<br />

als sie in allen Judengemeinden in Geltung sei. Die jüdischen Kläger fügen<br />

außerdem hinzu, dass der Entzug eines solchen Herkommens gleichbedeutend<br />

wäre mit dem Entzug „eines ihrer löblichsten Fundamental Gesätze“, 282 was<br />

den normativen Wert der Rechtsquelle Observanz erneut hervorhebt. Dass<br />

diesem Herkommen innerjüdisch ein ebenso hoher Wert zukomme und an<br />

die Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinde gekoppelt sei, wird dadurch betont,<br />

dass jeder Jude, der selbiger entgegen handle, „sofort ein Jude zu seyn aufhören<br />

277 F19, S. 93.<br />

278 F19, S. 66, 68, 69, 71, 73, 85, 86, 90, 98, 99.<br />

279 Erler, Adalbert: Art. Observanz. In: HRG, Bd. III, Sp. 1174, 1175.<br />

280 F19, S. 63. Zumindest für die Frankfurter jüdische Gemeinde existierte tatsächlich eine solche<br />

Vorschrift in den Gemeindetakkanot – Gemeindestatuten von 1675, National Library of Israel,<br />

Heb 4°662, fol. 141 r, § 29, 30. (Ich danke Dr. Stefan Litt für diesen Hinweis.)<br />

281 F19, S. 63, 65.<br />

282 F19, S. 63.<br />

189


will“ 283 oder auch, dass sie sich dieser Observanz „so lange sie Juden sind, […]<br />

nicht entziehen“ könnten. 284 Zugleich wird der enge Bezug dieses Herkommens<br />

zum jüdischen Recht hervorgehoben, denn<br />

„[…] die solches verbietenden Ordnung, und Observanz ist nicht um der<br />

Hanna wegen eingeführet worden, sie bestehet von geraumen Saeculis<br />

her, und ahmet den ersten grossen Gesätzgeber des Volcks Israel nach,<br />

bey welchem das Laster der Unzucht ein auserordentlicher Greuel war,<br />

und das derowegen nach dem Zeugniß der Mosaischen Bücher unter den<br />

Israelitten so sträfliche geachtet worden.“ 285<br />

Wenngleich also nicht direkt behauptet wird, dass es sich hier um eine Norm<br />

aus dem jüdischen Recht handle, so wird dies doch zumindest nahe gelegt und<br />

eine Überschneidung beider Rechtsquellen suggeriert. Noch deutlicher wird<br />

dies etwa, wenn gesagt wird, dass das Verhalten von Hanna Ursel „dem jüdischen<br />

recht, und Herkommen zu wider“ 286 laufe oder wenn, wie in folgender<br />

Stelle, erklärt wird:<br />

„Hanna, und andere Buhlschwestern ihres gleichen müssen daher die<br />

Sünde ihrer Unkeuschheit nach dem Jüdischen Herkommen billig büssen,<br />

weil sie Jüdinnen sind, und die Folgen eines so schändlichen Lasters<br />

wissen, über welches der Eyfer eines Pinehas mit Recht entbrannte.“ 287<br />

283 F19, S. 90.<br />

284 F19, S. 85, 86.<br />

285 F19, S. 86, ebenso auch S. 62.<br />

286 F19, S. 65.<br />

287 F19, S. 87, 88. Die Bezeichnung Pinehas könnte hier entweder auf den zunächst als Prager, dann<br />

seit 1771 als Frankfurter Oberrabbiner amtierenden Rabbi Pinchas Horowitz, (1730–1805), gemünzt<br />

sein, der vor allem für seine Auseinandersetzung mit dem Frankfurter Kabbalisten Rabbi<br />

Nathan Adler als auch wegen seines scheinbar „vernichtenden“ Gutachtens der Mendelssohnschen<br />

Bibelübersetzung bekannt ist. Siehe Horovitz, Markus: Frankfurter Rabbinen, S. 202–253<br />

und Arnsberg, Paul: Neunhundert Jahre ›Muttergemeinde in Israel‹, S. 55–58. Elior, Rachel:<br />

R. Nathan Adler and the Frankfurt Pietists. In: Grözinger, Karl E. (Hrsg.): Jüdische Kultur in<br />

Frankfurt am Main, S. 135–178. Oder aber – und dies scheint in diesem Zusammenhang wahrscheinlicher<br />

– ist der Verweis auf den biblischen Zeloten Pinehas gemeint, der in der jüdische<br />

Tradition als Symbol des Wächters oder Rächers sexueller Vergehen literarisch verwendet wird<br />

nach der Bibelstelle 4. Moses 25, 7ff., in der Pinehas, der Enkel des Aaron, ein Paar (einen Israeliten<br />

und eine Midianitin) mit einem Spieß durchbohrte, woraufhin das Volk Israel wieder<br />

den Segen und Frieden Gottes erhielt. Siehe zur Figur des Pinehas u.a. Friedmann, Menachem:<br />

Haredi Violence in Contemporary Israeli Society. In: Medding, Peter (Hrsg.): Jews and Violence.<br />

Images, Ideologies, Realities, Jerusalem 2002, S. 186–200. Sollte der biblische Pinehas gemeint<br />

sein, legt dies nahe, dass die jüdischen Kläger an der Erstellung der Klageschrift ganz unmittelbar<br />

beteiligt waren, da einem christlichen Anwalt eine solche jüdische Literaturfigur sicherlich<br />

nicht bekannt gewesen wäre.<br />

190


So bezieht sich der religiöse Terminus der „Sünde“ und des „schändlichen<br />

Lasters“ ganz offensichtlich auf das jüdisch-biblische Recht, da er in einem<br />

nicht genuin religiös begründeten Recht, wie eben der Observanz, eigentlich<br />

nicht vorkommen kann – hier wäre allenfalls der Terminus Unrecht denkbar.<br />

Oder aber es soll darauf verwiesen werden, dass man auch die „jüdische Observanz“<br />

als im jüdischen Recht verwurzelt sieht und ihr eine explizit religiöse<br />

Fundierung oder Konnotierung zugerechnet wird, im Sinne eines minhag, also<br />

religiös-traditionellen jüdischen Brauchtums. Auch die vielfache Verwendung<br />

der Bezeichnung „Hurenkind“ für das uneheliche Kind der Hanna lässt an<br />

eine religiöse Konnotierung nach jüdischem Recht denken:<br />

„[…] und weilen andern Theils auch wieder hier nicht von einer im ledigen<br />

Stand geschwächten Weibsperson, sondern von einer offenbaren verabscheuungswürdigen<br />

Hure die Sprache ist, die in Hamburg ihren schändlichen<br />

Leib jedermann Preis gegeben hat, und dahero auch den Vater<br />

ihres Hurenkindes nicht angeben kann, die mit einem solchen Hurenkinde<br />

im Leibe sich an einen ehrlichen Juden, der sie zuvor nie gesehen,<br />

verheurathet, und sich als eine keusche Jungfer ausgegeben, gleich zwey<br />

Monat darauf aber ihr Hurenkind gebohren, und ein Scandal dargeleget<br />

hat, das in Frankfurt noch nie erlebet- und sie dahero auch gleich wieder<br />

von ihrem Ehemann, den sie so schändlich betrogen, geschieden worden<br />

ist.“ 288<br />

Möglicherweise sollte hier die Assoziation zum Mamser im jüdischen Recht<br />

aufgerufen werden, das beispielsweise Luther mit „Hurensohn“ übersetzt.<br />

Dafür spricht auch, dass des Öfteren der Begriff des „Schandbalgs“ verwendet<br />

wird, der der Übersetzung vom Mum-zar – „Schandflecken“ – nahe kommt.<br />

Tatsächlich traf dieser Begriff nach dem jüdischen Recht aber nur die aus Ehebruch<br />

oder aus Verbindungen von, nach den Vorschriften der Bibel, zu nah<br />

verwandten Partnern entstandenen Kinder, nicht jedoch uneheliche Kinder.<br />

Einem Mamser wäre, nach jüdischem Recht, nur die Ehe mit einem anderen<br />

Mamser, nicht jedoch mit einer/m Juden/Jüdin erlaubt. 289 Im Falle Hannas<br />

handelte es sich aber nicht um einen solchen Fall, ihrem Kind hätten keine<br />

jüdisch-rechtlichen Konsequenzen bezüglich seiner sozialen, konnubialen oder<br />

rechtlichen Stellung drohen können. Ebenso wie ihr Kind aber als „Hurenkind“<br />

288 F19, S. 332, 333.<br />

289 Siehe dazu ausführlich Cohn, Markus: Art. Mamser. In: Wörterbuch des Jüdischen Rechts, Neudruck<br />

der im „Jüdischen Lexikon“ (1927–1930) erschienen Beträge zum jüdischen Recht, München/Basel<br />

1980. <strong>Online</strong>-<strong>Ausgabe</strong> der Goethe-Universität Frankfurt a. M., URL: http://www.<br />

juedisches-recht.de/lex_fam_memser.php (letzter Abruf 20.12.2011).<br />

191


ezeichnet wird, wird auch Hanna, wie bereits im obigen Zitat zu ersehen,<br />

immer wieder als „Hure“ oder „liederliche Dirne“ diffamiert, 290 hauptsächlich<br />

freilich um sie in ihrem moralischen Status und ihrer sozialen Stellung<br />

zu demontieren, möglicherweise aber auch, um obige Konnotation noch zu<br />

unterstützen, da zudem unterstellt wird, dass sie ihren „Leib jedermann Preis<br />

gegeben hat“ und auch der Vater ihres Kindes unbekannt sei, was also auch<br />

einen christlichen Vater nicht ausschließen würde. Selbst wenn aber der Vater<br />

kein Jude gewesen wäre, hätte dies nach jüdischem Recht nicht zur Folge, dass<br />

das Kind zum Mamser geworden wäre.<br />

Ebenfalls scheinbar aus dem jüdischen Recht heraus wird zudem nahe gelegt,<br />

dass es den jüdischen Frauen in der Gemeinde nicht mehr möglich sein würde,<br />

das jüdische Ritualbad, die mikwe, 291 zu besuchen, wenn Hanna dieses besucht<br />

habe:<br />

„[…] so leben Anwaldts Principalen der allunterthänigsten Hoffnung,<br />

daß Euer Kais[erlich] Königl[iche] Mayestät geruhen werden, die Judengemeinde<br />

zu Frankfurt mit einem so schändlichen Weibsbild, das jedermann<br />

der selben eine beständige Aergerniß bleiben würde, allergnädigst<br />

zu verschonen, und dadurch sie nicht nur bey ihren Gerechtsamen, und<br />

Privilegien, sondern auch bey ihren Ceremonien und Gebräuchen allermildest<br />

schützen, und dabey in allergnädigste Erwägung zu ziehen,<br />

obwohl eine ehrliche Judenfrau im Stande seye, in das nämliche Baad<br />

zu gehen, das die Judenweiber bey ihrer Gemeinde haben, und nach<br />

ihrer monatlichen Reinigung auf die Art, wie solche beym ›Beck vom<br />

Rechte der Juden, cap: 7. §. 24.‹ beschrieben wird, gebrauchen müssen?<br />

Würde nicht einer jeden honetten Judenfrau, wie sie Gott sey Dank! alle<br />

in Frankfurt sind, ein Schauder und der größte Schröcken, ja! wer weiß<br />

nicht, was noch mehr ankommen, wenn sie das nämliche Baad betretten<br />

müßte, aus dem so eben der größte Schandbalg die Appellatin nämlich<br />

heraus getretten ist?“ 292<br />

290 F19, S. 62, 63, 102, 323, 333, 334.<br />

291 Die mikwe muss/musste nach jüdischem Recht von verheirateten oder kurz vor der Eheschließung<br />

stehenden jüdischen Frauen jeweils zur Beendigung eines „unreinen“ Zustandes (nidda),<br />

vor allem also nach der monatlichen Menstruation und nach Geburten, besucht werden, um<br />

sich rituell zu reinigen. Das Ritualbad, das zu einem Teil möglichst durch z.B. Grund- oder<br />

Regenwasser natürlich gefüllt werden sollte, gehörte zu den zentralen Einrichtungen jeder jüdischen<br />

Gemeinde. Siehe zu Einführung Baskin, Judith et al.: Art. Mikveh. In: Encyclopaedia<br />

Judaica, Vol. 14, S. 225–230 und Fonrobert, Charlotte Elisheva: Frauen im Judentum. In: Kotowski,<br />

Elke et al. (Hrsg.): Handbuch zur Geschichte der Juden in Europa, Bd. II, S. 88 sowie<br />

Marienberg, Evyatar: Mikveh. In: Schaus, Margaret (Hrsg.): Women and Gender in Medieval<br />

Europe: An Encyclopedia, New York/London 2006, S. 563, 564.<br />

292 F19, S. 335, 336.<br />

192


Es ist zunächst zu bemerken, dass hier nicht auf jüdisch-rechtliche Belegstellen<br />

rekurriert, sondern vielmehr das zeitgenössisch bekannte Werk des<br />

Christen Johann Jodocus Beck 293 herangezogen wird, um jüdische Riten zu<br />

beschreiben, als offensichtlich dem Gericht bekanntere oder nachvollziehbare<br />

Quelle. Sodann wird deutlich, dass, außer bei der Zitation von Privilegien,<br />

in denen die Zeremonien als besonderer Schutzbereich ausgewiesen sind, 294<br />

in diesem Verfahren von den jüdischen Klägern in keinem Fall selbständig<br />

auf den Zeremonialbereich verwiesen wird. Obwohl also das jüdische Recht<br />

als Rechtsquelle angedeutet wird, bleibt der Zeremonialbereich, der durchaus<br />

hätte geltend gemacht werden können, falls es sich tatsächlich um ein<br />

jüdisch-rechtliches Problem gehandelt hätte, in der klägerischen Argumentation<br />

ausgespart. Dies liegt vermutlich darin begründet, dass man sich seitens<br />

der jüdischen Kläger durchaus bewusst war, dass nach jüdischem Recht für die<br />

Klägerin kaum Rechtsfolgen zu befürchten standen, zumindest kein, wie von<br />

den Baumeistern intendierter und geforderter, Ausschluss aus der Gemeinde.<br />

Insofern konnte durch die pauschale assoziative Konnotierung der Observanz<br />

mit jüdischem Recht die Belegkraft des letzteren zwar präsent, aber dennoch<br />

nur in der Schwebe gehalten werden, ohne sich dem Vorwurf einer unzureichenden<br />

Rechtsbeibringung auszusetzen. Stattdessen wird die Observanz<br />

neben der langen Dauer und überregionalen Anwendung lediglich ex negativo<br />

aus der Nichtexistenz gleich gelagerter Fälle innerhalb der jüdischen Gemeinde,<br />

in denen eine Rezeption erlaubt worden wäre, begründet 295 sowie aus der Notwendigkeit,<br />

Ordnung und Zucht in der Gemeinde aufrechtzuerhalten, was wohl<br />

wiederum einen Verweis auf das gemeine Beste impliziert. 296<br />

Die Beklagte Hanna Ursel, deren Position aus dem Bericht des Magistrats<br />

ersichtlich wird sowie aus den Eingaben an die Vorinstanz, die dem Libellum<br />

gravaminum der Kläger beigefügt sind, lässt sich inhaltlich kaum auf die<br />

geschilderte Argumentationsstrategie um jüdische Observanz oder jüdisches<br />

Recht ein. Sie greift lediglich den Versuch der Legitimierung durch nicht existente<br />

Beispielfälle an, indem sie andeutet, dass es stattdessen viele dergleichen<br />

Fälle in der jüdischen Gemeinde gäbe.<br />

„Wenn ich es nicht für unverschämt hielte Beispiele von noch lebenden<br />

Personen anzuführen, so wäre es mir ein leichtes durch solche darzuthun,<br />

293 Beck, Johannes Jodocus: Tractatus de Juribus Judaeorum, Nürnberg 1731. Zu Becks Werk siehe<br />

Güde, Wilhelm: Die rechtliche Stellung der Juden in den Schriften deutscher Juristen des 16.<br />

und 17. Jahrhunderts, S. 74. Landauer, Georg: Zur Geschichte der Judenrechtswissenschaft. In:<br />

Zeitschrift für Geschichte der Juden in Deutschland, 2 (1930), S. 255–261, bes. 299.<br />

294 F19, S. 51, 52, 60, 61, 335.<br />

295 F19, S. 68, 83, 84, 87, 88.<br />

296 F19, S. 73, 90, 94.<br />

193


daß andere bei einem ähnl[ichen] Fehler, dennoch mit der Aufnahme in<br />

die Stättigkeit sind begnadigt worden.“ 297<br />

Sie bestreitet das von den Baumeistern formulierte Entscheidungsrecht zur<br />

Aufnahme neuer Mitglieder durch deren „Kundschaft“, indem nämlich „[…]<br />

ohnedem auf alle diese Reden der Baumeister nichts ankomt. Denn die Aufnahme<br />

in die Stättigkeit hängt blos und allein von Einem hochedl[en] Rath ab,<br />

und die Baumeister haben weiter nichts als den Vorschlag zu thun […]“. 298 Da<br />

sie außer diesem baumeisterlichen Zeugnis alle Erfordernisse zur Stättigkeit<br />

besitze, könne nicht allein dieses eine Verweigerung der Stättigkeit zur Folge<br />

haben.<br />

Im Zentrum ihrer Argumentation jedoch steht die Bitte um Begnadigung<br />

bzw. eine angemessene Strafe, d.h. sie geht den offensiven Weg, ihren „Fehler“<br />

einzugestehen und sich der Geldstrafe, die dieser im christlichen Gerichtssystem<br />

zur Folge hatte, zu stellen, um dann gegen die von den Baumeistern<br />

gefolgerte Strafmaßnahme vorgehen zu können, da das Vergehen abgebüßt<br />

sei. Dadurch brachte sie die beiden Rechtssysteme in eine Konkurrenz- und<br />

Konfliktstellung zueinander, vermutlich in der Hoffnung, dass die nichtjüdische<br />

obsiegen würde. Dabei widerspricht sie grundsätzlich der Darstellung<br />

der jüdischen Kläger, dass sie einen „liederlichen Lebenswandel“ geführt habe<br />

oder führen würde, was nicht bewiesen worden sei und somit vielmehr einer<br />

„ehrenrührigen Beschuldigung“ gleichkäme. 299<br />

Mit einem Anerbieten, ein Attestat über ihr ansonsten tugendhaftes Verhalten<br />

in Hamburg beizubringen, benutzt sie das für Frauen vor Gericht<br />

wichtige Beweismittel des Leumundszeugnisses. 300 Darüber hinaus greift sie<br />

auf die stereotype frühneuzeitliche weibliche Argumentationsstrategie vor<br />

Gericht zurück, dass sie nämlich einer Verführung erlegen sei, der sie in ihrer<br />

Jugendlichkeit und weiblichen Schwachheit nichts entgegen zu setzen vermocht<br />

habe. 301 Dieser „Fehler“ nun, und hier kommen wohl aufklärerische Ansätze<br />

297 F19, S. 166, ebenso 164.<br />

298 F19, S. 164, 165, ebenso 150.<br />

299 F19, S. 164.<br />

300 F19, S. 148. Siehe zur Bedeutung des Leumundszeugnisses für beklagte Frauen vor Gericht<br />

Schnabel-Schüle, Helga: Frauen im Strafrecht vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. In: Gerhart, Ute<br />

(Hrsg.): Frauen in der Geschichte des Rechts, S. 193.<br />

301 F19, S. 148, 150. Siehe zu dieser stereotypen Argumentation, die sich aus der frühneuzeitlichen<br />

Vorstellung, dass Frauen körperlich, geistig und moralisch minderwertiger seien und nicht rational,<br />

sondern sinnengesteuert seien, herleitete, einführend Crampe-Casnabet, Michèle: Aus<br />

der Philosophie des 18. Jahrhunderts. In: Duby, Georges/Perrot, Michelle (Hrsg.): Geschichte<br />

der Frauen, Bd. 3: Frühe Neuzeit, Frankfurt am Main 2006, S. 333–366, bes. 336–352. Diese<br />

vermeintliche Inferiorität konnte jedoch von Frauen als wirkungsvolle Schutzbehauptung vor<br />

Gericht eingebracht werden, siehe z.B. Ulbricht, Otto: Kindsmord in der Frühen Neuzeit. In:<br />

Gerhart, Ute (Hrsg.): Frauen in der Geschichte des Rechts, S. 244.<br />

194


in ihrer Argumentation zum Tragen, 302 könne ihr jedoch unmöglich mit einer<br />

so hohen Strafe, wie es der Ausschluss aus der Gemeinde bedeuten würde,<br />

vergolten werden.<br />

„[…] Wenigstens verdient doch dieser Fehltritt nicht, daß ich deßwegen<br />

aus meiner Vaterstadt den einzigen Ort meiner Zuflucht, verjagt, in die<br />

Irre getrieben, und ganz unglückl[ich] gemacht werden solte. Eine Strafe<br />

muß immer mit der Vergehung in gleichem Verhältnis stehen. Würde<br />

dieses aber nicht ganz aufhören, wenn ich, die zu jung und zu schwach für<br />

eine Verführung war, diese Schwachheit mit dem Verlust meines ganzen<br />

zeitl[ichen] Glücks büßen solte […].“ 303<br />

Sie unterwerfe sich deshalb der obrigkeitlichen „Gnade und Menschenliebe“, 304<br />

fordert damit also ebenfalls genuin moralische Bewertungsnormen ihrer<br />

Handlung ein, jedoch bemerkenswerterweise, da an eine christliche Obrigkeit<br />

gerichtet, entsprechend christlich-religiöse nicht jüdisch-rechtliche. Sie führt<br />

zudem juristische Belegstellen auf, die sich über den ganzen frühneuzeitlichen<br />

Zeitraum erstrecken, und verweist somit auf die rechtliche Dimension und<br />

Anwendbarkeit dieser religiösen Dogmen in der Gerichtspraxis sowie deren<br />

lange Kontinuität und Tradition. 305<br />

Diesen Ansatz nun greift der Magistrat in seiner Argumentation, wie von<br />

der Beklagten intendiert, voll auf. Es sei mitnichten eine solch schwere Strafe,<br />

wie von den jüdischen Klägern gefordert, zu verhängen, da<br />

„[…] gleichwolen weder in den göttlichen Mosaischen, noch menschlichen<br />

Gesezen poena relegationis et excilii, qua ceterum magnas urbes ad<br />

inopiam civium redigiret, auf ein solches jugendliches Vergehen gesezet<br />

ist […].“ 306<br />

302 Siehe dazu Newmark, Catherine: Art. Glück. In: EdN, Bd. 4, Sp. 969–974 und Pahlow, Louis:<br />

Art. Glückseligkeit. In: EdN, Bd. 4, Sp. 974–976. Auch die Frage des angemessenen Strafmaßes<br />

war Ausfluss eines aufklärerischen Strafrechtsdenkens – siehe dazu Kroeschell, Karl: Deutsche<br />

Rechtsgeschichte, Bd. 3: Seit 1650, S. 91, 92.<br />

303 F19, S. 148.<br />

304 F19, S. 165. Siehe zur Begriffs- und Bedeutungsgeschichte von Gnade Ruhstorfer, Karlheinz: Art.<br />

Gnade. In: EdN, Bd. 4, Sp. 979–981.<br />

305 Mevius, David: Commentarii in Ius Lubecense, Bd. 4 Rostock 1643, Bd. 5 Frankfurt 1700. Pistoris,<br />

Modestinus: Consiliorum sive Responsorum volumen primum, Leipzig 1596. Menocchio<br />

(Menochius), Jacopo: De arbitrariis judicum quaestionibus, Venedig 1569. Carpzov, Benedikt<br />

(ohne Werktitel). Zumindest die ersten beiden sowie das letzte Werk verweisen dabei auf<br />

Rechtsanwendung – im Falle von Mevius interessanterweise des Wismarer Tribunals, also dem<br />

schwedischen Hochgericht, im Falle Carpzovs auf die sächsische Gerichtspraxis.<br />

306 F19, S. 254/fol. 21r.<br />

195


Der religiöse Bezugsrahmen wird damit weitergeführt, eine jüdisch-rechtliche<br />

Begründung, die einen Gemeindeausschluss nach sich ziehen könnte, jedoch<br />

negiert und ausgeschlossen:<br />

„Das Vorgeben, daß die Aufnahme in die Stättigkeit wegen eines begangenen<br />

unkeuschen Vergehens gegen die jüdische Religions-principia<br />

anstoße, ist eben so irrig, unerfindlich und vergebens, indeme in denen<br />

göttlichen Mosaischen Gesezen nirgends die poena relegationis, excilii,<br />

oder Versagung der jüdischen Gemeindschaft auf dergleichen Vergehen<br />

gesezet ist.“ 307<br />

Vielmehr werden die Ausführungen der Kläger zu jüdischem Herkommen<br />

und jüdischem Recht polemisch als „dergleichen von denen Juden sich selbst<br />

gemachte, oder noch machende Begriffe und Träumerein“ und „vage, ausschweiffende<br />

und willkürliche jüdische Begriffe“ diffamiert, an die sich eine<br />

christliche (!) Obrigkeit nicht gebunden sehen müsse. 308 Auch hier wird wiederum<br />

nicht näher auf die von den Klägern genannten Inhalte des jüdischen<br />

Herkommens eingegangen, sondern analog zu Hanna Ursel nur die Legitimation<br />

demontiert. Während Hanna pauschal und ohne Namensnennung auf<br />

existierende gleich gelagerte Fälle verweist, scheut man sich jedoch seitens des<br />

Magistrats nicht, gleich fünf konkrete Beispiel- oder Präjudizfälle zu nennen,<br />

in denen Personen trotz widrigem Gutachten der Baumeister dennoch in die<br />

Gemeinde rezipiert werden mussten. Von diesen wurden mindestens zwei am<br />

Reichshofrat verhandelt, womit man der angezweifelten jüdischen Observanz<br />

also zusätzlich die kaiserliche Rechtsanwendung entgegensetzt, 309 wenngleich<br />

zumindest die bekannten Fälle durchaus eine andere Grundsituation aufwiesen,<br />

da es nicht zentral um (un)sittliches Verhalten ging, was von den jüdischen<br />

Klägern auch umgehend moniert wird. 310 Insbesondere war der Fall Bing, wie<br />

gesehen, zuvor von klägerischer Seite ebenfalls aufgegriffen worden, jedoch<br />

nicht in Hinblick darauf, dass das Verfahren abgeschlagen, sondern vielmehr,<br />

dass dort dem Ruf des Beklagten auch von reichshofrätlicher Seite Aufmerksamkeit<br />

geschenkt wurde. Die weitere Delegitimation durch Heranziehung<br />

307 F19, S. 269, 270/fol. 28v, 29r.<br />

308 F19, S. 270/fol. 29r, ebenso S. 272, 273/fol. 30r, v.<br />

309 Genannt werden die Fälle des Siheeler, Dillersheim, Goldschmidt, Bing, Bamberger, wovon sicher<br />

die Verfahren Bing (F4+5) und Bamberger (F7) am Reichshofrat verhandelt wurden, mit<br />

Siheeler könnte das Reichshofratsverfahren des Moses Salomon Sichel (F19) gemeint sein, die<br />

Fälle Dillersheim und Goldschmidt konnten noch nicht nachgewiesen werden.<br />

310 F19, S. 330, 331 – diese würden „nur von weitem der Hanna Wolf Ursels Tochter gleichen“, in<br />

Wirklichkeit aber „von jenem, das sich die Appellatin schuldig gemacht hat, wie Himmel und<br />

Erden von einander unterschieden“ sein.<br />

196


einer kaiserlichen Verordnung bezüglich der Handwerker aus dem Jahr 1731,<br />

wonach ein Bräutigam innerhalb der Zunft nicht mit rechtlichen Konsequenzen<br />

für eine uneheliche Schwangerschaft belegt werden könne, tut man seitens der<br />

jüdische Kläger hingegen lediglich ironisch als nicht vergleichbar ab, insofern<br />

man an deren rechtlicher Besserstellung auch ansonsten nicht einmal annähernd<br />

partizipieren dürfe. 311<br />

Es sei daher vielmehr so, argumentiert der Magistrat weiter, dass sich die<br />

jüdische Seite hier unbefugt eine Jurisdiktion angemaße, die ihr keinesfalls<br />

zustehe. Die Beklagte Hanna Ursel erfülle, so die magistratische Auslegung der<br />

Stättigkeit, abgesehen von der baumeisterlichen „Kundschaft“, alle in §107 aufgezählten<br />

Erfordernisse zur Aufnahme in die jüdische Gemeinde. 312 Dass aber<br />

eine Aufnahme ohne dieses Gutachten eo ipso nicht möglich sein solle, sei dort<br />

nicht festgeschrieben, und die Stättigkeit daher auch nicht von den jüdischen<br />

Klägern in dieser Hinsicht auszulegen. Die „Kundschaft“ der Baumeister diene<br />

lediglich zur Erleichterung der obrigkeitlichen Prüfung der Angelegenheit 313 ,<br />

denn dass „ihr jüdisches Gewißen der alleinige Richter“ über die Aufnahme<br />

sein solle, sei „ein gänzliches Unding.“ 314 Ebenso dürften sie daher auch keinesfalls<br />

mit ihrem Bann gegen die Delinquentin vorgehen, insbesondere, wenn<br />

diesbezüglich ein Verfahren anhängig sei.<br />

„Diesem freventlichen jüdischen Unfug und ohnleidentlichen Übermuth<br />

mußte allerdings mit Ernst und Nachdruck, wie bereits mit mehrern dergleichen<br />

verwegenen eigenmächtigen Anmaßungen geschehen, um so mehr<br />

gesteuert werden, als es an sich höchst strafbar, einer nicht zu kommenden<br />

jurisdiction und execution sich anzumaßen und in das obrigkeitliche Amt,<br />

zumalen in einer wircklich schon anhängigen Sache, eigenmächtiger Weise<br />

einzugreiffen, immaßen es dem Richterlichen Amt Unseres Schöffenraths<br />

höchst verkleinerlich und abbrüchig seyn würde, wenn die jüdische Baumeister<br />

Macht und Gewalt haben sollten, in Ausübung der Jurisdiction mit<br />

und neben Unserm Schöffenrath gleichsam zu concurriren.“ 315<br />

Vielmehr erfülle dieses Vorgehen der Baumeister den Tatbestand der Selbsthilfe<br />

und, wie bereits gesehen, der Antastung des obrigkeitlichen Amtes.<br />

Aus ihrer obrigkeitlichen Perspektive nun sei gerade bei der Bestrafung von<br />

sittlichen Vergehen mit Vorsicht vorzugehen:<br />

311 F19, S. 331, 332.<br />

312 F19, S. 252, 253/fol. 20r, v.<br />

313 F19, S. 267/fol. 27r, v.<br />

314 F19, S. 263, 264/fol. 25v, 26r.<br />

315 F19, S. 276, 277/fol. 32r, v, 267–269/fol. 27v–28r.<br />

197


„[…] zumalen Obrigkeiten schweren Strafen, in dergleichen Fällen umso<br />

weniger anzurathen, als sonsten dergleichen delicta carnis leichtlich in<br />

atrocia crimina ausschlagen, und die Folgen allzu harter Strafen ad abortus<br />

et infanticidia anreizen können.“ 316<br />

Hier wird eine in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts naturrechtlich motivierte,<br />

aufklärerische Diskussion miteinbezogen, die die Effektivität und Legitimität<br />

von hohen Sittlichkeitsstrafen in Frage stellte. Gerade Frankfurt war zu<br />

der Zeit, in der auch das Verfahren Hannas lief, von mehreren Kindsmordfällen<br />

erschüttert worden, 317 die zu einer intensiven Debatte in juristischen und literarischen<br />

Kreisen geführt hatte, die in der so genannten „Preisfrage“ in der Zeitschrift<br />

„Rheinische Beiträge zur Gelehrsamkeit“ gipfelte. 318 Prominent sind dabei ebenfalls<br />

die Aufzeichnungen Goethes zu nennen und seine Verarbeitung des Themas<br />

in der Figur des Gretchens im Faust, der jedoch erst wesentlich später (1808)<br />

erschien. Offensichtlich sollte dieses neue Verständnis, das sich zunehmend der<br />

sozialen Tragik der betroffenen Frauen, meistenteils unverheiratete Mägde, die<br />

zwischen Ehr- und Existenzverlust oder Kindsmord wählen mussten, bewusst<br />

wurde, nun auch in der Herrschaftspraxis des Frankfurter Magistrats gegenüber<br />

Jüdinnen in solchen Notlagen Platz finden. Offenbar wollte man Abtreibungen<br />

und Kindsmord nicht durch zu hohe Strafen Vorschub leisten, ein Ausschluss<br />

aus der Gemeinde musste daher dem Magistrat, da es sich derweil „nur“ um eine<br />

uneheliche Schwangerschaft handelte, die in eine sichere Ehe überführt werden<br />

konnte, sicherlich unangemessen erscheinen. Daher stimmte der Magistrat der<br />

Meinung Hannas zu, dass man ihr einen solchen Jugendfehler nicht zu „einem<br />

schweren Verbrechen machen“ und „sie nebst dem appellaten [ihrem Bräutigam]<br />

[…] vor die ganze übrige Lebenszeit unglücklich“ machen könne. 319<br />

Dass man dafür auf Seiten der jüdischen Baumeister keinerlei Verständnis<br />

aufbrachte, sondern die Strafe vielmehr als noch viel zu gering erachtete, lässt<br />

vermuten, dass dieser gesellschaftliche Diskurs in der jüdischen Gemeinde<br />

keinen Platz finden konnte, zumindest nicht nach außen ersichtlich. 320<br />

316 F19, S. 255/fol. 21v.<br />

317 1744 die Magd Friedl, 1757 Anna Maria Fröhlich, 1770 Magdalena Blum, 1772 Susanna Margaretha<br />

Brandt, außer Magdalena Blum alle zum Tode verurteilt. Siehe Peters, Kirsten: Der<br />

Kindsmord als schöne Kunst betrachtet. Eine motivgeschichtliche Untersuchung der Literatur<br />

des 18. Jahrhunderts, Würzburg 2001, S. 116–120.<br />

318 Die Preisfrage, zu der sich beinahe 400 Ärzte, Juristen, Beamte etc. aus ganz Europa äußerten,<br />

lautete: „Welches sind die besten ausführbaren Mittel, dem Kindermorde abzuhelfen, ohne die<br />

Unzucht zu begünstigen?“ Siehe dazu Peters, Kirsten: Der Kindsmord als schöne Kunst betrachtet,<br />

S. 54, 55. Ulbricht, Otto: Kindsmord in der frühen Neuzeit. In: Gerhart, Ute (Hrsg.): Frauen<br />

in der Geschichte des Rechts, S. 245. In letzterem auch Ausführungen zum literarischen Diskurs<br />

um diese Thematik.<br />

319 F19, S. 271, 272/fol. 29v, 30r.<br />

320 F19, S. 333.<br />

198


Verfahrensfehler wurden in diesem Prozess wiederum von allen drei Parteien<br />

geltend gemacht. So klagten die Baumeister wegen des widerrechtlichen<br />

Ehevollzugs von Hanna Ursel und Isaac Hertz Fuld während der zehntägigen<br />

Frist, dem decendium, nach Erlass des Schöffendekrets, welcher vom Schöffenrat<br />

nicht geahndet worden war. 321 Seitens des Magistrats hingegen wurde,<br />

wie bereits oben erwähnt, der Einsatz des Bannes durch die Baumeister trotz<br />

rechtsanhängigen Verfahrens moniert. 322 Hanna Ursel hingegen bestritt den<br />

rechtsförmigen Ablauf der Wahl des Gremiums innerhalb der Gemeinde, das<br />

über ihren Fall entschieden hatte. Die Baumeister hätten zwar ein Gremium<br />

von 15 Gemeindemitgliedern zur Entscheidung hinzugezogen, jedoch seien<br />

diese mit den Baumeistern verwandt gewesen, was ihre Parteilichkeit nahe<br />

lege. Zudem seien die Stimmen „nicht ordentl[ich], sondern tumultuarisch“<br />

gesammelt worden, weshalb dieser Entscheid keine Gültigkeit haben könne. 323<br />

Das sehr ausführliche Votum des Referenten Steeb sen. in diesem Fall nun<br />

gewährt Einblicke, wie man sich am Reichshofrat zu diesen Argumentationsstrategien<br />

positionierte. Wiederum wird deutlich, dass man der Argumentation<br />

der jüdischen Kläger, die den Angriff auf die Rechte der Judenschaft mit denen<br />

des Kaisers gleichsetzte, folgte. So schreibt Steeb:<br />

„[…] ich meines wenige Arts allerdings vor gegründet halte und der Mainung<br />

seye, das wenn seye jemand begünstiget, oder davon [die Stättigkeit]<br />

abgewichen werden wolte, ein solches nicht durch den Magistrat<br />

zu Franckfurt, sondern allenfals durch kayserliche Mayestät geschehen<br />

könte, und es nur darauf ankomme, ob der Juden Stättigkeit entgegen<br />

gehandelt werde […]“ 324<br />

„[…] in weitere Rücksicht dieser Auftrag [das schöffenratliche Dekret]<br />

allerdings eine Abweichung von der Stättigkeit ganz unlaugbahr begründet,<br />

dieses aber ad §vo 112 der Stättigkeit, eiusqui finale dem Magistrat zu<br />

Franckfurt keineswegs, sondern alleinig kayserlicher Mayestät gebühret,<br />

folglich auch hierwegen in meinem Annehmen Magistratus sich eines<br />

incompetente conosus, und quaesti Begnadigungs Ertheilung unterzogen<br />

hat; dessen sich doch der selbe sich keineswegs zu ermächtigen hat,<br />

sey wenn ein Einbruch oder Abweichung von der Stättigkeit geschehen<br />

solle, darüber an kaiyserliche Mayestät jedesmahl zu recurriren ist, als<br />

allerhöchst welcher ausdrücklich vorbehalten worden, die Stättigkeit nach<br />

321 F19, S. 94.<br />

322 F19, S. 275, 276/fol. 31v, 32r, 277, 278/fol. 32v, 33r.<br />

323 F19, S. 149.<br />

324 HHStA, RHR, Relationes K 72, o.F.<br />

199


Bescheid zu ändern – und zu mehren, oder gar aufzuheben, dahin gegen<br />

dem Magistrat alle Abweichung von der selben untersaget, und er angewisen<br />

ist, sich genau nach der vorgeschriebenen Ordnung zu benehmen.“ 325<br />

Auch von reichshofrätlicher Seite war man also sehr darauf bedacht, die Wahrung<br />

und Unantastbarkeit kaiserlicher Rechte gegen Eigenmächtigkeiten der<br />

lokalen Obrigkeit zu schützen, und dieser keine Befugnisse, die über das nötige<br />

Maß hinausgingen, zuzugestehen. Insbesondere den Gnadenakt hebt Steeb<br />

als eigenmächtig hervor, da naheliegenderweise gerade dieser „nach außen“<br />

als populärer Ausdruck der umfassenden Machtfülle des Kaisers, nicht aber<br />

eines städtischen Magistrats, geschützt werden sollte, „nach innen“ aber ein<br />

kaiserliches Gesetz betreffe und daher auch nur vom Kaiser, der das Gesetz<br />

eingesetzt habe, auch vollzogen werden könne und dürfe. Man habe geradezu<br />

das Gefühl, so Steeb weiter, „das mann keinesweegs mit nötiger Unpartheylichkeit<br />

zu Werck gegangen seye“, 326 sondern Hanna hingegen besonders schützen<br />

wolle. Ironisch fügt er hinzu, es müsse wohl der Magistrat überzeugt sein, dass<br />

Hanna „[…] durch ihren, wie immer zu benenn seyn mögenden Fehltritt ein<br />

besonders Kennzeichen ihres Wohlverhaltens abgelegt“ 327 habe.<br />

Der Argumentation des Magistrats bezüglich des Schutzes von unehelich<br />

Schwangeren folgt er daher nicht. Vielmehr stimmt er den Baumeistern, ob<br />

ihrer verweigerten „Kundschaft“ völlig zu:<br />

„[…] da die Hanna ihr gedoppeltes Vorgehen selbst ein bekennet, und<br />

hoffentlich niemand sagen wird, das sich ein Juden Mägdel wohl verhalte,<br />

wenn sie sich schwängern läßt, und mit volem Bauch einen 3ten der sie<br />

nicht erkant, recht hinterlistig angeführt, und haurathet, und von solchem<br />

wieder geschieden wird. Noch glaube ich, daß die Baumeister übel<br />

gehandlet, wenn sie die Appellatin sogleich zur Stättigkeit in Vorschlag<br />

zu bringen, sich geweigert haben.“ 328<br />

Steeb schlägt eine Kompromisslösung vor: Zwar solle Hanna nicht auf ewig<br />

von der Stättigkeit ausgeschlossen sein, momentan könne man sie aufgrund<br />

ihres Fehlverhaltens jedoch sicher nicht aufnehmen, da die von den Baumeistern<br />

angeführten gravamina begründet seien. Hanna solle daher vielmehr<br />

über einige Zeit hinweg ihr Wohlverhalten unter Beweis stellen, während<br />

dessen – und dies scheint außerordentlich bemerkenswert – die Baumeister<br />

325 HHStA, RHR, Relationes K 72, o.F.<br />

326 HHStA, RHR, Relationes K 72, o.F.<br />

327 HHStA, RHR, Relationes K 72, o.F.<br />

328 HHStA, RHR, Relationes K 72, o.F.<br />

200


die Begründung im jüdischen Recht und im jüdischen Herkommen besser<br />

beibringen sollen.<br />

„Ich will zwar nicht behaupten, das sie dieses Fehltritts halber auf ewig<br />

von der Stättigkeit ausgeschlossen seyn, und bleiben solle, weilen mir,<br />

das dieses in Franckfurt bey der Judenschafft hergebracht, in bisherigen<br />

Verhandlungen nicht genüglich, und eben wenig vorgethan worden ist,<br />

das dieses bey denen Juden ein Gesäz seyn solle.“<br />

„[…] es wäre denn Sach, das implorantische Baumeister ihr angezogen<br />

Mosaisches Gesäz, oder wenigsten des Herkommen bis dortige Judenschafft<br />

besser, als geschehen unter einen zu praefigiren gewesten termino<br />

ausgewiesen haben würden. Denn einst- und anderes wäre meiner Einsicht<br />

nach alleinig zur Beweisung der Ausschliesung von der Stättigkeit<br />

auf alle Zeit hinreichend; […]“ 329<br />

Es wird also die Aussetzung der Ausschlussstrafe nicht über Argumentationselemente<br />

der Beklagten begründet, dass man etwa der Übermäßigkeit<br />

der Strafe oder dem Heimat- und Glücksverlust der Hanna zustimme, sondern<br />

einzig und allein deswegen, da die Rechtsbeibringung, die tendenziell<br />

als voll gültig anerkannt wird, nicht genügend „vorgethan“ und „ausgewiesen“<br />

worden sei. Dahinter wird der Gedanke offenkundig, dass die von den<br />

Klägern angeführten partikularen Rechte der jüdischen Gemeinde – nämlich<br />

das jüdische Recht und ihr jüdisches Herkommen – die vorrangige rechtliche<br />

Entscheidungsgrundlage bilden könnten, wenn sie genügend bescheinigt würden.<br />

An dieser Stelle tritt die frühneuzeitliche Rechtsquellenhierarchie, die das<br />

partikulare vor das allgemeine Recht setzt, also mehr als deutlich hervor und<br />

mutet zugleich in einem heutigen Verständnis von Minderheitenschutz fast<br />

modern an. Auch, dass von reichshofrätlicher Seite die Existenz einer jüdischen<br />

Observanz mit Rechtsgeltung genauso selbstverständlich angenommen wird<br />

wie auf Seiten der jüdischen Kläger, sei hervorgehoben.<br />

Ebenso wird von Steeb die Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahmen durch<br />

die jüdischen Baumeister ganz im Sinne der Argumentation der Kläger unterstützt.<br />

Es seien diese zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der jüdischen<br />

Gemeinde unbedingt vonnöten, da ansonsten „dieses bey der überhauften<br />

Volcks Menge leichtlich Gelegenheit unterstellen derfte, das sich mehrere auf<br />

gleiche Art verfangen machen“ und gerade die Furcht vor einem Ausschluss<br />

329 HHStA, RHR, Relationes K 72, o.F.<br />

201


„gewiß mehrers wircken wird, als immer eine andere Bestrafung.“ 330 So sei<br />

auch die Bannverhängung trotz der schöffenrätlichen Verfügung zwar nicht<br />

ganz legitim, der Fehler liege aber eigentlich beim Schöffenrat, der diese Verordnung<br />

trotz rechtsanhängiger Appellation erließ. Da dieser nun die auswärtige<br />

Verehelichung, die ebenfalls entgegen der städtischen Verordnung war,<br />

nicht geahndet habe, sei nicht einzusehen, „mit was Rechtsgrund der selbe<br />

die Bann Verfügung anden und hierwegen executivisch verordnen können.“ 331<br />

Damit wird wiederum eine gewisse Gegenseitigkeit unterstellt, die auch die<br />

jüdischen Kläger in ihrer Argumentation geltend machten: Die Verfahrenswidrigkeit,<br />

die die jüdischen Kläger durch die Verhängung des Bannes trotz<br />

gegenteiliger Verfügung begangen habe, werde quasi aufgehoben, da auch die<br />

anderen Parteien verfahrenswidrig gehandelt hätten und sich ebenfalls über<br />

Verordnungen – Hanna über das schöffenrätliche Dekret, der Magistrat über<br />

die rechtsanhängige Appellation am Reichshofrat – hinweg gesetzt hätten. In<br />

diesem Fall werden daher auch vom Reichshofrat erstmals Verfahrensfehler<br />

in die Entscheidungsbegründung miteinbezogen, wobei aus Sicht des Referenten<br />

diejenigen der Beklagten schwerer wogen. Steebs Urteilsvorschlag geht<br />

infolge dessen dahin, dass die Appellationsprozesse als gegründet erkannt<br />

werden sollten, die Dekrete des Magistrats kassiert werden müssten und die<br />

Aufnahme Hannas in die jüdische Gemeinde solange ausgesetzt bleiben sollte,<br />

bis dieselbe „genügliche Zeugnisse ihres verbesserten Lebens Wandel dargelegt<br />

habe“ 332 oder aber die jüdischen Kläger die Begründung ihres Ausschlusses<br />

durch jüdisches Recht oder jüdisches Herkommen besser begründet hätten.<br />

Betrachtet man nun allerdings das Reskript, das vom Reichshofrat 1782<br />

erlassen wurde, wird deutlich, dass das Reichshofratsgremium offensichtlich<br />

dem Votum des Referenten nicht gefolgt ist. So werden nämlich die Appellationsprozesse<br />

nicht erkannt, sondern abgeschlagen. Zwar enthält das Re skript<br />

einen strengen Verweis sowohl an den Magistrat wegen der Erteilung der<br />

Dekrete, obwohl die Appellationsklage beim Reichshofrat bereits anhängig<br />

war, als auch an die Baumeister wegen Verhängung des Bannes ebenfalls nach<br />

der Rechtshängigkeit des Verfahrens. Auch Hanna Ursel wird zu einer Geldstrafe<br />

von einer Mark Silber verurteilt, weil sie sich trotz Rechtshängigkeit des<br />

Verfahrens verehelicht hat. Alle Strafen beziehungsweise Verweise beziehen<br />

sich somit aber nicht auf den Inhalt des Verfahrens, sondern lediglich auf die<br />

verfahrensrechtlichen Fehler. Inhaltlich wird vielmehr durch die Abschlagung<br />

der Prozesse de facto der Argumentation der Beklagten gefolgt, da damit das<br />

Urteil der Vorinstanz in Kraft tritt.<br />

330 HHStA, RHR, Relationes K 72, o.F.<br />

331 HHStA, RHR, Relationes K 72, o.F.<br />

332 HHStA, RHR, Relationes K 72, o.F.<br />

202


Zuletzt sei nun noch der Fall Zacharias Wertheims gegen den Magistrat und die<br />

jüdischen Baumeister betrachtet, der sich ebenfalls im weitesten Sinne mit der<br />

Aufnahme eines neuen Gemeindemitgliedes beschäftigte. In diesem Fall standen<br />

sich zentral zwei sich überschneidende kaiserliche Privilegien gegenüber:<br />

zum einen die kaiserliche Privilegierung der Wiener Wertheimischen Stiftung,<br />

die beinhaltete, dass sie Stiftungsschulen eröffnen dürfe, wo immer sie wolle,<br />

zum andere die kaiserlich privilegierte Stättigkeit, die die Aufnahme neuer<br />

Gemeindemitglieder, wie nun schon mehrfach gesehen, an die „Kundschaft“<br />

der Baumeister sowie an die Bewilligung durch den Frankfurter Magistrat<br />

band. Infolge dessen stand vor allem aufgrund der Argumentation des Magistrats<br />

zudem die Diskussion im Raum, in welcher (Un)Abhängigkeitsbeziehung<br />

eine solche Stiftung mit eigenem Stiftungsrecht zum städtischen Gemeinwesen<br />

stand.<br />

Der Kläger Zacharias Wertheim, der im Prozess als Administrator der<br />

Wertheimschen Stiftungsschule und nicht als Privatperson auftritt, stellt zwei<br />

Rechtsquellen in den Mittelpunkt seiner Argumentation: den kaiserlich privilegierten<br />

Stiftungsbrief sowie die Observanz innerhalb der Stiftung. So sei<br />

diese Stiftung von den Erben des kaiserlichen Hoffaktors Samson Wertheims<br />

(1658–1724) mit einem Kapital von 150.000 fl. in Wien „in fundis publicis“<br />

auf Zins angelegt worden, um „[…] verschiedene fromme Stiftungen, Schuelen,<br />

Erziehungs Anstalten, und ansehnliche Stipendien für Schuelkinder,<br />

und studierende Jünglinge ihrer Glaubensgenossen zu errichten.“ 333 Der<br />

Stiftungsbrief regle dabei neben der Erlaubnis, dass die Erben diese Schulen<br />

und Stiftungen „wo sie wollten“ errichten könnten, auch die Besetzung der<br />

Stiftungsstellen, also sowohl der Lehrer als auch der Stipendiaten, mit Familienangehörigen<br />

je nach Bedarf und Tauglichkeit. 334 Dieser Stiftungsbrief sei<br />

„von der Kais[erlich] Königl[ichen] höchsten Stelle allergnädigst bestättiget<br />

worden“ und insofern habe es ihnen, gerade auch in Hinblick auf die Frankfurter<br />

Stiftungsschule „Klause“, freizustehen, auf fremde Anverwandte zur<br />

Besetzung der Lehrerposition zurückzugreifen oder aber, im Falle dass man<br />

sich darauf nicht einigen könne, die Stiftungsschule zu schließen und an<br />

einen anderen Ort zu verlegen.<br />

Es gebe des Weiteren in der Frankfurter Stiftungsschule bereits eine Observanz,<br />

fremde Lehrer zu berufen, die zum einen durch den Beispielfall des Jakob<br />

Baß begründet sei, 335 zum anderen aber durch die Observanz der jüdischen<br />

333 F24, S. 78, 79.<br />

334 F24, S. 78, 79, 80, 81.<br />

335 F24, S. 80, 81. Dabei handelt es sich wohl um Rabbi Jakob Samst-Bass, dessen Todesjahr Horovitz,<br />

aufgrund des Memorbuches der Klaus, mit 1747 angibt und der vor dem Erscheinen seiner<br />

Schrift „Chedwath-Jakob“ 1751 „viele Jahre“ als Rabbinatsassessor in der Gemeinde fungiert<br />

haben soll. Horovitz, Markus: Frankfurter Rabbinen, S. 170, 317. Daraus ließe sich schließen,<br />

203


Gemeinde legitimiert werde, dass dieselbe nämlich zu Oberrabbinerstellen<br />

ebenfalls oftmals Auswärtige berufe, 336 was daher analog auch für die Stiftung<br />

zu gelten habe. Dabei sei der nun einberufene Isaack Zacharias Fränkel aus<br />

Böhmen weder ein Fremder, da seine ganze Familie Frankfurter Schutzjuden<br />

gewesen seien, er treibe auch keinerlei sonstige „Nahrung, Gewerb, oder<br />

Handel“, sondern lebe ausschließlich von Stiftungsgeldern, 337 wie sich auch die<br />

Tatsache, dass er bereits Frau und Kinder habe, aus dem „jüdischen Gebrauch“<br />

ergebe, nach dem Rabbiner verheiratet oder zumindest verwitwet sein müssten.<br />

338 Abgesehen davon aber, sei dies allein stiftungsintern zu entscheiden,<br />

denn<br />

„[…] ob der Einberuffene beweibt, oder unbeweibt seye, geht die Franckfurter<br />

Judenbaumeister wenig an: der Einberuffene, sein Weib, und Kinder<br />

werden nicht von der Franckfurter Judenschaft, sondern von der<br />

Wertheimerischen Famille mit fremden Geldern erhalten.“ 339<br />

Obgleich Wertheim in seiner Argumentation die Stättigkeit, wenn auch nur<br />

pauschal, erwähnt, insofern sie der Einberufung Fränckels nicht im Wege stehe,<br />

wird doch deutlich, dass er sich der Problematik in Hinblick auf den Magistrat<br />

offensichtlich gar nicht bewusst war, sondern vielmehr mit seiner ganzen Argumentation<br />

auf die jüdische Gemeinde bzw. die jüdischen Baumeister abzielte.<br />

Er war offensichtlich der Meinung, dass die Stiftung eine von der jüdischen<br />

Gemeinde unabhängige Institution sei, die nach eigenen Regeln funktioniere<br />

und auf die Außenstehende, insbesondere die Baumeister, keinen Einfluss hätten.<br />

Daher betont er vielmehr das Gegenseitigkeitsprinzip großzügiges Geben<br />

– dankbares, widerspruchsloses Nehmen, dass von der jüdischen Gemeinde<br />

also lediglich Dankbarkeit für die geleisteten Stiftungsgelder zu erwarten<br />

dass die Wertheimische Stiftungsschule als solche zwischen 1724, dem Tod von Samson Wertheim,<br />

und 1747 gegründet worden sein muss. Wie bei Dietz deutlich wird, handelte es sich bei<br />

der „Klaus“-Jeshiwa, worum es sich wohl handeln dürfte, da sie als „jüdische Hochschule“ beschrieben<br />

wird, aber um eine Fortführung der 1682 von dem Prager Oberrabbiner David Oppenheim<br />

und dem Stifter Manasse Darmstädter gegründete, dann von Löb Isaak zur Kann und<br />

dessen Söhnen weitergeführte Stiftung, wobei Kracauer besonders den Einfluss einer Tochter<br />

des Samson Wertheim, Sara, hervorhebt, die zugleich Ehefrau des Frankfurter Schutzjuden,<br />

Hessen-Darmstädtischen Oberrabbiners und Klausrabbiners Moses Löb Isaak zur Kann war.<br />

Siehe Dietz, Alexander: Stammbuch der Frankfurter Juden, S. 291. Es ist anzunehmen, dass über<br />

diese Frau wohl die Übernahme der Klausjeshiva in die Wertheimische Stiftung zustande kam.<br />

Dietz vermerkt zwar als Klausrabbiner zwischen 1719 und 1761 nur den bereits erwähnten Moses<br />

Löb Isaak zur Kann, die Quellen legen aber nahe, dass vor/bis 1747 zudem Bass als Rabbiner<br />

dort gelehrt hatte.<br />

336 F24, S. 83, 84.<br />

337 F24, S. 83, 84.<br />

338 F24, S. 83, 84.<br />

339 F24, S. 83.<br />

204


sei, da doch diese Stiftung im ganzen Umfang nur auf das gemeine Beste der<br />

Gemeinde abziele, 340 in keinerlei Form aber ein Mitspracherecht vorsehe:<br />

„Die jüdischen Baumeister haben hier durch die Wertheimerische Famille<br />

statt des Dankes, den Sie, und ihre Kinder Selber schuldig sind, mit dem<br />

unerhörtesten Undancke beleidiget […].“ 341<br />

„Es kommen jährlich zur Unterhaltung der Wertheimerischen Schuel-<br />

Anstalten ansehnliche Summen von Wien nach Franckfurt, wofür das<br />

jüdische Franckfurter Publicum unendlichen Danck sagen, nicht aber<br />

der Wertheimerischen Famille mit einem so ausgezeichneten Undancke<br />

begegnen solle.“ 342<br />

„Die Wertheimerische Famille […] kann ihre Stiftung anderwärts verlegen,<br />

und werde auch endlich bemüssiget werden es zu thun, wenn die<br />

Judenschaft, und deren Vorsteher sich nicht besser beeifern, dieses ganz<br />

gemeinnützliche – hauptsächlich zum Wohl der Frankfurter Judenschaft<br />

abzielende Werk zu unterstützen, und zu befördern.“ 343<br />

Diese argumentative Position freilich erregte nicht nur den Widerspruch der<br />

Baumeister, sondern ebenso des Magistrats, den die Baumeister durch eine<br />

Klage beim Schöffenrat in den Konflikt hineinzogen. Seitens der Baumeister<br />

könnte dahinter die Intention gestanden haben, dass man in dem Bewusstsein,<br />

wie sehr das Gebaren des Stiftungsadministrators den obrigkeitlichen Vorstellungen<br />

widersprechen musste, die Durchsetzung der eigenen Ziele lieber<br />

dem christlichen Gegenspieler überlassen wollte, ohne scheinbar für die Konsequenzen,<br />

die ein solches Ansinnen haben konnte, nämlich die Schließung<br />

der Stiftungsschule, verantwortlich zu sein. Insofern treten die Baumeister im<br />

zweitinstanzlichen Verfahren auch nicht mehr als aktive Prozesspartei auf,<br />

sondern lediglich der Magistrat.<br />

Es sei daher aber auf ihre Eingabe beim Schöffenrat verwiesen, in der auf<br />

das durch die Einberufung gefährdete Gemeinwohl hingewiesen wird, das<br />

man von ihrer Seite zu bedenken habe. Dieser Schritt beinhaltet also keine<br />

genuin rechtliche Begründung, insbesondere nicht aus der Stättigkeit, wie zu<br />

erwarten gewesen wäre. Vielmehr habe nämlich Fränckel in ihrer Gemeinde<br />

als Rabbiner keine „öffentliche“ Position, sondern sei vielmehr als Privatlehrer<br />

340 F24, S. 79, 84, 80, 85, 86, 194, 195.<br />

341 F24, S. 78.<br />

342 F24, S. 84.<br />

343 F24, S. 194, 195.<br />

205


zu betrachten und es sei nicht gesichert, dass er oder seine Familie nicht doch<br />

letztlich der Gemeinde zur Last fallen und sie in ihrer Nahrung beeinträchtigen<br />

werde. 344 Auch sei seine Einberufung gar nicht vonnöten, da es „in der<br />

Gasse verschiedene hiesige Gelehrte“ 345 gebe, die diese Stelle besetzen könnten.<br />

Zur Untermauerung dessen wird eine städtische Verordnung bezüglich der<br />

Löw Elias Reuß-Stiftung 346 angeführt, die ebenfalls festlegt habe, dass nur<br />

einheimische Lehrer berufen werden dürften. 347 Der von Wertheim angeführte<br />

Beispielfall des Bass hingegen sei keine ausreichende Grundlage für eine Entscheidung,<br />

da während seiner Amtszeit, die schon mehr als 40 Jahre zurück<br />

liege, „Moses Löw Isaac und Bär Löw Isaac das Regiment alleinig in der Gaße<br />

geführt, und daß das gegolten, was Bär Löw Isaac gewollt habe.“ 348 Damit verweisen<br />

sie also auf die Bindung von Beispielfällen oder einer Observanz, wie es<br />

sich in der Klageschrift Wertheims darstellt, an die regelkonforme (politische)<br />

Verfassung innerhalb der Gemeinde. Sei diese ausgesetzt – wie während der<br />

Kulp-Kannschen-Wirren –, sei quasi auch die Rechtsgrundlage, von der präjudizierende<br />

Beispielfälle ihre Geltung bezögen, ausgesetzt und letztere damit<br />

nicht mehr als Rechtsquelle oder Beweis geeignet.<br />

Der Magistrat nun argumentiert zentral mit obrigkeitlichem Ordnungshandeln,<br />

ohne jedoch dabei auf juristische Belegstellen zu verweisen. So gehe<br />

es eben keineswegs um eine bloße Privatsache zwischen den jüdischen Baumeistern<br />

und dem Gemeindemitglied Wertheim, womit der Magistrat wohl<br />

darauf verweisen will, dass seine Position in der klägerischen Schrift völlig<br />

ausgeblendet wurde. Vielmehr werde hier unangemessen in obrigkeitliche<br />

Rechte, insbesondere reichsständische Rechte bezüglich der Rezeption von<br />

Untertanen, eingegriffen:<br />

„Wir darften es kaum berühren, daß es gegen die wichtigste und wesentlichste<br />

Rechte einer jeden Obrigkeit, zumal derjenigen, welche reichstän<br />

di sche Rechte hat oder verwaltet, schnurgerade anstossen würde,<br />

wenn ein Unterthan, Bürger, oder Schuz Verwandter derselben in eigenem<br />

oder Fremdem Namen befugt seyn sollte, eine fremde Person oder<br />

Familie, unter welchem Vorwand es immer sey, in ihr Land oder Gebiet<br />

344 F24, S. 129, 139.<br />

345 F24, S. 126.<br />

346 Siehe zu dieser Stiftung und dem Konflikt mit dem Magistrat – Horovitz, Markus: Frankfurter<br />

Rabbinen, S. 232–234. Außerdem Dietz, Alexander: Stammbuch der Frankfurter Juden, S. 392.<br />

und Arnsberg, Paul: Neunhundert Jahre ›Muttergemeinde in Israel‹ Frankfurt am Main 1074–<br />

1974. Chronik der Rabbiner, Frankfurter am Main 1974, S. 58, 59.<br />

347 F24, S. 138.<br />

348 F24, S. 128, 129. Hier wird auf die Kulp-Kannschen-Wirren verwiesen, die bereits weiter oben<br />

beschrieben wurden.<br />

206


einzuberufen, und auf zunehmen, ihr darinn Wohnung und Auffenthalt,<br />

die Ausübung eines gewisen Geschäffts, ja wohl gar eines Amts, dergleichen<br />

die Stelle eines Lehrers bei einer Stiftung wäre, und wenn es weiter<br />

nichts anders wäre, den Genuß aller Vortheile, welche von der Wohnung<br />

und dem Aufenthalt an einem Ort abhängen, vielleicht aber auch unter<br />

der Hand die Treibung eines Gewerbs, oder gar die Beeinträchtigung der<br />

übrigen Bürger und Einwohner in ihren Gewerben und Vermögen, zugestatten,<br />

und alles dieses, ohne ja weder im allgemeinen von der Obrigkeit<br />

dazu autorisirt zu seyn, noch auch im besondern, ohne der Obrigkeit<br />

davon die mindeste Nachricht zu geben, oder deren Erlaubniß zu erbitten,<br />

ohne dem Fremden derselben zur Untersuchung seines Herkommens,<br />

seines bisherigen Lebenswandels, seines Vermögens, seiner Absichten und<br />

seiner Bestimmung vorzustellen, oder dabei sowohl gar von den Pflichten<br />

und Abgaben eines Juden Bürgers oder Schuz Verwandten eximiren<br />

zu wollen, hingegen den übrigen Bürgern und Einwohnern, oder einer<br />

Claße derselben ein ihnen vielleicht bald zur Last fallendes Mitglied, der<br />

Obrigkeit aber einen Schuz Verwandten ohne ihr Wissen und wider ihren<br />

Willen aufzudringen.“ 349<br />

Damit streicht der Magistrat zunächst heraus, wie stark sich die verschiedenen<br />

rechtlichen Regelungen – also der kaiserliche Stiftungsbrief und die darin festgelegten<br />

Freiheiten, die Stättigkeit, die für die Ansiedlung von Juden in Frankfurt<br />

konstitutive Erfordernisse formuliert, das sowohl kaiserlich privilegierte<br />

Stadtrecht als auch die Befugnisse der obrigkeitlichen Oberaufsicht – überschneiden,<br />

und wie grundsätzlich dieses kaiserlich privilegierte Stiftungsvorhaben<br />

den anderen Regelungen zuwiderlaufe bzw. davon ausgenommen sei. 350<br />

Eine Vorstellung, die einem absolutistisch geprägten Obrigkeitsverständnis<br />

freilich völlig entgegenstehen musste, weil ihm der Zugriff auf diese Institution<br />

gänzlich verwehrt werden würde. Der Magistrat fokussiert daher in seiner<br />

Argumentation auf die mangelnde Autorisierung und Annahme der Stiftung,<br />

die sich heimlich eingeschlichen habe und „statum in statu“ formieren wolle, 351<br />

ebenso wie darauf, dass die „Anordnungen eines privati, oder einiger privatorum“,<br />

allenfalls die Erben des Stifters binden könnten, nicht jedoch „und<br />

am allerwenigsten die öffentliche Geseze eines Staats aufheben“. 352 Es obliege<br />

allein dem Magistrat, die Zulässigkeit dieser Stiftung zu prüfen, zu bewilligen<br />

und die Bedingungen ihrer Aufnahme in Frankfurt festzusetzen. Da er von<br />

349 F24, S. 134–136.<br />

350 F24, S. 152, 153, 163, 164, 169.<br />

351 F24, S. 173, 174.<br />

352 F24, S. 150–152.<br />

207


dieser Stiftung aber bislang keine Kenntnis erlangt habe, auch nicht darum<br />

„begrüßt“ 353 worden sei, sei schon deren grundsätzliche Existenz rechtswidrig.<br />

354 Wenn die Annahme durch die Frankfurter Judenschaft statt gefunden<br />

habe, und damit wendet sich der Magistrat nun auch gegen den Mitbeklagten,<br />

so sei dies schon eine Anmaßung gewesen,<br />

„da der hiesigen Judenschaft insgesamt oder ihren Vorstehern die Macht<br />

eine solche Stiftung aufzunehmen, zu bestättigen, ja wohl gar von den der<br />

ganzen hiesigen Judenschaft vorgeschriebenen und von ihre beschworenen<br />

Gesezen zu dispensiren kundbarlich im mindesten nicht zusteht.“ 355<br />

Damit wird der Übergang zu den Rechtsquellen markiert, die diese Position<br />

untermauern sollen, nämlich die Judenstättigkeit, die kaiserliche Resolution<br />

von 1728 als Ausdruck kaiserlicher Rechtsanwendung sowie drei städtische<br />

Verordnungen als Ausdruck städtischer Rechtsanwendung. So regle die Judenstättigkeit<br />

in den Paragraphen 18, 105, 107, 108 und 110, dass sich kein Jude<br />

ohne Anmeldung beim Rat in Frankfurt aufhalten dürfe, wie ebenso die Aufnahme<br />

fremder Juden in das eigene Haus oder in Gasthäuser ohne Meldung<br />

und Bewilligung der Stadt nicht erlaubt sei. Weiters sei darin festgelegt, dass<br />

jährlich nicht mehr als sechs Personen in die Stättigkeit aufgenommen werden<br />

dürften, und diese die Erfordernisse zur Aufnahme: Wohnstätte, Vermögen,<br />

abgeleistete Gemeindeschulden, die Ehe mit einem/r Frankfurter Juden/Jüdin<br />

und die baumeisterliche „Kundschaft“ vorzuweisen hätten. 356 Nun erfülle der<br />

neu aufzunehmende Jude Fränckel aber all diese Erfordernisse nicht, er sei auch<br />

mitnichten als ein hiesiger Jude anzusehen, wenn er nicht in der Stättigkeit<br />

stehe, ob sein Vater nun von Frankfurt gewesen sei oder nicht. 357 Zudem wolle<br />

man ihn seitens der Judenschaft auch gar nicht aufnehmen. Einem privaten<br />

Gemeindemitglied, wie es Zacharias Wertheim sei, der selbst auf die Judenstättigkeit<br />

vereidigt worden wäre, stehe es prinzipiell nicht zu, einen fremden<br />

Lehrer einzuberufen. 358 Auch wenn er „blos den Gesezen der angeblichen<br />

Wertheimerischen Fundation unterworfen zu seyn sich dünckte“, so sei er<br />

doch nach wie vor ein Frankfurter Gemeindemitglied und als solches dürfe<br />

353 Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm: Grimms Deutsches Wörterbuch, Bd. 1, Sp. 1314–1318: „adire<br />

et rogare, einen, dessen genehmigung nöthig scheint, darum ansprechen, ehe man die sache<br />

thut“.<br />

354 F24, S. 160, 161, 162, 163.<br />

355 F24, S. 162, 163.<br />

356 F24, S. 138, 139, 144–146.<br />

357 F24, S. 147, 148.<br />

358 F24, S. 149, 150, 156.<br />

208


er keine Fremden aufnehmen. 359 Hier wird also versucht, die Unterscheidung<br />

zwischen der Privatperson Zacharias Wertheim und dem Repräsentanten und<br />

Sprecher der Wertheimischen Stiftung, für die er in diesem Verfahren agierte,<br />

zu verwischen bzw. den Rechtscharakter der Stiftung in Frage zu stellen, um<br />

damit die für ihn als Privatperson und Mitglied der jüdischen Gemeinde gültigen<br />

Rechtspflichten geltend zu machen.<br />

Auf dieser Vorannahme basieren auch die Inhalte der anderen Rechtsquellen.<br />

So besage die kaiserliche Resolution von 1728, die ausführlich im Quellentext<br />

zitiert wird, dass fremde Juden und Beisassen, die nicht in die Stättigkeit<br />

rezipiert seien, bei widrigenfalls schweren Strafen nicht in der Gasse verbleiben<br />

dürften. 360 Auch die städtisch publizierten Verordnungen von 1694 und 1764,<br />

die als Drucke beiliegen, hätten diesen kaiserlichen Verordnungen gemäß –<br />

was wiederum einen Verweis auf die kaiserliche Gesetzesintention darstellen<br />

könnte – ebenfalls die Aufnahme fremder Juden nur bei Meldung derselben<br />

beim Schatzungsamt und, außerhalb der Messzeiten, nur in Wirts- und Gasthäusern<br />

gestattet. 361 Die städtische Verordnung im Falle der Löw Elias Reuß<br />

Stiftung habe ebenfalls gezeigt, dass man seitens der Stadt nicht Willens sei,<br />

fremde Juden durch Stiftungsschulen aufzunehmen, weshalb der Paragraph<br />

innerhalb des Stiftungsbriefs, der dies ermöglicht habe, für null und nichtig<br />

erklärt worden sei. 362 Die von Wertheim angeführte Observanz sei damit ausgesetzt,<br />

denn erstens sei ein Beispiel zu wenig zur Begründung einer Observanz<br />

und zweitens könne diese grundsätzlich nicht gültig sein, da sie den angeführten<br />

kaiserlichen Privilegien, insbesondere der Stättigkeit und der kaiserlichen<br />

Resolution, zuwider laufe. 363<br />

Es könne auch das Gemeine Beste der Judenschaft keinen Grund abgeben,<br />

denn selbst wenn die Stiftung unschädlich und nützlich wäre, was noch nicht<br />

bewiesen worden sei, 364 da der Stiftungsbrief nicht als Beweismittel beigebracht<br />

wurde, 365 so sei es dennoch besser, einen Frankfurter Juden einzustellen<br />

als einen Fremden, wie von den Baumeistern vorgeschlagen. 366 Denn es sei<br />

völlig ungeklärt, was beispielsweise im Verarmungsfalle oder im Todesfalle<br />

des Lehrers mit dessen Familie geschehe, ob diese etwa dann der gemeinen<br />

Armenfürsorge der Judenschaft teilhaftig werden müssten oder nicht. Dieser<br />

Fall könne jederzeit eintreten, und wäre wohl kaum dem Gemeinen Besten<br />

359 F24, S. 133, 134.<br />

360 F24, S. 141–144.<br />

361 F24, S. 139–141.<br />

362 F24, S. 130, 131.<br />

363 F24, S. 153, 154.<br />

364 F24, S. 173.<br />

365 F24, S. 165, 173.<br />

366 F24, S. 154, 155.<br />

209


entsprechend. 367 Daher sei die Anstellung Fränckels auch mit der Anstellung<br />

des Oberrabbiners in der Gemeinde nicht vergleichbar, da<br />

„[…] die jüdische Baumeister nur alsdenn zu Einberufung eines auswärtigen<br />

Ober Rabiners schreiten können, wenn wie sich der Fall bei dieser<br />

Stelle zu tragen kam, kein einheimischer Tauglicher vorhanden ist, und<br />

dann wann dieses geschieht solches öffentlich und im Namen der ganzen<br />

Gemeinde, nicht heimlich und von einem einzelnen Juden, geschieht, in<br />

jenem Fall also die jüdische Gemeinde die Unterhaltung eines Mannes<br />

und seiner Familie sich selbst aufladet, in diesem dem Wertheimerischen<br />

Fall aber, ihr dieselbe von einem einzelnen Gliede aufgeladen werden<br />

will.“ 368<br />

Damit wird, zwar mit einer gänzlich anderen Intention, aber dennoch zutreffend<br />

die problematisch-unsichere rechtliche Lage von nicht in einem Schutzverhältnis<br />

stehenden und keine öffentliche Gemeindeämter bekleidenden jüdischen<br />

Bediensteten, Schülern und Lehrern benannt. Die Argumentation zeigt<br />

aber zugleich, dass man auch für die jüdische Gemeinde eine gewisse gemeine<br />

Sphäre von einer privaten Sphäre unterschied. Denn obwohl weiter oben noch<br />

jegliche Macht und Befugnis der Baumeister, eine Stiftung und fremde Lehrer<br />

aufzunehmen, bestritten wurde, wird hier nun festgestellt, dass die Baumeister<br />

sehr wohl für die ganze Gemeinde die Entscheidung über eine Aufnahme treffen<br />

dürften, die dann auch von dieser in möglichen negativen Auswirkungen,<br />

nämlich beispielsweise der Verarmung und entsprechender Armenfürsorge,<br />

getragen werden musste, während das einem einzelnen, privaten Gemeindemitglied<br />

niemals zustehen könne. Insofern wird nun durchaus nahe gelegt,<br />

dass die Baumeister die Trägerschaft dieser gemeinen Sphäre bilden.<br />

Zuletzt klagt der Magistrat wiederum einen Formfehler im Verfahren an,<br />

es sei nämlich das „Libellum gravaminum“ fälschlicherweise als „Vorstellung“<br />

betitelt worden. 369<br />

Um nun jedoch noch einmal die zu Beginn dieses Kapitels gestellte Frage<br />

aufzugreifen, ob durch die im Vergleich zu den anderen Verfahren anders<br />

geartete Konstellation von Magistrat und Baumeistern als Beklagte eine flexiblere<br />

Annäherung zu beobachten sei, so kann dies eigentlich nur verneint<br />

werden. Zwar widerspricht der Magistrat dem klägerischen Behaupten, dass<br />

es nicht „Neid und Muthwillen“ der Baumeister gewesen sei, die Einberufung<br />

Fränckels beim Schöffenrat anzuzeigen, sondern dies vielmehr einer<br />

367 F24, S. 137, 170, 171.<br />

368 F24, S. 168.<br />

369 F24, S. 156, 157.<br />

210


Pflichterfüllung gleichkomme. Ein anderes Verhalten hätte ihnen gemäß der<br />

kaiserlichen Resolution von 1728 schwere Strafen bis zum Entzug der eigenen<br />

Stättigkeit einbringen können. 370 Es stehe ihnen auch „das Recht“ zu, dieses bei<br />

der Obrigkeit anzuzeigen. 371 Gleichwohl stellt man von magistratischer Seite<br />

aber klar, dass die Unterlassung der Anzeige, dass überhaupt eine solche Stiftung<br />

in der Frankfurter Gemeinde existiere, bereits widerrechtlich gewesen sei<br />

und man den Baumeistern keineswegs die Macht und Befugnis zugestehe, eine<br />

solche von sich aus aufzunehmen. Auch zentriert sich die Argumentation der<br />

Baumeister und des Magistrats um völlig unterschiedliche Anliegen – während<br />

die Baumeister lediglich die Einberufung des fremden Lehrers verhindern,<br />

und dafür einen Frankfurter Gelehrten zur Stiftungsstelle durchsetzen wollen,<br />

versucht der Magistrat vielmehr ganz grundsätzlich seine Verfügungsgewalt<br />

über die Judengemeinde sowie die Aufnahme von Mitgliedern oder Installation<br />

von Institutionen in dieselbe zu verteidigen und verfolgt damit eine wesentlich<br />

ab strak te re und weniger fallbezogene Argumentationsstrategie als die Baumeister.<br />

Eine Annäherung der Positionen ist insofern nicht festzustellen.<br />

Eine Positionierung des Reichshofrats wird nur ansatzweise deutlich, da zum<br />

einen wiederum ein Vergleich geschlossen wurde, und zum anderen lediglich<br />

ein Zwischenvotum des Referenten Steeb jun., das noch vor dem Schreiben<br />

um Bericht entstanden sein muss, erhalten ist. Aus diesem Zwischenvotum<br />

wird jedoch bereits deutlich, dass für ihn, gemäß dem Antrag des Klägers,<br />

lediglich der Stiftungsbrief und damit das Stiftungsrecht sowie eine eventuell<br />

vorhandene Observanz als relevante Rechtsquellen anzuwenden wären, eine<br />

Einbeziehung obrigkeitlichen Rezeptionsrechts, Stadtrechts oder kaiserlicher<br />

Stättigkeit zieht er, zumindest zu diesem Zeitpunkt, nicht in Betracht. Im Sinne<br />

der frühneuzeitlichen Rechtsquellenhierarchie scheint es für ihn vielmehr<br />

selbstverständlich, dass das privilegierte Einzelrecht allen anderen eventuell<br />

vorhandenen Rechten voraus gehe.<br />

„Ob a) kein fremder, und b) kein beweibter Jude, auch c) in dem Falle,<br />

wann kein tüchtiger oder mit der Wertheimer Famille verwandter Juden<br />

in Ffurth selbst vorfindig ist, einberufen werden könne, hanget theils von<br />

dem Tenor des Stüfftungsbriefes, theils von der Verfaßung der Stüfftung,<br />

theils von der bisherigen Observanz ab.“ 372<br />

Die in diesem Fall jedoch noch erhaltenen Schreiben des magistratischen Agenten<br />

Bittner, die bereits in Kapitel II.2.d) angeführt wurden, zeigten deutlich,<br />

370 F24, S. 166.<br />

371 F24, S. 166, 167.<br />

372 F24, S. 202.<br />

211


dass man seitens des Reichshofrats nicht gewillt war, der Argumentation<br />

des Magistrats zu folgen, sondern vielmehr informell zu verstehen gab, dass<br />

man dessen rigides Vorgehen gegen die Stiftung nicht schätze und auch nicht<br />

unterstützen werde. Dabei wurde von Steeb hauptsächlich der Nutzen für die<br />

Bildung, den eine solche Stiftung für die Judenschaft – ganz im Sinne des aufklärerischen<br />

Erziehungsideals – mit sich bringe, hervorgehoben, während er<br />

dem Magistrat vorwarf, in seiner Policeyaufsicht nachlässig gewesen zu sein,<br />

wenn er von dieser Stiftung nichts wisse.<br />

„Derselbe [von Steeb] glaubt in diesem Bericht einige Gehäßigkeit gegen<br />

Appellanten um so mehr zu finden, als demselben unglaublich scheint,<br />

daß diese Stifftungs=Anstalt so viele Jahre daselbst etablirt seyn solle,<br />

ohne daß Ampliss[imus] Senatui jemalen etwas wäre bekannt geworden,<br />

indeme der herr von Steeb eine bessere Meynung von denen<br />

Policey=Anstalten daselbst habe, welche erfordere, daß man ex officio<br />

fürgehe, Untersuchungen gegen eingeschlichene Corpora und Einrichtungen<br />

veranstalte und der Ordnung gemäß verfahre, einfolgl[ich] könne<br />

dieses Vorgeben Ampliss[imus] Senatui nicht vorträglich- im Gegentheil<br />

höchstnachtheilig seyn und vielleicht gar bey dem Vortrag einen Verweiß<br />

zu ziehen.“ 373<br />

Man bevorzuge daher einen Vergleich, wonach der Stiftungsadministrator<br />

Wertheim dem Magistrat den Stiftungsbrief stättigkeitsgemäß vorlege, um<br />

dessen Bestätigung zu erhalten, im Gegenzug werde aber die Annahme desselben<br />

ohne weitere Probleme erwartet. Dass Steeb zudem die „Gehässigkeit“<br />

stigmatisiert, die man seitens des Magistrats gegenüber Wertheim erkennen<br />

lasse, mag darauf verweisen, dass man Diffamierungen am Reichshofrat auch<br />

gegen Juden, zumal aus bedeutenden Familien, zunehmend nicht mehr zu<br />

tolerieren bereit war.<br />

Betrachtet man abschließend noch einmal die drei Verfahren im Vergleich,<br />

wobei sich der dritte Fall ob der anderen Kläger/Beklagten-Konstellation<br />

grundsätzlich etwas anders darstellt, so werden wiederum übergreifende Argumentationsmuster<br />

ersichtlich.<br />

So ging es, ganz analog zu den Verfahren bezüglich des Handels, in den<br />

beiden ersten Verfahren jeweils um die Auslegung von Stättigkeitsparagraphen,<br />

deren Polysemantik und unzureichende Regelung einen Konflikt zwischen<br />

Magistrat und Judenschaft provoziert hatten. Beide Parteien beriefen<br />

373 FSTA, Juden Akten 199, o.F.<br />

212


sich dabei zentral auf die Willensmeinung des Kaisers, also die Intention<br />

des Gesetzgebers, als Interpretationsschlüssel. Während sich die jüdischen<br />

Kläger vor allem wiederum als Träger des Schutzes des kaiserlichen Rechtes<br />

zu etablieren versuchten, indem sie eine Gleichstellung der Wahrung ihrer<br />

Rechte mit der Wahrung der kaiserlichen (Reservat)Rechte ansetzten, verlegte<br />

sich der Magistrat auf sein obrigkeitliches Rezeptionsrecht und die Kontrollfunktion<br />

der Ordnung und des gemeinen Besten, die ihm als Inhaber oder<br />

Verwalter reichsständischer Rechte zustehe. Die jüdischen Kläger benutzten<br />

diese Positionierung des Magistrats erneut, um dessen Rechtssprechung<br />

als intendierte Handlungsstrategie gegen die kaiserliche Gesetzgebung zu<br />

diffamieren. Der Magistrat versuche, das kaiserliche Gesetz zunehmend zu<br />

unterwandern und Befugnisse, die ihm eigentlich nicht zuständen, an sich<br />

zu ziehen. Aus dem Votum des zweiten Verfahrens wurde dabei deutlich,<br />

dass der reichshofrätliche Referent dieser Einschätzung folgte. Gleichzeitig<br />

versuche der Magistrat nach Sicht der Kläger derart, die jüdische Verfassung<br />

zu unterwandern und sukzessive zu zerstören, was nur durch den Schutz<br />

des Kaisers verhindert werden könne. Auch dass man ihnen das kaiserlich<br />

privilegierte Bannrecht entziehen wolle, sei dahingehend zu werten, da dieses<br />

zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Gemeinde zwingend nötig sei,<br />

wobei hier im Fokus die Gemeindeabgaben und die sittliche Unversehrtheit<br />

der Gemeinde standen. In beiden Fällen versuchte man, ebenso wie in den<br />

Verfahren bezüglich des Handels, einen Vertragscharakter der Stättigkeit<br />

herauszuheben, der das Prinzip der Gegenseitigkeit erfordere. Zur Erschließung<br />

der kaiserlichen Willensmeinung wurde von beiden Parteien neben<br />

gemeinrechtlichen Begründungen und weiteren kaiserlichen Privilegien, so<br />

vor allem den kaiserlichen Konfirmationen der Stättigkeit, die kaiserliche<br />

Rechtsanwendung als Rechtsquelle herangezogen.<br />

Diese wurde jedoch nicht nur zu Legitimierung der Stättigkeitsauslegung<br />

benutzt, sondern auch zur Begründung der Observanz, die ebenfalls wiederum<br />

im Zentrum der Argumentationen stand. Dabei handelte es sich in diesen<br />

Fällen um eine explizit „jüdische Observanz“, also eine Observanz, wie sie<br />

innerhalb der jüdischen Gemeinde und nur für deren Mitglieder existiere.<br />

Neben den Geltungskriterien der langen Dauer und Kontinuität einer Observanz<br />

wurde dabei zudem auf deren räumliche Dimension verwiesen – zum<br />

einen innerhalb der Gasse, zum anderen in allen jüdischen Gemeinden – sowie<br />

auf ihre Bekanntheit, dass die Observanz also allen Gemeindemitgliedern<br />

bekannt sei. Auch der Geltungsanspruch der Observanz aufgrund der Sicherung<br />

des gemeinen Nutzens und der Ordnung wurde hervorgehoben, wobei<br />

vom Magistrat zusätzlich das Kriterium der Vernunft eingeführt wurde sowie<br />

die Forderung, dass sie den statutarischen Rechten entsprechen müsse, also<br />

213


214<br />

nicht dem kaiserlichen Gesetz entgegen gesetzt werden dürfe. Neben der kaiserlichen<br />

Rechtsanwendung wurden dabei in allen drei Fällen Beispielfälle<br />

innerhalb der jüdischen Gemeinde, also im weitesten Sinne aus der jüdischen<br />

Rechtsanwendung, herangezogen, die die Observanz entweder legitimieren<br />

oder delegitimieren sollten. Deutlich wurde die Überschneidung zwischen<br />

jüdischer Observanz und jüdischem Recht, wobei das jüdische Recht im ersten<br />

Verfahren vom Magistrat ins Feld geführt und von den jüdischen Klägern als<br />

nicht in Anwendung bestritten wurde.<br />

Im zweiten Fall hingegen versuchten die Kläger selbst eine umfassende Fundierung<br />

des Herkommens im jüdischen Recht zu suggerieren, ohne sich jedoch<br />

konkret auf Belegstellen zu berufen, was wiederum vom Magistrat negiert<br />

wurde. Bemerkenswert war dabei die Positionierung des Reichshofratsreferenten,<br />

der die Ausbildung einer gemeindeinternen Observanz ebenso wie<br />

die Prozessparteien als selbstverständlich und rechtsgültig annahm, so sie<br />

ausreichend begründet und bewiesen wäre, und sie ebenso wie das jüdische<br />

Recht als ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Urteilsfindung ansah.<br />

Damit stellte er deutlich die partikularen Rechte der jüdischen Gemeinde allen<br />

anderen Rechtsansprüchen seitens der städtischen Obrigkeit voran. Auch im<br />

dritten Fall, in dem der Stiftungsadministrator Wertheim eine stiftungsinterne<br />

Observanz geltend zu machen versuchte, wurde aus dem Votum des Referenten<br />

deutlich, dass er diese als legitime und potentiell urteilsentscheidende<br />

Rechtsquelle ansah.<br />

Auffallend war zudem, dass wiederum in allen drei Fällen Verfahrensfehler<br />

geltend gemacht wurden. Im zweiten Verfahren fanden diese tatsächlich in<br />

der Entscheidungsfindung des Reichshofrats Berücksichtigung und wurden<br />

bei der Abschlagung der Prozesse vom Reichshofrat angeführt und mit einem<br />

strengen Verweis bedacht.<br />

Im Entscheidungsfindungsprozess des Reichshofrats wurde in den zwei Verfahren,<br />

die darüber Auskunft geben konnten, deutlich, dass stets der Versuch,<br />

einen für alle Seiten akzeptablen Vergleich zu finden, im Vordergrund des<br />

reichshofrätlichen Interesses stand. Im letzten Fall wurde in der außergerichtlichen<br />

Lösungsstrategie dabei darauf geachtet, dass der beklagte Magistrat<br />

seinen Status wahren konnte, indem das von jenem eingeklagte Prozedere der<br />

offiziellen Anerkennung der Stiftung zumindest simuliert werden sollte. Im<br />

zweiten Fall votierte zwar der Referent für vollständige Kassation der magistratischen<br />

Dekrete und ernstliche Verwarnung ob der Antastung kaiserlicher<br />

Rechte – dem folgte der Reichshofrat jedoch nicht, sondern wahrte trotz formalem<br />

Verweis das magistratische Urteil.


2.d.3 Immobilien, Chaluta und Bann<br />

Die in dieser Fallgruppe ausgewählten Verfahren behandeln Konflikte um den<br />

Verkauf, die Vermietung oder die Versteigerung von Immobilien innerhalb der<br />

Judengasse vor dem Hintergrund ausstehender Gemeindeschulden der Inhaber.<br />

In diesem Fall durfte nach Ansicht der jüdischen Baumeister bei Verkäufen<br />

mit der Verweigerung der Chaluta, 374 im Falle von vermieteten Objekten mit<br />

der Bannverhängung vorgegangen werden, um die Ableistung ausstehender<br />

Gemeindeabgaben zu gewährleisten. In den ersten drei Fällen handelt es sich<br />

dabei um Appellationen von Schöffenratsdekreten, die die Ausfertigung der<br />

Chaluta beziehungsweise die Aufhebung des Banns hatten erzwingen wollen.<br />

Entsprechend wechseln die Beklagten von der ersten zur zweiten Instanz: So<br />

war in F23 in der Vorinstanz zwischen den Baumeistern als Beklagten und<br />

dem Gemeindemitglied David Michael Mayer als Kläger verhandelt worden,<br />

am Reichshofrat nun jedoch zwischen den Baumeistern als Klägern und dem<br />

Magistrat als Beklagten, in F17 und 18 hingegen standen sich in der Vorinstanz<br />

eine christliche Gläubigergemeinschaft als Kläger und die jüdischen Baumeister<br />

als Beklagte gegenüber, am Reichshofrat aber wiederum die Baumeister als<br />

Kläger und der Magistrat als Beklagter. F28 war ein erstinstanzliches Verfahren<br />

am Reichshofrat, eingereicht von den jüdischen Baumeistern gegen den<br />

Magistrat, um ein Reskript sine clausula zu erwirken, das offensichtlich die<br />

anderen Verfahren sowie zwei weitere anhängige Reichshofratsverfahren gegen<br />

das Gemeindemitglied Isaac Salomon Wallich 375 in derselben Angelegenheit<br />

flankieren und die Problematik nicht nur fallbezogen, sondern grundsätzlich<br />

verhandelbar machen sollte.<br />

In F17 und F18 handelte es sich zwar eigentlich um zwei unabhängige Appellationen,<br />

daher auch in den Akten als appellationis prima et secunda bezeichnet,<br />

die jedoch vom Reichshofrat gemeinsam verhandelt wurden, in den Eingaben<br />

zeitlich wie inhaltlich aufeinander folgten und daher gemeinsam analysiert<br />

werden sollen. Während die erste Appellation auf ein Vorzugsrecht der jüdischen<br />

Gemeindeabgaben vor privaten Gläubigeransprüchen abhob, verhandelte<br />

die zweite Appellation vor allem die (Un)Möglichkeit der Ausfertigung der<br />

Chaluta auf Anordnung des Schöffenrates. Die Argumentation aller Parteien<br />

zentrierte sich dabei auf eine gemeinrechliche Begründung des Vorzugsrechtes<br />

sowie den aus der jüdischen Observanz resultierenden Rechtscharakter der<br />

Chaluta.<br />

374 Siehe zum Inhalt der Chaluta die Erklärung in der Fußnote bei der Fallbeschreibung von F17<br />

und F18 in Kapitel III.2.a.<br />

375 F27 und F29.<br />

215


Die jüdischen Kläger leiten zunächst aus ihrem Rechtsstatus als Gemeinde<br />

im römischen Recht ab, dass ihnen ebenso wie christlichen Gemeinden das<br />

Vorzugsrecht, ius praelationis, der öffentlichen Gelder vor privaten Gläu bi geran<br />

sprü chen zustehe:<br />

„[…] und eo ipso um so mehr rechtswidrig, als […] census, decimae et<br />

aliae praestationes reales denen bloße dinglichen, oder Pfandforderungen,<br />

offenkündigen Rechten nach, vorgesetzet werden müssen; ›L. 15. D.<br />

qui potior. in pignor: Carpzov: p. 1. C. 28. Def: 54.‹ Worauf denn auch<br />

das Judicium à quo in ordine ad decisionem causae billig Rücksicht nehmen,<br />

und Anwaldts Principalen das hierunter vor Appellaten, als alleinigen<br />

Hypothec=Gläubigern, zustehende Vorzugs-Recht zuerkennen sollen,<br />

indem sie, qua Juden-Gemeinde, davon nahmentlich nicht excludieret,<br />

somit darinnen auch, nach allen Begriffen der Interpretation, mit enthalten<br />

sind, zumahlen da sie in dem Heil[igen] Römischen Reich secundum<br />

Jura communia Romana in civitate leben und belanget werden, ›L. 8. C.<br />

de Judaeis‹ und wenigstens quasi jura civitatis gemessen, inzwischen diese<br />

jährliche Abgaben quaestionis die Bestreitung deren öffentlichen Anlagen<br />

zum Gegenstand haben, ohne welche ihre Jüdische Verfassung nicht bestehen<br />

und aufrecht erhalten werden kann, und also eben so privilegiret seyn<br />

müssen, als die praestanda einer andern Christen=Gemeinde, besonders,<br />

weilen ihnen in denen Römischen und Canonischen Rechen, auch in denen<br />

Reichs=Satzungen, alle Sicherheit und Schutz versprochen worden. [Marg:<br />

L. 14. C. de Judaeis, C: et si. Judaeis 13. s de Judaeis. c. Judaei 21. in fin: de<br />

Test: Can: qui sincera diss: 45. p. o. de anno 1548. et 1577. T. 20] […]“. 376<br />

Wiederum findet sich der Verweis auf die jüdische Rechtsstellung als „cives<br />

romani“, der auch für das Kollektiv der Gemeinde, die daher als eigene Rechtsperson<br />

„qua juris civitate“ angesehen wird. Dabei scheiden die Kläger, analog<br />

zu christlichen Gemeinden, eine öffentliche von einer privaten Sphäre. Deren<br />

finanzielle Ausstände müssten, da es in der Konsequenz um jährliche Steuerabgaben<br />

gehe, besonders geschützt werden. Da die jüdischen Gemeinden von<br />

gemeindlichen Realrechten bezüglich Renten, Erb-, Boden- oder Grundzinsen 377<br />

nicht explizit ausgenommen worden seien, müssten diese in ihrem Falle ebenfalls<br />

Anwendung finden. Dieses Vorzugsrecht wird neben der römischrechtlichen<br />

Digestenstelle aus dem Werk zur sächsischen Rechtspraxis von Carpzov belegt. 378<br />

376 F17, S. 34–36.<br />

377 Siehe dazu Ogris, Werner: Realrecht. In: HRG, Bd. IV, Berlin 1990, Sp. 210–212.<br />

378 Zwar behandelte Carpzov in kasuistischer Form die sächsische Rechtspraxis, jedoch gründete<br />

diese auf dem gemeinen Recht, bot quasi die sächsische Praxishandhabe des gemeinen Rechts.<br />

216


Auch wenn daher die Gemeindeschulden nicht in den städtischen Insatzbüchern<br />

vermerkt seien, besitze die Gemeindeleitung doch für die Gemeindeabgaben<br />

ein stillschweigendes Pfandschaftsrecht, das im Verkaufsfalle als bereits grundsätzlich<br />

und vor allen anderen privaten Gläubigeransprüchen vorhanden zum<br />

Tragen kommen müsse. 379 In die Insatzbücher würden nämlich, und damit wird<br />

auf eine jüdische Observanz verwiesen, nur die Shtarot-Briefe, also die privaten<br />

Wechselbriefe oder Schuldscheine, eingeschrieben, nicht jedoch die Gemeindeabgaben.<br />

380 Dieses Vorzugsrecht sei „noch niemahlen“ bestritten worden oder in<br />

einem gerichtlichen Verfahren verhandelt worden, sondern vielmehr<br />

„[…] solches bey allen Gerichtlichen Versteigerungen derer in der Gassen<br />

gelegenen unbeweglichen Stücken vor der Feiltragung durch den<br />

Schul=Klöpper benennet, vorbehalten, der Betrag bestimmet, und dem<br />

zukünfttigen Käufer intimiret worden, diesen vorzüglich ad Cassam universitatis<br />

zu berichtigen, und dagegen das erforderliche Document, die<br />

Gelude, von denen Castenmeistern zu empfangen, so Verkäufer biß ad<br />

casum praesentem sich gefallen lassen.“ 381<br />

Besonders hervorzuheben ist hier der Begriff der „cassa universitatis“, der auf<br />

das Selbstverständnis der Baumeister bzw. der jüdischen Gemeinde als „universitas“,<br />

also korporativ verfasstes Kollektiv verweist. Die Observanz aber<br />

wird wieder durch nicht näher beschriebene Beispielfälle legitimiert – dass<br />

sie nämlich bisher bei „allen“ Versteigerungen beobachet worden und das<br />

Vorzugsrecht der Gemeinde nicht in Frage gestellt worden sei. Auch die stille<br />

Nebenklägerin Esther Adler, die selbst Shtarotschulden im Wert von 1000 fl.<br />

aus dem Kauferlös zu erwarten gehabt hätte, unterstützte die Gültigkeit dieser<br />

Observanz in der Vorinstanz, insofern sie angab, dass „sie jederzeit gehöret“,<br />

dass zunächst die ausständigen gemeinen Abgaben bezahlt werden müssten<br />

und auch „sie sich dahero gefallen laßen müsse, daß die geforderte 212 fl.<br />

dermahlen davon abgezogen“ würden. 382<br />

Die Gültigkeit dieser Argumentation wird sowohl von den christlichen<br />

Gläubigern in der Vorinstanz, als auch dem Magistrat in der zweiten In stanz<br />

bestritten. Ein solches Vorzugsrecht, wie bei Carpzov beschrieben, sei, so die<br />

christlichen Gläubiger, nur in Sachsen gültig. Ein Vorzugsrecht oder eine<br />

Siehe dazu Stintzing, Roderich: Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, 2. Abtheilung,<br />

1884, S. 66–100, hier bes. 66, 67. Schlosser, Hans: Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte,<br />

S. 63–65.<br />

379 F17, S. 33.<br />

380 F17, S. 36, 37.<br />

381 F17, S. 37, 38.<br />

382 F17, S. 87, 88/fol. 6v, 7r.<br />

217


stillschweigende Pfandschaft der Frankfurter Judenschaft hingegen aber sei<br />

nur „ex lege, vel speciali privilegio, vel consuetudine“, also aus dem Gesetz,<br />

einem Spezialprivileg oder einer Observanz heraus, zu erwerben. 383 Ein Gesetz<br />

nun könne für die Judenschaft nicht greifen, da sie keine Fiskalgewalt, keine<br />

„jura Fisci“ habe, 384 über ein Spezialprivileg verfüge sie auch nicht – da weder<br />

in der Stättigkeit noch in der Frankfurter Stadtreformation dieses Vorzugsrecht<br />

benannt sei 385 – und eine Observanz müsse die obrigkeitliche Bewilligung auf<br />

ihrer Seite haben und „darauf mehrmalen in Rechten erkannt worden“ sein. 386<br />

All dies sei von den jüdischen Klägern nicht bewiesen worden. Damit wird der<br />

jüdischen Gemeinde zum einen der korporative Status, der eine Fiskalgewalt<br />

beinhalten könnte, abgesprochen, zum anderen aber auf eine obrigkeitliche<br />

Bewilligung als Legitimationsbasis von Observanz verwiesen, die aus deren<br />

Rechtsanwendung abgeleitet wird. Außerdem wird auf das kaiserlich privilegierte<br />

Stadtrecht verwiesen, das zwingend die Einschreibung von Gläubigeransprüchen<br />

in das städtische Insatzbuch vorsehe. Sei diese nicht vorgenommen<br />

worden, so wie im Falle der jüdischen Gemeinde, habe „der verschweigende<br />

Theil allen daraus erwachsenden Schaden zu tragen“. 387<br />

Der Magistrat greift in großen Teilen die Argumentation der christlichen<br />

Gläubiger, allerdings aus einer obrigkeitlichen Perspektive, auf. Es stehe ein<br />

Vorzugsrecht öffentlicher Abgaben nämlich nur dem Frankfurter Magistrat als<br />

Obrigkeit aus reichsständischen Fiskalrechten und der kaiserlich privilegierten<br />

Stadtreformation zu, womit wiederum die Ebene des ius publicum benannt<br />

wird. Die Judenschaft aber habe solche Rechte nicht und sei auch „an sich<br />

gantz unfähig“ dazu, 388 womit ihr also ebenfalls der korporative Gemeindecharakter<br />

abgesprochen wird. Eine stillschweigende Pfandschaft oder ein Vorzugsrecht<br />

könne nicht ohne kaiserliches Privileg zugebilligt werden, auch die<br />

römischrechtliche Begründung sei unstatthaft, da die Judenschaft ein solches<br />

„jus reale“ auf Boden- und Grundzinsen, aus dem das Vorzugsrecht sich herleite,<br />

gar nicht innehaben könne. 389 Damit wird vermutlich darauf verwiesen,<br />

dass Juden nicht tatsächliche Eigentümer des Grundes, auf dem die Häuser in<br />

der Gasse standen, sein konnten, sondern nur der Häuser, da ihnen aufgrund<br />

der Stättigkeit jeglicher Grundbesitz untersagt war. 390 Insofern konnten sie,<br />

383 F17, S. 105, 106/fol. 15v, 16r.<br />

384 F17, S. 103/fol. 14v.<br />

385 F17, S. 88, 89/fol. 7r, v.<br />

386 F17, S. 89, 90/fol. 7v, 8r; 105, 106/15v, 16r.<br />

387 F17, S. 107–109/fol. 16v–17v.<br />

388 F17, S. 131, 132/fol. 28v, 29r.<br />

389 F17, S. 129–131/fol. 27v–28v.<br />

390 Siehe zu den sich daraus ergebenden schwierigen und unklaren Besitzständen Kracauer, Isidor:<br />

Die Geschichte der Juden in Frankfurt am Main, Bd. II, S. 225, 226.<br />

218


so wohl die logische Folge, auch keine Rechte, die sich aus dem Eigentum an<br />

Grund und Boden herleiteten, für sich beanspruchen. Ein Vorzugsrecht jedoch,<br />

das sich aus der bevorzugten Gläubigerstellung von öffentlichen Abgaben herleite,<br />

sei nur nach Carpzov und damit nach sächsischem Recht belegt worden<br />

und somit ungültig.<br />

Gleichermaßen verhalte es sich mit der angeführten jüdischen Observanz.<br />

Abgesehen davon, dass diese wie die rechtlichen Begründungen nicht „erwiesen“<br />

worden sei, 391 könne eine solche hier nicht zum Tragen kommen, weil es<br />

nicht um einen rein innerjüdischen Konflikt, also „wann etwa die Juden unter<br />

sich bey Haus-Verkauffen solche Einrichtungen machen“, 392 sondern vielmehr<br />

um einen Konflikt mit christlichen Gläubigern gehe, für die diese Observanz<br />

nicht gelten könne. Es habe aber eine solche Observanz nur dann Rechtsgültigkeit,<br />

wie mit mehrfachen juristischen Literaturstellen belegt wird, 393 wenn „alle<br />

Umstände auf diesen Casus passen“. 394 Es hätten daher Beispielfälle vorgebracht<br />

werden müssen, wo ein solches Vorzugsrecht im Konflikt mit christlichen Gläubigern<br />

anerkannt worden wäre. 395 Damit wird erneut ein weiteres Kriterium<br />

für die Rechtskraft von Observanz angesprochen, nämlich die beschränkte<br />

Gültigkeit einer solchen begrenzten gemeindlichen Observanz, auf die der<br />

Gemeinde zugehörigen Mitglieder. Grundsätzlich könne man aber einer solch<br />

„exorbitanten und abentheuerlichen Observanz“ ohne kaiserliches Privileg<br />

keine Geltung zukommen lassen, da dadurch „[…] die Jüdische Gemeinds=<br />

Onera weit größere Vorzüge, als die= denen Ständen des Reichs und christlichen<br />

Obrigkeiten zu entrichtende gemeine Onera geniesen würden“, was<br />

schlechterdings unmöglich „rechtsbehörig“ zu begründen sei. 396 Vielmehr<br />

mangle es nicht an Fällen, wo ein solches Vorzugsrecht nicht beansprucht<br />

wurde und man die Hinterlegung des Geldes während der Berechnung der<br />

ausstehenden Gemeindeschulden beim Schöffenrat gebilligt habe bis zu einer<br />

weiteren richterlichen Verfügung, so z.B. im Falle des Konkurses des Juden<br />

Benedikt Caßel. 397 Die kaiserliche Resolution von 1728 verpflichte die Baumeister<br />

zudem, bei der Einschreibung christlicher Gläubigeransprüche in das<br />

städtische Insatzbuch anwesend zu sein – dass sie von dieser Einschreibung<br />

391 F17, S. 121, 122/fol. 23v, 24r.<br />

392 F17, S. 122–124/fol. 24r–25r.<br />

393 Darunter werden wiederum zwei Konsiliensammlungen genannt, die also nicht auf eine theoretisch-rechtswissenschaftliche<br />

Fundierung, sondern auf die Rechtspraxis verweisen. Auch hier<br />

findet sich wieder mit Mevius der Verweis auf das Wismarer Tribunal. Lauterbach, Wolfgang<br />

Adam: Collectionis novae consiliorum juridicorum Tubingensium, 4 Bde., Tübingen 1732–34.<br />

Mevius, David: Decisiones tribunalis Wismariensis, Stralsund 1664–1675.<br />

394 F17, S. 124, 125/fol. 25r, v.<br />

395 F17, S. 122–124/fol. 24r–25r.<br />

396 F17, S. 124, 125/fol. 25r, v.<br />

397 F17, S. 125–127/fol. 25v–26v.<br />

219


daher ausgenommen sein sollen, sei nicht zu vermuten. 398 Es wird also ebenfalls<br />

pauschal mit Beispielfällen, einem konkreten städtischen Präjudizfall sowie<br />

kaiserlicher Rechtsanwendung die Observanz aus Sicht des beklagten Magistrats<br />

delegitimiert.<br />

In F18 führen die jüdischen Kläger demgegenüber zunächst nicht mehr die<br />

Behauptung ihres Rechts auf Vorzug weiter, sondern folgern vielmehr deduktiv<br />

aus der Argumentation des Magistrats und der christlichen Kläger, dass, wenn<br />

ein solches Vorzugsrecht tatsächlich nicht vorhanden sein sollte, von ihnen<br />

auch keine Ausfertigung der Chaluta erzwungen werden könne, „dann wie<br />

kann man die Ausfertigung einer Quittung oder eine Rechtsbegebung demjenigen<br />

auflegen von dem man behaupte, er habe an der Sache keine Forderung,<br />

es stehe ihm desfalls kein Recht zu“. 399 Denn erstens sei ihnen die Ausfertigung<br />

nicht qua Gesetz auferlegt, insofern sich davon in der Stättigkeit keine<br />

Erwähnung finde, 400 zweitens aber sei die jüdische Gemeindeleitung nicht als<br />

Käufer, Verkäufer oder verfahrensaktiver Gläubiger am Prozess beteiligt und<br />

daher auch nicht vom Gericht zu belangen. 401 Dass man sie dennoch zu dieser<br />

Ausfertigung zwingen wolle, widerspreche den kaiserlichen Privilegien, wofür<br />

eine Stättigkeitskonfirmation von Joseph I. 1705 als Rechtsquelle angeführt<br />

wird sowie die Bestätigung derselben durch alle nachfolgenden Kaiser. In diesen<br />

Urkunden sei nämlich eine Beschwerung durch „weitere Verordnungen“<br />

ohne kaiserliche Bewilligung ausdrücklich verboten worden und als eine solche<br />

würde sich der Zwang zur Ausfertigung der Chaluta darstellen. 402<br />

Gleichwohl sei man der Meinung, dass ein solches Vorzugsrecht vorhanden<br />

sei, 403 da der §107 der Stättigkeit, der die Aufnahme von Gemeindemitgliedern<br />

an eine Wohnstätte, die Begleichung der Gemeindeschulden und einen darauf<br />

hin von den Baumeistern ausgestellten Schein binde, doch deutlich zeige, dass<br />

es „Gerechtsame einer Gemeinde“ gäbe und dass auch die Gemeindeleitung die<br />

Befugnis zur Veranlagung der Gemeindemitglieder habe. 404 Außerdem zeige<br />

das Erfordernis der Wohnstätte zur Aufnahme, dass diese als Sicherheit fungiere,<br />

insofern sei die Koppelung des Gemeindeschuldenabgleichs an dieselbe<br />

eine logische Folge. Bemerkenswerterweise wird nicht direkt aus der Stättigkeit<br />

zitiert, sondern vielmehr aus Johann Jacob Schudts ethnographischem<br />

Werk über die Frankfurter jüdische Gemeinde, das unter anderem rechtliche<br />

398 F17, S. 136, 137/fol. 31r, v.<br />

399 F18, S. 38, 44, 45.<br />

400 F18, S. 38, 39.<br />

401 F18, S. 46, 47.<br />

402 F18, S. 42, 43.<br />

403 F18, S. 44, 45.<br />

404 F18, S. 30–32.<br />

220


Aspekte der Judenschaft behandelt. 405 Möglicherweise sollte dies zeigen, dass<br />

die Auslegung des Stättigkeitsparagraphen nicht nur eine Interpretation der<br />

jüdischen Kläger war, sondern auch von christlichen Autoren so vorgenommen<br />

werden konnte. Zwar gibt das Zitat im Text tatsächlich nur den Inhalt der<br />

Stättigkeitsparagraphen wider, während die Interpretation von den jüdischen<br />

Klägern stammte, jedoch konnte durch die nicht eindeutige Vermischung eine<br />

Übereinstimmung von beiden suggeriert werden.<br />

Ein Hauptaugenmerk legen die Kläger sodann erneut auf die Observanz<br />

bezüglich der Chaluta, die ebenfalls die Existenz von Gemeindegerechtsamen<br />

belege. 406 Diese wird durch ihren großen Nutzen charakterisiert, die sie nämlich<br />

sowohl für den Käufer eines Hauses, als auch für das jüdische Gemeinwesen<br />

habe. 407 Dabei wird sie als Abfolge eines regelrechten Amtsganges<br />

geschildert, der seinen Ausgang von den vereidigten Kastenmeistern nehme,<br />

die die Tilgung der Gemeindeschulden durch Eintragung in das „Kastenbuch“<br />

vermerkten und den letzten Besitzer des zu verkaufenden Hauses oder Hausteiles<br />

auslöschten, 408 dann eine schriftliche Bescheinigung an die Baumeister<br />

übergäben, woraufhin durch den Schulklöpper in der Gemeinde ausgerufen<br />

werde, ob weitere private Schuldner Ansprüche anzumelden hätten. 409 Erst,<br />

wenn all dies ausgeschlossen worden sei, würden zuletzt die Baumeister die<br />

Oberrabbiner zur Ausstellung der Chaluta anweisen, die diese dann in he bräischer<br />

Sprache ausfertigten. 410 Angesichts dessen mag es nicht verwundern,<br />

dass man von Seiten der jüdischen Kläger daher von der Chaluta als von einer<br />

Urkunde spricht, deren erzwungene fälschliche Ausstellung einen Meineid<br />

bedeute und daher „gegen die Natur und das Wesen der sogenannten Chaloten<br />

selbsten, und endlich gegen die moralische Möglichkeit“ der Aussteller sei. 411<br />

Begründet wird die Observanz ebenso wie beim beklagten Magistrat mit<br />

einem Präjudizfall aus der städtischen Rechtsanwendung, der diesmal jedoch<br />

konkret genannt wird. So hätten beim Konkurs des Juden Joseph Benedikt<br />

405 F18, S. 30. Schudt, Johann Jakob: Jüdische Merckwürdigkeiten […], 4 Bde., Frankfurt am Main<br />

1714–1718. Zu Leben und Werk Schudts siehe Deutsch, Yaacov: Johann Jacob Schudt – Der erste<br />

Ethnograph der jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main. In: Backhaus, Fritz et al. (Hrsg.):<br />

Die Frankfurter Judengasse, S. 67–76 sowie die Beiträge von Maria Diemling und Aya Lahav-<br />

Elyada in diesem Band zu Teilaspekten aus der Darstellung Schudts.<br />

406 F18, S. 29, 30.<br />

407 F18, S. 32, 33.<br />

408 F18, S. 37, 38, 39.<br />

409 F17, S. 26, 27.<br />

410 F18, S. 32, 33. Die gleiche Darstellung der Abfolge findet sich auch beim Nebenbeklagten Wallich<br />

in der Vorinstanz, der die Chaluta mit einem Wehrschaftsbrief vergleicht und außerdem bemerkt,<br />

dass die Kastenmeister in ihrem Hauptbuch für jedes Gemeindemitglied ein Blatt anlegen<br />

würden, auf dem die Gemeindeabgaben und Immobilien vermerkt seien und entsprechend<br />

ausgelöscht würden – siehe F18, S. 34–37.<br />

411 F18, S. 32, 50.<br />

221


Landau 1788 die christlichen Gläubiger das Vorzugsrecht der Gemeindeschulden<br />

freiwillig anerkannt und es sei erst nach deren Abzug die Chaluta ausgestellt<br />

worden, wie es ein entsprechendes Schöffenratsdekret festgehalten habe.<br />

Wenngleich dieses zwar die Klausel enthalten habe, „daß dieser fall zu keiner<br />

Consequenz gereichen solle“, sei dennoch ersichtlich, dass man hier die Chaluta<br />

als Ausdruck der abgeleisteten Gemeindeschulden anerkannt habe. 412<br />

Dem setzt der Magistrat in seinem Bericht, der, daran sei erinnert, erst elf<br />

Jahr später einlangt, erstaunlicherweise nur gegenüber, dass die von den Klägern<br />

angeführte Bedeutung der Chaluta als Beleg über die Ableistung aller Gemeindeschulden<br />

nicht zutreffend sein könne, da man nun in einem Prozess des Juden<br />

Emden am Schöffenrat 1796 darauf gestoßen sei, dass auch beim Verkauf von<br />

Schulsesseln 413 solche Chalutot ausgestellt würden. Da diese oftmals nur den<br />

Bruchteil des Wertes der Gemeindeschulden ausmachten, könne also dieses<br />

Dokument nicht für die Tilgung aller Gemeindeschulden stehen. Auch weise<br />

der Text des Dokuments – das man offensichtlich nun von Seiten des Magistrats<br />

zum ersten Mal in deutscher Übersetzung zu sehen bekam – einen „mixum<br />

abusum“ auf, da einerseits bei der Ausrufung durch den Schulklöpper nicht<br />

benannt werde, in welcher Behörde (!) sich etwaige Gläubiger zu melden hätten<br />

und andererseits eine Ausrufung in der Synagoge offensichtlich nur jüdische<br />

Gläubiger betreffen könne. 414 Damit wird abermals auf einen genuin jüdischen<br />

öffentlichen Raum verwiesen, der für Nichtjuden nicht zugänglich sei.<br />

Es könne eine solches Dokument außerdem keinen bindenden Rechtscharakter<br />

haben, da den jüdischen Vorstehern und Rabbinern keine Gerichtsbarkeit<br />

zustehe,<br />

„[…] geschweigen dann daß sie an alle und jede Creditores irgend eines<br />

nicht einmal insolventen Verkäuffers eines Immobilis, eine Aufforderung<br />

sub poena praeclusionis /: wie das Cheluden Formular versichert :/ cum<br />

effectu juris verfassen konnten oder dürften, daß diese ganze jüdische<br />

Handlung von dieser Seite betrachtet, als eine vergebliche und von allen<br />

rechtlichen Würkungen entblösete, in gleicher Paralell mit der Versicherung,<br />

daß kein Mensch in der Welt auf die Stimme des Schulklöppers<br />

in der Frankfurtischen Synagoge sich mit Forderungen angemeldet<br />

habe, gleichsam als es solcher Ausruf durch ein Wunder von einem Ende<br />

der Welt bis zum andern erschallen werde, als ein Unsinn auf seinem<br />

Unwerth beruhe […] 415<br />

412 F18, S. 47–50.<br />

413 Gemeint sind Synagogenplätze.<br />

414 F18, S. 101.<br />

415 F18, S. 101–103.<br />

222


Insofern betrachte man die Chaluta daher als ein „nach gemeinen und statutarischen<br />

Rechten zwar überflüssiges, aber nach den Begriffen der Frankfurter<br />

Juden nötiges Document“ 416 für den Weiterverkauf von Häusern in der Gasse<br />

an Glaubensgenossen, im Sinne eines Wehrschaftsbriefes, wie vom Frankfurter<br />

Stadtreformationskommentator Orth nahegelegt. 417 Damit bestätigte man also<br />

indirekt die von den Klägern geltend gemachte jüdische Observanz, bestritt<br />

aber deren gemeinrechtliche Fundierung sowie den Charakter der Chaluta<br />

als Urkunde.<br />

Zuletzt sei für beide Verfahren noch darauf verwiesen, dass Verfahrensfehler<br />

angemahnt wurden. Die Baumeister monierten, dass das Dekret zur<br />

Ausfertigung der Chaluta trotz rechtsanhängiger Appellation am Reichshofrat<br />

ergangen sei, 418 verwiesen damit also auf den Suspensiveffekt, den ein solches<br />

Verfahren auf das Urteil der Vorinstanz hatte. Zusätzlich aber bittet man um<br />

Nachsicht, dass die beiden separaten Appellationen teils gemeinsam im Libellum<br />

gravaminum ausgeführt wurden. Dies sei im Erlass des Reichshofrats<br />

begründet, der im zweiten Verfahren nicht regulär fortgeschritten sei und<br />

zunächst keine Terminverlängerung zur Erstellung des Libells in der zweiten<br />

Appellation gewährt habe, woraus man geschlossen habe, dass beide Verfahren<br />

gemeinsam behandelt werden würden. 419 Hier wird also zum einen deutlich,<br />

wie man seitens der Prozessparteien versuchte, auf die flexible Prozessführung<br />

des Reichshofrats ebenso flexibel zu reagieren, als auch zum anderen dass trotzdem<br />

eine gewisse Unsicherheit ob des ungewöhnlichen Vorgehens blieb und<br />

man sich daher vorsichtshalber dafür entschuldigte. Der Magistrat wiederum<br />

klagt genau dieses ein als „gegen alle Ordnung zweyerley Sachen confundirt,<br />

und zwey diverse Appellationen in einem Libello zusammengeflochten“, was<br />

vom Reichshofrat zu ahnden sei, und stigmatisierte damit, ohne jedoch vermutlich<br />

zu wissen, inwiefern dies in der Verfahrensführung des Reichshofrats<br />

selbst begründet lag, dessen flexible Handhabe von Formvorschriften. 420<br />

In F23 steht die Befugnis der Baumeister, den Bann gegen Gemeindemitglieder,<br />

deren Gemeindeabgaben ausständig waren, ohne Einbeziehung des Magistrats<br />

verhängen zu können, im Mittelpunkt der Argumentationen. Während sich<br />

die jüdischen Kläger dabei wiederum zentral auf ihre kaiserlichen Privilegien<br />

416 F18, S. 103.<br />

417 Orth, Johann Philipp: Nöthig und nützlich erachtete Anmerkungen über die sogenannte erneuerte<br />

Reformation der Stadt Frankfurt am Main, 7 Bde., 1731–75. Siehe Art. Wehrschaft in<br />

Grimm, Jacob und Wilhelm: Grimms Deutsches Wörterbuch, Bd. 28, Sp. 297–303: „besitzübertragung,<br />

besitzrecht, bürgschaft, gesetzliches zahlungsmittel, fehlerlose ware“.<br />

418 F17, S. 40–42.<br />

419 F18, S. 66, 67.<br />

420 F17, S. 156, 157/fol. 41r, v und ebenso S. 177, 178.<br />

223


und ihre Observanz stützen, stellt der Magistrat vor allem die Frage der kaiserlichen<br />

Gesetzesintention in den Raum. Der konkrete Fallbezug stellt sich<br />

daher auch in diesem Verfahren als zweitrangig heraus, während hingegen<br />

primär die Befugnis der Anwendung von gemeindeinternen Zwangsmitteln<br />

per se verhandelt wird.<br />

Dabei sahen die jüdischen Kläger ihr Bannrecht als umfassend in verschiedenen<br />

Rechtsquellen begründet und vom Magistrat in keiner Form anzutasten<br />

an:<br />

„Die kaiserliche Privilegien, die Judenstättigkeit, und die ununterbrochene<br />

Observanz verstatten der gemeinen Judenschaft zu Frankfurt am<br />

Mayn die Beytreibung ihrer gemeinen Anlagen und Schulden, dahero<br />

denn auch die Bau- und Kastenmeister sich hiezu des Schulbannes, und<br />

anderer diensamer Mitteln ohne mindeste Magistratische Behinderung<br />

gebrauchen dörfen.“ 421<br />

So habe ihnen insbesondere die Konfirmation der Stättigkeit durch Kaiser Leopold<br />

I. 1661 „die Macht“ zur Verhängung des Bannes in Geld- und Schuldensachen<br />

uneingeschränkt und ohne „Erlaubniß, und besondern Erbietens“ 422 des<br />

Magistrats erteilt, wie diese ebenfalls durch alle nachfolgenden Kaiser bestätigt<br />

worden sei. 423 Weiters sehe die Stättigkeit nach §107 vor, dass Gemeindeabgaben<br />

an die Gemeindeleitung zu entrichten seien, was daraus zu erkennen sei,<br />

dass die Aufnahme in die Gemeinde daran gebunden sei. 424 Auch hier wird<br />

von den Baumeistern die Auslegung des Paragraphen heran gezogen, dass die<br />

Aufnahme in die Gemeinde auch an den Besitz einer Wohnstätte gebunden<br />

sei und insofern die Gemeindeabgaben an diesem Besitz hafteten. 425 §13 sage<br />

zudem, dass ein Frankfurter Jude keiner anderen Herrschaft „mit Eyd oder<br />

Pflicht“ zugehörig sein solle. Da nun der beklagte David Michael Mayer sein<br />

Schutzverhältnis in Frankfurt nicht aufgekündigt habe, sei er als ein solcher<br />

zu betrachten und müsse daher, wie alle anderen, abhängig von seinem Vermögen<br />

seine Gemeindesteuer bezahlen. 426 All dies sei zur Aufrechterhaltung<br />

der „dasig-jüdisch-inneren und oeconomischen Verfassung, ohne welche doch<br />

auch die äußere nicht bestehen kann“ 427 zwingend nötig, womit also wieder<br />

verschiedene Sphären innerhalb der Gemeinde geschieden werden, wobei die<br />

421 F23, S. 2, 3.<br />

422 F23, S. 88.<br />

423 F23, S. 257, ebenso 8, 58, 93, 95, 96.<br />

424 F23, S. 84.<br />

425 F23, S. 92, 93.<br />

426 F23, S. 82–84.<br />

427 F23, S. 62, 63, 90.<br />

224


„innere“ dabei erstaunlicherweise als die ökonomische Verfassung, nicht etwa<br />

als eine religiöse, ethnische, rechtliche oder politische Verfassung beschrieben<br />

wird. Vielmehr wird erklärt, dass die ökonomische Struktur den grundlegenden<br />

Zusammenhalt der Gemeinde gewährleiste – sicherlich als Reflexion des<br />

vor allem finanziellen Interesses, das insbesondere städtische Obrigkeit und<br />

Kaiser stets an den Juden gehabt hatten, so dass ihnen auch daran gelegen sein<br />

musste, die ökonomische Struktur zu wahren. 428 Konnte man also suggerieren,<br />

dass die ökonomische Grundlage der Judengemeinde durch magistratische<br />

Verordnungen gefährdet und „sofort in ganz kurzem die ganze dasige jüdische<br />

Verfassung vor Jetztlebende und Nachkömmlinge zu Grunde gehen würde“, 429<br />

sagte dies also indirekt zugleich aus, dass die städtischen und kaiserlichen<br />

Einnahmen in Gefahr waren.<br />

Als weitere Rechtsquelle wird zudem auf die Observanz verwiesen, 430 deren<br />

Legitimität aus kaiserlicher Rechtsanwendung heraus begründet wird als ein<br />

„in judici contradictoris so oft bestättigtes Recht“. 431 Erstaunlicherweise wird<br />

dabei nicht nur Bezug genommen auf ein kaiserliches Reskript, sondern auch<br />

auf „Litteris informatorialibus“, also Berichte des Magistrats in Reichshofratsverfahren.<br />

So habe der Magistrat in dem Verfahren Mayer Abraham Beer<br />

contra Hirsch Ganß 1704 432 in seinem Bericht selbst die Anwendung des Bannes<br />

zur Eintreibung von Gemeindeschulden anerkannt, ebenso wie auch in<br />

dem Verfahren der jüdischen Baumeister gegen Gambert Moysen 1719 433 ein<br />

kaiserliches Reskript erlassen worden sei, das den Vorstehern das Bannrecht<br />

zugesprochen und zudem vermerkt habe, dass die Ausübung des Bannes keinen<br />

Eingriff in die magistratische Jurisdiktion darstelle. 434 Dass ein präjudizierendes<br />

Urteil als Rechtsquelle geltend gemacht werden kann, mag nicht<br />

verwundern, aber dass bereits eine Prozesseingabe einen potentiell rechtsgültigen<br />

Beweisstatus in Reichshofratsverfahren haben konnte, scheint doch<br />

bemerkenswert und erhöht damit die Bedeutung des Rechtsschutzes, der von<br />

428 Siehe zu den umfangreichen Abgaben, die besonders die Frankfurter Judenschaft leisten musste:<br />

Rauscher, Peter/Staudinger, Barbara: Widerspenstige Kammerknechte. Die kaiserlichen Maßnahmen<br />

zur Erhebung von „Kronsteuer“ und „Goldenem Opferpfennig“ in der Frühen Neuzeit.<br />

In: Aschkenas 13 (2004), Heft 2, S. 313–363. Dietz, Alexander: Stammbuch der Frankfurter Juden,<br />

S. 400–407.<br />

429 F23, S. 62, 63.<br />

430 F23, S. 2, 3, 7, 8, 84–87, 86, 88, 93, 95, 96.<br />

431 F23, S. 257.<br />

432 Vermutlich ist folgendes Verfahren gemeint: HHStA, RHR, Decisa K 2122. „Frankfurter, gemeine<br />

Judenschafft zu contra Frankfurt Magistrat appellationis, puncto des Judenbanns den Mayer<br />

Abraham Beer betr.“, Laufzeit laut Findbuch 1704–1708.<br />

433 Vermutlich ist folgendes Verfahren gemeint: HHStA, RHR, Decisa 2124. „Frankfurt, Judenschaft<br />

zu contra Meiß, Jude, appellationis, den Judenbann betr.“, Laufzeit laut Findbuch 1718–<br />

1720.<br />

434 F23, S. 87–89.<br />

225


Reichshofratsverfahren ausgehen konnte. In diesem Fall greifen die jüdischen<br />

Kläger nicht auf ihr eigenes Archiv zurück, sondern zitieren aus dem Stadtreformationskommentar<br />

von Johann Philipp Orth. 435 Möglicherweise erhöhte in<br />

diesem Fall der Umstand der Publikation durch einen christlichen Autor die<br />

Legitimität der Rechtsquelle, verortete sie zudem konkreter im Frankfurter<br />

Stadtumfeld.<br />

Während sich der Beklagte David Michael Mayer in der Vorinstanz lediglich<br />

pauschal auf Recht und Herkommen beruft, dass von „Geldern welche<br />

nie ins land gebracht worden“ keine Abgaben zu zahlen seien und eine solche<br />

Abgabenforderung nur einer Obrigkeit zustehen könne, 436 verlegt der Magistrat<br />

seine Argumentation hingegen auf die kaiserliche Gesetzesintention, die hinter<br />

den Privilegien stehe. Denn so<br />

„[…] war es gewiß nie die Absicht Kaysers Leopolds […] denen hiesigen<br />

Juden Vorstehern eine Gewalt zu ertheilen, welche in jener Extension<br />

genommen, worinn sie die anmaßlichen Appellanten nahmen, die hiesige<br />

Verfassung und alle gute Ordnung zerstöret, zu großen und mancherley<br />

ungerechten Bedrückungen Anlaß giebt, die jüdischen Baumeister- ja<br />

die ganze Judenschaft Unserer Jurisdiction und Obrigkeitlicher Macht<br />

in manchen und wichtigen Fällen entzieht, und überhaupt den Rechten<br />

hiesiger Stadt sehr nachtheilig ist, vielmehr ist dieses allerhöchste Privilegium<br />

sicherlich salvis juribus nostris […] zu verstehen […].“ 437<br />

Erneut versucht der Magistrat sich auf der rechtlichen Ebene seiner obrigkeitlichen<br />

Aufsichtsposition, die ihm den Zugriff auf alle Untertanen ermöglichen<br />

müsse, zu verteidigen. Dabei wird in Hinblick auf den gemeinen Nutzen argumentiert,<br />

da nämlich ansonsten Verfassung und Ordnung zerstört würden und<br />

Ungerechtigkeit Platz greifen könne. Es könne auch „[…] die Wahrheit nur auf<br />

Seiten der vernünftigern, und der Sachen Lage angemessenen Erklärung“ stehen,<br />

insbesondere weil „[…] Privilegia keine extensive und die wohl begründete<br />

Rechte eines andern laedirende oder vermindernde Interpretation zu lassen“ 438<br />

könnten, ebenso wie eine mögliche jüdische Observanz dem Stadtrecht nicht<br />

nachteilig sein dürfe. 439 Damit wird zum einen auf das aufklärerisch-naturrechtliche<br />

Credo der Vernunft verwiesen, das der Interpretation von Privilegien<br />

wie Observanz zugrunde liegen müsse, zum anderen aber darauf, dass eine<br />

435 Orth, Johann Philipp: Nöthig und nützlich erachtete Anmerkungen über die sogenannte erneuerte<br />

Reformation der Stadt Frankfurt am Main, 7 Bde., 1731–75.<br />

436 F23, S. 109.<br />

437 F23, S. 221/pag. 19.<br />

438 F23, S. 222, 223/pag. 20, 21.<br />

439 F23, S. 223, 224/pag. 21, 22.<br />

226


partikulare Observanz nicht dem schriftlichen Gesetz widersprechen dürfe.<br />

Entsprechend sei auch die Auslegung des §18 der Stättigkeit eindeutig, der den<br />

Baumeistern nur eine Entscheidungskraft „in geringen und liderlichen Sachen“<br />

zugestehe: „Offenbahr wird also den Rabbinern und Baumeistern in dieser<br />

Stelle so wenig eine richterliche Cognition und Gewalt gegeben“. 440 Weniger<br />

als um die Bannverhängung im konkreten Fall Mayers ging es also um die<br />

Argumentation, dass der Bann als Eingriff in die städtische, durch kaiserliche<br />

Privilegien geschützte obrigkeitliche Jurisdiktion zu werten sei. Da auch die<br />

Judenschaft ein Privileg für sich geltend machte, standen sich nun also vermeintlich<br />

zwei konkurrierende und sich problematisch überschneidende Privilegien<br />

gegenüber, in denen der Magistrat wiederum versuchte, eine aus einer<br />

obrigkeitlichen Position hergeleitete Dominanz der Stadtrechte, die er jedoch<br />

nicht genau benennen konnte, zu etablieren. Man „gestatte“ der Judenschaft,<br />

den Bann zwar zur „Handhabung ihrer Religions Gebräuche und Disciplin“ 441<br />

zu gebrauchen, bei gemeinen Anlagen jedoch lediglich „mit Mäßigung und<br />

Rücksicht auf unsere Obrigkeitlichen Gerechtsame“ vorzugehen. 442<br />

Wiederum machen auch beide Parteien Verfahrensfehler am Reichshofrat<br />

geltend. Die jüdischen Kläger versuchen einen unförmigen und unrechtmäßigen<br />

Prozessverlauf der Vorinstanz einzuklagen, da ihnen nämlich das Dekret<br />

nicht insinuiert worden sei, 443 kein ordentliches Verhör stattgefunden habe 444<br />

und auf einseitigen Vortrag, obwohl keine Gefahr im Verzug gewesen sei, ein<br />

Urteil gefällt worden sei. 445 Dies sei „in denen Rechten […] ohnerlaubt und<br />

verfasst“, insofern „dem nicht zu gedenken; daß vor dem Richteramte eines<br />

Mannes Rede keine Rede seye, und dasselbe vor allen Dingen beede Theile<br />

vernehmen soll“, 446 also gegen gültiges Verfahrensrecht verstoßen worden sei.<br />

Auch seien die dem Schöffenrat vorgelegten Eingaben der Mayerschen Gegenpartei<br />

nicht „ad causam legitimiert“, Notarbeglaubigungen nicht nach dem<br />

Original, sondern nur „dictis gratia“ vidimiert 447 und der Anwalt Mayers nicht<br />

hinlänglich „ad acta“ legitimiert gewesen. 448 Besonders zu beklagen aber sei,<br />

dass der städtische Richter von sich aus den Fall des Juden Gottschalck Moses<br />

Levi miteinbezogen habe, ohne dass dies von den Parteien in das Verfahren<br />

eingebracht worden sei. 449 Der Magistrat geht auf diese Vorwürfe nicht ein und<br />

440 F23, S. 219, 220/pag. 17, 18.<br />

441 F23, S. 215–217/pag. 13–15.<br />

442 F23, S. 215–217/pag. 13–15.<br />

443 F23, S. 65, 66.<br />

444 F23, S. 67.<br />

445 F23, S. 70–72.<br />

446 F23, S. 70, 71.<br />

447 F23, S. 72, 73.<br />

448 F23, S. 77.<br />

449 F23, S. 78.<br />

227


argumentiert hingegen, dass die Baumeister nicht von dem Originaldekret,<br />

sondern von einem späteren Inhaesiv-Dekret appelliert hätten, was rechtsförmig<br />

nicht möglich sei, und daher die Appellation zu verwerfen sei. 450<br />

Zwar endete das Verfahren 1786 mit einem Vergleich, dennoch ist ein Votum<br />

des zuständigen Referenten Steeb erhalten, der den jüdischen Klägern in allen<br />

Punkten zustimmte – was diese jedoch vermutlich nie erfuhren. Zunächst hebt<br />

er auf die Verfahrensfehler ab, dass es ihm nämlich durchaus glaubhaft vorkomme,<br />

dass die jüdischen Kläger weder von der Klage noch von dem Dekret<br />

wussten: „Mir ist genüge, daß Magistratus factem insinuatiorem besagten<br />

decretes nicht bescheinigen kann“, 451 womit er auf eine nicht erfüllte Beweispflicht<br />

des Beklagten verweist. Schon allein deswegen sei die Angelegenheit<br />

„mithin mehr als so geeignet, daß es in rem iudicatam übergehen könnte“. 452<br />

Dies zeigt, welche Bedeutung man seitens des Reichshofrats einer korrekten<br />

Verfahrensführung zuschrieb und dass man durchaus willens war, eine solche<br />

widrigenfalls zu ahnden. Auch inhaltlich sei ihm deutlich geworden, so Steeb,<br />

dass sowohl nach der Stättigkeit, „als eigener Magistratischer Eingeständniß“ 453<br />

die Baumeister zur Anlegung des Bannes befähigt seien, während die Vorstellung<br />

des Magistrats, dass dies dem gemeinen Nutzen entgegen stehe,<br />

„von weniger sehetlichkeit“ sei. 454 Das magistratische Eingeständnis bezieht<br />

der Referent dabei jedoch nur auf die Äußerung im vorliegenden Fall, wertet<br />

also den von den Klägern angeführten Bericht des Magistrats im Fall Mayer<br />

Abraham Beer contra Hirsch Ganß (1704) zumindest nicht explizit in seiner<br />

Entscheidungsbegründung. Er votiere daher dafür, die „appellationes Proceße<br />

zu erkennen“ – womit deutlich wird, dass man sich bislang im Vorverfahren<br />

befunden hatte – sowie dafür, die magistratischen Dekrete zu kassieren, denn<br />

der Magistrat habe „die dasige Judenschaft an selbst eigener Beitreibung ihrer<br />

gemeine Schulden, und Anlagen durch den Bann nicht zu hemmen […]“. 455<br />

Eine Bedrohung der magistratischen Jurisdiktion durch eine innerjüdische<br />

Anlegung von Zwangsmitteln sah er offenbar nicht als gegeben an, insofern<br />

er diesen Vorwurf des Magistrats mit keinem Wort bedachte.<br />

F28 stellt eine Art Zusammenschau aller drei Verfahren dar. Obwohl dabei<br />

inhaltlich einer Appellation nahe kommend, weil gegen die erlassenen schöffenrätlichen<br />

Dekrete in den obigen Fällen sowie in den Verfahren gegen das<br />

Gemeindemitglied Salomon Wallich gerichtet, handelte es sich dabei um eine<br />

450 F23, S. 212, 213/pag. 10, 11.<br />

451 F23, S. 278.<br />

452 F23, S. 278.<br />

453 F23, S. 279.<br />

454 F23, S. 280.<br />

455 F23, S. 281.<br />

228


erstinstanzliche Klage beim Reichshofrat mit Antrag auf ein Re skript sine<br />

clausula gegen den Magistrat. Das Verfahren kam bereits nach der Klageschrift<br />

der Baumeister zum Erliegen, insofern lässt sich nur deren Argumentation<br />

herausarbeiten, die umfassend aus den bereits analysierten Prozessen<br />

schöpfte.<br />

So stehen wiederum die kaiserlichen Privilegien in Hinblick auf das Bannrecht<br />

sowie die jüdische Observanz in Hinblick auf die Ausfertigung der Chaluta<br />

im Zentrum der Argumentation. Es handle sich bei den Verordnungen des<br />

Magistrats um ein „Gravamen Continuum“, 456 wodurch die innere Verfassung<br />

der jüdischen Gemeinde, die wiederum als ökonomisch beschrieben wird,<br />

gefährdet sei. 457 Es folgt sodann die analoge Heranziehung der Rechtsquellen,<br />

die bereits in den obigen Verfahren zitiert wurden. So habe die Konfirmation<br />

Leopolds I. 1661 sowie die Konfirmation der Privilegien durch alle nachfolgenden<br />

Kaiser den jüdischen Baumeistern das Recht zur Anlegung des Bannes<br />

bestätigt. 458 Dabei sei nicht einzusehen, warum die magistratische Gewalt nicht<br />

beschränkt werden sollte – vielmehr sei es der Magistrat, der sich eine Auslegung<br />

der kaiserlichen Privilegien anmaße, die ihm nicht zukomme, da eine<br />

solche nur dem Kaiser zustehe. 459 Sie komme ihm vor allem deshalb nicht zu,<br />

da die Privilegien „gegen“ 460 ihn erlassen worden seien – d.h. es wird wiederum<br />

das Bild des Aggressors bemüht, dem der kaiserliche Schutz gegenüber gestellt<br />

wird. Denn auch, dass die Rezeption in die jüdische Gemeinde zwingend an<br />

eine Abgleichung der Gemeindeschulden „ohne obrigkeitliche Hielfe“ 461 gebunden<br />

sei, zeige, dass man sich im quasi Besitz dieses Rechtes befinde, das durch<br />

den stetigen Gebrauch geltend gemacht worden sei und durch die jüdische<br />

Observanz gestützt werde. Dies nun sei wiederum sogar durch den christlichen<br />

Stadtreformationskommentator Orth bestätigt, der „so sehr er übrigens die<br />

Gerechtsame eines Löblichen Magistrats gegen die dasige Judenschaft in seinen<br />

Schriften zu verfechten sich angelegen seyn läst“, 462 dennoch ausdrücklich<br />

bekenne, dass die jüdische Gemeindeleitung durch „eigenmächtige Hielfe vermittels<br />

des Bannes vorzukehren“ befugt sei. Dass man sich dabei unabhängig<br />

vom Magistrat der Zwangsmittel des Bannes und der Ausfertigung der Chaluta<br />

bediene, sei in Hinblick „auf ihre Jüdische Religionsgrundsäze“ 463 berechtigt<br />

und formiere daher auch kein statum in statu, womit explizit auf den Bericht<br />

456 F28, S. 7.<br />

457 F28, S. 31, 36.<br />

458 F28, S. 12.<br />

459 F28, S. 28, 29.<br />

460 F28, S. 29.<br />

461 F28, S. 10, 11.<br />

462 F28, S. 20, 21.<br />

463 F28, S. 30, 31.<br />

229


des Magistrats in F23 rekurriert wird. Vielmehr sei der Magistrat gehalten,<br />

derlei Verfahren an die Baumeister zu verweisen:<br />

„[…] dann wenn es secundum praededucta wahr ist, daß der Punkt der<br />

gemeinen Anlagen von der Magistratischen Jurisdiction von Kaiserl[icher]<br />

Majestät ausgenommen ist, und einzig und allein vor die Jüdischen Vorstehere<br />

gehöret, so folgt und verstehet es sich wohl von selbsten, daß<br />

der Magistrat zu Frankfurth dergleichen Beschwerden, welche gegen die<br />

öffentliche Anlagen von Gemeinds Schuldnern angebracht werden wollen,<br />

nicht annehmen, noch solche in Weege Rechtens einleiten, vielweniger<br />

aber die Bannes Anlegung unter bestimter Strafe verbiethen dörfe. Der<br />

Magistrat ist vielmehr schuldig und gehalten, derley einzelen und mutwillige<br />

Querulanten an die Jüdischen Vorstehere zurük zu verweisen […]“ 464<br />

Damit wird freilich sehr wohl eine Jurisdiktionskompetenz der jüdischen<br />

Gemeindeleitung behauptet, die nicht nur in Konkurrenz zur christlichen steht,<br />

sondern vielmehr einen ausschließlichen Anspruch erhebt – eine ungemein<br />

politische Forderung also.<br />

Insbesondere die Chaluta sei Ausfluss einer speziell jüdischen Observanz,<br />

die ein stillschweigendes Pfandschaftsrecht bei Hausverkäufen impliziere. Sie<br />

stelle zwar kein geschriebenes Gesetz dar, sei jedoch zum besten Nutzen als<br />

Versicherung sowohl des Käufers als auch der Gemeinde eingerichtet worden<br />

und „von den ältesten Zeiten her gewöhnlich und herkömlich“. 465 Die erzwungene<br />

Ausfertigung, die man der jüdischen Gemeindeleitung von Seiten des<br />

Magistrats „gegen Eid und Pflichten“ 466 auferlegen wolle, zeige, dass man die<br />

rechtliche Gültigkeit dieser Urkunde anerkenne, „indem er sonst dergleichen<br />

Versicherungsurkunden und Quittungen, weder nöthig hätte noch fordern<br />

würde.“ 467 Analog werden wieder als Präjudizfälle, wie in F23, die Reichshofratsverfahren<br />

Beer contra Ganß (1704) 468 und Jüdische Baumeister contra<br />

Gumbert Moises (1719) 469 als Legitimation der Observanz angeführt, sowie<br />

wie in F18 das städtische Verfahren gegen den Juden Joseph Benedikt Landau<br />

(1788). 470 Zudem werden aber auch, und dies scheint besonders bemerkenswert,<br />

die laufenden Reichshofratsverfahren gegen Geiß und Krämer (F17, F18), gegen<br />

David Michael Mayer (F23) und gegen Isaac Salomon Wallich (F25, F27) als<br />

464 F28, S. 33, 34 ebenso S. 36 und 41.<br />

465 F28, S. 45–47, 49, 50.<br />

466 F28, S. 54.<br />

467 F28, S. 52, 53.<br />

468 F28, S. 21, 22.<br />

469 F28, S. 22, 23.<br />

470 F28, S. 55, 56.<br />

230


Beweis für das magistratische Ansinnen, der jüdischen Gemeindeleitung ihre<br />

Rechte „aus den Händen mit Gewalt“ zu winden, angeführt. 471 Daraus schließen<br />

die jüdischen Kläger nun, und gehen damit über die Petita der vorherigen<br />

Prozesse hinaus, dass eine Aufhebung der Dekrete allein nicht ausreiche, sondern<br />

vielmehr ein grundsätzlicher Strafbefehl von Nöten sei: „Die kundbahresten<br />

Reichsgesäzen bestimmen bekanntlich in solchen Fällen Kaiserliche<br />

Strafgebotte, um dem eigenmächtigen Fürschritten eins Theils Gränzen zu<br />

sezen, die Gerechtsame und den quasi Besiz des andern aber zu sichern.“ 472<br />

Und um ein solch eigenmächtiges Vorgehen, das nur dazu diene, die Rechte<br />

der Baumeister zu schmälern, handle es sich:<br />

„In dieser Rücksicht sowohl, als auch durch öftere leidige Erfahrung<br />

belehret, daß der Magistrat zu Frankfurth seinen Grundsäzen getreü<br />

verbleibet, und diese Jüdische Befugnisse bey jedem Anlaß zu hemmen<br />

und abzustriken sucht […].“ 473<br />

Es wird eine klare Frontstellung zwischen Magistrat und jüdischer Gemeindeleitung<br />

beschrieben bzw. konstruiert, innerhalb derer von den jüdischen Baumeistern<br />

sehr selbstbewusst nicht nur die jurisdiktionelle wie exekutive Autonomie<br />

in Gemeindesteuerangelegenheiten eingefordert wird, sondern auch<br />

eine harte und grundlegende Bestrafung der obrigkeitlichen Einmischung.<br />

Ein Vergleich der vier Verfahren zeigt nun insbesondere in dieser Fallgruppe<br />

eine hohe Überschneidung und Bezugnahme der Prozesse aufeinander. Dominant<br />

waren in allen Verfahren die Rechtsquellen kaiserliche Privilegien und<br />

jüdische Observanz sowie kaiserliche und städtische Rechtsanwendung zur<br />

Legitimierung derselben. In Hinblick auf die kaiserlichen Privilegien stand<br />

vor allem die Konfirmation der Stättigkeit durch Kaiser Leopold I. 1661 im<br />

Zentrum sowie die bereits mehrfach angeführten Stättigkeitsparagraphen 107<br />

und 13, die einerseits konkret die Aufnahme neuer Gemeindemitglieder unter<br />

anderem an die Abgeltung der Gemeindeschulden und eine Wohnstätte banden,<br />

andererseits aber recht pauschal Beschwerungen der jüdischen Gemeinde<br />

durch Verordnungen jenseits der Stättigkeit untersagten. Die jüdischen Kläger<br />

folgerten daraus, dass ihnen sowohl unbeschränkt und ohne Einwirkmöglichkeit<br />

des Magistrats das Bannrecht zur Eintreibung ausstehender Gemeindeschulden<br />

zustehe, als auch, dass eine Bindung dieser Steuerleistungen an den<br />

Besitz von Immobilien innerhalb der Gasse bestehe. Damit stand wiederum<br />

471 F28, S. 4, 5, 8.<br />

472 F28, S. 57.<br />

473 F28, S. 6, 7.<br />

231


232<br />

die kaiserliche Gesetzesintention im Raum, die nun insbesondere der beklagte<br />

Magistrat in den Mittelpunkt seiner Argumentation stellte. Dieser forderte aus<br />

seiner durch reichsständische Privilegien geschützten obrigkeitlichen Position,<br />

dass auch die kaiserlichen Privilegien in Bezug auf die Frankfurter Judenschaft<br />

stets zu seinen Gunsten und zum Schutz der städtischen Jurisdiktion auszulegen<br />

seien. Eine konkurrierende Jurisdiktion der Judenschaft, die diese seinem<br />

rechtlichen Gewaltbereich entziehen und seinen umfassenden Zugriff auf alle<br />

Untertanen einschränken würde, sei dem zufolge nicht zu tolerieren und könne<br />

nicht im Sinne des Kaisers sein. Die von den jüdischen Klägern nicht nur für<br />

Individuen, sondern auch für die Gemeinde als Korporation eingeforderte<br />

römisch-rechtliche Gleichstellung mit christlichen Gemeinden, die ihr Fiskalrechte<br />

– im konkreten Kontext ein Vorzugsrecht der Gemeindeabgaben<br />

bzw. stillschweigende Pfandschaft bei Hausverkäufen oder -versteigerungen<br />

– zusprechen würde, negierte der Magistrat, als nicht in den kaiserlichen Privilegien<br />

verankert, vollständig. Dennoch forderten die Gemeindevorsteher<br />

dies insbesondere im letzten Verfahren sehr selbstbewusst ein und verknüpften<br />

ihre Forderung mit dem kaiserlichen Schutz und der bewährten Konstruktion,<br />

wonach der Magistrat als Aggressor gegen die Judenschaft agiere und<br />

ihnen strategisch ihre Rechte entziehen wolle. Als Beweis dieser magistratischen<br />

Handlungsstrategie führten die Gemeindevorsteher die jeweilig anderen<br />

Reichshofratsverfahren dieser Fallgruppe an. Durch die Heraufbeschwörung<br />

des Bildes der bedrohten Finanzleistung der Gemeinde, der bedrohten innerenökonomischen<br />

Verfassung durch derartige Eingriffe in ihre Jurisdiktions- und<br />

Exekutionskompetenz wurde dabei an genuin kaiserliche Interessen appelliert,<br />

die damit ebenfalls bedroht seien. Dabei reflektierten die Vorsteher die profitorientierte<br />

obrigkeitliche Erwartungshaltung und nutzten diese als Schutzmechanismus.<br />

Wie das in einem Fall erhaltene Votum des Referenten Steeb<br />

zeigte, wäre man dieser Argumentation der jüdischen Kläger denn auch unter<br />

Umständen gefolgt, wenn es zu einem Urteil gekommen wäre.<br />

Der zweite zentrale Argumentationsstrang bezog sich auf die Observanz,<br />

genauer die Observanz der jüdischen Gemeinde in Hinblick auf die als Zwangsmittel<br />

gekennzeichnete Ausfertigung der Chaluta. Während die jüdischen<br />

Kläger eine solche zunächst wiederum als lang und kontinuierlich vorhanden<br />

beschrieben, durch den gemeinen Nutzen, die städtische Rechtsanwendung<br />

und christliche Autoren – wobei besonders der zeitgenössische Stadtreformationskommentator<br />

Orth hervor trat – legitimierten, stellten sie sie außerdem<br />

in eine Wechselwirkung mit ihren Ausführungen zur römisch-rechtlichen<br />

Stellung der Gemeinde. Während die theoretische Postulierung gemeindlicher<br />

Gerechtsame die Observanz legitimiere, zeige deren stetiger Gebrauch auf der<br />

anderen Seite die de facto Existenz dieser Gerechtsamen auf. Dies zeige sich


auch in der Chaluta selbst, die eine Versicherung, vor allem aber eine Urkunde<br />

sei, die durch einen fest geregelten Amtsgang, inklusive öffentlich-performativem<br />

Element der Ausrufung in der Synagoge durch einen Gemeindediener,<br />

einen Rechtscharakter habe, der durch Eid und Wahrheitspflicht geprägt sei.<br />

Dass dabei vom Magistrat die Ausstellung in einem nicht den rechtsförmigen<br />

Weg beschreitenden Verfahren erzwungen werde, zeige daher nicht etwa,<br />

dass dem Dokument keine Rechtskraft innewohne, sondern vielmehr dass<br />

dieser implizit angenommen, aber gewaltsam und unrechtmäßig zu Lasten der<br />

Gemeinde erpresst werde. Auch dieser Einschätzung folgte man am Reichshofrat,<br />

wie das Referentenvotum ausweist.<br />

Dem stellte der Magistrat hingegen in allen Verfahren gegenüber, dass eine<br />

Observanz nicht gegen die Rechte anderer, insbesondere nicht gegen kaiserlich<br />

privilegierte Rechte wie es das Stadtrecht sei, verstoßen, vor allem aber<br />

dass eine speziell jüdische Observanz für Nicht-Gemeindemitglieder nicht<br />

bindend sein könne. Dies widerspreche zutiefst dem gemeinen Besten, der<br />

Vernunft ebenso wie dem Geltungskriterium der Observanz, dass es für den<br />

speziellen Fall exakt anwendbar sein müsse, was, sobald christliche Gläubiger<br />

mit betroffen wären, nicht mehr gegeben sei. Die gleiche Rechtsquelle wie die<br />

jüdischen Kläger anwendend setzte der Magistrat dabei auf Delegitimierung<br />

durch Rechtsanwendung. Diese zeige auf, dass diese Observanz eben keine<br />

Kontinuität für sich beanspruchen könne.<br />

Als letzter und dritter Argumentationsstrang wurden außerdem wieder<br />

Verfahrensfehler geltend gemacht, die insbesondere von jüdischer Seite extensiv<br />

dazu benutzt wurden, die städtischen Verfahren als nicht rechtsförmig zu<br />

stigmatisieren, was die Recht- und Verhältnismäßigkeit der Appellation oder<br />

Klage am Reichshofrat legitimieren, die gegnerische Beklagtenpartei hingegen<br />

als nicht neutral und korrekt vorgehendes Gericht diffamieren sollte.<br />

2.d.4 Zeremonial und Bann<br />

Im Verfahren der Baumeister gegen das Gemeindemitglied Abraham Schreiber<br />

und den Magistrat steht die Verhängung eines Bannes, diesmal jedoch in seiner<br />

schwersten Form, nämlich als Ausschluss aus der Gemeinde, im Mittelpunkt.<br />

Dieser Bann, genannt cherem, wurde, wie Gotzmann aus den Aufzeichnungen<br />

des Frankfurter Rabbinatsgerichtes zeigen konnte, nur äußerst selten verwendet.<br />

474 Es handelte sich also aus gemeindeinterner Sicht um ein besonders<br />

schweres Vergehen, das man seitens der Baumeister zu ahnden trachtete. Wie<br />

474 Gotzmann, Andreas: Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit, S. 323, 324.<br />

233


immer bei Bannstrafen kann davon ausgegangen werden, dass den Prozessen<br />

an christlichen Gerichten ein gemeindeinternes Verfahren voraus gegangen<br />

war, wie es sich im vorliegenden Fall durch die Aufzeichnungen des Rabbiners<br />

Maas bestätigt. 475<br />

In diesem Prozess steht für die jüdischen Kläger im konkreten Fall eine von<br />

jüdischem Recht und jüdischer Observanz dominierte Argumentationsstrategie<br />

sowie auf einer abstrakten Ebene die Ausschaltung magistratischer Eingriffe<br />

in die innerjüdische Jurisdiktion als Eingriff in den kaiserlich besonders<br />

geschützten Zeremonialbereich im Vordergrund. Dem versucht der Magistrat<br />

durch seine ebenfalls kaiserlich geschützten Obrigkeitsrechte zu begegnen, die<br />

ihm den jurisdiktionellen Zugriff auf seine Untertanen in allen Konfliktbereichen<br />

sichern.<br />

Die jüdischen Kläger argumentieren zunächst mit einer naturrechtlichen<br />

Begründung, dass nämlich die Verordnung des Magistrats gegen ihre Gewissens-<br />

und Religionsfreiheit verstoße:<br />

„In was für einen erbärmlichen Verfall müste nicht gemeine Judenschafft<br />

kommen, wenn eine Nothwendigkeit sie verbinden sollte, auch<br />

in Gewissens- und Glaubens-Sachen ihre Freyheit und Verfassungen zu<br />

verliehren? Gewiß, das würde der nächste Weeg zu Untergrabung des kayserlichen<br />

allerhöchsten Befehls, sie nicht zu verfolgen und aus der Stadt<br />

zu treiben der nächste weeg, alle alt- und neue Freyheiten in Ansehung<br />

ihrer Religion zu benehmen, mit der Zeit werden können, und wie die<br />

Zumuthungen sich bey ihrem Glauben mit dem pacto subjectionis, daß<br />

sie nemlich plenariè die libertatem conscientiae geniesen sollen, nicht<br />

vereinigen lässet […].“ 476<br />

Zum ersten wird wiederum eine Gleichsetzung der Wahrung kaiserlicher<br />

Gesetze mit der Wahrung der Rechte der jüdischen Gemeinde vollzogen.<br />

Zum zweiten aber fordern die Kläger eine, insbesondere 13 Jahre später durch<br />

Moses Mendelssohn in seiner Schrift „Jerusalem oder über religiöse Macht und<br />

Judentum“ 477 in Anlehnung an zeitgenössische Naturrechtler theoretisch fundierte<br />

jüdische Gewissens- und Religionsfreiheit ein, 478 die sich zu einem Zen-<br />

475 Siehe dazu die Fußnote in der Fallbeschreibung von F14 in Kapitel III.2.a.<br />

476 F14, S. 71, 72.<br />

477 Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum, Berlin 1783.<br />

478 Siehe dazu Fritsch, Matthias J.: Religiöse Toleranz im Zeitalter der Aufklärung, Hamburg 2004,<br />

S. 83–97, 362. Schulte, Christoph: Die jüdische Aufklärung, S. 179–181. Berghahn, Klaus L.:<br />

Grenzen der Toleranz. Juden und Christen im Zeitalter der Aufklärung, 2., durchgesehene Auflage,<br />

Köln/Weimar, Wien 2001, S. 150–182.<br />

234


trum der jüdischen Toleranz- bzw. Emanzipationsdebatte entwickeln sollte. 479<br />

Umfassend rechtlich gesichert war diese seit dem Westfälischen Frieden nur<br />

für die drei christlichen Konfessionen mit den bekannten Einschränkungen<br />

durch das ius reformandi der Landesfürsten. 480 Damit kam dieser Verweis<br />

der jüdischen Kläger also mehr einer politischen Forderung gleich, die sie<br />

bezeichnenderweise auch aus dem „pactum subjectionis“ herleiten, also vor<br />

allem nach Locke aus der Vorstellung der Gesellschafts- und Unterwerfungsvertragslehre,<br />

die wechselseitig Gehorsam an Schutz bindet, widrigenfalls aber<br />

ein Widerstandsrecht der Untertanen zugesteht. 481 So sei ihrer Rezeption und<br />

Toleranz stillschweigend zugrunde gelegt, dass sie als Juden aufgenommen<br />

würden und damit in allen Fällen, die Religion oder Sitte beträfen, „nach dem<br />

Mosaischen und ihrem eigenen Rechte leben“ dürften. 482 Verwiesen wird hierbei<br />

auf die zeitgenössischen juristischen Werke von Johann Jodocus Beck sowie<br />

Heumann von Teutschenbrunn. 483 Dabei beinhaltet der Verweis auf die „stillschweigende“<br />

Zustimmung die Vorstellung, dass was nicht offiziell verboten<br />

worden sei, erlaubt sein müsse. Habe also der Magistrat bei ihrer Aufnahme<br />

die Aufgabe jüdisch-rechtlicher Gebräuche und Lebensführung nicht gefordert,<br />

könne er dies nun nicht mehr einklagen. An ein magistratisches Bannverbot<br />

könne man sich im vorliegenden Fall insbesondere nicht halten, denn<br />

„Von einer solchen zum Gottesdienst und dessen Feyerlichkeiten gehörenden<br />

Sache kann kein anderer als Jüdischer Gelehrter urtheilen, und die<br />

Juden können keine andere, als von ihren Gelehrten, von denen sie wissen,<br />

daß sie die Sache verstehen und von Jugend auf gelernet haben, ertheilte<br />

Entscheidung salva religione et conscientia annehmen. Es kommt hier<br />

auf kein von Menschen gegebenes Recht, sondern auf die Befolgung der<br />

479 Siehe dazu Schulte, Christoph: Die jüdische Aufklärung, München 2002, S. 172–183. Berghahn,<br />

Klaus L.: Grenzen der Toleranz, S. 57–68.<br />

480 Siehe dazu Schneider, Bernhard Christian: Ius Reformandi. Die Entwicklung eines Staatskirchenrechts<br />

von seinen Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches, Tübingen 2001. Zur möglichen<br />

Einordnung der Juden im dreistufigen System der Religionsausübungsfreiheit nach IPO<br />

siehe bes. S. 512 sowie Schmidt, Katja: Die Entwicklung der Jüdischen Religionsgesellschaft zu<br />

einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in der Zeit von 1671 bis 1918 in Preußen – unter<br />

besonderer Würdigung der Berliner Verhältnisse, Berlin 2006, S. 13–25. Auch Kremer, Bernd<br />

Mathias: Der Westfälische Friede und die staatsphilosophisch-politischen Toleranzbestrebungen<br />

im 18. Jahrhundert. In: Kästner, Hermann et al. (Hrsg.): Festschrift für Martin Heckel zum<br />

siebzigsten Geburtstag, Tübingen 1999, S. 563–588.<br />

481 Siehe dazu als Einführung Ottmann, Henning: Geschichte des politischen Denkens, Bd. 3: Die<br />

Neuzeit. Von Machiavelli bis zu den großen Revolutionen, Stuttgart/Weimar 2006, bes. S. 358–<br />

361. Außerdem Link, Christoph: Herrschaftsordnung und Bürgerliche Freiheit. Grenzen der<br />

Staatsgewalt in der älteren deutschen Staatslehre, Wien/Köln/Graz 1979, S. 293–301.<br />

482 F14, S. 61.<br />

483 F14, S. 60–62. Beck, Johann Jodocus: Tractatus de juribus judaeorum, Nürnberg 1741. Heumann<br />

von Teutschenbrunn, Johann: Initia iuris politiae Germanorum, Nürnberg 1757.<br />

235


Gebothe Gottes an das Jüdische Volck an, und zwar auf solche Gebothe,<br />

von welchen, ihrer Lehre und Glauben nach, niemand als Gott allein dispensiren<br />

kan, und sie also die Obrigkeitliche Verordnungen darin nicht<br />

erkennen können.“ 484<br />

Damit reklamieren die jüdischen Kläger zum einen die ausschließliche Jurisdiktionsbefugnis<br />

innerjüdischer Gerichte in Zeremonialangelegenheiten, worunter<br />

sie „Alle diejenige Sachen, welche unter Juden nicht aus den Christlichen<br />

Rechten, sondern den Büchern Moses und Schrifften der Jüdischen Rabbinen<br />

entschieden werden müssen […]“ 485 verstehen. Dabei bringen sie deutlich<br />

zum Ausdruck, dass dem eine Kompetenzfrage zugrunde liege und christliche<br />

Gerichte zu einer Urteilssprechung weder befugt noch fähig seien. Rechtlich<br />

verankert sei diese ausschließliche Jurisdiktion in der kaiserlichen Stättigkeit,<br />

die festlege, dass die Judenschaft in religiösen Angelegenheiten unbehelligt<br />

bleiben solle. 486 Zum anderen aber formulieren die Kläger daraus ableitend ein<br />

Widerstandsrecht, insofern ihnen die Anerkennung eines christlichen Urteils<br />

in Zeremonialkonflikten nicht möglich sei. Es gehörten diese Inhalte nämlich<br />

„[…] zu den kirchlichen Gebräuchen der Juden zu ihrem Gottesdienst und<br />

Gebeten […]“, 487 womit auf einen vermeintlichen Kirchenstatus verwiesen wird,<br />

der ihnen religionsspezifische Freiheiten, iura in sacra sozusagen, auf die die<br />

weltliche Obrigkeit keinen Zugriff habe, eröffne und sichere. Dass die Ausübung<br />

dieses Widerstandsrechtes nötig sei, begründen die jüdischen Kläger<br />

wieder mit dem Bild des Magistrats als Aggressor, der ihre Rechte aussetzen<br />

wolle. „Der Löbl[ich]e Schöffen Rath ergriffe die Gelegenheit, in Ceremoniel=<br />

und Religions=Sachen zu erkennen, gar begiehrig […].“ 488<br />

Für den konkreten Fall Schreiber wird diese theoretische Begründung um die<br />

jüdische Observanz sowie jüdische Rechtsvorgaben erweitert. So beginnen<br />

die jüdischen Kläger zunächst mit der Darstellung, in welch exakt geregelter<br />

Form Tephillin und Mezuzot herzustellen seien und welch hoher Wert diesen<br />

innerreligiös zukomme, was wiederum mit einem Verweis auf den christlichen<br />

Autor Johann Christian Georg Bodenschatz belegt wird. 489 In Hinblick auf die<br />

484 F14, S. 59, 60.<br />

485 F14, S. 58, 59.<br />

486 F14, S. 18, 62, 63. Siehe dazu auch Gotzmann, Andreas: Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit,<br />

S. 453–461.<br />

487 F14, S. 59.<br />

488 F14, S. 55, 56.<br />

489 F14, S. 48–50. Bodenschatz, Johann Christian Georg: Kirchliche Verfassung der heutigen Juden<br />

[…], 4 Bde., Frankfurt am Main/Leipzig 1748/49. Siehe zu ihm Battenberg, Friedrich: Die Juden<br />

in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, S. 50. N.N.: Art. Bodenschatz, Jo-<br />

236


Tephillin verweisen sie sogar auf einen seiner Kupferstiche, also eine visuelle<br />

Quelle. Ein wie vom Magistrat geforderter Stempel, der in den Tephillin und<br />

Mezuzot anzubringen wäre, sei nun aber „eben so ungewöhnlich, als der Verfassung<br />

nach unthumlich“, 490 könne auch aus religiös-rechtlichen Gründen<br />

nicht angebracht werden, da dem Text der Torah nichts hinzugefügt werden<br />

dürfe, wie es bei dem christlichen Autor Wagenseil nachzulesen sei. 491 Nun sei<br />

es aber „in allen Gemeinden“ beständiger Brauch, dass, wenn ein Schreiber<br />

Tephillin falsch schreibe, er von der Schreibung zukünftig völlig auszuschließen<br />

sei und sich einen anderen Nahrungserwerb suchen müsse. 492 Ebenso sei<br />

dies daher auf den Beklagten Schreiber anzuwenden – denn keiner könne<br />

zukünftig wissen, ob seine Produkte korrekt seien oder nicht. Auch habe er<br />

durch sein Verhalten Sünde auf die ganze Gemeinde gebracht, „[…] weil sie<br />

den täglichen Seegen, der über dergleichen fehlerhaffte Worte oder gar fremde<br />

Sachen gesprochen wird, für nichts anderst als einen gräulichen Missbrauch<br />

des Nahmens Gottes ansehen können.“ 493<br />

Während der Beklagte Schreiber nun in der Vorinstanz diese Observanz<br />

hauptsächlich durch den Beispielfall seines Vaters zu delegitimieren versuchte,<br />

dem ebenfalls ein inkorrektes Tephillin nachgewiesen worden sei, der dieses<br />

jedoch lediglich ersetzen musste ohne weitere beruflich Konsequenzen, 494 setzt<br />

der Magistrat hingegen an der abstrakten Argumentationsebene der jüdischen<br />

Kläger an. So habe gemäß den „größesten Rechtslehrern“ – die jedoch nicht<br />

genauer spezifiziert werden – die Obrigkeit auch in Religionsangelegenheiten<br />

die „jurisdictio et suprema inspectio“ inne. 495 Wiederum argumentiert er<br />

dabei aus der Perspektive der obrigkeitlichen Ordnungsmacht, insofern es nicht<br />

möglich sei, dass sich eine Gemeinde gänzlich der obrigkeitlichen Jurisdiktion<br />

– und zwar nicht nur der städtischen, sondern auch „in zweyter Instanz“<br />

der kaiserlichen Oberstgerichtsbarkeit 496 – entziehe und dadurch „statum in<br />

statu“ bilden könne. 497 Insbesondere stehe dem Magistrat die Entscheidung<br />

in den Fällen zu, in denen sich jüdische Gemeindemitglieder hilfesuchend<br />

an ihn wendeten, da, wie im Falle Schreibers, ansonsten „Bedrückungen und<br />

hann Christoph Georg. In: Encyclopaedia Judaica, Vol. 4, Detroit 2007 2 , S. 28. Hauck, Friedrich:<br />

Art. Bodenschatz, Georg Johann Christoph. In: NDB, Bd. 2, Berlin 1955, S. 355.<br />

490 F14, S. 64, 65.<br />

491 F14, S. 146, 147. Wagenseil, Johann Christoph: Belehrung der Jüd.-Teutschen Red- und Schreibart,<br />

Frankfurt am Main 1737. Siehe zu Person und Werk Rosenthal, Judah M: Art. Wagenseil,<br />

Johann Christoph. In: Encyclopaedia Judaica, Vol. 20, Detroit 2007 2 , S. 593, 594. Schröder, Edward:<br />

Art. Wagenseil, Johann Christoph. In: ADB, Bd. 40, Leipzig 1896, S. 481–483.<br />

492 F14, S. 63, 64.<br />

493 F14, S. 52.<br />

494 F14, S. 213, 214.<br />

495 F14, S. 255, 256.<br />

496 F14, S. 255, 256.<br />

497 F14, S. 255.<br />

237


Verfolgungen“ unter „dem Vorwand der Religion oder unter dem Deckmantel<br />

Jüdischen Caerimonien“ geschehen könnten. Es sei nämlich vielmehr ein strafwürdiges<br />

Ansinnen der Baumeister, eine „Arroganz, in Caerimonial-Sachen<br />

sich zu independenten Richtern über ihre Glaubens-Genoßen aufzuwerffen“. 498<br />

Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Gemeinde als egalitär wahrgenommen<br />

wird, und es keinem Gemeindemitglied daher zugestanden sei,<br />

sich über seine Mitglaubensbrüder zu erhöhen, sich „aufzuwerffen“. Dass der<br />

Magistrat hingegen durchaus kompetent zu solchen Entscheidungen sei, zeige<br />

ein Beispielfall von 1754, in denen sich die Gemeinde selbst an ihn gewendet<br />

habe, um ihren Oberrabbiner abzusetzen. 499 Der Magistrat habe in dieser Sache<br />

ermittelt und eine gütliche Lösung gefunden, was sowohl zeige, dass ihm die<br />

Entscheidungsgewalt in religiösen Konflikten zustehe, als auch, dass er diese zu<br />

lösen fähig sei. Tatsächlich seien auch die Baumeister nicht kompetenter als der<br />

Magistrat, da sie „selbsten lauter ungelehrte und von der Handlung Profession<br />

machende Leute sind.“ 500 Damit wird also, zwar polemisch, aber inhaltlich<br />

durchaus zutreffend, darauf verwiesen, dass die innerjüdische Gerichtsbarkeit<br />

eben nicht nur von den Rabbinern, sondern zu einem wesentlich größeren Teil<br />

von den Gemeindevorstehern ausgeübt wurde.<br />

Sowohl der Beklagte Schreiber in der Vorinstanz als auch die jüdischen<br />

Kläger am Reichshofrat machen Verfahrensfehler geltend. Die jüdischen Baumeister<br />

weisen die nach der Appellationseinreichung am Reichshofrat ergangenen<br />

magistratischen Dekrete bezüglich der Unterhaltszahlung der Gemeinde<br />

an Schreiber als entgegen der Rechthängigkeit erlassen zurück. 501 Schreiber<br />

selbst hingegen weist unter dem gleichen Vorwand die Bannverhängung gegen<br />

ihn als „pendente lite“ geschehen zurück. 502 Auch sei er während des innerjüdischen<br />

Verfahrens weder vernommen worden, noch sei ihm Gelegenheit<br />

gegeben worden, dazu Stellung zu beziehen oder Beweise einzusehen – damit<br />

sei das Verfahren ungültig. Damit überträgt er bemerkenswerterweise die<br />

Rechtsförmigkeit als Geltungsvoraussetzung von Prozessen an christlichen<br />

Gerichten auf innerjüdische Verfahren und fordert auch dort eine solche ein.<br />

Ebenfalls aus dieser Annahme folgert er zudem, dass ihm eine Appellationsinstanz<br />

zustehen müsse:<br />

498 F14, S. 259, 260.<br />

499 F14, S. 264–266. Es handelt sich vermutlich um Rabbi Jakob Josua Falk, der sich in den bekannten<br />

so genannten Hamburger Amulettenstreits zwischen den Rabbinern Jonathan Eybeschütz<br />

und Jakob Emden einschaltete und dadurch in der Frankfurter Gemeinde einen schweren Stand<br />

hatte, zeitweise sogar die Stadt verlassen muste. Siehe dazu Horvitz, Markus: Frankfurter Rabbinen,<br />

S. 140–155. Graetz, Michael/Breuer, Mordechai: Deutsch-jüdische Geschichte in der<br />

Neuzeit, Bd. I: 1600–1780, S. 244–247.<br />

500 F14, S. 267.<br />

501 F14, S. 236.<br />

502 F14, S. 141.<br />

238


„[…] Ohne zu untersuchen, ob diese Sache würcklich zu denen Jüdischen<br />

Caerimonien gehörete, so käme es hier nicht auf die Sache, sondern auf<br />

das Verfahren, an. Es wäre bekannt, daß Sachen, welche sonsten an ein<br />

anderes Gericht nicht kommen könnten, wegen unrechtmäßigen Verfahrens<br />

an höhere Gerichte gezogen würden. Der rechte und ordentliche Weg<br />

müste auch bey Religions-Sachen eingeschlagen werden […].“ 503<br />

Zusammenfassend wird deutlich, dass die rechtlichen Argumentationmuster<br />

sowohl bei den jüdischen Klägern wie auch beim Magistrat aus spezifischen,<br />

gänzlich unterschiedlichen, Gemeindevorstellungen heraus konstruiert wurden.<br />

Während die Kläger die jüdische Gemeinde als kirchenähnliche Korporation<br />

beschrieben, die durch Gewissens- und Religionsfreiheit, Widerstandrecht<br />

und einen den iura circa sacra ähnlichen, kaiserlich privilegierten Zeremonialbereich<br />

vor dem Zugriff der Obrigkeit geschützt sei, beschrieb der Magistrat<br />

hingegen die jüdische Gemeinde als eine egalitär strukturierte, gänzlich der<br />

obrigkeitlichen Jurisdiktion unterworfene Religionsgesellschaft, die nur zur<br />

gütlichen Schlichtung befähigt, im tatsächlichen Konfliktfall jedoch nicht<br />

handlungsbefugt sei. Leider ist in diesem Verfahren kein reichshofrätliches<br />

Votum erhalten, so dass nicht deutlich wird, wie sich der Reichshofrat zu dieser<br />

Grundsatzdebatte positionierte.<br />

2.d.5 Gerichtseid<br />

Im letzten der ausgewählten Baumeister-Verfahren am Reichshofrat wurde ein<br />

Konflikt bezüglich einer Eidesleistung vor Gericht verhandelt. Dabei waren<br />

die jüdischen Baumeister im Vorverfahren lediglich als Zeugen im Prozess<br />

der jüdischen Gemeindemitglieder David Jacob Wohl gegen Isaac Buchsbaum<br />

vor den Schöffenrat berufen worden, als Prozesspartei waren sie selbst nicht<br />

beteiligt. Gegen das Dekret des Magistrates, dass sie vor ihrer Zeugenaussage<br />

einen Zeugeneid schwören sollten, hatten die Baumeister am Schöffenrat<br />

geklagt, waren jedoch abgewiesen worden. Ins Zentrum ihrer Argumentation<br />

am Reichshofrat stellten sie nun zum einen die kaiserliche Stättigkeit als<br />

Rechtsquelle, die ihnen die Jurisdiktion in geringen Sachen, um welche es<br />

sich ihrer Meinung nach handelte, zuschreibe, womit das Verfahren an sich<br />

bereits in Frage gestellt wurde, bezogen sich zum anderen jedoch auf einen<br />

Rechtsbeleg aus quasi obrigkeitlichem Aufsichtanspruch, der ihnen den Zeugeneid<br />

aufgrund ihres Führungsamts in der Gemeinde erspare. Der Magistrat<br />

503 F14, S. 189, 190.<br />

239


fokussierte hingegen wiederum auf die mangelnde Jurisdiktionsfähigkeit der<br />

Gemeindeleitung, die der obrigkeitlichen Jurisdiktion nicht entzogen werden<br />

könne, und bestritt zudem, dass eine Amtsposition in privatrechtlichen Prozessen<br />

eine Eidesleistung aussetzen könnte.<br />

Die jüdischen Kläger verweisen zunächst auf die § 98 und 99 der Stättigkeit,<br />

die ihnen, wie bereits erwähnt, die Entscheidungsbefugnis in „geringen<br />

Händeln“ überlasse, um eine Vergleichslösung zu finden, 504 sowie eine Strafe<br />

festsetze, falls sich jemand gegen den Spruch der Baumeister und Rabbiner<br />

ungehorsam zeige. 505 Insbesondere mit § 99 wollte man offenbar zeigen, dass<br />

auch der Konfliktfall, wenn die gütliche Einigung von einem Teil nicht anerkannt<br />

werde, unter ihre Spruchtätigkeit zu fassen sei. Gerade dieser Fall nun<br />

betreffe „das Amt und die Pflicht der Bau- und Kastenmeister“, da die Erlösgelder<br />

der Gemeinde zustünden, der sie vorstünden, und „Niemand anderst, als<br />

sie urtheilen“ könne, da nur ihnen die notwendigen Regulierungen bezüglich<br />

Größe der Töpfe und Preisfestsetzung bekannt seien:<br />

„Wer wird nun sagen, daß die Sache wegen Sezung der Töpfen in die<br />

jüdischen Baköfen, nicht vor die Appellanten gehöre? und wo ist jemand<br />

der in selbiger besser sprechen könne, als diese? das Richteramt kann sich<br />

nicht alle Augenblick, wenn die Töpfe gesezet werden, in die Judengasse<br />

begeben, die Baköfen und Töpfe besichtigen, darüber denen zankenden<br />

Recht sprechen, und diese in Ruhe und Ordnung halten.“ 506<br />

„Dieses kann Niemand besser sagen als die Appellantischen Principalen,<br />

und Niemand kann man auch darum fragen als diese, mithin gehöret<br />

die Sache zu ihrem Amte.“ 507<br />

Damit wird die Entscheidungsfindung zum einen an eine Sachkenntnis gebunden,<br />

die dem christlichen Gericht fehle, als auch zum anderen an eine räumliche<br />

Präsenz, von der eine mögliche Mediation abhänge, insofern sich der<br />

christliche Richter im Gegensatz zu den Baumeistern nicht „alle Augenblick“<br />

in der Gasse aufhalte und womit auf die Trennung der Lebenswelten, aus denen<br />

heraus zu entscheiden wäre, verwiesen wird.<br />

Außerdem aber wird das Verfahren als eines eingestuft, das in die Amtstätigkeit<br />

der Baumeister falle. Insofern, so die Argumentation weiter, sei nun<br />

ein Eid vor Gericht für ihre Zeugenaussage unnötig, da sie als Amtspersonen<br />

504 F26, S. 47, 48.<br />

505 F26, S. 99.<br />

506 F26, S. 49.<br />

507 F26, S. 45.<br />

240


qua Amtseid und öffentlichem Recht 508 in Angelegenheiten, die ihr Amt beträfen,<br />

keinen Zeugeneid abzulegen brauchten. 509 Dass dies nicht üblich sei, gehe<br />

daraus hervor, dass sie beispielsweise bei der Einschreibung von Hypotheken,<br />

Kautionen oder Shtarotbriefen in die städtischen Insatzbücher qua Amt, aber<br />

ohne Eidesableistung aussagen müssten. 510 Da dies eine wesentlich wichtigere<br />

Sache darstelle als der konkrete Fall wegen der Töpfe, „so kann man ihnen<br />

auch in dieser Sache denselben nicht aufdringen“. 511 Unterstützend wird dazu<br />

eine städtische Rechtsquelle hinzugezogen, eine „Frankfurter Verordnung“ von<br />

1738, die festlege, dass bei einem Streitwert unter 15 fl. keine Zeugenvereidigung<br />

vorgenommen werde, sondern eine Angelobung an Eidesstatt ausreiche.<br />

Da nun die Streitsache zwischen Wohl und Buchbaum um einen Betrag von<br />

jährlich nicht mehr als 6 fl. geführt werde, sei auch aus dieser Erwägung heraus<br />

die Eidablegung unnötig. 512<br />

Dem nun widerspricht der Magistrat auf mehreren Ebenen. So dürften<br />

vor Gericht per se keine unbeeidigten Zeugen auftreten, wobei es keine Rolle<br />

spiele, ob diese „in einem offentlichen Amt“ stünden oder nicht. 513 Der Amtseid<br />

bedeute nämlich lediglich, dass das Amt „getraulich und gewissenhaft“ verwaltet<br />

werde, umfasse aber nicht die Wahrheitspflicht in „causis privatorum“.<br />

Abgesehen davon würden die Baumeister aber zudem „auf dieses ihr Amt<br />

nicht besonderlich eidlich verpflichtet“. 514 Es wird also unterstellt, dass sich<br />

die Baumeister in ihrer Argumentation auf ihren Amtseid berufen hätten,<br />

was sie jedoch tatsächlich gar nicht getan hatten. Vielmehr fand offenbar eine<br />

Umdeutung der Aussage der jüdischen Kläger statt, dass der Konfliktfall in<br />

ihren Amtsbereich falle. Bemerkenswerterweise wird dabei vom Magistrat<br />

die Annahme der Kläger, dass sie in einem öffentlichen Amt stünden, nicht<br />

hinterfragt, sondern vielmehr, nicht zuletzt durch die Auswahl der juristischen<br />

Belegstelle, bestätigt.<br />

Die städtische Verordnung könne nicht greifen, da der Streitwert im gegenständlichen<br />

Fall unklar sei – selbst wenn es sich aber auf die von den Klägern<br />

angegebenen 6 fl. jährlich beschränke, kämen doch in den drei Jahren<br />

der Vertragslaufzeit der Garköche insgesamt mehr als 15 fl. zusammen. 515 Es<br />

508 Hierbei wird verwiesen auf Seyfart, Johann Friedrich: Teutscher Reichsprozeß, Halle 1738, der<br />

sich mit dem Prozessrecht in Preußen beschäftigte.<br />

509 F26, S. 45.<br />

510 F26, S. 46.<br />

511 F26, S. 46.<br />

512 F26, S. 46, 47.<br />

513 F26, S. 100, 101. Hierbei wird verwiesen auf Speckhan, Eberhard: Quaestionum et Decisionum<br />

Iuris Caesarei, Pontificii, Statutarii, Consuetudinarii et maxime Saxonici, Centuria Secunda,<br />

3 Bde., Wittenberg 1620/1621.<br />

514 F26, S. 100, 101.<br />

515 F26, S. 101, 102, 103, 104.<br />

241


könne dem Magistrat zudem aus der Nicht-Vereidigung bei der Einschreibung<br />

der Hypotheken kein Präjudiz entstehen, da die Baumeister bei einer<br />

Falschaussage, wie in der kaiserlichen Resolution von 1728 festgelegt, persönlich<br />

hafteten, mithin die Wahrheitstreue ihrer Aussagen angenommen werden<br />

könne. Gleichwohl habe man selbst in diesen Fällen, falls Unklarheiten<br />

oder Widersprüchlichkeiten auftreten sollten, eine nachträgliche Vereidigung<br />

nie ausgeschlossen. 516 Damit hinterfragt man von magistratischer Seite also<br />

die rechtschaffene Intention der baumeisterlichen Amtshandlung, die nur<br />

durch persönliche Haftung sichergestellt werden könne, und unterstützt diese<br />

Annahme zugleich durch kaiserliche Rechtsanwendung, wobei wiederum auf<br />

die Kommissionsverfahren verwiesen wird, in deren Zusammenhang die kaiserliche<br />

Resolution erlassen wurde.<br />

Zuletzt wird grundsätzlich die jurisdiktionelle Befähigung der Baumeister<br />

bestritten. Es dürften die Baumeister nämlich laut Stättigkeit § 99 nur in<br />

„geringen und liederlichen Sachen“ sprechen, wozu aber der vorliegende Fall<br />

nicht gehöre. Besonders sei ihnen nur gestattet, eine gütliche Lösung zu suchen,<br />

wann immer es also zum Konfliktfall komme, greife die magistratische Jurisdiktion:<br />

„[…] mithin es sich von selbst verstehet, daß wenn die Güte keinen Platz<br />

greift, den Parthien den in Absicht der rechtlichen Entscheidung allein<br />

competenten Christlichen Richter zu suchen unbenommen bleibe, demnach<br />

gegenwärtige Sache nicht vor die Jüdische Baumeister, sondern vor<br />

die Gerichtsstelle, wo sie der Jude Wohl angebracht hat, und dermal geendet<br />

ist, gehöre, […].“ 517<br />

Dass dabei die Baumeister ihre Zeugenaussage nicht grundsätzlich, sondern<br />

nur in Bezug auf die Vereidigung verweigert hätten, bedeute eine stillschweigende<br />

Zustimmung und Anerkennung der „Competenz des von dem Kläger<br />

erwählten Gerichts Standes“. 518<br />

Diesmal folgt nun der Reichshofrat vollständig der Argumentation des<br />

Magistrates. Zwar gebe es ganz verschiedene Rechtsmeinungen zur Vereidigung<br />

von Amtspersonen, wobei er auf vier juristische Belegstellen rekurriert, 519<br />

und könne diese Rechtsfrage nicht letztgültig geklärt werden, da aber bei den<br />

516 F26, S. 102, 103.<br />

517 F26, S. 105 (Unterstreichung wie im Original).<br />

518 F26, S. 105, 106.<br />

519 Dabei verweist er auf die Werke von drei Professoren für römisches Recht (Leyser, Schrader,<br />

Struve) sowie auf die Abhandlung des hannoveranischen Justizkanzleidirektors Strube, der sich<br />

nach praktischer Tätigkeit am Oberappellationsgericht Celle und als Landsyndicus des Hochstiftes<br />

Hildesheim mit Rechtsanwendungsfragen aus dem Bereich des Privat-, Straf-, Verwal-<br />

242


Baumeistern kein vom Magistrat abgenommener Amtseid vorhanden sei,<br />

könne dies grundsätzlich nicht greifen. 520 Damit vollzog der Referent Steeb<br />

also eine Gleichsetzung von Amtsbekleidung und Amtseid. Daher anerkenne<br />

er auch nicht, dass dies eine den Amtsbefugnissen der Baumeister unterliegende<br />

Rechtssache sein könne, zumal die Stättigkeit nur die Spruchtätigkeit<br />

in geringen Sachen vorsehe, nicht jedoch im Konfliktfall. 521 Auch sei der Eid<br />

keine „beschimpfende Handlung“ und es könne „denen Juden kein Vorrecht<br />

vor denen Christen hierinnfalls“ zustehen. 522<br />

Gleich dem Magistrat sehe er, so Steeb weiter, in der Hypothekenbezeugung<br />

kein hinlängliches Präjudiz, da die Baumeister „für die Warheit mit ihrem eigenen<br />

Beutel zu haften haben“, 523 und auch der Streitwert übersteige die Summe,<br />

die eine Anwendung der Frankfurter städtischen Verordnung zu Gunsten der<br />

Baumeister möglich mache. 524<br />

Insbesondere vor dem Hintergrund dieses Verfahrens stellt sich die Frage,<br />

warum man sich von Seiten der jüdischen Kläger in einer scheinbar alltäglichen<br />

Angelegenheit an das kaiserliche Gericht wandte und einen so kostspieligen<br />

Prozess riskierte, dessen Ausgang gänzlich ungewiss war. Mehrere<br />

Interpretationsansätze sind denkbar: Zunächst war eine Eidesleistung per se<br />

nach jüdischem Recht zu vermeiden, da die Gefahr eines Meineides und der<br />

einem Eid immanenten Vorstellung der Selbstverfluchung unter allen Umständen<br />

ausgeschlossen werden sollte. 525 Auch beinhalteten speziell Eide für Juden<br />

oftmals eine diffamierende und erniedrigende Komponente, 526 gegen die man<br />

sich hierbei möglicherweise, wenn auch nicht direkt, zur Wehr setzen wollte.<br />

Dafür spricht die Aussage der Baumeister in ihrer Klageschrift:<br />

„[…] daß dieses eine Sache seye, welche ihr Amt betreffe, und daß sie also<br />

mit Leistung des Zeugeneides verschonet werden müsten, sie seyen ehrliche<br />

tungs- und Staatsrechts beschäftigte. Zu Leben und Werk Strubes siehe Frensdorff, Ferdinand:<br />

Art. Strube, David Georg. In: ADB, Bd. 36, Leipzig 1896, S. 635–639.<br />

520 F26, S. 137, 138.<br />

521 F26, S. 137, 138.<br />

522 F26, S. 139.<br />

523 F26, S. 138.<br />

524 F26, S. 138, 139.<br />

525 Siehe dazu Grebner, Gundula: „der alte Raby hait eyn gemeyn buche in syner hant gehabt …“<br />

Jüdische Eidesleistungen in und um Frankfurt am Main (14.–16. Jahrhundert). Eine Phänomenologie.<br />

In: Backhaus, Fritz et al. (Hrsg.): Die Frankfurter Judengasse, S. 145–160. Gotzmann,<br />

Andreas: Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit, S. 422, 423, 452, 453. Außerdem einführend<br />

Greenberg, Moshe/Cohn, Haim Hermann/Elon, Menachem: Art. Oath. In: Encyclopaedia<br />

Judaica, Vol. 15, Detroit 2007 2 , S. 358–364.<br />

526 Siehe dazu Levitats, Isaac: Oath More Judaico or Juramentum Judaeorum. In: Encyclopaedia<br />

Judaica, Vol. 15, Detroit 2007 2 , S. 364–365.<br />

243


Leuthe, und würden in dieser ihr Amt betrefender Sache die Wahrheit so<br />

gut aussagen, als wenn sie wirklich den Zeugeneid geschworen hätten.“ 527<br />

So drückt die Wortwahl der „Verschonung“ bereits eine implizierte Unannehmlichkeit<br />

der Eidesleistung aus, insbesondere aber der Verweis, dass sie<br />

„ehrliche Leuthe“ seien, zeigt, dass dem Eid die Vorstellung der Lüge implizit<br />

war, also aus Sicht der jüdischen Kläger den moralischen Vorwurf beinhalte,<br />

dass nur unter Zwang wahrheitsgemäß ausgesagt werde. Dass sie sich explizit<br />

gegen diese Vorannahme wehrten, könnte auf ein, in einer rationalen Moral<br />

begründetes, neue verinnerlichtes Pflichtbewußtsein verweisen und damit die<br />

Forderung nach rationaler Legitimation und neuen „Verfahren zur Begründung,<br />

Sicherung und Durchsetzung von pflichtgemäßem Verhalten“ beinhalten,<br />

wie sie für die Aufklärung typisch sei. 528<br />

2.d.6 Totum pro parte – ein jüdischer Privatprozess<br />

Abschließend soll die mögliche Wirksamkeit von Gemeindeverfahren für Prozesse<br />

von Privatpersonen exemplarisch anhand des Verfahrens des Frankfurter<br />

Gemeindemitglieds Wolf Isaac Arnstein gegen den Frankfurter Schöffenrat<br />

beleuchtet werden. Arnstein ging es dabei, ähnlich wie im Fall David Michael<br />

Mayers, darum, trotz Abwesenheit von Frankfurt seine Stättigkeit in der jüdischen<br />

Gemeinde aufrechtzuerhalten. Die Baumeister waren an diesem Verfahren<br />

offiziell nicht beteiligt.<br />

Da das Verfahren hier nicht in seiner gesamten rechtlichen Argumentation<br />

von Interesse ist, sollen nur jene Rechtsquellen heraus gegriffen werden, die<br />

Parallelen zu den baumeisterlichen Prozessen erkennen lassen – kaiserliche<br />

Privilegien, Observanz, Rechtsanwendung und Verfahrensfehler. So führt Arnsteiner<br />

unter anderem in seiner Argumentation an, dass seine vom Magistrat<br />

erzwungene Rückkehr bei widrigenfalls Dezimation seines Vermögens einer<br />

Vertreibung gleich komme, die er durch nichts verschuldet habe, da er immer<br />

alle Abgaben bezahlt habe und ihm daher nicht einseitig der Schutz aufgekündigt<br />

werden könne. Dabei verweist er neben der Stättigkeit auf das Privileg für<br />

die Frankfurter Juden von Kaiser Matthias vom 13. November 1612, das von<br />

Joseph II. am 4. März 1766 bestätigt worden war:<br />

527 F26, S. 42, 43.<br />

528 Holenstein, André: Seelenheil und Untertanenpflicht. Zur gesellschaftlichen Funktion und theoretischen<br />

Begründung des Eides in der ständischen Gesellschaft. In: Blickle, Peter (Hrsg.): Der<br />

Fluch und der Eid, S. 11–63, hier S. 48, 51, 57, 62, 63. Siehe auch Luminati, Michele: Art. Eid. In:<br />

EdN, Bd. 3, Sp. 90–93.<br />

244


„[…] Stehet vermög derselben nicht in des Magistrats Macht, ein, oder<br />

andern jüdischen Einwohner wider die – die dasige Judengemeinde<br />

schützende kayserliche Privilegia, nach Willkühr, zu vertreiben, noch<br />

ihm unverschuldet den Schutz aufzusagen, sondern es muß vielmehr<br />

c.) derjenige, so einmal die Stättigkeit erlangt hat, und alle Jahr die<br />

Gebühr davon bezahlt, dabey gelassen werden, und diese – von einer<br />

kayserlichem [sic] hohen Commission dem Magistrat vorgeschriebene<br />

– von Euer Kayserlichen Mayestät selbst bestättigte allgemeine Regul,<br />

leidet gewißlich bey löblichen – und nöthigen Abwesenheitsfällen keine<br />

Ausnahm, vielweniger darf d.) der Magistrat die gemeine Judenschaft,<br />

folglich auch deren Individua, und einzelne Mitglieder derselben /: ad litteram<br />

zu reden :/ ‚ohne Allerhöchst Kayserliche Bewilligung, mit neuen<br />

Verordnungen, und andern ohnhergebrachten Oneribus zu beschweren<br />

sich unterfangen.‘“ 529<br />

Abgesehen davon, dass analog zu den baumeisterlichen Verfahren die Jurisdiktion<br />

des Magistrats als gegen die kaiserlichen Gesetze gewandt beschrieben<br />

wird, der jedoch dazu „keine Macht“, also keine Handlungsbefugnis habe, ist<br />

zu sehen, wie die Rechte der Gemeinde analog auch für und von einzelnen<br />

Gemeindemitgliedern eingefordert werden konnten. Besonders interessant<br />

aber ist, dass die notarielle Beglaubigung der Privilegienabschrift vermerkt,<br />

dass die Kopie vom Originalprivileg und Bestätigung durch Kaiser Joseph II.<br />

1766 erstellt wurde, dem „in rothen Sammet gebundenen und auf Pergamen<br />

ausgefertigten Allerhöchsten Original Gnadenbrief“. 530 Offensichtlich wurden<br />

diese Privilegien in der Gemeinde aufbewahrt und waren für Verfahren von<br />

einzelnen Gemeindemitglieder zugänglich und „verleihbar“, was wiederum auf<br />

eine gute Archivierung innerhalb der Gemeinde schließen lässt und die aktive<br />

Hilfestellung der Gemeindeleitung in Prozessen von Privatpersonen nahe legt.<br />

Ähnliches zeigt die Beiziehung zweier einschlägiger Reichshofratsprozesse.<br />

So wird zum ersten auf einen Prozess zwischen der Frankfurter Judenschaft<br />

und dem Magistrat bezüglich der Kautionsleistung zeitweise auswärts wohnender<br />

jüdischen Kinder verwiesen sowie auf das darin ergangene Reichshofratskonklusum<br />

von 1735, 531 das die Aufrechterhaltung des Stättigkeits-<br />

529 F21, S. 46–48.<br />

530 F21, S. 127.<br />

531 Damit ist vermutlich das Verfahren HHStA, RHR denegata recentiora K 360, F7 „Hertz Benedict<br />

Beyfuß Schutzjude Ff contra Bürgermeister und Rat pct. appellationis“, Laufzeit laut Findbuch<br />

1736–1740, gemeint, das die Bezahlung des 10. Pfennigs auswärts lebender Stättigkeitsanwärter<br />

betraf – es ist bezeichnend, dass hier die Judenschaft als Kläger genannt wird, obwohl<br />

offiziell auch in diesem Verfahren ein einzelnes Gemeindemitglied klagte.<br />

245


anspruches dieser Kinder sicherte. 532 Sodann die kaiserliche Resolution der<br />

Kommissionsverfahren von 1728, die dem Magistrat jeglichen Eingriff in die<br />

und Veränderung der Stättigkeit untersagte. 533 Beide Konklusa wurden als<br />

Anlage beigefügt und waren damit also dem Gemeindemitglied Arnsteiner<br />

oder seinem Anwalt nicht nur bekannt, sondern auch verfügbar.<br />

Am stärksten jedoch fokussiert Arnstein in seiner Argumentation auf das<br />

am Reichshofrat anhängige Verfahren der Judengemeinde gegen den Magistrat<br />

bezüglich der Abzugsgelder, 534 das, wie bereits gesehen, 73 Jahre am Reichshofrat<br />

mit Unterbrechungen verhandelt wurde und in dem 1738 ebenfalls ein<br />

Konklusum zugunsten der Judenschaft ergangen war. Auch dieses findet sich<br />

als Anlage des Libellum gravaminum. Arnstein macht geltend, dass die Schöffenratsdekrete<br />

gegen ihn als „wahre Attentata, in der – vor Euer Kayserlichen<br />

Mayestät Justiz-Thron geraume Jahre liegenden Appellations-Sach“ anzusehen<br />

seien, obwohl „dem Magistrat pendente appellatione sich kein Attentatum<br />

zu Schulden kommen zu lassen ausdrücklich befohlen worden“. 535 Da es sich<br />

aber in Arnsteins Fall um „identitatem, et continentiam causarum“ 536 handle<br />

wie im Reichshofratsverfahren der Baumeister, sei vom Magistrat gegen die<br />

Rechtshängigkeit verstoßen sowie die explizite Auflage, keine weiteren Urteile<br />

in dieser Sache ergehen zu lassen, überschritten worden. Es wird damit also<br />

die Rechtshängigkeit eines gänzlich unabhängigen Gemeindeverfahrens für<br />

das Verfahren eines Gemeindemitgliedes als Argumentationsstrategie genutzt.<br />

Leider ist kein Votum des Referenten in dieser Sache erhalten, da es bereits nach<br />

kurzer Verfahrensdauer zu einem Vergleich kam – es ist aber anzunehmen,<br />

dass die Appellationsklage am Reichshofrat das ihrige dazu beigetragen hatte.<br />

2.d.7 Übergreifende rechtliche Argumentationsmuster<br />

Beleuchtet man nun die zwölf Verfahrensanalysen in Hinblick auf übergreifende<br />

Argumentationsmuster, so wird zunächst unmittelbar deutlich, wie viele<br />

unterschiedliche Rechtsquellen in den untersuchten Prozessen heran gezogen<br />

wurden, wie breit also das Spektrum an rechtlichen Argumentationselementen<br />

war, das jüdischen Prozessparteien am Reichshofrat zur Verfügung stand.<br />

Wenngleich dabei keine quantitativen Erhebungen möglich sind, tritt doch<br />

neben der bereits erwarteten Gewichtung der kaiserlichen Privilegien die<br />

532 F21, S. 41, 43.<br />

533 F21, S. 49, 50.<br />

534 Siehe F1.<br />

535 F21, S. 52, 53.<br />

536 F21, S. 53.<br />

246


Dominanz der Rechtsquellen Observanz, vor allem einer spezifischen Observanz<br />

der jüdischen Gemeinde, und städtische wie kaiserliche Rechtsanwendung<br />

hervor, die in beinahe allen Verfahren zum Tragen kamen, ebenso wie Verfahrensfehler<br />

durchgängig geltend gemacht wurden. Dies sei daher abschließend<br />

noch einmal genauer beleuchtet.<br />

Dass eine durch konkrete Einzelregulierungen charakterisierte Rechtsquelle<br />

wie die Stättigkeit offensichtlich zunehmend als diskrepant zur sich verändernden<br />

Lebenswelt und unzureichend erfahren wurde, zeigt ein Großteil der<br />

Verfahren, in denen Stättigkeitsparagraphen entweder strittig wurden oder<br />

aber Regulierungen gänzlich fehlten, da beispielsweise ein neuer Warenhandel<br />

entstanden war oder gemeindliche Steuerleistungen neue Kontrollinstrumente<br />

erforderten. Die normative „Lücke“, die sich dadurch ergab, bot Interpretations-<br />

und Handlungsspielräume sowohl für die jüdische Gemeinde wie auch<br />

den Magistrat, die man auf beiden Seiten zugunsten des eigenen Machterwerbs<br />

oder zumindest Kompetenzerweiterung nutzen wollte. Während dem Magistrat<br />

durch seine Jurisdiktion dazu ein konkretes Handlungsinstrument zur<br />

Verfügung stand, nutzte die jüdische Gemeinde ihren direkten Zugang zum<br />

kaiserlichen Höchstgericht, um Verordnungen des Magistrats zu blockieren<br />

und im positiven Fall zu ihren Gunsten zu verändern.<br />

Vor dem Reichshofrat, dessen jurisdiktionelle Zuständigkeit im Übrigen<br />

in keinem der Verfahren hinterfragt wurde, wurde die kaiserliche Willensmeinung,<br />

oder moderner ausgedrückt die gesetzgeberische Intention, zum<br />

Schlüssel der Interpretation. Beide Seiten, sowohl die jüdischen Baumeister<br />

als auch der Magistrat, versuchten sich dabei als alleiniger kaiserlicher Interessen<br />

vertreter zu etablieren. Die jüdische Gemeindeleitung tat dies über die<br />

Gleichsetzung ihrer Rechte mit den kaiserlichen Rechten. Indem sie nämlich<br />

ihre Rechte gegen die Übergriffe des Magistrats verteidige, wahre sie ebenso<br />

die Reservatrechte des Kaisers. Dabei wurden in zweierlei Hinsicht Gegenseitigkeitsverhältnisse<br />

aufgebaut: zum einen ein Gehorsam-Schutz-Prinzip<br />

mit dem Kaiser, zum anderen aber auch ein Gehorsam-Autonomiewahrungs-<br />

Prinzip mit dem Magistrat. Nur wenn letzterer eine umfassende Wahrung der<br />

Gemeindeautonomie entsprechend der von ihm vermeintlich im Sinne des<br />

Kaisers ausgelegten strittigen Privilegienrechte garantiere, könne man seinen<br />

Anordnungen als Obrigkeit Folge leisten. Andernfalls würden diese durch<br />

Nichtbeachtung oder Klage am Reichshofrat ausgesetzt. Dabei legte man die<br />

Vorstellung zugrunde, dass der Magistrat und die jüdische Gemeinde Vertragspartner<br />

in Hinblick auf die Stättigkeit, die das gemeinsame Miteinander<br />

regle, seien, also hierarchisch auf gleicher Stufe stünden. Die dem Magistrat<br />

unterstellte aggressive Handlungsstrategie, die kaiserlichen Rechte durch seine<br />

247


Jurisdiktion wenn nicht auszusetzen, so doch zumindest zu seinen Gunsten<br />

zurück zu drängen, konnte dieser Vorstellung zufolge daher als unrechtmäßig,<br />

weil nicht in seiner Macht stehend, reklamiert werden.<br />

Dem setzte der Magistrat eine gänzlich andere Argumentationsstrategie<br />

entgegen. Aus seinem kaiserlich privilegierten Obrigkeitsrecht, aus reichsständischen<br />

Rechten sowie als Gewalthaber der Policeyaufsicht versuchte er,<br />

vor dem Reichshofrat seine umfassende Entscheidungsbefugnis über sowohl<br />

christliche wie jüdische Untertanen zu behaupten. Dass er dabei stets im Sinne<br />

der kaiserlichen Gesetzgeberintention handle, fundierte er zum einen in einem<br />

religiösen Bezugsrahmen, indem er nämlich in erster Linie die (Vorzugs)Rechte<br />

der christlichen Bürger schützen und eine Auslegung strittiger Regulierungen<br />

daher immer in deren Sinne interpretieren müsse, zum anderen aber in einem<br />

mehr politischen als rechtlichen Verweissystem auf das Gemeine Beste, den<br />

Gemeinen Nutzen und die Vernünftigkeit, in das nicht nur die Rechte der<br />

jüdischen Gemeinde, sondern aller Bürger miteinbezogen werden müssten. In<br />

dieser Vorstellung nun kamen die Abwehrversuche der jüdischen Gemeinde<br />

von magistratischen Regulierungen dem Versuch gleich, sich bewusst und<br />

zunehmend der magistratischen Jurisdiktion zu entziehen, eine eigene, konkurrierende<br />

Rechtssprechung aufzubauen, die die Gemeinde abschotte und<br />

unkontrollierbar mache, wie es mehrfach im Bild des „statum in statu“ veranschaulicht<br />

wurde.<br />

Beide Prozessparteien fundierten ihre jeweilige Auslegung der kaiserlichen<br />

Gesetzesintention in der Heranziehung verschiedener Rechtsquellen, so vor<br />

allem weiterer kaiserlicher Privilegien, wobei hier jüdischerseits die kaiserlichen<br />

Stättigkeitskonfirmationen besonders hervor traten, aber auch zahlreicher<br />

gemeinrechtlicher sowie dem ius publicum entnommenen Rechtsregeln<br />

und juristischer Werke, der Observanz in sowohl städtischem wie innergemeindlichem<br />

Kontext sowie ganz besonders häufig durch kaiserliche Rechtsanwendung<br />

und Beispielfälle. Während die jüdischen Kläger vor allem auf<br />

andere Reichshofratsverfahren der jüdischen Gemeinde und darin ergangene<br />

Zwischenbescheide, Prozessschriften und Urteile rekurrierten, bezog sich der<br />

Magistrat vor allem auf die Kommissionsverfahren während des Frankfurter<br />

Verfassungsstreites zu Beginn des 18. Jahrhunderts als normative Quelle.<br />

Als weitere bedeutende Rechtsquelle trat die Observanz in unterschiedlichen<br />

Formen hervor. Dabei wurden verschiedene Teilobservanzen versucht geltend<br />

zu machen, so eine städtische Observanz, eine Observanz der jüdischen<br />

Gemeinde, in F24 gar die Observanz einer jüdischen Stiftung. Übergreifend<br />

war zu beobachten, dass, wenngleich man zwar versuchte, einzelne Observanzbestandteile<br />

als nicht existent oder ungültig darzustellen, der grundsätzlichen<br />

248


Rechtsgültigkeit und Legitimität der Observanz als dem schriftlichen Gesetz<br />

gleichwertige Rechtsquelle von keiner Prozesspartei, auch nicht vom Reichshofrat,<br />

widersprochen wurde. Vielmehr wurde deren Ausbildung und Gültigkeit<br />

unter bestimmten Kriterien, insbesondere auch innerhalb der jüdischen<br />

Gemeinde, als selbstverständlich betrachtet. Eben diese Kriterien waren nun<br />

aber der Ansatzpunkt, um eine von der Gegenpartei beanspruchte Observanz<br />

anzugreifen. Die Vielzahl an Bedingungen, die in den Quellen postuliert<br />

wurden, um eine Observanz gültig werden zu lassen, seien nochmals<br />

zusammengefasst: lange Dauer, Kontinuität, nicht gegen das kaiserliche Gesetz<br />

gerichtet oder die Rechte anderer einschränkend, (begrenzte) Öffentlichkeit<br />

und Bekanntheit, Vernünftigkeit, dem gemeinen Nutzen dienend sowie einen<br />

genau definierten Personenkreis umfassend (im Falle der jüdischen Observanz<br />

entweder für die Frankfurter Juden oder aber für alle Judengemeinden, nicht<br />

hingegen für Christen). Belegt oder bewiesen wurden Observanzen in den<br />

vorliegenden Fällen durch Zeugenaussagen, vor allem aber durch Rechtsanwendung,<br />

so bei innerjüdischen Fällen auch der jüdischen Rechtsanwendung<br />

im weitesten Sinne, und durch Beispielfälle. Ebenso konnte sie wiederum durch<br />

gegenteilige Beispielfälle oder aber durch Nichteinhaltung, wie in F22 gesehen,<br />

delegitimiert werden.<br />

Besonders trat die Rechtsquelle der „jüdischen Observanz“ hervor, wie sie<br />

in den Quellen benannt wird, die eine der wichtigsten Argumentationsgrundlagen<br />

der jüdischen Kläger in allen analysierten Verfahren darstellte. In einem<br />

genuin religiösen Kontext trat sie dabei in den Prozessen bezüglich Unzucht<br />

und Zeremonial hervor, in denen weitreichende Überschneidungen mit jüdischem<br />

Recht nahe gelegt wurden, wenngleich sie durchaus nicht so zweifelsfrei<br />

vorhanden waren, wie von den Klägern suggeriert. Inwiefern hier eine<br />

Deckungsgleichheit der Observanz mit innerjüdischem Brauchtum, den teils<br />

gemeindespezifischen, teils gemeindeübergreifenden Minhagim, vorhanden<br />

war, inwiefern sich also christliche und jüdische Rechtsvorstellungen überlappten<br />

und ergänzten, muss offen bleiben, wenngleich bei diesen Verfahren<br />

deutliche Ansätze zu einer solchen Überlappung zu erkennen waren. Dafür<br />

spricht auch die ausschließliche Belegung jüdischen Brauchtums und Rechts<br />

durch christliche Autoren. Wenngleich dies sicherlich in erster Linie den Effekt<br />

der erhöhten Legitimierung erzielen sollte, zeigt es, dass man die Darstellung<br />

jüdischen Lebens in christlich-rechtlichen Denkkategorien sowohl rezipierte<br />

und für sich zu nutzen wusste, damit zugleich aber auch festschrieb und perpetuierte.<br />

In Hinblick auf die Fallgruppe der Immobilienverfahren hingegen wurde<br />

die Rechtskraft der jüdischen Observanz im Ausfluss der, zumindest von den<br />

jüdischen Klägern, als rechtskräftige Urkunde bewerteten Chaluta deutlich.<br />

249


Dass der Magistrat dabei bis in die 1790er Jahre offensichtlich noch nie ein<br />

solches Dokument in deutscher Übersetzung gesehen hatte, zeigt, wie wenig<br />

dessen umfassender Kontroll- und Zugriffsanspruch bis dato Realität war und<br />

wie umfassend hingegen die Gemeindeleitung solche Angelegenheiten autonom<br />

in einem amtsförmigen Ablauf regeln und konstitutive Gegebenheiten,<br />

wie eben die Einführung der Chaluta, schaffen konnte, die der Magistrat auch<br />

durch Zwangsmittel nicht mehr zu stoppen oder zu delegitimieren vermochte.<br />

Übergreifend wurde dabei vor allem vom Magistrat, aber auch vom Reichshofrat,<br />

die Unterlassung der Bescheinigung oder des Beweises von Observanzen<br />

kritisiert, teilweise vom Reichshofrat auch sanktioniert. Dadurch wurde die<br />

zeitgenössische Problematik dieser Rechtsquelle mehr als deutlich, deren nicht<br />

schriftlicher Charakter zunehmend an einer steigenden Bürokratisierung und<br />

Verschriftlichung von Recht anstieß sowie einem Kodifikationsdruck unterlag.<br />

Denn wenn beispielsweise, wie in F20 gesehen, eine Observanz von Prozessparteien<br />

verschieden erinnert und rechtsgeltend gemacht werden konnte, musste<br />

dies der Tendenz zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Rechts freilich<br />

grundlegend widersprechen.<br />

Als weitere zentrale Rechtsquelle konnten verschiedene Ebenen von Rechtsanwendung<br />

herausgearbeitet werden. In erster Linie wurde dabei die reichshofrätliche<br />

Rechtsanwendung von den Prozessparteien sowohl als eigenständige<br />

Rechtsquelle wie auch zur Begründung der Auslegung von kaiserlichen Privilegien<br />

und Observanz genutzt. Dabei wurden auf Seiten der jüdischen Kläger<br />

nicht nur Urteile und Prozessschriften bereits abgeschlossener Verfahren, sondern<br />

auch zeitgleich anhängige Prozesse genutzt. Als besonders bemerkenswert<br />

fiel der offensichtlich problemlose Zugriff auf Verfahrensakten selbst jahrzehntealter<br />

Prozesse auf, der Rückschlüsse auf ein gut sortiertes Gemeindearchiv<br />

zuließ. Offensichtlich bildete das Ganze mehr als die Summe seiner Teile, insofern<br />

beispielsweise in der Fallgruppe um die Immobilienkonflikte mehrfache<br />

Einzelappellationen eine erstinstanzliche Klage um ein gravamen continuum,<br />

das sich aus der Existenz der Einzelfälle begründete, ermöglichen konnte. Je<br />

mehr Prozesse daher am Reichshofrat angestrengt wurden, desto mehr potentielle<br />

Präjudizfälle wurden erzeugt und desto höher war die Wahrscheinlichkeit,<br />

die grundlegende Problematik, die sich aus ähnlich gelagerten Fällen ergab, an<br />

sich und nicht „nur“ für konkrete Fälle verhandelbar zu machen.<br />

Jedoch wurde auch in den Einzelappellationen übergreifend deutlich, dass in<br />

den Prozessschriften oftmals der konkrete Ursprungskonflikt der Vorinstanz<br />

in den Verfahren am Reichshofrat zurück trat und vielmehr grundsätzliche<br />

Machtkonflikte zwischen jüdischer Gemeinde und dem Magistrat verhandelt<br />

wurden. Dass dabei nicht nur die jüdischen Kläger, sondern auch der Magistrat<br />

250


vielfach auf andere Reichshofratsverfahren zurück griffen, zeigt zugleich, dass<br />

man sich beiderseits bewusst war, wie zentral das vom Richter gesetzte Recht<br />

für die Entscheidungsfindung war. Dies verweist auf das bereits beschriebene<br />

Auseinandertreten von Gesetzgebertätigkeit und Geltungserzeugung, wie sie<br />

auch Thomas Simon in seiner Studie beschrieb, 537 insofern nämlich neben der<br />

Publikation und Bekanntmachung von Gesetzen auch die Durchsetzung von<br />

Recht durch die Gerichte als zentrales Vehikel zur Herstellung von Rechtsgeltung<br />

fungierte. Möglicherweise war es gerade deshalb von besonderer<br />

Bedeutung, grundsätzliche Konflikte, die, wie in den vorliegenden Verfahren,<br />

auch politische Forderungen enthielten, am Höchstgericht zu positionieren<br />

und festzuschreiben. Wenngleich ihnen dort nur eine sehr eingeschränkte<br />

Öffentlichkeit zuteil wurde, war doch dies die Stelle, die grundsätzliche Gegebenheiten<br />

ändern, verbessern oder bewahren konnte und die aus dem wohl<br />

einzigen frühneuzeitlichen Diskursrahmen heraus, in dem eine prinzipielle<br />

Gleichwertigkeit und -berechtigung aller Beteiligten, ob jüdisch oder christlich,<br />

vorhanden war, Recht setzte.<br />

Auffallend häufig und übergreifend war weiters die Geltendmachung von<br />

Verfahrensfehlern in den analysierten Prozessen zu erkennen. Vor allem von<br />

den Baumeistern wurden Unförmigkeiten in den Verfahren der Vorinstanz<br />

reklamiert, so besonders häufig, wenn Urteile ohne Anhörung ergingen, Prozessschriften<br />

nicht weitergeleitet oder keine Möglichkeit zur Stellungnahme<br />

erteilt wurde(n). Offenbar diente dies in der Argumentation dazu, das Untergericht<br />

als nicht korrekt und parteiisch darzustellen, zeigte aber im Gegenzug<br />

auch, dass man Neutralität und Rechtsförmigkeit offenbar selbstverständlich<br />

erwarten und daher auch einklagen konnte.<br />

Von beiden Parteien wurde die Missachtung der Rechtshängigkeit von<br />

Appellationsverfahren am Reichshofrat scharf gerügt und auch vom Reichshofrat<br />

selbst sanktioniert – so von Seiten der Baumeister, wenn der Ma gistrat<br />

dennoch Dekrete erließ, von Seiten des Magistrats, wenn die Baumeister<br />

dennoch einen Bann verhängten. Dies zeigt, dass die Verhängung des Banns<br />

in der jüdischen Gemeinde auch vom Magistrat als Exekution eines Rechtsurteils<br />

angesehen wurde und deshalb im Falle der Missachtung der Litispendenz<br />

entsprechend den Tatbestand der Selbsthilfe erfüllte. Es zeigt zudem die hohe<br />

Überschneidung und Relation des christlichen und des jüdischen Rechtssystems,<br />

wenn Urteile im einen als Verfahrensfehler im anderen gewertet und<br />

geltend gemacht werden konnten. Deutlich wurde dies in den Prozesseingaben<br />

der Individualbeklagten in der Vorinstanz, die mehrfach Verfahrensformen<br />

537 Simon, Thomas: Geltung. Der Weg von der Gewohnheit zur Positivität des Rechts, S. 101, 102.<br />

251


christlicher Prozesse für innerjüdische Verfahren einzuklagen versuchten.<br />

Offenbar wurde hier durch den eigenen Umgang mit dem christlichen<br />

Rechtssystem die Differenzerfahrung zum jüdischen Rechtssystem als negativ<br />

erlebt und daher eine Angleichung angestrebt. Inwieweit sich dies tatsächlich<br />

in einem innerjüdischen Theoriediskurs fortschrieb, muss offen bleiben. Es<br />

könnte aber nahe legen, dass die alltägliche Auseinandersetzung einzelner<br />

Gemeindemitglieder mit christlichen Gerichten, also die Prozesspraxis, als<br />

Vehikel der Einflussnahme und dynamischen Anpassung der Rechtssysteme<br />

funktionierte.<br />

Die vielfache Einforderung der Beachtung der Rechtshängigkeit bestätigte<br />

außerdem die Befunde, die sich aus der formalen Analyse ergaben, nämlich den<br />

bereits vermuteten Suspensiveffekt, den Appellationsverfahren am Reichshofrat<br />

mit sich brachten. Hier lässt sich aus der ständig wiederkehrenden Argumentationsstrategie<br />

wohl tatsächlich auf eine Prozessmaxime schließen. Dabei<br />

scheint besonders interessant, dass der Reichshofrat die Einhaltung der Form<br />

bei den Untergerichten durchaus überwachte, während er selbst, in gleichsam<br />

geschützter Position, eine hohe Flexibilität diesbezüglich an den Tag legte.<br />

Es sei zuletzt noch auf ein letztes übergreifendes Argumentationsphänomen<br />

verwiesen, das sich als besonders bemerkenswert darstellte. So forderten<br />

die jüdischen Kläger mehrfach ihre Rechtsstellung als „cives Romani“ ein,<br />

die ihnen nach dem Römischen Recht in allen Rechtsbelangen, die nicht<br />

gesondert durch kaiserliche Privilegien geregelt waren, eine Gleichstellung<br />

mit christlichen Bürgern eröffnete. Damit übernahmen und nutzten sie eine<br />

rechtstheoretische Diskussion christlicher Juristen, die bereits zu Beginn des<br />

16. Jahrhunderts vor allem durch Reuchlin formuliert worden war, 538 um aktiv<br />

Rechtsschutz einzuklagen, aber auch um im Hinblick auf noch nicht regulierte<br />

Lebensbereiche rechtliche Gleichberechtigung legitim beanspruchen zu<br />

können. 539 Dabei wurde dies insofern weiterentwickelt, als man den Rechtsstatus<br />

nicht nur für Individuen, sondern auch für die Gemeinde als Ganzes<br />

beanspruchte. Sowohl aus den kaiserlichen Privilegien als auch aus der Observanz<br />

leitete man dabei Gemeinderechte her, die analog zu denen christlicher<br />

Gemeinden zu schützen seien. Je nach Fallbezug wurde dabei die Gemeinde<br />

als ökonomisch, religiös oder politisch verfasst beschrieben, flexibel angepasst<br />

auf die je unterschiedlichen Erwartungshaltungen, die man offensichtlich dem<br />

538 Battenberg, Friedrich: Rechtliche Rahmenbedingungen jüdischer Existenz, S. 66–69. Güde,<br />

Wilhelm: Die rechtliche Stellung der Juden in den Schriften deutscher Juristen des 16. und 17.<br />

Jahrhunderts, S. 47–66.<br />

539 Diesen Befund konnte Sabine Ullmann analog ebenfalls für Niedergerichte nachweisen: Ullmann,<br />

Sabine: Die jüdische Minderheit vor dörflichen Niedergerichten in der Frühen Neuzeit.<br />

In: Geschichte und Gesellschaft, 35 (2009), S. 534–560, bes. 534, 559, 560.<br />

252


kaiserlichen Gericht zuschrieb. Wäre der Reichshofrat in vollem Umfang auf<br />

diese Argumentationsstrategie eingegangen, hätte dies durch das von ihm<br />

gesetzte Recht, wie oben beschrieben, weitreichende Folgen haben können.<br />

Dass hierbei (noch) nicht mit naturrechtlichen Argumenten eine rechtliche<br />

Gleichstellung gefordert wurde, sondern vielmehr „konservative“ römischrechtliche<br />

Argumente genutzt wurden, mag auch zeigen, dass man von Seiten<br />

der jüdischen Kläger noch in struktur- und systemerhaltenden Kategorien<br />

dachte oder diese zumindest am Reichshofrat für zielführend erachtete, um<br />

auf deren Grundlage sukzessive weitere Freiräume erschließen zu können.<br />

Betrachtet man nun die Positionierung des Reichshofrats zu den Argumentationsstrategien<br />

der Prozessparteien, so lässt sich keine einheitliche Linie der<br />

Entscheidungsbegründungen erkennen. Zwar wurde aus den Voten deutlich,<br />

dass man durchaus geneigt war, die Gemeinderechte und damit die Autonomie<br />

der Gemeinde zu schützen, während hingegen die scheinbar angegriffenen<br />

obrigkeitlichen Machtbefugnisse wenig Aufmerksamkeit erhielten. Dennoch<br />

ließ man sich auf die von den jüdischen Klägern eingeführte Diskussion um<br />

ihre Rechtsstellung dabei nicht ein, sondern unterstützte vor allem in jenen Fällen<br />

die jüdische Position, in denen zugleich kaiserliche Rechte gewahrt werden<br />

konnten. Dass dies mitunter den gleichen Effekt hatte, nämlich die Wahrung<br />

der Gemeindeautonomie gegen die Übergriffe des Magistrats, sollte nicht darüber<br />

hinweg täuschen, dass dahinter keine einheitliche, pro-jüdisch intentionale<br />

Handlungsstrategie des Gerichtes zu vermuten ist. Bedeutsam ist daher<br />

vielmehr, dass den jüdischen Klägern die konservative Bewertung von Rechtsquellen,<br />

die offenbar am Reichshofrat auch noch am Ende des 18. Jahrhunderts<br />

vertreten wurde, zu Gute kam, dass nämlich partikulare Rechte, worunter ganz<br />

eindeutig auch Observanzen gezählt wurden, nach wie vor dem Gemeinen<br />

und Öffentlichen Recht voran gestellt wurden und dass gerade dadurch den<br />

jüdischen Klägern, individuell wie als Gemeinde, besonderer Rechtsschutz<br />

zuteil wurde. Mehrfach deutlich wurde zudem die auf gütliche pazifizierende<br />

Lösungen fokussierte Handlungsintention des Reichshofrats, womit sich die<br />

Befunde der Forschung auch in diesem Kontext bestätigen.<br />

3 Selbst- und Fremdbilder als Argumentationsstrategie<br />

der jüdischen Gemeindeleitung<br />

Parallel und ergänzend zu ihrer rechtlichen Argumentation benutzten die Prozessparteien<br />

in den untersuchten Verfahren Argumentationmuster, die Einblick<br />

in die gegenseitige konstruierte Wahrnehmung der Akteure, ihre Selbst- und<br />

253


Fremdbilder voneinander eröffnen. Diese sollen in der nachfolgenden Analyse<br />

in erster Linie als rhetorische Strategien wahrgenommen werden und nicht<br />

auf Identitätszuschreibungen oder -abbildungen befragt werden, wie dies ein<br />

klassisch kulturgeschichtlicher Ansatz erfordern würde. 540 Dies ist der Überlegung<br />

geschuldet, dass es sich um eine spezielle Kommunikationssituation<br />

handelt, innerhalb derer die vorliegenden Texte entstanden sind, insofern es<br />

sich um Plädoyers im klassisch rhetorischen setting eines gerichtlichen Prozesses<br />

handelt. 541 Weil besonders diese Kommunikationssituation innerhalb eines<br />

Verfahrens oder Prozesses aber ihrem Wesen nach agonal verfasst ist und in<br />

ihren persuasiven Strategien auf eine Performanz nach außen verweist, nicht<br />

auf eine Selbstversicherung nach innen, lassen sich damit nur schwer authentische<br />

Identitätskonzepte oder Wirklichkeitsbeschreibungen fassen. Damit<br />

soll gleichwohl nicht gesagt werden, dass Gerichtsakten per se letztere nicht<br />

abbilden können. Gerade die bedeutenden mikrogeschichtlichen Studien von<br />

Natalie Zemon Davis und Carlo Ginzburg haben dies eindrucksvoll gezeigt. 542<br />

Es sollte jedoch auch innerhalb von Gerichtsakten unterschieden werden, ob<br />

es sich etwa um Verhörprotokolle oder Supplikationen handelt, denen wohl<br />

eine höhere Realitätsnähe und Authentizität zugesprochen werden kann, oder,<br />

wie im vorliegenden Fall, genuin persuasiv konstruierte Plädoyers, die weniger<br />

informativ als vor allem fallentscheidend zugunsten der eigenen Position gegen<br />

die der anderen Seite wirken sollen. Auch wenn eine zumindest teilweise Kongruenz<br />

der Kommunikation der Gemeindeführung ins Gemeindeinnere mit<br />

den kommunizierten Inhalten vor Gericht möglich, wohl auch nahe liegend ist,<br />

540 Siehe dazu einführend Koselleck, Reinhart: Vergange Zukunft, Zur Semantik geschichtlicher<br />

Zeiten, Frankfurt am Main 1984 2 , S. 211–259. Auch Koselleck verweist auf die „suggestive Eigenkraft<br />

politischer Gegenbegriffe“ im sprachlichen Raum, also eine genuin rhetorische Dimension,<br />

siehe S. 214. Speziell zu ausgewählten jüdischen Selbst- und Fremdbildern siehe Bloch,<br />

René: Fremdbilder – Selbstbilder – Imaginationen des Judentums, Basel 2010. Nicht mit frühneuzeitlicher<br />

Thematik, aber dennoch einschlägig Hall, Stuart (Hrsg.): Representation: Cultural<br />

Representations and Signifying Practices, Glasgow 1997. Baberowski, Jörg: Selbstbilder und<br />

Fremdbilder, Frankfurt am Main 2008. Ders. et al. (Hrsg.): Dem Anderen begegnen. Eigene<br />

und fremde Repräsentationen in sozialen Gemeinschaften, Frankfurt/New York 2008. Kühnhardt,<br />

Ludger: Wahrnehmung als Methode, Mentalität, Kultur, Politik „des Anderen“ vor neuen<br />

Herausforderungen. In: Aschmann, Birgit/Salewski, Michael (Hrsg.): Das Bild „des Anderen“.<br />

Politische Wahrnehmung im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 2000, S. 9–20.<br />

541 Siehe Kopperschmidt, Josef: Allgemeine Rhetorik. Einführung in die Theorie der Persuasiven<br />

Kommunikation, Stuttgart [u.a.] 1976²: S. 140, 147. Ueding, Gert/Steinbrink, Bernd: Grundriss<br />

der Rhetorik. Geschichte – Technik – Methode. Stuttgart 1994 3 , S. 12, 28, 29, 123, 124. Ottmers,<br />

Clemens: Rhetorik, Stuttgart/Weimar 1996, S. 17–24, 196.<br />

542 Zemon Davis, Natalie: The Return of Martin Guerre, Cambridge, MA, 1983. Dies.: Fiction in<br />

the Archives: Pardon Tales and their Tellers in Sixteenth Century France, Stanford, CA, 1987.<br />

Ginzburg, Carlo: Il formaggio e I vermi, 1976. Siehe als aktuelle Einführung in mikrogeschichtliche<br />

Ansätze Ulbricht, Otto: Mikrogeschichte. Menschen und Konflikte in der Frühen Neuzeit,<br />

Frankfurt am Main 2009. Zu Gerichtsakten der Reichsgerichte als Quelle siehe den Sammelband<br />

Baumann, Anette et al. (Hrsg.): Prozessakten als Quelle. Neue Ansätze zur Erforschung<br />

der Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Köln/Weimar 2001.<br />

254


kann dies daher in den vorliegenden Fällen dennoch nicht per se angenommen<br />

werden und ist anteilsmäßig aus dieser Perspektive nicht präzise bestimmbar.<br />

Zudem muss der Einfluss rhetorisch geschulter Anwälte auf die Schriftsätze<br />

nochmals in Erinnerung gerufen werden, was einen weiteren Verfremdungsfaktor<br />

darstellt.<br />

Gleichwohl bleibt es von Interesse zu analysieren, wie und welche Selbst- und<br />

Fremdbeschreibungen in den vorliegenden Verfahren am Reichshofrat kon struiert<br />

wurden, verweist doch ihre Auswahl und Form auf Erwartungshorizonte<br />

und Vorstellungswelten der Prozessparteien, die man zur Unterstützung der<br />

eigenen Position abrufen und aktivieren wollte. Welches Bild wollte vor allem<br />

die Frankfurter jüdische Gemeindeleitung vor dem kaiserlichen Gericht von<br />

sich und ihren Gegenübern zeichnen bzw. welche erachtete sie für zu zeichnen<br />

sinnvoll und zielführend? Wenig verwunderlich hatten diese Konstruktionen<br />

vom Eigenen und Anderen zumeist eine politische Stoßrichtung, ging es doch<br />

neben dem akuten rechtlichen Konflikt grundsätzlich um die Austarierung und<br />

Legitimierung von Macht- und Ordnungsinteressen der jeweiligen sozialen Führungsgruppen<br />

gegenüber der jüdischen Gemeinde – dem Frankfurter Magistrat<br />

auf der einen Seite, den jüdischen Gemeindevorstehern auf der anderen Seite.<br />

Hauptkristallisationspunkt der argumentativen Debatte zwischen den beiden<br />

Führungsgruppen war eine Repräsentationsproblematik, um die weitere<br />

politisch-normative Diskurse gruppiert wurden. Wie bereits aus der rechtlichen<br />

Argumentationsanalyse deutlich wurde, stand neben der Frage nach dem legitimen<br />

Interpreten des kaiserlichen (Gesetzes)Willens indirekt auch die nach<br />

dem legitimen Interessenvertreter der Gemeindemitglieder in beinahe allen<br />

Verfahren zur Diskussion und wurde von beiden Führungsgruppen zu ihren<br />

je eigenen Gunsten unterschiedlich beantwortet. Damit standen sich scheinbar<br />

zwei verschiedene politische Modelle gegenüber – zum einen ein sich aus<br />

der Policeyaufsicht ableitender, zunehmend zentralistischer Kontrollanspruch<br />

der Stadtführung als lokaler Obrigkeit über ihre vermeintlichen jüdischen<br />

Untertanen, zum anderen ein korporativer Anspruch auf autonome Selbstverwaltung<br />

der jüdischen Gemeindeleitung, die sich selbst als repräsentatives<br />

Handlungsorgan der gesamten Gemeinde betrachtete. 543<br />

Wie der Verfahrensweg der untersuchten Fälle zeigte, stand aber noch ein<br />

weiteres politisches Modell zur Diskussion, nämlich das der (Macht)Stellung<br />

543 Siehe dazu auch Gotzmann, der zeigen kann, wie sich diese Konfliktlage über die gesamte frühe<br />

Neuzeit hinweg zunehmend problematisiert. Gotzmann, Andreas: Jüdische Autonomie in<br />

der Frühen Neuzeit, S. 275–478. Ebenso beleuchtet Kasper-Holtkotte diese Problemlage in der<br />

Frankfurter Gemeinde detailliert für das 17. Jahrhundert, das gleich mehrere Kulminationspunkte<br />

dieser Spannungen aufwies. Kasper-Holtkotte, Cilli: Die jüdische Gemeinde von Frankfurt/Main,<br />

S. 198–335.<br />

255


der Gemeindevorstände innerhalb der Gemeinde. Die jüdische Gemeindeleitung<br />

sah sich nämlich erstinstanzlich nicht allein dem Magistrat argumentativ<br />

gegenüber, sondern in den meisten Verfahren zudem auch eigenen Gemeindemitgliedern,<br />

die die Verfahren ursprünglich beim lokalen Frankfurter Gericht<br />

angestrengt hatten, weil sie die Repräsentationsberechtigung der Gemeindeleitung<br />

ihre Interessen betreffend in konkreten Fällen anzweifelten. 544 Zwar darf<br />

der Konfliktfall nicht als Regelfall angenommen werden, zweifellos verweisen<br />

diese Konstellationen jedoch auf Bruchstellen innerhalb der Gemeinde. Die<br />

Gemeindeleitung musste daher vor den Reichshofräten in beide Richtungen<br />

effektiv argumentieren, um ihre Position zu verteidigen und auch die ge meinde<br />

in ter nen „Angriffe“, wenngleich vor dem Reichshofrat scheinbar nicht mehr<br />

im Zentrum des Konflikts, elegant auszuhebeln. Ihre Argumentation galt<br />

damit sowohl einem imaginären Innen (Gemeinde) als auch einem imaginierten<br />

Außen (Reichshofrat), die von Notwendigkeit und Legitimität der eigenen<br />

Entscheidungsfindung und Machtstellung überzeugt werden mussten.<br />

Im Folgenden sollen daher exemplarisch genau diese Selbst- und Fremdbeschreibungen<br />

der jüdischen Gemeindeleitung in den untersuchten Verfahren<br />

herausgegriffen werden, die sie in Abgrenzung sowohl zum Frankfurter<br />

Magistrat als auch zu den eigenen Gemeindemitgliedern zeigen und womit<br />

u.a. an die Ergebnisse Gotzmanns für städtische und innerjüdische Wahrnehmungsmuster<br />

angeknüpft werden kann. 545<br />

3.a Eigene Rollenbilder zwischen Ideal und Schreckensszenario<br />

In den Verfahren die einschränkenden Verordnungen des Magistrates hinsichtlich<br />

des Mehlhandels (F3) betreffend, zeichnen die jüdischen Baumeister<br />

zunächst ein besonders emotionalisiertes Bild von den existenzbedrohten jüdischen<br />

Mehlhändlern, von denen sie durchgängig als von (blut)armen Leuten<br />

sprechen, 546 und dem rücksichtslosen Vorgehen des Magistrats gegen diese.<br />

544 Diese Problematik beschreibt auch Horowitz, der für Hamburg festhalten kann, dass sich ab der<br />

Mitte des 18. Jahrhunderts eine signifikante Anzahl von Juden bei christlichen Gerichten über<br />

das Rabbinat und den Vorstand beschwerten bzw. gegen deren Verwendung des Cherem (großen<br />

Bannes) klagten. Diese Klagen seien als „valuable markers of discontent with the system of Jewish<br />

autonomy“ zu werten, deren Abbau auch aus der Gemeinde selbst heraus befördert worden<br />

sei. Horowitz, David H.: Fractures and Fissures in Jewish Communal Autonomy in Hamburg,<br />

New York 2010 (ungedr. phil. Diss.), S. 3, 4, 8, 19.<br />

545 Siehe dazu besonders das Kapitel Verteidigungslinien, in: Gotzmann, Andreas: Jüdische Autonomie<br />

in der Frühen Neuzeit, S. 397–461.<br />

546 Blutarm steht hier lautmalerisch für größte oder erbarmungswürdige Armut, siehe dazu Grimm:<br />

Art. „blutarm“. Bd. 2, Sp. 174. Die Mehlhändler werden im ganzen Verfahren durchgängig so<br />

bezeichnet, siehe auch F3, S. 46, 52, 53, 56, 57, 59, 60, 61, 69, 70, 394, 395, 403, 404.<br />

256


Denn während die Judenschaft selbst „aus liebe zum Frieden“ den Weißmehlhandel<br />

von Christen und Juden in der Gasse habe „zeithero geschehen lassen“,<br />

sei ihr ihre „gütigkeit“ nunmehr zum Verhängnis geworden, so „daß diesen<br />

Armen Juden die so Blutsaure Nahrung gar hat nieder gelegt und den Christen<br />

privativè verstattet werden wollen“. 547 Aufgrund dessen hätten die jüdischen<br />

Mehlhändler nun die Gemeindeleitung angefleht, für sie aktiv zu werden. Wie<br />

ein Gnadenakt wird dabei der Einsatz der Baumeister beschrieben:<br />

„Hierauf sind diese Blut-Arme und höchst nothdürfftige Leuthe mit Thränen<br />

und Seuffzern zu Anwaldts Principalibus denen Jüdischen Baumeistern<br />

gekommen, haben ihren großen Nothstand Lamentable vorgestellet,<br />

und um Gottes willen gebetten, bey Einen HochEdlen und hochweisen<br />

Rath vor Sie zu intercediren, mithin haben sich dies ihr Elend zu Hertzen<br />

gehen laßen […]“ 548<br />

Gleich viermal werden die Begriffe Armut, Not und Elend der Mehlhändler<br />

allein in dieser Quellenstelle synonymhaft wiederholt, womit eine moralische<br />

Dringlichkeit und existentielle Gefahr im Verzug demonstriert wird, die auch<br />

im Verlauf des weiteren Verfahrens in den Eingaben der Gemeindeführung<br />

stetig repetiert wird und so ihren appellativen Charakter entfalten kann. 549<br />

Entsprechend müsse, so die jüdischen Kläger, die Gemeindeleitung in solchen<br />

Fällen einschreiten,<br />

„[…] weil sie ihr Amt als Vorsteher und Baumeister gemeiner Judenschafft<br />

hinlänglich anweiset, sich der Noth ihrer Gemeinde Glieder anzunehmen,<br />

wenn eine Sache vorwaltet, die wie gegenwärtige einen starcken Einfluß<br />

in das ganze hat […]“. 550<br />

„[…] mithin Appellantes dadurch bewogen worden […] eine höchst<br />

Nothdringliche fernerweitere unterthänigste Vorstellung zu thun, weilen<br />

nemlich diese denegation der Gemeinen Judenschafft zur Last fallen<br />

würde, wenn diese Arme Leuthe solchergestalt künfftighin sich nicht<br />

würden fortbringen, folglich ihre onera nicht praestiren können und also<br />

auch mit dero Verpflegung der Gemeinen Judenschafft zur Beschwehrde<br />

kommen müssen.“ 551<br />

547 F3, S. 60, 61 – ebenso S. 48.<br />

548 F3, S. 45.<br />

549 Siehe dazu auch die Quellenstellen F3, S. 49, 56, 57, 69, 70, 75.<br />

550 F3, S. 394, 395.<br />

551 F3, S. 52, 53.<br />

257


Dass die Baumeister in dieser Angelegenheit tatsächlich den Gang an den<br />

Reichshofrat suchen, begründen sie also zunächst mit ihrer Amtsaufgabe, sich<br />

der Not ihrer Gemeindemitglieder fürsorgend anzunehmen, dann jedoch vor<br />

allem mit dem Verweis auf den Effekt der rätlichen Verordnung für das jüdische<br />

Gemeinwesen, der „Gemeinen Judenschafft“. Es stehe nämlich zu befürchten,<br />

dass die verarmenden Gemeindemitglieder der Gemeinde „zur Last“ 552 und<br />

„zur Beschwehrnuß“ 553 fallen könnten. Damit verweisen die Baumeister auf die<br />

normative Vorstellung eines „Gemeinen Besten“ und „Gemeinen Nutzens“ der<br />

jüdischen Gemeinde, dem sie in ihrer Rolle als Gemeindeführer verpflichtet<br />

seien und das genau dann gefährdet sei, wenn Gemeindeabgaben nicht geleistet<br />

würden bzw. werden könnten. Dies wäre ein offenbar mindestens ebenso als<br />

dramatisch einzustufendes Vorkommen wie das zuvor beschworene Elend der<br />

betroffenen Mehlhändler, denn es sei wichtig, so die jüdischen Kläger, dass<br />

jenen „[…] diese kümmerliche Nahrung gelaßen werde, damit Sie nicht gar<br />

crepirn, oder der Gemeinde zur Last fallen, und also auch im Stand behalten<br />

werden Ihre onera und Grund Zinßen zu entrichten.“ 554 Belasse man somit<br />

die Mehlhändler bei ihrem kleinen Handel, so scheint die logische Schlussfolgerung,<br />

sei nicht nur diesen geholfen, sondern auch der Gemeinde, die ihre<br />

Gemeindeabgaben regulär einheben und wiederum an das christliche Gemeinwesen<br />

in Form von Steuern weiterreichen könne. Entgegen gehalten wird dem<br />

hingegen ein Zerrbild, das drohe, wenn man beginne, die Handlungstätigkeit<br />

der Juden weiter einzuschränken:<br />

„Man sehe nur die Geschichte der Franckfurther Juden an. Der Besitz aller<br />

Arten liegender Güther ist ihnen daselbst, wie gröstentheils in Deutschland,<br />

verbothen; zu Handwerckern werden sie nicht gelassen; Künste<br />

dürffen sie nicht treiben; der Ackerbau ist ihnen untersagt; Bediente und<br />

Mägde werden nicht aus ihnen genommen; zu Kriegsdiensten werden sie<br />

nicht gelassen. Der Handel ist also das einzige, das ihnen noch frey stehet.<br />

Doch dieser ist auch eingeschränket. Die Stättigkeit, die man zu übertretten<br />

nicht gedencket, verbietet ihnen mancherley Handlungs=Arten, itzt<br />

will man auch die wenige noch einziehen, welche ihnen frey geblieben<br />

sind. Der Meelkram, den sie ohnehin nie außerhalb der Gasse getrieben;<br />

soll verboten heisen, weil das Meel aus Früchten gemacht wird. Der<br />

Thee, Caffé und Zucker, weil er von Specereyhändlern verkaufft wird;<br />

der Branntwein, weil er die Sylbe Wein am Ende hat. Wenn auf diesem<br />

Weeg fortgegangen wird, so ist die natürlichste Folge, daß endlich gar<br />

552 F3, S. 52, 53, 60, 69, 70, 75.<br />

553 F3, S. 59.<br />

554 F3, S. 70.<br />

258


nichts übrig bleiben wird, als der Tod, oder die Flucht, deren letztere mit<br />

Gewalt nicht geschehen kann, und also durch Entziehung des Unterhalts<br />

bewerckstelliget wird.“ 555<br />

Pars pro toto stellen die jüdischen Kläger somit das von Seiten des Magistrats<br />

gegen jüdische Mehlhändler erlassene Verkaufverbot als generellen Ausdruck<br />

der Zuspitzung der rechtlichen und sozialen Diskriminierung von Juden in<br />

Frankfurt dar, die auf eine Zerstörung jüdischen Lebens in Frankfurt abziele.<br />

Dabei ist der (an)klagende, mitleidheischende Unterton kaum zu überhören,<br />

der das Verbot mit Mehl zu handeln in eine logische gedankliche Abfolge von<br />

grundsätzlichen drückenden Einschränkungen jüdischen Lebens bringt. Mag<br />

dieses Plädoyer für einen modernen Leser überzeugend klingen, muss es in<br />

Anbetracht dessen, dass diese Einschränkungen – zumal gerade in Frankfurt<br />

– auch von kaiserlicher Seite gesetzt wurden, verwundern. Dass der Kaiser<br />

zweiffellos großen Anteil an der bedrückenden Situation hatte, wird in dieser<br />

Darstellung völlig ausgeblendet, vielmehr der Frankfurter Magistrat als<br />

alleiniger Aggressor dargestellt, der nunmehr versuche, die Klammer der Einschränkungen<br />

noch enger zu ziehen. Implizit wird damit aber der Kaiser auf<br />

Seiten der Judenschaft imaginiert, der ein solches Handeln doch sicher nicht<br />

befördern, sondern vielmehr aufhalten wolle.<br />

Nicht zufällig werden denn auch genau zwei andere spezielle Handelszweige<br />

angesprochen, in denen der Magistrat ebenfalls Einschränkungen durchzusetzen<br />

versucht hatte – beide waren nämlich zeitgleich ebenfalls Gegenstand von anhängigen<br />

Prozessen vor dem Reichshofrat. 556 Damit wird zwar zum einen Schutzbedürftigkeit<br />

vor einer lokalen Obrigkeit signalisiert, der – scheinbar im Gegensatz<br />

zum Kaiser – eine klare antijüdische Stoßrichtung zugeschrieben wurde, zum<br />

anderen jedoch auch Wehrhaftigkeit seitens der jüdischen Kläger. Sie vermittelten<br />

damit, dass es für sie nicht nur um einen Rechtsstreit bezüglich Mehl gehe,<br />

sondern um eine existenzielle Bedrohung ihrer Lebensbedingungen und dass sie<br />

nicht gewillt seien, dies über das gegebene Maß hinaus, hinzunehmen, worauf<br />

sicherlich die Nennung der anhängigen Reichshofratsverfahren verweisen soll.<br />

In F28 nun galt die Argumentation nicht nur dem Magistrat, der versucht hatte,<br />

diverse Bannverhängungen gegen Gemeindemitglieder zu stoppen, sondern<br />

vielmehr genau diesen Gemeindemitgliedern, die bei den christlichen Behörden<br />

eingekommen waren. Insofern thematisierten die Gemeindevorsteher<br />

Aufgabe und Fundierung Ihres Amtes entsprechend anders:<br />

555 F3, S. 404–406.<br />

556 siehe F9 und F16.<br />

259


„Es ist folglich jederzeit als ein Gemeindsschluß anzusehen, wenn ihre<br />

Vorsteher, auf welche die ganze Gemeinde die Last für das ganze zu sorgen,<br />

übertragen hat, Beyträge bestimmen, und einzelne Mitglieder haben darwider<br />

zu handlen, geschweige ihre Pflicht zum öffentlichen Beytrag abzuläugnen,<br />

kein Recht ja keinen Schimmer rechtens für sich. Denn die Vorsteher<br />

bedarfen keine Rechtfertigung über den Ansaz der Steüer, für sie streitet<br />

die rechtliche Vermuthung. Die Gemeindsglieder die Zahlungspflichtigen<br />

hingegen haben durch ihren Eintritt in die Gemeinde den fidem, die Authorität<br />

und die Gewissenshaftigkeit der Vorsteher um somehr anerkannt als<br />

leztere bekanntlich von der ganzen Gemeinde gewählet werden.“ 557<br />

Wiederum wird hier die Aufgabenübertragung aus der Gemeinde selbst heraus<br />

betont, jedoch steht diesmal nicht die Fürsorge in Notlagen im Zentrum der Aufgaben<br />

der Gemeindeleitung, sondern vielmehr ihre Repräsentationsfunktion für<br />

die Gemeinde. Diese habe sie gewählt, um ihnen „die Last für das ganze zu sorgen“<br />

zu übertragen und entsprechend seien ihre Entscheidungen – im konkreten Fall<br />

in Hinblick auf Gemeindeabgaben – „als ein Gemeindsschluß“ anzusehen, sie<br />

bedürften gar keiner Rechtfertigung. Die Gemeindevorsteher beschreiben damit<br />

eine Form der Identitätsrepräsentation 558 zwischen sich und den Gemeindemitgliedern,<br />

d.h. was immer die Vorsteher entschieden, gelte, als hätte es die Gemeinde<br />

entschieden. Wer der Gemeinde beitrete, müsse auch die von ihre gesetzten Repräsentanten,<br />

nämlich die Vorsteher, anerkennen und ihren „fidem“, 559 ihre Autorität<br />

und Gewissenhaftigkeit als gegeben, somit nicht hinterfragbar ansehen.<br />

Die Gemeinde selbst wird dabei vor allem als Solidargemeinschaft beschrieben,<br />

für die der Grundsatz gelte,<br />

„daß jeder der sich in eine Gemeinde begiebt, sich eo ipso demjenigen<br />

unterwerfe, was zu ihrer Aufrechthaltung nothwendig ist, demjenigen,<br />

was die von der ganzen Gemeinde erwählten, und gesezten Vorsteher an<br />

gemeinen Abgaben und Beytragen […] ansezen.“ 560<br />

557 F28, S. 40, 41. Dies ist im Übrigen eine zitierte Stelle aus dem Verfahren F23, S. 91, was erneut<br />

auf die Aufbewahrung der Akten zur Bezugnahme der Fälle hindeutet.<br />

558 Die Identitätsrepräsentation wird von Barbara Stollberg-Rilinger wie folgt definiert: „Ein in bestimmten<br />

feierlichen Formen versammeltes, herausgehobenes Gremium der Glieder stellt pars<br />

pro toto die Gesamtheit dar, die nur durch diesen Repräsentationsvorgang überhaupt als eine<br />

Einheit existiert und politisch handlungsfähig ist. Die Rechtsmacht des Ganzen ist nicht größer<br />

als die des repräsentierenden Teils.” Diese sei zu unterscheiden von der Stellvertretungsrepräsentation,<br />

in der Repräsentant und Repräsentierte zwei unterschiedliche Rechtssubjekte bleiben.<br />

Siehe Stollberg-Rilinger, Barbara: Art. Repräsentation. In: EdN, Bd. 11, Sp. 62–73.<br />

559 Damit ist vermutlich weniger Glaube, als Glaubhaftigkeit und damit die Integrität der Person<br />

gemeint.<br />

560 F28, S. 40. Auch dies ist Teil der Parallelstelle F23, S. 90, 91.<br />

260


Leiste nun ein Gemeindemitglied seine Abgaben nicht, gefährde es stets potentiell<br />

das Ganze, denn, und damit wird wiederum die normative Rückkoppelung<br />

an und Legitimation durch das „Gemeine Beste“ vollzogen:<br />

„[…] während also doch die gemeinen Abgaben entrichtet, die Jüdischen<br />

Armen und publiquen Anstallten unterhalten, und für das öfentliche<br />

Wohl der gesamten Judenschaft, welches allzeit nach dem Lauf der Dinge<br />

mit Kosten verbunden ist, gesorget werden sollte.“ 561<br />

Wende sich ein Gemeindemitglied, das seinen Beitrag zur Gemeinde nicht<br />

geleistet habe, zusätzlich nach außen, also an ein christliches Gericht, leite<br />

dies unvermeidlich zunächst die Beschädigung der Person der Baumeister,<br />

nämlich ihres Ansehens und ihrer Position 562 sowie zuletzt die Infragestellung<br />

und Zerstörung der Gemeindeverfassung ein:<br />

„Es lässt sich also die Ziehung der Jüdischen Streitigkeiten über Gemeine<br />

Abgaben und Auflagen vor die ordentliche Obrigkeit und die Verhandlung<br />

hierüber in via Juris ordinaria unmöglich gedenken, ohne daß auf<br />

der andern Seite der Umsturz der ganzen inneren und oeconomischen<br />

Verfassung der Frankfurther Judenschaft, ohne welcher die äussere nicht<br />

bestehen kann, sich nicht sogleich mit lebhaft darstellen sollte, es würde<br />

der Prozessen kein Ende geben.“ 563<br />

Die Gemeinde müsse „einer unausweichlichen Erschöpfung […] unterliegen“ 564 ,<br />

„das jüdische Aerarium in ganz kurzer Zeit erschöpfet werden und zu<br />

Grunde gehen […]“ 565 , „und die gemeine Judenschaft zu Frankfurth über<br />

kurz in eine unüberschwingliche Schuldenlast sich unvermeidlich versenket<br />

sehen […]“ 566 . Dass dies freilich nur von Personen ausgehen könne, die<br />

„muthwillige und widerspenstige Glieder“ 567 seien, voll von „Starrsinn und<br />

Pflichtvergessenheit“ 568 , „Unfug und Halsstärrigkeit“, 569 bildet die diffamierende<br />

561 F28, S. 36, 37. Parallelstellen dazu auch S. 2, 3: „[…] sodann es um das gemeine Beste eben dieser<br />

Judenschaft geschehen seyn […]“ und S. 9, 10: „Unruhen und Unordnungen für das gemeine<br />

Beste entstehen“.<br />

562 F28, S. 13 „Es müste aber nothwenig um alle Authorität um alles Ansehen der Gemeinds Vorsteher<br />

geschehen seyn […].“<br />

563 F28, S. 36.<br />

564 F28, S. 9, 10.<br />

565 F28, S. 15.<br />

566 F28, S. 31.<br />

567 F28, S. 41.<br />

568 F28, S. 3<br />

569 F28. S. 9.<br />

261


Ergänzung zur gezeichneten „schreckbare[n] Aussicht“ 570 . Indem eine quasilogische<br />

Argumentation aufgebaut wird (1. die Gemeindevorsteher seien legitime<br />

Repräsentanten und Entscheidungsträger der Gemeinde, 2. Hauptgrund einer<br />

Gemeinde und somit stetes Handlungsziel der Repräsentanten sei das Gemeine<br />

Beste und 3. wer sich gegen die Entscheidung der Repräsentanten wehre oder<br />

einer Aufforderung nicht nachkomme, schade böswillig den Repräsentanten,<br />

der Gemeinde und dem Gemeinwohl und leite letztlich die Zerstörung der<br />

Gemeindeverfassung herbei) wird der Versuch unternommen, den Leser in<br />

eine vermeintlich kausale Denkschleife zugunsten der jüdischen Vorsteher zu<br />

zwingen. Diese lässt kaum mehr die Differenzierung zu, dass sich die gänzlich<br />

negativ attribuierten Gemeindemitglieder tatsächlich gar nicht grundsätzlich<br />

gegen die Forderung einer Gemeindeabgabe gestellt hatten, sondern vielmehr<br />

nur gegen die Höhe einer konkreten Abgabe.<br />

F20 und F23 weisen eine ähnliche Grundkonstellation und Argumentationsweise<br />

auf wie F28, indem sich die Baumeister gegen Gemeindemitglieder zu<br />

Wehr setzen, die den Weg an das christliche Gericht gesucht hatten. Ergänzend<br />

beschreiben die Baumeister dabei etwas ausführlicher die Voraussetzungen,<br />

die Gemeindevorsteher ihrer Meinung nach für ihr Amt mitbringen müssten:<br />

„[…] weilen sie Authoritate Caesarea, et consensu Amplissimi Magistratus<br />

Francofurtani zu Gemeindsvorstehern mit vielen Solennitaeten durch<br />

die Gemeinde selbsten, nach vorgängig abgelegtem Eyde, daß Eligentes<br />

nur die Rechtschaffenste, Angesehenst- und best Qualificirteste aus der<br />

Commun wählen wollen, zu ihrem ohnehin so beschwerlich und ohnentgeltlich-<br />

lediglich zum Besten der Gemeinde führenden Amte gelanget<br />

sind; mithin als brave Männer und taugliche Subjecten die Pflichten ihres<br />

Standes, wie solche mit dem- einer hohen Obrigkeit allezeit zu leistenden<br />

Respect zu vereinbahren sind […] solche immerhin getreulich ausüben<br />

[…]“ 571<br />

Neben moralischer Tugend (Rechtschaffenheit) werden somit soziales Prestige<br />

(Angesehenheit) und Kompetenz (beste Qualifikation) als Grundvoraussetzungen<br />

zur Übernahme eines Amtes gesetzt, das „zum Besten der Gemeinde“<br />

führen solle, also – wie bereits gesehen – dem Gemeinwohl verpflichtet sei. Hervorgehoben<br />

wird auch nicht nur in diesem Fall, dass das Amt „ohnentgeltlich“<br />

570 F28, S. 37.<br />

571 F28, S. 75, 76.<br />

262


sei, 572 was offenbar als Beweis für eine altruistische Einstellung der Baumeister<br />

gehandelt wird. Die gegenteilige Möglichkeit, dass eine fehlende Bezahlung<br />

eher dazu führen könnte, besonders korruptionsanfällig zu sein, wird gleichwohl<br />

argumentativ ausgeblendet. So auch in F20, wo die Baumeister sich selbst<br />

ebenfalls beschreiben als „[…] ehrliche-rechtschaffene Männer, […] Vorsteher<br />

einer so ansehnlichen Judengemeinde, die keinen andern Lohn für ihre Viele,<br />

und mühsame Arbeiten begehren, als das Zeugniß, daß sie nach ihrem Caracter,<br />

das ist, gewissenhaft, und nach ihrem Eyd, und Gewissen gehandelt haben<br />

[…]“ 573 . Vielmehr handle es sich bei ihnen doch, wie in obigem Zitat zu lesen,<br />

um „brave“ 574 Männer, die, und dies scheint besonders bemerkenswert, „die<br />

Pflichten ihres Standes“ kennen und „getreulich“ ausführten, wobei unklar<br />

bleibt, welcher Stand hierbei gemeint sein könnte. Allein die Verwendung des<br />

Begriffes scheint jedoch ein gesellschaftliches Hierarchiedenken zu implizieren,<br />

an dessen oberen Ende sich die Baumeister offenbar positionieren, zumal wenn<br />

sie sich selbst wenig später als „Optimates“ 575 bezeichnen.<br />

In den Verfahren F14 und F19 stand nicht die finanzielle, sondern vielmehr eine<br />

sittlich-moralische sowie eine religiöse Aufsicht der Gemeindevorsteher zur<br />

Diskussion. Auch in diesen Fällen wurde dabei die Repräsentationsfunktion der<br />

Baumeister hervorgehoben, so etwa im Falle der Hanna Ursel, die wegen vermeintlicher<br />

Unzucht aus der Gemeinde ausgeschlossen werden sollte und versucht<br />

habe, „[…] den- die Rechte der Jüdischen Gemeinde vertretten müssenden- in<br />

dem Monath stehenden jüdischen Baumeistere den Rang abzulaufen […]“. 576 Die<br />

Gemeinde als Ganzes habe sich gar an die Baumeister gewandt und sie gebeten,<br />

einzuschreiten, habe also quasi um Fürsorge in dieser sittlichen Not gebeten:<br />

„In dieser äusersten Bedrängniß der appellantischen Baumeister, und wo<br />

ihnen die Stimme der sämmtlichen jüdischen gemeinde zuruffet, die Aufrechthaltung<br />

ihrer Fundamental-gesätze bey Euer Kayserlichen Mayestät<br />

allerunterthänigst zu waren […]“ 577<br />

572 Siehe auch F14, S. 68, 69 „Die Baumeister, deren Amt ohnehin ohnentgeltlich ist […]“, F19, S. 339<br />

„[…] Baumeistere, die für ihre viele Mühe und Arbeiten das ganze Jahr nicht einen rothen Heller<br />

ziehen […]“, F20, S. 251, 252 „[…] sie bekommen dafür das ganze Jahr nicht einen rotthen<br />

Heller […]“, F26, S. 50, 51 „[…] das so beschwerliche Bau und Kastenmeisteramt, welches nichts<br />

einträgt […]“, F28, S. 38, 39 „[…] zumal ihnen selbsten nichts davon in den Sack kömmt […]“.<br />

573 F20, S. 251, 252.<br />

574 Siehe dazu Grimm: Art. brav, Bd. 2, Sp. 340, der valde, tüchtig, wacker als Synonyme angibt.<br />

575 F23, S. 91. „Es ist jederzeit als ein Gemeindsschluß anzusehen, wenn Optimates, wenn die Vorsteher,<br />

auf welche die ganze Gemeinde solche Last für das Ganze zu sorgen transferiert hat,<br />

Contributionen ansetzen […]“<br />

576 F19, S. 66, 67.<br />

577 F19, S. 103.<br />

263


Der einzelnen Frevlerin Hanna wird somit ein monolitisch gegen sie sprechendes<br />

Ganzes, nämlich die Gemeinde – zu der sie offenbar bereits nicht mehr<br />

gezählt wird – gegenübergestellt, in deren direktem, weil von ihr gebetenen,<br />

und indirektem, weil ihre Rechte vertretenden, Handlungsauftrag die Baumeister<br />

handeln. Hanna werde „der ganzen auf anständige Zucht, und die hergebrachte<br />

Ordnung haltenden Frankfurtischen Judengemeine auf eine nie zu<br />

rechtfertigende Art […]. aufgebürdet […].“ 578 Genau diese Zucht und Ordnung<br />

in der Gemeinde zu wahren bzw. gegen Eindringlinge zu verteidigen, sei jedoch<br />

gemäß der „obristrichterlichen Willensmeinung“ 579 die Aufgabe der Gemeindeleitung.<br />

Es wird somit das Bild der guten sittlichen Ordnung innerhalb der<br />

Gemeinde evoziert, an deren Aufrechterhaltung alles gelegen sein müsse.<br />

Die Veranschaulichung dieser Gegensätzlichkeit und Unvereinbarkeit von<br />

höchster Sittlichkeit versus Unsittlichkeit kulminiert bemerkenswerterweise<br />

in der Mikwe, dem Bild des jüdischen Ritualbads:<br />

„[…] so leben Anwaldts Principalen der allunterthänigsten Hoffnung,<br />

daß Euer Kais[erlich] Königl[iche] Mayestät geruhen werden, […] dabey<br />

in allergnädigste Erwägung zu ziehen, ob wohl eine ehrliche Judenfrau im<br />

Stande seye, in das nämliche Baad zu gehen, das die Judenweiber bey ihrer<br />

Gemeinde haben, und nach ihrer monatlichen Reinigung auf die Art, wie<br />

solche beym ›Beck vom Rechte der Juden, cap: 7. §. 24.‹ beschrieben wird,<br />

gebrauchen müssen? Würde nicht einer jeden honetten Judenfrau, wie<br />

sie Gott sey Dank! alle in Frankfurt sind, ein Schauder und der größte<br />

Schröcken, ja! wer weiß nicht, was noch mehr ankommen, wenn sie das<br />

nämliche Baad betretten müßte, aus dem so eben der größte Schandbalg<br />

die Appellatin nämlich heraus getretten ist?“ 580<br />

Dieser sicherlich ganz bewusst gesetzte rein weibliche jüdische Ort wird damit<br />

als ein besonderer Ort der Ehrbarkeit markiert, insofern ihn die „ehrliche“,<br />

die „honette Judenfrau“ besuche, sowie als ein Ort der Reinheit, insofern dort<br />

die rituelle „Reinigung“ von Ehefrauen und Müttern stattfindet. 581 Die Entsetzlichkeit<br />

der drohenden Entweihung oder rituellen Beschmutzung durch<br />

den Besuch der scheinbar unehrenhaften Hanna wird dabei in Form einer<br />

imaginierten körperlichen Reaktion der anderen Frauen ausgedrückt sowie<br />

des Zweifels, ob jene überhaupt noch „im Stand seye[n], in das nämliche Bad<br />

578 F19, S. 102, 103.<br />

579 F19, S. 98, 99 „[…] Zucht, Ordnung, und jüdisches Herkommen nach Maßgab der so vielfältig<br />

geäuserten allergerchtesten Obristrichterlichen Willensmeinung aufrecht erhalten […]“<br />

580 F19, S. 335, 336.<br />

581 Siehe dazu auch Marienberg, Evyatar: „La synagogue des femmes“: Illustrations représentant<br />

des bains rituels au XVIIIe siècle. In: Tsafon 49 (2005), S. 99–113.<br />

264


zu gehen“. Dass diese anderen Frauen im Übrigen „Gott sey Dank! alle“ ehrbar<br />

seien, rekurriert wiederum auf das Ideal der guten moralischen Ordnung, die<br />

nämlich tatsächlich bestehe und die es zu verteidigen gelte. Denn, so scheint<br />

die Logik, könnten die Frauen nur allein schon das Bad nicht mehr nutzen,<br />

würde dies einer fundamentalen Störung des religiösen Gemeindelebens gleich<br />

kommen.<br />

Wenngleich wohl bezweifelt werden darf, dass die Reichshofräte sich der<br />

religiösen Dramatik, die mit diesem Bild beschrieben werden sollte, in voller<br />

Tragweite bewusst waren, so ist dieses Bild dennoch pars pro toto Ausdruck<br />

eines von den jüdischen Klägern gezeichneten Schreckensszenarios, das der<br />

guten Ordnung gegenübergestellt wird. Es drohe nämlich, wie anschließend<br />

mehrfach betont wird, „ihre Fundamental Verfassung umgestürzt“ 582 zu werden,<br />

„Und in der That fehlet der ohnehin immerzu durch mancherley Vorwürfe<br />

bekümmerten Frankfurtischen Judenschaft, noch die Wegschaffung<br />

dieses Riegels der unzüchtigen Üppigkeit, um vollends unglücklich<br />

zu werden.“ 583<br />

Mithin folge unmittelbar die moralische Zerrüttung der Gemeinde, so die<br />

Quasilogik dieser Argumentation, würde man der Delinquentin mit Nachsicht<br />

und nicht mit Strafe begegnen.<br />

Auch in F26, dem Verfahren hinsichtlich des von den Baumeistern abverlangten<br />

Zeugeneides beim Verfahren zweier jüdischer Garköche vor dem Frankfurter<br />

Rat, sind „Ruhe und Ordnung“ zentrales Thema in der Argumentation<br />

der jüdischen Kläger:<br />

„Wer wird nun sagen, daß die Sache wegen Sezung der Töpfen in die<br />

jüdischen Baköfen, nicht vor die Appellanten gehöre? und wo ist jemand<br />

der in selbiger besser sprechen könne, als diese? das Richteramt kann sich<br />

nicht alle Augenblick, wenn die Töpfe gesezet werden, in die Judengasse<br />

begeben, die Baköfen und Töpfe besichtigen, darüber denen zankenden<br />

Recht sprechen, und diese in Ruhe und Ordnung halten […] Und wenn sie<br />

sogar noch in denen Sachen in welchen sie Ruhe gestiftet, die gute Ordnung<br />

hergestellt, und die Sache durch einen gütlichen Spruch beygeleget,<br />

also ihrem Amte ein Genügen geleistet haben, von demjenigen, welcher<br />

582 F19, S. 82, auch 75, 76, 84, 103.<br />

583 F19, S. 86, 87.<br />

265


sich deswegen beschwert zu seyn glaubet, zum Zeugen aufgefordert, und<br />

mit dem Zeugeneid beleget werden könnten. So würde auch noch über<br />

dies […] all das ihnen gebührende Ansehen, und der Respect wegfallen,<br />

welcher bey einem grosen haufen Menschen, unter welchen sich so viele<br />

Unruhige befinden, doch so nöthig ist.“ 584<br />

Zunächst wird wiederum eine Amtsbeschreibung vorgenommen, insofern<br />

die Baumeister sich zwar nicht offen als Richter bezeichnen, aber doch ihre<br />

gütliche Spruchtätigkeit in innergemeindlichen Konfliktfällen erwähnen. Mit<br />

der rhetorischen Frage, wer dies besser könne als sie, verweisen sie auf ihren<br />

Kompetenzanspruch, der zudem noch mit „gebührendem Ansehen“ und „Respect“<br />

ergänzt wird und als notwendig beschrieben wird, um Ruhe, worunter<br />

offenbar Konfliktfreiheit zu verstehen ist, herzustellen. Als positives normatives<br />

Ideal werden „Ruhe und Ordnung“ markiert, die stets gefährdet seien bei einer<br />

großen Zahl an Menschen, unter denen sich „so viele Unruhige“, also negativ<br />

belegte Gegenspieler zur Gemeindeleitung, befänden. Beinahe im Sinne einer<br />

Policeyaufsicht leisteten sie ihrem Amt dann Genüge, wenn sie Ruhe stiften<br />

und gute Ordnung herstellen. Damit beschreiben die Baumeister ihr Amt als<br />

ein aktiv eingreifendes und zum positiven Ideal hin veränderndes, nicht allein<br />

den status quo bewahrendes. Und wieder schwingt bereits das erschreckende<br />

Gegenbild mit, falls ihr Amt eingeschränkt werden sollte, insofern andernfalls<br />

„[…] am Ende nichts als Unordnung, und solche üble Haushaltung entstünde,<br />

welche der christlichen Obrigkeit unaufhörlich Last und Mühe verursachen<br />

würde.“ 585 Nicht nur das jüdische Gemeinwesen sei dann also von den negativen<br />

Auswirkungen betroffen, sondern auch das sie umgebende christliche, so<br />

scheint die logische Konsequenz.<br />

Versucht man nun den Aufbau dieser Selbstbilder in den untersuchten Verfahren<br />

zu systematisieren, so scheint stets ein quasilogischer Dreischritt vorzuliegen:<br />

Zunächst definiert die jüdische Gemeindeleitung 1. jeweils ihre von<br />

der Gemeinde übertragene Amtsaufgaben, mit Fokus darauf, die Stabilität<br />

der jüdischen Solidargemeinschaft aufrecht zu erhalten und die Ordnung<br />

innerhalb der Gemeinde zu beaufsichtigen. Diese Aufgaben wurden jeweils<br />

wiederum 2. an normative bzw. politische Vorstellungen rückgekoppelt, so<br />

etwa das Gemeine Beste der Gemeinde und bei Erfüllung der Abgabenleistung<br />

auch Erhaltung des christlichen Gemeinwesens, so dann Gerechtigkeit<br />

und Rechtsförmigkeit im Zusammenleben sowohl innerhalb der Gemeinde<br />

584 F26, S. 49, 50.<br />

585 F26, S. 50, 51.<br />

266


als auch mit der christlichen Umwelt sowie die Vorstellung der Guten Ordnung,<br />

die stets Idealbild der Gemeinde darstelle. Antithetisch wurde dem 3.<br />

stets ein dramatisierendes Zerrbild gegenübergestellt, das die vermeintliche<br />

Konsequenz bei Nichteinhaltung der normativen Vorgaben sei, und sowohl die<br />

sittliche Zersetzung oder die Zerstörung der Gemeinde und ihrer Verfassung,<br />

als auch drohende Vertreibung und Rechtlosigkeit beinhalte. Derart entstand<br />

eine scheinbar zwingende Logik der Argumentationsführung zugunsten der<br />

jüdischen Kläger.<br />

3.b Diffamierung und Fremdbild<br />

Ebenso wie nun die eigene moralische Verpflichtung und Integrität von den<br />

jüdischen Klägern überhöht dargestellt wurde, werteten sie ihr Gegenüber in<br />

dieser Argumentationsführung ab – in den vorliegenden Verfahren sowohl<br />

den Magistrat als auch die betroffenen Gemeindemitglieder. Betrachtet man<br />

zunächst die Darstellung des Magistrates abseits der rechtlichen Argumentation,<br />

so wird die Zuschreibung von Gewalt besonders augenfällig. So beispielsweise<br />

in F26, als es um die Regulierung der Marktbesuchszeiten ging:<br />

„Gewaltsam vom Magistrat der Reichs-Stadt Frankfurt in die- von Kayserlicher<br />

Mayestät selbst bestättigte Judenstättigkeit gewagte Eingriffeohnleidentliche<br />

gegen Menschenliebe, Pflicht, und Gesätze getroffene<br />

Vorkehrungen- Bedrückungen aller Art wider die- von jeher mit den<br />

Juden zu Frankfurt errichteten Ordnungen, und Verträgen, und damit<br />

verbunden- äuserst empfindliche- und gewaltthätige Behandlungsarten<br />

zwingen endlich unterzogenen Anwaldts Principalschaft, die Judenschaft<br />

der Reichsstadt Frankfurt, zu Euer Kayserlichen Königlichen Mayestät<br />

Gerechtigkeit die um da mehr sichere Zuflucht zu nehmen, als selbst<br />

die Magistratische Mißhandlungen, Befehle, und Fürschritte den Kayserlichen<br />

Gesätzen, und Anordnungen äuserst zu wider sind, und die<br />

Grundlage eines gegen die Frankfurtische Judenschaft einführen- und<br />

behaupten wollenden Despotismus verrathet […]“ 586<br />

Die Handlungen des Magistrates werden in dieser Textstelle als „gewaltsam“,<br />

„gewaltthätig“ und als „Misshandlungen“ gegenüber der jüdischen Gemeinde<br />

beschrieben, die gar „Despotismus“ verraten, also an Tyrranei denken lassen,<br />

586 F22, S. 2,3. Parallelstellen hierzu sind ebenfalls zu finden S. 1, 2, 7, 8, 105, 106, 157, 158, 174, F3,<br />

S. 406, F28, S. 8, 19, 42, 43.<br />

267


während „Gerechtigkeit“ und „Zuflucht“ hingegen klar beim Kaiser verortet<br />

werden. Es wird damit ein dualistisches Bild aufgebaut, mit allen negativen<br />

Zuschreibungen von Gewalt, Rechtlosigkeit, Willkürherrschaft, fehlender<br />

Menschenliebe auf magistratischer Seite, allen positiven Zuschreibungen bzw.<br />

Assoziationen hingegen auf der kaiserlichen. Erneut wird damit argumentativ<br />

ausgeblendet, dass die restriktiven Marktbesuchszeiten eigentlich in der von<br />

der kaiserlichen Kommission gesetzten Stättigkeit festgeschrieben wurden. Der<br />

Kaiser bzw. sein Reichshofrat wird vielmehr als abstrakte, von den städtischen<br />

Ordnungen unabhängige, schützende Instanz inszeniert und angerufen.<br />

Einhergehend mit dem Gewaltaspekt wird weiter betont, dass der Magistrat<br />

eine grundsätzlich auf die Delegitimierung der jüdischen Gemeindeführung<br />

gerichtete Handlungsstrategie verfolge, indem er etwa versuche, ihr Strafsystem<br />

in Form des Bannrechts auszuhebeln. Denn, so wird es an verschiedenen Stellen<br />

beschrieben, er bleibe stets „seinen Grundsäzen getreuü […] diese Jüdische<br />

Befugnisse bey jedem Anlaß zu hemmen und abzustriken […]“ 587 ; er ergreife<br />

„die Gelegenheit, in Ceremoniel= und Religions=Sachen zu erkennen, gar<br />

begiehrig […]“, 588 um „[…] so per indirectum die jüdische Grundverfassung [zu]<br />

untergraben, und davor eine incompetente neue Gesätzgebung“ 589 einzuführen,<br />

weshalb „[…] zu befürchten stehet, daß die Frankfurt[ische] Judenschaft ihrem<br />

Untergang und Verderben näher gebracht werde“ 590 . Man sehe sich seitens der<br />

jüdischen Gemeindeführung daher dieser „Unterrichterlichen Willkühr nicht<br />

ohne äussersten Kummer ausgesetzt […]“, 591 womit zum einen erneut auf den<br />

Tyranneiaspekt einer willkürlichen, bedrückenden Herrschaft verwiesen wird<br />

und zum anderen auf die untergeordnete Stellung des Ma gistra te als Unterrichter,<br />

im Gegensatz zum übergeordneten höchsten Richter, dem Kaiser. 592<br />

Dieser wird entsprechend „herzlich bekümmert, aber nicht mutthlos“ um<br />

„allerhöchsten Schutz, und Schirm zu allerunterthänigstem Trost“ gegen die<br />

„Straf= und Schimpfbefehl[e]“ des Magistrates angesucht. 593 Die Terminologie<br />

des „Schutz und Schirm“ rekurriert dabei wiederum auf die Assoziation eines<br />

Protektionsverhältnisses der Juden mit dem Kaiser, was möglicherweise eine<br />

appellative Funktion für die reichshofrätlichen Entscheidungsträger entfalten<br />

sollte, die durch die schwarz-weiß-Zeichnung von Opfern und Tätern in der<br />

Konstellation Judengemeinde-Magistrat noch unterstützt wurde.<br />

587 F28, S. 6, 7, ebenso S. 8, 19.<br />

588 F14, S. 55, 56.<br />

589 F19, S. 82.<br />

590 F20, S. 51.<br />

591 F19, S. 76.<br />

592 Die Bezeichnung des Frankfurter Magistrates als Unterrichter findet sich auch in F17, S. 41, 51,<br />

F18, S. 46, 47, F19, S. 76, 98, 99, F20, S. 36, 37, 47, 48, 50, 51.<br />

593 F19, S. 95, 96.<br />

268


Denn nicht nur gegen die Gemeindeführung richte sich der Magistrat – so<br />

verdeutlicht man es insbesondere in den Verfahren bezüglich des Mehlhandels<br />

und der Marktbesuchszeiten –, auch dem Rest der Gemeinde stehe er<br />

mit destruktivem Handlungswillen gegenüber. Denn auf eine Verbesserung<br />

ihrer Lebensumstände „denket man von Seiten des Recheneyamts, und des<br />

Löbl[ichen] Magistrats nicht. Man will das bereits eingeschränkte noch mehr<br />

einschränken […]“ 594 und es sei „[…] also an dem, daß man der armen- in allen<br />

Stücken so sehr gedruckten Judenschaft bey jedem Vorfall die Hände auf eine<br />

unerhörte Art binden, und ihr sogar dasjenige verbieten will, was ihr doch<br />

nicht verbotten werden kann.“ 595<br />

Dass sich dies bereits über lange Zeit hinweg zeige, darauf verweisen die<br />

Gemeindeführer, wenn sie schreiben:<br />

„Es ist wahr, wenn man den mentem et intentionem des Raths von 1738.<br />

ansehen wollte; so wäre nichts richtiger, als daß derselbe damahls gesonnen<br />

ware, den armen Juden den Bettelstab in die Hand zu geben, und<br />

sie von dem kleinen Meelkram selbst gäntzlich auszuschließen; ja, wenn<br />

wir noch weiter gehen wollten, so mögte manchesmahl mens et intentio<br />

seyn, den Juden alle Handlung zu legen […]“ 596<br />

Geschickt wird damit ein Bogen gespannt, der nahe legt, dass ebenso wie der<br />

herrschende Rat zu Beginn des Prozesses in den 1730er Jahren auch der zum<br />

Zeitpunkt der Eingabe 1771 herrschende Rat der „mens et intentio“, also der<br />

Gesinnung und Intention, sei, die Juden in ihren Erwerbsmöglichkeiten gänzlich<br />

einzuschränken. Durch Konjunktiv und den Einschub „manchesmahl“<br />

wird dabei der Vorwurf scheinbar in der Schwebe gehalten, möglicherweise<br />

um keine offene Beschuldigung gegen die eigene Obrigkeit in den Raum zu<br />

stellen. Durch die Analogiebildung mit dem alten Rat jedoch, bei dem diese<br />

feindselige Haltung als offenkundig deklariert wird, wird er dennoch statutiert.<br />

Das Bild des Bettelstabes, der den jüdischen Mehlhändlern in die Hand gegeben<br />

werden solle, kann dabei ebenfalls als Symbol für eine Vertreibungsintention<br />

gelesen werden, insofern ein Bettelstab dafür steht, den Hof, bzw. in diesem<br />

Fall entsprechend die Stadt verlassen zu müssen.<br />

Noch deutlichere Worte zur Diffamierung ihres prozessualen Gegenübers findet<br />

die Gemeindeführung gegenüber den jüdischen Gemeindemitgliedern, die<br />

sich in erster Instanz an das christliche Frankfurter Gericht gewandt hatten.<br />

594 F22, S. 152, 153.<br />

595 F22, S. 178.<br />

596 F3, S. 397, 398.<br />

269


Hinsichtlich männlicher Gemeindemitglieder begegnen hier vor allem der<br />

„Ruhe und gute[n] Ordnung“ als dem normativen Ideal gegenübergestellte<br />

Attribuierungen. So etwa „der quaerulierende“ 597 , „der unruhige“ 598 , der „freche-<br />

und unbändige hitzige“ 599 und vor allem immer wieder „der halsstärrige“ 600<br />

Mann. Insbesondere letzteres Attribut dürfte vor allem auf Ungehorsam abzielen,<br />

oder, wie das Grimmsche Wörterbuch beschreibt: „[…] das wird auf den<br />

eigensinnigen, ungehorsamen, widersetzlichen übertragen, der seinen hals<br />

unter fremden willen nicht zu beugen vermag“ 601 . Auch ein „widerspenstiger<br />

Eigendünkel“, 602 eine Kombination also aus Ungehorsam und Eigennutz oder<br />

Arroganz, wird analog dazu statuiert. Ganz stereotyp werden die Gemeindemitglieder<br />

damit als Gegenbild zu den Baumeistern aufgebaut – wo die<br />

Gemeindeführung um eine Umsetzung positiver Normen ringe, wollten jene<br />

Gemeindemitglieder das Gegenteil, wo die Baumeister bescheidene, angemessene,<br />

verständige Verhaltensweisen zum Besten der Gemeinde an den Tag legten,<br />

seien jene unberechenbar, nicht konsensfähig und nur auf ihren Vorteil<br />

bedacht. Insbesondere die Betonung eines Ungehorsams jedoch impliziert eine<br />

herrschaftliche Hierarchievorstellung, insofern die Gemeindemitglieder ihrer<br />

Gemeindeführung Gehorsam schuldig seien. Damit wurde eine Eindeutigkeit<br />

der Handlungsoptionen der Vorsteher suggeriert, konnte sozusagen von<br />

Obrigkeit zu Obrigkeit eine bestrafende Vorgehensweise gegen die eigenen<br />

Gemeindemitglieder legitimiert werden.<br />

Das Verfahren F19 bietet als einziger Fall im Sample einen Einblick in<br />

die Darstellung von weiblichen Gemeindemitgliedern, die sich gegen eine<br />

Gemeindeverfügung zur Wehr gesetzt hatten. In keinem anderen der untersuchten<br />

Verfahren wurde eine ähnlich drastische und herabwürdigende Sprache<br />

benutzt, wie gegen die Jüdin Hanna bat Wolf Ursel, wenngleich dies auch<br />

das einzige untersuchte Verfahren darstellte, in dem es um eine vermeintliche<br />

sittliche Verfehlung ging. Die Stoßrichtung der Diffamierung war dabei eindeutig:<br />

Man wollte sie als ehrlose, unmoralische Person darstellen. So etwa,<br />

wenn es heißt:<br />

„[…] und weilen andern Theils auch wieder hier nicht von einer im ledigen<br />

Stand geschwächten Weibsperson, sondern von einer offenbaren<br />

verabscheuungswürdigen Hure die Sprache ist, die in Hamburg ihren<br />

597 F20, S. 31.<br />

598 F20, S. 31, ebenso S. 23, 24, F26, S. 49, 50.<br />

599 F20, S. 253, 265, 269.<br />

600 F20, S. 265, 269, ebenso F28, S. 9, 13, 14.<br />

601 Grimm: Art. halsstarrig, Bd. 10, S. 267.<br />

602 F20, S. 28, ebenso F23, S. 63, 64 „[…] ein so widerspenstiges Mitglied der Gemeinde […] einen<br />

solchen muthwillig-saumseligen Gemeindeschuldner […]“<br />

270


schändlichen Leib jedermann Preis gegeben hab, und dahero auch den<br />

Vater ihres Hurenkindes nicht angeben kann, die mit einem solchen<br />

Hurenkinde im Leibe sich an einen ehrlichen Juden, der sie zuvor nie<br />

gesehen, verheurathet, und sich als eine keusche Jungfer ausgegeben,<br />

gleich zwey Monat darauf aber ihr Hurenkind gebohren, und ein Scandal<br />

dargeleget hat, das in Frankfurt noch nie erlebet- und sie dahero<br />

auch gleich wieder von ihrem Ehemann, den sie so schändlich betrogen,<br />

geschieden worden ist.“ 603<br />

Mehrfach wird Hanna nicht nur direkt, sondern auch über die Bezeichnung<br />

ihres Kindes als „Hurenkind“ indirekt, als Prostituierte dargestellt. Dass<br />

dabei in der Quellenstelle gleich zweimal die Körperlichkeit des vermeintlichen<br />

Verbrechens herausgestellt und ihr „Leib“ ins Blickfeld gerückt wird,<br />

den die Baumeister zudem als „schändlich“ herabwürdigen, weil „jedermann<br />

Preis gegeben“, soll vermutlich unterstreichen, dass sie nicht nur moralisch,<br />

sondern auch tatsächlich körperlich als unrein zu betrachten sei. Gleichzeitig<br />

wird sie zudem ganz auf diese unreine Körperlichkeit reduziert, wird ihr<br />

„schwanger[er] Hurenleib“ 604 zum beherrschenden Bild der Beklagten. Das vermeintlich<br />

ebenso unmoralische Verhalten des Kindsvaters hingegen wird völlig<br />

ausgeblendet. Obwohl zu keinem Zeitpunkt im Verfahren davon die Rede war,<br />

dass Hanna mit mehr als einem Mann unehelichen Verkehr hatte, wird dies<br />

durch die scheinbare Logik überdeckt, dass sie den Vater deshalb nicht nenne,<br />

weil sie nicht wisse, wer – der vielen, so soll wohl automatisch ergänzt werden<br />

– es sei. Mit entsprechenden Attribuierungen wird dieses Bild noch unterstützt,<br />

so z.B. wenn sie als „nichts nutzende gottlose Hanna“ 605 , als „leichtfertige<br />

nichtsnutzende Vettel“ 606 , „schändliches“ 607 oder „verwegene[s] Weibsbild“ 608 ,<br />

„nichtswürdige Dirne“ 609 , „in Lüsten, als Übermuth ausgelassen“ 610 oder als<br />

„schamlos- und unzüchtig“ 611 bezeichnet wird. An beinahe keiner Stelle im<br />

ganzen Verfahren wird ihr Name ohne ein pejoratives Adjektiv oder Vergleichsbild<br />

genannt. Damit freilich wird sie moralisch gänzlich demontiert<br />

und ihre Integrität, ihre Gleichwertigkeit als Prozessbeteiligte völlig bestritten.<br />

Zugleich konnten die Gemeindeführer damit ihre eigene scheinbare unfassliche<br />

603 F19, S. 332, 333.<br />

604 F19, S. 322, 323.<br />

605 F19, S. 323.<br />

606 F19, S. 322.<br />

607 F19, S. 335.<br />

608 F19, S. 72.<br />

609 F19, S. 102.<br />

610 F19, S. 92.<br />

611 F19, S. 71, 72.<br />

271


Empörung zum Ausdruck bringen und die Situation maßlos dramatisch überhöhen.<br />

Es sei dies ein „niemals in Frankfurt erhörte[s] große[s| Laster der Jüdin<br />

Hanna“ 612 , „ein lebendiges Zeugniß der schändlichsten Conduite, und des nie<br />

erhörten großen Betruges“, 613 ja es sei gar „an solche schlechte Subjecta, wie<br />

die Hanna ist, noch nie gedacht worden“ 614 und es habe „ihres Gleichens in<br />

der Judengemeinde zu Franckfurt, Gott lob! noch nicht gehabt“ 615 . So sehr sie<br />

Hanna also abwerteten, so sehr werteten die Baumeister sich selbst moralisch<br />

auf, insofern es ihnen nicht einmal möglich gewesen sei, sich so etwas auch<br />

nur vorzustellen. Auch indem sie festhielten, dass es einen solchen Vorfall in<br />

Frankfurt noch nicht gegeben habe, stellten sie die gute Ordnung heraus, die<br />

unter ihrer Ägide stets in „der auf anständige Zucht, und die hergebrachte<br />

Ordnung haltenden Frankfurtischen Judengemeinde“ geherrscht habe und<br />

herrsche, und die quasi nur durch diesen völlig singulären Vorfall unterbrochen<br />

werde, wodurch sie zugleich zeigen können, dass dies nicht als Versagen<br />

ihrer Aufsichtspflicht gewertet werden dürfe.<br />

So radikal und endgültig nun diese Position der Baumeister hier scheinbar<br />

formuliert und ins Bild gesetzt wird, so sehr kann gerade der Fall der Hanna<br />

bat Wolf Ursel zeigen, wie viel rhetorische Überhöhung in solchen Fremdbildern<br />

zum Tragen kommen konnte. Denn im Falle der Hanna bat Wolf Ursel<br />

existiert in der innerjüdischen Überlieferung ein Gedenkeintrag für die 1803<br />

Verstorbene im Memorbuch der Gemeinde, 616 der einen ganz anderen, wiewohl<br />

ebenso stereotypen Blick auf sie eröffnet:<br />

„Möge Gott gedenken/ der Seele der angesehenen und frommen Frau,<br />

Frau Hanle, Tochter des respektierten Reb Wolf Orsil, sein Andenken sei<br />

gesegnet, die voller Rechtschaffenheit war in allem was sie tat/ den ganzen<br />

612 F19, S. 319, 320.<br />

613 F19, S. 329.<br />

614 F19, S. 330.<br />

615 F19, S. 322.<br />

616 Es existiert eine exemplarische Behandlung des Frankfurter Memorbuches von Tzvia Koren-<br />

Loeb, dort kommt jedoch der Eintrag für Hanna nicht vor. Sie führt aber allgemein in die Entstehungsgeschichte<br />

und Quellenspezifika des Buches ein – Koren-Loeb, Tzvia: Das Memorbuch<br />

zu Frankfurt am Main. Erschließung und Kommentierung ausgewählter Themenkreise, Duisburg/Essen<br />

2008 (ungedr. phil. Diss.). URL: http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/<br />

DocumentServlet?id=18193&lang=en (letzter Abruf 20.12.2011). Zum literarischen Stil und Inhalt<br />

dieser Werke siehe einführend NN: Art. „Memorbuch“. In: Encyclopaedia Judaica, Detroit<br />

2007 2 , Vol. 14, S. 17, 18, sowie den etwas ausführlicheren und korrekteren Beitrag in der ersten<br />

<strong>Ausgabe</strong> Jacobs, Joseph/Salfeld, Siegmund: Art. „Memorbook“. In: Encyclopaedia Judaica,<br />

Bd. 11, Jerusalem 1972, S. 1299–1301. Siehe auch Pomerance, Aubrey: „‚Bekannt in den Toren‘.<br />

Name und Nachruf in Memorbüchern.“ In: Hödl, Sabine/Lappin, Eleonore (Hrsg.): Erinnerung<br />

als Gegenwart. Jüdische Gedenkkulturen, Wien 2000, S. 33–53. Weinberg, Markus: Untersuchungen<br />

über das Wesen des Memorbuches, Jahrbuch des jüdisch-literarischen Gesellschaft,<br />

Frankfurt XVI (1924), S. 253–320.<br />

272


Tag beschäftigt mit den Bedürfnissen ihres Haushalts, ihren Ehemann<br />

respektierend, und ihre Kinder auf dem richtigen Pfad erziehend, auch<br />

wohltätig gegenüber den Reichen/ und den Armen, und am Ende ihrer<br />

Tage erlitt sie viele Schmerzen und sie ertrug sie mit Liebe, und ihre Seele<br />

verließ sie in Reinheit. Und für diese […] werden wir für ihr Seelenheil 21<br />

Gulden spenden, und aufgrund dessen soll ihre Seele höher und höher aufsteigen<br />

gleich einer Opfergabe. Und ihre Seele sei eingebunden ins Bündel<br />

des Lebens mit den Seelen von AIU [Abraham, Isaak und Jakob] und den<br />

Seelen von SRRL [Sarah, Rebecca, Rachel, Leah]/ [und] weiterer frommer<br />

Männer und Frauen, die im Garten Eden weilen […] Amen./ Sie starb<br />

am Donnerstag den 24. Tamuz, und wurde begraben/ am folgenden Tag,<br />

Freitag am Abend des heiligen Sabbat/ 25. [Tamuz], [5]563. Und sie wurde<br />

von allen Hanle genannt, Ehefrau des Itsek Fulda, Zum Weissen Stern.“ 617<br />

Zwischen dem Entstehen der beiden Schriftstücke liegen rund zwanzig Jahre,<br />

während deren Appellationsgesuch der Gemeindeleitung abgeschlagen wurde,<br />

Hanna sich mit dem Frankfurter Schutzjuden Isaak Herz Fuld verheiratete und<br />

zu einem scheinbar angesehenen Mitglied der Gemeinde wurde. Zumindest<br />

wollte man dies für die Nachwelt so festschreiben. Die Diskrepanz zwischen<br />

den Beschreibungen kann abschließend zeigen, wie situationsgebunden und<br />

-spezifisch diffamierende Fremdbilder in einer zugespitzt agonalen Gerichtssituation<br />

sein konnten, wie sehr Teil einer auf persuasive Wirksamkeit konzentrierten<br />

Momentaufnahme einer rhetorischen Strategie.<br />

3.c Konfliktperspektiven<br />

Betrachtet man die Argumentation über Selbst- und Fremdbilder im Vergleich<br />

zur juristischen Argumentationsführung, so erweist sie sich vor allem in ihrer<br />

Ausgestaltung wesentlich deskriptiver und von einer intensiven Bildsprache<br />

geprägt. Ging es in der rechtlichen Argumentation um schlüssige Rechts quellen<br />

in ter pre ta tio nen, so schien die Einbettung derselben in die normativ-politische<br />

Argumentation offenbar einer Emotionalisierung und Personalisierung<br />

des Konflikts zu dienen. Erst durch diesen zweiten Argumentationsstrang<br />

gelang es den jüdischen Klägern, sich dem Gericht als persönlich Betroffene<br />

sichtbar werden zu lassen und sich zugleich in einem dramatischen Szenario<br />

617 JNUL <strong>Online</strong> Sources, Digitzed Manuscripts, Das Frankfurter Memorbuch, ms. Heb 1092,<br />

p. 789. URL: http://jnul.juhi.ac.il/dl/mss/heb1092/index_engl.htm (letzter Abruf 20.12.2011).<br />

Für den Hinweis danke ich Dr. Edward Fram, für die Hilfe bei der Übersetzung aus dem Hebräischen<br />

Dr. Evyatar Marienberg.<br />

273


zwischen Ideal und Zerrbild und als Opfer einer ihr feindlich gesinnten Obrigkeit<br />

zu inszenieren, in dem sie stets als die Wahrer und Verfechter positiv<br />

besetzter normativer Werte wie des Gemeinen Besten oder der guten Ordnung<br />

auftraten. Dass sich dabei in mehr als 25 Jahren die Selbstdarstellung trotz<br />

wechselnder Amtsbesetzung und ebenso wechselnder Anwälte nicht veränderte,<br />

zeigt zum einen die Stereotypisierung der Argumentation, zum anderen<br />

die offenbare Adaptierbarkeit dieser Argumentationselemente, so dass man sie<br />

nach wie vor als persuasiv erfolgreich einstufte und beibehielt.<br />

In dualistischer Manier wurden ebenso die Gegner stilisiert, wobei dies<br />

sowohl den Magistrat als auch eigene Gemeindemitglieder meinen konnte.<br />

Schrieb man dabei der Obrigkeit klassische Attribute der schlechten Regierung<br />

zu, wie Gewaltbereitschaft, Tyrannei und mangelndes Rechtsbewusstsein, wurden<br />

gegnerische Gemeindemitglieder hingegen mit charakterlicher oder moralischer<br />

Schwäche attribuiert und als aktiv gegen die gute Ordnung Handelnde<br />

demontiert. Dabei diente die Diffamierung des Gegenübers, die Konstruktion<br />

der Fremdbilder, letztlich immer zugleich der eigenen Selbstzeichnung der<br />

Gemeindeleitung sowohl als Opfer einer ihr feindlich gesinnten Obrigkeit, wie<br />

auch als Wahrer und Beschützer der guten Ordnung der Gemeinde. Selbst- und<br />

Fremdbild griffen also perfekt ineinander.<br />

Die durchgehend dualistische, antithetische Konstruktionsweise lässt dabei<br />

stark an die rhetorischen Elemente von Lob und Tadel denken, die ge ne ra übergrei<br />

fend auch in der Gerichtsrede strategisch eingesetzt werden.<br />

„In der Gerichtsrede beispielsweise ist das Personenlob für die effektvolle<br />

Präsentation entweder des bedauernswerten Opfers oder des unschuldig<br />

Angeklagten unverzichtbar. Umgekehrt gehört auch der Tadel zum Repertoire<br />

der juristischen und der politischen Rede, sei es in der Abwertung<br />

des politischen Gegners oder in der Bloßstellung eines für die gerichtliche<br />

Beweisführung untauglichen Zeugen. […] Nicht erst in Rom […] sind<br />

die großen Anklage- und Verteidigungsreden explizit politische Reden,<br />

ist das richterliche Urteil dezidiert eine politische Entscheidung […]“ 618<br />

Tatsächlich geschah in der Argumentation der Gemeindeleitung genau dieses.<br />

Zwar wurde das Eigenlob immer in den Bezugsrahmen des Gemeinen Nutzens<br />

oder der Guten Ordnung gestellt, für die all die harte Arbeit der pflichtbewußten<br />

und selbstlos nur ihr Bestes gebenden Ehrenmänner geleistet werde.<br />

Außerdem ließ man an der eigenen durchweg positiven Darstellung weder<br />

Ambivalenzen noch Zweifel aufkommen und erhöhte damit noch die Dramatik<br />

618 Ottmers, Clemens: Rhetorik, S. 22, 23.<br />

274


des Bildes, dass nun gerade sie, die sie zudem die Gemeinde repräsentierten,<br />

Angriffe von Obrigkeit und Gemeindemitgliedern erleiden müssten. Ebenso<br />

konnte man in der Obrigkeit rasch den politischen Gegner ausmachen, der zu<br />

tadeln war, ob seines Versuchs, mit Gewalt und willkürlichen Maßnahmen die<br />

Macht an sich zu reißen und dazu die, durchweg subversiv und unmoralisch<br />

attribuierten Gemeindemitglieder als Zeugen zu nutzen, die sich erdreisteten,<br />

gegen die Gemeindeführung zu klagen.<br />

Das politische Moment, das sich in einer solchen rhetorischen Strategie<br />

findet, wurde in der vorliegenden Argumentation noch dadurch unterfüttert,<br />

dass man sich in der normativen Rückbindung der Argumentation an das<br />

Vokabular und argumentative Material politischer Herrschaftsträger und<br />

Herrschaftskonflikte anlehnte und die eigene Position in der Gemeinde damit<br />

assoziierbar machte bzw. Analogien nahe legte. Dieses, so haben insbesondere<br />

die Arbeiten von Seresse und der Forschungsgruppe um Münkler und Bluhm<br />

gezeigt, 619 zentrierte sich immer wieder in ganz verschiedenen Kontexten um<br />

eine Reihe von Schlüsselbegriffen bzw. Schlüsselthemen der zeitgenössischen<br />

politischen Kommunikation. Dazu wäre neben der „guten Ordnung“ vor allem<br />

das „Gemeinwohl“ bzw. das „Gemeine Beste“ oder der „Gemeine Nutzen“ zu<br />

zählen, die Seresse als synonyme und prominenteste Schlüsselbegriffe in der<br />

politischen Kommunikation in Mitteleuropa zwischen 1400 und 1800 überhaupt<br />

einstuft. 620 Wie Münkler und Bluhm zusammenfassen, entwickelte<br />

sich der Begriff des „Gemeinwohl“ dabei zum einen auf Herrschaftsebene als<br />

fürstlicher Tugendanreiz sowie im Verlauf der Frühen Neuzeit zunehmend als<br />

Legitimationsmuster zur Passivierung und Disziplinierung der Untertanen u.a.<br />

durch Policeymaßnahmen. 621 Zum anderen entwickelte er sich aber auch auf<br />

619 Siehe Münkler, Herfried/Bluhm, Harald (Hrsg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn, Historische<br />

Semantiken politischer Leitbegriffe, Berlin 2001, insbesondere die Beiträge von Peter Blickle,<br />

Otto Gerhard Oexle, Thomas Simon in diesem Band. Seresse, Voker (Hrsg.): Schlüsselbegriffe<br />

der politischen Kommunikation in Mitteleuropa während der frühen Neuzeit, Frankfurt am<br />

Main 2009. Seresse, Volker: Politische Normen in Kleve-Mark während des 17. Jahrhunderts.<br />

Argumentationsgeschichtliche und herrschaftstheoretische Zugänge zur politischen Kultur<br />

der frühen Neuzeit, Epfendorf/Neckar 2005. Eberhard, Winfried: Der Legitimationsbegriff des<br />

„Gemeinen Nutzens“ im Streit zwischen Herrschaft und Genossenschaft im Spätmittelalter. In:<br />

Fichte, Jörg et al. (Hrsg.): Zusammenhänge, Einflüsse, Wirkungen: Kongressakten des Mediävistenverband<br />

Tübingen 1984, Berlin 1986, S. 241–254. Hibst, Peter: Utilitas Publica – Gemeiner<br />

Nutz – Gemeinwohl. Schulze, Walter: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normwandel<br />

in der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. In: HZ 243 (1986), S. 598–625.<br />

620 Seresse, Volker: Politische Normen, S. 7.<br />

621 Dazu auch Simon, Thomas: Gemeinwohltopik in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen<br />

Politiktheorie. In: Münkler, Herfried/Bluhm, Herald (Hrsg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn,<br />

S. 129–146. Münkler, Herfried/Bluhm, Herald: Einleitung: Gemeinwohl und Gemeinsinn als<br />

politisch-soziale Leitbegriffe. In: Münkler, Herfried/Bluhm, Herald (Hrsg.): Gemeinwohl und<br />

Gemeinsinn, S. 20, 21.<br />

275


genossenschaftlicher, kommunaler bzw. ständischer Ebene, 622 wie vor allem<br />

Blickle und Eberhard für das Spätmittelalter gezeigt haben, 623 um etwa Ordnungsmaßnahmen<br />

kommunaler Verbände zu legitimieren und Statute und<br />

Gebote konsensfähig zu etablieren 624 sowie als Moment des oppositionellen,<br />

alternativen Staatsverständnisses, das eine Konkurrenz zwischen herrschaftlicher<br />

und ständisch-genossenschaftlicher Ebene zuließ. 625 Inwiefern in diesem<br />

Spannungsfeld eine politisch nicht partizipierende, aber dennoch korporativ<br />

verfasste Gruppe wie die Frankfurter Judenschaft bzw. ihre Gemeindeführung<br />

einzuordnen ist, kann kaum beantwortet werden. Dass jedoch auch eine<br />

solche Gruppe diese Diskurse in ihrem nach außen präsentierten Gemeinschaftsmodell<br />

aufgriff, ist bezeichnend und bislang nicht beachtet worden.<br />

Wenn Münkler und Blum formulieren, dass gerade der Gemeinwohl-Begriff<br />

unter anderem auf einer rhetorischen Dimension als sowohl inkludierender<br />

als auch exkludierender Topos funktioniere, um Ansprüche zu erheben oder<br />

abzuwehren, was insbesondere über Komplementär- und Abgrenzungsbegriffe<br />

geschärft werde, so findet sich genau dieses in den untersuchten Verfahren. 626<br />

Offenbar griff die jüdische Gemeindeführung bevorzugt auf eine politische<br />

Legitimierungsstrategie ihrer christlichen Umwelt zurück, wenn sie sich einer<br />

christlichen Institution wie dem Reichshofrat gegenübersah, versuchte also<br />

anschlussfähige, für ihren Adressaten verständliche Normvorstellungen auf<br />

sich selbst zu übertragen. Zugleich verlieh sie der grundlegenden Konfliktsituation<br />

zwischen Magistrat und jüdischer Gemeindeführung damit politischen<br />

622 Münkler, Herfried/Bluhm, Herald: Einleitung: Gemeinwohl und Gemeinsinn als politisch-soziale<br />

Leitbegriffe. In: Münkler, Herfried/Bluhm, Herald (Hrsg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn,<br />

S. 19, 24.<br />

623 Blickle, Peter: Der Gemeine Nutzen. Ein kommunaler Wert und seine politische Karriere. In:<br />

Münkler, Herfried/Bluhm, Herald (Hrsg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 85–107. Ders.:<br />

Gemeinnutz in Basel. Legitimatorische Funktion und ethische Norm. In: Erbe, Michael et al.<br />

(Hrsg.): Querdenken. Dissens und Toleranz im Wandel der Geschichte, Festschrift zum 65. Geburtstag<br />

von Hans R. Guggisberg, Mannheim 1996, S. 31–40. Eberhard, Winfried: „Gemeiner<br />

Nutzen“ als oppositionelle Leitvorstellung im Spätmittelalter. In: Gerwing, Manfred/Ruppert,<br />

Godehard (Hrsg.): Renovatio et reformatio, Wider das Bild vom „finsteren“ Mittelalter. Festschrift<br />

für Ludwig Hödl, Münster 1985, S. 195–214. Ders.: Der Legitimationsbegriff des „gemeinen<br />

Nutzens“ im Streit zwischen Herrschaft und Genossenschaft im Spätmittelalter. In: Fichte,<br />

Joerg et al. (Hrsg.): Zusammenhänge, Einflüsse, Wirkungen. Kongressakten zum ersten Symposium<br />

des Mediävistenverbandes in Tübingen 1984, Berlin-New York 1986, S. 241–254.<br />

624 Blickle, Peter: Der Gemeine Nutzen. Ein kommunaler Wert und seine politische Karriere. In:<br />

Münkler, Herfried/Bluhm, Herald (Hrsg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 104.<br />

625 Eberhard, Winfried: Der Legitimationsbegriff des „gemeinen Nutzens“ im Streit zwischen Herrschaft<br />

und Genossenschaft im Spätmittelalter. In: Fichte, Joerg et al. (Hrsg.): Zusammenhänge,<br />

Einflüsse, Wirkungen, S. 249, 253, 254.<br />

626 Münkler, Herfried/Bluhm, Herald: Einleitung: Gemeinwohl und Gemeinsinn als politisch-soziale<br />

Leitbegriffe. In: Münkler, Herfried/Bluhm, Herald (Hrsg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn,<br />

S. 14. Auch Seresse hebt diese Abgrenzung über konträre Begriffe hervor, so z.B. bei „Gemeinwohl“<br />

Eigennutz, Ruin, Verderben, Schaden, Nachteil des Landes, bei „Gute Ordnung“ Unordnung,<br />

Confusion – siehe Seresse, Volker: Politische Normen, S. 106, 175.<br />

276


Charakter, hinterfragte die Funktion des Magistrates als Bewahrer der allgemein<br />

akzeptierten Norm ihrer jüdischen Untertanengruppe gegenüber und<br />

etablierte sich vielmehr selbst als normkonforme, -konservative und -bewußte<br />

Führungsgruppe, deren Machtraum es daher zu erhalten gelte.<br />

Auch der Schlüsselbegriff der „guten Ordnung“ zielte klar in diese Richtung,<br />

insofern man damit einen insbesondere mit Policey, sozialer Aufsicht und<br />

Disziplinierung assoziierten Begriff wählte sowie die bereits seit dem Mittelalter<br />

bestehende Ordnungsvorstellung der „tranquillitas ordinis“ als Folie<br />

hinterlegte. 627 Wenngleich man von jüdischer Seite aus keine Policeyaufsicht<br />

geltend machen konnte, da diese offiziell nur einer Obrigkeit wie dem Frankfurter<br />

Magistrat zustand, legte man dies aber dennoch immer wieder nahe,<br />

und verwies darauf, dass es de facto die jüdischen Baumeister seien, die für<br />

„Ruhe und Ordnung“ sorgten, auf „Zucht und gute Sitten“ achteten, während<br />

die magistratische Obrigkeit, der diese Aufgabe eigentlich zugeschrieben<br />

werde, vielmehr denjenigen Gemeindemitgliedern helfe, die diese zu zerstören<br />

suchten. Liege dem Reichshofrat somit an einer Bewahrung der Zustände,<br />

so müsse er die jüdische Führungsgruppe unterstützen und in ihrer Position<br />

stabilisieren. Vermutlich aus langjähriger Erfahrung mit der Justiz des Reichshofrates<br />

heraus setzte man damit argumentativ alles auf eine Karte, nämlich<br />

auf die Vorstellung, dass dies tatsächlich die Handlungsintention des kaiserlichen<br />

Reichshofrates sei und er die Autonomie einer jüdischen politischen wie<br />

rechtlichen Sphäre samt ihrer konservativen Normsetzung bewahren wolle.<br />

Inwieweit diese Argumentationsführung die Entscheidungstätigkeit des<br />

Reichshofrates zugunsten der Frankfurter Judenschaft letztlich beeinflusste,<br />

muss vage bleiben. Nur in einem Fall scheint der zuständige Reichshofrat Steeb<br />

tatsächlich die Argumentationsführung der jüdischen Gemeindeführung in<br />

seinem Votum aufzugreifen. Dies ist, wenig überraschend, das Verfahren der<br />

Jüdin Hanna, somit gerade der Fall, den die Baumeister besonders emotionalisierend,<br />

polemisierend und dramatisierend geschildert hatten. Steeb schreibt:<br />

„Deme trittet bey, das meiner Meinung nach allerdings den Umständen<br />

in der Judengassen angemessen zu seyn scheinet, das in etwa schärfers<br />

mit denen pcto 6ti sich vergehenden Jud- und Jüdinnen zu Werck<br />

gegangen werde, weilen, wenn mann zu nach- und hinsichtig seyn solte,<br />

627 Seresse, Volker: Politische Normen, S. 174–179. Zur Entwicklung der „tranquillitas ordinis“<br />

Vorstellung siehe Simon, Thomas: Gute Policey, Ordnungsleitbilder und Zielvorstellungen politischen<br />

Handelns in der Frühen Neuzeit, Frankfurt 2004, S. 22–27, 127ff. Zur Policey siehe<br />

einführend Holenstein, André et al. (Hrsg.): Policey in lokalen Räumen. Ordnungskräfte und<br />

Sicherheitspersonal in Gemeinden und Territorien vom Spätmittelalter bis zum frühen 19. Jahrhundert,<br />

Frankfurt 2002. Härter, Karl (Hrsg.): Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft,<br />

Frankfurt 2000.<br />

277


dieses bey der überhauften Volcks Menge leichtlich Gelegenheit unterstellen<br />

derfte, das sich mehrere auf gleiche Art verfangen machen, und<br />

am Ende die Juden Gemeinschafft mit derley Gattung Leuthen angefillet<br />

werden müste, weilen die Furcht vor der Stätigkeit, wo nicht für alle Zeit,<br />

doch auf eine längere Zeit aussgeschlossen zu werden, und Schutze nicht<br />

anderst, als durch höhere, und allenfalls durch kayserliche Begnadigung<br />

gelangen zu können, gewiß mehrers wircken wird, als immer eine andere<br />

Bestrafung.“ 628<br />

Das von der jüdischen Gemeindeleitung aufgebaute Zerrbild, dass das Beispiel<br />

Hannas zu einem ähnlichen Verhalten junger Frauen Anlaß geben und die gute<br />

Ordnung in der Gemeinde untergraben würde, überzeugte also offentlichtlich<br />

auch den Reichshofrat in Wien, der alsdann auch in seiner Beschreibung<br />

Hannas den Baumeistern folgte. Denn auch auf die Diffamierungen rekurrierte<br />

er insofern, als er schreibt, dass sie „sich schwängern lässt, und mit volem Bauen<br />

einen 3ten der sie nicht erkant, recht hinterlistig angeführt“, sie sich „mit dem<br />

3ten fleischlich vorgangen“ habe. 629 Damit reduzierte auch er die Beklagte auf<br />

die Körperlichkeit ihres Verbrechens und das Bild ihres schwangeren Körpers,<br />

der ihm aus der Beschreibung der jüdischen Gemeindeführer offenbar so stark<br />

vor Augen stand. Gleichwohl zeigte sein Urteilsvorschlag die Favorisierung<br />

einer Kompromisslösung, die die Möglichkeit zur Aufnahme Hannas in die<br />

Stättigkeit offen ließ, „wenn in der Folge Appellatin genügliche Zeugnisse ihres<br />

verbesserten Lebens Wandel dargeleget habe“, 630 und er begründete seine Entscheidung<br />

letztlich in professioneller Art und Weise allein aus den juristischen<br />

Argumenten der Prozessparteien heraus.<br />

628 HHStA, RHR, Relationes, K 72, o.F.<br />

629 HHStA, RHR, Relationes, K 72, o.F.<br />

630 HHStA, RHR, Relationes, K 72, o.F.<br />

278


Abschließende Bemerkungen<br />

und Ausblick<br />

Zuletzt sei noch einmal der Kreis zu dem an den Anfang gestellten Quellenzitat<br />

der Frankfurter Baumeister und den daraus resultierenden forschungsleitenden<br />

Fragen geschlossen, um die in dieser Studie herausgearbeiteten Ergebnisse zu<br />

bündeln. Es war zunächst nach dem Zugang der Juden, speziell der Frankfurter<br />

Juden zum kaiserlichen Thron und zu den Reichsgerichten gefragt worden.<br />

Wie die quantitative Auswertung der Findbücher zu den Quellenbeständen des<br />

Reichshofrats im 18. Jahrhundert gezeigt hat, versuchte die jüdische Bevölkerung<br />

im Reich im Vergleich zur christlichen Mehrheitsgesellschaft überproportional<br />

häufig, ihre Konflikte und Anliegen vor das kaiserliche Gericht zu<br />

bringen. Mit 1385 Verfahren verdoppelte sich dabei ihre Präsenz im Vergleich<br />

zu den vorher gehenden beiden Jahrhunderten, wobei zugleich eine regionale<br />

Verschiebung der Konflikte von den Erbländern ins Reich feststellbar war.<br />

Damit bestätigte sich das bereits von Press formulierte Wiedererstarken der<br />

kaiserlichen Position nach dem Westfälischen Frieden, was insbesondere von<br />

den Juden im Reich offenbar früh erkannt und genutzt wurde. Aber nicht nur<br />

am Reichshofrat, sondern auch am RKG wurden zunehmend Prozesse von und<br />

mit jüdischen Prozessbeteiligten verhandelt, wie die als Vergleich herangezogenen<br />

Studien von Sabine Frey und Anette Baumann gezeigt hatten. Gleichwohl<br />

war dort die Prozesstätigkeit nicht annähernd so hoch wie am Reichshofrat.<br />

Dies mag ebenfalls den Befund bestätigen, dass man dem Wiener Gericht als<br />

genuin kaiserlichem Gericht eine höhere Exekutionskompetenz sowie speziell<br />

für jüdische Kläger eine höhere Schutzfunktion zuschrieb. Es könnte aber auch<br />

darauf verweisen, dass die für das RKG konstatierte längere Prozessdauer und<br />

die Ineffizienz zunehmend Kläger abschreckte.<br />

Besonders auffällig war die Konstanz des Prozessaufkommens während des<br />

Untersuchungszeitraums, das offenbar zunehmend weniger konkret si tu a tionsge<br />

bun den war und damit zugleich die zunehmende Konsolidierung jüdischen<br />

Lebens widerspiegelte. Auffällig waren hingegen Häufungen, die sich mit den<br />

kaiserlichen Regierungszeiten in Verbindung setzen ließen. Dieser Konnex<br />

zeigte, dass – analog zur Entwicklung der Gesamtinanspruchnahme des Reichshofrats<br />

– insbesondere unter den Kaisern Karl VI. und Joseph II. der Reichshofrat<br />

auch besonders häufig von Juden angerufen wurde, rund zwei Drittel aller<br />

Verfahren fielen in den Zeitrahmen ihres Kaisertums. Auffallend oft, nämlich<br />

in über einem Drittel aller Prozesse, traten dabei Frankfurter Juden am Reichshofrat<br />

als Prozesspartei in Erscheinung. Ihr reichsstädtisch herausgehobener<br />

279


Status als der nach Prag größten und bedeutendsten Gemeinde im Reich kam<br />

auch am Reichshofrat zum Tragen. Dass dabei durchaus nicht nur Schuldenklagen<br />

der jüdischen Finanzelite, sondern vielmehr nach wie vor eine nicht zu<br />

übersehende Anzahl an Gemeindeklagen verhandelt wurden, verwunderte und<br />

widersprach dem von der Forschung bislang gezeichneten Bild.<br />

Die meisten Gemeinden, die am Reichshofrat in Erscheinung traten, kamen<br />

aus den zentralen Siedlungslandschaften des frühneuzeitlichen Judentums,<br />

nämlich aus dem Süden des Reiches, aus Reichsstädten und Reichsritterschaften,<br />

was sich wiederum mit den kaisernahen Gebieten deckt und zeigt,<br />

dass der Kaiser bzw. das kaiserliche Gericht zumindest in diesen Räumen<br />

eine relevante Größe für jüdische Gemeinden blieb. Wiederum war es die<br />

Gemeinde in Frankfurt, aber auch diejenige in Worms, die zu den besonders<br />

häufig vertretenen Prozessparteien gehörten. Dass damit die beiden ehemaligen<br />

Vertreter der Judenschaft im Reich prominent im Vordergrund standen, deutet<br />

darauf hin, dass deren repräsentativer Status für andere jüdische Gemeinden<br />

im 18. Jahrhundert, möglicherweise der langen Tradition und der herausgehobenen<br />

Stellung des Frankfurter Rabbinatsgerichtes entsprechend, nach wie vor<br />

inoffiziell vorhanden war. Dafür sprachen auch die im Frankfurter Stadtarchiv<br />

ermittelten Anfragen anderer, hauptsächlich Frankfurt umgebender Stadt- und<br />

Territorialregierungen bezüglich der Handhabe sowohl jüdisch-nichtjüdischer<br />

als auch innerjüdischer Gegebenheiten und Konflikte.<br />

Von Interesse war des Weiteren, so eine der zu Beginn aufgeworfenen Fragen,<br />

wem sich Juden vor Gericht gegenüber sahen. Dies wurde anhand der 480<br />

Frankfurter Prozesse in Hinblick auf geographische und soziale Reichweite<br />

untersucht. Die geographische Auswertung zeigte dabei, dass die Konflikte<br />

erstaunlicherweise vor allem einen lokalen Zuschnitt hatten und hauptsächlich<br />

im Rheinischen Umfeld angesiedelt waren mit Ausgriffen ins Fränkische<br />

und Niederrheinisch-Westfälische Gebiet. Es spiegelte sich darin also nicht<br />

die angenommene überregionale Handelsvernetzung der Frankfurter Juden<br />

wider, sondern vielmehr eine eher lokal begrenzte Geschäftstätigkeit. Dies<br />

mag sowohl bedeuten, dass der lokale Handel bzw. Geldverleih von bislang<br />

unterschätzter Dominanz war, dass dieser besonders konfliktgeladen war oder<br />

dass der Reichshofrat nicht das Gremium der Wahl war, um überregionale<br />

Geschäftskonflikte zu lösen. Die soziale Staffelung der Konfliktpartner der<br />

Frankfurter Juden hingegen zeichnete, abgesehen von den Gemeindeprozessen,<br />

ein ganz erwartungsgemäßes Bild: Rund ein Drittel der zumeist Beklagten<br />

waren Herrschaftsträger, vor allem Reichsstände. Abgesehen vom Frankfurter<br />

Magistrat, der einen Sonderfall bildete, waren dies vor allem weltliche Fürsten<br />

sowie Grafen und Herren, eher selten hingegen Reichsritter, geistliche Fürsten<br />

280


und landsässiger Adel. Dies in Kombination mit der geographischen Reichweite<br />

der Konflikte und der Tatsache, dass es sich hauptsächlich um Schuldenklagen<br />

handelte, ließ erkennen, dass offenbar der zunehmend steigende Re prä senta<br />

tions auf wand und damit Geldbedarf des rheinischen Hochadels vor allem<br />

durch die lokal angrenzenden jüdischen Geldgeber aus Frankfurt gedeckt<br />

wurde, zugleich aber auch besonders konfliktbehaftet war.<br />

Die hohe Involvierung des Frankfurter Magistrats verwies bereits auf die<br />

besondere Konfliktlage, die für die nachfolgende Inhaltsanalyse tragend werden<br />

sollte. Rund die Hälfte aller Prozesse mit Beteiligung Frankfurter Juden<br />

richtete sich nämlich entweder gegen den Frankfurter Magistrat direkt als<br />

Beklagten oder indirekt als Vorinstanz. Wurde er als Vorinstanz beklagt,<br />

verwies dies in den meisten Fällen auf innerjüdische Verfahren, lag dem Prozess<br />

vor dem Reichshofrat also ein Konflikt zwischen zwei jüdischen Parteien<br />

zugrunde. Dass rund 20% aller Frankfurter jüdischen Verfahren innerjüdische<br />

Konflikte zum Gegenstand hatten – was, um dies in Relation zu setzen, bereits<br />

fast doppelt so viele innerjüdische Verfahren waren wie während des Zeitraums<br />

1559–1670 aus dem ganzen Reich – zeigte, dass es im 18. Jahrhundert<br />

offenbar eine deutliche Zunahme innerjüdischer Konflikte gab, die an christliche<br />

Gerichte getragen wurden. Darin spiegelt sich neben der generell hohen<br />

Konfliktanfälligkeit der Gemeinden wohl auch der zunehmende Bedeutungsverlust<br />

der rabbinischen Elite, den die Forschung zur jüdischen Geschichte<br />

für das 18. Jahrhundert konstatieren konnte, und der mit einer zunehmenden<br />

Machtverlagerung innerhalb der Gemeinden zugunsten der Vorsteher, im<br />

Frankfurter Fall der Baumeister, korrespondierte. Dass der Magistrat häufig<br />

als Hauptbeklagter involviert war, verwies indes auf innerstädtische Konflikte,<br />

die meistens mit der jüdischen Gemeinde, vertreten durch die Baumeister, vor<br />

dem Reichshofrat ausgefochten wurden.<br />

Wer aber stand den jüdischen Prozessparteien als Richter gegenüber? Wer<br />

verhalf ihnen potentiell tatsächlich zum Schutz? Es war nicht der Kaiser persönlich,<br />

dies kann bereits grundlegend konstatiert werden, auch wenn er formal<br />

stets der Adressat der Prozessschriften war und von den Prozessparteien in den<br />

Quellen häufig direkt angesprochen wurde. Wurden Verfahren des Reichshofrats<br />

tatsächlich vor den Kaiser gebracht, so schlug sich dies archivalisch, soweit<br />

wir wissen, in den vota ad imperatorem nieder – dies geschah in Prozessen mit<br />

jüdischer Beteiligung insgesamt nur 15 mal während des ganzen 18. Jahrhunderts.<br />

Davon betrafen vier Vota die Prozesse einer Judengemeinde, nämlich<br />

wiederum der Frankfurter, und bewegten sich im Umfeld des Frankfurter<br />

Verfassungsstreits und der dabei vom Reichshofrat eingesetzten Lokalkommission<br />

zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Ansonsten aber gelangten Prozesse mit<br />

281


282<br />

jüdischer Beteiligung nicht an den Kaiser, sondern vielmehr vor das Gremium<br />

der Reichshofräte. Dort nun stellte sich die Frage, ob wohl einzelne Referenten<br />

für bestimmte Personen(gruppen) oder Themen spezialisiert waren, ob sich<br />

jüdische Prozessparteien also potentiell immer demselben Reichshofrat gegenübersahen.<br />

Anhand der Vermerke in den Protokollbüchern konnten die für die<br />

jeweiligen Verfahren der Frankfurter Juden zuständigen Reichshofräte für den<br />

Zeitraum 1765–90 ermittelt werden und es stellte sich heraus, dass durchaus<br />

eine personen- wie themenbezogene Vergabe von Verfahren an Referenten<br />

stattfand. So waren es insbesondere die beiden Reichshofräte Johann Jakob<br />

und Johann Baptist von Steeb, Vater und Sohn, die besonders häufig Frankfurter<br />

jüdische Gemeindeprozesse zugeteilt bekamen. Deren noch erhaltenes<br />

Familienarchiv machte es möglich, mehr zu ihren biographischen Hintergründen<br />

zu ermitteln. Dafür wurden vor allem die Forschungsansätze zu sozialen<br />

Netzwerken, Funktionseliten im Reich, sozialer Mobilität und Patronage- und<br />

Klientelbeziehungen zu Grunde gelegt, da diese auch für die prosopographische<br />

Erforschung der RKG-Richter durch Sigrid Jahns forschungsleitend waren. In<br />

der Annahme, dass sich hier vielfach Überschneidungen ergeben würden, da<br />

es sich um dieselbe Juristenelite handelte, wurde daher vergleichend gearbeitet.<br />

Es zeigte sich, dass wie am RKG insbesondere Heirat, Kapital und Beziehungen<br />

die entscheidenden Zugangskriterien zum Reichshofrat darstellten, wobei<br />

diese insbesondere bei Johann Jakob von Steeb eine ungewöhnliche soziale<br />

Mobilität vom ältesten Sohn einer kinderreichen Wirtsfamilie im ostschwäbischen<br />

Zusmarshausen zu einem der höchsten Justizbeamten des Reiches<br />

ermöglichten. Für beide Reichshofräte führte der Weg erst über eine langjährige<br />

Tätigkeit in reichsständischen Diensten, im Falle Johann Jakob von Steebs<br />

an der Universität Dillingen bzw. am fürstbischöflichen Hof in Augsburg, im<br />

Falle Johann Baptist von Steebs in der Münchner Hofkanzlei, an den Reichshofrat,<br />

der wohl die oberste Sprosse einer juristischen Karriereleiter im Alten<br />

Reich dargestellt haben dürfte. Während dabei aufgrund von Johann Jakob von<br />

Steebs lebensweltlichem Erfahrungshintergrund im Ostschwäbischen, einem<br />

besonders dicht jüdisch besiedelten Raum, vermutet werden kann, dass er vielfach<br />

mit Juden, vor allem jüdischen Hoffaktoren und Handlungsreisenden, in<br />

Kontakt kam und dies den Hintergrund seiner Spezialisierung auf jüdische<br />

Gemeindeprozesse bilden könnte, schien sie bei seinem Sohn Johann Baptist<br />

von Steeb vielmehr von der nahtlosen Übernahme der Prozessgruppen seines<br />

Vaters herzurühren. Dem Sohn war der Zugang zum Reichshofrat erst nach<br />

dem Tod des Vaters und zu einem großen Teil aufgrund von dessen Einfluss<br />

möglich geworden.<br />

Es ließ sich bei beiden aus den Quellen kein einschlägig fachlicher Bezug<br />

zu Prozessen mit jüdischer Beteiligung ersehen. Dass spätestens mit der


Übernahme der Frankfurter jüdischen Gemeindeprozesse aber ein direkter<br />

Kontakt hergestellt wurde, konnte aus einem Briefwechsel aus den Jahren<br />

1788 und 1789 des Frankfurter Magistrats mit ihrem Agenten Bittner in Wien<br />

rekonstruiert werden, der im Frankfurter Stadtarchiv überliefert ist. Darin<br />

verwies der Agent auf diverse persönliche außergerichtliche Gespräche mit<br />

dem Reichshofrat Johann Baptist von Steeb, in denen auch analoge Gespräche<br />

des Reichshofrates mit der jüdischen Gegenpartei erwähnt wurden. Dies war<br />

insofern prekär, als die Reichshofratsordnungen alle nur möglichen Vorkehrungsmaßnahmen<br />

vorsahen, damit die Referentenzuteilung geheim blieb und<br />

insbesondere nicht den Prozessparteien bekannt wurde. Wie die Briefe jedoch<br />

zeigen, griff dies in der Praxis nicht. Vielmehr wurden die außergerichtliche<br />

Gespräche sowohl von den Parteien, um dem Referenten ihre Position, möglicherweise<br />

auch monetär, zu bekräftigen, als auch von den Reichshofräten selbst<br />

genutzt, um den Parteien zu bedeuten, in welche Richtung die Entscheidungsfindung<br />

sich bewegen würde und um dadurch vergleichende gütliche Lösungen<br />

eventuell zu beschleunigen und zu lenken.<br />

Von Seiten der Frankfurter jüdischen Gemeinde wurde, wie das Gemeindeprotokollbuch<br />

zeigt, speziell dafür mindestens ein ständiger Deputierter<br />

aus Frankfurt über das ganze 18. Jahrhundert hinweg in Wien unterhalten,<br />

dessen Aufgabe es war, die Prozesse am Reichshofrat zu beaufsichtigen, zu<br />

beschleunigen oder möglicherweise auch zu verzögern. Dass sich die Frankfurter<br />

jüdische Gemeinde dadurch wiederum als finanziell potente und einflussreiche<br />

Prozesspartei am Reichshofrat darstellt, zeigt der Umstand, dass<br />

sich, soweit wir wissen, ansonsten zumeist nur finanziell besser gestellte Herrschaftsträger<br />

oder Untertanenverbände einen solchen kostspieligen ständigen<br />

Vertreter in Wien leisteten. Eine solche langfristige Planung zeigt gleichwohl<br />

auch, dass man seitens der Frankfurter Gemeinde offensichtlich nicht nur<br />

davon ausging, dass sich Prozesse länger hinziehen konnten, sondern auch,<br />

dass stetig neue Prozesse hinzukommen würden. Es scheint sich lediglich<br />

um drei bis vier Personen gehandelt zu haben, die diese Deputiertenposition<br />

während des 18. Jahrhunderts inne hatten, was sich insofern logisch ins Bild<br />

fügt, als ein langjähriger Deputierter mit einem auf dessen zu befördernde<br />

Verfahren spezialisierten Reichshofrat sicherlich zunehmend kooperativer<br />

zusammenarbeiten und ein, wie auch immer fundiertes, Vertrauensverhältnis<br />

entwickeln konnte.<br />

Eine weitere forschungsleitende Frage war, welche Rechte bzw. Rechtsquellen<br />

die jüdischen Prozessparteien in ihrer Argumentation vor dem Reichshofrat<br />

aufriefen und zu ihren Gunsten einforderten. Dies wurde anhand der 28 ermittelten<br />

Frankfurter jüdischen Gemeindeprozesse, die im Zeitraum 1765–90<br />

283


284<br />

eingebracht wurden oder noch anhängig waren, untersucht. Dabei wurde an<br />

verschiedene Forschungsansätze angeknüpft – so zum einen an die Forschungen<br />

zu vormodernen politischen Verfahren, ausgehend vom gleichnamigen<br />

Sonderforschungsbereich um Barbara Stollberg-Rilinger, zum anderen an<br />

die von Peter Oestmann vorgelegte Studie zur Rechtsanwendung am RKG.<br />

Dabei wurden in zweierlei Hinsicht neue Wege in der Reichshofratsforschung<br />

beschritten, insofern als bislang der Verfahrensführung, also der formalen<br />

Vorgehensweise innerhalb einzelner Verfahren, am Reichshofrat durch die<br />

Prozessparteien und das Gericht entsprechend der Prozesspraxis und nicht<br />

der normativen Literatur, noch keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Zum<br />

anderen indem die rechtlichen Argumentationen der Parteien auf die ihnen<br />

zugrunde liegenden Rechtsquellen befragt wurden, was Rückschlüsse nicht nur<br />

auf das Rechtsverständnis der Prozessparteien, sondern auch auf die Entscheidungsgrundlagen<br />

des Reichshofrats zulässt. Denn es kann davon ausgegangen<br />

werden, dass die Parteien insbesondere jene Rechtsquellen argumentativ einsetzten,<br />

die ihnen als besonders Erfolg versprechend erschienen und von ihren<br />

Adressaten, dem zuständigen Referenten sowie dem Reichshofratsgremium, als<br />

legitim und anwendbar eingestuft werden würden. Die formale Erschließung<br />

der Verfahren erfolgte dabei in Anlehnung an die für die Erschließung der<br />

Reichskammergerichts- und Reichshofratsbestände entwickelten Schemata<br />

und wurde, ebenso wie die Analyse der Rechtsbeibringung der fallgruppenspezifischen<br />

Verfahren, als Quellenanhang beigegeben.<br />

Wenngleich für die Ergebnisse der einzelnen Verfahren auf die fallgruppenspezifischen<br />

wie übergreifenden ausführlichen Zusammenfassungen in<br />

Kapitel III verwiesen sei, sollen doch einige markante Ergebnisse herausgestellt<br />

werden. So zeigte die formale Analyse, dass zwischen den Laufzeiten, wie<br />

sie sich aus den Findbüchern ermitteln lassen, und den tatsächlich prozessaktiven<br />

Jahren eine große Diskrepanz vorlag. Während die Prozesse „offiziell“<br />

durchschnittlich 14 Jahre dauerten, wurde hingegen im Schnitt nur 4 Jahre<br />

de facto verhandelt. Dass dies nicht immer darin begründet war, dass Verfahren<br />

schlicht liegen blieben, sondern vielmehr darin, dass Prozesse von den<br />

Parteien und nicht etwa, wie bisher angenommen, hauptsächlich vom Gericht<br />

verzögert wurden, war dabei ein Befund, der die Frage evozierte, inwiefern<br />

eine solche Verzögerung den Prozessparteien, insbesondere den jüdischen<br />

Klägern, die sich doch scheinbar mit der Bitte um dringlichen Schutz an<br />

den Kaiser gewendet hatten, von Nutzen sein konnte. Die Antwort, die sich<br />

aus den Analysen ergab, schien ebenso effektiv wie einfach – es handelte<br />

sich bei 23 der 28 Verfahren, die von der jüdischen Gemeinde eingebracht<br />

wurden, um Appellationen von vorinstanzlichen Entscheidungen des Frankfurter<br />

Schöffenrats, die, sobald die Appellation am Reichshofrat anhängig


war, ausgesetzt wurden. Allein durch die Rechtshängigkeit des Verfahrens<br />

am Reichshofrat konnte die Frankfurter jüdische Gemeinde sehr effektiv die<br />

Rechtsgültigkeit von Verordnungen des Magistrats bzw. vorinstanzlichen<br />

Urteilen zumindest für die Dauer der Appellation verhindern. Insofern war<br />

es, gerade bei Prozessen, deren Ausgang denkbar ungewiss war, ganz genuin<br />

im Interesse zumindest einer, und meist der jüdischen, Prozesspartei, die Verfahren<br />

so lange wie möglich zu verschleppen. Dass in diesen Fällen die Prozesse<br />

nicht automatisch vom Gericht weiter befördert oder die Verschleppung<br />

nicht sanktioniert wurde, lag einerseits daran, dass der Reichshofrat, zumindest<br />

in den vorliegenden Verfahren, meistens nicht von selbst, sondern nur<br />

auf Antrag der Prozessparteien weiterverhandelte, andererseits konnte aber<br />

auch die Nichtsanktionierung einer durchaus deutlichen Willensbekundung<br />

gleichkommen, insbesondere in den Fällen, in denen Terminmahnungen der<br />

Gegenpartei über Jahre einfach ignoriert wurden. Sowohl dem Gericht, als<br />

auch den Parteien war es also möglich „ohne Worte zu handeln“, was nicht<br />

wie bisher mit Passivität, Ineffizienz oder zwangsläufiger Pazifizierungstendenz<br />

verwechselt werden darf.<br />

Die prozessrechtliche Flexibilität des Reichshofrats zeigte sich aber auch<br />

in anderer Hinsicht in den formalen Analysen. So verblieben die Appellationsprozesse<br />

vielfach im informatorischen Vorverfahren, das in Prozessen,<br />

in denen städtische oder territoriale Obrigkeiten betroffen waren, häufig den<br />

ordentlichen Prozessen voraus ging. Innerhalb dieser Vorverfahren konnten<br />

nun nicht nur mehrfach Prozessschriften von beiden Parteien eingereicht werden,<br />

der Reichshofrat entschied zum Teil auch aus den Vorverfahren heraus,<br />

bevor der Prozess überhaupt tatsächlich erkannt worden war. Dabei ergaben<br />

sich kuriose Mischformen, wenn beispielsweise der Reichshofrat ein Verfahren<br />

mit einem Reskript abschlug und damit an die Vorinstanz zurück verwies,<br />

zugleich aber Verweise und Strafen an eine oder beide Prozessparteien,<br />

inklusive dem vorinstanzlichen Gericht, dessen Urteil er im selben Moment<br />

bestätigte, ergehen ließ. Ebenfalls aus prozessrechtlichem Verständnis fremd<br />

kam es in den untersuchten Appellationen zu einem Wechsel der Prozessparteien.<br />

Waren sich beispielsweise im vorinstanzlichen Verfahren die jüdischen<br />

Baumeister und ein Gemeindemitglied gegenüber gestanden, wechselte dies<br />

im Verfahren am Reichshofrat und es standen sich nun die Baumeister und<br />

der Magistrat gegenüber, während das Gemeindemitglied an diesem Verfahren<br />

nicht mehr aktiv beteiligt war. Dies führte zwangsläufig zu einer Verschiebung<br />

der Argumentationslinien, so dass in den Verfahren am Reichshofrat<br />

meist nicht mehr der konkrete Konflikt der Vorinstanz, sondern vielmehr<br />

eine wesentlich abstraktere Konfliktlinie zwischen jüdischer Gemeinde und<br />

Magistrat verhandelt wurde.<br />

285


286<br />

Dies nun verweist bereits auf die Ergebnisse der rechtlichen Argumentationsanalyse,<br />

die für 12 repräsentative Gemeindeverfahren vorgenommen<br />

wurde. Deren Inhalte waren breit gefächert – besonders häufig wurden Prozesse<br />

in Bezug auf Handel, strittige Gemeindemitgliedschaften, ausstehende<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien und Bannverhängung von den Frankfurter<br />

Baumeistern, die in beinahe allen Verfahren die Kläger bildeten, an den Reichshofrat<br />

gebracht. Aber auch Einzelfälle bezüglich verweigerter Eidesleistung vor<br />

Gericht, Unzucht eines Gemeindemitgliedes oder religiöser Vergehen fanden<br />

den Weg an das Wiener Höchstgericht. Beinahe allen Konflikten zugrunde<br />

lag die Klage der Baumeister über zunehmende Eingriffe des Magistrats in die<br />

Gemeinderechte oder speziell in die Verfügungsgewalt der Gemeindevorsteher.<br />

Übergreifend wurde dabei deutlich, dass sich die jüdischen Kläger in weit<br />

größerem Umfang verschiedener Rechtsquellen zu ihrem Schutz vor christlichen<br />

Gerichten bedienen konnten, als bislang gedacht. Wurde nämlich bisher<br />

angenommen, dass es vor allem Privilegien und Judenordnungen waren, die die<br />

rechtliche Fundierung jüdischen Lebens im Reich bildeten und sie zugleich von<br />

ihrer christlichen Umgebung abgrenzten, zeigten die rechtlichen Argumentationen<br />

der Frankfurter jüdischen Gemeinde, dass sich diese viel umfassender<br />

in die allgemeine Rechtsordnung sowohl auf Reichs- wie auf Stadtebene integriert<br />

sah und dies am Reichshofrat auch geltend machen konnte. Wenngleich<br />

die kaiserlichen Privilegien und im Falle Frankfurts besonders die Stättigkeit<br />

oftmals den Ausgangspunkt der Argumentationen bildeten, wurden darüber<br />

hinaus jedoch zahlreiche andere Rechtsquellen hinzugezogen.<br />

Insbesondere Observanz auf verschiedenen Ebenen konnte dabei als eine<br />

zentrale Rechtsquelle ermittelt werden, die, wie die zum Teil noch erhaltenen<br />

Voten der Referenten Steeb zeigten, vom Reichshofrat als völlig gleichwertig zu<br />

schriftlichen Gesetzen angesehen wurde. Dass dabei der Gemeinde ganz selbstverständlich<br />

die Ausbildung einer gemeindeeigenen rechtsgültigen Observanz,<br />

die sich teils mit den gemeindeinternen Minhagim überschnitt, teils darüber<br />

hinausging, zugestanden und als Partikularrecht dem Gemeinen Recht vorangestellt<br />

wurde, war dabei besonders bemerkenswert. Der Kodifikationsdruck<br />

von Recht, von dem bislang angenommen wurde, dass er am Ende des 18. Jahrhunderts<br />

bereits vielfach das nichtschriftliche Recht verdrängt hätte, hatte auf<br />

die reichshofrätliche Rechtssprechung, zumindest in diesem Kontext, offenbar<br />

noch keine Wirkung gezeitigt.<br />

Weiters konnte Rechtsanwendung sowohl auf kaiserlicher, als auch auf städtischer<br />

und innergemeindlicher Ebene als eine dominierende Rechtsquelle<br />

herausgearbeitet werden. Die vielfache Heranziehung von Präjudiz- und Beispielfällen<br />

am Reichshofrat zeigte dabei zum einen, welch hohe Bedeutung<br />

dem Recht des Richters von allen Prozessparteien zugemessen wurde, zum


anderen aber, in Hinblick auf die jüdische Prozesspartei, dass man sich der<br />

potentiellen Bedeutung von Reichshofratsverfahren sehr wohl bewusst war<br />

und diese auch aus strategischen Gründen einzubringen wusste. So konnte<br />

beispielsweise gezeigt werden, dass die Einreichung mehrerer inhaltlich ähnlich<br />

gelagerter Appellationen es ermöglichte, darauf aufbauend eine ordentliche<br />

Klage über ein gravamen continuum, das sich aus deren Existenz ergebe,<br />

an den Reichshofrat zu bringen, die dann auf einer wesentlich abstrakteren<br />

Ebene den Grundkonflikt zwischen Gemeinde und Magistrat beinhaltete. Mit<br />

jeder Appellation am Reichshofrat schuf man sich daher gleichsam potentiell<br />

neue Präjudizfälle und machte Konflikte zunehmend rechtlich greifbar. Dafür<br />

spricht auch, dass von den jüdischen Klägern ohne Probleme Aktenstücke,<br />

nicht nur Urteile, von jahrzehntealten Reichshofratsprozessen vorgelegt werden<br />

konnten, wie es die notarielle Beglaubigung oftmals auswies. Dies legt nahe,<br />

dass die Gemeinde über ein gut sortiertes Gemeindearchiv verfügt haben muss<br />

und man diesen Akten bereits den präjudizierenden Wert zuschrieb, der ihnen<br />

tatsächlich zukommen sollte.<br />

Mehrfach verwiesen die jüdischen Kläger zudem auf ihren Status als „cives<br />

Romani“, den sie nicht nur für jüdische Individuen, sondern auch für die<br />

Gemeinde als solche geltend machten. Damit griffen sie eine rechtliche Theoriediskussion<br />

frühneuzeitlicher Juristen auf, die prominent durch Reuchlin<br />

zu Beginn des 16. Jahrhunderts vertreten worden war, internalisierten diese<br />

und forderten daraus folgernd in allen Bereichen, die nicht gesondert durch<br />

Privilegien geregelt waren, ihre rechtliche Gleichstellung mit der christlichen<br />

Mehrheitsgesellschaft. Wenngleich diese Diskussion, soweit aus den Voten<br />

ersichtlich, am Reichshofrat nicht explizit aufgegriffen wurde, zeigten doch vereinzelte<br />

Urteile, dass man dieser im Römischen Recht gegründeten Argumentation<br />

durchaus zu folgen bereit war. Auf die vom Magistrat dagegen gesetzte<br />

obrigkeitliche Argumentation, die sich auf reichständische Rechte, kaiserlich<br />

privilegiertes Obrigkeitsrecht und städtische Policeyaufsicht gründete, ging<br />

man seitens des Gerichts hingegen nicht ein.<br />

Dabei mag mit hinein gespielt haben, dass sich die jüdischen Kläger in beinahe<br />

allen Verfahren als Verteidiger kaiserlicher (Reservat)Rechte eta blierten.<br />

Indem sie eine Gleichsetzung der Wahrung ihrer konkreten Privilegienrechte<br />

mit den kaiserlichen Rechten per se vollzogen, konnten sie auf eine<br />

Gehorsam-Schutz-Gegenseitigkeit verweisen, die durchaus fallentscheidend<br />

werden konnte. Der Reichshofrat folgte dieser Argumentation mehrfach und<br />

bestätigte in den Voten und Relationen teils explizit das von den jüdischen<br />

Klägern konstruierte Bild des Magistrats als reichsständischem Aggressor, der<br />

zunehmend versuche, kaiserliche Gesetze und Kompetenzen zu untergraben,<br />

um kaiserliche Machtbefugnisse für sich zu beanspruchen.<br />

287


288<br />

Insofern zeichnet sich die Antwort auf die Frage, ob und wie erfolgreich sich<br />

jüdische Kläger durch ihre rechtlichen Argumentationen den Weg zum Thron<br />

und zum kaiserlichen Schutz bahnten, recht deutlich ab. Wenngleich nicht viele<br />

Verfahren mit einem klaren Urteil zu ihren Gunsten endeten, waren es auf der<br />

anderen Seite doch nur drei von 28 Verfahren, in denen gegen sie entschieden<br />

wurde. In den meisten Fällen blieben die Verfahren liegen oder wurden<br />

durch einen Vergleich einer Lösung zugeführt. Außer im Falle eines negativen<br />

Urteils bedeutete dies aber implizit immer eine rechtliche Verbesserung für die<br />

jüdischen Kläger, da, wie gesehen, auch ein stockendes Verfahren durch die<br />

Aussetzung der vorinstanzlichen Urteile aufgrund der Rechtshängigkeit der<br />

Appellation einen positiven Effekt für sie zeitigte. Dadurch wird erst klar, in<br />

welch großem Umfang Prozesse am Reichshofrat für jüdische Prozessparteien<br />

Rechtsschutz bedeuten konnten und ihnen lokal eine erstaunliche Handlungsfreiheit<br />

eröffneten. Dass die jüdischen Kläger zudem zahlreiche Rechtsquellen<br />

für sich geltend machen konnten, zeigt, dass sie sich nicht nur in die sie umgebende<br />

Rechtsordnung integrieren wollten, um daraus einen höheren Schutz<br />

und eine rechtliche Besserstellung zu erreichen, sondern dass dies auch in<br />

weit größerem Umfang als bislang gedacht tatsächlich gelang und durch die<br />

reichshofrätlichen Entscheide festgeschrieben und perpetuiert wurde.<br />

Insofern kann der Reichshofrat auch als Forum gewertet werden, vor dem<br />

die Frankfurter jüdischen Kläger, zwar nicht in einem öffentlichen Diskurs,<br />

aber doch auf Ebene der wichtigsten Entscheidungsträger und Funktionseliten<br />

im Reich, aktiv sowohl ihre Frankfurter Gemeindeautonomie als auch eine<br />

rechtliche Besserstellung nicht nur für sich selbst, sondern für Juden an sich,<br />

einfordern konnten. Dass dabei noch in überwiegendem Maße auf traditionelle<br />

Rechtsquellen und konservative juristische Argumentationselemente zurück<br />

gegriffen wurde, während zeitgenössische naturrechtliche und aufklärerische<br />

Ansätze fast nie zum Tragen kamen, mag angesichts der jüdischen Gruppe,<br />

die dabei agierte – nämlich die traditionalistische Frankfurter Orthodoxie<br />

– nicht verwundern. Es zeigt aber, dass auch das frühneuzeitliche Rechtssystem<br />

durchaus keinen starren unverhandelbaren Rahmen bildete, sondern<br />

sich vielmehr zumindest für jüdische Einzelgruppen in der reichshofrätlichen<br />

Rechtssprechung flexibel erweisen und ihnen damit neue oder erweiterte<br />

Handlungsfreiheiten eröffnen konnte. Gleichwohl blieb dies immer auf<br />

konkrete Konfliktsituationen beschränkt und verfolgte zu keinem Zeitpunkt<br />

explizit die Intention einer grundsätzlichen Veränderung der gegebenen jüdischen<br />

Lebensbedingungen und der sie betreffenden rechtlichen Ordnung.<br />

Die exemplarische Untersuchung der politisch-normativen Argumentationsmuster<br />

der jüdischen Gemeindeführung, in die die juristische Argumentation<br />

eingebettet wurde, konnte abschließend zeigen, dass man sich durch


die Verwendung stark emotionalisierender und personalisierender Selbst- und<br />

Fremdbilder normative Werte und Ordnungsvorstellungen der christlichen<br />

Umwelt aneignete bzw. auf sie rekurrierte. Der Versuch, sich dabei seitens<br />

der jüdischen Baumeister als legitime Handlungsrepräsentanten der ganzen<br />

jüdischen Gemeinde darzustellen, denen aus einer Aufsichtsfunktion heraus<br />

zugunsten des gemeinen Nutzens und der guten Ordnung der Gemeinde eine<br />

Form obrigkeitlichen Ordnungshandeln zustehe, verwies dabei auf analoge<br />

Diskurse ihrer Umwelt, so unter anderem Legitimationsdiskurse von ständischen<br />

Herrschaftsträgern. Zugleich wurde damit eine genuin rhetorisch-persuasive<br />

Dimension ausgereizt, indem besonders adaptierfähige, zeitgenössisch<br />

stereotyp positive wie negative Begriffe und Bilder aufgerufen wurden, deren<br />

Akzeptanz und argumentative Tragfähigkeit am kaiserlichen Gericht offenbar<br />

unterstellt werden konnte und für die eigene Position nutzbar gemacht werden<br />

sollte. Da diese argumentative Strategie jedoch der speziellen rhetorischen Situation<br />

vor Gericht, genauer dem schriftlichen Plädoyer der Prozesspartei, angepasst<br />

war, ließ dies kaum Rückschlüsse auf authentische Identitätsbeschreibungen<br />

und Wahrnehmungsmuster der jüdischen Gemeindeleitung vermuten.<br />

Wie jede wissenschaftliche Untersuchung weist auch die vorliegende am Ende<br />

auf mehr Lücken hin, als sie schließen kann – einige davon seien abschließend<br />

benannt. So konnte zunächst durch die, angesichts der bislang unerschlossenen<br />

Aktenmenge zwingend notwendige, räumliche, zeitliche und personale<br />

Eingrenzung auf die Frankfurter jüdischen Gemeindeprozesse während der<br />

Regierungszeit Josephs II. lediglich ein kleiner Ausschnitt der jüdischen Prozesstätigkeit<br />

am Reichshofrat genauer in den Blick genommen werden. Eine<br />

Kontextualisierung wäre dabei in vielerlei Hinsicht notwendig – so müssten<br />

zunächst die Frankfurter jüdischen Gemeindeprozesse für den ganzen frühneuzeitlichen<br />

Zeitraum analog ausgewertet werden, um weiter ausgreifende<br />

Entwicklungstendenzen herausarbeiten zu können, die sicherlich vorhanden<br />

sind. Sodann müsste eine Analyse aller Prozesse mit Beteiligung von<br />

Frankfurter Juden erfolgen, um zu sehen, in wie weit sich Individualkläger<br />

an diese Gemeindeprozesse anlehnten. Durch die Aufnahme des Prozesses<br />

eines Frankfurter jüdischen Gemeindemitglieds gegen den Magistrat in den<br />

Analysekorpus, konnten bereits hohe Interdependenzen aufgezeigt werden.<br />

Auch ein Vergleich mit den anderen erhobenen Gemeindeprozessen, insbesondere<br />

denjenigen aus Worms, verspräche neue Erkenntnisse darüber, ob<br />

sich hier beispielsweise übergreifende Argumentationsmuster von reichsstädtischen<br />

Gemeinden abzeichnen und ob man auch zwischen den Gemeinden<br />

auf die Prozesse der jeweils anderen Bezug nahm. Die übergeordnete Kontextualisierung<br />

mit Prozessen mit jüdischer Beteiligung allgemein und dann<br />

289


290<br />

entsprechend mit der insgesamten Inanspruchnahme des Reichshofrats wäre<br />

freilich das Hauptinteresse, wird aber beim derzeitigen Erschließungs- und<br />

Kenntnisstand der Akteninhalte noch für lange Zeit Utopie bleiben. Die umfassende<br />

Erschließung der Reichshofratsakten braucht dabei wohl nicht mehr<br />

eingefordert zu werden, die eklatante Lücke, die hier in einem der wichtigsten<br />

europäischen Archive vorliegt, wird allgemein beklagt. Es wäre aber dringend<br />

anzuregen, – möglicherweise zeitgleich zur Erschließung – eine umfassende<br />

Verfilmung vorzunehmen, zum einen um eine Sicherung dieser wertvollen<br />

Bestände anzugehen, deren Inhalte noch Jahrzehnte unbekannt bleiben werden,<br />

aber auch um zukünftige Forschungen zum Reichshofrat nicht ausschließlich<br />

an den Archivaufenthalt in Wien und damit zugleich hauptsächlich an die<br />

europäische Forschungslandschaft zu binden.<br />

Ebenfalls nur einen ersten Anstoß konnte die Untersuchung der beiden<br />

reichshofrätlichen Biographien bilden. Auch dies kann als eines der dringlichsten<br />

neu anzustoßenden Projekte in der Reichshofratsforschung angesehen werden,<br />

insbesondere da bereits umfassend systematisch aufgearbeitetes Material<br />

für das RKG vorliegt, das eine unmittelbar vergleichende Perspektive eröffnen<br />

würde. Eine sich an den theoretischen Vorgaben von Jahns orientierende analoge<br />

Untersuchung der Reichshofrätebiographien würde daher vor allem für<br />

die derzeit intensive Forschung zu sozialen Netzwerken, sozialer Mobilität<br />

und Funktionseliten im Reich einen kaum an Bedeutung zu überschätzenden<br />

Erkenntnisgewinn versprechen. Dasselbe kann für die Untersuchung der<br />

Verfahren am Reichshofrat gelten – dass auch in Gerichten, zumal in einem<br />

Höchstgericht wie dem Reichshofrat, die Verfahrensführung ein so flexibles<br />

und machtvolles Instrument darstellen konnte, das nicht nur vom Gericht,<br />

sondern auch von den Prozessparteien aktiv zur Durchsetzung partikularer<br />

Interessen genutzt werden konnte, muss dazu anregen, die Forschungen zu<br />

vormodernen politischen Verfahren umfassender und in vergleichender Perspektive<br />

auf jurisdiktionelle Gremien zu erweitern.<br />

Auch zur jüdischen Sozialgeschichte bieten die Prozesse mit jüdischer<br />

Beteiligung am Reichshofrat umfangreiches, bislang kaum wahrgenommenes<br />

Material. Neben personengeschichtlichen Informationen erzählen die Akten<br />

vor allem auch über Brauchtum, Rituale, Funktionsweisen, gemeindeinterne<br />

Abläufe und Eigen- wie Fremdwahrnehmung der jüdischen Gemeinden. Dies<br />

zwar oft in einer konstruierten und auf den Adressaten zugeschnittenen Art<br />

und Weise, dessen muss man sich zweifelsohne bewusst bleiben, dennoch boten<br />

bereits die hier untersuchten Verfahren einige bislang unbekannte Informationen<br />

zur Frankfurter jüdischen Gemeinde im 18. Jahrhundert, wobei nur auf<br />

die von den Baumeistern und Rabbinern in Frankfurt ausgestellte Chaluta-<br />

Urkunde verwiesen sei.


Insofern stellt diese Arbeit einen Anfang dar, an den sich in vielfältiger<br />

Weise anknüpfen lässt, und die zugleich ein erstes Instrumentarium zur formalen<br />

wie inhaltlichen Erschließung der Aktenbestände, insbesondere von<br />

Appellationen am Reichshofrat, aber auch der Personalstruktur der Reichshofratsgremien<br />

für weitere Arbeiten bieten soll.<br />

291


Quellenverzeichnis und Bibliographie<br />

Archivalische Quellen<br />

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2132, 2133, 2134, 2135, 2136, 2137, 2138, 2139, 2140, 2210, 2211, 2212, 2862<br />

Reichshofrat, Denegata antiqua K 155, 160, 176, 178<br />

Reichshofrat, Denegata recentiora K 360, 374, 375, 388<br />

Reichshofrat, Obere Registratur K 276, 277, 278, 453, 454, 461, 462<br />

Reichshofrat, Relationes K 72<br />

Reichshofrat, Verfassungsakten (VA) K 31<br />

Reichshofrat, Vota K 14<br />

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292


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demselben vorkommenden Geschäft, 2 Bände, Mannheim 1792.<br />

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Moser, Johann Jacob: Alte und Neue Reichs-Hof-Raths-Conclusa, so in lauter<br />

causis illustribus ergangen, oder doch sonsten ihrem Inhalt nach vor andern<br />

merckwürdig seynd; zur Forsetzung und Ergänzung beeder vorhergehender<br />

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und Geschichte. Jahrbuch des Robert-Bosch-Instituts für Geschichte<br />

der Medizin 17 (1998), S. 9–55.<br />

Treue, Wolfgang: … die höchst Judenschul in deutscher Nation? Frankfurt –<br />

Prag – Wien. In: Hofjuden – Landjuden – Betteljuden. Jüdisches Leben in<br />

der Frühen Neuzeit. 12. Sommerakademie News des Instituts für jüdische<br />

Geschichte in Österreich, Wien 2002, S. 12–15.<br />

Troßbach, Werner: Untertanenprozesse am Reichshofrat. In: zeitenblicke 3<br />

(2004), URL: http://www.zeitenblicke.de/2004/03/trossbach/index.html<br />

(letzter Abruf 20.12.2011).<br />

Ueding, Gert/Steinbrink, Bernd: Grundriss der Rhetorik, Geschichte – Technik<br />

– Methode, Stuttgart 1994 3 .<br />

Uhlhorn, Manfred: Der Mandatsprozess sine clausula des Reichshofrats, Wien<br />

1990 (=Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten<br />

Reich 22).<br />

Ulbrich, Claudia: Zeuginnen und Bittstellerinnen: Überlegungen zur Bedeutung<br />

von Ego-Dokumenten für die Erforschung weiblicher Selbstwahrnehmung<br />

in der ländlichen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. In: Schulze,<br />

Winfried (Hrsg.): Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der<br />

Geschichte, Berlin 1996 (=Selbstzeugnisse der Neuzeit 2), S. 207–226.<br />

Ulbrich, Claudia: Shulamit und Margarete. Macht, Geschlecht und Religion in<br />

einer ländlichen Gesellschaft des 18. Jahrhundert, Wien 1999 (=Aschkenas,<br />

Beiheft 4).<br />

Ulbricht, Otto: Kindsmord in der Frühen Neuzeit. In: Gerhart, Ute (Hrsg.):<br />

Frauen in der Geschichte des Rechts, München 1997.<br />

Ulbricht, Otto: Mikrogeschichte. Menschen und Konflikte in der Frühen Neuzeit,<br />

Frankfurt am Main 2009.<br />

Ullmann, Elias: Eine Frankfurter jüdische Familie (Bing) vom Jahre 1625 bis<br />

zur Gegenwart. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte- und Altertumskunde<br />

in Frankfurt am Main 73 (1869), Vol. 4, S. 205–207.<br />

Ullmann, Elias: Mittheilungen zur Geschichte der israelitischen Gemeinde<br />

dahier (aus dem israelit. Gemeindebuch von 1546–1798). In: Mitteilungen für<br />

Geschichte und Altertumskunde in Frankfurt am Main 79 (1874), S. 103–118.<br />

Ullmann, Elias: Zur Geschichte der Juden in Frankfurt am Main In: Volkskalender<br />

und Jahrbuch für Israeliten auf das Jahr 5659, 1859, S. 123.


Ullmann, H. E.: Mittheilungen zur Geschichte der israelitischen Gemeinde<br />

dahier. a) Die Tijurim und Anderes. Mitgetheilt von H.E. Ullmann, Actuar<br />

der Gemeinde, aus dem israelitischen Gemeindebuch von 1546–1798. In:<br />

Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde in Frankfurt<br />

am Main V (ca. 1875), S. 107, 108.<br />

Ullmann, Sabine: Schiedlichkeit und gute Nachbarschaft. Die Verfahrenspraxis<br />

der Kommissionen des Reichshofrats in den territorialen Hoheitskonflikten<br />

des 16. Jahrhunderts. In: Stollberg-Rilinger, Barbara/Krischer, André (Hrsg.):<br />

Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. Verfahren, Verwalten und<br />

Verhandeln in der Vormoderne, Berlin 2010 (=ZHF, Beiheft 44), S. 129–155.<br />

Ullmann, Sabine: Die jüdische Minderheit vor dörflichen Niedergerichten in<br />

der Frühen Neuzeit. In: Geschichte und Gesellschaft 35 (2009), S. 534–560.<br />

Ullmann, Sabine: Geschichte auf der langen Bank. Die Kommissionen des<br />

Reichshofrats unter Kaiser Maximilian II. (1564–1576), Mainz 2006 (=Veröffentlichungen<br />

des Instituts für Europäische Geschichte, Mainz 214).<br />

Ullmann, Sabine: Nachbarschaft und Konkurrenz: Juden und Christen in Dörfern<br />

der Markgrafschaft Burgau 1650 bis 1750, Göttingen 1999 (=Veröffentlichungen<br />

des Max-Planck-Instituts für Geschichte 151).<br />

Unna, Joseph: Statistik der Frankfurter Juden bis zum Jahr 1866. In: Zeitschrift<br />

für Demographie und Statistik der Juden 26/2 (1925), S. 15–17 und 26/3<br />

(1926), S. 24–26.<br />

Unna, Simon (Hrsg.): Gedenkbuch der Frankfurter Juden 1, nach den Aufzeichnungen<br />

der Beerdigungsbruderschaft, Frankfurt am Main 1914.<br />

Waller, Hellmut (Hrsg.): In Vorderösterreichs Amt und Würden. Die Selbstbiographie<br />

des Johann Baptist Martin von Arand (1743–1821), Stuttgart 1999.<br />

Weisberger, Richard William: Freemasonry as a source of Jewish civic rights in<br />

late eighteenth-century Vienna and Philadelphia: a study in Atlantic history.<br />

In: East European Quarterly 34/4 (2000), S. 419–445.<br />

Weitzel, Jürgen: Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht.<br />

Zur politischen Geschichte der Rechtsmittel in Deutschland, Köln/Wien/<br />

Weimar 1976 (=Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im<br />

Alten Reich 4).<br />

Weitzel, Jürgen: Art. Appellation. In: HRG, Bd. I, Berlin 2008 2 , Sp. 196–199.<br />

In: Cordes, Albrecht et al. (Hrsg.): Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte,<br />

Bd. 1, Berlin 2004.<br />

Wendehorst, Stephan: Die Kaiserhuldigungen der Frankfurter Juden im<br />

18. Jahrhundert. In: Backhaus, Fritz/Engel et al. (Hrsg.): Die Frankfurter<br />

Judengasse. Jüdisches Leben in der frühen Neuzeit, Frankfurt am Main<br />

2006 (=Schriftenreihe des Jüdischen Museums Frankfurt am Main 9),<br />

S. 192–215.<br />

325


326<br />

Wendehorst, Stephan: Imperial Spaces as Jewish Spaces – The Holy Roman<br />

Empire, the Emperor and the Jews in the Early Modern Period. Some Preliminary<br />

Observations. In: Diner, Dan (Hrsg.): Jahrbuch des Simon Dubnow<br />

Instituts 2 (2003), S. 437–474.<br />

Westphal, Siegrid (Hrsg.): In eigener Sache. Frauen vor den höchsten Gerichten<br />

des Alten Reiches, Köln/Weimar/Wien 2005.<br />

Westphal, Siegrid/Stefan Ehrenpreis: Stand und Tendenzen der Reichsgerichtsforschung.<br />

In: Baumann, Anette et al. (Hrsg.): Prozeßakten als Quelle. Neue<br />

Ansätze zur Erforschung der Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich. Köln,<br />

Weimar, Wien 2001 (=Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit<br />

im Alten Reich 37), S. 1–13.<br />

Westphal, Siegrid: Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung.<br />

Reichsgerichtsbarkeit in den thüringischen Territorialstaaten 1648–<br />

1806, Köln/Weimar/Wien 2002 (=Quellen und Forschungen zur höchsten<br />

Gerichtsbarkeit im Alten Reich 43).<br />

Westphal, Sigrid: Zur Erforschung der obersten Gerichtsbarkeit des Alten<br />

Reiches, eine Zwischenbilanz. (Forschungsberichte der Arbeitsgemeinschaft<br />

historischer Forschungseinrichtungen in der BRD (AHF) München,<br />

Jahrbuch 2000), URL: http://www.ahf-muenchen.de/Forschungsberichte/<br />

Jahrbuch1999/Westphal.shtml (letzter Abruf 20.12.2011).<br />

Wiegand, Wolfgang: Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit,<br />

Ebelsbach 1977 (=Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung<br />

27).<br />

Willoweit, Dietmar: Genossenschaftsprinzip und altständische Entscheidungsstrukturen<br />

in der frühneuzeitlichen Staatsentwicklung. Ein Diskussionsbeitrag.<br />

In: Dilcher, Gerhard/Diestelkamp, Bernhard (Hrsg.): Recht, Gericht,<br />

Genossenschaft und Policey. Studien zu Grundbegriffen der germanistischen<br />

Rechtshistorie, Berlin 1986, S. 126–138.<br />

Wolf, Gerson: Zur Geschichte der Juden in Frankfurt am Main. In: Jahrbuch<br />

der Jüdisch-Literarischen Gesellschaft 3 (1877), S. 72–86.<br />

Wunder, Bernd: Die Sozialstruktur der Geheimratskollegien in den süddeutschen<br />

protestantischen Fürstentümern (1660–1720). In: Vierteljahrschrift<br />

für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 58 (1971), S. 145–220.<br />

Würgler, Andreas: Bitten und Begehren: Suppliken und Gravamina in der<br />

deutschsprachigen Frühneuzeitforschung. In: Würgler, Andreas/Nubola,<br />

Cecilia (Hrsg.): Politik, Verwaltung und Justiz in Europa (14.–18. Jahrhundert);<br />

Tagungen in Trient vom 25.–26. November 1999 und vom 14.–16.<br />

Dezember 2000, Berlin 2005, S. 17–52.<br />

Wurzbach, Constantin von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich,<br />

Bd. 3, Wien 1858.


Wüst, Wolfgang (Hrsg.): Reichskreis und Territorium: Herrschaft über der<br />

Herrschaft? Supraterritoriale Tendenzen in Politik, Kultur, Wirtschaft<br />

und Gesellschaft. Ein Vergleich süddeutscher Reichskreise, Stuttgart 2000<br />

(=Augsburger Beiträge zur Landesgeschichte Bayerisch-Schwabens 7).<br />

Wüst, Wolfgang: Das Fürstbistum Augsburg. Ein geistlicher Staat im Heiligen<br />

Römischen Reich Deutscher Nation, Augsburg 1997.<br />

Wüst, Wolfgang: Die Judenpolitik der geistlichen Territorien Schwabens während<br />

der Frühen Neuzeit: In: Kießling, Rolf: Judengemeinden in Schwaben<br />

im Kontext des Alten Reiches, Berlin 1995 (=Colloquia Augustana 2),<br />

S. 128–153.<br />

Wüst, Wolfgang: Die Judenpolitik geistlicher Staaten im Augsburger Umland.<br />

In: Jahresbericht des Heimatvereins für den Landkreis Augsburg 1989/90,<br />

S. 142–162.<br />

Wüst, Wolfgang: Geistlicher Staat und Altes Reich. Frühneuzeitliche Herrschaftsformen,<br />

Administration und Hofhaltung im Augsburger Fürstbistum,<br />

2 Bde., München 2001 (=Studien zur bayerischen Verfassungs- und<br />

Sozialgeschichte 19).<br />

Wüst, Wolfgang: Joseph: Landgraf von Hessen-Darmstadt 1699–1768. In:<br />

Haberl, Wolfgang (Hrsg.): Lebensbilder aus dem Bayerischen-Schwaben,<br />

Bd. 14, Weißenhorn 1993, S. 64–75.<br />

Wüst, Wolfgang: Juden im Augsburger Hoch- und Domstift. Eine Minderheit<br />

im Spannungsfeld zwischen ökonomischen Fortschritt, grenzüberschreitendem<br />

Handel, konfessionskonformer Staatlichkeit und bischöflicher Mandatswillkür.<br />

In: Fassl, Peter (Hrsg.): Geschichte und Kultur der Juden in<br />

Schwaben II. Neuere Forschungen und Zeitzeugenberichte, Stuttgart 2000,<br />

S. 189–208.<br />

Wüst, Wolfgang: Zusmarshausen: Die Entwicklung eines bischöflichen Amtsortes.<br />

In: Pötzl, Walter (Hrsg.): Zusmarshausen. Markt, Pflegamt, Landgericht<br />

und Bezirksamt, Zusmarshausen 1992, S. 91–155.<br />

Yerushalmi, Yosef Hayim: „Diener von Königen und nicht Diener von Dienern“.<br />

Einige Aspekte der politischen Geschichte der Juden, München 1995.<br />

Zafren, Herbert C.: Hebrew Printing by and for Frankfurt Jews – to 1800.<br />

In: Grözinger, Karl E. (Hrsg.): Jüdische Kultur in Frankfurt am Main von<br />

den Anfängen bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1997 (=Jüdische Kultur 1),<br />

S. 231–272.<br />

Zemon Davis, Natalie: The Return of Martin Guerre, Cambridge, MA, 1983.<br />

Zemon Davis, Natalie: Fiction in the Archives: Pardon Tales and their Tellers<br />

in Sixteenth Century France, Stanford, CA, 1987.<br />

327


Abkürzungsverzeichnis<br />

ADB<br />

Anl.<br />

Art.<br />

BT<br />

CCSL<br />

EdN<br />

fl.<br />

fol.<br />

FStA<br />

HHStA<br />

HRG<br />

HZ<br />

JA<br />

MIÖG<br />

MÖStA<br />

NDB<br />

o.D.<br />

ÖStA<br />

Qdr.<br />

RHR<br />

RHRO<br />

RKG<br />

Rthlr.<br />

ZHF<br />

ZNR<br />

Allgemeine Deutsche Biographie<br />

Anlage<br />

Artikel<br />

Babylonischer Talmud<br />

Corpus Christianorum Series Latina<br />

Enzyklopädie der Neuzeit<br />

Gulden<br />

folio<br />

Frankfurter Stadtarchiv<br />

Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien<br />

Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte<br />

Historische Zeitschrift<br />

Judenakten<br />

Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung<br />

Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs<br />

Neue Deutsche Biographie<br />

ohne Datum<br />

Österreichisches Staatsarchiv<br />

Quadrangel<br />

Reichshofrat<br />

Reichshofratsordnung<br />

Reichskammergericht<br />

Reichstaler<br />

Zeitschrift für Historische Forschung<br />

Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte<br />

328


Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1: Exemplarische Anwesenheitsliste einer Reichshofratsplenarsitzung<br />

Tabelle 2: Exemplarischer Verlauf einer Reichshofratsplenarsitzung (ohne Darstellung<br />

der Beschlüsse) 28.8.1769<br />

Tabelle 3: Prozessfrequenz jüdischer Gemeinden im Reich am Reichshofrat<br />

im 18. Jahrhundert<br />

Tabelle 4: Personelle Besetzung des RHR während der Regierungszeit Joseph<br />

II. (1765–90) chronologisch nach Aufnahme geordnet<br />

Tabelle 5: Verschlagwortung der Verfahrensinhalte der 28 Frankfurter „Baumeisterprozesse“<br />

1765–90<br />

Diagrammverzeichnis<br />

Diagramm 1: Prozesse mit jüdischer Beteiligung am RHR 1559–1799<br />

Diagramm 2: Jüdische Prozesse am RHR im 18. Jahrhundert<br />

Diagramm 3: Frankfurter Jüdische Prozesse am RHR im 18. Jahrhundert<br />

Diagramm 4: Prozessfrequenz am RHR nach kaiserlichen Regierungszeiten<br />

(Sample Ortlieb/Polster n=10119) und nach Durchschnitt (Fälle/Jahr) aufgeschlüsselt<br />

Diagramm 5: „Jüdische Prozessfrequenz“ am RHR nach kaiserlichen Regierungszeiten<br />

(n=1385) und nach Durchschnitt (Fälle/Jahr) aufgeschlüsselt<br />

Diagramm 6: Frankfurter „Jüdische Prozessfrequenz“ am RHR nach kaiserlichen<br />

Regierungszeiten (n=450) und nach Durchschnitt (Fälle/Jahr) aufgeschlüsselt<br />

Diagramm 7: Geographische Zuordnung der Prozessparteien (n=808)<br />

Diagramm 8: Soziale Staffelung der prozessbeteiligten Herrschaftsträger<br />

(n=258)<br />

Diagramm 9: Soziale und geographische Verteilung der Prozesse mit Herrschaftsträgern<br />

(n=258)<br />

Diagramm 10: Anzahl und Sitzverteilung der introduzierten Reichshofräte pro<br />

Jahr im Zeitraum 1765–90<br />

Diagramm 11: Verteilung der 134 Frankfurter „Jüdischen Prozesse“ laut Protokollbuch<br />

auf Reichshofräte im Zeitraum 1765–90<br />

Diagramm 12: Quantitative Verteilung der Verfahrensinhalte der 28 Frankfurter<br />

„Baumeisterprozesse“ 1765–90<br />

Diagramm 13: Verfahrensdauer/aktive Prozessjahre der Frankfurter „Baumeisterprozesse“<br />

1765–90<br />

Diagramm 14: Verfahrensende der 28 Frankfurter „Baumeisterprozesse“ 1765–90<br />

329


Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Stammtafel der Familie Steeb 1686–ca. 1880 (4 Generationen).<br />

Erstellt nach Familienarchiv Steeb, Sammlung Christian Steeb zur Familiengeschichte<br />

(unveröffentlichtes Manuskript)<br />

Abbildung 2: Doppelbildnis Johann Jakob von Steeb, Maria Barbara von Steeb<br />

geb. Freiin von Brutscher auf Schorn zu Stetten und Burgleithen, nach 1761,<br />

Öl auf Leinwand, 108 x 81 cm, HPM 10248, Hrvatski Povijesni Muzej (Kroatisches<br />

Historisches Museum/Privatbesitz)<br />

330


Anhang<br />

Ethnographische und juristische Literaturverweise<br />

im Quellensample 1<br />

Quellenbeleg<br />

Werksangabe<br />

F3<br />

1<br />

L. 4. Cod. de Sempor. Digesten (keine eindeutige Artikelabk.)<br />

2<br />

L. nec non 28. ff. ex quib. caus. major. Digesten 4, 6<br />

3<br />

L.1. ff. de Sest. Digesten (keine eindeutige Artikelabk.)<br />

4<br />

Anch. cons. 244. (konnte nicht ermittelt werden)<br />

5<br />

Agm. Cons. 203. n. 2. lib. 1. (konnte nicht ermittelt werden)<br />

6<br />

Mascard. de probat. concl. 1237 n. 2. Mascardi, Joseph:
Conclusiones probationum<br />

omnium quibusuis in utroque foro versantibus,<br />

practicabiles, utiles, necessariae. In quatuor volumina<br />

distinctae. Hisce. Canonicae, civiles, feudales,<br />

criminales, aliaequemateriae, per ampliationes,<br />

Frankfurt 1588.<br />

7<br />

Menoch. de praesumt. Lib. 6. praes. 16. n. 2. Menocchio (Menochius), Jacopo: Additiones novissimae<br />

ad eius commentarios de Praesumptionibus<br />

[…], Venedig 1608.<br />

8<br />

Cavallos comman. opin. contra communes q 227. C(a)evallos, Gerónimo de: Speculum aureum opinionum<br />

communium contra communes, Lissabon<br />

1615.<br />

9<br />

Klock. cons. 37. n. 306. Klock, Kaspar: Consiliorum, T. 1–3, Frankfurt<br />

1649/50.<br />

10<br />

Richter p.1. Cons. 55. n. 29. Richter, Christoph Philipp: Consilia et responsa<br />

in casibus intricatissimis atque utilissimis, Jena<br />

1665–1668.<br />

11<br />

Vasquez de Success. §. 29. Vázquez de Menchaca, Fernando: Tractatus de<br />

successionibus et ultimis voluntatibus in tres tomos<br />

librosq. 9. divisus, Venedig 1564. Frankfurter<br />

<strong>Ausgabe</strong>: 1577.<br />

12<br />

& Illustr. controvers. c. 5. n. 15. Vázquez de Menchaca, Fernando: Controversiae<br />

illustres aliaeque usu frequentes, Venedig 1567,<br />

Frankfurter <strong>Ausgabe</strong>: 1572.<br />

13<br />

L. cum quidam 19. ff. de lib. & posth. in odia de<br />

Reg. suc.<br />

Digesten 28, 2.<br />

14<br />

Gloss. in cap. cupientes §. quod si de Elect. in 6. Glossatoren (keine eindeutige Artikelabk.)<br />

1 Ich danke Herrn em. o. Univ.-Prof. Dr. Gunter Wesener (Graz) recht herzlich für die Hilfe bei<br />

der Entschlüsselung der Werke.<br />

331


Quellenbeleg<br />

Werksangabe<br />

15<br />

Gloss. & Ddres in avth Quas actiones cod. de sac.<br />

sanct. Eccles.<br />

Glossatoren (keine eindeutige Artikelabk.)<br />

16<br />

Decius cons. 619. Decius, Philippus: Consilia sive Responsa, Venedig<br />

1570, Nachdruck Frankfurt 1588.<br />

17<br />

Hartm. Pistor. 1. q pract. 16. n. 23. Pistoris, Hartmann: Opera omnia/ Sim. Ulrici F.<br />

Pistoris studio et additionibus editioni praeparata,<br />

Vol. 1: Questionum iuris tam Romani quam Saxonici<br />

libri IV, Lübeck 1621.<br />

18<br />

Mev. cons. 45. n. 32. Mevius, David: Consilia posthuma, Frankfurt und<br />

Stralsund 1680.<br />

19<br />

Carpzov. p. 2. Decis. 143. n. 12. 13. Carpzov, Benedikt: Decisiones illustres Saxonicae.<br />

rerum et quaestionum forensium, in serenissimi<br />

Electoris Saxoniae supremô appellationum<br />

judiciô, et scabinatu Lipsiensi utramque in partem<br />

ventilatarum ac discussarum, responsis et judicatis<br />

dicasterii utriusquè corroborate […], Bd. 2, Leipzig<br />

1652.<br />

20<br />

C. 85. §. 2. ff. de Reg. jur. Digesten 50, 17.<br />

21<br />

L. 2. l. 4. l. 7. cod. de sent. & interloc. Codex Justinianus 7, 47.<br />

22<br />

cap. nullum 10. cap. judicantem 30. q. 5. (konnte nicht ermittelt werden)<br />

23<br />

Clement. Pastoralis 2. de sent. & re Judic. (konnte nicht ermittelt werden – vermutlich Kanonisches<br />

Recht)<br />

24<br />

L. ult. § fin ff. quod met. caus. Digesten 4, 2.<br />

25<br />

Wesenb. in paralit. & re judic. n. 7. Wesenbeck, Matthäus: Consilia, T. 1 fol., Basel<br />

1576.<br />

26<br />

Carpzov p. 2. constit. 26. defin. 12. n. 4. & defin.<br />

18. n. 3.<br />

Carpzov, Benedikt (kein Werktitel – vermutlich<br />

Benedicti Carpzovii Jurisprudentia forensis<br />

Romano-Saxonica secundum ordinem Constitutionum<br />

Augusti Electoris Saxon, Leipzig 1638.)<br />

27<br />

Vant de nullit. sent. ex defect. Proc. n. 31. Vantius, Sebastian: Tractatus De Nullitatibus<br />

Processuum Ac Sententiarum Cum Indice Rerum<br />

& varietate literarum in allegatis distinctus, Lyon<br />

1552.<br />

28<br />

Cothm. Vol 3. Repl. 43. n. 7. Cothmann, Ernst: Responsorum juris seu consiliorum<br />

ac consultationum, in quibus quam pheres<br />

controversi iuris quaestiones et disputationes […]<br />

Bd. 3, Frankfurt 1615.<br />

29<br />

Mev. p. 8. Decis. 472. Mevius, David: Decisiones super causis praecipuis<br />

ad summum Tribunal regium Vismariense delatis;<br />

Quibus praeter Repertorium, quo Dictae Decisiones<br />

juxta ordinem Pandectarum,[…], Frankfurt<br />

1712. (?)<br />

30<br />

Franch. in c. cessante memb. 6. & 10. x de<br />

appellat.<br />

(konnte nicht ermittelt werden)<br />

31<br />

Scaccia de appellat. quaest. 12. n. 160. Scaccia, Sigismund: Tractatus de appellationibus in<br />

duas partes divisus […], Frankfurt 1604.<br />

332


Quellenbeleg<br />

Werksangabe<br />

32<br />

Thomasius de jure circa frumentum Cap: 11. n:<br />

57. sqq: besonders aber n: 57.<br />

a<br />

Menoch. 1V. Praes. 151. N. 2.<br />

b<br />

Bart. in L. Quaesitum § illud de L. 3.<br />

c<br />

Menoch. d. Praes. n. 6. seq.<br />

d<br />

C. J. et. ad Tit: ff: de Triti co, vino, vel oleo leg. Digesten 33, 6.<br />

Thomasius, Christian: De iure circa frumentum,<br />

praecipue de taxatione frumenti & vectigalibus de<br />

frumento solvendis, deque agricolis ac ipsorum<br />

privilegiis, Frankfurt an der Oder 1678.<br />

Menocchio (Menochius), Jacopo: Additiones novissimae<br />

ad eius commentarios de Praesumptionibus<br />

[…], Venedig 1608.<br />

Bartolo da Sassoferrato: Commentarius (?) (kein<br />

Werktitel)<br />

Menocchio (Menochius), Jacopo: Additiones novissimae<br />

ad eius commentarios de Praesumptionibus<br />

[…], Venedig 1608.<br />

e<br />

Reyger Thes. Jur. voc. Prohibitio n.1.<br />

f<br />

Mascard. Concl. 1243. num. 81.<br />

g<br />

Tom. VII. der merckwürdigen Reichs=Hoff Raths<br />

Conclusorum pag. 384. scq.<br />

h<br />

Barbos. Thes. Jur. voc. Prohibitio. ax: 28.<br />

i<br />

Marqu: de Jure Mercatorum et commerc: L: 1. C.<br />

7. n. 43. et C. 17. per tot: in pr: §. 2. 10. et 50.<br />

Reyger, Arnold von: Thesaurus iuris locupletissimus<br />

et copiosissimus […], Leipzig 1605.<br />

Mascardi, Joseph: Conclusiones probationum<br />

omnium quibusuis in utroque foro versantibus,<br />

practicabiles, utiles, necessariae. In quatuor volumina<br />

distinctae. Hisce. Canonicae, civiles, feudales,<br />

criminales, aliaequemateriae, per ampliationes,<br />

Frankfurt 1588.<br />

Moser, Johann Jakob: Merckwürdige Reichs-Hof-<br />

Raths-Conclusa: denen fürnemlich, so den bey<br />

diesem höchsten Reichs-Gericht tam in agendo<br />

quam in judicando üblichen modum & stylum<br />

erlernen wollen, zu Nutzen mitgetheilet, Frankfurt,<br />

8 Bde., 1726–1732.<br />

Arbosa, Agostinho: Thesaurus Locorum Communium<br />

Jurisprudentiae, Ex Axiomatibus Augustinae<br />

Barbosae, Et Analectis Io. Ottonis Taboris,<br />

Aliorumque Concinnatus, Strassburg 1652.<br />

Marquart, Johann: Tractatus Politico-Juridicus De<br />

Jure Mercatorum Et Commerciorum Singulari,<br />

Frankfurt 1662.<br />

F14<br />

1<br />

Bodenschazzischen Werk von der kirchlichen Verfassung<br />

der heutigen Juden W. theil 1. Hauptstück 1.<br />

Abschnitt 14ten u. f.f. §§ S.18 und f.f.<br />

Bodenschatz, Johann Christian Georg: Kirchliche<br />

Verfassung der heutigen Juden […], 4 Bde., Frankfurt<br />

a. M. und Leipzig 1748/49.<br />

2<br />

de Lyncker, de Grav. extrajud. cap. VII. P.11. §x etc. Lyncker, Nikolaus Christoph: De gravamine extraiudiciali,<br />

Giessen 1672.<br />

3<br />

L. 4. C. de temp: et rep: appell: Codex Justinianus, 7, 63.<br />

4<br />

Bodenschatz, in der kirchlichen verfassung der Juden<br />

W Tehil 1. Cap: I. Sect. § 9 und folgende<br />

Bodenschatz, Johann Christian Georg: Kirchliche<br />

Verfassung der heutigen Juden […], 4 Bde., Frankfurt<br />

a. M. und Leipzig 1748/49.<br />

5<br />

Bodenschatz am a.O. § 14. Bodenschatz, Johann Christian Georg: Kirchliche<br />

Verfassung der heutigen Juden […], 4 Bde., Frankfurt<br />

a. M. und Leipzig 1748/49.<br />

333


Quellenbeleg<br />

Werksangabe<br />

6<br />

Bodenschatz, p. 19 Kupferstich Bodenschatz, Johann Christian Georg: Kirchliche<br />

Verfassung der heutigen Juden […], 4 Bde., Frankfurt<br />

a. M. und Leipzig 1748/49.<br />

7<br />

Heumann von Deutschenbrunn, Init. Polit. German.<br />

cap. 26 § 214.<br />

Heumann von Teutschenbrunn, Johann: Initia iuris<br />

politiae Germanorum, Nürnberg 1757.<br />

8<br />

Beck de Juribus Judaeorum cap. IV. § 4. etc. Beck, Johann Jodocus: Tractatus de juribus judaeorum,<br />

Nürnberg 1741.<br />

9<br />

Wagenseil, in pera juvenili post praefationem loculamenti<br />

1.<br />

F17<br />

1<br />

L. 4. C. de tempor: appellat: Codex Justinianus 7, 63.<br />

2<br />

L. 15. D. qui potior. in pignor: Digesten 20, 4.<br />

Wagenseil, Johann Christoph: Belehrung der Jüd.-<br />

Teutschen Red- und Schreibart, Frankfurt 1737.<br />

3<br />

Carpzov: p. 1. C. 28. Def: 54. Carpzov, Benedikt (kein Werktitel – vermutlich Benedicti<br />

Carpzovii Jurisprudentia forensis Romano-<br />

Saxonica secundum ordinem Constitutionum Augusti<br />

Electoris Saxon, Leipzig 1638.)<br />

4<br />

L. 8. C. de Judaeis Codex Justinianus 1, 9.<br />

5<br />

L. 14. C. de Judaeis, C: et si. Judaeis 13. de Judaeis.<br />

c. Judaei 21. in fin: de Test:<br />

Codex Justinianus 1, 9.<br />

6<br />

Can: qui sincera diss: 45. Gregorius Magnus, Decretum, D.45.3// Gregorius<br />

Magnus, Registrum XIII, 13. (CCSL 140a, S. 1013f.)<br />

7<br />

p. o. de anno 1548. et 1577. T. 20. Reichs-Policey-Ordnungen von 1548 und 1577.<br />

8<br />

Richter de jure et prio: Cred: c. 2. m. 6. Richter, Christoph Philipp: Tractatus De Jure Et Privilegiis<br />

Creditorum in quo ea, quae in concursu plurium<br />

Creditorum… tàm à litigantibus quàm Judicibus<br />

observanda sunt, ex Jure Civili, Saxonico, atque<br />

Consuetudinario, resolvuntur, & plurimis sententiis<br />

[…], Jena 1650.<br />

9<br />

Brunnem: de proc: conc: Cred: c. 5. §. 20. Brunnemann, Jacob: De processu fori legitime instituendo<br />

et abbreviando, Frankfurt 1738. (?)<br />

a<br />

Stryck: in Supplem: ad Brunnem: Proc: conc: C. 5.<br />

§. 20.<br />

Stryck, Samuel (kein Werktitel – vermutlich dessen<br />

Hauptwerk Specimen Usus Modernus Pandectarum,<br />

Halle/Magedburg 1690–1712, möglicherweise<br />

der Supplementband: Sam. Strykii, nec non eius filii<br />

unici Joh. Sam. Strykii, Opera omnia : una cum Joh.<br />

Frid. Rhetii binis Voll. Disputat. in complures tomos<br />

distributa; Præmissa præfatione Wolffg. Adam.<br />

Schoepffii; XIV tomis, Frankfurt/Leipzig 1752.)<br />

b<br />

Reformat: Francof: P. 2. Tit: 20 §. 3. seq. Frankfurter Reformation 1578<br />

c<br />

Reform. Francof. P. 2. T. 18. §. 3. Frankfurter Reformation 1578<br />

d<br />

Autor ad Reformat. Francof., erste Forts. pag: 40.<br />

e<br />

Dris Ettling. Diss. de conditione duriore Judaeorum<br />

Orth, Johann Philipp: Nöthig und nützlich erachtete<br />

Anmerkungen über die sogenannte erneuerte Reformation<br />

der Stadt Frankfurt a. M., 7 Bde., Frankfurt<br />

1731–75.<br />

Ettling, Gottlieb: De Iudaeorum Moeno-Francofurtensium<br />

conditione duriori prae civibus ac incolis<br />

Christianis, 1751. (Diss. Univ. Gießen)<br />

334


Quellenbeleg<br />

Werksangabe<br />

I<br />

Nova coll: Cons. Tub: V. 2. Cons: 53. n. 16.<br />

II<br />

Mev: P. 3. Dec: 282.<br />

III<br />

Brunnem: ad L. 34. ff. de legibus n. 5.<br />

IV<br />

L. 15. ff. qui potior: in pign: Digesten 20, 4.<br />

Lauterbach, Wolfgang Adam: Collectionis novae<br />

consiliorum juridicorum Tubingensium 4 Bde., Tübingen<br />

1732–34.<br />

Mevius, David: Decisiones tribunalis Wismariensis,<br />

Stralsund 1664–1675.<br />

Brunnemann, Jacob (kein Werktitel)<br />

V<br />

Reformation P. 1. Tit: 49. §. 7. Frankfurter Reformation 1578<br />

VI<br />

hießiger Reformation P. 1. Tit: 49. §. 9. Frankfurter Reformation 1578<br />

VII<br />

Anmerckungen ad Reformationem Francofurtensem<br />

in der 1ten Fortsetzung pag: 128.<br />

VIII<br />

Anmerckungen ad Reformat: Francof: citato loco<br />

in appendice Sub Lit[era] B. pag: 672. und in Adjuncto<br />

appellantium Sub Num[ero] 3.<br />

Orth, Johann Philipp: Nöthig und nützlich erachtete<br />

Anmerkungen über die sogenannte erneuerte<br />

Reformation der Stadt, 7 Bde., Frankfurt a. M.<br />

1731–75.<br />

Orth, Johann Philipp: Nöthig und nützlich erachtete<br />

Anmerkungen über die sogenannte erneuerte<br />

Reformation der Stadt, 7 Bde., Frankfurt a. M.<br />

1731–75.<br />

IX<br />

hießiger Reformation P. 1. Tit: 39. §. 14. Frankfurter Stadtreformation 1578<br />

F18<br />

1<br />

Schuz jüdischen Merkwürdigkeiten Thl. 3. pag:<br />

108.<br />

2<br />

Schudt in seinen jüdischen Merkwürdigkeiten befindlichen<br />

obangezogenen Stättigkeit Num. 112.<br />

3<br />

Doctor Orth in seinen Anmerkungen zu denen 8<br />

ersten Tituln des 2ten Theils der Frankfurther Stadtreformation<br />

pag. 331.<br />

Schudt, Johann Jakob: Jüdische Merckwürdigkeiten,<br />

4 Bde., Frankfurt a.M. 1714–1718.<br />

Schudt, Johann Jakob: Jüdische Merckwürdigkeiten,<br />

4 Bde., Frankfurt a.M. 1714–1718.<br />

Orth, Johann Philipp: Nöthig und nützlich erachtete<br />

Anmerkungen über die sogenannte erneuerte<br />

Reformation der Stadt, 7 Bde., Frankfurt a. M.<br />

1731–75.<br />

4<br />

Orthius cit: lo: pag. 329. seqq. Orth, Johann Philipp: Nöthig und nützlich erachtete<br />

Anmerkungen über die sogenannte erneuerte<br />

Reformation der Stadt, 7 Bde., Frankfurt a. M.<br />

1731–75.<br />

a<br />

Dr. Orth die Sache in dem 15ten und 16ten seiner<br />

merkwürdigen Rechtshändel ›sub Num. XV. pag:<br />

1013 ubique nota verbis: ‹<br />

F19<br />

Orth, Johann Philipp: Nöthig und nützlich erachtete<br />

Anmerkungen über die sogenannte erneuerte<br />

Reformation der Stadt, 7 Bde., Frankfurt a. M.<br />

1731–75.<br />

1<br />

Beck vom Rechte der Juden, cap: 7. §. 24. Beck, Johannes Jodocus: Tractatus de Juribus Judaeorum,<br />

Nürnberg 1731.<br />

2<br />

cf. Mev. ad Jus Lubecens. L.4.J.5.A Art.1 addit: Mevius, David: Commentarii in Ius Lubecense,<br />

Bd. 4 Rostock 1643, Bd. 5 Frankfurt 1700.<br />

3<br />

Modest. Pistor Cons. 46.n.10. Pistoris, Modestinus: Consiliorum sive Responsorum<br />

volumen primum, Leipzig 1596.<br />

4<br />

Menochius de arbitr. Judic. quaest. L.2. Cas. 328. Menocchio (Menochius), Jacopo: De arbitrariis judicum<br />

quaestionibus, Venedig 1569.<br />

5<br />

Carpzov in P.2.C.6.D14.n.6.scqq. Carpzov, Benedikt (kein Werktitel)<br />

335


Quellenbeleg<br />

Werksangabe<br />

F21<br />

1<br />

Orth in seinen Anmerkungen dritter Forsetzung Orth, Johann Philipp: Nöthig und nützlich erachtete<br />

Anmerkungen über die sogenannte erneuerte<br />

Reformation der Stadt, 7 Bde., Frankfurt a. M.<br />

1731–75.<br />

2<br />

Hinecc: antiquit. Rom. P.i.p.m. 404 Heineccius, Johann Gottlieb: Antiquitatum romanorum<br />

juris prudentiam illustrantium Syntagma<br />

secundum ordinem institutionum Justiniani digestum,<br />

in quo multa juris romani, Halle 1719.<br />

F22<br />

1<br />

Stryk in not: ad Lauterbach Comp: jur: tit: ad Set.<br />

Velly.: not: 2. verb: quascunque et in non modum:<br />

ad ff. tit. de reb: authorit: judic possid: §. 5.<br />

Stryck, Samuel (kein Werktitel – vermutlich dessen<br />

Hauptwerk Specimen Usus Modernus Pandectarum,<br />

Halle/Magedburg 1690–1712).<br />

2<br />

Ludovici in Doctrin Pandectar: tit: eod: §. 2. Ludovici, Jakob Friedrich: Doctrina Pandectarum<br />

ex ipsis fontibus legum romanarum depromta et<br />

usui fori accomodata, Halle 1714.<br />

3<br />

Mascard de prob: vol: 2. concl: 946. n. 25. Mascardi, Joseph: Conclusiones probationum omnium<br />

quibusuis in utroque foro versantibus, practicabiles,<br />

utiles, necessariae. In quatuor volumina<br />

distinctae. Hisce. Canonicae, civiles, feudales, criminales,<br />

aliaequemateriae, per ampliationes, Frankfurt<br />

1588.<br />

4<br />

Brunn: ad L. 7. cod: de Judaeis. Brunnemann, Johann (kein Werktitel)<br />

5<br />

Berger Oecon: jus: lib: 3. tit: 5. §. 5. not. 2. et in<br />

resolut: ad Lauterbach compend: jur pag: 338.<br />

6<br />

Brunnemann Tract: de cession: action: cap. 2. num.<br />

58.<br />

a<br />

Eisenmengers entdeckten Judenthum P. II. p. 38.<br />

Berger, Johann Heinrich: Oeconomia iuris ad usum<br />

hodiernum accommodati, Leipzig 1712.<br />

Brunnemann, Johann: Tractatus iuridicus de cessione<br />

actionum et versuris, Frankfurt Oder 1662.<br />

Eisenmenger, Johann Andreas: Entdecktes Judenthum<br />

oder gründlicher und wahrhaffter Bericht,<br />

welchergestalt die verstockte Juden die Hochheilige<br />

Dreyeinigkeit […] 2 Bde., Königsberg 1711.<br />

F26<br />

1<br />

Seyfarts Teuscher Reichsprozeß cap: 13. §. 12. Seyfart, Johann Friedrich: Teutscher Reichsprozeß,<br />

Halle 1738.<br />

a<br />

Eberh. Speckhan quaest. jur. centur. 1. quaest. 5.<br />

b<br />

in Orths Anmerkungen über die Franckfurter Reformation,<br />

1te Fortsez. pag. 675<br />

c<br />

in Orths Anmerk. C. all. pag. 181<br />

I<br />

Leyser Spec. 288. de arbitr. Jud. circa iurius. test.<br />

B. 3.<br />

II<br />

Strube in seinem rechtlichen Bedenk. III. B. p. 183.<br />

Speckhan, Eberhard: Quaestionum et Decisionum<br />

Iuris Caesarei, Pontificii, Statutarii, Consuetudinarii<br />

et maxime Saxonici, Centuria Secunda, 3 Bde., Wittenberg<br />

1620/1621.<br />

Orth, Johann Philipp: Nöthig und nützlich erachtete<br />

Anmerkungen über die sogenannte erneuerte<br />

Reformation der Stadt, 7 Bde., Frankfurt a. M.<br />

1731–75.<br />

Leyser, Augustin: Specimen meditationum ad pandectas<br />

de praescriptione in genere, Helmstadt 1727.<br />

Strube, David Georg: Rechtliche Bedenken, 5 Bde.,<br />

Hannover 1767–1777.<br />

336


Quellenbeleg<br />

Werksangabe<br />

III<br />

Schrader Vol. 1. cons. 13. n. 294.<br />

IV<br />

Vitrias. Enere. XVII. p. 1065.<br />

Schrader, Ludolf (kein Werktitel – möglicherweise:<br />

Consiliorum sive responsorum volumen […], 2<br />

Bde., Leipzig, 1607/1609.)<br />

Vitriarius, Philipp Reinhard (kein Werktitel)<br />

V<br />

ex l. 9. Cod. de test. offergi officiam Codex Justinianus 4, 20.<br />

VI<br />

Struv. in spetagen – ius, civ. Exercit. XVII. p. 10<br />

et 9.<br />

VII<br />

ex l. 9. cod. de Rest. affirmativam Codex Justinianus 2, 50.<br />

F28<br />

Struve, Georg Adam: Magnifico Ictorum Ordine in<br />

Illustri Academia Salana consentiente Praeside […]<br />

Eisudem Syntagmatis Iurisprudentiae Civilis Exercitationem<br />

[…], Bd. 2, Jena 1664.<br />

1<br />

Dock. Orth ad reform: 1ste Fortsezung der Anmerkungen<br />

p. 128. seq.<br />

Orth, Johann Philipp: Nöthig und nützlich erachtete<br />

Anmerkungen über die sogenannte erneuerte<br />

Reformation der Stadt, 7 Bde., Frankfurt a. M.<br />

1731–75.<br />

337


Fallanalysen<br />

Den nachfolgenden Analysen sei eine kurze „Gebrauchsanweisung“ voran<br />

gestellt. Sind Quellenauszüge in transkribierter Form enthalten, so ist anzumerken,<br />

dass es sich nicht um von einer zweiten Person kollationierte Transkriptionen<br />

handelt, sondern ausschließlich um die von der Verfasserin angefertigten<br />

und geprüften Transkriptionen, die teils anhand der Originale, teils anhand<br />

von Mikrofilmen vorgenommen wurden. Eine externe Kontrolle wurde nur<br />

in Hinblick auf Tippfehler durchgeführt.<br />

Findet sich in den Transkriptionen folgende Hervorhebung ›[…]‹, so verweist<br />

dies auf Zitate in den Quellen.<br />

In zwei Verfahren wurde mit grau unterlegtem Text gearbeitet – in der<br />

formalen Analyse von F4 und F5, die einen zusammengehörigen Prozess bilden,<br />

der registratorisch auf zwei Bestände verteilt wurde. Der registratorischen<br />

Einteilung wurde gefolgt, jedoch insbesondere bei F4 die fehlenden Prozessschritte<br />

aus F5 grau unterlegt eingefügt, um die Übersicht der ganzen formalen<br />

Prozessführung zu gewährleisten.<br />

339


F1 Abzugsgelder<br />

Fallnummer 1<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Obere Registratur<br />

Signatur K 277<br />

Kurzbezeichnung Abzugsgelder<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Franckfurt Judenschaft<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird im Namen der Gemeinde eingereicht durch den Baumeister<br />

Lazarus Salomon Oppenheimer (7, 19)<br />

Baumeister laut Lyncker Legitimation 1765: Baumeister Löw Isaac Scheuer,<br />

Herz Michael Flörsheim, Süsel Mayer Juda, Meyer Hertz Welsch, Lößer<br />

Leiter, Nathan Aaron Wetzlar, Hertz Joseph Schieff, Samuel Nathan Schuster,<br />

Löb Isaac zur Kann, Abraham Schnapper, Juda Miechel Bing, Joseph Hirsch<br />

Gunderscheim<br />

Baumeister laut Gretzmüller Legitimation 1777: Baumeister Süßel Mayer Juda,<br />

Lößer Leiter, Abraham Schnapper, Joseph Hirsch Gunderscheim, Juda Joseph<br />

Schuster, Hertz Abraham Geiger, Gabriel Uffenheim, Lehmann Isaac Hanau,<br />

Hirsch Salomon Kahn, David A. Landau<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung: Ff kaiserlicher Notar: Samuel Tobias Hocker (16,<br />

24), Zeugen: Johannes Schmid, Notarius; Philipp Ludwig Roth, Bürger und<br />

Buchbinder (15, 16, 23, 24)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Weege nomine der<br />

hiesigen Judenschafft […]“ (26, 29)<br />

(2) Beklagter (BK) Magistrat Franckfurt<br />

(2) Beteiligte Personen NBK Bürger-Deputation-Sprecher Nottebohm<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Walther nomine Eines<br />

Hochedlen und Hochweißen Magistrats allhier […]“ (28)<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Philippp Jakob Khistler<br />

ab 1736 Johann Heinrich von Middleburg<br />

ab 1771 Gottlieb Lyncker, Substitut: Joachim Gottlieb von Fabrice<br />

ab 1778: Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Franciscum Xaverium<br />

Matt ab 1801: Götz<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

Lyncker: 27.07.1765<br />

Gretzmüller: 01.02.1777<br />

(4) RHR Agent BK Syndici Hieronymus von Praum<br />

ab 1747 Syndicus Johann Friedrich von Harpprecht<br />

ab 1771 Syndicus Albrecht Theodor Moll, Substitut: Johann Jacob Bittner<br />

ab 1772 Johann Jacob Bittner, Substitut: von Stieve<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

Moll: 06.03.1771<br />

Bittner: 18.09.1772<br />

341


(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb, Gschl. 464, 465)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

07/1761–12/1782<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1728<br />

Verfahrensende 1801<br />

Prozessdauer 73 Jahre (aktive Jahre: 17)<br />

Zeitliche Lücken 1729–1731, 1737, 1741–1746, 1749–1770, 1774–1776, 1779–1800<br />

Anzahl Aktenstücke 73<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–69, 2 gebundene Faszikel, lose beigefügt Qdr. 22 Akten erster Instanz,<br />

sowie ab 1778 weitere 4 Aktenstücke ohne Quadrangel<br />

Neupaginierung F1 S. 1–877, F2 S. 878–1753<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appell. in pcto der AbzugsGelder<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 3, Anl. J, S. 103 Schöffenratsdekret – Verordnung, dass<br />

zukünftig alle jüdischen Söhne und<br />

Töchter, die sich auswärts verheiraten,<br />

den 10. Pfennig auf ihre Habe abgeben<br />

müssen; die Baumeister werden verpflichtet,<br />

alle auswärtigen Verheiratungen<br />

beim Schatzungsamt anzuzeigen,<br />

widrigenfalls bei persönlicher Haftung<br />

für den Verlust der Gelder<br />

21.09.1723<br />

Qdr. 3, Anl. H, S.<br />

51–55 (Qdr. 6, S. 125,<br />

126)<br />

Vorstellung der Baumeister – die<br />

Verordnung sei gegen Herkommen und<br />

kais. Deklaration von 1685, auch hätten<br />

sie keine Kenntnis von auswärtigen<br />

Verheiratungen, könnten daher nicht<br />

dafür haftbar gemacht werden<br />

05.10.1723<br />

(Qdr. 6, S. 126)<br />

Schöffenrat Konfirmationsdekret der<br />

Verordnung vom 21.09.1723<br />

25.10.1723<br />

342


Qdr. 22, S. 460, 461/<br />

pag. 12, 13 (Qdr. 6,<br />

S. 126, 127, Qdr. 9,<br />

S. 208)<br />

Beschwerungsanzeige der Baumeister<br />

gegen die Verordnungen vom 21.09.<br />

und 25.11.1723 – von letzterem<br />

Konfirmationsdekret hätten sie keine<br />

Kenntnis erhalten, gegen das erstere<br />

eine Beschwerde eingelegt, wodurch<br />

es nicht hätte rechtswirksam werden<br />

können<br />

10.02.1728<br />

Qdr. 3, Anl. J, S. 104<br />

Schöffenratsdekret – Bestätigung<br />

der Verordnung vom 21.09.1723 mit<br />

Zusatz, dass die Baumeister von der<br />

Haftung befreit sind, wenn sie eidlich<br />

beschwören, von einer gegebenenfalls<br />

geschehenen auswärtigen Verheiratung<br />

keine Kenntnis gehabt zu haben<br />

10.02.1728<br />

Qdr. 22, S.472–477/<br />

pag. 24–29<br />

Qdr. 3, Anl. J, S. 104,<br />

105<br />

Remonstration der Baumeister 17.02.1728<br />

Schöffenratsdekret – Bestätigung der<br />

Verordnung vom 10.02.1728<br />

17.02.1728<br />

Qdr. 1, Anl. A, B, C,<br />

S. 6–31<br />

Appellationseinreichung<br />

19.02. und<br />

25.02.1728<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, S. 2–67 HK – Appell.schrift mit Libell. Grav 02.06.1728<br />

Qdr. 2, S. 68–97<br />

NBK – Additionalanzeige Bürgerschaft<br />

(Kommission Ff ctr. Ff)<br />

11.06.1728<br />

Qdr. 3, S. 98–104<br />

HK – Nachtrag Kopie der beiden Schöffenratsdekrete<br />

vom 10. und 17.02.1728<br />

21.06.1728<br />

Qdr. 4, S. 105–119 NBK – Inhaesiv-Klageschrift Lit. O:<br />

Extrakt aus den Rechneybüchern<br />

1616–33, in denen 10. Pfennig Abgaben<br />

von Juden bei Verheiratung nach auswärts<br />

eingetragen sind<br />

30.06.1728<br />

Qdr. 5, S. 120–121 RHR – Schreiben um Bericht 04.08.1728<br />

Qdr. 6, S. 122–186 BK – Bericht Magistrat 29.11.1732,<br />

praes.<br />

16.12.1732<br />

Qdr. 7, S. 187–197<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript<br />

und Bitte um Möglichkeit zum Gegenbericht<br />

21.03.1733<br />

(Qdr. 8, Anl. A) RHR – Ultimum Conclusum 22.06.1733<br />

Qdr. 8, S. 198–201<br />

HK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Gegenbericht<br />

16.11.1733<br />

Qdr. 9, S. 202–281 HK – Gegenbericht 27.01.1734<br />

343


Qdr. 10, S. 282–284<br />

RHR – Reskript – der 10. Pfennig<br />

könne gemäß Herkommen und kais.<br />

Privilegien nur abgefordert werden,<br />

wenn die auswärts heiratenden Juden/<br />

Jüdinnen ihre Stättigkeit oder Anwärterschaft<br />

auf die Stättigkeit aufgeben,<br />

ihre hinterlassene Kaution einfordern<br />

und jährliche Abgaben nicht mehr zahlen.<br />

Die auswärtige Heirat allein könne<br />

die Zahlung des 10. Pfennig nicht<br />

zwangsweise bewirken, der Magistrat<br />

möge sich in seinen Verordnungen<br />

entsprechend danach richten und<br />

dem RHR einen Bericht darüber zu<br />

kommen lassen.<br />

27.10.1735<br />

(Qdr. 10, Anl. A) RHR – Ultimum Conclusum 27.10.1735<br />

Qdr. 11, S. 285–294<br />

HK – Bitte um Spezifizierung des Reskripts<br />

in Hinblick auf die ledigen, evtl.<br />

erst auswärts heiratenden Frankfurter<br />

jüdischen Töchter und Söhne, die<br />

eine Aufnahme in die Stättigkeit nicht<br />

reservieren<br />

10.11.1735<br />

Qdr. 12, S. 295–301 HK – Additional Anzeige 13.12.1735<br />

Qdr. 13, S. 302–304 RHR – Reskript Schreiben um Bericht 23.12.1735<br />

(Qdr. 14, Anl. 10) RHR – Ultimum Conclusum 23.12.1735<br />

Qdr. 14, S. 305–308<br />

BK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Bericht<br />

09.04.1736<br />

(Qdr. 15, Anl. 9) RHR – Ultimum Conclusum 27.10.1736<br />

Qdr. 15, S. 309–312<br />

BK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Bericht<br />

Qdr. 16. S. 313–328 HK – Bitte um Konfirmation der Re s-<br />

kripte (konkreter Fall: Hertz Benedict<br />

Beyfuss)<br />

Qdr. 17, S. 329–337<br />

HK – Terminmahnung Bericht, Bitte<br />

um Kassation der Mag. Conclusa<br />

09.04.1736<br />

22.06.1736<br />

23.07.1736<br />

Qdr. 18, S. 338–402 BK – Zweiter Bericht Magistrat Teil 1 14.05.1738<br />

Qdr. 19, S. 403–431 BK – Zweiter Bericht Magistrat Teil 2 14.05.1738<br />

Qdr. 20, S. 432–434 BK – Anzeige Übergabe des Berichts 20.05.1738<br />

Qdr. 21, S. 435–442<br />

RHR – Reskript an Mag. über ordnungsgemäße<br />

Herausgabe der Akten<br />

1. Instanz an HK bei Strafe 4 Mark<br />

löthigen Geldes<br />

04.08.1738<br />

(Qdr. 23, Anl. J) RHR – Ultimum Conclusum 04.08.1738<br />

Qdr. 22, S. 443–534<br />

Qdr. 23, S. 535–598<br />

HK – Eingabe Akten der Vorinstanz<br />

(Anlagen Pag. 1–51)<br />

HK – Eingabe Abschrift Reskripte der<br />

2. Instanz RHR<br />

10.09.1738<br />

02.03.1739<br />

(Qdr. 24, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 28.09.1739<br />

Qdr. 24, S. 599–626 HK – Anzeige Insinuation Reskript 29.03.1740<br />

Qdr. 25, S. 627–631 BK – 2-monatige Terminverschiebung 01.04.1740<br />

344


Qdr. 26, S. 632–647 HK – 2-monatige Terminverschiebung 02.05.1740<br />

Qdr. 27, S. 648–697 HK – Gegenbericht Teil 1 12.07.1740<br />

Qdr. 28, S. 698–752 HK – Gegenbericht Teil 2 12.07.1740<br />

Qdr. 29, S. 753–759<br />

HK – Bitte um Erkennung der Petita,<br />

da Magistrat ansonsten zum Vollzug<br />

der Steuererhebung schreitet<br />

03.08.1747<br />

Qdr. 30, S. 760–766 HK – Terminmahnung 03.08.1747<br />

(Qdr. 32, Anl. E) RHR – Conclusum 29.08.1747<br />

Qdr. 31, S. 767–776<br />

Qdr. 32, S. 777–783<br />

BK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Gegennothdurfft<br />

HK – Terminmahnung Gegennothdurfft<br />

26.10.1747<br />

03.11.1747<br />

(Qdr. 33, Anl. G) RHR – Conclusum 09.11.1747<br />

Qdr. 33, S. 784–788<br />

HK – Terminmahnung Gegennothdurfft<br />

09.01.1748<br />

Qdr. 34, S. 789–876 BK – Gegennothdurfft 12.01.1748<br />

Faszikel 2 (Deckblatt S. 877)<br />

(Qdr. 35, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 08.03.1748<br />

Qdr. 35, S. 878–884 BK – Terminmahnung Replik 10.05.1748<br />

Qdr. 36, S. 885–890 HK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Replik<br />

14.05.1748<br />

Qdr. 37, S. 891–899 BK – Terminmahnung Replik 10.01.1771<br />

(Qdr. 38, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 17.01.1771<br />

Qdr. 38, S. 900–905<br />

HK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Replik<br />

18.03.1771<br />

Qdr. 39, S. 906–910 BK – Terminmahnung Replik 18.03.1771<br />

Qdr. 40, S. 911–916 BK – Syndici Moll Legitimatio ad acta 18.03.1771<br />

(Qdr. 41, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 18.03.1771<br />

Qdr. 41, S. 917–931 HK – Lyncker Legitimatio ad acta 27.05.1771<br />

(Qdr. 43, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 03.06.1771<br />

Qdr. 42, S. 932–937<br />

Qdr. 43, S. 938–942<br />

BK – Insinuationsbescheid Mandati<br />

Procuratorii<br />

BK – Extraditionis Exhibiti – fälschliche<br />

Terminmahnung<br />

23.07.1771<br />

29.07.1771<br />

(Qdr. 44, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 29.07.1771<br />

Qdr. 44, S. 943–947 BK – Terminmahnung Replik 03.08.1771<br />

Qdr. 45, S. 948–951<br />

HK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Replik<br />

03.08.1771<br />

Qdr. 46, S. 952–989 HK – Replik der Judenschaft 12.08.1771<br />

(Qdr. 47, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 19.08.1771<br />

Qdr. 47, S. 990–997 HK – Terminmahnung Duplik 30.09.1771<br />

Qdr. 48, S. 998–1005<br />

BK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Duplik<br />

31.09.1771<br />

(Qdr. 49, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 12.12.1771<br />

345


Qdr. 49, S. 1006–1010 HK – Terminmahnung Duplik 13.02.1772<br />

Qdr. 50, S. 1011–1014<br />

BK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Duplik<br />

13.02.1772<br />

(Qdr. 51, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 17.02.1772<br />

Qdr. 51, S. 1015–1025<br />

BK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Duplik<br />

15.04.1772<br />

Qdr. 52, S. 1026–1030 HK – Terminmahnung Duplik 27.04.1772<br />

(Qdr. 53, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 04.05.1772<br />

Qdr. 53, S. 1031–1034 HK – Terminmahnung Duplik 06.07.1772<br />

Qdr. 54, S. 1035–1039<br />

BK – Bitte um Terminverschiebung von<br />

14 Tagen zur Copia der eingetroffenen<br />

Duplik<br />

06.07.1772<br />

(Qdr. 56, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 09.07.1772<br />

Qdr. 55, S. 1040–1473 BK – Duplik 22.07.1772<br />

Qdr. 56, S. 1474–1477 HK – Terminmahnung Duplik 24.07.1772<br />

(Qdr. 57, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 27.07.1772<br />

Qdr. 57, S. 1478–1482<br />

HK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

ad triplicandum<br />

06.09.1772<br />

Qdr. 58, S. 1483–1488 BK – Bittner Legitimatio ad acta 08.09.1772<br />

Qdr. 59, S. 1489–1495 BK – Terminmahnung Triplik 08.09.1772<br />

(Qdr. 60, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 26.10.1772<br />

Qdr. 60, S. 1496–1541 HK – Triplik 02.01.1773<br />

Qdr. 61, S. 1542–1548<br />

Qdr. 62, S. 1549–1552<br />

BK – Bestätigung Insinuation Mand.<br />

proc.<br />

BK – Terminmahnung und Bitte pro<br />

Communicandis triplicis<br />

08.01.1773<br />

08.01.1773<br />

(Qdr. 63, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 11.01.1773<br />

Qdr. 63, S. 1553–1560<br />

Qdr. 64, S. 1561–1566<br />

BK – Bestätigung Insinuation Triplik<br />

und Bitte um Frist für Quadruplik<br />

BK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Quadruplik<br />

26.03.1773<br />

29.03.1773<br />

(Qdr. 65, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 29.03.1773<br />

Qdr. 65, S. 1567–1573<br />

BK – 2-monatige Terminverschiebung<br />

Quadruplik<br />

28.05.1773<br />

Qdr. 66, S. 1574–1579 HK – Terminmahnung Quadruplik 07.06.1773<br />

Qdr. 67, S. 1580–1697 BK – Quadruplik 08.06.1773<br />

(Qdr. 68, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 14.06.1773<br />

Qdr. 68, S. 1698–1705 HK – Insinuationsbescheid Quadruplik 13.08.1773<br />

Qdr. 69, S. 1706–1711<br />

BK – decernenda actorum inrotulatione,<br />

et maturanda relatione<br />

10.09.1777<br />

(Qdr. 70, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 22.09.1777<br />

(Qdr. 70) S.<br />

1712–1718<br />

HK – Gretzmüller Legitimatio ad acta 20.10.1777<br />

(Qdr. 71, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 24.11.1777<br />

346


(Qdr. 71) S.<br />

1719–1724<br />

(Qdr. 72, Anl.)<br />

(Qdr. 72) S.<br />

1725–1728<br />

(Qdr. 73, Anl.)<br />

(Qdr. 73) S.<br />

1729–1753<br />

HK – Insinuationsbescheid Mand. proc.<br />

ad acta<br />

RHR – Ultimum Conclusum – Inrotulatio<br />

actorum<br />

BK – Nachreichung Acta prima instantiae<br />

cum rationibus decidendi<br />

RHR – Ultimum Conclusum – publicatio<br />

der Akten 1. Instanz<br />

HK – Bitte um denominando causa<br />

referente et maturanda sententia<br />

definitiva<br />

15.06.1778<br />

22.09.1778<br />

30.10.1778<br />

09.01.1779<br />

23.03.1801<br />

(1) HK Eingaben 36<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 31<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

6<br />

9<br />

10<br />

Anzahl RHR Erlasse 31<br />

Form RHR Erlasse<br />

6<br />

Reskripte, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Abgaben städtisch<br />

Der Magistrat erlässt 1723, als sich zwei Frankfurter Jüdinnen auswärts<br />

verheiraten wollen, ein Dekret, das deren Abzug verbietet, bevor sie nicht den<br />

10. Pfennig auf alles, was sie mitnehmen, zahlen. Er bestimmt zudem, dass<br />

dies fortan alle auswärts heiratenden Töchter und Söhne betreffe. Sie müssen<br />

von den Baumeistern gemeldet werden und diese sollen auch dafür verantwortlich<br />

sein, dass die Abgaben abgeführt werden. (Damit geht eine weitere<br />

Klage der Bürgerschaft gegen den Magistrat Qdr. 2 einher, die diese Eingabe<br />

aufbrachte). Die jüdische Gemeinde appelliert 1728 am Reichshofrat, denn 1.<br />

sei es altes Herkommen, dass Mitgiften nicht versteuert werden und 2. seien<br />

die Baumeister für solche Hochzeiten nicht verantwortlich, bekämen auch<br />

nicht immer Nachricht davon, man könne ihnen diese Pflicht nicht auferlegen.<br />

Der Reichshofrat entscheidet 1735, dass diejenigen Juden und Jüdinnen, die<br />

nur außerhalb von Ff wohnen, weil sie (noch) nicht in die Stättigkeit aufgenommen<br />

werden können, aber sozusagen auf der Warteliste stehen, keinen<br />

10. Pfennig zahlen müssen, nur diejenigen, die für immer weg gehen.<br />

Der Prozess wird jedoch weiter geführt, weil sich der Magistrat nicht an das<br />

kais. Dekret hält „und bei jeder geringsten occasion“ den 10. Pfennig einziehe.<br />

Der Prozess setzt sich fort bis zu Quadruplik, kommt Ende der 1770er Jahre<br />

jedoch zum Erliegen.<br />

1801 kommen die Kläger noch ein letztes Mal vergeblich mit der Bitte um<br />

einen neuen Referenten und ein Endurteil ein.<br />

347


F2 Gewölbe<br />

Fallnummer 2<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur<br />

K 2129, F5 und K 2128 komplett<br />

Kurzbezeichnung Gewölbe<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Frankfurt, gemeine Judenschaft zu<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch den Baumeister Lazarus Oppenheimer<br />

„nahmens sämbtlicher bau Meistere vor die alhiesige Gemeine Judenschafft“<br />

(373)<br />

Baumeister laut Legitimatio Lyncker 1772: „Löser Isaac Scheuer, Hertz Michael<br />

Flörsheim, Sußel Mayer Juda, Lößer Leiter, Hertz Joseph Schieff, Abraham<br />

Shnapper, Juda Michel Bing, Joseph Hirsch Gundersheim,// Löb Hertz Oppenheim,<br />

Jacob Isaac Manz, Juda Joseph Schuster, Hertz Abraham Geiger“ (1280)<br />

NK laut Nebenklage (1249) und Mandato von Fabrice 24.08.1772 (1301, 1305):<br />

Bürgerpetition: „Bürgerlicher Leutnant Johann Friedrich Stein, Bürger Georg<br />

Conrad Dauber, Chirurgo Isaac Juncker, Bürger und fürstl. Taxische Hofmahler<br />

Gottlob Traugott Reimer, Bürger und Spenglermeister Christoph Heinrich Pauly,<br />

Bürger und Parfümeur Johann Friedrich Mannberger, Bürger und Messerschmidt<br />

als Ausschuss// weiters Chirurgos Johann Christoph Linde, Georg Jost<br />

Benedict Jäger, Wilhelm Hamel, Johann Heinrich Rühl, Wittwe Johannes Hager,<br />

Johann Peter Wollhard, Wittwe Albertus Hung, Ewa Margaretha Meinhardtin,<br />

Wittwe Johann Carl Bauer, Johann Philipp Hänschel Zinngießer, Johann Christoph<br />

Böhm Baader, Franz Röder, Johann Ernst Voltz, Stephan Jordis, Johannes<br />

Schäffer, Johann Georg Moser, Wittwe Johann Georg Reußing, Frantz Christoph<br />

Hoffmann Silberarbeiter, Johann Jacob Friedrich, Johann Adam Schneider,<br />

Johann Valentin Purukur, Jacob Eißinger Schumachermeister, Johann Nicolaus<br />

Kleinpul, Anna Regina Wittwe Matthias Fischer, Johann Adam Lußmann,<br />

Johann David Heine, Gottlieb Bormann, Wittwe Zacharias Ludwig Prehm, Elias<br />

Beyerbach, Peter Grodt, Johann Conrad Knoth, Johann Peter Samm, Johann<br />

Peter de Villier, Christina Antonetta Dorothea Breitenbachin, Johann Christoph<br />

Semler, Wittwe C.B. von Hiltens, Johann Michael Bauer Gastwirth, Johann Peter<br />

Nonnengaißer, Salomon Kohler, Wittwe Johann Stephan Milz, Johann Adolph<br />

Krüger, Anna Catharina Siegfriedin, Carl Friedrich Mayer, Johannes Kohl,<br />

Johannes Käßner, Johann Jacob Dottenfeld, Susanna Lucretia Grodtin Wittwe<br />

Christian Frick, Johann David Berlü, Johann Georg Strauß Sattlermeister,<br />

Johann Georg Walther Schreinermeister, Heinrich Bernhard Sonnenmann“<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellation wird eingereicht durch kaiserlichen Notar Ff: Johannes Philipp<br />

Christian Lange, Zeugen: Johann Justus Schmid – Notar, Dr. Anthon Christian<br />

Dornheck (363, 373, 380), Älterer Bürgermeister: Johann Wolffgang Textor<br />

(361)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Nordmann no[min]e<br />

deren Baumeister im Nahmen hiesig gemeiner Judenschafft“ (24)<br />

Nachträgliche Ablegung des Kalumnieneids: „Der Schlosser als Advocato<br />

causae der gemeinen Judenschafft zu Frankfurth“ (1351)<br />

(2) Beklagter (BK) Magistrat<br />

(2) Beteiligte Personen NBK Bürgerlicher Ausschuss nach Mandato Haffner/ Lucam: 01.06.1770:<br />

„Johann Christian Fh. von Eisenhardt, Johann Friederich Firnhaber von<br />

Eberstein, Johann Simund Fürnkranz, Johann Daniel Städel, Johann Philip<br />

Bethmann, Johann Jacob Salzwedel, Heinrich Wilhelm Lehnemann“ (1417)<br />

348


(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK von Middelburg<br />

ab 1772 Lyncker<br />

ab 1778 Gretzmüller<br />

ab 1805 Götz<br />

NK: von Fabrice<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

Lyncker: 11.09.1772<br />

(4) RHR Agent BK von Praum<br />

ab 1748 von Harpprecht<br />

ab 1772 Johann Jacob Bittner, Substitut: Johann Ludwig Alt<br />

ab 1804 Sicherer<br />

NBK: ab 1772 Christian Gottlieb von Stieve, Substitut: Joachim Christopher<br />

Haffner<br />

ab 1773 Joachim Christoph von Haffner, Substitut: Theodor E.v. Lucam<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

BK: Bittner/ Alt: 09.02.1773<br />

NBK: Stieve/ Haffner: 02.11.1772<br />

NBK: Haffner/ Lucam: 01.06.1773<br />

(5) RHR Referent Ditmar (Reichsfreiherr Rudolf von Dietmar (Dittmar, Ditmar, Dithmar),<br />

Augsburger Bekenntnis, Gschl. 484), Kaunitz (Dominikus Andreas (II.)<br />

Reichsgraf von Kaunitz-Rittberg-Questenberg, Gschl. 469)<br />

(5) RHR Bank Ditmar: Ritter- und Gelehrtenbank<br />

Kaunitz: Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Ditmar: 1770–1787<br />

Kaunitz: 1765 –1775<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1738<br />

Verfahrensende 1805<br />

Prozessdauer<br />

67 Jahre (aktiv: 10 Jahre)<br />

Zeitliche Lücken 1741–1747, 1750–1771, 1774–1777, 1779–1803<br />

Anzahl Aktenstücke 67<br />

Fol./ Pag./ Quadr. K 2128 Aktenstücke der Revisionssache unnummeriert, Aktenstücke der<br />

Appellationssache Qdr. 1–25<br />

K 2129 Aktenstücke Qdr. 1– 34, danach noch zwei unnummerierte Aktenstücke,<br />

Qdr. 28 fehlt<br />

Neupaginierung K 2128 S. 1–1049, K 2129 S. 1050–1762<br />

349


INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

K 2128 acta appellationis, K 2129 revisionis et appellationis rejecta nunc revisiones<br />

die Kramläden und Gewölben ausser der Judengasse betr.<br />

Appellationsprozess und Revision/ remedii Supplikation<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 2, Anl. 4,<br />

S. 473, 474<br />

Qdr. 2, S. 391<br />

Qdr. 2, Anl. 5,<br />

S.475–480<br />

Qdr. 2, Anl. 6,<br />

S. 478, 479<br />

Qdr. 2, Anl. 7,<br />

S. 483–492<br />

Qdr. 2, Anl. 8,<br />

S. 493<br />

Qdr. 1, Anl. 1 und 2,<br />

S. 353–381<br />

Beschwerde Bürgerlicher Ausschuss<br />

(NBK) über jüdische Gewölbe und<br />

Kramläden außerhalb der Gasse<br />

Conclusum Magistrat – Judenschaft soll<br />

im Rechneiamt vernommen werden<br />

Gegenvorstellung Judenschaft<br />

Schöffenratsedikt – Verbot der Gewölbe<br />

und Kramläden<br />

Eingabe Judenschaft mit Einlegung der<br />

Eventualappellation am RHR<br />

Dekret Schöffenrat – Bestätigung des<br />

Verbots<br />

Appellationseinreichung<br />

01./05.02.<br />

1738<br />

06.02.1738<br />

o.D.<br />

16.10.1738,<br />

Publ.<br />

20.10.<br />

o.D.<br />

04.11.1738<br />

07. und<br />

12.11.1738<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

S. 1–142 Relatio – extractus actorum appellationis/<br />

prioris inst.<br />

1738–1771<br />

S. 143–179 Correlatio – applois nunc revisionis 1731–1771<br />

S. 180–208 Relatio – Factum et Votum…revisionis 1738–1771<br />

S. 209–241 Relatio – Factum et Votum…revisionis 1728–1748<br />

S. 242–275 Relatio – Factum et Votum…revisionis o.D.<br />

S. 276–345 Relatio – extractus actorum revisionis o.D.<br />

Qdr. 1, S. 346–383 HK – Anwalt Middleburg Appell.schrift 02.12.1738<br />

Qdr. 2, S. 384–504 HK – Middleburg Libell. grav. 18.03.1739<br />

Qdr. 3, S. 505 RHR – Schreiben um Bericht 28.09.1739<br />

(Qdr. 4, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 28.09.1739<br />

Qdr. 4, S. 506–510<br />

Qdr. 5, S. 511–521<br />

Qdr. 6, S. 522–596<br />

Qdr. 7, S. 597–611<br />

BK – Ff Syndicus von Praum Terminverschiebung<br />

HK – Middleburg Insinuationsbescheid<br />

Reskript<br />

HK – Middleburg Ergänzung Libell.<br />

grav<br />

HK – Middleburg weiterer Nachtrag<br />

Libell. grav<br />

12.02.1740<br />

19.02.1740<br />

22.02.1740<br />

04.03.1740<br />

Qdr. 8, S. 612–613 RHR – Reskript an Mag. Inhibition 18.03.1740<br />

350


(Qdr. 9 ½, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 18.03.1740<br />

Qdr. 9, S. 614–764 BK – Bericht Mag. 19.03./<br />

25.04.1740<br />

Qdr. 9 ½, S. 765–776 HK – Terminmahnung Bericht 19.05.1740<br />

Qdr. 10, S. 777–790<br />

Qdr. 11, S. 791–810<br />

BK – Magistrat Bitte um Aufhebung der<br />

Inhibition<br />

HK – Middleburg Insinuationsbescheid,<br />

Bitte um Kommunizierung von<br />

Bericht und Paritionsanzeige Mag.<br />

16.05.1740<br />

20.06.1740<br />

Qdr. 12, S. 811–829 BK – Petitionsanzeige Mag. 16.07/<br />

26.07.1740<br />

Qdr. 13, S. 830–849<br />

BK – Ff Syndicus Harpprecht Bitte um<br />

abschlägigen Bescheid der Prozesse<br />

09.02.1748<br />

(Qdr 14, Anl. 23) RHR – Ultimum Conclusum 23.04.1748<br />

Qdr. 14, S. 850–856<br />

Qdr. 15, S. 857–867<br />

Qdr. 16, S. 868–929<br />

Qdr. 17, S. 930, 931<br />

HK – Middleburg Terminverschiebung<br />

Gegenbericht<br />

BK – Harpprecht Terminmahnung<br />

Gegenbericht<br />

HK – Middleburg, Bitte um Aufhebung<br />

des 2. Concluso<br />

RHR – Reskript – Aufhebung des<br />

Concluso<br />

21.06.1748<br />

25.06.1748<br />

25.06.1748<br />

05.08.1748<br />

(Qdr. 18, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 05.08.1748<br />

Qdr. 18, S. 932–941<br />

Qdr. 19, S. 942–949<br />

HK – Middleburg Terminverschiebung<br />

Gegenbericht<br />

BK – Harpprecht Terminmahnung<br />

Gegenbericht<br />

03.10.1748<br />

10.10.1748<br />

(Qdr. 21, Anl. 29) RHR – Ultimum Conclusum 11.10.1748<br />

Qdr. 20, S. 950–959 BK – Paritionsanzeige Mag. 19./30.10.<br />

1748<br />

Qdr. 21, S. 960–964<br />

Qdr. 22, S. 965–968<br />

HK – Middleburg Terminverschiebung<br />

Gegenbericht<br />

BK – Harpprecht Terminmahnung<br />

Gegenbericht<br />

10.12.1748<br />

12.12.1748<br />

Qdr. 23, S. 969–1048 HK – Middleburg Gegenbericht 07.01.1749<br />

(Qdr. 24, S. 1049)<br />

K 2129, Qdr. 1, S.<br />

1050–1063<br />

RHR – Reskript notificat an BK, dass<br />

kays. Provisorium aufgehoben, Appell.<br />

prozesse abgeschlagen<br />

HK – Appellant. Anwalt Lyncker<br />

Introductio remedii supplicationis, vel<br />

revisionis actorum<br />

14.11.1771<br />

24.01.1772<br />

(Qdr. 1, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 14.11.1771<br />

Qdr. 2, S. 1064–1152 HK – Lyncker libell. grav. 12.03.1772<br />

Qdr. 3, S. 1153–1171<br />

Qdr. 4, S. 1172–1185<br />

HK – Lyncker Bitte um Aufhebung<br />

Mag. Decreti<br />

HK – Lyncker Nachtrag und neue<br />

Exhibita<br />

03.08.1772<br />

17.08.1772<br />

(Qdr. 5, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 21.08.1772<br />

351


Qdr. 5, S. 1186–1254<br />

NK – Anw. von Fabrice (des Ausschusses<br />

der Nachbarschafft der Juden)<br />

Nebenklage, Bitte um Aufhebung der<br />

mag. Decreti<br />

24.08.1772<br />

(Qdr. 6, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 24.08.1772<br />

Qdr. 6, S. 1255–1261<br />

Qdr. 7, S. 1262–1271<br />

NBK – Anw. von Stieve (des 9. Bürgerl.<br />

Collegii zu Ff) Nebenanzeige<br />

NBK – Stieve Bitte um Ablehnung<br />

Klage<br />

28.08.1772<br />

28.08.1772<br />

Qdr. 8, S. 1272–1280 HK – Lyncker Legitimatio 11.09.1772<br />

Qdr. 9, S. 1281–1293<br />

Qdr. 10, S. 1294, 1295<br />

HK – Lyncker Anzeige wegen weiterer<br />

mag. Vorgehen<br />

RHR – Reskript – Verbot an Mag. und<br />

Anweisung zur Erstellung Exceptiones<br />

(Bericht)<br />

15.09.1772<br />

17.09.1772<br />

(Qdr. 11, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 17.09.1772<br />

Qdr. 11, S. 1296–1309 NK – Fabrice Legitimatio 16.09.1772<br />

Qdr. 12, S. 1310–1319<br />

HK – Lyncker Erlegung der 1000 Gulden<br />

Sportelgelder<br />

17.09.1772<br />

Qdr. 13, S. 1320–1330 NBK – Stieve Legitimatio 17.09.1772<br />

Qdr. 14, S. 1331–1338 NBK – Stieve Terminmahnung 17.09.1772<br />

Qdr. 15, S. 1339–1350<br />

BK – Ff Syndicus Bittner Terminmahnung<br />

17.09.1772<br />

(Qdr. 19, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 01.12.1772<br />

Qdr. 16, S. 1351–1353<br />

RHR – Anweisung zum Juramentum<br />

Revisionis pro Advocato causae<br />

(Schwurspruch) und Juramentum<br />

Revisionis für Judenschaft<br />

09.12.1772<br />

Qdr. 17, S. 1354–1365 HK – Lyncker Insinuationsbescheid 07.12.1772<br />

Qdr. 18, S. 1366–1373 BK – Bittner Legitimatio 25.02.1773<br />

Qdr. 19, S. 1374–1379<br />

Qdr. 20, S. 1380–1389<br />

BK – Bittner Terminverschiebung<br />

Bericht<br />

HK – Lyncker Bitte um Komm. evtl.<br />

Exceptiones<br />

25.02.1773<br />

25.02.1773<br />

(Qdr. 21, Anl. A) RHR – Ultimum Conlusum 01.03.1773<br />

Qdr. 21, S. 1390–1396 BK – Bittner Insinuationsbescheid 30.04.1773<br />

Qdr. 22, S. 1397–1404<br />

BK – Bittner Terminverschiebung<br />

Bericht<br />

30.04.1773<br />

Qdr. 23, S. 1405–1409 HK – Lyncker Terminmahnung Bericht 03.05.1773<br />

(Qdr. 25, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 10.05.1773<br />

Qdr. 24, S. 1410–1421<br />

NBK – Anw. Haffner (Bürgerl. Kolleg)<br />

Legitimatio<br />

24.05.1773<br />

Qdr. 25, S. 1422–1597 BK – Bittner Exceptiones (Bericht) 25.07.1773<br />

Qdr. 26, S. 1598–1603 HK – Lyncker Terminmahnung 12.07.1773<br />

(Qdr. 27, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 12.07.1773<br />

Qdr. 27, S. 1604–1615 BK – Bittner Nachtrag 16.07.1773<br />

352


Qdr. 28, S. x<br />

Fehlt<br />

(Qdr. 29, Anl.) RHR – Ultimum Conlusum 19.07.1773<br />

Qdr. 29, S. 1616–1688<br />

NBK – Stieve und Haffner Nachtrag zu<br />

Exhibita vom 19.4.1773<br />

23.08.1773<br />

Qdr. 30, S. 1689–1698 BK – Bittner Insinuationsbescheid 13.09.1773<br />

Qdr. 31, S. 1699–1706<br />

Qdr. 32, S. 1707, 1708<br />

Qdr. 33, S. 1709–1711<br />

BK – Bittner Bitte um Abschlagung der<br />

Prozesse<br />

RHR – Sententia – Verfügungen Magistrat<br />

werden cassiert<br />

RHR – Reskript an Mag. – Verfügungen<br />

Magistrat werden cassiert<br />

16.02.1778<br />

24.02.1778<br />

24.02.1778<br />

(Qdr. 34, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 24.02.1778<br />

Qdr. 34, S. 1712–1724<br />

HK – Appellant. Anw. von Gretzmüller<br />

Insinuationsbescheid Sententia<br />

15.06.1778<br />

(Qdr. 35, Anl.) RHR – Ultimum Conslusum 22.06.1778<br />

(Qdr. 35, S.)<br />

1725–1756<br />

BK – Appellatischer Anw. Sicherer Bitte<br />

um Extradition Akten<br />

12.03.1804<br />

(Qdr. 36, Anl. 0) RHR – Ultimum Conclusum 05.04.1805<br />

(Qdr. 36, S.)<br />

1757–1762<br />

HK – Appellant. Anw. von Götz Insinuationsbescheid<br />

25.06.1805<br />

9(1) HK Eingaben 24, NK 2<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 19, NBK 6<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 25<br />

Form RHR Erlasse<br />

3<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Reskripte, Sententiae, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Handel<br />

Der Magistrat hat nach Beschwerden einiger Frankfurter Kaufleute 1731 und<br />

1738 eine Verordnung erlassen, dass die Juden keine Gewölbe außerhalb der<br />

Judengasse zum Handeln mieten dürfen. Auf die Appellation der jüdischen<br />

Gemeinde hin ergeht 1748 eine kaiserliche Interimsverordnung, dass die Läden<br />

beibehalten werden dürfen. 1771 erlässt der Magistrat erneut ein Dekret,<br />

das den jüdischen Händlern verbietet, ihre Waren außerhalb der Gasse zu<br />

lagern, und anordnet, dass sie innerhalb von vier Wochen alle Kammern und<br />

Gewölbe in der Stadt räumen und alle Waren in die Gasse bringen sollen. Die<br />

Juden wenden sich wieder an den RHR und werden zunächst in der Appellation<br />

abschlägig beschieden (das Reskript des Kaisers liegt fälschlicherweise in<br />

K 2128 als zweiter Qdr. 25). Sie reichen daraufhin Revision bzw. eine „remedii<br />

Supplik“ gegen den Appellationsentscheid ein. Nun wenden sich auch ihre<br />

353


christlichen Nachbarn mit einer Eingabe zugunsten der jüdischen Händler<br />

zunächst an den Magistrat, dann an den RHR. Nach dem Bericht des Magistrats<br />

und dem NBK Bürgerausschuss erlässt der Kaiser eine Sentenz, die die<br />

Verordnung des Magistrats kassiert, es gelte wieder das Provisorium von 1748<br />

bis er dies widerrufe – die Krämerladen und Gewölbe dürfen weiter bestehen<br />

bleiben. Mit Verweis auf Rechtshängigkeit einer einschlägigen Appellationssache<br />

vom 06.05.1704. 1<br />

Weitere Bemerkungen<br />

1<br />

Hier handelt es sich vermutlich um den Prozess: „Judenschaft zu Frankfurt<br />

contra Frankfurt Magistrat rescripti, puncto appellationis, die Schatzung von<br />

den Judenhäusen betr.“, HHStA, RHR, Obere Registratur K 276/2.<br />

354


F3 Weißmehl<br />

Fallnummer 3<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Obere Registratur<br />

Signatur K 276/3<br />

Kurzbezeichnung Weißmehl<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) zu Franckfurth Gemeiner Judenschafft Baumeister<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die Baumeister Emanuel Drach und<br />

Beer Hamburger (138), Qdr. 16, Anl. 14 erwähnt als im Monat stehende<br />

Baumeister im Juni 1771 „Süsel Mayer Juda, kaiserl. Hoffactor, und Jacob Isaac<br />

zur Kann“ (438)<br />

Baumeister 1771 nach Legitimatio Lyncker: „Löw Isaac Scheuer, Hertz Michael<br />

Flersheim, Süßel Mayer Jud, Meyer Hertz Welsch, Lößer Leiter, Nathan<br />

Aaron Wetzlar, Hertz Joseph Schieff, Samuel Nathan Schuster, Löb Isaac zur<br />

Kante, Abraham Schnapper Juda Miechel Bing, Joseph Hirsch Gunderheim“<br />

(354–364)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellation wird eingereicht durch kaiserlichen Notar Ff: Johannes Fridericus<br />

Jaysius, Zeugen: „Johann Justus Schmid, Dr. Anthon Christian Dornheck“ (22,<br />

26, 33)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Nordmann no[min]e<br />

der hiesigen Juden Bau Meister vor sich undt im Nahmen der gantzen Judenschafft“<br />

(24)<br />

S. 374: „[…] auch der Advocatus causae, welcher vermuthlich Dr. Dornheck<br />

gewesen […]“<br />

Die betroffenen jüdischen MehlhändlerInnen, die beim Rechneiamt angezeigt<br />

wurden: „Samuel Löw im rothen Huth, Samuel Maaß im rothen Schild, David<br />

Abraham Hecht, in der Stadt Güntzburg, und Moele, Gumprech Maaßen, zum<br />

Frolichen Mann Frau“ (171)<br />

Zeugenverhör in der Gasse 14.06.1771: Ff kaiserlicher Notar: Georgius Philip<br />

pus Hacker, Zeugen: Gottfried Reismann, Jonathan Gottlieb Hacker (443),<br />

befragte älteste Gemeindemitglieder: Mayer Wormbs (85 Jahre), Benedict<br />

Daub (93 Jahre), Isaac Schwarzschild (90 Jahre) (438–443). Von ihnen werden<br />

angegeben als Mehlhändler tätige Juden/ Jüdinnen: „Wittwe Goldge Schamas,<br />

Moises Kaiser sowie dessen Vater, Löw Pfeffer seit 80 Jahren, Salomon Debliz<br />

vor 40 Jahren, Schmuhl Butge vor 30 Jahren verstorben, Heyum Wetterhahn,<br />

Gumbrig Maas, Israel Hecht seit 40 Jahren, Moses Amsterdam, Jud Gözla,<br />

Joseph Fuld, Bär Pfann“ (jeweils mit Wohnort in der Gasse)<br />

(2) Beklagter (BK) Bürgermeister und Rath, in specie das Recheney-Amt daselbst<br />

(2) Beteiligte Personen Qdr.1 erwähnt in erster Instanz die vom Magistrat Ff zusammengestellten Deputierten<br />

für den Vergleichsversuch: „H. Scab. et Ex Cons. Sen. Joh. Carl von<br />

Kaib, H Synd. Franck von Lichtenstein, Sc. Heinrich von Barckhaus, Sc. Wolfg.<br />

Victor Weickert für das Rechneyamt“ (138, 139, 256)<br />

Beteiligte Wecken- und Meelhändler: „Christian Schuckerbier, Johannes Ochß,<br />

Hilarius Rosch, Georg Gustavus Becker, Joh[ann] Jacob Künig, Joh[ann]<br />

Weygndt Kohl, Peter Kißel, Nicolaus Stephan“ (140)<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

355


(3) RHR Agent HK Johann Heinrich von Middelburg<br />

ab 1771 Gottlieb Lyncker, Substitut: Joachim Gottlieb von Fabrice<br />

ab 1800 von Goetz<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

Lyncker: 02.07.1765<br />

(4) RHR Agent BK Johann Friedrich von Harpprecht, ab 1770 Ff Syndicus Albrecht Theodor Moll<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent 1771 Kaunitz (Dominikus Andreas (II.) Reichsgraf von Kaunitz-Rittberg-<br />

Questenberg, Gschl. 469)<br />

1800 Schraut (Franz Alban von Schraut, Gschl. 510, 511)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Kaunitz 1765–1775, Schraut 1800–1801<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1739<br />

Verfahrensende 1801<br />

Prozessdauer 70 Jahre (aktive Jahre: 9)<br />

Zeitliche Lücken 1741–1746, 1749–1769, 1771–1776, 1778–1799<br />

Anzahl Aktenstücke 20<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr.<br />

Neupaginierung 1–465<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis, den Verkauf und Crämerey des Weismehls in der Juden-Gass<br />

betreffend<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Rechneiamt und Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 4, Anl. G<br />

Qdr. 4, Anl. H<br />

Klage der Mehlhändler bei Schöffenrat<br />

gegen die Weißmehlverkauffenden<br />

Juden<br />

Verhör der Weißmehlverkauffenden<br />

Juden und der klagenden Mehlhändler<br />

durch Rechneiamt<br />

03.07.1738<br />

27.10.1738<br />

356


Qdr. 1, Anl. 8<br />

Qdr. 1, Anl. 5<br />

Qdr. 1, Anl. 6<br />

Voramtsbescheid Recheneyamt und<br />

Schöffenratsdekret, der Verkauf des<br />

Weißmehls in der Gasse sei bei Strafe<br />

verboten<br />

Memoriale der betroffenen Weißmehlverkaufenden<br />

Juden beim Schöffenrat<br />

Schöffenratsconclusum – Verbot des<br />

Weißmehlhandels durch Juden in der<br />

Gasse<br />

30.10.1738<br />

?.?.1738<br />

(s.d.)<br />

06.11.1738<br />

Qdr. 1, Anl. 7 Memoriale HK Judenschaft 12.11.1738<br />

Qdr. 1, Anl. 8 Abschlägiges Schöffenratsconclusum 30.12.1738<br />

Qdr. 1, Anl. 9 Memoriale HK Judenschaft 05.01.1739<br />

Qdr. 1, Anl. 10<br />

Qdr. 1, Anl. 11<br />

Schöffenratsconclusum – nochmalige<br />

Untersuchung Recheney Amt<br />

Rechneiamtsprotokoll wird im Senat<br />

verlesen, abschlägiges Schöffenratsconclusum,<br />

am 14.04. insinuiert<br />

06.01.1739<br />

07.04.1739<br />

Qdr. 1, Anl. 1,2,3 HK Appellationseinreichung 21.04.1739<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr 1, S. 1–128<br />

HK – Introductio Appellationis und<br />

Libell. Grav. (Anl. 4, S. 35–78), Anlagen<br />

1–11<br />

04.08.1739<br />

Qdr 2, S. 129–130 RHR – Schreiben um Bericht 13.08.1739<br />

Qdr 3, S. 131–157<br />

HK – Nachtrag Appell.schrift, misslungener<br />

Vergleichsversuch des Magistrats,<br />

Bitte um Communication des Mag.<br />

Berichts<br />

11.04.1740<br />

Qdr 4, S. 158–301 BK – Bericht Bürgermeister und Rat Ff 11.04.1740,<br />

praes.<br />

03.05.1740<br />

(Qdr. 5, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 03.06.1740<br />

Qdr. 5, S. 302–305<br />

Qdr. 6, S. 306–312<br />

HK – Terminverlängerung Reinformatoriales<br />

BK – Terminmahnung Reinformatoriales<br />

18.08.1740<br />

18.08.1740<br />

(Qdr. 7, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 06.09.1740<br />

Qdr. 7, S. 313–323<br />

BK – Terminmahnung Reinformatoriales<br />

16.11.1747<br />

(Qdr. 8, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 12.03.1748<br />

Qdr. 8, S. 324–331<br />

Qdr. 9, S. 332–337<br />

Qdr. 10, S. 338–343<br />

BK – Terminmahnung Reinformatoriales<br />

HK – Terminverlängerung Reinformatoriales<br />

BK – Terminmahnung Reinformatoriales<br />

14.05.1748<br />

15.05.1748<br />

09.10.1770<br />

(Qdr.11, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 22.02.1771<br />

357


Qdr. 11, S. 344–349<br />

HK – Terminverlängerung Reinformatoriales<br />

22.03.1771<br />

(Qdr. 12, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 23.04.1771<br />

Qdr. 12, S. 350–353<br />

BK – Terminmahnung Reinformatoriales<br />

25.06.1771<br />

Qdr. 13, S. 354–364 HK – Lyncker legitimatio 26.06.1771<br />

Qdr. 14, S. 365–368<br />

Qdr. 15, S. 369–372<br />

HK – Terminverlängerung Reinformatoriales<br />

HK – 2 wöchige Terminverlängerung<br />

ad revidendum et decopiandum reinformatoriales<br />

26.06. 1771<br />

27.06.1771<br />

(Qdr. 16, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 01.07.1771<br />

Qdr. 16, S. 373–446 HK – Gegenbericht 12.07.1771<br />

Qdr. 17, S. 447–451<br />

Qdr. 18, S. 452–455<br />

BK – Terminmahnung communication<br />

reinformatione<br />

BK – Terminmahnung communication<br />

reinformatione<br />

02.09.1771<br />

24.04.1777<br />

Qdr. 19, S. 456–461 HK – Götz Bitte um Resolution 19.12.1800<br />

Qdr. 20, S. 462–465<br />

HK – Götz Bitte um neuen RHReferenten<br />

(Abwesenheit des „im vorigen Jahr<br />

ernannten“ Referent von Sch(r)aut)<br />

21.10.1801<br />

(1) HK Eingaben 11<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 8<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 7<br />

Form RHR Erlasse<br />

5<br />

-<br />

-<br />

7<br />

1 Schreiben um Bericht, 6 Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Handel<br />

Auf eine Beschwerde verschiedener Mehlhändler und Bäcker beim Frankfurter<br />

Rechneiamt erlässt 1738 der Magistrat ein Dekret, dass Juden (es werden vier<br />

jüd. Mehlhändler genannt: Samuel Löw im rothen Huth, Samuel Maaß im rothen<br />

Schild, David Abraham Hecht in der Stadt Güntzburg, Moele, Gumprecht<br />

Maaßen zum frohlichen Mann, Frau) zukünftig kein Weißmehl mehr in der<br />

Gasse handeln dürften. Nachdem auch eine von den Baumeistern erbetene<br />

Untersuchung durch das Rechneiamt das Urteil unverändert lässt, wenden<br />

sich die Baumeister 1739 per Appellation an den Kaiser. Ein Vergleichsversuch<br />

des Magistrats, der auf einem von den christlichen Mehlhändlern vorgelegten<br />

Regelungsentwurf basiert, scheitert. Nach dem Bericht des Magistrats, der<br />

ganz im Sinne der christlichen Bäcker und Mehlhändler argumentiert, bleibt<br />

358


der Fall zunächst liegen. 1770 kommt der Magistrat erneut mit der Bitte um<br />

einen Entscheid ein, der Reichshofrat fordert den Gegenbericht der jüdischen<br />

Baumeister. Die Judenschaft erbittet Verlängerung, da ihr Anwalt gestorben<br />

und die Akten nicht mehr aufindbar seien. 1771 erfolgt der Gegenbericht der<br />

Judenschaft mit dem Hinweis, dass mittlerweile alle 12 Baumeister von 1738,<br />

Anwalt, Referenten, Berichtsteller und der Syndico Lichtenstein gestorben<br />

seien, und weil es so lange her sei „gantz aus den Gedanken der Menschen<br />

gebracht, so, daß niemand aus der Principalschafft sich mehr etwas erinnern<br />

können, das in dieser Sache verhandelt worden wäre“ (375). Es werden vom<br />

zuständigen Referenten die in Wien vorhandenen Akten nach Frankfurt versandt.<br />

Der Gegenbericht setzt sich vor allem mit dem Bericht des Magistrats<br />

auseinander, danach bleibt das Verfahren liegen. 1800/ 1801 versucht die<br />

Judenschaft noch einmal, den Prozess zu aktivieren und bittet um Entscheid,<br />

danach kein weiterer Vermerk mehr, entsprechend gibt es keinen Entscheid.<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Zitierte juristische Literatur:<br />

HK<br />

S. 36, 37: „ I. 4. Cod. de Sempor. 1 “<br />

S. 60: „I. nec non 28. ff. ex quib. caus. major. 2 I. 1. ff. de Sest. 3 “<br />

S. 61: „Anch. cons. 244. 4 Agm. Cons. 203. n. 2. lib. 1. 5 Mascard. de probat.<br />

concl. 1237 n. 2. 6 Menoch. de praesumt. Lib. 6. praes. 16. n. 2. 7 Cavallos<br />

comman. opin. contra communes q 227. 8 “<br />

S. 62: „Klock. cons. 37. n. 306. 9 Richter p.1. Cons. 55. n. 29. 10 “<br />

S. 63: „Vasquez de Success. §. 29. 11 & Illustr. contorvers. c. 5. n. 15. 12 “<br />

S. 63: „ I. cum quidam 19. ff. de lib. & posth. in odia de Reg. suc. 13 “<br />

S. 64: „Gloss. in cap. cupientes §. quod si de Elect. in 6. 14 Gloss. & Ddres in<br />

auth Quas actiones cod. de sac. sanct. Eccles. 15 Decius cons. 619. 16 Hartm.<br />

Pistor. 1. q pract. 16. n. 23. 17 “<br />

S. 66: „ Mev. cons. 45. n. 32. 18 Carpzov. p. 2. Decis. 143. n. 12. 13. 19 “<br />

S. 70: „C. 85. §. 2. ff. de Reg. jur. 20 “ S. 72, 73: „I. 2. I. 4. I. 7. cod. de sent. &<br />

interloc. 21 “ S. 72, 73: „cap. nullum 10. cap. judicantem 30. q. 5. 22 Clement.<br />

Pastoralis 2. de sent. & re Judic. 23 I. ult. § fin ff. quod met. caus. 24 Wesenb.<br />

in paralit. & re judic. n. 7. 25 Carpzov p. 2. constit. 26. defin. 12. n. 4. &<br />

defin. 18. n. 3. 26 Vant de nullit. sent. ex defect. Proc. n. 31. 27 “<br />

S. 73: „Cothm. Vol 3. Repl. 43. n. 7. 28 “<br />

S. 74: „Mev. p. 8. Decis. 472. 29 Franch. in c. cessante memb. 6. & 10. x de<br />

appellat. 30 Scaccia de appellat. quaest. 12. n. 160. 31 Thomasius de jure circa<br />

frumentum Cap: 11. n: 57. sqq: besonders aber n: 57.“<br />

BK<br />

S. 163: „Menoch. 1V. Praes. 151. N. 2. a “<br />

S. 164: „Bart. in L. Quaesitum § illud de L. 3. b “<br />

S. 165: „Menoch. d. Praes. n. 6. seq. c “<br />

S. 165: „C. J. et. ad Tit: ff: de Triti co, vino, vel oleo leg. d “<br />

S. 166: „Reyger Thes. Jur. voc. Prohibitio n.1. e “<br />

S. 187: „Mascard. Concl. 1243. num. 81. f “<br />

S. 189: „Tom. VII. der merckwürdigen Reichs=Hoff Raths Conclusorum<br />

pag. 384. scq. g “<br />

S. 192, 193: „Barbos. Thes. Jur. voc. Prohibitio. ax: 28. h “<br />

S. 193: „Marqu: de Jure Mercatorum et commerc: L: 1. C. 7. n. 43. et C. 17.<br />

per tot: in pr: §. 2. 10. et 50. i “<br />

359


F4 Bingen Stättigkeit I<br />

Fallnummer 4<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Denegata antiqua<br />

Signatur K 160<br />

Kurzbezeichnung Bingen Stättigkeit I<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Jüdische Baumeister zu Frankfurt<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die Baumeister Sußel Mayer Juda,<br />

Löser Leiter (F5, 77)<br />

Baumeister laut Legitimatio 1754: „Seligmann Lazarus Oppenheimer, Herz<br />

Michael Flörsheim, Nathan Meyer Urschel, Susel Mayer Juda, Meyer Herz<br />

Welsch, Mayer Wormbs, Löser Leiter, Gabriel Worms, Ahron David Flesch,<br />

Abraham Isaac Stiebel“ (F5, 44–54)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellation wird eingereicht durch kaiserlichen Notar Ff: Johannes Philipp<br />

Christian Lange (F5, 92), Zeugen: „Johannes Würtz, Bürger und Scribent,<br />

Johann Friedrich Förster, Bürger und Schneidermeister“ (F5, 85, 92), Älterer<br />

Bürgermeister: Johann Friedrich von Uffenbach (F5, 85, 86)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Rössing no[min]e der<br />

im Monath stehenden Bau Meistere Nahmens der gemeinen Judenschaft“ (F5,<br />

94)<br />

(2) Beklagter (BK) Juda Michael Bingen, Schutz-Juden zu Franckfurth, et filium Moses Bingen,<br />

nec non Amplissimum Magistratum Francofurtensem<br />

(2) Beteiligte Personen Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Stollweg, no[min]e der<br />

beyden jezo wohlregierenden H[errn] Bürger Meistern […] no[min]e Juda<br />

Michael Bing, Schuz Judens allhier“ (F5, 99, 100)<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Johann Heinrich von Middelburg, Substitut: Johann Christoph Bissing<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

06.09.1754<br />

(4) RHR Agent BK Syndicus Albrecht Theodor Moll<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent 1765 Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler<br />

von Steeb, Gschl. 464, 465)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

360


(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

07/1761–12/1782<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1761<br />

Verfahrensende 1765<br />

Prozessdauer<br />

4 Jahre<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 1 (Relatio)<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Fol. 585–608 sowie letzte Seite unfol.<br />

Neupaginierung 1–47<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Rescripti, die Eindringung des letzteren in die Stättigkeit/ Appellationis ad<br />

causam Rescripti, die Eindringung des letzteren in die Stättigkeit betr.<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz François de Théas Compte de Thoranc (Statthalter des franz. Königs in Frankfurt,<br />

1761/62 zuständig für zivilrechtliche Belange der franz. Besatzungstruppen),<br />

Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

(F5, Qdr. 8),<br />

S. 121, 122<br />

(F5, Qdr. 8), S. 124<br />

(F5, Qdr. 8),<br />

S. 123, 124<br />

(F5, Qdr. 8), Anl. E,<br />

S. 170–173<br />

(F5, Qdr. 8), Anl. G,<br />

S. 181<br />

(F5, Qdr. 8), Anl. H,<br />

S. 181, 182<br />

(F5, Qdr. 8), Anl. J,<br />

S. 182, 183<br />

(F5, Qdr. 8), Anl. K,<br />

S. 184<br />

(F5, Qdr. 8), Anl. N,<br />

S. 185–188<br />

Beschwerde Bing bei Stadthauptmann<br />

Friederich Antoni wg. Bannanlegung,<br />

Befehl des franz. Leutnants de Thoranc,<br />

die Baumeister mögen sich öffentlich<br />

vor ihm darüber verantworten<br />

Erneuter Befehl des franz. Leutnants<br />

de Thoranc, die Baumeister mögen sich<br />

noch gleichen Tags öffentlich vor ihm<br />

darüber verantworten<br />

05.10.1761<br />

07.10.1761<br />

Beschwerde Bing bei Schöffenrat 07.10.1761<br />

Vorstellung der Baumeister beim<br />

Schöffenrat mit Bitte um Remedium in<br />

dieser Sache<br />

16.10.1761<br />

Gegenvorstellung Bing bei Schöffenrat 16.10.1761<br />

Dekret Schöffenrat – Einsetzung einer<br />

ex officio Deputation für den 20.10.<br />

Baumeister – Abwesenheitsentschuldigung<br />

wegen Kürze der Zeit<br />

Dekret Schöffenrat – Vorbringen der<br />

schriftlichen Vorstellung der Baumeister<br />

binnen einer Woche<br />

19.10.1761<br />

23.10.1761<br />

26.10.1761<br />

Vorstellung Baumeister 02.11.1761<br />

361


(F5, Qdr. 8), Anl. L, S.<br />

(F5, Qdr. 8), Anl.<br />

M, S.<br />

(F5, Qdr. 8), Anl. O,<br />

S. 189–192<br />

Dekret Schöffenrat – Ablehnung der<br />

Baumeisterlichen Klage<br />

Dekret Schöffenrat – Ablehnung der<br />

Baumeisterlichen Klage<br />

04.10.1761<br />

09.10.1761<br />

Vorstellung Baumeister 02.11.1761<br />

(F5, Qdr. 1, S. 1–21) Supplikeinreichung 12.11.1761<br />

(F5, Qdr. 8), Anl. P,<br />

S. 192–196<br />

(F5, Qdr. 8),<br />

S. 64, 65, 80–82<br />

(F5, Qdr. 8),<br />

S. 75–103<br />

Vorstellung Baumeister 16.11.1761<br />

Dekret Schöffenrat – Anweisung, der<br />

Beschneidung Moses Juda Bingen Sohn<br />

nichts weiter in den Weg zu legen und<br />

Verbot des Bannes bei widrigenfalls<br />

Strafe von 100 Rthl.<br />

03.12.1761<br />

Appellationseinreichung 03.12.1762<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

(F5, Qdr. 1), S. 1–21 HK – Supplik um Reskript 12.09.1761<br />

(F5, Qdr. 2), S. 22–25 HK – Nachtrag Exhibitum 27.09.1761<br />

(F5, Qdr. 3), S. 26, 27<br />

RHR – Reskript um Bericht und Temporalinhibition<br />

15.03.1762<br />

(F5, Qdr. 4), S. 28–32 BK – Terminverschiebung Bericht 07.06.1762<br />

(F5, Qdr. 5), S. 33–43<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Bericht<br />

11.06.1762<br />

(F5, Qdr. 6), S. 44–54 HK – Legitimatio ad acta 11.06.1762<br />

(F5, Qdr. 7), S. 55–60 HK – Nachtrag Exhibitum 27.06.1763<br />

(F5, Qdr. 8),<br />

S. 61–363<br />

(F5, Qdr. 9), S. 364<br />

(F5, Qdr. 10),<br />

S. 365–377<br />

(F5, Qdr. 11),<br />

S. 378–386<br />

(F5, Qdr. 12),<br />

S. 387–397<br />

(F5, Qdr. 13),<br />

S. 398–500<br />

S. 1–47 Relatio<br />

HK – Appellationseinreichung 20.01.1763<br />

RHR – Reskript – Verwarnung wegen<br />

Nichteinhaltung der Temporalinhibition<br />

sowie ernstliche Anweisung zur<br />

Erstattung des geforderten Berichts<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Bericht<br />

09.01.1764<br />

13.04.1764<br />

BK – Terminverschiebung Bericht 13.04.1764<br />

BK – Terminverschiebung Bericht 10.09.1764<br />

BK – Bericht 07.01.1765<br />

(1) HK Eingaben 7<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

-<br />

362


(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 4<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 2<br />

Form RHR Erlasse<br />

2<br />

3<br />

-<br />

Reskripte<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Gemeindemitgliedschaft, Bann<br />

Die Baumeister verweigern Moses Bingen die Stättigkeit, weil er anscheinend<br />

unverheirateter Weise 1756 die nachgelassene Tochter Bräunle des Jacob<br />

Isaac Speyers geschwängert habe, dies aber nicht zugeben wolle, und ohnehin<br />

einen „bösen Lebenswandel“ führe, mit Mantel und Kragen in die Synagoge<br />

käme, was nur in die Stättigkeit rezipierten Juden erlaubt ist, sich verbal<br />

gegen die Baumeister vergehe etc. Der Streit dauerte etliche Jahre und die von<br />

Bing geplante Hochzeit mit einer franz. Anverwandten kann nicht vollzogen<br />

werden. Bing wendet sich daher 1761 an den französischen Leutnant Compte<br />

François de Thoranc 1 , der befiehlt, dass er heiraten dürfe und aufgenommen<br />

werden müsse. Die Baumeister wenden sich an den Magistrat und bitten um<br />

obrigkeitliche Hilfe, auch Bing tut dies zeitgleich. Thoranc gibt den Vorgang<br />

an den Magistrat ab, es kommt zur Klageerhebung und die Gemeindeleitung<br />

fürchtet, sie würde gezwungen, Bing aufzunehmen. Sie reicht daher noch im<br />

selben Jahr eine Supplik gegen die magistratische Verfügung beim RHR ein.<br />

Der Reichshofrat erlässt ein Reskript um Bericht mit Temporalinhibition.<br />

Dennoch erlässt der Magistrat eine weitere Verordnung, dass die Baumeister<br />

keinen Bann gegen ihn verhängen dürfen. Nachdem Bingen auswärts geheiratet<br />

hat, kommt seine Frau mit einem Knaben nieder, dem die Baumeister<br />

nun die Beschneidung verwehren. Auch ein Bruder Bingens Salomon Juda ist<br />

betroffen, da die Baumeister ihm die Hochzeit mit der Witwe Gans untersagen,<br />

weil sich die Familie gegen die Baumeister vergangen hätte. Der Magistrat<br />

entscheidet wiederum zugunsten der Familie Bingen, worauf die Baumeister<br />

1762 zusätzlich appellieren, denn der Magistrat greife hier pendente lite und<br />

unrechtmäßig in jüdische Zeremonialangelegenheiten ein.<br />

Es ergeht 1764 ein kaiserliches Reskript mit Verwarnung ob der Nichteinhaltung<br />

der Temporalinhibition und eine erneute Aufforderung um Bericht. Der<br />

Prozess bleibt auf dem Bericht des Magistrats liegen.<br />

1<br />

François de Théas Compte de Thoranc (1719–1794) – Statthalter des franz.<br />

Königs in Frankfurt, 1761/62 zuständig für zivilrechtliche Belange der franz.<br />

Besatzungstruppen während der französischen Belagerung Frankfurts a.M.<br />

aufgrund des 7-jährigen Krieges 1759–62. Er residierte während dieser Zeit<br />

zwei Jahre im Hause Goethe.<br />

Grotefend, Hermann: Der Koenigsleutnant Graf Thoranc in Frankfurt<br />

am Main. Aktenstücke über die Besetzung der Stadt durch die Franzosen<br />

1759–1762, Frankfurt 1904.<br />

Schubart, Martin: Francois de Theás Compte de Thoranc, Goethes Königslieutenant,<br />

München 1896.<br />

363


F5 Bingen Stättigkeit II<br />

Fallnummer 5<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur K 2135<br />

Kurzbezeichnung Bingen Stättigkeit II<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Jüdische Baumeister zu Frankfurt<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die Baumeister Sußel Mayer Juda,<br />

Löser Leiter (77)<br />

Baumeister laut Legitimatio 1754: „Seligmann Lazarus Oppenheimer, Herz<br />

Michael Flörsheim, Nathan Meyer Urschel, Susel Mayer Juda, Meyer Herz<br />

Welsch, Mayer Wormbs, Löser Leiter, Gabriel Worms, Ahron David Flesch,<br />

Abraham Isaac Stiebel“ (44–54)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellation wird eingereicht durch kaiserlichen Notar Ff: Johannes Philipp<br />

Christian Lange (92), Zeugen: „Johannes Würtz, Bürger und Scribent, Johann<br />

Friedrich Förster, Bürger und Schneidermeister“ (85, 92), Älterer Bürgermeister:<br />

Johann Friedrich von Uffenbach (85, 86)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Rössing no[min]e der<br />

im Monath stehenden Bau Meistere Nahmens der gemeinen Judenschaft“ (94)<br />

(2) Beklagter (BK) Juda Michael Bingen, Schutz-Juden zu Franckfurth, et filium Moses Bingen,<br />

nec non Amplissimum Magistratum Francofurtensem<br />

(2) Beteiligte Personen Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Stollweg, no[min]e der<br />

beyden jezo wohlregierenden H[errn] Bürger Meistern […] no[min]e Juda<br />

Michael Bing, Schuz Judens allhier“ (99, 100)<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Johann Heinrich von Middelburg, Substitut: Johann Christoph Bissing<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

06.09.1754<br />

(4) RHR Agent BK Syndicus Albrecht Theodor Moll<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Ab 1765 Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung<br />

Edler von Steeb, Gschl. 464, 465)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

364


(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

07/1761–12/1782<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1761<br />

Verfahrensende 1765<br />

Prozessdauer<br />

4 Jahre<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 12<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Keine Quadr., Bericht Mag. fol. 1–52, Anlagen fol. 1–25<br />

Neupaginierung 1–500<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Rescripti, die Eindringung des letzteren in die Stättigkeit/ Appellationis ad<br />

causam Rescripti, die Eindringung des letzteren in die Stättigkeit betr.<br />

Reskriptprozess, dann Appellationsprozess<br />

1. Instanz François de Théas Compte de Thoranc (Statthalter des franz. Königs in Frankfurt,<br />

1761/62 zuständig für zivilrechtliche Belange der franz. Besatzungstruppen),<br />

Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

(Qdr. 8), S. 121, 122<br />

(Qdr. 8), S. 124<br />

Beschwerde Bing bei Stadthauptmann<br />

Friederich Antoni wg. Bannanlegung,<br />

Befehl des franz. Leutnants de Thoranc,<br />

die Baumeister mögen sich öffentlich<br />

vor ihm darüber verantworten<br />

Erneuter Befehl des franz. Leutnants<br />

de Thoranc, die Baumeister mögen sich<br />

noch gleichen Tags öffentlich vor ihm<br />

darüber verantworten<br />

05.10.1761<br />

07.10.1761<br />

(Qdr. 8), S. 123, 124 Beschwerde Bing bei Schöffenrat 07.10.1761<br />

(Qdr. 8), Anl. E,<br />

S. 170–173<br />

(Qdr. 8), Anl. G,<br />

S. 181<br />

(Qdr. 8), Anl. H,<br />

S. 181, 182<br />

(Qdr. 8), Anl. J,<br />

S. 182, 183<br />

(Qdr. 8), Anl. K,<br />

S. 184<br />

(Qdr. 8), Anl. N,<br />

S. 185–188<br />

Vorstellung der Baumeister beim<br />

Schöffenrat mit Bitte um Remedium in<br />

dieser Sache<br />

16.10.1761<br />

Gegenvorstellung Bing bei Schöffenrat 16.10.1761<br />

Dekret Schöffenrat – Einsetzung einer<br />

ex officio Deputation für den 20.10.<br />

Baumeister – Abwesenheitsentschuldigung<br />

wegen Kürze der Zeit<br />

Dekret Schöffenrat – Vorbringen der<br />

schriftlichen Vorstellung der Baumeister<br />

binnen einer Woche<br />

19.10.1761<br />

23.10.1761<br />

26.10.1761<br />

Vorstellung Baumeister 02.11.1761<br />

365


(Qdr. 8), Anl. L, S.<br />

(Qdr. 8), Anl. M, S.<br />

(Qdr. 8), Anl. O,<br />

S. 189–192<br />

Dekret Schöffenrat – Ablehnung der<br />

Baumeisterlichen Klage<br />

Dekret Schöffenrat – Ablehnung der<br />

Baumeisterlichen Klage<br />

04.10.1761<br />

09.10.1761<br />

Vorstellung Baumeister 02.11.1761<br />

(Qdr. 1), S. 1–21 Supplikeinreichung 12.11.1761<br />

(Qdr. 8), Anl. P,<br />

S. 192–196<br />

(Qdr. 8),<br />

S. 64, 65, 80–82<br />

Vorstellung Baumeister 16.11.1761<br />

Dekret Schöffenrat – Anweisung, der<br />

Beschneidung Moses Juda Bingen Sohn<br />

nichts weiter in den Weg zu legen und<br />

Verbot des Bannes bei widrigenfalls<br />

Strafe von 100 Rthl.<br />

03.12.1761<br />

(Qdr. 8), S. 75–103 Appellationseinreichung 03.12.1762<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

(Qdr. 1), S. 1–21 HK – Supplik um Reskript 12.11.1761<br />

(Qdr. 2), S. 22–25 HK – Nachtrag Exhibitum 27.11.1761<br />

(Qdr. 3), S. 26, 27<br />

RHR – Reskript um Bericht mit Temporalinhibition<br />

15.03.1762<br />

(Qdr. 4), S. 28–32 BK – Terminverschiebung Bericht 07.06.1762<br />

(Qdr. 5), S. 33–43<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Bericht<br />

11.06.1762<br />

(Qdr. 6), S. 44–54 HK – Legitimatio ad acta 11.06.1762<br />

(Qdr. 7), S. 55–60 HK – Nachtrag Exhibitum 27.06.1763<br />

(Qdr. 8), S. 61–363 HK – Appellationseinreichung 20.01.1763<br />

(Qdr. 9), S. 364<br />

(Qdr. 10), S. 365–377<br />

RHR – Reskript – Verwarnung wegen<br />

Nichteinhaltung der Temporalinhibition<br />

sowie ernstliche Anweisung zur<br />

Erstattung des geforderten Berichts<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Bericht<br />

09.01.1764<br />

13.04.1764<br />

(Qdr. 11), S. 378–386 BK – Terminverschiebung Bericht 13.04.1764<br />

(Qdr. 12), S. 387–397 BK – Terminverschiebung Bericht 10.09.1764<br />

(Qdr. 13), S. 398–500 BK – Bericht 07.01.1765<br />

(1) HK Eingaben 7<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 4<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

-<br />

2<br />

3<br />

366


(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 2<br />

Form RHR Erlasse<br />

-<br />

Reskripte<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Gemeindemitgliedschaft, Bann<br />

Die Baumeister verweigern Moses Bingen die Stättigkeit, weil er anscheinend<br />

unverheirateter Weise 1756 die nachgelassene Tochter Bräunle des Jacob<br />

Isaac Speyers geschwängert habe, dies aber nicht zugeben wolle, und ohnehin<br />

einen „bösen Lebenswandel“ führe, mit Mantel und Kragen in die Synagoge<br />

käme, was nur in die Stättigkeit rezipierten Juden erlaubt ist, sich verbal<br />

gegen die Baumeister vergehe etc. Der Streit dauerte etliche Jahre und die von<br />

Bing geplante Hochzeit mit einer franz. Anverwandten kann nicht vollzogen<br />

werden. Bing wendet sich daher 1761 an den französischen Leutnant Compte<br />

François de Thoranc 1 , der befiehlt, dass er heiraten dürfe und aufgenommen<br />

werden müsse. Die Baumeister wenden sich an den Magistrat und bitten um<br />

obrigkeitliche Hilfe, auch Bing tut dies zeitgleich. Thoranc gibt den Vorgang<br />

an den Magistrat ab, es kommt zur Klageerhebung und die Gemeindeleitung<br />

fürchtet, sie würde gezwungen, Bing aufzunehmen. Sie reicht daher noch im<br />

selben Jahr eine Supplik gegen die magistratische Verfügung beim RHR ein.<br />

Der Reichshofrat erlässt ein Reskript um Bericht mit Temporalinhibition.<br />

Dennoch erlässt der Magistrat eine weitere Verordnung, dass die Baumeister<br />

keinen Bann gegen ihn verhängen dürfen. Nachdem Bingen auswärts geheiratet<br />

hat, kommt seine Frau mit einem Knaben nieder, dem die Baumeister<br />

nun die Beschneidung verwehren. Auch ein Bruder Bingens Salomon Juda ist<br />

betroffen, da die Baumeister ihm die Hochzeit mit der Witwe Gans untersagen,<br />

weil sich die Familie gegen die Baumeister vergangen hätte. Der Magistrat<br />

entscheidet wiederum zugunsten der Familie Bingen, worauf die Baumeister<br />

1762 zusätzlich appellieren, denn der Magistrat greife hier pendente lite und<br />

unrechtmäßig in jüdische Zeremonialangelegenheiten ein.<br />

Es ergeht 1764 ein kaiserliches Reskript mit Verwarnung ob der Nichteinhaltung<br />

der Temporalinhibition und eine erneute Aufforderung um Bericht. Der<br />

Prozess bleibt auf dem Bericht des Magistrats liegen.<br />

Mit diesem Fall in Verbindung steht wohl auch das Appellationsverfahren<br />

Süßel Mayer Juda contra Schöffenrat und Meyer Bing, 1756, in Verbindung,<br />

das sich im Bestand HHStA, RHR Denegata recentiora K 374/13 befindet.<br />

1<br />

François de Théas Compte de Thoranc (1719–1794) – Statthalter des franz.<br />

Königs in Frankfurt, 1761/62 zuständig für zivilrechtliche Belange der franz.<br />

Besatzungstruppen während der französischen Belagerung Frankfurts a.M.<br />

aufgrund des 7jährigen Krieges 1759–62. Er residierte während dieser Zeit<br />

zwei Jahre im Hause Goethe.<br />

Grotefend, Hermann: Der Koenigsleutnant Graf Thoranc in Frankfurt<br />

am Main. Aktenstücke über die Besetzung der Stadt durch die Franzosen<br />

1759–1762, Frankfurt 1904.<br />

Schubart, Martin: Francois de Theás Compte de Thoranc, Goethes Königslieutenant,<br />

München 1896.<br />

367


F6 Nachsteuer<br />

Fallnummer 6<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur K 2138<br />

Kurzbezeichnung Nachsteuer<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Baumeister und Vorsteher gemeiner Judenschafft zu Franckfurth am Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird im Namen der Gemeinde eingereicht durch die Baumeister<br />

Michael Flörsheim, Aaron David Flesch (25, 29, 36, 39)<br />

Baumeister laut Legitimatio 1754: „Seeligmann Lazarus Oppenheimer, Herz<br />

Michael Flörsheim, Nathan Meyer Urschel, Sußel Mayer Juda, Meyer Herz<br />

Welsch, Meyer Worms, Löser Leiter, Aaron David Flesch, Abraham Isaac<br />

Stiebel“ (74, 79)<br />

Baumeister laut Legitimatio 1790: „Abraham Shnapper, Joseph Hirsch Gundersheim,<br />

Abraham Davidt Wimpfe, Michael Aaron May, Samuel Seeligman<br />

Stiebel, Abraham Moyses Braunschweig//, Salomon Seelig Haas, Gumpel Lob<br />

Isaac zur Kann, Salomon Wolff Bingoff, Samuel Säckel Landau, Isaac Moyseß<br />

Beyfus, Isaac Lemle Schuster“ (395, 397)<br />

Baumeister laut Legitimatio 1796: „Joseph Hirsch Gundersheim, Gumpel Löb<br />

Isaac zur Kann, Salomon Wolff Bingoff, Samuel Säckel Landau, Isaac Löw Beer,<br />

D.M. Fulda, Zacharias Isaac Wertheimber,// Feist Franck, Mayer Nath. Maas,<br />

Levin Mach. Goldschmidt, Josephenich Bamberg, Beer Abraham Stiebel“ (463)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung: Ff kaiserlicher Notar: Johann Jacob Diel (41), Zeugen:<br />

Simon Rabler, Johannes Hoffmann (41)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Hempel nomine derer<br />

Jüdischen Baumeister […]“ (43)<br />

(2) Beklagter (BK) Einen hochedlen Rath daselbst (Magistrat)<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Johann Heinrich von Middelburg, Substitut: Johann Christoph Bissing<br />

Ab 1790 Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Philipp Maria Götz<br />

Ab 1796 Philipp Maria Götz, Substitut: Carl von Zelling<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

Middleburg/ Bissing: 06.09.1754<br />

Gretzmüller/ Götz: 10.11.1790<br />

Götz/ Zelling: 14.03.1796<br />

(4) RHR Agent BK Ff Syndicus Albrecht Theodor Moll, ab 1783 Johann Jacob Bittner, ab 1796<br />

David Heinrich Gottfried von Pilgram, Substitut: Johann Andras Hinrich von<br />

Fabrice<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

Pilgram/ Fabrice: 24.05.1796<br />

368


(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Unklar (weil keine Verhandlungstermine 1765–90, damit keine Einträge in<br />

Prot. res.)<br />

(5) RHR Bank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1764<br />

Verfahrensende 1797<br />

Prozessdauer 33 Jahre (aktive Prozessjahre: 13)<br />

Zeitliche Lücken 1766–1770, 1772–1780, 1782, 1784–1787, 1789, 1792, 1793, 1795<br />

Anzahl Aktenstücke 47<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–15<br />

Neupaginierung 1–688<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis die jährliche Schatzung und Nachsteuer von denen legatis für die<br />

Jüdische Armen betr.<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schatzungsamt, Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, Anl. 1, S. 8, 9<br />

Qdr. 1, Anl. 2. S. 9–19<br />

Qdr. 1, Anl. 3,<br />

S. 20–22<br />

Resolution Schatzungsamt – die<br />

Judenschaft habe vom Ochsischen Stiftungshaus<br />

Schatzungspraestanda und<br />

den 10. Pfenning abzuleisten<br />

Gegenvorstellung Baumeister beim<br />

Schatzungsamt<br />

Dekret Schöffenrat – Bestätigung des<br />

Dekrets vom 24.10.<br />

24.08.1761,<br />

insin. am<br />

24.08.1763<br />

(!)<br />

o.D.<br />

(zw. 25.–<br />

20.9.1763)<br />

20.09.1763,<br />

ins.<br />

26.09.1763<br />

Qdr. 1, Anl. Appellationseinreichung 06. und<br />

28.10.1763<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, S. 1–58<br />

HK – Introductio appellationis und<br />

Libell. grav., Rescript de tollendo<br />

gravamina<br />

30.01.1764<br />

369


n.n., S. 59–61 Kurzrelatio Ita concl.<br />

20.02.1764<br />

Qdr. 2, S. 62–63 RHR – Reskript um Bericht 20.02.1764,<br />

zahlt<br />

Middleburg<br />

28.05.<br />

(Qdr. 3, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 20.02.1764<br />

Qdr. 3, S. 64–68 BK – Terminverschiebung 28.07.1764<br />

Qdr. 4, S. 69–82 HK – Legitimatio ad acta 03.08.1764<br />

Qdr. 5, S. 83–90<br />

Qdr. 6, S. 91–226<br />

Qdr. 7, S. 227–232<br />

Qdr. 8, S. 233–238<br />

Qdr. 9, S. 239–244<br />

Qdr. 10, S. 245–251<br />

HK Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung<br />

BK – Bericht (Fol. 1–50, Anlagen Fol.<br />

1–18)<br />

BK – Antrag auf Abschlagung der<br />

Appell.sache<br />

BK – Antrag auf Abschlagung der<br />

Appell.sache<br />

BK – Antrag auf Abschlagung der<br />

Appell.sache<br />

BK – Antrag auf Abschlagung der<br />

Appell.sache<br />

03.08.1764<br />

Sub dato<br />

22. et praes.<br />

30.01.1765<br />

28.02.1771<br />

22.06.1780<br />

17.02.1783<br />

08.04.1788<br />

(Qdr. 11, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 25.01.1790<br />

Qdr. 11, S. 252–375 HK – Gegenbericht I 25.10.1790<br />

Qdr. 12, S. 376–387 HK – Gegenbericht II 25.10.1790<br />

Qdr. 13, S. 388–399 HK – Legitimatio ad acta 25.10.1790<br />

Qdr. 14, S. 400–406 BK – Terminmahnung Gegenbericht 25.02.1791<br />

Qdr. 15, S. 407–416 HK – Nachtrag Reinformatoriales 14.10.1791<br />

(Qdr. 16), S. 417–422 BK – Terminmahnung Gegenbericht 28.08.1794<br />

(Qdr. 17), S. 423–429 BK – Terminmahnung Gegenbericht 22.12.1794<br />

(Qdr. 18), S. 430–434<br />

RHR – 2 Reskripte an den Mag. Ff:<br />

Einreichung Bericht bezügl. Gegenbericht<br />

und unverzügliche Verabfolgung<br />

der eingezogenen Gelder an die<br />

Kastenmeister bis zur Entscheidung der<br />

RHR-Prozesse<br />

25.02.1796<br />

(Qdr. 19, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 25.02.1796<br />

(Qdr. 19), S. 435–440 BK – Terminverschiebung excipiendum 23.05.1796<br />

(Qdr. 20), S. 441–451 HK – Insinuationsbescheid 09.06.1796<br />

(Qdr. 21), S. 452–457 HK – Insinuationsbescheid 09.06.1796<br />

(Qdr. 22), S. 458–465 HK – Legitimatio ad acta 09.06.1796<br />

(Qdr. 23), S. 466–469 HK – Renuntiatio Patrocinii 10.06.1796<br />

370


(Qdr. 24), S. 470–475 BK – Terminverschiebung excipiendum 13.06.1796<br />

(Qdr. 25), S. 476–481 BK – Legitimatio ad acta 13.06.1796<br />

(Qdr. 27, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 16.06.1796<br />

(Qdr. 26), S. 482–485 BK – Insinuationsbescheid 16.08.1796<br />

(Qdr. 27), S. 486–492 BK – Terminverschiebung excipiendum 16.08.1796<br />

(Qdr. 28), S. 493–496 BK – Terminverschiebung producenda 16.08.1796<br />

(Qdr. 29), S. 497–500 HK – accusatio mora 18.08.1796<br />

(Qdr. 30), S. 501–509 HK – Terminmahnung exceptionibus 18.08.1796<br />

(Qdr. 31), S. 510–515 HK – Insinuationsbescheid Mandati 18.08.1796<br />

(Qdr. 32, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 20.10.1796<br />

(Qdr. 32), S. 516–519 HK – Terminmahnung exceptionibus 20.12.1796<br />

(Qdr. 33), S. 520–523 HK – Terminmahnung exceptionibus 20.12.1796<br />

(Qdr. 34), S. 524–529 BK – Terminverschiebung excipiendum 20.12.1796<br />

(Qdr. 35), S. 530–533 BK – Terminverschiebung excipiendum 20.12.1796<br />

(Qdr. 36, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 07.01.1797<br />

(Qdr. 36), S. 534–539 BK – Terminverschiebung excipiendum 07.03.1797<br />

(Qdr. 37), S. 540–543 HK – Terminmahnung exceptionibus 07.03.1797<br />

(Qdr. 38), S. 544–549 HK – Terminmahnung 07.03.1797<br />

(Qdr. 39), S. 550–570 BK – Paritionsanzeige ad rescriptum 07.03.1797<br />

(Qdr. 40, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 28.03.1797<br />

(Qdr. 40), S. 571–578 BK – Terminverschiebung excipiendum 29.03.1797<br />

(Qdr. 41), S. 579–584 HK – Terminmahnung exceptionibus 01.06.1797<br />

(Qdr. 42), S. 585–591<br />

BK – Insinuationsbescheid Paritionsanzeige<br />

19.06.1797<br />

(Qdr. 43, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 26.06.1797<br />

(Qdr. 43), S. 592–602 BK – Vergleichsanzeige ad acta 31.07.1797<br />

(Qdr. 44, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 04.08.1797<br />

(Qdr. 44), S. 603–609 BK – Insinuationsbescheid exhibiti 22.08.1797<br />

(Qdr. 45), S. 610–617 HK – Vergleichsanzeige ad acta 28.08.1797<br />

(Qdr. 46), S. 618–688<br />

Relation<br />

(1) HK Eingaben 20<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 23<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 11<br />

0<br />

7<br />

9<br />

3<br />

371


Form RHR Erlasse<br />

Reskripte, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Abgaben städtisch<br />

Der verstorbene Jacob Ochs hat seine Hinterlassenschaft von 2000 Rhtl. einer<br />

Armenstiftung hinterlassen. Der Magistrat möchte von dieser Summe die<br />

Schätzungpraestanda bzw. den 10. Pfennig abziehen, wogegen die Baumeister,<br />

nach abschlägigem Bescheid des Rats, 1763 beim RHR appellieren. Sie<br />

argumentieren, dass jüdische den christlichen Stiftungen gleichzustellen seien<br />

und bei Spenden für das Allgemeinwohl, in diesem Fall für die Armen, nichts<br />

abgezogen werden dürfe. Man vergleicht sich letztlich, so dass die jüdischen<br />

Stiftungen jährlich eine pauschale Schatzungssumme von 75 fl. an den Magistrat<br />

zahlen.<br />

372


F7 Bamberger<br />

Fallnummer 7<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur K 2135, 2136<br />

Kurzbezeichnung Bamberger<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Baumeister gemeiner Judenschafft zu Franckfurth am Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen Die 1. Eventualappellation wird im Namen der Gemeinde eingereicht durch<br />

die Baumeister „Michael Flörsheim, Löser Leiter“ (37)<br />

Die 2. Eventualappellation wird im Namen der Gemeinde eingereicht durch<br />

die Baumeister „Mayer Hertz Welsch, Abraham Schnapper“ (52, 55)<br />

1. Appellationseinreichung wird im Namen der Gemeinde eingereicht durch<br />

die Baumeister „Herz Michael Flörsheim, Hertz Joseph Schiff “ (67, 83, 87)<br />

2. Appellationseinreichung wird im Namen der Gemeinde eingereicht durch<br />

die Baumeister „Hertz Michael Flersheim, Juda Michel Bing“ (672, 676, 678)<br />

Baumeister laut Legitimation 1765: „Löw Isaac Scheuer, Hertz Michael Flersheim,<br />

Sußel Mayer Juda, Meyer Hertz Welsch, Lößer Leiter, Nathan Aaron<br />

Wetzlar// Hertz Joseph Schiff, Samuel Nathan Schuster, Löw Isaac zur Kanne,<br />

Abraham Schnapper, Juda Michel Bing, Joseph Hirsch Gundersheim“ (157,<br />

161)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

1. Eventualappellationseinreichung: Ff kaiserlicher Notar: Johann Georg<br />

Eybinger (43), Zeugen: Carl Maximilian Stöpler, Bürger und Notar, Jost David<br />

Rhode, Bürger und Stadtkanzleibote (38, 43), Älterer Herr Bürgermeister: Hieronymus<br />

Maximilian von Glauburg (39).<br />

2. Eventualappellationseinreichung: Ff kaiserlicher Notar: Johann Georg<br />

Eybinger (62), Zeugen: „Christian Binder, Bürger und Scribent, Jost David<br />

Rhode, Bürger und Stadtkanzleibote“ (60, 62), Älterer Herr Bürgermeister:<br />

Hieronymus Maximilian von Glauburg (61).<br />

1. Appellationseinreichung: Ff kaiserlicher Notar: Johann Georg Eybinger (62,<br />

78, 90), Zeugen: „Christian Binder, Bürger und Scribent, Jost David Rhode,<br />

Bürger und Stadtkanzleibote“ (74, 78, 87, 90) Älterer Herr Bürgermeister:<br />

Hieronymus Maximilian von Glauburg (74)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Rößing nomine derer<br />

dermalen im Monath stehenden Jüdischen Baumeistere […]“ (100)<br />

2. Appellationseinreichung: Ff kaiserlicher Notar: Karl Maximilian Stoepler<br />

(680), Zeugen: „Johann Philipp Göltz, Notar, Johann Jacob Diel, Georg Philipp<br />

Hacker, Notar“ (680), Älterer Herr Bürgermeister: Johann Philipp von Heyden<br />

(677)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Hempel no[min]e<br />

Hertz Michael Flörsheim und Juda Michael Bing […]“ (682)<br />

(2) Beklagter (BK) Der dasige löbl. Schöffen Rath (BK1) und Lämle Löw Bamberger (BK2)<br />

(2) Beteiligte Personen Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Hempel no[min]e des<br />

Juden Lemle Löw Bamberger […]“ (102)<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Gottlieb Lyncker, Substitut: Joachim Gottlieb von Fabrice<br />

373


(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

02.07.1765<br />

(4) RHR Agent BK BK 1: Ff Syndicus Albrecht Theodor Moll<br />

BK 2: Johann Christoph Edler von Bissing<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb, Gschl. 464, 465)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

07/1761–12/1782<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1765<br />

Verfahrensende 1770<br />

Prozessdauer<br />

5 Jahre<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 28<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. K 2135 1–11, K 2136 1–3<br />

Neupaginierung 1–1068<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellation 1mae, Appellation 2ndae<br />

Appellationsprozesse<br />

1. Instanz Bürgermeisteraudienz, Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

(K 2135) Qdr. 1,<br />

S. 3–7<br />

(K 2135) Qdr. 1,<br />

S. 8/ Qdr. 7, Anl. 7,<br />

S. 270, 271, Anl. 8,<br />

S. 273<br />

Vorprozess bei Bürgermeisterlicher<br />

Audienz und Schöffenrat: Bamberger<br />

contra Flörsheim Kinder Vormünder in<br />

puncto Sachwalterschaft des Flörsheimischen<br />

Hauses, Einsetzung einer Deputation,<br />

letztlich Vergleich – Bamberger<br />

darf selbst im Haus wohnen bleiben<br />

Bittschrift Baumeister – mit der<br />

Einsetzung des Bambergers in das<br />

Flörsheimische Haus sei eine Aufdringung<br />

desselben in die Stättigkeit zu<br />

befürchten<br />

o.D.<br />

07.06.1765<br />

374


(K 2135) Qdr. 1,<br />

Anl. A, S. 28<br />

(K 2135) Qdr. 1,<br />

Anl. B, S. 29–45<br />

(K 2135) Qdr. 8,<br />

Anl. 9, S. 273–275<br />

(K 2135) Qdr. 1,<br />

Anl. C., S. 46–63<br />

(K 2135) Qdr. 1,<br />

S. 10, 11/ Qdr. 8,<br />

Anl. 9, S. 276<br />

(K 2135) Qdr. 1,<br />

Anl. D, S. 64–140<br />

(K 2136), Qdr, 1,<br />

Anl. A, S. 674, 675<br />

(K 2136), Qdr, 1,<br />

Anl. A und B,<br />

S. 671–681<br />

Provisorisches Dekret Schöffenrat<br />

– Herausgabe der Schlüssel für das<br />

Flörsheimische Haus an Oppenheimer<br />

von Baumeister, dem provisorie die<br />

Verwaltung und Anmietung gestattet<br />

wird, wenngleich daraus kein Praejudiz<br />

für die Sache Baumeister ctr. Bamberger<br />

in pto Stättigkeit folgere<br />

12.06.1765<br />

1. Eventualappellation 14.06.1765<br />

Eingabe Baumeister 05.07.1765<br />

2. Eventualappellation 05.07.1765<br />

Dekret Schöffenrat – Anweisung zur<br />

Einsetzung des Bambergers in das<br />

Flörsheimische Haus<br />

19.07.1765<br />

1. Appellationseinreichung 22.07. und<br />

02.08.1765<br />

Dekret Schöffenrat – Sententia definitiva:<br />

Bamberger sei für rezeptionsfähig<br />

zu erachten und bei nächster Gelegenheit<br />

dafür zu präsentieren, jegliche<br />

Baumeisterliche Hindernisse bezügl.<br />

Synagogenbesuchs desselben mit seiner<br />

Frau sei bei Strafe zu unterlassen<br />

18.05.1768,<br />

ins.<br />

20.05.1768<br />

2. Appellationseinreichung 26.05.1768<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

(K 2135) Appellationis<br />

1mae<br />

Qdr. 1, S. 1– 140 HK – Appellationsschrift 21.10.1765<br />

Qdr. 2, S. 141, 142 RHR – Reskript um Bericht 17.01.1766<br />

(Qdr. 3, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 17.01.1766<br />

Qdr. 3, S. 143–151 HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Bericht<br />

21.04.1766<br />

Qdr. 4, S. 152–163 HK – Legitimatio ad acta 21.04.1766<br />

Qdr. 5, S. 164–168 BK 1 – Terminverschiebung Bericht 21.04.1766<br />

(Qdr. 6, Anl. L) RHR – Ultimum Conclusum 28.04.1766<br />

Qdr. 6, S. 169–175 HK – Terminmahnung Bericht 30.06.1766<br />

Qdr. 7, S. 176–296 BK 2 – Bericht 30.06.1766<br />

(Qdr. 8, Anl. M) RHR – Ultimum Conclusum 07.07.1766<br />

Qdr. 8, S. 297–303 HK – Terminmahnung Bericht BK1 15.09.1766<br />

(n.n., Anl. A) RHR – Ultimum Conclusum 22.09.1766<br />

n.n., S. 304–308<br />

RHR – Fiscal bestätigt Zahlung der<br />

Strafe BK<br />

04.10.1766<br />

375


Qdr. 9, S. 309–315 BK 1 – Terminverschiebung Bericht 16.10.1766<br />

(Qdr. 10, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 20.10.1766<br />

Qdr. 10, S. 316–322 HK – Terminmahnung Bericht BK1 22.12.1766<br />

Qdr. 11, S. 323–328 BK 1 – Terminverschiebung Bericht 22.12.1766<br />

(Qdr. 13, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 22.12.1766<br />

(Qdr. 12), S. 329–398<br />

BK 1 – Bericht (Fol. 1–28, Anl. Fol.<br />

1–7)<br />

Sub dato<br />

16. et<br />

Praes.<br />

24.12.1766<br />

(Qdr. 13), S. 399–404 HK – Terminmahnung Bericht BK 1 22.01.1767<br />

(Qdr. 14, Anl.)<br />

RHR – Ultimum Conclusum – Mag.<br />

müsse das erstinstanzliche Verfahren<br />

bald möglichst offiziell beenden, da<br />

noch immer die Provisorische Entscheidung<br />

gelte<br />

03.08.1767<br />

(Qdr. 14), S. 405–411 BK 1 – Terminmahnung Gegenbericht 05.10.1767<br />

(Qdr. 15), S. 412–418 HK – Terminverschiebung 22.10.1767<br />

(Qdr. 16, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 09.11.1767<br />

(Qdr. 16), S. 419–508 HK – Gegenbericht 07.01.1768<br />

(Qdr. 17), S. 509–513 BK 1 – Terminmahnung Gegenbericht 09.01.1768<br />

Relatio, S. 514–662<br />

Relatio<br />

(K 2136) Appellationis<br />

2ndae<br />

Qdr. 1, S. 663–686 HK – Appellationsschrift 22.06.1768<br />

(Qdr. 2), S. 687–710 BK 1 – Befolgungsbericht (Fol. 1–7,<br />

Anl. Fol. 1–4)<br />

De dato 08.<br />

et Praes.<br />

15.07.1768<br />

(Qdr. 3), S. 711–752 HK – Ausführung der Beschwerden 23.01.1769<br />

(Qdr. 4), S. 753–754 RHR – Reskript um Bericht 14.07.1769<br />

(Qdr. 5, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 14.07.1769<br />

(Qdr. 5), S. 755–759 BK 1 – Terminverschiebung 11.12.1769<br />

(Qdr. 6), S. 760–768 HK – Terminmahnung 11.12.1769<br />

(Qdr. 10, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 18.12.1769<br />

Qdr. 2 (7),<br />

S. 769–1048<br />

Qdr. 3 (8),<br />

S. 1050–1061<br />

(Qdr. 9),<br />

S. 1062–1067<br />

(Qdr. 10), S. 1068<br />

BK 1 – Bericht (Fol. 1–90) De dato 10.<br />

et Praes.<br />

29.01.1770<br />

BK 2 – Vorstellung 05.02.1770<br />

HK – Retradendo Exhibito et praesentato<br />

06.07.1770<br />

RHR – Rescriptum notificat, Prozesse<br />

werden abgeschlagen<br />

14.09.1770<br />

07.12.1770<br />

(1) HK Eingaben 13<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

1<br />

376


(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben BK 1: 9, BK 2: 2<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse<br />

Form RHR Erlasse<br />

5<br />

BK 1: 4, BK 2: 0<br />

BK 1: 2, BK 2: 0<br />

14 (1 RHR –Fiskal nicht mitgerechnet)<br />

Reskripte, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Gemeindemitgliedschaft, Bann<br />

Bamberger ist seit ca. 1740 in Frankfurt, hatte bei der Handelsraggion<br />

Amschel Herz und Söhne gearbeitet und sich mit der Tochter des damaligen<br />

Baumeisters Samuel Schuster verlobt. Aufgrund einer Kommissionsuntersuchung<br />

wegen Münzverbrechen der Handelsraggion war er ein Jahr im<br />

Gefängnis und hatte dort mit seiner Verlobten den Beischlaf antizipiert, wofür<br />

er eine Geldstrafe nach christlichem Recht, eine Schulstrafe (durfte die Schule<br />

nicht betreten und den Schabbatmantel nicht tragen) nach jüdischem Recht<br />

erhielt. Nach seinem Militärdienst in der Reichsarmee, wo er ausgezeichnet<br />

wurde, verlangt er, endlich in die Stättigkeit aufgenommen zu werden, aber die<br />

Baumeister verweigern ihm den Vorschlag zur Stättigkeit. Anfang der 1760er<br />

Jahre läuft vor dem Schöffenrat zudem ein Verfahren Bamberger contra die<br />

Vormünder der Flörsheimischen Kinder bezüglich der Sachwalterschaft der<br />

Flörsheimischen Häuser. Dieses wird mit einem Vergleich beendet, der es<br />

Bamberger erlaubt, die Verwaltung und Anmietung derselben zu betreiben.<br />

Dadurch erlangt Bamberger die Stättigkeitsvoraussetzung einer Wohnstätte<br />

in Frankfurt, wogegen sich die Baumeister an den Schöffenrat wenden, da<br />

ihnen dadurch als Unbeteiligten Nachteile entstehen würden. Der Schöffenrat<br />

erlässt lediglich ein Provisionaldekret, dass Bamberger das Wohnen in den<br />

Flörsheimischen Häusern erlaubt. Nach zwei Eventualappellationen reichen<br />

die Baumeister daraufhin 1765 Appellation am RHR gegen eine mögliche vom<br />

Magistrat erzwungene Gemeindemitgliedschaft des Bambergers ein. Auf Anweisung<br />

des Reichshofrats und obwohl die Appellation zu diesem Zeitpunkt<br />

bereits zwei Jahre anhängig ist, ergeht erst 1768 eine Endurteil des Schöffenrats<br />

in der ersten Instanz zugunsten Bambergers. Dagegen legen die Baumeister<br />

erneut eine zweite Appellation ein, die im selben Verfahren verhandelt wird,<br />

nach dem Bericht des Magistrats werden die Prozesse 1770 abgeschlagen.<br />

377


F8 Taschengeleit<br />

Fallnummer 8<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur K 2136<br />

Kurzbezeichnung Taschengeleit<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Baumeistere gemeiner Judenschafft zu Franckfurt am Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen Laut Mandato Lyncker 1767: „Löw Isaac Scheuer, Hertz Michael Flersheim,<br />

Süßel Mayer Juda, Meyer Hertz Welsch, Lößer Leiter, Nathan Aaron Wetzlar,<br />

// Hertz Joseph Schieff, Samuel Nathan Schuster, Löw Isaac zur Kant, Abraham<br />

Schnapper, Juda Michael Bing, Joseph Hirsch Gundersheim“ (70–84)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

(2) Beklagter (BK) Ihro Churfürstliche Gnaden zu Mayntz, dero Hoffcammer und Zoll-Beamte<br />

daselbst<br />

(2) Beteiligte Personen Laut Mandato 1767: Emmerich Joseph Churfürst<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Gottlieb Lyncker, Substitut: Joachim Gottlieb von Fabrice<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

02.07.1767<br />

(4) RHR Agent BK Gottfried Wallau, Substitut: Anton Vacano<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

14.04.1767<br />

(5) RHR Referent Münch (Franz Josef Freiherr von Münch-Belinghausen, Gschl. 467)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

1764 –1792<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1767<br />

Verfahrensende 1772<br />

378


Prozessdauer 5 Jahre (aktive Prozessjahre: 4)<br />

Zeitliche Lücken 1771<br />

Anzahl Aktenstücke 21<br />

Fol./ Pag./ Quadr. -<br />

Neupaginierung 1–211<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Rescripti s[ine] cl[ausula] das neu errichtete Taschen-geleit betr.<br />

Reskriptsprozess<br />

1. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

(Qdr. 1) S. 1–54 HK – Bitte um Reskript s.c. 16.01.1767<br />

S. 55–57 RHR – Reskript 26.01.1767<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 26.01.1767<br />

(Qdr. 2) S. 58–62 BK – Terminverschiebung 2 Monate ad<br />

prod. Receptiones<br />

12.05.1767<br />

(Qdr. 3) S. 63–70 HK – Legitimatio ad acta 12.05.1767<br />

(Qdr. 4) S. 71–78<br />

HK – Insinuationsbescheid und Terminmahnung<br />

Parition<br />

12.05.1767<br />

(Qdr. 7, Anl. O) RHR – Ultimum Conclusum 15.05.1767<br />

(Qdr. 5) S. 79–84 BK – Legitmatio ad acta 02.06.1767<br />

(Qdr. 6) S. 85–91 Wie Qdr. 5 02.06.1767<br />

(Qdr. 7) S. 92–97 HK –Terminmahnung Parition 17.07.1767<br />

(Qdr. 8, Anl. P) RHR – Ultimum Conclusum 20.07.1767<br />

(Qdr. 8) S. 98–105<br />

(Qdr. 9) S. 106–110<br />

HK – Insinuationsbescheid und Terminmahnung<br />

Exekution Reskript<br />

BK – Purgatio morae und Terminverschiebung<br />

2 Monate<br />

S. 111 RHR – Reskript paritorium in contumaciam<br />

28.07.1767<br />

27.09.1767<br />

28.09.1767<br />

(Qdr. 10, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 28.09.1767<br />

(Qdr. 10) S. 112–127 BK – Paritionsanzeige 11.01.1768<br />

(Qdr. 11, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 15.01.1768<br />

(Qdr. 11) S. 128–134<br />

BK – Insinuationsbescheid, Terminmahnung<br />

Parition der Kläger<br />

21.03.1768<br />

(Qdr. 12, Anl. O) RHR – Ultimum Conclusum 21.03.1768<br />

(Qdr. 12) S. 135–139 HK – Terminverschiebung 2 Monate 21.03.1768<br />

(Qdr. 13) S. 140–159<br />

HK – Gegenanzeige auf Parition des<br />

Beklagten<br />

02.05.1768<br />

(Qdr. 14, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 21.06.1769<br />

(Qdr. 14) S. 160–165<br />

HK – Anzeige des beharrlichen<br />

Ungehorsams des Beklagten, Bitte um<br />

Exekution des Reskripts<br />

04.09.1769<br />

379


(Qdr. 15, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 04.09.1769<br />

(Qdr. 15) S. 166–172<br />

HK – Anzeige des beharrlichen<br />

Ungehorsams des Beklagten, Bitte um<br />

Exekution des Reskripts<br />

14.10.1769<br />

(Qdr. 16, Anl.9 RHR – Ultimum Conclusum 20.11.1769<br />

(Qdr. 16) S. 173–179<br />

(Qdr. 17) S. 180–185<br />

HK – Anzeige des beharrlichen<br />

Ungehorsams des Beklagten, Bitte um<br />

Exekution des Reskripts<br />

BK – Bitte um Aufschub der Exekutionsentscheidung<br />

01.02.1770<br />

03.02.1770<br />

S. 186–188 RHR – Commissio ad exequendum 10.11.1772<br />

S. 189–211 Relatio<br />

(1) HK Eingaben 10<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 6<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 12<br />

Form RHR Erlasse<br />

1<br />

6<br />

3<br />

1<br />

Reskripte, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Abgaben fremd<br />

Kurmainz hat eine neue Auflage für Juden an den Zollstätten zu Wasser wie<br />

Land eingeführt: so müssen sie zu den üblichen 10 Kr nun auch ein Taschengeleit<br />

lösen, das zwischen 15 und 20 fl. kostet und nur für ein Jahr gilt, was<br />

vor allem zu Meßzeiten ein großes Problem darstellt. Es ergeht ein Mandat<br />

des Reichshofrats, das diese Verordnung kassiert. Mainz hält die Mandati sine<br />

clausula jedoch nicht ein, legt auch den geforderten Bericht nicht vor. In der<br />

Frankfurter Kaiserl. Reichs-Ober-Post-Amts-Zeitung wird die Verordnung<br />

1771 abgedruckt. Daraufhin wird vom Reichshofrat eine Exekutionskommission<br />

eingesetzt.<br />

Beilagen: Appellschrift, Anlage 2: Formular für die Taschengeleite, Anlage 3:<br />

das Avertissement in den Zeitungen, Anlage 5: Bittschrift der Baumeister<br />

(Isaac Scheuer, Abraham Schnapper) an den Mainzer Kurfürsten, ansonsten<br />

Bittschreiben um Aufhebung der Regelung an verschiedene Stellen in<br />

Kurmainz; Schreiben vom 27.7.1772, Anlage 19: Zeitungsausschnitt mit der<br />

Kurmainzischen Verordnung vom 23.9.1771<br />

Parallelfall HHStA, RHR, Decisa, K 2097, F3 „Ff Bürgermeister und Rat<br />

für die Judenschaft contra ChurMaynz und dero nachgesetzte Regierung<br />

und Hofkammer die jüdischen Taschengeleite betr.“, Laufzeit lauf Findbuch<br />

1767–1772.<br />

380


F9 Zucker-, Tee-, Kaffeehandel<br />

Fallnummer 9<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur K 2137<br />

Kurzbezeichnung Zucker-, Tee-, Kaffeehandel<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Baumeister gemeiner Judenschaft zu Frankfurt<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die Baumeister Hertz Michael Flersheim,<br />

Abraham Schnapper (8, 22, 32, 36)<br />

Baumeister laut Legitimatio 1765: „Löw Isaac Scheuer, Hertz Michael Flersheim,<br />

Sußel Mayer Juda, Meyer Hertz Welsch, Lößer Leiter, Nathan Aaron<br />

Wetzlar// Hertz Joseph Schieff, Samuel Nathan Schuster, Löb Isaac zur Kant,<br />

Abraham Schnapper, Juda Michael Bing, Joseph Hirsch Gundersheim“ (55, 59)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellation wird eingereicht durch kaiserlichen Notar Ff: Johann Philipp Göltz<br />

(9, 40), Zeugen: „Carl Maximilian Stöpler, Bürger und Notarius, Adolph Friedrich<br />

Ulbricht, Bürger und Scribent“ (23, 40), Älterer Bürgermeister: Friedrich<br />

Maximilian Bauer von Eyseneck (23, 28)<br />

(2) Beklagter (BK) Schöffenrat zu Frankfurt<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Gottlieb Lyncker, Substitut: Joachim Gottlieb von Fabrice<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

Lyncker: 02.07.1765<br />

(4) RHR Agent BK Ff Syndicus Albrecht Theodor Moll<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Kaunitz (Dominikus Andreas (II.) Reichsgraf von Kaunitz-Rittberg-Questenberg,<br />

Gschl. 469)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Kaunitz 1765–1775<br />

381


ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1767<br />

Verfahrensende 1768<br />

Prozessdauer<br />

1 Jahr<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 6<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr.<br />

Neupaginierung 1–167<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis, den neuerlich inhibiren wollenden Zuker, Thee und Caffé<br />

Verkauf betr.<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Rechneiamt, Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 6, Anl. 6,<br />

S. 133, 134<br />

Qdr. 6, Anl. 6,<br />

S. 134–142<br />

Qdr. 6, Anl. 6, S. 142<br />

Qdr. 6, Anl. 1,<br />

S. 121, 122<br />

Qdr. 1, Anl. A,<br />

S. 6–41<br />

Anzeige Rechneiamt –Uffenheimer<br />

unterhalte einen öffentlichen Spezerei-<br />

Laden im Gasthaus zum Stern auf der<br />

Fahrgasse, die Warenbestände seien<br />

vom Rechneiamt untersucht worden<br />

und verschiedene Fässer „Candit<br />

Kistger und eine Parthie Zuckerhüt“<br />

gefunden worden<br />

Protokoll der Befragungen des Gabriel<br />

Uffenheimer, dann des Warenmaklers<br />

Johann Balthasar Rath als Käufer, sowie<br />

Löws, der Knecht des Uffenheimer auf<br />

dem Rechneiamt<br />

Erlass des Rechneiamts – Uffenheimer<br />

werde der Handel mit Spezereien zukünftig<br />

außerhalb der Gasse untersagt,<br />

auch in der Gasse dürfe er solche nur<br />

noch bei geschlossenem Laden handeln<br />

Schöffenratsdekret – den Juden werde<br />

der Handel mit Kaffee, Tee und Zucker<br />

verboten, die Uffenheimerischen<br />

Bestände werden versteigert, ihm zwar<br />

die Erlössumme ausgezahlt, jedoch bei<br />

Abzug von 50fl. Strafe<br />

13.07.1764<br />

16.07.1764,<br />

30.05.1765,<br />

14.06.1765<br />

14.06.1765<br />

09.09.1767<br />

Appellationseinreichung 10.09.1767<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, S. 1–42<br />

HK Introductio Appellationis, Bitte um<br />

Temporalinhibition und Terminverlängerung<br />

ad producendam libell. grav.<br />

04.11.1767<br />

Qdr. 2, S. 43–45 HK Bitte um Protokollextrakt 06.11.1767<br />

382


(Qdr. 3, S. 49) RHR Ultimum Conclusum 14.12.1767<br />

Qdr. 3, S. 46–49<br />

HK Lyncker Terminverschiebung<br />

Libell. grav.<br />

12.02.1768<br />

Qdr. 4, S. 50–61 HK Lyncker Legitimatio ad acta 12.02.1768<br />

Qdr. 5, S. 62–65 BK Moll Terminmahnung Libell. grav. 19.02.1768<br />

Qdr. 6, S. 66–167 HK Libell. grav. 07.03.1768<br />

(1) HK Eingaben 5<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 1<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 1<br />

Form RHR Erlasse<br />

1<br />

0<br />

1<br />

0<br />

Ultimum Conclusum<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Handel<br />

Dem Händler Gabriel Uffenheim wurde vom Schöffenrat sein Handel mit<br />

Zucker, Tee und Kaffee als Handel mit Spezereien untersagt. Die Baumeister<br />

wenden sich daraufhin an den Rat, dass dieses Verbot nicht nur Uffenheim,<br />

sondern die Gemeinde grundsätzlich betreffe, weil sie seit undenklichen<br />

Zeiten mit diesen Waren handeln würde und die Stättigkeit vom Rat selbst<br />

bislang stets dahingehend interpretiert worden sei, dass Zucker, Tee und Kaffee<br />

gerade nicht unter die Spezereien fallen würden – Zucker sei eine besondere<br />

Abtheilung, Tee und Kaffee hingegen würden zu den Früchten gezählt. Als<br />

daraufhin der Schöffenrat ein weiteres Dekret erlässt, das tatsächlich den Handel<br />

mit Spezereien für alle Juden verbietet, appellieren die Baumeister an den<br />

Reichshofrat. Im libellum gravamina lange Ausführung über das Herkommen<br />

von Zucker, Tee, Kaffee, die Traditionen, den Begriff der „Specerey“ etc. Das<br />

Verfahren bleibt auf dem libellum grav. 1768 liegen.<br />

Korrespondiert mit Decisa K 2646, 2647 Uffenheimer ctr. Schöffenrat, Laufzeit:<br />

1768–97<br />

Dieser Fall wird auch bei Kracauer besprochen, der davon ausgeht, dass<br />

Uffenheim auf Veranlassung der Baumeister geklagt habe. Dass diese ein<br />

Parallelverfahren am RHR einbrachten, konnte er aufgrund der Frankfurter<br />

Aktenlage wohl nicht wissen. Siehe Kracauer, Isidor: Die Geschichte der Juden<br />

in Frankfurter, Bd. II, S. 294–299.<br />

383


F10 Reglement<br />

Fallnummer 10<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Obere Registratur<br />

Signatur K 277/ 2<br />

Kurzbezeichnung Reglement<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Baumeister gemeiner Judenschaft zu Frankfurt<br />

(1) Beteiligte Personen<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

(2) Beklagter (BK) Schöffenrat zu Frankfurt<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Gottlieb Lyncker 1768–1769, Götz 1800–1801<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

(4) RHR Agent BK Ff Syndicus Albrecht Theodor Moll<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb, Gschl. 464, 465)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

07/1761– 12/1782<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1768<br />

Verfahrensende 1801<br />

Prozessdauer 33 Jahre (aktive Jahre: 4)<br />

Zeitliche Lücken 1770–1799<br />

384


Anzahl Aktenstücke 9<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1. Bericht BK Magistrat pag. 1–98, 2. Bericht BK Magistrat fol. 1–5<br />

Neupaginierung 1–317<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Pto. diversorum gravaminum in der Reglements Sache betr.<br />

Mandats- oder Reskriptprozess<br />

1. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 1. Instanz<br />

Qdr. 1, S. 1–89<br />

HK – Klageschrift, Bitte um Mandat/<br />

Reskript Manutenentiae<br />

13.05.1768<br />

o.Qdr., S. 90 RHR – Reskript um Bericht 05.09.1768<br />

(Qdr. 2, S. 94) RHR – Ultimum Conclusum 05.09.1768<br />

Qdr. 2, S. 91–94 BK – Terminverschiebung Bericht 07.01.1769<br />

Qdr. 3, S. 95–100<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Bericht<br />

07.01.1769<br />

(Qdr. 4, S. 105) RHR – Ultimum Conclusum 16.01.1769<br />

Qdr. 4, S. 101–105 HK – Terminmahnung Bericht 16.03.1769<br />

Qdr. 5, S. 106–110 BK – Terminverschiebung Bericht 16.03.1769<br />

Qdr. 6, S. 111–260 BK – 2. Bericht 09.03.,<br />

praes.<br />

20.03.1769<br />

Qdr. 7, S. 261–277 BK – 2. Bericht 31.05.,<br />

praes<br />

10.06.1769<br />

Qdr. 8, S. 278–281<br />

Qdr. 9, S. 282–285<br />

o. Qdr., S. 286–317 Relatio<br />

HK – Bitte um Ernennung eines neuen<br />

Referenten, Communicatio des Berichts<br />

und Möglichkeit zur Erstellung eines<br />

Gegenberichts<br />

HK – Bitte um Ernennung eines neuen<br />

Referenten, Communicatio des Berichts<br />

und Möglichkeit zur Erstellung eines<br />

Gegenberichts<br />

13.12.1800<br />

03.12.1801<br />

(1) HK Eingaben 5<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 4<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

0<br />

1<br />

2<br />

0<br />

385


Anzahl RHR Erlasse 3<br />

Form RHR Erlasse<br />

Ultima Conclusua, Reskript<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Zeremonial, Bann<br />

Regest 1. Die christlichen Sabbatweiber („Schabbesgoyen“), die am Sabbat die<br />

Kranken versorgen und andere Besorgungen erledigen, sind per Stättigkeit<br />

erlaubt. Am 25.12.1767 wurden plötzlich Wachen vor das Gassentor<br />

gestellt, die den Ein- und Austritt in die Gasse verhinderten „und wer<br />

darinnen war, so gar ein Christlicher Wundartzt, welcher eben in der<br />

Gasse gewesen und andere Leute kamen nicht heraus“ (6, 7). Ein Jude<br />

wird verhaftet – die Kranken, Kindbettnerinnen etc. müssen alle den<br />

Sabbat (vor allem wohl die Nacht) in eisiger Kälte verbringen. Dabei sei<br />

es üblich, dass die Sabbatweiber zuerst die Gottesdienste besuchen, wenn<br />

die Weihnachtsfeiertage auf einen Samstag fallen und erst danach oder<br />

davor in die Gasse kommen. Erst am Abend können die Baumeister die<br />

Wachen „erweichen“. Sie beschweren sich beim Bürgermeister, der ihnen<br />

auch mündlich zusichert, dass so etwas nicht mehr vorkommen solle – sie<br />

wollen aber eine schriftliche Bestätigung. Der Magistrat argumentiert<br />

dagegen, dass eine pünktliche Einhaltung der Gottesdienste nicht gewährleistet<br />

sei, es eine Verspottung der christl. Religion sei und die Sabbatweiber<br />

am Ende den Verdienst der Religion vorzögen.<br />

2. Die aus Darmstadt stammende Schwiegermutter des Gemeindemitgliedes<br />

Mayer Seeligmann Oppenheimers stirbt bei einem Besuch in Frankfurt<br />

und er soll nun, wie es Gewohnheit sei, 45 Carolinen für ihr Begräbnis<br />

hinterlegen. Dies sei, nach Aussage der Baumeister eine keineswegs hohe<br />

Summe, „da in Amsterdam, Prag, Hamburg, und andern Orten, oft ein<br />

Anschlag von 1000 Rthlr. und mehr gemacht wird.“ (13) Er weigert sich<br />

jedoch das zu tun, wendet sich an den Bürgermeister und die Baumeister<br />

bekommen den Befehl, sie bis zum Nachmittag bei 100 Rthlr. Strafe zu<br />

begraben. Alle Einwendungen und Drohungen der Baumeister, ihr Amt<br />

niederzulegen, weil sie „lieber weder Baumeister heißen noch seyn, als<br />

nur heisen und nicht seyn wollten“ nützen nichts – ihnen wird sogar Gefängnisstrafe<br />

angedroht. Oppenheimer beerdigt seine Schwiegermutter in<br />

aller Feierlichkeit und die Baumeister fühlen sich verhöhnt und in ihren<br />

Zeremonialgesetzen geschmälert. Der Magistrat argumentiert dagegen,<br />

dass es doch in diesem Fall nicht um Zeremonialgesetzen, sondern nur<br />

um Geld gegangen sei.<br />

3. Nach mehreren Fällen, in denen den Baumeistern vom Magistrat die<br />

Aufhebung des Bannes anbefohlen wurde, möchten sie nun eine klare<br />

Regelung. Sie argumentieren, dass alle Religionen mit diesem Mittel der<br />

Exkommunikation als Strafmittel arbeiten würden. „Bey einer jeden<br />

Gemeinde fallen öffters Sachen vor, die eine Strafe verdienen und haben<br />

derowegen von den ältesten Zeiten her diejenige Glaubens-Genossen<br />

welche nicht von der herrschenden Kirche sind, sich der Mittel einer<br />

excommunication oder Ausschließung aus ihrer Gemeinde bedienet. Die<br />

Ersten Christen selbst hatten, da sie noch nicht die herrschende Religion<br />

waren, diese Mittel [Marg.: Boehmer de confoeder. Christianors. disciplin.<br />

Diss. III ad Plin. et Tertull.] […]“ (19). Mittlerweile sei es schon so,<br />

dass jeder „unruhige Kopf “ und jeder Betrüger „lauft eilends, und sollte<br />

es auch Mitternach seyn, zu dem nächst wohnenden Bürgermeister, und<br />

suchet, es sey Cerimonial-Sachen, oder nicht, um einen Verbott an. Hat er<br />

mehr Zeit so kommt er bey dem Schöffen-Rath darum ein; und es stehet<br />

nicht einen Augenblick an, so kommen decreta und befehle, daß man sich<br />

dieses privilegium nicht bedienen solle, offt bey Strafe von hundert und<br />

mehr Thalern. Die Ordnungen in der Gasse werde dadurch aufgehoben,<br />

und das Kayserliche privilegium gehet verlohren.“ Als Beispiel wird<br />

erstens Mayer Benedict Reuß angeführt, der Ober- und Unterrabbiner als<br />

386


Falsarium beschimpfte, und durch ein Dekret des Magistrats einen Bann<br />

verhinderte. Auf das Einkommen der Baumeister, er möge auf „Schantz<br />

und Zuchthauß“ (23) gelegt werden, antwortet er mit einem Schreiben,<br />

diese Strafe sei den Baumeistern würdiger. Der Magistrat ahndet diese<br />

Beleidigung nicht, und so lebe derselbe noch immer in der Gasse. Als<br />

zweites Beispiel wird der Fall des Abraham Schreibers (F14) angeführt,<br />

der ebenfalls zunächst ein Schöffenratsdekret erhalten habe, das den Bann<br />

gegen ihn aufheben sollte.<br />

Der Prozess bleibt auf dem 2. Bericht des Magistrats liegen. 1800 und 1801<br />

kommt der Agent der Judenschaft nochmals mit der Bitte um einen neuen Referenten<br />

und Weiterverhandlung der Klagesache ein, der RHR reagiert darauf<br />

jedoch nicht mehr, das Verfahren bleibt liegen.<br />

Weitere Bemerkungen<br />

387


F11 Oppenheimer<br />

Fallnummer 11<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur 2138<br />

Kurzbezeichnung Oppenheimer<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Derer zeitigen Baumeister gemeiner Judenschafft zu Franckfurth am Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

(2) Beklagter (BK) Den dasigen Schutz Jud Meyer Seeligmann Oppenheimer<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Gottlieb Lyncker<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

(4) RHR Agent BK<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb, Gschl. 464, 465)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

07/1761–12/1782<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1768<br />

Verfahrensende 1768<br />

Prozessdauer<br />

2 Monate<br />

Zeitliche Lücken -<br />

388


Anzahl Aktenstücke 1<br />

Fol./ Pag./ Quadr. -<br />

Neupaginierung 1–3<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Mandati in puncto appellationis, die Besezung der erledigten Kastenmeister<br />

Stelle betr.<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Keine Akten überliefert<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

(Aktenstück fehlt,<br />

Eintrag in Resolutionsprotokolle,<br />

Band<br />

168)<br />

Qdr. 1<br />

HK – Appellationseinreichung Supplicam<br />

pro mandato de sc sistendo ad<br />

hocce Archi Dicasterium et ordinando<br />

ut intus<br />

HK – Bitte pro retradendo exhibito de<br />

22.12.1767<br />

23.12.1767<br />

11.02.1768<br />

(1) HK Eingaben 1 (2)<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 0<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 0<br />

Form RHR Erlasse 0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Gemeindeorganisation<br />

Der Inhalt dieses Verfahrens ist unklar, da die Appellationsschrift nicht mehr vorhanden<br />

ist und die Klage bereits zwei Monate nach Klageeinreichung zurückgezogen<br />

wird. Das Rubrum vermerkt, dass es sich um die Ersetzung einer erledigten<br />

Kastenmeisterstelle handelt und ein Mandat gegen ein Schöffenratsverordnung<br />

erwirkt werden soll, was darauf schließen lassen könnte, dass man seitens des<br />

Magistrats auf die Neubesetzung einer Kastenmeisterstelle Einfluss nehmen wollte.<br />

Vermutlich handelt es sich bei Meyer Seeligmann Oppenheimer um Mayer Selkele<br />

Oppenheim im Haus zur Hellebarte, der bereits im folgenden Jahr 1769 verstarb, 1<br />

weshalb sein Amt wahrscheinlich neu besetzt werden musste.<br />

Registraturvermerk auf Qdr. 1: Facta retraditio<br />

Weitere Bemerkungen<br />

1<br />

Siehe Dietz, Alexander: Stammbuch der Frankfurter Juden, S. 218.<br />

389


F12 Kastenmeisterwahl<br />

Fallnummer 12<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur 1531<br />

Kurzbezeichnung Kastenmeisterwahl<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Der Baumeister gemeiner Judenschafft zu Franckfurth am Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

(2) Beklagter (BK) Beer Löw Isaac, und Süßkind Samuel Stern et consortes<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Gottlieb Lyncker<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

(4) RHR Agent BK Ff Syndicus Albrecht Theodor Moll<br />

Ab 1773: FF Syndicus Johann Jacob Bittner<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb, Gschl. 464, 465)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

07/1761–12/1782<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1768<br />

Verfahrensende 1773<br />

Prozessdauer 5 Jahre (aktive Prozessjahre: 3)<br />

390


Zeitliche Lücken 1770, 1772<br />

Anzahl Aktenstücke 9<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr.<br />

Neupaginierung 1–737<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Pcto. diversor. gravam. in specie das Reglement, modo die neue Wahl der<br />

Casten –und Schätzungs-Meister, ingleichen die Manutenenz der Baumeister<br />

in ihrem Officio betreffend.<br />

Mandats- oder Reskriptprozess<br />

1. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S. 1–94 HK – Klageeinreichung 13.06.1768<br />

Qdr. 2 S. 95, 96 RHR – Reskript um Bericht 05.09.1768<br />

(Qdr. 3, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 05.09.1768<br />

Qdr. 3 S. 97–101 BK – Terminverschiebung Bericht 07.01.1769<br />

Qdr. 4 S. 102–108<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript<br />

und Terminmahnung Bericht<br />

07.01.1769<br />

(Qdr. 5, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 16.01.1769<br />

Qdr. 5 S. 109–114 BK – Terminverschiebung Bericht 16.03.1769<br />

(Qdr. 6, Anl. 0) RHR – Ultimum Conclusum 21.03.1769<br />

Qdr. 6 S. 115–620 BK – Bericht I (Fol. 1–417, Anl. unfol.) 02.05.1769<br />

Qdr. 7 S. 621–656 BK – Bericht II De dato<br />

20., praes.<br />

29.07.1771<br />

Qdr. 8 S. 657–662 HK – Bitte um Resolution 20.12.1773<br />

S. 663–737 Relatio<br />

(1) HK Eingaben 2<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 5<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 3<br />

Form RHR Erlasse<br />

-<br />

1<br />

1<br />

-<br />

Rekript um Bericht, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Gemeindeorganisation<br />

391


Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

1750 hat Kaiser Franz während der Kulp-Kannschen-Wirren angeordnet,<br />

dass ein Ausschuss innerhalb der Gemeinde gebildet werde, der einen<br />

Vorschlag zur „Einrichtung der Gemeinde aufsetzen“ soll. Daraus ergeht u.a.<br />

der Vorschlag (§19), drei Kassierer einzusetzen, die die Kastenmeisterarbeit<br />

erleichtern sollen. Als im Oktober 1763 die neuen Bau- und Kastenmeister<br />

gewählt werden, entschließt sich die Gemeinde, obwohl die Entscheidung des<br />

Kaisers noch aussteht, auch gleich die Kassierer zu wählen – es werden Salomon<br />

Sichel, Alexander Rindskopf, Süßmann Rüsselsheim gewählt. Kurze Zeit<br />

später jedoch stellen sich die neuen Stellen als beschwerlich heraus, da ihre<br />

Amtskompetenzen nicht klar festgelegt sind und sie sich in allerlei Bau- und<br />

Kastenmeister Angelegenheiten einmischen würden. Es entsteht ein heftiger<br />

Streit zwischen den beiden Parteien- man stielt sich gegenseitig die Bücher,<br />

gibt Schlüssel nicht heraus etc. Man wendet sich daher 1768 mit der Bitte um<br />

Abschaffung des Kassiereramtes und, falls der Kaiser ein solches Kontrollorgan<br />

favorisiere, einem evtl. anderen Lösungsvorschlag an den Reichshofrat. Es ergeht<br />

ein Schreiben um Bericht an den Magistrat. Dieser argumentiert dagegen,<br />

dass man seitens der Stadt das Amt als sehr heilsam ansehen und die Bau- und<br />

Kastenmeister immer gegen Neuerungen wären. Da dieses Amt aber schon<br />

de facto seit Jahren bestünde, sei es nur ein logischer Schritt, es auch de jure<br />

zu machen. Tatsächlich seien es auch weniger die Bau-, als die Kastenmeister,<br />

die sich dagegen widersetzen, „weil ihnen durch die Kassierer auf die Finger<br />

gesehen würde, auch ihre Autorität einigen Abbruch zu leiden gezwungen<br />

worden“. Dass zudem Sichel als Kassierer gewählt wurde, „den Bau- und Kastenmeister<br />

ein Dorn im Auge gewesen seye, auf die aber die ganze Gemeinde<br />

ihr Vertrauen gesetzet und selber gewählt“. Und so hätten vielmehr die Bauund<br />

Kastenmeister das Amt der Kassierer beschwert. Auf der Bitte der Kläger<br />

um baldige Entscheidung bleibt der Prozess liegen.<br />

392


F13 Zipper Bann<br />

Fallnummer 13<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur 2136<br />

Kurzbezeichnung Zipper Bann<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Die im Monat stehenden Jüdischen Baumeister namens der Juden Gemeinde<br />

zu Franckfurth am Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die im Monat stehenden Baumeister<br />

namens gemeiner Judenschaft „Sußel Mayer Juda, Kaiserlicher Hoffactor,<br />

Abraham Schnapper“ (9, 14)<br />

Baumeister laut Legitimatio 1769: Hertz Amsel Flersheim, Joseph Hirsch<br />

Gundersheim<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung durch kaiserlichen Notar Ff: Georg Philipp Hacker<br />

(17), Zeugen: Johann Nicolaus Münch, Gottfried Reismann, Bürger Ff (15, 17),<br />

Älterer Herr Bürgermeister: Johann Isaac Moors (15)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Hempel no[min]e<br />

Sußel Mayer Juda und Abraham Schnapper, qua im Monath stehender Baumeister,<br />

Nahmens der Jüdischen Gemeinde“ (19)<br />

(2) Beklagter (BK) Jüdische Witwe Zipper daselbst (BK 1) und der Magistrat zu Ff (BK 2)<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Gottlieb von Lyncker, Substitut: Joachim Christoph von Haffner<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

14.10.1769<br />

(4) RHR Agent BK Syndicus Albrecht Theodor Moll<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb, Gschl. 464, 465)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

07/1761–12/1782<br />

393


ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1769<br />

Verfahrensende 1770<br />

Prozessdauer<br />

½ Jahr<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 5<br />

Fol./ Pag./ Quadr. -<br />

Neupaginierung S. 1–55<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrath<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, Anl. A,<br />

S. 11, 12<br />

Qdr. 1, Anl. A und B,<br />

S. 7–23<br />

Dekret Schöffenrat – Baumeister<br />

werden angewiesen, den Bann gegen<br />

die Witwe Zipper aufzuheben, sie möge<br />

sich entsprechend in Zukunft betragen<br />

und zu keinen gegründeten Beschwerden<br />

Anlass geben<br />

Appellationseinreichung<br />

21.04.1769,<br />

24.04. ins.<br />

03.05. und<br />

06.05.1769<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S. 1–30 HK – Appell.schrift 25.08.1769<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 28.08.1769<br />

Qdr. 2 S. 31–34 BK 2 – Terminmahnung Libell. grav. 30.10.1769<br />

(Qdr. 3, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 30.10.1769<br />

Qdr. 3 S. 35–44<br />

HK – Legitimatio ad acta, Paritionsanzeige<br />

24.11. 1769<br />

Qdr. 4 S. 45–49 BK 2 – Terminmahnung Libell. grav. 08.01.1770<br />

Relatio S. 50–55<br />

Relatio<br />

(1) HK Eingaben 2<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 2<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

-<br />

-<br />

2<br />

394


Anzahl RHR Erlasse 2<br />

Form RHR Erlasse<br />

Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Unzucht, Bann<br />

Laut der Appellationsschrift der jüdischen Baumeister, habe sich die Witwe<br />

Zipper kurz nach dem Tod ihres Mannes Meyer Schwab mit einem „liederlichen<br />

jungen Menschen“ namens Hetz Amschel Strauß eingelassen und sich<br />

„sehr übel aufgeführet“. Sie wird daraufhin mit dem Bann belegt, erreicht<br />

aber beim Schöffenrat die Aufhebung des Banns. Die Baumeister wenden sich<br />

1769 an den Reichshofrat. Während die Appellationssache beim Kaiser läuft,<br />

vergleichen sich die Parteien: die Witwe verspricht, keinen Umgang mehr mit<br />

Strauß zu haben und 500 fl. für die jüdischen Armen zu geben – daraufhin<br />

wird der Bann erlassen.<br />

Registraturvermerk: Ponatur die anzeige ad acta<br />

395


F14 Schreiber Tephillin<br />

Fallnummer 14<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur K 2136<br />

Kurzbezeichnung Schreiber Tephillin<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Bau- und Kastenmeister gemeiner Judenschafft zu Franckfurt am Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die im Monat stehenden Baumeister<br />

namens gemeiner Judenschaft Süßel Mayer Juda, Abraham Schnapper (20),<br />

dann Samuel Nathan Schuster, Juda Joseph Schuster (42)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung durch kaiserlichen Notar Ff: Georgius Philippus<br />

Hacher, Zeugen: Gottfried Reismann, Johann Nicolaus Kleinzell (29, 32, 43),<br />

Älterer Bürgermeister: Isaac Moors (29)<br />

Bei Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Rößung no[min]e derer<br />

im Monat stehenden jüdischen Baumeister, nahmens der Gemeinde, in der<br />

Special Vollmacht, so er producirt, benannt“ (34)<br />

Gutachten der Ff „Unterrabbiner“: „Nathan Salomon Mayß, Mayer Schwarzschild,<br />

Jacob David Schamas, Abraham Trir Cahn, Amschel Herz Zunß“ (29,<br />

53, 87) A<br />

(2) Beklagter (BK) Hertz Abraham Schreiber (BK 1) und den löblichen Schöffenrath zu Franckfurt<br />

(BK 2)<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

Als Zeuge benannt: Israel Hecht (31)<br />

(3) RHR Agent HK Gottlieb Lyncker<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

(4) RHR Agent BK Syndicus Albrecht Theodor Moll<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb, Gschl. 464, 465)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

07/1761–12/1782<br />

396


(5) Weitere<br />

Informationen<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1769<br />

Verfahrensende 1771<br />

Prozessdauer<br />

2 Jahre<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 9<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr., Bericht Mag. fol. 1–63, Anl. fol. 1–9<br />

Neupaginierung 1–297<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

appellationis<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Jüngere Bürgermeisteraudienz, Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 2, Anl. B,<br />

S. 88–91<br />

Qdr. 2, Anl. C.<br />

S. 91–99<br />

Qdr. 1, S. 14, 15<br />

Qdr. 1, Lit A,<br />

S. 10–33<br />

Qdr. 1, S. 5–8<br />

Qdr. 1, Lit B und C,<br />

S. 34–44<br />

Klage Herz Abraham Schreiber ctr.<br />

Baumeister wg. widerrechtlicher Anlegung<br />

des Schulbanns bei Schöffenrat<br />

Befragung der Baumeister durch Jüngeren<br />

Bürgermeister<br />

Schöffenratsdekret – den Baumeistern<br />

wird die Beibringung eines Belegs der<br />

Untersuchung der Schreiberschen<br />

Tephillin durch unparteiische Sachverständige<br />

aufgegeben, die Kenntlichmachung<br />

ordnungsgemäßer Tephillin<br />

durch Stempel sowie die Aufhebung des<br />

Bannes gegen den Schreiber<br />

Eventualappellation<br />

Mit Anlage A und B Übersetzung des<br />

hebr. Gutachtens der Unterrabbiner<br />

bezüglich der Tephillin, S. 20–29 vom<br />

24.4.<br />

Schöffenratssentenz- Bestätigung des<br />

Urteils vom 14.4. und damit Inkrafttreten<br />

der Appellation<br />

02.04.1769<br />

11.04.1769<br />

14.04.1769<br />

26.04.1769<br />

15.07.1769<br />

Appellationseinreichung 19.07.1769<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S. 1–44 HK – Appell.schrift 10.11.1769<br />

Qdr. 2 S. 45–112 HK – Libell. grav. 08.05.1770<br />

n.n. S. 113, 114 RHR – Reskript um Bericht 05.12.1770<br />

397


(Qdr. 4, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 05.12.1770<br />

Qdr. 4 S. 115–123<br />

HK – Insinuationsbescheid, Terminmahnung<br />

Bericht<br />

29.04.1771<br />

Qdr. 4 S. 124–128 BK – Terminverschiebung 29.04.1771<br />

(Qdr. 7, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 06.05.1771<br />

Qdr. 6 S. 129–274<br />

BK – Bericht (fol. 1–63, Anlagen fol.<br />

1–10, Foliierung fast unleserlich)<br />

De dato<br />

21.06. et<br />

Praes.<br />

04.07.1771<br />

Qdr. 7 S. 275–279 HK – Terminmahnung Bericht 06.07.1771<br />

Relatio S. 280–297<br />

Relatio (unvollständig)<br />

(1) HK Eingaben 4<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 2<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 3<br />

Form RHR Erlasse<br />

-<br />

2<br />

-<br />

1<br />

Reskript um Bericht, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Zeremonial, Bann<br />

Herz Abraham Schreiber hat bis dato Tephillin und Mezuzot geschrieben,<br />

die in Röllchen mit Leder gebunden werden und zum Gebet über die Hände<br />

gelegt bzw. an der Haustüre angebracht werden etc. Es gibt genaueste Bestimmungen,<br />

wie diese Röllchen mit Denksprüchen gemacht werden müssen<br />

(direkt aus der Torah abgeschrieben, perfekte Schrift, keine Ausbesserungen<br />

oder Korrekturen etc.) Nach einigen Jahren erst öffnen manche die Röllchen…<br />

dabei hat sich wohl erwiesen, daß in den von Schreiber gefertigten Tephillin<br />

Fehler waren, eingefügte Korrekturen und fremde Wörter, was laut den<br />

Vorstehern alle Gebete, die mit diesen Tephillin gesprochen wurden, ungültig<br />

macht. Schreiber hat damit sozusagen Sünde über alle seine Käufer gebracht.<br />

Seine Ware wird, laut Beklagtem, daher mit dem großen Bann belegt und die<br />

Gemeinde angewiesen, nichts mehr bei ihm zu kaufen. Trotz Dekrets des Magistrats<br />

bessert sich nichts, er muss sich eine Logis in einem christl. Wirtshaus<br />

suchen, keiner kauft bei ihm, geschweige denn vermietet ihm eine Logis aus<br />

Angst vor den Baumeistern. Zwar weist der Rat die Baumeister an, ihm eine<br />

Kammer zuzusprechen, diese weigern sich jedoch. „Sie thäten nichts, weder<br />

vor noch gegen ihn, ob er gleich das leztere wohl verdienete“, laut Rat würden<br />

sie den „armen, baufälligen 65 Jährigen alten Mann“ regelrecht verfolgen, „der<br />

auch nachhero in dem grösesten Elend gestorben ist“<br />

Es findet sich kein Urteil oder Gegenbericht – wurde nach Tod des Beklagten<br />

Schreiber offensichtlich liegen gelassen.<br />

398


Weitere Bemerkungen<br />

Zitierte juristische und ethnographische Literatur:<br />

HK:<br />

S. 16: „Bodenschazzischen Werk von der kirchlichen Verfassung der<br />

heutigen Juden W. theil 1. Hauptstück 1. Abschnitt 14ten u. f.f. §§ S.18<br />

und f.f. 1 “<br />

S. 47: „de Lyncker, de Grav. extrajud. cap. VII. P.11. §x etc. 2 “<br />

S. 48: „ L. 4. C. de temp: et rep: appell: 3 “<br />

S. 49: „[Marg: Bodenschatz, in der kirchlichen verfassung der Juden W<br />

Tehil 1. Cap: I. Sect. § 9 und folgende] 4 “<br />

S. 50: „Bodenschatz am a.O. § 14. 5 “<br />

S. 51: „Bodenschatz, p. 19 Kupferstich 6 “<br />

S. 61: „Heumann von Deutschenbrunn, Init. Polit. German. cap. 26 §<br />

214. 7 “<br />

S. 61: „Beck de Juribus Judaeorum cap. IV. § 4. etc. 8 “<br />

S. 146: „Wagenseil, in pera juvenili post praefationem loculamenti 1. 9 “<br />

Transkription Qdr. 1, Anl. A/ B (übersetztes hebr. Gutachten „der Jüdischen<br />

Beglaubten und Gelehrten“, der Ff Unterrabbiner) (S. 20–29):<br />

„(20) Nachdem daß wir seither einige Jahren ein Gemurmel sowohl von<br />

unserer hiesige Jüdische Gemeinde alß von fremde Juden auf Herz Abraham<br />

Schreiber mit großer Verdruß vernehmen müssen, daß gedachter Herz<br />

Schreiber Tephilin und Mesusoth verkaufte welche nicht nur allein nicht nach<br />

der Re- (21) gel und rechten unsere Thora geschrieben wäre, sondern auch daß<br />

er in dem Verdacht wäre, daß derjenige Tephilin welche er verkauft von alte<br />

undüchtig geworden welche wie gebräuchlich auf ein gewisse gereinigte Plaz<br />

gelegt müssen werden wäre von da er sie genommen und selbige zu andere<br />

gehäftet oder einige Capitel davon genommen und andere Capitel welche vor<br />

diese so er von dem verborgenen Plaz hatt genommen hätte sollen geschrieben<br />

werden, er aber seither geschrieben und dazu gehäftet dadurch also die<br />

in denen Tephilin enthaltende Capitlen nicht nach der Ordnung geschrieben<br />

seyn foliglich selbige ganz untüchtig seyn, so dann auch wäre er verdächtlich<br />

wann ein Buchstab oder Wort in denen Tephilin fehlet, thäte er selbige zu<br />

schreiben ein solches ist auch ein schreibart nicht nach der Ordnung und<br />

ganz undüchtig ist, dieses alles und (22) noch mehr dergleichen untüchtige<br />

Sachen haben wir mit vielem Gemurmel gehört, auf bekanntermaßen nun<br />

der Gebot von Tephilin eines unßer haubt gebothen wovon unsere haubt<br />

cermonie abhanget ist, so gar unsere Gelährte gesprochen haben in Talmud<br />

Rosch haschane unter Israel ist derjenige welcher kein Tephilin aufleget, wann<br />

nun die gedachte, Verdächtlichkeit so ausgestreuet worden auf gedachten Herz<br />

Schreiber also gegründet wäre, so ziehet er sich und viele andere Juden sinde<br />

auf den Halz indeme er dadurch verursachte daß viele Juden diesen Gebot<br />

von Tephilin gar nicht hielteten und dieses nicht allein sondern auch derjenige<br />

welcher solche Tephilin auflegeten alle tag zwey Seegen darüber spricht<br />

umsonst also derselbe sich zu Last leget den sind in denen zehen Geboten du<br />

solst den Nahmen Gottes nicht fälschlich gedenken, und da auf uns von der<br />

Jüdischen Gemeinde (23) gesezte Gelährte solches obliegt alle strauchlung von<br />

der Jüdischen Gemeinde aus der Weeg zu raumen; absonderlich in solchen<br />

großen strauchlung wie dieser ist, dahero haben wir 16 tag in ador rischen id<br />

est d[er] 23ten Febr[uar] h[uius] a[nni] denen Baumeistere vorgetragen was<br />

hierinnen zu thun ist auf was Art diese strauchlung abzuthun wäre, also ist<br />

der Schluß von sämtliche Baumeister und Gelährte geblieben, daß obzware<br />

auf theils von gedachter Verdächtigkeit gegen Herz Schreiber ohnmöglich<br />

jemand im Stand ist die Wahrheit zuergründen anerwogen wenn wir schond<br />

seine Tephilin vor Augen haben können wir daraus nicht erklären, ob selbige<br />

geschrieben – oder ein Buchstab oder ein Wort da von verrichtet- nicht nach<br />

der gehörige Ordnung, dennoch aber auf die eigentliche Schreibart ob selbige<br />

nach unser rechten seye dennoch kenn wir examiniren (24) und erkennen,<br />

dahero wir gelährte durch einen unpartheyeschen Mensch von ged[achtem]<br />

Herz Schreiber Tephilin kaufen sollte lassen um zu sehen ob solche nach unser<br />

rechten geschrieben wäre, also wir auch nachgehends gethan haben, nemlich<br />

399


400<br />

durch zwey Leuthen zwey paar Tephilin kaufen lassen an dieselbe er Herz<br />

Schreiber vor aufrichtig und düchtig nach unßer Rechten verkauft hatt, nachdem<br />

wir aber selbige den 22ten Merz a[nnus] c[urrentis] geöfnet haben wir<br />

gefunden und gesehen vielfältige untüchtigkeit, wovon theils untüchtig seyn<br />

biß man selbige verrichtet theils aber nicht zu verrichten seyn die Woche darnach<br />

ist auch ein fremder Jud vor uns kommen mit ein paar Tephilin welche<br />

er von mehr besagtem Her Schreiber kauft hätte, und zware hätte er mit ihme<br />

getauscht auf ein paar alte Tephilin welche er an Herz Schreiber hätte geben<br />

und von ihme diese neue hätte dagegen bekommen und er an Herz etwas (25)<br />

Geld hätte zugeben weilen er aber nachgehends ein rumor hätte gehört daß<br />

ged[achter] Herz Schreiber in Verdacht wäre, also verlangte er von uns wir<br />

solte diese von Herz Schreiber erkaufte Tephilin öffnen und sollten visitiren ob<br />

selbige düchtig seyn oder nicht, wir haben also zuforderst obged[achten] Herz<br />

vor uns bescheiden, wie er auch vor uns kommen ware, wir fragten ihme ob<br />

er diese gedachte Tephilin sein gewesen und ob er selbige an diesem fremde<br />

Jud auf ged[achte] Art verkauft hätte, worauf er uns antwortete daß solches<br />

wahr wäre, er hätte diese neue Tephilin an diesem Mann verkauft im tausch<br />

wie es der fremde Jud vorgeben hätt, seine Tephilin ware auch richtig und<br />

tüchtig wir sollten sie öfnen so werden wir finden daß selbige tüchtig wäre,<br />

damit ist er von und hingangen, nachdeme wir nun selbige Tephilin geöfnet<br />

(26) haben, haben wir uns erstaund über die viele Fehler so wir drinnen<br />

gefunden haben worunter viel waren, welche verrichtet und ausgebeßert<br />

müßen werden, biß dahin aber daß sie ausgebeßert untüchtig zugebrauchen<br />

seyn, viel aber darunter waren solchergestalt die keine Aubeßerung kenne<br />

bekommen, daher wir zusammen unanimiter beschlossen haben nachdeme<br />

uns vor Augen gelegen drey paar Tephilin welche mehr gedachter Herz vor<br />

richtig und düchtig verkauft hatt und offenbahrt worden daß selbige untüchtig<br />

waren mithin er nunmehro in Verdacht ist untüchtige Tephilin vor tüchtig<br />

und gut zu verkaufen und nachdeme daß bekand ist daß viele Lehrsäze sind in<br />

dem Geboth von Tephilin und Mesusath welche ohnmöglich ergründet kenne<br />

werden ob sie richtig seye nach unsere rechte oder nicht zum exemple ob sie<br />

gearbeitet oder geschrieben seye, zu dessen Gebrauch, auch ob die darinnen<br />

befindliche Nähmen (27) Gottes geheilligt sind worden so dann auch ob<br />

selbige geschrieben – oder wann etwaim ein Buchstab oder ein Wort möchte<br />

ausgebessert seyn worden – nicht nach der Ordnung, auf solche fehlers<br />

ohnermöglich zuergründen ist, dann wann schond die in denen Tephilin<br />

gehörige Capitelen vor einem Rabiner zum Vorschein komt kann er nicht wiß<br />

ob sie nach der rechte Ordnung nach geschrieben sind worden oder nicht, viel<br />

weniger er weiß er kann die andere obged[achten] fehlers ob selbige begangen<br />

sind worden oder nicht und vielmehr dergleichen, da wir nun obgedacht daß<br />

bereits gemürmelt ist worden auf ged[achten] Herz daß er auf alle ged[achten]<br />

fehlers verdächtig ist, und bey uns durch drey pahr Tephilin welcher vor<br />

düchtig verkauft hatt erfast erklähret worden nachdeme wir selbige geöfnet<br />

und gefunden haben selbige ganz untüchtig gewesen also uns augenscheinlich<br />

vorligt daß er viele Menschen sinden ver- (28) ursachet und bringt zuwegen,<br />

daß viele Juden alle tag von dem Gebot von Tephilin welche eine von unser<br />

hauptglauben ist gestöhret werden, und derjenige welcher selbige aufleget alle<br />

tag zwey seegen umsonst saget wie obged[acht] wenn er also sogar vorscheuet<br />

ist daß er untüchtige Tephilin wo dessen Fehler offenbarlich gesehen kann<br />

werden vor gut verkauft, ist um so mehr fast zu praesumiren daß er viele<br />

verborgene Fehler welche nicht zu erkennen seyn wie obgedacht machen<br />

wird. Dahero wir nach den Rechten von unßer heilige Thora befunden haben<br />

obged[achten] Herz Schreiber vor untüchtig zu erklähren daß keiner von Ihme<br />

soll Tephilin und Mesusath kaufen und alle seine Tephilin und Mesusath sind<br />

gänzlich untüchtig und müßen verborgen werden und damit dieses Strauchlung<br />

aus der Weg zu raumen von alle Juden haben wir unser gelährten Schluß<br />

erkundet an (29) dem in Monath stehende Baumeister Leßer Leiter der solches<br />

vor die sämtliche Baumeister vortragen soll um die sache Nahmens sämtliche<br />

Baumeister und gelährte kund zu machen. daß alle Tephilin und Mesusath<br />

von obged[achtem] Herz gänzlich untüchtig seyn, und keiner von ihme kaufen


darfe, von uns geschloßen worden Sonntag 24ten in ader schene 529 i[d] e[st]<br />

den 2. April Nath[an] Salomon Mayß, Mayer Schwarzschild, Jacob David<br />

Schamas, Abraham Trir Cahn, Amschel Herz Zunß“<br />

A<br />

Gutachten der Ff „Unterrabbiner“: Nathan Salomon Mayß (Rabbinatsverweser,<br />

Rosch Jeschiba, bis Ende 1771 Vorsitzender des Ff Beit Din – siehe<br />

Horovitz, Rabbinen, S. 188, 189, 192–201), Mayer Schwarzschild, Jacob<br />

David Schamas (Mitglied des Rabbbinats – siehe Horovitz, Rabbinen, S. 219),<br />

Abraham Trir Cahn (Rabbiner an der Klaus, „hervorragendes“ Mitglied des<br />

Rabbinats – siehe Horovitz, Rabbinen, S. 211), Amschel Herz Zunß (Rabbinatsassessor<br />

– siehe Horovitz, Rabbinen, S. 210) (29, 53, 87)<br />

401


F15 Dessauer Attestat<br />

Fallnummer 15<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur 2138<br />

Kurzbezeichnung Dessauer Attestat<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Im Monath stehende Baumeister gemeiner Judenschafft zu Franckfurt am<br />

Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird im Namen der Gemeinde eingereicht durch die Baumeister<br />

Samuel Nathan Schuster, Abraham Schnapper (8, 13, 19, 20)<br />

Baumeister laut Mandato 1765: „Löw Isaac Scheuer, Hertz Michel Flerschheim,<br />

Susel Meyer Juda, Meyer Hertz Welsch, Leßer Leiter, Nathan Aaron<br />

Wetzlar// Hertz Joseph Schief, Samuel Nathan Schuster, Löw Isaac zur Kannt,<br />

Abraham Schnapper, Juda Michael Bing, Joseph Hirsch Gundersheim“ (27, 30)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung: Ff kaiserlicher Notar: Georg Philipp Hacker (16, 20),<br />

Zeugen: Gottfried Reißen, Adrian Weinreich (14,16, 20), Älterer Bürgermeister:<br />

Hieronymus Maximilian von Glauburg (14)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Rößing no[min]e<br />

derer im Monath stehenden Jüdischen Baumeister […]“ (94, 98)<br />

(2) Beklagter (BK) Salomon Lämle Dessauer daselbst, und wohllöbl. Magistrat<br />

(2) Beteiligte Personen Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Hempel no[min]e<br />

Salomon Lemle […]“ (96, 97)<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Gottlieb Lyncker, Substitut: Joachim Gottlieb von Fabrice<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

02.07.1765<br />

(4) RHR Agent BK Syndicus Albrecht Theodor Moll<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb, Gschl. 464, 465)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

07/1761–12/1782<br />

402


(5) Weitere<br />

Informationen<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1771<br />

Verfahrensende 1771<br />

Prozessdauer<br />

¾ Jahr<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 9<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–8<br />

Neupaginierung 1–259<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 8, Anl. F,<br />

S. 116–135<br />

Qdr. 8, Anl. G, S. 135<br />

Qdr. 8, Anl. H,<br />

S. 135–163<br />

Qdr. 8, Anl. J,<br />

S. 163–195<br />

Qdr. 8, Anl. K,<br />

S. 196–221<br />

Qdr. 8, Anl. L,<br />

S. 221–223<br />

Qdr. 1, An. A und B,<br />

S. 7–17, 18–21<br />

Klage Dessau bei Schöffenrat – das<br />

von den Baumeistern ausgestellte, in<br />

Wien bei Gericht vorgelegte Attestat,<br />

dass er keine finanziellen Forderungen<br />

an den Nathan Arnstein habe,<br />

sei nicht rechtsgültig, das Ausstellen<br />

desselben vielmehr eine jurisdikt.<br />

Anmaßung, die vom Magistrat zu<br />

unterbinden sei<br />

Dekret Schöffenrat – Baumeister sollen<br />

in dieser Sache ihre Erklärung einbringen,<br />

sich ansonsten aber dem Verfahren<br />

enthalten<br />

31.03.1770<br />

26.03.1770<br />

Erklärung Baumeister 26.03.1770<br />

Gegenerklärung Dessau 25.04.1770<br />

Gegenerklärung Baumeister (fol. 1–13)<br />

Dekret Schöffenrat – die Ausstellung<br />

von Attestaten wird den Baumeistern<br />

als „offentlichen Amts Attestat anzumaßen<br />

nicht gebühret“ und Eingriff in<br />

die magistratische Jurisdiktion im Falle<br />

Dessau kassiert und künftig verboten<br />

o.D.<br />

19.11.1770,<br />

ins.<br />

03.12.1770<br />

Appellationseinreichung 13.12.1770<br />

und<br />

02.01.1771<br />

403


2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S. 1–21 HK – Appell.schrift 18.03.1771<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 13.05.1771<br />

Qdr. 2 S. 22–33 HK – Legitimatio ad acta 12.07.1771<br />

Qdr. 3 S. 24–37 BK – Terminmahnung Libell. grav. 15.07.1771<br />

(Qdr. 4, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 15.07.1771<br />

Qdr. 4 S. 38–43 HK – Terminverschiebung 13.09.1771<br />

Qdr. 5 S. 44–48 BK – Terminmahnung Libell. grav. 16.09.1771<br />

(Qdr. 6, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 19.09.1771<br />

Qdr. 6 S. 49–53 HK – Terminverschiebung 18.10.1771<br />

Qdr. 7 S. 54–58 BK – Terminmahnung Libell. grav. 19.10.1771<br />

Qdr. 8 S. 59–234 HK – Libell. grav. 29.10.1771<br />

Relatio S. 235–259 Relatio<br />

(1) HK Eingaben 5<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK<br />

Eingaben<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 3<br />

Form RHR Erlasse<br />

2<br />

0<br />

3<br />

0<br />

3<br />

Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Kriminalität, Schulden<br />

Der Wiener Hoffactor Adam Isaac Arnstein hatte seinen Sohn Nathan Adam<br />

Arnstein an die Tocher des Frankfurt Hoffaktors und Baumeisters Süsel Mayer<br />

Juda verheiratet, das Paar lebte in Ff. Dort kam der junge Arnstein mit dem<br />

„Spieler“ und „Jugendverführer“ Dessau in Kontakt („welcher in der gantzen<br />

Gasse in dem Ruf stehet, daß er das in der Stättigkeit selbst verpönte und<br />

bey der Judenschafft unter schwehrem Ban verbotene Spielen am hefftigsten<br />

treibet, und dadurch die Jugend verführet“) und hatte innerhalb von 7 oder<br />

8 Monaten Schulden von rund 7000 Talern gemacht. Die Schwiegereltern<br />

bringen ihn nach Wien, bezahlen seine Schulden und leiten die Scheidung ein.<br />

Durch eine Befragung der Kreditoren Dessaus stellt sich heraus, dass der junge<br />

Arnstein auch Dessau selbst noch Geld schuldet (ca. 1600 Taler) und es einen<br />

offenen Wechselbrief gebe. Vater Arnstein bittet die Baumeister, die Sache zu<br />

untersuchen, diese laden Dessau zum Verhör vor: Nach Aussage der Baumeister<br />

gibt er darin zu, dass er keine Forderungen mehr an Arnstein habe und<br />

dies auch schriftlich bezeugen wolle. Dessau schildert in seiner anschließenden<br />

Anzeige beim Schöffenrat jedoch, dass die Baumeister ihn bedroht hätten<br />

mit Gewalt und mit dem Bann, und er gezwungen worden wäre, seine Forde-<br />

404


ungen zu negieren. Auf jeden Fall schickt er nach kurzer Zeit den Wechselbrief<br />

nach Wien und klagt die Summe ein. Darauf schicken die Baumeister ein<br />

Attestat seiner Aussage an Arnstein zur Vorlage bei Gericht, was wiederum<br />

Dessau dazu bewegt, gegen die Baumeister beim Frankfurter Magistrat<br />

Klage einzureichen, weil dieses attestatum ein Eingriff in die magistratische<br />

Jurisdiktion sei. Er bekommt Recht und es wird ein Dekret erlassen, dass es<br />

den Baumeistern auch für die Zukunft verbietet, solche attestata auszustellen.<br />

Dagegen reichen die Baumeister 1771 Appellation am Reichshofrat ein. Diese<br />

bleibt jedoch bereits auf dem libellum gravaminum liegen.<br />

Weitere Bemerkungen<br />

405


F16 Branntweinhandel<br />

Fallnummer 16<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur 2137<br />

Kurzbezeichnung Branntweinhandel<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Im Monath stehende Baumeister gemeiner Judenschaft zu Franckfurt am<br />

Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die im Monat stehenden Baumeister<br />

namens gemeiner Judenschaft Sußel Meyer Juda, Juda Joseph Schuster (7, 12)<br />

Baumeister laut Mandato 1765: „Löw Isaac Scheuer, Hertz Michael Flersheim,<br />

Susel Meyer Juda, Meyer Hertz Welsch, Löser Leiter, Nathan Aaron Wetzlar //<br />

Hertz Joseph Schieff, Samuel Nathan Schuster, Löb Isaac zur Kannt, Abraham<br />

Schnapper, Juda Michael Bing, Joseph Hirsch Gundersheim“ (27, 31)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung durch kaiserlichen Notar Ff: Georg Philipp Hacker<br />

(14), Zeugen: Gottfried Reißmann, Johann Nicolaus Kleinpel, Bürger (13, 14),<br />

Älterer Herr Bürgermeister: Johann Daniel von Olenschlager (13)<br />

(2) Beklagter (BK) Magistrat und das Rechney-Amt daselbst<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Gottlieb Lyncker, Substitut: Joachim Gottlieb von Fabrice<br />

Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Herrn de Labonté<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

Lyncker: 02.07.1765<br />

Gretzmüller: 12.07.1775<br />

(4) RHR Agent BK Syndicus Albrecht Theodor Moll<br />

Ab 1772 Johann Jacob Bittner, Substitut: Johann Ludwig Alt<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

Bittner: 03.08.1774<br />

(5) RHR Referent Kaunitz (Dominikus Andreas Reichsgraf von Kaunitz-Rittberg-Questenberg,<br />

Gschl. 469), Firmian (Graf Ernst von Firmian, Gschl. 480, 481)<br />

(5) RHR Bank Kaunitz: 1765 –1775<br />

Firmian: 1768–1789<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

406


(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Kaunitz: Ritter- und Gelehrtenbank<br />

Firmian: Herrenbank<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1771<br />

Verfahrensende 1777<br />

Prozessdauer<br />

6 Jahre<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 41<br />

Fol./ Pag./ Quadr. F2: Qdr. 1–38, F2a: Qdr. 1–33<br />

Neupaginierung 1–960<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis pcto des Branntweinhandels<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Rechneiamt, Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 6, Anl. A,<br />

S. 69–71<br />

Qdr. 6, Anl. B,<br />

S. 71–78<br />

Qdr. 6, Anl. C, S. 79<br />

Qdr. 1, Anl. 1 und 2,<br />

S. 6–19<br />

Vorverfahren: Die Handelsges. Maier<br />

und Herz Götz Amschel, Preußische<br />

Hoffactoren ctr. Rechneiamt bei<br />

Schöffenrat in pct. Verbot des Branntweinhandels,<br />

Dekret Schöffenrat 8. und<br />

11.10.1770<br />

Bittschrift Baumeister an Schöffenrat,<br />

das Verbot bezügl. des Branntweinhandels<br />

als nicht in der Stättigkeit verboten,<br />

aufzuheben<br />

Dekret Schöffenrat – Verbot des<br />

Branntweinhandels aufgrund der<br />

Reichspoliceyordnung<br />

Appellationseinreichung<br />

o.D.<br />

21. und<br />

29.01.1771,<br />

ins.<br />

04.02.1771<br />

08.02. und<br />

06.03.1771<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S. 1–19 HK – Introductio appellationis 27.05.1771<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 17.06.1771<br />

Qdr. 2 S. 20–32 HK – Legitimatio ad acta 17.08.1771<br />

Qdr. 3 S. 33–36 BK – Terminmahnung Libell. grav. 17.08.1771<br />

(Qdr. 4, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 05.11.1771<br />

Qdr. 4 S. 37–41 BK – Terminmahnung Libell. grav. 07.01.1772<br />

Qdr. 5 S. 42–47 HK – Terminverschiebung 14 Tage 07.01.1772<br />

Qdr. 6 S. 48–81 HK – Libellus gravaminum 09.01.1772<br />

407


(Qdr. 7, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 07.01.1772<br />

Qdr. 7 S. 82–86 BK – Terminmahnung Libel. grav. 21.01.1772<br />

n.n. S. 87, 88 RHR – Reskript um Bericht 24.03.1772<br />

(Qdr. 8, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 24.03.1772<br />

Qdr. 8 S. 89–98<br />

HK – Insinuationsbescheid 24.3. und<br />

Terminmahnung Bericht<br />

07.09.1772<br />

Qdr. 9 S. 99–103 BK – Terminverschiebung 2 Monate 10.09.1772<br />

(Qdr. 10, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 16.11.1772<br />

Qdr. 10 S. 104–108 BK – Terminverschiebung 2 Monate 15.01.1773<br />

Qdr. 11 S. 109–113 HK – Terminmahnung Bericht 18.01.1773<br />

Qdr. 12 S. 114–202 BK – Bericht (fol. 1–47) De dato<br />

16.01. et<br />

Praes.<br />

04.02.1773<br />

(Qdr. 13, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 25.01.1773<br />

Qdr. 13 S. 203–207 HK – Terminmahnung Bericht 26.03.1773<br />

(Qdr. 14, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 29.07.1773<br />

Qdr. 14 S. 208–213<br />

HK – Terminverschiebung Gegenbericht<br />

2 Monate<br />

28.09.1773<br />

Qdr. 15 S. 214–219 BK – Terminmahnung Gegenbericht 01.10.1773<br />

(Qdr. 16, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 25.10.1773<br />

Qdr. 16 S. 220–224<br />

HK – Terminverschiebung Gegenbericht<br />

2 Monate<br />

24.12.1773<br />

Qdr. 17 S. 225–229 BK – Terminmahnung Gegenbericht 07.01.1774<br />

Qdr. 18 S. 230–245 HK – Gegenbericht 17.01.1774<br />

n.n. S. 246–251<br />

RHR – Dekret an BK: Unverzügliche<br />

Requisition der Akten<br />

30.05.1774<br />

(Qdr. 19, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 30.05.1774<br />

Qdr. 19 S. 252–256<br />

BK – Insinuationsbescheid und Bitte<br />

um Communication des Gegenberichts<br />

01.09.1774<br />

Qdr. 20 S. 257–263 BK – Legitimatio ad acta 01.09.1774<br />

Qdr. 21 S. 264–275<br />

HK – Insinuationsbescheid und Terminmahnung<br />

für Exceptiones des BK<br />

27.09.1774<br />

(Qdr. 22, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 21.11.1774<br />

Qdr. 22 S. 276–280<br />

Qdr. 23 S. 281–285<br />

BK – Terminverschiebung für deco<br />

pian dum und exhibendum bis<br />

04.09.1775<br />

HK –Terminmahnung für Exceptiones<br />

des BK<br />

23.01.1774<br />

23.01.1775<br />

Qdr. 24 S. 286–364 BK – Exceptiones 03.02.1775<br />

Qdr. 25 S 365–800<br />

BK – exhibitio actorum prima instantiae<br />

cum rationibus decidendi<br />

03.03.1775<br />

(Qdr. 26, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 25.06.1775<br />

Qdr. 26 S. 801–804<br />

HK – Terminverschiebung für Replik<br />

2 Monate<br />

04.09.1775<br />

408


Qdr. 27 S. 805–810 HK – Legitimatio ad acta 04.09.1775<br />

Qdr. 28 S. 811–818<br />

Qdr. 29 S. 819–827<br />

BK – Insinuationsbescheid, Terminmahnung<br />

Replik<br />

BK – Insinuationsbescheid, Terminmahnung<br />

Replik<br />

04.09.1775<br />

04.09.1775<br />

(Qdr. 30, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 18.09.1775<br />

Qdr. 30 S. 828–831 HK – Terminverschiebung Replik 2<br />

Monate<br />

20.10.1775<br />

Qdr. 31 S. 832–837 BK – Terminmahnung Replik 20.10.1775<br />

(Qdr. 32, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 21.12.1775<br />

Qdr. 32 S. 838–841 BK – Terminmahnung Replik 22.02.1776<br />

Qdr. 33 S. 842–858 HK – Replik 17.06.1776<br />

(Qdr. 34, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 24.10.1776<br />

Qdr. 34 S. 859–865 HK – Terminmahnung Duplik 02.01.1777<br />

Qdr. 35 S. 866–869 BK – Terminverschiebung Duplik 07.01.1777<br />

(Qdr. 36, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 03.03.1777<br />

Qdr. 36 S. 870–947 BK – Duplik 02.05.1777<br />

Qdr. 37 S. 948–951 HK – Terminmahnung Duplik 05.05.1777<br />

(Qdr. 38, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 05.05.1777<br />

Qdr. 38 S. 952–958 BK – Insinuationsbescheid 28.07.1777<br />

Relatio S. 959, 960<br />

Relatio<br />

(1) HK Eingaben 18<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 20<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 18<br />

Form RHR Erlasse<br />

5<br />

6<br />

3<br />

9<br />

Reskript um Bericht, Dekret, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Handel<br />

Dem Verfahren der Baumeister geht ein Verfahren von Privatpersonen<br />

voraus. Die Handelsgesellschaft Maier und Herz Götz Amschel, Preußische<br />

Hoffaktoren und Schutz- und Handelsjuden zu Frankfurt, hatten eine Partie<br />

Branntwein aufgekauft und zum weiteren Verkauf nach Frankfurt bringen<br />

lassen. In Frankfurt jedoch wurden die Fässer beschlagnahmt und denselben<br />

der Verkauf des Branntweins, weil sie Juden seien, vom Rechneiamt verboten.<br />

Es ergeht auch ein entsprechendes Schöffenratsdekret, dass ihnen der Verkauf<br />

des Branntweins nach der Reichspoliceyordnung verboten sei. Daraufhin<br />

schalten sich die Baumeister mit einem Schreiben an den Schöffenrat ein, dass<br />

409


dieses Verbot die gesamte Frankfurter Judenschaft betreffe, in der Stättigkeit<br />

kein entsprechendes Verbot bestünde, es sich um keine Policeysache handle<br />

und daher um die Aufhebung des Verbots gebeten werde. Wiederum ergeht<br />

1771 ein abschlägiges Dekret, gegen welches die Baumeister beim Reichshofrat<br />

appellieren.<br />

Im Gegenbericht verweisen die Baumeister darauf, dass ihnen sämtliche<br />

Unterlagen vom Rat vorenthalten wurden – daraufhin ergeht ein scharfes<br />

Reskript vom Kaiser an den Rat, er möge innerhalb von drei Wochen die<br />

Unterlagen den Appellanten zukommen lassen. Es folgen noch Exceptiones,<br />

Replik und Duplik – auf letzterer bleibt das Verfahren liegen.<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Qdr. 1 enthält diverse Zeugenbefragung der Fuhrleute, die Frankfurter Juden<br />

Branntwein abgekauft haben wollen, anderer Bürger, der Juden selbst etc. Die<br />

beklagten Frankfurter Juden Hecht und Schuster beharren darauf, dass sie nur<br />

koscheren Branntwein gehandelt hätten, während die Handelsgesellschaft von<br />

Mayer und Hertz Götz Amschel zugeben, dass sie eine Ladung Branntwein<br />

auf- und weiterverkauft hätten – dies widerspreche nicht der Policeyordnung.<br />

Qdr. 2 enthält diverse Quittungen für Verkäufe von Branntwein (Thorzettel)<br />

Qdr. 25 gebundener Faszikel der Akten erster Instanz<br />

410


F17 Geiß/Krämer I<br />

Fallnummer 17<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur 2134<br />

Kurzbezeichnung Geiß/ Krämer I<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Gemeine Judenschafft zu Franckfurt am Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die im Monat stehenden Baumeister<br />

namens gemeiner Judenschaft Sußel Mayer Juda und Juda Joseph Schuster (7,<br />

11, 16, 19)<br />

Baumeister laut Mandato 1775: „Löw Isaac Scheuer, Süsel Meyer Juda, Lößer<br />

Leiter, Hertz Joseph Schieff, Abraham Shnapper, Juda Michel Bing,// Joseph<br />

Hirsch Gundersheim, Löb Hertz Wimpfen, Juda Joseph Schuster, Hertz Abraham<br />

Geiger, Gabriel Uffenheimer“ (61–70)<br />

NK 1: Witwe des Meyer Adler<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung durch kaiserlichen Notar Ff: Georg Philipp Hacker<br />

(20), Zeugen: Gottfried Reismann, Johann Nicolaus Kleinpel, Bürger (14, 16,<br />

20), Älterer Herr Bürgermeister: Friedrich Adolph von Glauburg Jun. (14)<br />

Gerichtsprotokoll über Requisition der Akten etc. nicht vorhanden<br />

(2) Beklagter (BK) Handelsleute Geiß und Krähmer, proprio et consortium nomine (BK 1)<br />

sodann den Schöffenrath daselbsten (BK 2)<br />

(2) Beteiligte Personen NK 2: Christliche Gläubiger (Johann Fuchs Witwe und Sohn, Alexander Baert,<br />

Johann David Erpel, Carl Wilhelm Thurneisen)<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

Erstinstanzliches Verfahren: Handelsleute Geiß und Krähmer proprio et Consortium<br />

nomine contra Abraham Löw Oettingerische Eheleute, Intervenienten<br />

(Nebenkläger): Meyer Adlers Wittib über einen Stores von 1000 fl. auf das<br />

Oettingerische Haus, gemeine Judenschaft über ausstehende Gemeindepraestanda<br />

von 212 fl. (11, 12)<br />

(3) RHR Agent HK (Introductio – Gottlieb Lyncker, Libell. grav. – J. Ludwig Alt) ab 06/1775 Erasmus<br />

von Gretzmüller, Substitut: Herr von La Bonté<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

Gretzmüller/ Bonté: 01.03.1775<br />

(4) RHR Agent BK BK 2: Syndicus Johann Jacob Bittner<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb, Gschl. 464, 465), Steeb junior (Johann Bapt. Edler von Steeb, Gschl.<br />

494–496)<br />

411


(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Steeb senior: 07/1761–12/1782<br />

Steeb junior: 01/1783–03/1800<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1774<br />

Verfahrensende 1789<br />

Prozessdauer 15 Jahre (4 aktive Prozessjahre, davon die meisten Aktenstücke 1775)<br />

Zeitliche Lücken 1776–1782, 1784–1788<br />

Anzahl Aktenstücke 10<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–9, Qdr. 6 Bericht Mag. fol. – Deckblatt fehlt, Bericht fol. 1–43, Anlagen<br />

fol. 1– 23<br />

Neupaginierung 1–202<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis 1mae<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

(Qdr. 6, S. 80–86/<br />

fol. 3r–6r)<br />

(Qdr. 6, S. 88–93/<br />

fol. 7r–9v)<br />

(Qdr. 6, S. 146, 147/<br />

fol. 36r,v)<br />

(Qdr. 6, S. 148, 149/<br />

fol. 37r,v)<br />

(Qdr. 6, S. 149–151/<br />

fol. 37v–38v)<br />

Vorstellung der Baumeister bei Schöffenrat<br />

– es möge ihnen der Abzug ihrer<br />

Gemeindepraestanda von 212 fl. von<br />

der Kaufsumme des am 03.01.1774 versteigerten<br />

Oetteringischen 1/3 Hauses,<br />

noch vor Hinterlegung des Depositum<br />

beim Rechneiamt gestattet werden<br />

Vorstellung der Handelsleute Geiß<br />

und Krähmer et Consorten – ein<br />

evtl. Vorzugsrecht müsse schriftlich<br />

bewiesen werden, die ausstehenden<br />

Gemeindeschulden seien nicht bei der<br />

öffentlichen Hypothek eingeschrieben<br />

worden, das Gesuch der Baumeister<br />

daher abzuweisen<br />

Vorstellung der „christlichen Gläubiger“<br />

(Johann Fuchs Witwe und Sohn,<br />

Alexander Baert, Johann David Erpel,<br />

Carl Wilhelm Thurneisen) – die Baumeister<br />

mögen eine Aufstellung ihrer<br />

Forderungen beim Rechneiamt hinterlegen<br />

und dann die Chaluta ausstellen<br />

Vorstellung Baumeister ctr. „christliche<br />

Gläubiger“<br />

Gegenvorstellung „christl. Gläubiger“<br />

ctr. Baumeister<br />

12.01.1774<br />

12.01.1774<br />

18.01.1774<br />

08.02.1774<br />

20.03.1774<br />

412


(Qdr. 6, S. 93–102,<br />

fol. 9v–14r)<br />

Qdr. 6, S. 102–118/<br />

fol. 14r–22r)<br />

Qdr. 1, Anl. 1, S. 4–6<br />

(F18, Qdr. 1,<br />

S. 15, 16)<br />

Qdr. 1, S. Anl. 1,<br />

S. 6–21<br />

F18, Qdr. 1, Anl. 2,<br />

S. 8–23<br />

Replik der Baumeister ctr. Geiß/<br />

Krähmer<br />

?.03.1774<br />

Duplik Geiß/ Krähmer 25.03.1774<br />

1. Schöffenratsdekret – ein Vorzugsrecht<br />

der jüdischen Gemeinde zur<br />

Abziehung ihrer Gemeindepraestanda<br />

von der Verkaufssumme des 1/3<br />

Oettingerischen Hauses (1145 fl. 24 Kr.)<br />

wird nicht gestattet<br />

2 Schöffenratsdekret – die Baumeister<br />

werden zur Ausfertigung der Chaluta<br />

an den Käufer Schuster angewiesen<br />

Erste Appellationseinreichung betr.<br />

1. Schöffenratsdekret<br />

Zweite Appellationseinreichung betr.<br />

2. Schöffenratsdekret<br />

14.05.1774<br />

30.05.1774<br />

25.05.1774<br />

08.06.1774<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr.1 S. 1–21 HK – Introductio appellationis primae 26.08.1774<br />

F18, Qdr. 1 S. 1–23 HK – Introductio appellationis<br />

secundae<br />

Qdr. 2 S. 22–51<br />

HK – Libell. grav. betreffend appellationis<br />

primae et secundae (!)<br />

26.08.1774<br />

06.02.1775<br />

n.n. S. 52, 53 RHR – Reskript um Bericht Mag. Ff 13.03.1775<br />

(Qdr. 3, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 13.03.1775<br />

(F18, Qdr. 3, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 13.03.1775<br />

Qdr. 3 S. 54–60<br />

HK – Insinuationsbescheid, Terminmahnung<br />

Bericht<br />

27.06.1775<br />

Qdr. 4 S. 61–70 HK – Legitimatio ad acta 27.06.1775<br />

Qdr. 5 S. 71–74 BK 2 – Terminverschiebung 2 Monate 27.06.1775<br />

(Qdr. 6, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 03.07.1775<br />

Qdr. 6. S. 75–161<br />

BK 2 – Bericht betreffend appellationis<br />

primae et secundae<br />

(20.07.1775)<br />

Qdr. 7 S. 162–165 HK – Terminmahnung Bericht 04.09.1775<br />

Qdr. 8 S. 166–171 BK 2 – Bitte um rasche Entscheidung 15.04.1783<br />

F18, Qdr. 2+3<br />

S. 24–63<br />

HK – Libell. grav. 07.04.1789<br />

F18, Qdr. 4 S. 64–70 HK – Nebenanzeige zum Libell. 07.04.1789<br />

F18, Qdr. 5 S. 71–81 HK – Legitimatio ad acta 07.04.1789<br />

Qdr. 9 S. 172–202<br />

BK 2 – adductis causis petitis informatorialium<br />

30.06.1789<br />

F18, n.n. S. 82 RHR – Reskript um Bericht 07.02.1801<br />

(F18, Qdr. 6, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 07.02.1801<br />

F18, Qdr. 6 S. 83–86 BK 2 – Terminverschiebung Bericht 30.06.1801<br />

413


F18, Qdr. 7 S. 87–92 HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Bericht<br />

03.07.1801<br />

F18, Qdr. 8 S. 93–114 BK 2 – Bericht De dato<br />

25.06. et<br />

Praes.<br />

13.07.1801<br />

(1) HK Eingaben 5<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 4<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 3<br />

Form RHR Erlasse<br />

0<br />

1<br />

1<br />

0<br />

Reskript um Bericht, Ultimum Conclusum<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien<br />

Am 03.01.1774 wurde das 1/3 Haus des in Konkurs geratenen Ehepaars Abraham<br />

und Frommet Löw Oettingen (Haus zur hinteren Schul) in der Synagoge<br />

an den Meistbietenden, Isaac Salomon Wallich, versteigert. Die Baumeister<br />

fordern vom Rat, dass vor der Abgabe der Verkaufssumme von 1145 fl. an das<br />

Rechneiamt zur Befriedigung der christlichen Gläubigeransprüche (Geiß und<br />

Krähmer 882,81 fl, Johann Fuchs Witwe und Sohn 672,82 fl, Alexander Baert<br />

659,37 fl, Johann David Erpel 379,4 fl, Carl Wilhelm Thurneisen 222,12 fl –<br />

Qdr. 6, Anl. B., fol. 2–4), der jüdischen Gemeinde das Vorzugsrecht gestattet<br />

werden müsse, die noch ausstehenden Gemeindeschulden des Ehepaar Oettingen<br />

von 212 fl. abzuziehen. In erster Instanz klagen die Handelsleute Geiß und<br />

Krähmer sowie die übrigen christlichen Gläubiger gegen dieses Vorzugsrecht<br />

der Baumeister vor dem Schöffenrat, worauf ein erstes Schöffenratsdekret am<br />

14.05.1774 ergeht, das dem Petitum der Kläger folgt und das Vorzugsrecht<br />

abweist. Ausgehend von diesem Dekret erfolgt die erste Appellation an den<br />

Reichshofrat. Kurz darauf wird am 30.05.1774 ein weiteres Schöffenratsdekret<br />

erlassen, das den Baumeister die Ausfertigung der Chaluta (Chelude/Chalotte<br />

verschiedene Bezeichnungen) an den Käufer Wallich auferlegt. Diese von Baumeister<br />

und Oberrabbiner auszustellende Urkunde enthalte die Bestätigung,<br />

dass keine ausstehenden Schulden, insbesondere keine Gemeindeschulden<br />

mehr auf einem zu verkaufenden Haus haften. Die Baumeister verweigern die<br />

Ausstellung dieses Dokuments im Falle Oettingen/Wallich, da die geforderten<br />

ausstehenden Gemeindeschulden nicht bezahlt worden seien und entsprechend<br />

keine solche Urkunde wahrheitsgemäß aufgesetzt werden könnte, ihre Kastenmeister<br />

sich vielmehr des Meineids schuldig machen würden. Von diesem<br />

Schöffenratsdekret ergeht daher die zweite Appellation an den Reichshofrat.<br />

Beide Verfahren werden am Reichshofrat zwar registratorisch als zwei<br />

Verfahren (F17 – RHR, Decisa K 2134, F18 – RHR, Obere Registratur 278/1)<br />

geführt, jedoch gemeinsam verhandelt – das libellum gravaminum sowie der<br />

Bericht des Magistrat in F17 beziehen sich daher auf beide Fälle, das libellum<br />

gravaminum in F18 dient der Begriffserklärung des Chaluta-Dokuments.<br />

Zunächst wird das Verfahren unter dem Rubrum der ersten Appellation<br />

414


weitergeführt, ab 1789 dann unter dem Rubrum der zweiten Appellation. 1801<br />

nach der letzten Eingabe des Magistrats (Bericht in der zweiten Appell.) wird<br />

das Verfahren/die Verfahren abgeschlagen.<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Zitierte juristische und ethnographische Literatur:<br />

HK<br />

S. 24: „L. 4. C. de tempor: appellat: 1 “<br />

S. 34: „L. 15. D. qui potior. in pignor: 2 Carpzov: p. 1. C. 28. Def: 54. 3 “<br />

S. 35: „L. 8. C. de Judaeis 4 “<br />

S. 36: „[Marg: L. 14. C. de Judaeis, C: et si. Judaeis 13. de Judaeis. c. Judaei<br />

21. in fin: de Test: 5 Can: qui sincera diss: 45. 6 p. o. de anno 1548. et 1577.<br />

T. 20. 7 ]“<br />

S. 93/ fol. 9v: „Richter de jure et prio: Cred: c. 2. m. 6. 8 Brunnem: de proc:<br />

conc: Cred: c. 5. §. 20. 9 “<br />

BK1 (aus Bericht Magistrat Qdr. 6):<br />

S. 106/ fol. 16r: „Stryck: in Supplem: ad Brunnem: Proc: conc: C. 5. §. 20. a “<br />

S. 106/ fol. 16r: „Reformat: Francof: P. 2. Tit: 20 §. 3. seq. b “<br />

S. 108/ fol. 17r: „Reform. Francof. P. 2. T. 18. §. 3. c “<br />

S. 109/ fol. 17v: „Autor ad Reformat. Francof., erste Forts. pag: 40. d “<br />

S. 116/ fol. 21r: „Dris Ettling. Diss. de conditione duriore Judaeorum e “<br />

BK2:<br />

S. 124/ fol. 25r: „[Marg: Nova coll: Cons. Tub: V. 2. Cons: 53. n. 16. I Mev:<br />

P. 3. Dec: 282. II Brunnem: ad L. 34. ff. de legibus n. 5. III ]“<br />

S. 129/ fol. 27v und 134/ fol. 30r: „L. 15. ff. qui potior: in pign: IV “<br />

S. 130/ fol. 28r: „Reformation P. 1. Tit: 49. §. 7. V “<br />

S. 132/ fol. 29r: „hießiger Reformation P. 1. Tit: 49. §. 9. VI “<br />

S. 136/ fol. 31r: „Anmerckungen ad Reformationem Francofurtensem in<br />

der 1ten Fortsetzung pag: 128. VII “<br />

S. 136, 137/ fol. 31r, v: „Anmerckungen ad Reformat: Francof: citato loco<br />

in appendice Sub Lit[era] B. pag: 672. und in Adjuncto appellantium Sub<br />

Num[ero] 3. VIII “<br />

Die Appellationen werden laut Klägerschriften bei beiden Reichsgerichten<br />

RHR und RKG eingereicht – dann aber nur am RHR weiterverfolgt. S. 3:<br />

„[…] salvo honore gravirlichen Decret die Berufung an die beyde höchste<br />

Reichs=Gerichte mit Vorbehaltung der Wahl zu ergreifen […] Wann nun<br />

Anwaldts Principalen diese ihre rechtsbehörig eingewandte Berufung bey Euer<br />

Kayserl[ichen] Majestät höchstpreißl[iche]n Reichs Hof Rath spe melioris<br />

justitiae consequendae zu verfolgen entschlossen sind […]“<br />

Der Käufer des Oetteringischen Hauses Wallich lässt die Akten zur Begutachtung<br />

an eine Juristenfakultät schicken:<br />

S. 146: „Hingegen hat nun der Jude Walch das Remedium Transmissionis<br />

Actorum in vim revisionis ergriffen, und die Acten sind dermahlen würcklich<br />

an eine Juristen=Facultaet versendet […]“<br />

415


F18 Geiß/Krämer II<br />

Fallnummer 18<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Obere Registratur<br />

Signatur 278/1<br />

Kurzbezeichnung Geiß/ Krämer II<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Gemeine Judenschafft zu Franckfurt am Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die im Monat stehenden Baumeister<br />

namens gemeiner Judenschaft Sußel Mayer Juda, Juda Joseph Schuster (9, 15,<br />

19, 22) und Abraham Schnapper (19, 22)<br />

Laut Mandato 1789: „Abraham Shnapper, Joseph Hirsch Gundersheim,<br />

Abraham Davidt Wimpfe, Lehman Isaac Hanau, Hirsch Salomon Cahn,// Isaac<br />

Hertz Bonn, Michael Aaron May, Samuel Seligman Stiebel“<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung durch kaiserlichen Notar Ff: Georg Philipp Hacker<br />

(22), Zeugen: Gottfried Reismann, Johann Nicolaus Kleinpel, Bürger (17, 19,<br />

22), Älterer Herr Bürgermeister: Friedrich Adolph von Glauburg (17)<br />

Gerichtsprotokoll über Requisition der Akten etc. nicht vorhanden<br />

(2) Beklagter (BK) Handelsleute Geiß und Krähmer, proprio et consortium nomine (BK 1)<br />

sodann den Schöffenrath daselbsten (BK 2)<br />

(2) Beteiligte Personen NK: Isaac Salomon Wallich (Käufer des Oetteringischen 1/3 Hauses) (10, 12)<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Philipp Maria Goetz<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

03.03.1789<br />

(4) RHR Agent BK Syndicus von Pilgram<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, Gschl. 464, 465), Steeb junior<br />

(Johann Bapt. Edler von Steeb, Gschl. 494–496)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Steeb senior: 07/1761–12/1782<br />

Steeb junior: 01/1783–03/1800<br />

416


ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1774<br />

Verfahrensende 1801<br />

Prozessdauer<br />

27 Jahre (davon 3 aktive Prozessjahre)<br />

Zeitliche Lücken 1775–1788, 1790–1800<br />

Anzahl Aktenstücke 9<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–8<br />

Neupaginierung 1–114<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis 2dae<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

(F17, Qdr. 6,<br />

S. 80–86/ fol. 3r–6r)<br />

(F17, Qdr. 6,<br />

S. 88–93/ fol. 7r–9v)<br />

(F17, Qdr. 6,<br />

S. 146, 147/ fol. 36r,v)<br />

(F17, Qdr. 6,<br />

S. 148, 149/<br />

fol. 37r,v)<br />

(F17, Qdr. 6,<br />

S. 149–151/<br />

fol. 37v–38v)<br />

(F17, Qdr. 6,<br />

S. 93–102,<br />

fol. 9v–14r)<br />

(F17, Qdr. 6,<br />

S. 102–118/<br />

fol. 14r–22r)<br />

Vorstellung der Baumeister bei Schöffenrat<br />

– es möge ihnen der Abzug ihrer<br />

Gemeindepraestanda von 212 fl. von<br />

der Kaufsumme des am 03.01.1774 versteigerten<br />

Oetteringischen 1/3 Hauses,<br />

noch vor Hinterlegung des Depositum<br />

beim Rechneiamt gestattet werden<br />

Vorstellung der Handelsleute Geiß<br />

und Krähmer et Consorten – ein<br />

evtl. Vorzugsrecht müsse schriftlich<br />

bewiesen werden, die ausstehenden<br />

Gemeindeschulden seien nicht bei der<br />

öffentlichen Hypothek eingeschrieben<br />

worden, das Gesuch der Baumeister<br />

daher abzuweisen<br />

Vorstellung der „christlichen Gläubiger“<br />

(Johann Fuchs Witwe und Sohn,<br />

Alexander Baert, Johann David Erpel,<br />

Carl Wilhelm Thurneisen) – die Baumeister<br />

mögen eine Aufstellung ihrer<br />

Forderungen beim Rechneiamt hinterlegen<br />

und dann die Chaluta ausstellen<br />

Vorstellung Baumeister ctr. „christliche<br />

Gläubiger“<br />

Gegenvorstellung „christl. Gläubiger“<br />

ctr. Baumeister<br />

Replik der Baumeister ctr. Geiß/<br />

Krähmer<br />

12.01.1774<br />

12.01.1774<br />

18.01.1774<br />

08.02.1774<br />

20.03.1774<br />

?.03.1774<br />

Duplik Geiß/ Krähmer 25.03.1774<br />

417


(F17, Qdr. 1, Anl. 1,<br />

S. 4–6)<br />

Qdr. 1, S. 15, 16<br />

F17, Qdr. 1, S. Anl. 1,<br />

S. 6–21<br />

Qdr. 1, Anl. 2, S. 8–23<br />

1. Schöffenratsdekret – ein Vorzugsrecht<br />

der Jüdischen Gemeinde zur<br />

Abziehung ihrer Gemeindepraestanda<br />

von der Verkaufssumme des 1/3<br />

Oettingerischen Hauses (1145 fl. 24 Kr.)<br />

wird nicht gestattet<br />

2. Schöffenratsdekret – die Baumeister<br />

werden zur Ausfertigung der Chaluta<br />

an den Käufer Schuster angewiesen<br />

Erste Appellationseinreichung betr.<br />

1. Schöffenratsdekret<br />

Zweite Appellationseinreichung betr.<br />

2. Schöffenratsdekret<br />

14.05.1774<br />

30.05.1774<br />

25.05.1774<br />

08.06.1774<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

F17, Qdr. 1 S. 1–21 HK – Introductio appellationis primae 26.08.1774<br />

Qdr. 1 S. 1–23<br />

HK – Introductio appellationis<br />

secundae<br />

F17, Qdr. 2 S. 22–51 HK – Libell. grav. betreffend appellationis<br />

primae et secundae (!)<br />

26.08.1774<br />

06.02.1775<br />

F17, n.n. S. 52, 53 RHR – Reskript um Bericht Mag. Ff 13.03.1775<br />

(F17, Qdr. 3, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 13.03.1775<br />

(Qdr. 3, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 13.03.1775<br />

F17, Qdr. 3 S. 54–60 HK – Insinuationsbescheid, Terminmahnung<br />

Bericht<br />

Praes.<br />

27.06.1775<br />

F17, Qdr. 4 S. 61–70 HK – Legitimatio ad acta 27.06.1775<br />

F17, Qdr. 5 S. 71–74 BK 2 – Terminverschiebung 2 Monate 27.06.1775<br />

(F17, Qdr. 6, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 03.07.1775<br />

F17, Qdr. 6.<br />

S. 75–161<br />

F17, Qdr. 7<br />

S. 162–165<br />

F17, Qdr. 8<br />

S. 166–171<br />

BK 2 – Bericht betreffend appellationis<br />

primae et secundae<br />

(20.07.1775)<br />

HK – Terminmahnung Bericht 04.09.1775<br />

BK 2 – Bitte um rasche Entscheidung 15.04.1783<br />

Qdr. 2+3 S. 24–63 HK – Libell. grav. 07.04.1789<br />

Qdr. 4 S. 64–70 HK – Nebenanzeige zum Libell. 07.04.1789<br />

Qdr. 5 S. 71–81 HK – Legitimatio ad acta 07.04.1789<br />

F17, Qdr. 9<br />

S. 172–202<br />

BK 2 – adductis causis petitis informatorialium<br />

30.06.1789<br />

n.n. S. 82 RHR – Reskript um Bericht 07.02.1801<br />

(Qdr. 6, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 07.02.1801<br />

Qdr. 6 S. 83–86 BK 2 – Terminverschiebung Bericht 30.06.1801<br />

Qdr. 7 S. 87–92<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Bericht<br />

03.07.1801<br />

418


Qdr. 8 S. 93–114 BK 2 – Bericht De dato<br />

25.06. et<br />

Praes.<br />

13.07.1801<br />

(1) HK Eingaben 5<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 2<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 3<br />

Form RHR Erlasse<br />

0<br />

1<br />

1<br />

0<br />

Reskript um Bericht, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien<br />

Am 03.01.1774 wurde das 1/3 Haus des in Konkurs geratenen Ehepaars Abraham<br />

und Frommet Löw Oettingen (Haus zur hinteren Schul) in der Synagoge<br />

an den Meistbietenden, Isaac Salomon Wallich, versteigert. Die Baumeister<br />

fordern vom Rat, dass vor der Abgabe der Verkaufssumme von 1145 fl. an das<br />

Rechneiamt zur Befriedigung der christlichen Gläubigeransprüche (Geiß und<br />

Krähmer 882,81 fl, Johann Fuchs Witwe und Sohn 672,82 fl, Alexander Baert<br />

659,37 fl, Johann David Erpel 379,4 fl, Carl Wilhelm Thurneisen 222,12 fl –<br />

Qdr. 6, Anl. B., fol. 2–4), der jüdischen Gemeinde das Vorzugsrecht gestattet<br />

werden müsse, die noch ausstehenden Gemeindeschulden des Ehepaar Oettingen<br />

von 212 fl. abzuziehen. In erster Instanz klagen die Handelsleute Geiß und<br />

Krähmer sowie die übrigen christlichen Gläubiger gegen dieses Vorzugsrecht<br />

der Baumeister vor dem Schöffenrat, worauf ein erstes Schöffenratsdekret am<br />

14.05.1774 ergeht, das dem Petitum der Kläger folgt und das Vorzugsrecht<br />

abweist. Ausgehend von diesem Dekret erfolgt die erste Appellation an den<br />

Reichshofrat. Kurz darauf wird am 30.05.1774 ein weiteres Schöffenratsdekret<br />

erlassen, das den Baumeister die Ausfertigung der Chaluta (Chelude/Chalotte<br />

verschiedene Bezeichnungen) an den Käufer Wallich auferlegt. Diese von Baumeister<br />

und Oberrabbiner auszustellende Urkunde enthalte die Bestätigung,<br />

dass keine ausstehenden Schulden, insbesondere keine Gemeindeschulden<br />

mehr auf einem zu verkaufenden Haus haften. Die Baumeister verweigern die<br />

Ausstellung dieses Dokuments im Falle Oettingen/Wallich, da die geforderten<br />

ausstehenden Gemeindeschulden nicht bezahlt worden seien und entsprechend<br />

keine solche Urkunde wahrheitsgemäß aufgesetzt werden könnte, ihre Kastenmeister<br />

sich vielmehr des Meineids schuldig machen würden. Von diesem<br />

Schöffenratsdekret ergeht daher die zweite Appellation an den Reichshofrat.<br />

Beide Verfahren werden am Reichshofrat zwar registratorisch als zwei<br />

Verfahren (F17 – RHR, Decisa K 2134, F18 – RHR, Obere Registratur 278/1)<br />

geführt, jedoch gemeinsam verhandelt – das libellum gravaminum sowie der<br />

Bericht des Magistrat in F17 beziehen sich daher auf beide Fälle, das libellum<br />

gravaminum in F18 dient der Begriffserklärung des Chaluta-Dokuments.<br />

Zunächst wird das Verfahren unter dem Rubrum der ersten Appellation<br />

weitergeführt, ab 1789 dann unter dem Rubrum der zweiten Appellation. 1801<br />

nach der letzten Eingabe des Magistrats (Bericht in der zweiten Appell.) wird<br />

das Verfahren/die Verfahren abgeschlagen.<br />

419


Weitere Bemerkungen<br />

Zitierte juristische und ethnographische Literatur:<br />

HK:<br />

S. 30: „Schuz jüdischen Merkwürdigkeiten Thl. 3. pag: 108. 1 “<br />

S. 42. „Schudt in seinen jüdischen Merkwürdigkeiten befindlichen obangezogenen<br />

Stättigkeit Num. 112. 2 “<br />

S. 46: „Doctor Orth in seinen Anmerkungen zu denen 8 ersten Tituln des<br />

2ten Theils der Frankfurther Stadtreformation pag. 331. 3 “<br />

S. 46: „Orthius cit: lo: pag. 329. seqq. 4 “<br />

BK2:<br />

S. 100: „Dr. Orth die Sache in dem 15ten und 16ten seiner merkwürdigen<br />

Rechtshändel ›sub Num. XV. pag: 1013 ubique nota verbis: a ‹“<br />

Transkription Chaluta-Dokument, Qdr. 8, Anl. 5/ Num. 941, S. 110–112:<br />

„Es ist die reine und aufrichtige Wahrheit daß die drey Viertel Schulsessel<br />

in der untersten Weiber Schul, welche an die zwey Brüder nehmlich Herr<br />

Faist Emden und der Junggesell Abraham Emden, Söhne des verstorbenen<br />

Jacob Emden seeligen Andenkens zu gehörig waren, jezt aber in<br />

Gegenwart der hiesig jüdischen Beglaubten an ihren Bruder Herr Moses<br />

des gedachten verstorbenen Jacob Emden seel: verkauft worden ist, und<br />

ist in denen hiesigen alten und neuen Juden Mannen Schulen drey nach<br />

einander folgende malen ausgerufen und bekannt gemacht worden,<br />

daß wer einen gerechten Anspruch oder Forderung /: an obgedachten<br />

Verkäufer :/ haben werde sowohl durch Hypothek Staarbrief, als durch<br />

sonstigen gerechtsamen Anspruch, kommen und sich damit anmelden<br />

soll, unter der Verwendung und Ahndung, daß im Ausbleibungs= und<br />

Entstehungs Fall, derjenige seiner Reche verlustig würde, wie solches<br />

nach dem in der hiesigen jüdischen Gemeinde zu Frankfurt am Mayn<br />

eingeführten Gebrauch üblich ist; es ist aber kein Mensch in der Welt<br />

gekommen /: der sich mit einem Recht oder Forderung gemeldet habe :/<br />

also haben wir nehmlich die unten unterzeichneten die obgedachte drey<br />

Viertel Schul Sessel mit allem Nutzen und Besitzrechten ohne mindester<br />

Ausnahme an den oberwehnten Moses Emden zu geeignet daß dieselbe<br />

an ihn, dessen Nachkommen und ihren Gewalthabern bis in Ewigkeit zu<br />

einem vollkommenen Eigenthum und zum ewigen Besitzrecht zu gehörig<br />

sey soll. Und stehet also ihm /: gedachter Moses Emden :/ und deßen<br />

Erben und Bevollmächtigte frey und haben Macht mit oberwentem drey<br />

Viertel Schul Sessel zu thun waß sie wollen nehmlich an einen andern<br />

erblich zu machen zu vertauschen, zu verpfänden ja vermiethen oder an<br />

einen andern unentgeldlich zu verleihen umzureißen und aufzubauen<br />

auch zu verkaufen, an wen er wolle, als ein jeder Mensch mit dem Seinigen<br />

verwalten und handlen kann, und Niemand von der Welt demselben<br />

etwas von der Welt hierinn wehren kann, von diesem Tage an, und bis<br />

ewiglich, und als dieses zum beglaubigten Beweis dienen soll, haben wir<br />

uns unterzeichnet alhier in Frankfurt am Mayn am Sonntag den zehenten<br />

im zweyten Ader Monat im fünfhundert und Sechs und fünfzigten Jahr<br />

zur kleinen jüdischen Zeitrechnung /: das ist den 20. Mart. 1796. :/<br />

Pinkas Levi Herwitz<br />

David Sohn des R. Sachiel Schwarzschild Gemeinde Diener und Schulklöpper<br />

der vorhin erwähnten Juden Gemeinden<br />

Daß vorstehende Übersezzung dem hebräischen Original Zueignungs<br />

brief /: Chaluda :/ vollkommen gemäß und ganz gleichlautend von mir<br />

übersezt worden ist, wird hiermit von mir eigenhändig bezeugt. Frankfurt<br />

den 26n May 1796.<br />

Michael Lazarus Geiger Judenbeglaubter allhier.“<br />

420


F19 Hanna Stättigkeit<br />

Fallnummer 19<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa/ Relationes<br />

Signatur<br />

K 2139/ K27, J3<br />

Kurzbezeichnung Hanna Stättigkeit<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Zu Frankfurth Baumeister gemeiner Judenschaft<br />

(1) Beteiligte Personen In erster Instanz agierende Baumeister: „Süßel Mayer Juda, kaiserl[icher] Hoffaktor,<br />

und Abraham David Wimpfen, Namens der hiesigen Juden Gemeinde“<br />

(9, 12, 20, 23)<br />

Laut Legitimatio Baumeister 1775: „Süßel Mayer Juda, Abraham Shnapper,<br />

Joseph Hirsch Gunderscheim, Juda Joseph Schuster, Hertz Abraham Geiger,<br />

Gabriel Uffenheim,/ Lößer Leiter, Hersch Salomon Kahn, Mayer Moßes<br />

Flersheim, Abraham Davidt Wimpfe, Lehman Isaac Hanau, David Abraham<br />

Landau“<br />

„Proc[urator] Stoes no[min]e derer im Monath stehenden jüdischen Baumeister“<br />

(29)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Ff kaiserlicher Notar bei Appell. gegen 1. Schöffenratsdekret: Jonatan Gottlieb<br />

Hacker (15), Zeugen: „Christian Heinrich Stögler, kaiserlich geschwornem und<br />

allhier immatriculirtem Notario, Herr Johann Adam Gümbel Scribenten“ (12,<br />

15), Johann Nicolaus Kleinpell, Bürger (13, 15)<br />

Ff kaiserlicher Notar bei Appell. gegen 2. Schöffenratsdekret: Jonatan Gottlieb<br />

Hacker (24, 27), Zeugen: Johann Lorenz Stellweg, „kaiserl[ich] geschwornem<br />

und allhier immatriculirtem Notario“ und Johann Christian Schmidt, Bürger<br />

und Weißbendermeister (24, 27), Georg Philip Hacker „kaiserl[ich] geschwornem<br />

und allhier immatriculirtem Notarii“ (25, 27), Christian Heinrich Stögler<br />

„kaiserl[ich] geschwornem und allhier immatriculirtem Notarii“ und Johann<br />

Nicolaus Kleinpell (25, 27)<br />

(2) Beklagter (BK) (BK 1) Jüdin Hanna, Wolf Ursels Tochter, die Juden Herz Isaac und Isaac Herz<br />

Fuld und (BK 2) der Schöffenrath zu Franckfurth<br />

(2) Beteiligte Personen „dem Anwaldt der Jüdin Hanna, Proc[urator] Münch“ (29)<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

Zuständiger Älterer Bürgermeister: Hieronymus Maximilian von Glauburg<br />

(12)<br />

(3) RHR Agent HK Herr Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Herr Franz Xaver Matt<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

01.12.1775<br />

(4) RHR Agent BK Syndicus Johann Jacob Bittner<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

421


(5) RHR Referent Steeb sen. (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

07/1761–12/1782<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1778<br />

Verfahrensende 1782<br />

Prozessdauer<br />

4 Jahre<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 22<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–20, Relation in relationes, K 72/ J3 1 unfol.<br />

Neupaginierung 1–352<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis pto wiederrechtlich eingestandene Stättigkeit<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Bürgermeisteraudienz, Rechneiamt, Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 2,<br />

S. 110–111<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 3,<br />

S. 112–117<br />

Qdr. 5, Anl. Num.<br />

[3], S. 118<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 4,<br />

S. 119–141<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 5,<br />

S. 142–145<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 6,<br />

S. 146–147<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 7,<br />

S. 148–151<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 8,<br />

S. 152–159<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 9,<br />

S. 160–162<br />

Mündliche Anzeige HK Baumeister bei<br />

älterem regierenden Bürgermeister wg.<br />

Heiratsverbot Ursel/Fuld<br />

Imploration BK 1 Hanna bei Schöffenrat<br />

wg. Aufhebung des Heiratsverbots<br />

und Bitte um Bannverbot<br />

30.11.1777<br />

30.01.1778<br />

Schöffenratsdekret – Bannverbot 30.1.1778<br />

Rechneyamtsprotokollabschrift des<br />

Verhörs von BK1 Hanna und HK Baumeister<br />

durch Ff Rechneyamt<br />

Nacherinnerung HK Baumeister<br />

bezügl. Stättigkeitsordnung und<br />

Herkommen<br />

Schöfffenratsdekret – Einreichung<br />

Erklärung BK 1 Hanna binnen 8 Tagen<br />

Nacherinnerung BK 1 Hanna Gnadengesuch<br />

Schlußnothdurft HK Baumeister –<br />

Ankündigung Eventual-Appellation<br />

an RHR<br />

Schöffenratsdekret – Abweisung Eventualappellation<br />

bis gerichtl. Verfahren<br />

Ff entschieden<br />

06. und 10.<br />

02.1778<br />

04.03.1778<br />

06.03.1778<br />

06.03.1778<br />

?.03.1778<br />

28.03.1778<br />

422


Qdr. 5, Anl. Num. 10,<br />

S. 163–167<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 11,<br />

S. 168–170<br />

Qdr. 1, Anl. Sigl. O,<br />

S. 9, 10<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 12,<br />

S. 171–178<br />

Qdr. 1, Anl. Sigl. D,<br />

S. 20<br />

Qdr. 1, Anl. Sigl. O<br />

und D, S. 6–16 und<br />

17–28<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 13,<br />

S. 179–183<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 13,<br />

S. 183<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 14,<br />

S. 184–187<br />

Qdr. 5, Anl. Num. 15,<br />

S. 188,189<br />

Gegenerklärung BK 1 Hanna – Gnadengesuch<br />

Entschuldigungsanzeige HK Baumeister<br />

– Eventual-Appellation eingelegt,<br />

um vorzeitige Hochzeit zu verhindern<br />

Definitiv-Dekret Schöffenrath Ff – Heiratsverbot<br />

aufgehoben, Befehl Hanna<br />

und Herz Isaak Fuld zur Stättigkeit zu<br />

präsentieren, gleichzeitig beim Rechneyamt<br />

das unehrenhafte Verhalten der<br />

Hanna anzuzeigen, damit die entsprechende<br />

Bußverfügung ergehen kann<br />

Memoriale BK 1 Hanna sowie Herz<br />

Isaak Fuld, Isaak Herz Fuld – Beschwerde<br />

über Bannanlegung, der sie in<br />

ihrer Nahrung hemme, Bitte um Verbot<br />

bei Geldstrafe<br />

Definitiv-Dekret Schöffenrat Befehl an<br />

Baumeister, Hanna und Cons. noch am<br />

selben Tag aus dem Bann zu nehmen<br />

bei 200 Rtl. Strafe<br />

HK Baumeister – Appellationseinreichung<br />

Anzeige BK 1 Hanna sowie Herz Isaak<br />

Fuld, Isaak Herz Fuld – erneute Bitte<br />

um Bannverbot bei Geldstrafe<br />

Dekret Schöffenrat Befehl Bannaufhebung<br />

binnen 24 Stunden, sonst<br />

Zwangsmittel<br />

Anzeige HK Baumeister – Aufhebung<br />

des Bannes cum protestatione de non<br />

praejudicando, Verbot an Fuld, dass er<br />

den Sabbatmantel und Kragen trage in<br />

der Synagoge<br />

Dekret Schöffenrat – Verbot bei 200<br />

Rthlr. an Fuld, Sabbatmantel und Kragen<br />

zu tragen, Verweis, die kaiserliche<br />

Entscheidung abzuwarten<br />

11.04.1778<br />

28.04.1778<br />

06.06.1778<br />

11.06.1778<br />

11.06.1778<br />

10. und<br />

12.06.1778<br />

12.06.1778<br />

12.06.1778<br />

13.06.1778<br />

29.06.1778<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, S. 1–31<br />

HK – Introductio appellationis, Terminverschiebung<br />

Libellum Gravaminum<br />

05.09.1778<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 01.12.1778<br />

Qdr. 2, S. 32–35<br />

BK – Terminmahnung Libellum<br />

Gravaminum<br />

29.01.1779<br />

(Qdr. 3, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 01.12.1778<br />

Qdr. 3, S. 36–39<br />

HK – Terminverschiebung Libellum<br />

Gravaminum<br />

01.02.1779<br />

Qdr. 4, S. 40–49 HK – Legitimatio ad acta 01.02.1779<br />

423


(Qdr. 5, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 19.02.1779<br />

Qdr. 5, S. 50–192 HK – Libellum Gravaminum 05.03.1779<br />

(n.n., S. 193) RHR Schreiben um Bericht 18.02.1780,<br />

bezahlt<br />

Grezmüller<br />

20.03.1780<br />

(Qdr. 6, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 18.02.1780<br />

Qdr. 6, S. 194–200<br />

Qdr. 7, S. 201–204<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Informatoriales<br />

BK – Terminverschiebung Informatoriales<br />

13.06.1780<br />

13.06.1780<br />

(Qdr. 7, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 19.06.1780<br />

Qdr. 8, S. 205–208<br />

BK – Terminverschiebung Informatoriales<br />

18.08.1780<br />

Qdr. 9, S. 209–212 HK – Terminmahnung Informatoriales 19.08.1780<br />

(Qdr. 10, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 21.08.1780<br />

Qdr. 10, S. 213–285<br />

BK – Bürgermeister und Rat Bericht<br />

(Fol. 1–35)<br />

Exhibet<br />

07.10.,<br />

Praes.<br />

17.10.1780<br />

Qdr. 11, S. 286–289 HK – Terminmahnung Informatoriales 20.10.1780<br />

(Qdr. 12, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 27.04.1781<br />

Qdr. 12, S. 290–293<br />

Qdr. 13, S. 294–297<br />

HK – Terminverschiebung Reinformatoriales<br />

BK – Terminmahnung Reinformatoriales<br />

28.06.1781<br />

28.06.1781<br />

(Qdr. 14, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 02.07.1781<br />

Qdr. 14, S. 298–301<br />

Qdr. 15, S.302–305<br />

HK – Terminverschiebung Reinformatoriales<br />

BK – Terminmahnung Reinformatoriales<br />

03.09.1781<br />

03.09.1781<br />

(Qdr. 16, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 12.11.1781<br />

Qdr. 16, S. 306–309<br />

Qdr. 17, S. 310–316<br />

BK – Terminmahnung Reinformatoriales<br />

HK – Terminverschiebung Reinformatoriales<br />

11.01.1782<br />

14.01.1782<br />

Qdr. 18, S. 317–341 HK – Gegenbericht 04.02.1782<br />

(n.n., S. 342, 343)<br />

Qdr. 19, S. 344–348<br />

RHR – Reskript, Appell.prozess wird<br />

abgeschlagen, der Magistrat und die<br />

Baumeister ernstlich verwarnt<br />

RHR Steeb – Anzeige, dass die Strafe<br />

für BK 1 nicht erlegt<br />

03.09.1782,<br />

bezahlt<br />

Grezmüller<br />

28.10.1782<br />

05.09.1782<br />

Qdr. 20, S. 349–352 RHR Steeb – Rücknahme der Anzeige 09.09.1782<br />

(1) HK Eingaben 11<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

5<br />

424


(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 7<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 11 (+2)<br />

Form RHR Erlasse<br />

3<br />

2<br />

4<br />

Reskript, Dekret, Ultima Conclusa, Anzeigen RHRat Steeb<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Gemeindemitgliedschaft, Unzucht, Bann<br />

Hanna (Henle, Hänle) Ursels Vater, Wolf Ursel, war zwar nach Ff verheiratet,<br />

starb jedoch bevor er die Stättigkeit erreichte. Nach der erneuten Heirat der<br />

Mutter mit Moses Löw Reus wuchs sie seit ihrem sechsten Lebensjahr bei<br />

ihren Großeltern (Großvater: Manasse Lazarus Ursel) in Hamburg auf. Hanna<br />

heiratete in erster Ehe bereits nach Ff den Salomon Herz Zunz, wurde jedoch<br />

innerhalb einiger Monate geschieden, weil sie von einem anderen schwanger<br />

war und zwei Monate nach der Verehelichung entband. Ein Jahr nach<br />

der Scheidung will sie nun den Schutzjuden Isaac Herz Fuld heiraten – ein<br />

Gremium der Baumeister und 15 Gemeindemitgliedern gestatten ihr jedoch<br />

weder Heirat noch Vorschlag für die Stättigkeit. Der Magistrat verhört beide<br />

Seiten – Hanna vertritt ihre sehr vehement: das sei ein Jugendfehler gewesen,<br />

den sie mit einer Geldstrafe (15 fl.) gebüßt hat und den man ihr nicht Zeit<br />

ihres Lebens nachsagen könne, sie bei ihren Großeltern in Hamburg zwar gelebt<br />

aber doch eigentlich aus Ff stamme, dort ein halbes Haus (zum goldenen<br />

Stein, während ihrer Abwesenheit verwaltet von Baumeister Joseph Hirsch<br />

Gundersheim und Kastenmeister Herz Isaac Bonn) sowie Vermögen (200<br />

Carolinen Gold) besitze und es eine Frechheit sei, sie als Dirne zu bezeichnen<br />

etc. Die Baumeister werden vom Magistrat per Dekret dazu gezwungen, die<br />

Trauung durchzuführen und es wird ihnen verboten, den Bann gegen das Paar<br />

zu verhängen. Die Baumeister appellieren an den Kaiser, die Appellation wird<br />

abgeschlagen. (Reskript Kaiser 1782) – Hanna und ihr Mann müssen jedoch<br />

jeweils eine Mark Silber Strafe zahlen, weil sie das kaiserliche Urteil nicht abgewartet<br />

haben, sondern sich mittlerweile „auswärts copuliren lassen“ haben.<br />

Zitierte juristische und ethnographische Literatur:<br />

HK:<br />

S. 335: „[…] ›Beck vom Rechte der Juden, cap: 7. §. 24.‹ 1 “<br />

BK1:<br />

S. 165: „[…] ›cf. Mev. ad Jus Lubecens. L.4.J.5.A Art.1 addit: 2 Modest.<br />

Pistor Cons. 46.n.10. 3 Menochius de arbitr. Judic. quaest.L.2.Cas.328 4 und<br />

insbesondere des Carpzov in P.2.C.6.D14.n.6.scqq. 5 “<br />

Transkription HHStA, RHR, Relationes, K 72, o.F.<br />

„Votum<br />

In Beurtheilung dieses Petiti, da im übrigen das Factum wie von der appellantischen<br />

Judenschaft, so auch von dem Magistrat zu Franckfurt ganz<br />

gleich angegeben wird, dürfte es meines Ermessens auf Untersuchung des<br />

appellantischen Gravamina, und ob, und in wieweith solche gegründet,<br />

ankommen.<br />

Was nun das<br />

Grav. 1mum partis appellantis betrifft, und darinn besteht, das nemmlichen<br />

nur den judicio a quo wieder die ihme anzulegen, oder abzuändern<br />

nicht gebührende Gesäze, Privilegien, hergebrachte Gebräuche, und<br />

425


426<br />

Gewohnheiten, und besonders gegen die Juden Stättigkeit § 106 dann 112<br />

und der selbe Schluss gehandlet, und ich meines wenige Arts allerdings<br />

vor gegründet halte und der Mainung seye, das wenn seye jemand begünstiget,<br />

oder davon abgewichen werden wolte, ein solches nicht durch<br />

den Magistrat zu Franckfurt, sondern allenfals durch kayserliche Mayestät<br />

geschehen könte, und es nur darauf ankomme, ob der Juden Stättigkeit<br />

entgegen gehandelt werde; so ich aber /: dieses derfürhalte :/<br />

denn, so ist auch in der Juden Stättigkeit §vo 109 versehn, das unter den<br />

eingebohren Juden jährlich über 12. Paar zu Haurath nicht verstattet,<br />

auch b. §vo 106 das keiner zur Stättigkeit angenohmmen werden solle,<br />

welcher nit der aeltesten Zehnden Kundtschafft seines Wohlverhaltens<br />

vorlegen könne, welches dann die Zehnder zue beaidigen, das sie nichts<br />

verhalten, sondern die Warheit anzeigen wollen. item c./ §vo 112 das die<br />

gemeine Judenschafft durch einen Ehrbaren Rath ohne der kayserlichen<br />

Mayestät Bewilligung mit weitere Verordnung, und anderrn ohnhergebrachten<br />

oneribus nicht beschwehret werden. Endlich am Schluss wird<br />

verordnet, zu allen Theilen der Stättigkeit in allen ihren Puncten- und<br />

Article gemäs zu leben, die statt- und fest zu halten, und zuwieder nichts<br />

zu thuen, auch keine Neuerung so ohne kayserliche Mayestät Bewilligung<br />

einzuführen, sondern die Judischheit bey ihren Ceremonien, hergebrachte<br />

Gebräuchen, und Privilegien verbleiben zu lassen, auf das niemand<br />

solche Ordnung abzuthun, oder zu verändern, oder gar eine neue zu<br />

machen, denn alleinig kayserlicher Mayestät vorbehalten seyn, und<br />

bleiben solle.<br />

Nimme ich nun diese Verordnung seinem blanken Wortlaut nach, so<br />

wisse ich wirklich nicht, wie Magistratus sich herausnehmen können, in<br />

seinem Decret vom 6. Jun. 1778 schlechterdings zu erkennen, daß der<br />

Jüdin Hanna, und ihrem Verlobten mit Aufhebung des unterem 16ten<br />

Jan. diciti anni 1778 geschehenen Verboths die Vollziehung der Haurat<br />

in Hinsicht der Stättigkeits Fahigkeit verstattet, und sogar jüdische Baumeister<br />

gehalten seyn sollen, ihnen keine weiter Hinderung zu machen,<br />

sondern viel mehr die selbe bey nächster Vorstellung dem Rechneyamt<br />

zur Stättigkeit zu praesentiren.<br />

Denn obangezogener § 106 will, das keiner zur Stättigkeit angenohmmen<br />

werden solle, der nicht der ältesten Zehender Kundschafft seines Wohlverhaltens<br />

vorlegen kann.<br />

Die Zehender sollen sogar, um die Wahrheit nicht zu verheelen, beaidiget<br />

seyn.<br />

Sotane Kundtschafft ist von unserer Appellatin um so weniger bey<br />

gebracht, als viel mehr ihres Verhalts willen ihre eigne Geständnis sub<br />

Num. 4. inducirt, vorlieged. Nach welchem sie nicht verneint, das sie<br />

schwanger aus Hamburg zu Franckfurt angekommen, dort an einen<br />

Mann, der seine Frau nicht erkant, als eine Jungfer sich verhaurathet, aber<br />

da sie in etlichen Monaten Kändts Mutter geworden, von diesem wieder<br />

geschieden worden.<br />

Ich will zwar nicht behaupten, das sie dieses Fehltritts halber auf ewig<br />

von der Stättigkeit ausgeschlossen seyn, und bleiben solle, weilen mir,<br />

das dieses in Franckfurt bey der Judenschafft hergebracht, in bisherigen<br />

Verhandlungen nicht genüglich, und eben wenig vorgethan worden ist,<br />

das dieses bey denen Juden ein Gesäz seyn solle.<br />

Doch scheenet mir gewis so viel mehr wahr zu seyn, das bey so bewandten<br />

Umständen wenigstens hic, et nunc das Zeugnis des Wohl Verhaltens<br />

mit besser Fug abgeschlagen, und die Stättigkeits Erlangung so damit verneinet<br />

werden können, und sollen; und eben wenig Magistratus Ursach<br />

gehabt habe, das von ihme selbst verhängte Haurats Verbot, als nur ruhig<br />

aufzuheben, da dieses in der Ordnung eine Vorbereitung zur Stättigkeits<br />

Erlangung ist.<br />

Deme trittet bey, das meiner Meinung nach allerdings den Umständen in<br />

der Judengassen angemessen zu seyn scheinet, das in etwa schärfers mit<br />

denen pcto 6ti sich vergehenden Jud- und Jüdinnen zu Werck gegangen


werde, weilen, wenn mann zu nach- und hinsichtig seyn solte, dieses bey<br />

der überhauften Volcks Menge leichtlich Gelegenheit unterstellen derfte,<br />

das sich mehrere auf gleiche Art verfangen machen, und am Ende die Juden<br />

Gemeinschafft mit derley Gattung Leuthen angefillet werden müste,<br />

weilen die Furcht vor der Stätigkeit, wo nicht für alle Zeit, doch auf eine<br />

längere Zeit aussgeschlossen zu werden, und Schutze nicht anderst, als<br />

durch höhere, und allenfalls durch kayserliche Begnadigung gelangen zu<br />

können, gewiß mehrers wircken wird, als immer eine andere Bestrafung.<br />

Ich weis auch wirklich nicht, wie Magistratus gegen die klahre aber<br />

wesentlich angeführte Jüdische Stättigkeits Ordnung, und wider den blate<br />

Worthlaut, des niemand hierunter, denn alleinig kayserliche Mayestät<br />

was anders zu verordnen, vermögend seyn solle, sich unterziehen mögen,<br />

sotaner Verfügung grade entgegen, ohne die nötige Kundschafft des<br />

Wohlverhaltens von denen des Endes zu beaidigen zusender Zehnder<br />

erhalten zu haben, die welche jedoch, angeführten, von der Hanna selbst<br />

einbekanter Ursachen halber ex fide niehmahls zu ertheilen gewesen<br />

wäre, fürschritten, und schlechterdings auss eigener Macht den Jüdischen<br />

Baumeistern auferlegen können, daß sie eben da selbe gleich bey nächster<br />

Vorstellung zur Stättigkeit praesentiren sollen, ausser es müste Magistratus<br />

sich überzeugt halten, Appellatin Hanna habe durch ihren, wie immer<br />

zu benenn seyn mögenden Fehltritt ein besonders Kennzeichen ihres<br />

Wohlverhaltens abgeleget.<br />

Ordnungsmäßig würde Magistratus gehandlet haben, wenn der selbe<br />

durch enen Zwischenbescheid gesagt haben würde, Appellatin wäre<br />

von der Stättigkeit nicht vor alle Zeit auszuschliesen, bey sondern nur<br />

in solang sie durch längeren Zeitverschluß mehrere Kennzeichen ihres<br />

künftigen Wohlverhaltens dargethan, und dadurch die Besserung ihres<br />

begangenen angeblichen Jugendfehlers dargeleget haben würde; es wäre<br />

denn Sach, das implorantische Baumeister ihr angezogen Mosaisches<br />

Gesäz, oder wenigsten des Herkommen bis dortige Judenschafft besser,<br />

als geschehen unter einen zu praefigiren gewesten termino ausgewiesen<br />

haben würden.<br />

Denn einst- und anderes wäre meiner Einsicht nach alleinig zur Beweisung<br />

der Ausschliesung von der Stättigkeit auf alle Zeit hinreichend; zu<br />

einstweiliger Entsagung der Vorschlagung aber untereinst ware genüglich<br />

die eigne Einerkantnis der Hanna, und hat es nicht einmahl vieler Disquisition<br />

bedurft, ob die Zehender richtig ausgewählet, und wie der selben<br />

Eigenschaften bestellet ware, da die Hanna ihr gedoppeltes Vorgehen<br />

selbst ein bekennet, und hoffentlich niemand sagen wird, das sich ein<br />

Juden Mägdel wohl verhalte, wenn sie sich schwängern läßt, und mit<br />

volem Bauch einen 3ten der sie nicht erkant, recht hinterlistig angeführt,<br />

und haurathet, und von solchem wieder geschieden wird. Noch glaube<br />

ich, daß die Baumeister übel gehandlet, wenn sie die Appellatin sogleich<br />

zur Stättigkeit in Vorschlag zu bringen, sich geweigert haben.<br />

In diesem sämtlichen Betracht, und ich meine wenigen Arts das erste<br />

Gravamen allerdings für bestens gegründet halte, sommit der Mainung<br />

sey, Magistratus habe keines wegs die Befugnis gehabt, gegen den klahren<br />

Buchstaben der Stättigkeit per decretum a quo denen appellantischen<br />

Baumeistere aufzuerlegen, bey negsten Vorschlag die Appellatin bey dem<br />

Rechneyamt zur Stättigkeit zu praesentiren;<br />

in weitere Rücksicht dieser Auftrag allerdings eine Abweichung von<br />

der Stättigkeit ganz unlaugbahr begründet, dieses aber ad §vo 112 der<br />

Stättigkeit, eiusqui finale dem Magistrat zu Franckfurt keineswegs,<br />

sondern alleinig kayserlicher Mayestät gebühret, folglich auch hierwegen<br />

in meinem Annehmen Magistratus sich eines incompetente conosus, und<br />

quaesti Begnadigungs Ertheilung unterzogen hat; dessen sich doch der<br />

selbe sich keineswegs zu ermächtigen hat, sey wenn ein Einbruch oder<br />

Abweichung von der Stättigkeit geschehen solle, darüber an kaiyserliche<br />

Mayestät jedesmahl zu recurriren ist, als allerhöchst welcher ausdrücklich<br />

vorbehalten worden, die Stättigkeit nach Bescheid zu ändern – und zu<br />

427


428<br />

mehren, oder gar aufzuheben, dahin gegen dem Magistrat alle Abweichung<br />

von der selben untersaget, und er angewisen ist, sich genau nach<br />

der vorgeschriebenen Ordnung zu benehmen.<br />

Ich finde auch das zweite Grav. allerdings gegründet:<br />

Denn ehe- und bevor das erstgravirlich Decret den 6. Juny 1778 war<br />

erlassen, partibus aber erst den 10ten eiusdem mensis, et anni insinuirt<br />

worden, war bereits intermistice der Appellatin Hanna, und ihrem<br />

Verlobten bis zu Ausstrag der Sache die wirkliche Copulation sup poena<br />

nullitatis eben so, wie der Judenschafft mit dem Bann gegen selbe fürzugehen<br />

verbotten.<br />

Von besagtem gravirlichen Decret, welches den 10ten insinuirt worden,<br />

ist sub eodem die Appellation, als welche eventualiter bereits vorhero<br />

zeug der Ziffer 8.9 nes 11 libelli grav. angemeldet war, formlich interponirt,<br />

und sich ad quaevis solennia anerboten worden.<br />

Die Jüdin Hanna warthete nicht einmahl die legale Insinuation des decreti<br />

a quo viel weniger das decendius ab, sondern verfügte den Tag zu vor<br />

nebst ihrem Verlobten, sich an ein anderes Ort Ursel mit Nahmen liese<br />

sich copuliren, und komme tamquam de re bene gesta nach Franckfurt<br />

zurück.<br />

Wegen diesem Ausstritt wurde sie und ihr Verlobter, auch dessen Vatter<br />

in den Jüdischen Bann gelegt, worüber die Gebannten sich den 11.<br />

eiusdem mensis, et anni beschwehrten, ihre Handlung als eine erlaubte<br />

Handlung vorschrieben, hingegen der Baumeister Verfahren als eine<br />

unerlaubte Eigenmacht, da sie partem – und judicem zu gleich machten,<br />

angaben, und baten:<br />

Fürderlich abschliesliche Verordnung ergehen zu lassen diese erfolgte<br />

auch sub eodem in continenti dahin: das den Bürgermeisteramt aufgetragen<br />

worden es: Ziffer 12 die Jüdische Baumeister zu verhalten, das sie den<br />

Bann augenblicklich bis 200 Rhr Straf aufheben, und dagegen keine Vorstellung,<br />

Appellation angegehen, sondern der Übertrag executive durch<br />

gesezt, die Baumeister aber über diesen Unfug ad Protocollum gestituirt,<br />

und dieses ad Magistratum eingesandt werden solle.<br />

Die den 12. Jun. 1778 hergegen abermahl eingelegte Appellation wurde<br />

zwar ad judicium verwiesen, solcher aber alleinig der effectus devolutivus,<br />

und keineswegs solecensivus zu gestanden, und übrigens dem<br />

vorgen Auftrag an das Bürgermeisteramt sub interminatione severionum<br />

ordinationum insistirt, wenn nicht innerhalb 24 Stunden parirt worden<br />

seyn solte. vid. N. 13. So auch nach dem Ziffer 14 libelli grav. salva tamen<br />

provocatione interposita wirklich geschehen, und der Bann aufgehoben<br />

worden ist.<br />

So wies nun seyn mag, das die Judenschafft mit Erkennung des Banns<br />

zu weit gegangen seyn dürfte da das erste decretum gravans das bereits<br />

im Jenner 1778 gemachte Verbot des Hauraths wiederum aufgehoben<br />

hingegen das Verbot gegen die selbe weder mit dem grosen noch kleinen<br />

Bann zu verfahren, annoch stehn geblieben ist. vid. Num 3 libelli grav.;<br />

so gewis ist auf der anderen Seite jedoch auch der eben so attentirlich,<br />

und in seiner maas geschärd-vol Appellatin, und ihre gesantes gehandlet,<br />

da sie weder das decendius interponendae appellationis, ja nicht<br />

einmahl die legale Insinuation decret a quo abgewarthet, mithin ohne das<br />

sothanes decretus rechtskräfftig geworden ware, mit ihrer Verhaurathung<br />

fürgefahren, und solchergestalt zumahlen ausswärts, fortan subdole, in<br />

gewissem maase die bereits den 10 Jannis, mithin tags ehevor interponirte<br />

Appellation in seiner maase elesorisch zu machen, getrachtet hat.<br />

Dieses syndicirte Magistratus nicht einmahl, gabe andurch aber zu<br />

erkennen, das mann keinesweegs mit nötiger Unpartheylichkeit zu Werck<br />

gegangen seye.<br />

Denn gleichwie der selbe sich herausgenohmmen, interposita iam<br />

appellatione in Betref des Bannes Verfügungen zu erlassen, eben so<br />

hätte der selbe auch die all zu vor eulige, zu mahlen ausswärts geschehne<br />

Vereheligung der Appellatin anden können. Kame ihme diese nicht zu, so


sehe ich auch wirklich nicht ein, mit was Rechtsgrund der selbe die Bann<br />

Verfügung anden und hierwegen executivisch verordnen können.<br />

Sein Amt war durch Ertheilung des ersten decreti a quo vollendet, die<br />

unternohmene Copulation, ehe die decretus a quo zu Rechtskräfften<br />

erwachsen war, ist ofenbahr attentirlich, da pars appellata wirklich der<br />

durch zu sezen sich unterwunden hat, was in appellatorio erst ferner weit<br />

ausgeführet werden sollen, dieses war auch um so uniustificirlicher, als<br />

auss eben dieser bessorg bereits im Marti vorher die Appellation eventualiter<br />

angemeldet worden ware. sind es also meiner Mainung nach wirklich<br />

incompetenter die Decreta vom 11. und 12. Jun. nach sogar wircklich<br />

interponirte Appellation erlassen worden, folglich zu cassiren.<br />

Solch allem nach auch das petitus partis appellantis zu gelangen: finde<br />

ich meo tenui judicio kein Bedenken, plenarios appellationis processus<br />

zu erkennen, und da bis weiterer Aussführung denen vorligenden Umständen<br />

zu folge wir wirklich nichts Neues hören können, wenn nicht die<br />

Judenschafft praetendiren wolte, es wäre gegen ihr Caeremonien, gegen<br />

das Mosaische Gesäze, und gegen das Herkommen bey Franckfurther<br />

Judengemeinde, das eine Person, so sich mit dem 3ten fleischlich vorgangen,<br />

und eines Kindes genesen, jehemahls in die Stättigkeit aufgenohmmen<br />

werden solle, als welches ich unter einß oben erwehnter masen nicht<br />

zu entscheiden gedächte, so hätte ich auch kein Bedencken, suspensa<br />

expeditione appellationis processum dahin zu rescribiren:<br />

Magistratus habe allerdings durch das decretum a quo zu viel gethan,<br />

das der selbe den appellantischen Jüdischen Baumeistere aufgetragen,<br />

Appellatin, und ihren Verlobten bey nächster Vorstellung dem dortigen<br />

Rechneiamt zur Stättigkeit zu praesentiren, und das der selbe soferners<br />

interposita iam appellatione sich angemast, über die des verhängten Bannes<br />

halber geführte Klage eine weitere Cognition sich zu unterziehen, und<br />

sogar executivisch zu Werck zu gehen, im Gegentheil nicht einmahl zu<br />

anden, das Appellatin, und ihr Verlobter unangesehen der bereits im Martio<br />

vorher eben um dess willen angemeldeter Eventual-Appellation, und<br />

ohne abzuwarthen, daß die ertheilte Erkäntnis sofort rechtskräfftig geworden<br />

wäre, sich frevelmüthig unterwunden, sogar vor beschehener legaler<br />

Insinuation mehr erwehnten decreti a quo sich ausswärts hin zu begeben,<br />

und alleinig in der Absicht die eventualiter angemeldete, und nunmehro<br />

wirklich interponirte Appellation zu umgehen, allerdings geschärde vol<br />

sich copuliren zu lassen. Es hätte dahero Magistratus die decreta a quibus<br />

wieder einzuziehen, und denen Jüdischen Baumeistern und Zehenderen<br />

gegen den klahren Buchstaben der Stättigkeit nicht anderst, als wenn<br />

in der Folge Appellatin genügliche Zeugnisse ihres verbesserten Lebens<br />

Wandel dargeleget habe, mithin die Ursach der Verneinung gehoben seyn<br />

würde, zur Praesentirung der selben in die Stättigkeit und dieses auch nur<br />

auf den Fale, zu zumuthen, wenn die Jüdische Baumeister nicht besser, als<br />

geschehen, erproben würden, das die behauptende Ausschliesung nur alle<br />

Zeit in den Mosaischen Gesäze, oder nach dem Herkommen bey dortiger<br />

Judenschafft gegründet seye.<br />

Wie denn auch Magistratus mit vorweisen werde, das der selbe interposita<br />

iam appellatione in puncto des verhängten Bannes sich einer fernern<br />

Erkäntnis unterzogen, und solchergestalt der allerhöchsten Erkäntnis vorgegriffen,<br />

wie nun ein- und anderes aber unterthänigst befolget werden<br />

gewärtigte ihre kayserliche Mayestät zu seiner Zeit die allergehorsamste<br />

Anzeige.“<br />

429


F20 Sichel Stättigkeit<br />

Fallnummer 20<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa/ Relationes<br />

Signatur K 2139/ K 72<br />

Kurzbezeichnung Sichel Stättigkeit<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Zu Franckfurth gesamte Judenschaft<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellations wird eingereicht durch die beiden im Monat stehenden Baumeister<br />

Joseph Hirsch Gundersheim und Gabriel Uffenheim namens gesamter<br />

Judenschaft zu Frankfurt (3, 7, 9, 12, 15)<br />

Vom Rechneiamt verhört wurden zuvor die im Monat stehenden Baumeister<br />

Juda Joseph Schuster und Abraham David Wimpfe (29)<br />

Baumeister laut Legitimatio 1779: „Lößer Leiter, Abraham Shnapper, Joseph<br />

Hirsch Gundersheim, Hertz Abraham Geiger, Gabriel Uffenheimer, Mayer<br />

Moßes Flerscheim, Abraham Davidt Wimpfe, Lehman Isaac Hanau, Hersch<br />

Salomon Kahn, David Abraham Landau“ (117–127)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung durch kaiserlichen Notar Ff: Johannes Wilhelm Marr<br />

(16), Zeugen: Ludwig Heinrich Moeller, Scribent, und Jacob Philipp Ff Schneider,<br />

Lehnbedienter (7, 16), Älterer Herr Bürgermeister: Friedrich Adolph von<br />

Glauburg (7)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Stoeß no[min]e des<br />

Juden Bau Meisters Gunthersheim und Uffenheimer Namens der gantzen<br />

hiesigen Judenschaft“ (18)<br />

(2) Beklagter (BK) (BK 1) Moses Salomon Sichel und den (BK 2) Schöffenrath daselbst<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Herr Matt<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

17.08.1779<br />

(4) RHR Agent BK Syndicus Johann Jacob Bittner<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb, Gschl. 464, 465), Steeb junior (Johann Bapt. Edler von Steeb, Gschl.<br />

494–496)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

430


(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Steeb senior: 07/1761–12/1782<br />

Steeb junior: 01/1783–03/1800<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1779<br />

Verfahrensende 1787<br />

Prozessdauer 8 Jahre (aktive Prozessjahre: 5)<br />

Zeitliche Lücken 1783–1785<br />

Anzahl Aktenstücke 21<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–18, Relatio unfol.<br />

Neupaginierung 1–288<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis pto widerrechtlich eingestandene Stättigkeit<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat, Rechneiamt<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

(Qdr. 2, Anl.1, S. 24) Vorstellung des Moses Salomon Sichel<br />

contra die Baumeister beim Schöffenrat,<br />

Verweis zur Untersuchung an<br />

Rechneiamt<br />

12.02.1778<br />

Qdr. 2, Anl. 1,<br />

S. 24–71<br />

Qdr. 2. Anl. 3,<br />

S. 76–88<br />

Verhörprotokoll des Rechneiamts 18.02.1778<br />

Erneute Vorstellung Moses Salomon<br />

Sichel contra die Baumeister beim<br />

Schöffenrat<br />

Qdr. 2. Anl. 3, S. 88 Dekret Schöffenrat – Frist binnen 8<br />

Tagen zur Einbringung einer Gegennotdurft<br />

Qdr. 2. Anl. 4, 5, 6<br />

S. 89–100<br />

Erklärung der Baumeister, mit Anlage<br />

aus dem Hebräischen ins Deutsche<br />

übersetzter Auszug aus dem „Praestandenbuch“<br />

der Jüdischen Gemeinde<br />

(Übersetzer: Amschel Salomon Pfan<br />

und Wolff Salomon Levi, beide „Juden<br />

Beglaubter allhier“ 95–100)<br />

Qdr. 2. Anl. 7, S. 101 Dekret Schöffenrat – Frist binnen 8<br />

Tagen des Samuel Juda Schuster zur<br />

Einbringung einer Notdurft<br />

Qdr. 2. Anl. 8,<br />

S. 102, 103<br />

Qdr. 2. Anl. 9,<br />

S. 104–107<br />

23.02.1778<br />

28.02.1778<br />

o.d.1778<br />

27.05.1778<br />

Vorstellung des Samuel Juda Schuster 25.06.1778<br />

Replik Moses Salomon Sichel 03.07.1778<br />

Qdr. 2. Anl. 9, S. 107 Dekret Schöffenrat – Frist binnen 8<br />

Tagen zur Einbringung einer Duplik<br />

10.07.1778<br />

431


Qdr. 2. Anl. 11,<br />

S. 110–114<br />

Qdr. 2. Anl. 12,<br />

S. 115, 116<br />

Qdr. 1, Anl. O, S. 10<br />

Qdr. 1, Anl. O,<br />

S. 6–20<br />

Duplik Baumeister (vermutlich von<br />

Notar falsch datiert, es muss 25.07.1778<br />

gemeint sein)<br />

Dekret Schöffenrat – Kommunikation<br />

Vollständigkeit der Akten, Anweisung<br />

zur Verfertigung der Relation<br />

Dekret Schöffenrat – Baumeister werden<br />

angewiesen den Moses Salomon Sichel,<br />

als älteren Verheirateten, vor dem<br />

Samuel Juda Schuster in die Stättigkeit<br />

vorzuschlagen<br />

25.06.1778<br />

12.08.1778<br />

05.03.1779<br />

Appellationseinreichung 17.05.1779<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S. 1–20<br />

HK – Introductio appellationis,<br />

Terminverschiebung für Erstellung des<br />

libellum gravaminum<br />

12.07.1779<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 16.08.1779<br />

Qdr. 2 S. 21–116 HK – Libellus gravaminum 28.09.1779<br />

Qdr. 3 S. 117–127 HK – Legitimatio ad acta 28.09.1779<br />

Qdr. 4 S. 128–131 BK – Terminmahnung Libell. Grav. 18.10.1779<br />

n.n. S. 132 RHR – Reskript, Schreiben um Bericht 18.02.1780,<br />

Gretzmüller<br />

zahlt<br />

20.05.1780<br />

(Qdr. 5, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 18.02.1780<br />

Qdr. 5 S. 133–139<br />

Qdr. 6 S. 140–143<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Termmahnung Informatoriales<br />

BK – Terminverschiebung Informatoriales<br />

13.06.1780<br />

10.06.1780<br />

(Qdr. 7, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 19.06.1780<br />

Qdr. 7 S. 144–213<br />

BK – Bürgermeister und Rath Bericht<br />

(Fol. 1–33)<br />

Exhibet<br />

Bittner<br />

01.07.<br />

praes.<br />

24.07.1780<br />

Qdr. 8 S. 214–217 HK – Terminmahnung Informatoriales 19.08.1780<br />

(Qdr. 9, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 27.04.1781<br />

Qdr. 9 S. 218–221<br />

HK – Terminverschiebung Reinformatoriales<br />

28.06.1781<br />

Qdr. 10 S. 222–225 BK – Terminmahnung Reinformatoriales 28.06.1781<br />

(Qdr. 11, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 02.07.1781<br />

Qdr. 11 S. 226–229<br />

HK – Terminverschiebung Reinformatoriales<br />

03.09.1781<br />

Qdr. 12 S. 230–233 BK – Terminmahnung Reinformatoriales 03.09.1781<br />

(Qdr. 13, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 12.11.1781<br />

432


Qdr. 13 S. 234–237 BK – Terminmahnung Reinformatoriales 11.01.1782<br />

Qdr. 14 S. 238–241<br />

Qdr. 15 S. 242–245<br />

HK – Terminverschiebung Reinformatoriales<br />

HK – Terminverschiebung Reinformatoriales<br />

14.01.1782<br />

04.02.1782<br />

Qdr. 16 S. 246–275 HK – Gegenbericht 08.02.1782<br />

Qdr. 17 S. 276–281 HK – Vergleichsanzeige 28.09.1786<br />

n.n. S. 282<br />

RHR – Reskript Bestätigung Vergleichsanzeige<br />

02.10.1786,<br />

zahlt<br />

Grezmüller<br />

23.10.1786<br />

(Qdr. 18, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 02.10.1786<br />

Qdr. 18 S. 283–288 HK – Insinuationsbescheid Reskript 15.01.1787<br />

Relatio S. 287,<br />

288 (Zeitraum<br />

1786–1787)<br />

Relatio aus Bestand<br />

relationes, unfol.<br />

(Zeitraum 1779–<br />

1782)<br />

RHR – Ultimum Conclusum<br />

(kein Referentenvotum)<br />

(kein Referentenvotum)<br />

22.01.1787<br />

(1) HK Eingaben 12<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 6<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 9<br />

Form RHR Erlasse<br />

5<br />

2<br />

1<br />

4<br />

Reskripte, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Gemeindemitgliedschaft<br />

Der bereits seit ca. September 1777 mit der Tochter des Alexander Rindskopf<br />

verheiratete Sohn des ca. 1775 verstorbenen Baumeisters Salomon Sichel,<br />

Moses Salomon Sichel, möchte in die Stättigkeit aufgenommen werden,<br />

anstatt seiner schlagen die Baumeister den Sohn eines Baumeisters, Samuel<br />

Juda Schuster, vor, obwohl dieser nach ihm geheiratet hat. Als Begründung<br />

nennen sie, dass sie Sichel für untüchtig halten, weil von seinem verstorbenen<br />

Vater noch Gemeindeabgaben ausstehen würden und er sich ungesittet<br />

gegenüber den Baumeistern verhalten hätte. Zwar hätte Sichel bereits einen<br />

Teil der ausstehenden Abgaben bezahlt, beim Tod des Vaters hätte sich jedoch<br />

herausgestellt, dass dessen Vermögen höher war, als angegeben, entsprechend<br />

falle eine Nachzahlung an. Sichel klagt beim Schöffenrat, dass er Vorrecht vor<br />

Schuster haben müsse, keine Eltern hätte, durch die er Nahrung bekäme und<br />

die höchste Schatzung übernehmen wolle, auch seine Ausstände alle bezahlt<br />

433


hätte, andernfalls hätte er gar nicht heiraten können und auch seine Geschwister<br />

seien bereits alle in die Stättigkeit aufgenommen. Die Baumeister hätten<br />

ihm auf zehnmaliges Nachfragen auch zunächst versprochen, ihn unter die 12<br />

neu Aufzunehmenden zu zählen, dann aber doch denn Schuster genommen<br />

hätten. Auch die Beleidigungen seien erfunden, vielmehr rühre der Hass des<br />

Baumeisters Schusters daher, dass Sichels verstorbener Vater ihm seine Stimme<br />

bei der Baumeisterwahl nicht gegeben habe. Der Rat erlässt ein Dekret,<br />

dass Sichel vor Schuster in die Stättigkeit aufgenommen werden muss – die<br />

Baumeister legen dagegen Appellation beim RHR ein, es werde unbefugterweise<br />

in ihr stättigkeitsgeschütztes Vorschlagsrecht zur Mitgliederaufnahme<br />

eingegriffen. Die Parteien vergleichen sich – es wird nicht erwähnt in welcher<br />

Form – damit wird der Prozess niedergelegt.<br />

Weitere Bemerkungen<br />

434


F21 Arnsteiner Stättigkeit<br />

Fallnummer 21<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur K 334<br />

Kurzbezeichnung Arnsteiner Stättigkeit<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Arnsteiner Wolf Isaac Schutz- und Handelsjud zu Franckfurth am Mayn<br />

(1) Beteiligte Personen Notarius, Mandatarius/ Anwalt, General und Spezial Bevollmächtigter Arnsteins:<br />

Jonatan Gottlieb Hacker (5, 7, 8)<br />

Arnsteins Neffe Isaac Raphael Sinsheim (37, 59, 62)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung durch kaiserl. Notar: Georgius Philippus Hacker,<br />

Zeugen: Henrich Nicolaus Dreher, Zacharias Hacker, Johann Caspar Habel<br />

beide Ff Bürger (9, 10), älterer Bürgermeister: Hieronymus Maximilian von<br />

Glauburg (9)<br />

Bei Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Maerander n[omin]e<br />

Notarii Jonathan Gottlieb Hacker als Bevollmächtigten des Schutz=Juden Wolf<br />

Isaac Arnsteiner“ (14)<br />

(2) Beklagter (BK) Schöffenrath daselbst<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Franz Xaver Matt<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

Zu Paris den 24.12.1778<br />

(4) RHR Agent BK Syndicus Johann Jacob Bittner<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb senior (Dr. jur. Johann Jakob von Steeb, ab 1779 Ernennung Edler von<br />

Steeb, Gschl. 464, 465), dann Steeb junior (Johann Bapt. Edler von Steeb,<br />

Gschl. 494–496)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Steeb senior: 07/1761–12/1782<br />

Steeb junior: 01/1783–03/1800<br />

435


ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1778<br />

Verfahrensende 1784<br />

Prozessdauer 6 Jahre (davon 3 aktive Prozessjahre, die meisten Aktenstücke 1779)<br />

Zeitliche Lücken 1789–1783<br />

Anzahl Aktenstücke 8<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–7<br />

Neupaginierung 1–115<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis dessen Widerkehr und Stättigkeit betr.<br />

Appellation<br />

1. Instanz Schatzungsamt, Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, S. 6<br />

Schöffenratsdekret – Arnstein müsse<br />

binnen Jahr und Tag nach Frankfurt<br />

zurückkehren, andernfalls werde er<br />

zur „Decimation“ seines Vermögens<br />

angehalten<br />

02.07.1778<br />

Qdr. 1, Sig. O, S. 8, 9<br />

Qdr. 1, Sig. D,<br />

S. 14–16<br />

Qdr. 1, Sig. D,<br />

S. 14–16<br />

Schöffenratsdekret – Arnstein müsse<br />

binnen Jahr und Tag nach Frankfurt<br />

zurückkehren, andernfalls werde er<br />

zur „Decimation“ seines Vermögens<br />

angehalten<br />

Appellationseinreichung<br />

Appellationseinreichung<br />

27.10.1778/<br />

28.10.<br />

insinuiert<br />

30.10. und<br />

28.11.1778<br />

30.10. und<br />

28.11.1778<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S. 1–16 HK – Introductio appellationis 23.12.1778<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 11.01.1779<br />

Qdr. 2 S. 17–20<br />

HK – purgatio morae, Terminverschiebung<br />

Libell. grav. 14 Tage<br />

11.03.1779<br />

Qdr. 3 S. 21–29 HK – Legitimatio ad acta 11.03.1779<br />

Qdr. 4 S. 30–33 BK – Terminmahnung Libell. grav. 11.03.1779<br />

(Qdr. 5, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 15.03.1779<br />

Qdr. 5 S. 34–80 HK – Libell. grav. 26.03.1779<br />

Qdr. 6 S. 81–84<br />

BK – Terminmahnung ad decopiandum<br />

libell.grav.<br />

14.03.1779<br />

Qdr. 7 S. 85–88 HK – Renunciatio applois 25.10.1784<br />

S. 89–115 RHR – Relatio<br />

436


(1) HK Eingaben 5<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 2<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 2<br />

Form RHR Erlasse<br />

1<br />

0<br />

0<br />

2<br />

Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Abgaben städtisch<br />

Der aus Wien gebürtige, seit dem 16.01.1764 in der Frankfurter Stättigkeit<br />

stehende Wolf Isaac Arnstein (Haus zum weisen Ring) hält sich, nach dem<br />

Tod seiner Ehefrau Rebecca, mit seinem noch unmündigen Kind seit einigen<br />

Jahren geschäftlich in Frankreich auf. Sein Vermögen in Frankfurt wird<br />

derweilen von seinem Neffen Isaac Raphael Sinßheim verwaltet. 1778 erlässt<br />

der Schöffenrat zwei Dekrete, die seine Rückkehr binnen Jahr und Tag anordnen,<br />

widrigenfalls mit „Decimation“ seines Vermögens. Dagegen appelliert<br />

Arnstein (offensichtlich mit Hilfe der Baumeister) am RHR. Es ergeht kein<br />

Reskript um Bericht, fünf Jahre später wird das Verfahren niedergelegt.<br />

Zitierte juristische Literatur:<br />

HK:<br />

S. 49: „Orth in seinen Anmerkungen dritter Forsetzung 1 “<br />

S. 49: „Orth eben daselbst“<br />

S. 52: „[Marg: Hinecc: antiquit. Rom. P.i.p.m. 404 2 ]“<br />

437


F22 Viktualien- und Holzeinkauf<br />

Fallnummer 22<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur K 2139<br />

Kurzbezeichnung Viktualien- und Holzeinkauf<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Zu Frankfurth gemeine Judenschaft<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die beiden im Monat stehenden Baumeister<br />

Mayer Moses Flörsheim, Abraham Davidt Wimpfen namens gesamter<br />

Judenschaft zu Frankfurt (27, 34)<br />

Baumeister laut Legitimatio 1782: „Abraham Shnapper, Joseph Hirsch<br />

Gundersheim, Juda Joseph Schüster, Hertz Abraham Geiger, Abraham Davidt<br />

Wimpfe, Lehman Isaac Hanau, Hersch Salomon Kahn, Abraham Lob goldschmit,<br />

Isaac Hertz Bonn, Hertz Götz Amschel, Hertz Isaac Bonn, Raphael<br />

Beer, Löw Götz Haas, Marx Nathan Maas, Jacob Emden“ (62–70)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung: Ff kaiserlicher Notar: Georgius Marcus Geier (35,<br />

39), Zeugen: „Johann Lorentz Stellwag, Junior Notar, Johann Peter Bambach,<br />

Scribent“ (35, 39), Älterer Herr Bürgermeister: Johann Friedrich von Wiesenhüten<br />

(35)<br />

Bei Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Stöß n[omin]e der in<br />

mandato speciali benannten Jüdischen Baumeister Nahmens Gemeiner<br />

Judenschafft“ (41), Ff kaiserlicher Notar: Georgius Marcus Geier (49), Zeugen:<br />

Johann Wilhelm Marr, Notarius, Johann Peter Bambach, Scribent (47, 49)<br />

(2) Beklagter (BK) Den Magistrat und das Rechneyamt daselbst<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

Bei Requisition der Akten anwesend: „Herrn Schöffen von Glauburg Harzell<br />

Nahmens Löbl[ichem] Rechney-Amtes“ (41)<br />

(3) RHR Agent HK Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Herr von Orlando<br />

Lyncker<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

01.02.1782<br />

(4) RHR Agent BK Johann Jacob Bittner<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Von Seilern (Graf Josef Seilern, Gschl. 492)<br />

(5) RHR Bank Herrenbank<br />

438


(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

06/1776–05/1785<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1781<br />

Verfahrensende 1784<br />

Prozessdauer<br />

4 Jahre<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 17<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–14, Magistratsbericht pag. 1–22 (Anlagen nicht pag.)<br />

Neupaginierung 1–263<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Pto. widerrechtlich verbottenen – und eingeschränkten Victualien- und<br />

Holzeinkauf<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Rechneiamt, Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, Anl. 2,<br />

S. 20–22<br />

Eingabe der Judenschaft ctr. Rechneiamt<br />

bei Schöffenrat<br />

[Schöffendekret – Berichtmahnung<br />

Rechneiamt]<br />

22.11.1780<br />

Qdr. 1, Anl. 3, S. 30 Einreichung Bericht Rechneiamt 09.02.1781<br />

Qdr. 1, Anl. 3,<br />

S. 30, 31<br />

Qdr. 1, Anl. 3–5,<br />

S. 24–50<br />

Schöffendekret – Bestätigung der<br />

Rechneiamtsvorschriften<br />

Appellationseinreichung<br />

13.02.1781<br />

21.02. und<br />

07.03.1781<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S. 1–50<br />

HK – Introductio appellationis mit<br />

Bitte um Reskript s.c.<br />

17.05.1781<br />

n.n. S. 51 RHR – Reskript, Schreiben um Bericht 29.10.1781,<br />

zahlt<br />

Gretzmüller<br />

23.11.1781<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 29.10.1781<br />

Qdr. 2 S. 52–55 BK – Terminverschiebung Bericht 14.02.1782<br />

Qdr. 3 S. 56–61<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Bericht<br />

15.02.1782<br />

Qdr. 4 S. 62–70 HK – Legitimatio ad acta 15.02.1782<br />

439


(Qdr. 5, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 04.03.1782<br />

Qdr. 5 S. 71–108<br />

BK – Bürgermeister und Rat Bericht<br />

(fol. 1–22)<br />

Exhibet<br />

Bittner<br />

11.04.,<br />

praes.<br />

02.05.1782<br />

Qdr. 6 S. 109–112 HK – Terminmahnung Bericht 06.05.1782<br />

(Qdr. 7, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 17.08.1782<br />

Qdr. 7 S. 113–116 BK – Terminmahnung Gegenbericht 17.10.1782<br />

Qdr. 8 S. 117–120<br />

HK – Terminverschiebung Gegenbericht<br />

18.10.1782<br />

(Qdr. 9, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 04.11.1782<br />

Qdr. 9 S. 121–127<br />

HK – Terminverschiebung Gegenbericht<br />

09.01.1783<br />

Qdr. 10 S. 128–131 BK – Terminmahnung Gegenbericht 09.01.1783<br />

(Qdr. 10, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 20.01.1783<br />

Qdr. 11 S. 132–210 HK – Gegenbericht 20.03.1783<br />

Qdr. 12 S. 211–214 BK – Terminmahnung Gegenbericht 20.03.1783<br />

n.n. S. 215, 216<br />

RHR – Reskript Aufhebung der magistrat.<br />

Verordnung<br />

13.07.1783,<br />

zahlt<br />

Gretzmüller<br />

07.08.,<br />

empfangen<br />

09.08.,<br />

expedirt<br />

13.08.<br />

(Qdr. 13, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 14.07.1783<br />

(Qdr. 14, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 17.10.1783<br />

Qdr. 13 S. 217–224 HK – Insinuationsbescheid Reskript 30.10.1783<br />

Qdr. 14 S. 225–236<br />

Relatio S. 237–263<br />

BK – Bitte um Kommunikation des<br />

Gegenberichts<br />

12.07.1784<br />

(1) HK Eingaben 8<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 6<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 9<br />

Form RHR Erlasse<br />

3<br />

2<br />

1<br />

3<br />

Reskripte, Ultima Conclusa<br />

440


INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Handel<br />

Laut Stättigkeit dürfen die Frankfurter Juden Holz (wobei dies nicht extra in<br />

der Stättigkeit erwähnt ist) als auch Kraut, Rüben, Zwiebeln, Knoblauch, Obst<br />

etc. zu jeder Tageszeit „frühe und spat“; Fisch, Eier, lebendiges Vieh jedoch zu<br />

Sommerzeit erst nach sieben, im Winter nach acht Uhr einkaufen. Nun hat der<br />

Magistrat ein Dekret erlassen, dass sie alle Victualien und Holz im Sommer<br />

nach neun, im Winter nach zehn Uhr und auf zwei Stunden eingeschränkt<br />

kaufen dürfen, damit die Christen wieder vor den Juden einkaufen können. So<br />

sei es ursprünglich auch in der Stättigkeit gedacht gewesen, nun fangen aber<br />

die Märkte später an, so daß dieses Vorzugsrecht der Christen de facto nichts<br />

mehr bewirke. Die Baumeister appellieren gegen diese städtische Verordnung<br />

am Reichshofrat. Der Kaiser erlässt ein Reskript, dass die Verordnung des<br />

Magistrats ungültig sei, eine Änderung der Stättigkeit stehe nur dem Kaiser zu<br />

– sie könnten ihm aber Vorschläge unterbreiten.<br />

Zitierte juristische und ethnographische Literatur:<br />

HK:<br />

S. 11: „[Marg: Stryk in not: ad Lauterbach Comp: jur: tit: ad Set. Velly.:<br />

not: 2. verb: quascunque et in non modum: ad ff. tit. de reb: authorit:<br />

judic possid: §. 5. 1 Ludovici in Doctrin Pandectar: tit: eod: §. 2. 2 ]“<br />

S. 12: „[Marg: Mascard de prob: vol: 2. concl: 946. n. 25. 3 ]“<br />

S. 12: „[Marg: Brunn: ad L. 7. cod: de Judaeis. 4 ]“<br />

S. 12: „[Marg: Berger Oecon: jus: lib: 3. tit: 5. §. 5 . not. 2. et in resolut:<br />

ad Lauterbach compend: jur pag: 338.5 Brunnemann Tract: de cession:<br />

action: cap. 2. num. 58. 6 ]“<br />

BK:<br />

S. 81/ pag. 10: „Eisenmengers entdeckten Judenthum P. II. p. 38. a “<br />

Transkription der drei reichshofrätlichen Voten:<br />

S. 244: „Votum: Der angeführte Artikel ist in der von kaiß[er]l[icher]<br />

Majestät [ver]fügten Judenstättigkeit allerdings anzutreffen, nachdem<br />

dieselben aber als subdicti zu betrachten sind, so nach der Cammer<br />

Gericht O. part. 2 pto. 25. 3. allerdings noch vorläuffig um Bericht<br />

exibiret werden müssen.“<br />

S. 251, 252: „Votum: Es ist allerdings der Judenschaft rescript Gesuch meiner<br />

ohnmaßgeblichen Meinung nach gegründet; da nach der zu<br />

Frankfurth bestehenden, von Kaiß Maz. ao. 1616 anbefohlene, und<br />

bestättigten judenstättigkeit es dem Magistrat keines weeges erlaubt,<br />

einige Neuerung dargegen ohne anzeig und Bewilligung einzuführen<br />

ist jetzo pho 112. und fine ausdrücklich zu lesen. Da also das<br />

Recheneyamt sowohl, als Magistrat durch das unterm 13. Feb. 1781<br />

erlassene conclusum offenbar Neuerungen eingeführet, so muß ich<br />

nach obigem vorausgesetzten, diese sentenia als facta nullo jure<br />

justificabilia ansehen, welche allerdings sogleich cassiret werden<br />

müssen; Es will aber Magistrat, dies sein Versehen mit 2 Gründen<br />

rechtfertigen. 1o daß observantia constantia vorhanden, welche<br />

besonders in betref des Fisch Einkaufes schon ao 1675 ut litt und<br />

respectu des Viehs schon 1614 laut G. ihren Ursprünge nehme. 2 daß<br />

es hier auf Handhabung des allgemeinen Nuzen ankomme, welche<br />

zu diesen Polizey Anstalten den Magistrat verbinden. Es will aber<br />

ad 1um die angeführte observanz betrift, so laß sich nach meiner<br />

ohnmaßgeblichen Meinung keine contra jura caesarea erdenken,<br />

und ist auch keine erwiesen, da die angeführten Verordnungen ganz<br />

andere objecta […] Einfluß haben, wohl […] weil Magistrat selbst<br />

saget, daß die Judenschaft öfters in vorigem und dießem seculo klage<br />

gesucht. Wenn aber quod 2 die Zeit leuffen einige Abänderung dieser<br />

Stättigkeit erfodern, so hat abermahl hievon Magistrat nur Anzeige<br />

441


442<br />

zu machen, und ist keines weegs befugt via facti zu Werk zu gehen,<br />

wie abermahl ausdrücklich in hier vorgesehen, mithin fahlet auch<br />

der Magistratische zweyte Grund hinweg. Bey solcher drei Sachen<br />

beschaffenheit trug ich also kein Bedenken, mit Cassirung der<br />

angeführten zweyen Sentiae und das gebettene rescript zu erkennen.<br />

wobey ich einem hohen Collegio anseiten stelle, ob wir wegen der<br />

exceptis observantiae, nicht noch in besondere etwas in das rescript,<br />

mit sollen einflüssen lassen.“<br />

S. 261, 262: „Votum: Wir haben hier mit zwey Partheyen zu thuen, die sich<br />

wechselweiß zu entzweien trachten. Es klagt die judenschaft über<br />

drei verschiedene Gegenständen, 1o daß ihr in […] alle victualien<br />

desgleich erst um 9 Uhr zu erkauffen erlaubet 2 daß der Holz einkauf<br />

um 10 Uhr bestimmet worden und 3 daß Magistrat auch den Vieh<br />

Einkauf auf 9 Uhr bestimmet habe. Allerdings bringt dieselbe in<br />

ihrem Gegenbericht noch zwey Attestaten anzeigen, mit welchen<br />

sie sogleich werden abgewiesen werden können, da sie respectu des<br />

ausgehen ausser ihrer Gassen an Sönntagen selbst eingestehen, daß<br />

es ihnen in der Stättigkeit schon verbotten welches auch ph 24 25<br />

et 26 klar […], und da darum sie eine Straf abgesezet, so ist ganz<br />

Recht, und Magistrat nach Befund der Umstände selbe beystimmet,<br />

auch ware sie respecti der Anordnung de 1756 sub C. Bericht in den<br />

eingeklagten fall ganz gemässig. daß zweyte Attentatum endscheidet<br />

der 26 phus der Stättigkeit, und ist ratione comminasionis mit obigen<br />

in gleichem Verhältnuß. Nicht so ganz ungegründet hingegen, sind<br />

meiner ohnmaßgeblichen Meinung nach, der Judenschaft erste 3<br />

Klagen. Den 1o so viel von Holz einkauf betrift so unterliegen die juden<br />

zufolge ihrer Stättigkeit keiner besondern Einschränkung, bringt<br />

uns auch Magistrat keine besondere observanz, sondern sagt alleine<br />

es habe dieser Polizey Anstalt benötiget; wann nun dieses Polizey<br />

Gesez […] nicht ändern, so müssen […] auch deme unterziehen […]<br />

Einschränkung, auch sie, die Stättigkeit aber […] untersaget, und<br />

Magistrat nur gestattet, falls es einer Abänderung bedürf, Bericht anzuzeigen,<br />

mithin hier jura reservata Caesarea einschlagen, so glaube<br />

der Judenschaft beschwerde, quod ad hoc punctim so gegründet, daß<br />

ich kein bedenken trug, daß gebettene rescript zu erkennen. Eben so<br />

sagt Magistrat, daß respectu des fürkauff, von Ziefel, Kraut, Rüeben<br />

pp. er nicht gedenke die juden zu beschränken, und dennoch hieß es<br />

in dem decret das victualien, worunter auch ziefel comestititia muß<br />

verstanden, und zu neuern Streitt Anlaß gegeben werden dürfte von<br />

daher, auch respec. dieser Eßwaaren, die Sache in den schon vorgeschlagenen<br />

recript klarer auseinander setzen wollte. respectu der<br />

übrigen 2 Gegenstände, bringen dermahlen die juden gar keine observantiam<br />

contra iuram, sondern läugnen selbe schlechterdings ab.<br />

Magistrat hat in seinem Bericht angetragen, nur die Verordnungen,<br />

nicht aber actus beygebracht, es ist also respectu dieser vorgegebenen<br />

observanz noch die Sache in unseren Augen nicht in klaren, von<br />

daher diesem Gegenbericht, noch zu replicapetors loco ad duplicandum<br />

zwar mit dem Zusatz comuniciren sollen, daß Magistrat, seine<br />

angeführte observanz über diese 2 puncte zu erweissen habe. Nach<br />

der Meinung Pactenstein Conclusum 7. Jul 1783, Referentur Exhibita.<br />

Conclusum 13 Jul e.a.“<br />

S. 215, 216: „[Marg: Rescriptum An Magistrat zu F[rank]furt In Sachen zu<br />

F[rank]furt gemeine Judenschaft c[ontr]a ged[achten] Magistrat<br />

u[nd] das Rechneyamt Wien 14 Julius 1783.]<br />

Joseph II p. / Tit:/ Uns ist Euer in Sachen der gemeinen Judenschaft<br />

in Unserer und des H[eiligen] R[eichs] Stadt Franckfurt wider<br />

Euch, in betref des verbotenen Vicktualien und Holzeinkaufs, aller<br />

unterthänigst erstatteter Bericht wie auch der Appellantische Gegenbericht<br />

gehorsamst vorgetragen worden; Nachdem es nun Euch nicht<br />

gebühret hat, in dieser Sache, wo es auf eine Uns allein vorbehaltene


Abänderung der Juden Stättigkeit ankomt, eingemächtig, ohne<br />

vorhero Bericht erstattet, und Unsere Resolution, nach Vorschrift<br />

Unserer mehrmaligen Kais[erliche]n Verordnungen abgewartet zu<br />

haben, eine neue Einrichtung zu machen; Als wird Euer unterm 13.<br />

Feber 1781 erlaßenes resolutum, in so weit es den Einkauf der Fische,<br />

Eyer; und des lebendigen Viehes betrift hiemit wieder aufgehoben.<br />

Es bleibt Euch aber unbenommen, die Ursachen dermalen einige<br />

Änderung des 37. §vi der Stättigkeit räthlich seyn, Uns vorzulegen,<br />

vorauf sodann nach Befinden Unsere weitere Kais[e]r[liche] Resolution<br />

erfolgen wird. Und es p. Wien 14. Juli 1783. [Marg: Empfangen<br />

den 9ten Aug[ust] 1783. expedirt den 13. Aug[ust] 1783. An den<br />

Magistrat der R[eichs] Stadt Franckfurt. Den 7ten Aug[ust] [1]783.<br />

zahlt Agens v[on] Grezmüller]“<br />

Transkription des Ultimum Conclusum vom 14. Juli 1783, S. 222, 223:<br />

„Zu Frankfurth gemeine Judenschaft c[ontr]a den Magistrat und das<br />

Recheneyamt daselbst, pto erbottenen Victualien und Holz-Einkaufs.<br />

Absolvitur relatio et conclusum. 1mo.) Rescribatur dem Magistrat zu<br />

Frankfurth. Nachdem es demselben nicht gebühret habe, in dieser<br />

Sache, wo es auf eine Ihro Kayserlichen Mayestät allein vorbehaltene<br />

Abänderung der Juden Stättigkeit ankomme, eigenmächtig,<br />

ohne vorhero Bericht erstattet, und die Kaiserliche Resolution nach<br />

Vorschrift mehrmahliger Kaiserlicher Verordnungen abgewartet<br />

zu haben, eine neue Einrichtung zu machen, als werde das unterm<br />

13ten Februar 1781. erlassene Raths Resolutum, in soweit es den<br />

Einkauf der Fische, Eyer, und des lebendigen Viehes betreffen wieder<br />

aufgehoben. Es bleiben aber demselben unbenommen die Ursachen,<br />

aus welchen dermahlen einige Änderung des 37ten §.phi der Stättigkeit<br />

räthlich seyn durfte, Ihro Kaiserlichen Mayestät vorzulegen, worauf<br />

sodann nach Befinden, weitere Kaiserliche Resolution erfolgen<br />

solle. 2do.) Da Magistrat sich erkläret, unter den eingeschränkten<br />

Victualien Einkauf, Kraut, Ruben, Zwiebeln, Knobloch, Obst, und<br />

was denselben anhängig, nicht verstanden zu haben, so werden<br />

Impetrantes auf diese Erklärung verwiesen, und hat es dabey sein<br />

Bewenden. 3tio.) Haben sammentliche übrige impetrantische Petita<br />

nicht statt. Johann Peter Söhngen.“<br />

443


F23 Mayer Bann<br />

Fallnummer 23<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur K 2139<br />

Kurzbezeichnung Mayer Bann<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Zu Frankfurt gemeine Judenschaft<br />

(1) Beteiligte Personen Appellationseinreichung durch: „hiesige Schutz- und Handelsjuden Abraham<br />

Schnapper und Hersch Salomon Cahn als Jüdische Baumeistere, und Herz<br />

Isaac Bonn und Raphael Beer, als Jüdische Castenmeistere (5, 9, 16)<br />

Baumeister laut Legitimatio 1783: „Abraham Shnapper, Joseph Hirsch Gunderscheim,<br />

Hertz Abraham Geiger, Abraham Davidt Wimpfe, Hirsch Salomon<br />

Kahn, Isaac Hertz Bonn, Hertz Getz Amschel/Michael Aron May, Hertz Isaac<br />

Bonn, Raphael Beer, Löw Götz Haas“ (22–30)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellation eingereicht von Ff Kaiserlicher Notar: Carl Nicolaus Behrends,<br />

Zeugen: Christoph Peter Weitz, Ff Bürger und Silberarbeiter, Ernst Gotthelf<br />

Ronneberger, Ff Bürger und Schuhmachermeister (6, 14) – weitere zwei<br />

„erbettene Zeugen“: Johann Michael Hänel, Johann Nicolaus Kleinzell, beide<br />

Ff Bürger und „Hellpartierer“ (12,14)<br />

Bei Requisition der Akten anwesen: „Procurator Münch no[min]e derer Jüdischen<br />

Bau- und Castenmeister“ (16)<br />

Ff kaiserlicher Notar für Abschrift der Emdischen Klage: Joh[ann]<br />

Cons[tantin?] Collischonn (106)<br />

(2) Beklagter (BK) Mayer Michael David (BK 1) und der Magistrat zu Ffurth (BK 2)<br />

(2) Beteiligte Personen Jacob Emden als inaktiver Nebenkläger in erster Instanz, dessen Ff kaiserlicher<br />

Notar: Johann Friedrich Kappers (104)<br />

D[octor]r J[uris] U[triusque] und Adv[ocatus] ordin[arius] zu Frankfurt<br />

Johann Georg Friedrich Rumpel „als Gewalthaber des Mayer Michael David“<br />

(111)<br />

Beer Gumperz, Schwager von David Michael Mayer (115)<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Herr Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Herr Franz Xaver Matt<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

31.07.1783<br />

(4) RHR Agent BK BK 1 David Michael Mayer: Herr Johann Georg Urban, Substitut: Franz<br />

Leopold Schrötter<br />

BK 2 Ff: Syndicus Bittner<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

Urban: Hannover 17.10.1783<br />

444


(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb junior (Johann Bapt. Edler von Steeb, Gschl. 494–496)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Steeb junior: 01/1783–03/1800<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1783<br />

Verfahrensende 1787<br />

Prozessdauer<br />

4 Jahre<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 23<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. (1–21, ein As ohne Qdr.), Qdr 18 Bericht Magistrat paginiert 1–25,<br />

Anlagen 1–33<br />

Neupaginierung 1–281<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis die bey 200 Reichsthalern Straf beschehene Verbietung des<br />

Schulbannes bey Eintreibung der gemeinen Anlagen und Schulden betr.<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 18, Anl. I,<br />

Litt. a.,<br />

S. 170, 171, 175–179<br />

Qdr. 1, Anl. O/2,<br />

S. 10<br />

Qdr. 18, Anl. II,<br />

S. 173, 174, 183–195<br />

Qdr. 9, Lit. B/2<br />

S. 115, 116<br />

Anzeige des Jacob Emden namens<br />

David Michael Mayer ctr. Baumeister<br />

– Bitte um obrigkeitliche Aufhebung<br />

des Banns über die beiden Mayerschen<br />

Häuser<br />

Schöffenratsdekret – Anweisung an die<br />

Baumeister den Bann bei Strafe von 50<br />

Rthl. Strafe aufzuheben und Bericht zu<br />

erstatten<br />

Mündliche Anzeige David Michael<br />

Mayer – der Bann sei nach wie vor<br />

angelegt, er zudem von den Baumeistern<br />

angewiesen worden 1.300 Rthl.<br />

Gemeindeschulden zuvorderst zu<br />

bezahlen (Anl. 2: Quittung der Kastenmeister<br />

in deutsch und hebräisch<br />

(194, 195))<br />

Schöffenratsdekret – Baumeister<br />

werden angewiesen, sich binnen acht<br />

Tagen zu Mayers Anzeige vernehmen<br />

zu lassen<br />

30.10.1782<br />

06.11.1782<br />

22.01.1783<br />

29.01.1783<br />

445


Qdr. 18, Anl. III,<br />

S. 173, 198–204<br />

Qdr. 1, Anl. O/1,<br />

S. 9, 10/ Qdr. 18,<br />

Anl. III, S. 204, 205<br />

Qdr. 1, Anl. O,<br />

S. 5–17<br />

Verhör aller Beteiligten bei der älteren<br />

Bürgermeisteraudienz<br />

Definitivdekret des Schöffenrats – Befehl<br />

zur Wiederaufhebung und Verbot<br />

der Wiederanlegung des Bannes sowohl<br />

auf David Michael Mayer als auch<br />

den Juden Gottschalck Moses Levi bei<br />

Strafe von 200 Rthl.<br />

04.02.1783<br />

19.02./<br />

20.02.1783<br />

Appellationseinreichung 28.02. /<br />

03.03. und<br />

24.03.1783<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, S. 1–17<br />

HK – Introductio appellationis, Terminverschiebung<br />

Libellum Gravaminum<br />

27.06.1783<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 07.07.1783<br />

Qdr. 2, S. 18–21<br />

HK – Terminverschiebung Libellum<br />

Gravaminum<br />

09.09.1783<br />

Qdr. 3, S. 22–30 HK – legitimatio ad acta 09.09.1783<br />

Qdr. 4, S. 31–34<br />

BK 2 – Terminmahnung Libellum<br />

Gravaminum<br />

09.09.1783<br />

(Qdr. 5, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 15.09.1783<br />

Qdr. 5, S. 35–38<br />

Qdr. 6, S. 39–42<br />

Qdr. 7, S. 43–46<br />

HK – Terminverschiebung Libellum<br />

Gravaminum<br />

BK 2 – Terminmahnung Libellum<br />

Gravaminum<br />

BK 1 – Terminmahnung Libellum<br />

Gravaminum<br />

17.10.1783<br />

17.10.1783<br />

24.10.1783<br />

Qdr. 8, S. 47–54 BK 1 – Legitimatio ad acta 24.10.1783<br />

(Qdr. 9, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 24.11.1783<br />

Qdr. 9, S. 55–129 HK – Libellum Gravaminum 24.12.1783<br />

Qdr. 10, S. 130–133<br />

Qdr. 11, S. 134–137<br />

BK 1 – Terminmahnung Libellum<br />

Gravaminum<br />

BK 2 – Terminmahnung Libellum<br />

Gravaminum<br />

26.01.1784<br />

26.01.1784<br />

n.n., S. 138 RHR Schreiben um Bericht 25.02.1785<br />

accep. 23.,<br />

exped.<br />

24.06.1785<br />

(Qdr. 12, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 25.02.1785<br />

Qdr. 12, S. 139–145<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Bericht<br />

16.09.1785<br />

Qdr. 13, S. 146–149 BK 2 – Terminverschiebung Bericht 16.09.1785<br />

(Qdr. 14, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 26.09.1785<br />

Qdr. 14, S. 150–153 HK – Terminmahnung Bericht 28.10.1785<br />

Qdr. 15, S. 154–157 BK 1 – Terminmahnung Bericht 28.10.1785<br />

446


Qdr. 16, S. 158–161 BK 2 – Terminverschiebung Bericht 28.10.1785<br />

(Qdr. 17, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 10.01.1786<br />

Qdr. 17, S. 162–165 HK – Terminmahnung Bericht 10.03.1786<br />

Qdr. 18, S. 166–227<br />

BK 2 – Bürgermeister und Rath Ff Bericht<br />

(pag. 1–25, Anlagen pag. 1–33)<br />

Exhibet<br />

15.02.,<br />

Praes.<br />

13.03.1786<br />

Qdr. 19, S. 228–231 BK 1 – Terminmahnung Bericht 14.03.1786<br />

Qdr. 20, S. 232–235 BK 1 – Bitte um RHR Entscheidung 07.10.1786<br />

Qdr. 21, S. 236–239 HK – Vergleichsanzeige 25.06.1786<br />

(Qdr. 22), S. 240–243 BK 1 – Bitte um RHR Entscheidung 02.07.1787<br />

S. 244–274 Relatio 1 (Verfahrensverlauf)<br />

S. 275–281 Relatio 2 (Votum)<br />

(1) HK Eingaben 9<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben BK 1: 7, BK 2: 6<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 7<br />

Form RHR Erlasse<br />

3<br />

3<br />

BK 1: 0, BK 2: 2,<br />

BK 1: 3, BK 2: 3<br />

Reskripte, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Gemeindeabgaben, Bann<br />

David Michael Mayer hat zwei halbe Häuser in Frankfurt (zur Klock,<br />

zum Knoblauch), lebt aber nunmehr seit längerem in Hannover und will<br />

bzw. soll auch, laut Magistrat, seine Häuser vermieten. Da er aber noch<br />

ausstehende Gemeindeschulden von 1330 Rthl. hat, soll er diese, laut<br />

Baumeistern, erst bezahlen, bevor die Häuser vermietet werden dürfen. Da<br />

er dies nicht tut, werden seine Häuser mit dem Bann belegt, d.h. kein Gemeindemitglied<br />

darf sie mieten. Auch der von Mayer eingesetzte Verwalter<br />

seines Vermögens in Frankfurt Jacob Emden wird nun durch diesen Bann<br />

in seiner Tätigkeit behindert. Dieser klagt daher beim Schöffenrat um die<br />

Aufhebung des Bannes. Ein erstes Bannverbots-Dekret bei Strafe von 50<br />

Rthl. des Schöffenrats wird dem Baumeister Geyer insinuiert, der, laut Angaben<br />

der Baumeister, dies jedoch seinen übrigen Baumeisterkollegen nicht<br />

mitteilt, wodurch sie keine Kenntnis über das Verbot erlangen. Von den<br />

Eingaben der Baumeister unberührt, verbietet der Rat den Bann in seinem<br />

Definitivdekret bei noch höherer Strafe von 200 Rthl., darin unter anderem<br />

auch den Bann gegen einen anderen Juden Gottschalk Moses Levi, der jedoch<br />

nicht in das Verfahren involviert ist. Daraufhin reichen die Baumeister<br />

beim RHR die Appellation ein. Es kommt zu einem Vergleich, auf dem der<br />

Prozess liegen bleibt.<br />

447


Weitere Bemerkungen<br />

Zitierte juristische Literatur:<br />

HK:<br />

S. 7: „auf Herrn Dr. Orths Anmerkungen 1. Theil pag[ina] 129<br />

seq[uitur]“ 1<br />

S. 86, 87: „der nun verstorbene statutenkündige Dr. Orth als Commentator<br />

ad reformationem Francofurtanam […]“ 2<br />

Transkription der zwei reichshofrätlichen Voten in zeitlicher Abfolge vor dem<br />

Schreiben um Bericht an den Magistrat und nach Erhalt des Berichts.<br />

S. 276, 277: „Votum. Da einerseits richtig ist, daß die gemeine Judenschaft von<br />

ieher das Recht genossen von ihren Gemeindsgliederen die Gemeine<br />

Abgaben, und Contributionen einzufoderen. vid. Judenstättigk. §<br />

107. Und andererseits Weil. Kaiser Leopold in der ad 1661 ertheilten<br />

stättigkeits confirmation ausdrücklich vergünstiget hat, daß die<br />

Juden in Geld- und Schuldensachen mitels Anlegung des Bannes<br />

gezwungen werden mögen; auch ad 1766 von dermahlig regirender<br />

k.M. der Judenschaft alte Gebrauche, Ceremonien, und Privilegien<br />

neuerlich confirmieret worden sind; nicht weniger appellantes in<br />

confirma posessione zu seyn angeben, so finde die sache so nicht<br />

gestaltet, daß wir schon dermahlen auf etwas entscheidendes hinausgehen<br />

könnten; sondern müsste noch vorläufig Bericht forden: sohin<br />

sagen cum inclusione exhibito pp.<br />

S. 278–281: „Votum. Magistratus giebt das decret vom 19. Febr. 1783 an, und<br />

glaubt, da gegen dieses die appellation nicht interponieret worden,<br />

daß da fatale vorlängst versäumet seye. Dagegen erwiederen aber<br />

unsere appellanten, daß sie gar nicht in die Notiz sotanen decrets<br />

gekommen seyen, welches mir auch dadurch wahrscheinlich<br />

gemachet wird, weil der erste Kläger Jud Emden gar nicht mehr in<br />

iudicis erschienen, sondern hinterlistigerweise seinen principalen<br />

Mayer Michael David nach einem Jahr hat neuerlich auftreten laßen.<br />

Es fand sich dessentwegen vermuthlich auch Magistratus veranlasset<br />

eine neuerliche Communication sotanen decretes zu bewilligen. Mir<br />

ist genüge, daß Magistratus factem insinuatiorem besagten decretes<br />

nicht bescheinen kann. Wäre es aber auch so ist es von der Gestalt,<br />

daß es in audita altera parte erlediget, mithin mehr als so geeignet,<br />

daß es in rem iudicatam übergehen könnte. In Materialibus kommet<br />

alles darauf an, ob die Juden nach ihrer Stättigkeit und k. Privilegien<br />

einen Schul Bann, und in welchen Fällen zu verhängen berechtiget<br />

seyen? Hierüber gestehen Informantes selbsten ein, daß sie 1) dessen<br />

zur handhabung ihrer Religions Gebräuche, und disciplin sich<br />

gebrauchen dorfen; und daß sie 2) mitels des selben ihre gemeinen<br />

Anlagen mit Mäßigung, und Rücksicht auf die obrigkeitliche<br />

Gerechtsamme, wie auch an die Umstände des säumigen Schuldners<br />

bey zutreiben suchen. Da nun unwiedersprochenermasen appellat in<br />

frankfortischen schudz geblieben, sofolglich auch verbunden ist die<br />

gemeine Abgaben an die Juden Cassam zu bezahlen; so deucht mich,<br />

die Baumeistere haben (durchgestrichen: allerdings) so wohl nach<br />

der Stättigkeit, als eigener Magistratischer Eingeständniß gegründetes<br />

Recht den säumigen Schuldner mitels Schul Bann zur Bezahlung<br />

anzuhalten. Magistratus hat also allerdings zu viel gethan, da er<br />

denen Baumeistern die Anlegung eines Schul Bannes in dichtimtion<br />

untersaget, ohne daß eine ubermaas angegeben, viel weniger<br />

bescheinet worden wäre. Der Grund, so at informantibus angebracht<br />

wird, als ob ihnen daran gelegen wäre, daß die Häußer wegen<br />

Entrichtung der ordentlichen Abgaben genuzt, und in gutem Stande<br />

erhalten werden, ist von weniger sehetlichkeit, da der schulbann<br />

die Nuzung, und vermiethung nicht uberhaupts, sondern nur unter<br />

der Einschränkung verbietet, daß solche nicht ohne vorwißen, und<br />

Einwilligung der Baumeister in Bestand genommen, und die Zinsen<br />

an Niehmand, als an sie bezahlet werden sollen. In so weit findete ich<br />

448


also das appellants gravamen allerdings gegründet, wider Ihnen das<br />

Recht des Schulbannes sich zu gebrauchen, per decretum à quo ohne<br />

Unterschied abgesprochen wurde. Ich gedächte also zwar ap pel latio<br />

nes Proceße zu erkennen; aber suspensa eorum expeditione dem<br />

Magistrat mit Aufhebung der unterm 6. Nobris 1782: 29. Jenner und<br />

19. Febr. 1783 erlaßenen Decreten zu rescribieren; Es hätte der selbe<br />

die dasige Judenschaft an selbst eigener Beitreibung ihrer gemeinen<br />

Schulden, und Anlagen durch den Bann nicht zu hemmen; sondern<br />

den Meyer Michael David, wann er super excessum beschweret zu<br />

seyn glaubet, disenthalben zu ordentlichen Klagestellung anzuweisen;<br />

sohin diesen Punkten nach vorläufig grundlicher Vernehmung<br />

der Judenschaft rechtlicher Ordnung nach zu instruieren, und salva<br />

appellatione zu verbscheiden.“<br />

449


F24 Wertheimer Stiftung<br />

Fallnummer 24<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Obere Registratur<br />

Signatur K 461/1<br />

Kurzbezeichnung Wertheimer Stiftung<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Wertheimer Zacharias, als Samson Wertheimerischer Stiftungs Administrator<br />

zu Frankfurt<br />

(1) Beteiligte Personen Appellationseinreichung durch kaiserl. Notar Ff: Adolphus Fridericus<br />

Ulbricht, Zeugen: Johann Adam Seibel, Johann Friedrich Heinrich Franck, Ff<br />

Bürger und Handelsleute (21, 26)<br />

Bei Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Münch nomine des hießigen<br />

Schutz-Juden Zacharias Wertheimer“(28, 31)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

(2) Beklagter (BK) Die Juden Baumeister (BK 1) und den Magistrat (BK 2) als Judicem a quo<br />

(2) Beteiligte Personen BK 1 – laut Mandato 1788: „Abraham Shnapper, Joseph Hirsch Gundersheim,<br />

Abraham Davidt Wimpfe, Lehman Isaac Hanau, Hersch Salomon Cahn,<br />

Isaac Hertz Bonn, Michael Aaron May, Samuel Seeligman Stiebel,// Hertz<br />

Isaac Bonn, Raphael Beer, Löw Götz Haas, Marx Nathan Maaß“ (36–46) Bei<br />

Requisition der Akten anwesend: „Proc[urator] Stöß nomine der im Monat<br />

stehenden Jüdischen Baumeister“ (29, 30)<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

Der zu bestellende Rabbiner: „Isaac Fränckel von Fürth gebürtig dermalen<br />

zu Brandes in Böhmen wohnhaft“ (127), Sohn des Ff Schutzjuden Zacharias<br />

Fränckel, gest. 1783 (128)<br />

(3) RHR Agent HK Johann Georg Urban, Substitut: Herr von Fichtl<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

17.01.1788<br />

(4) RHR Agent BK BK 1 – Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Philipp Goetz<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

01.04.1788<br />

(5) RHR Referent Steeb junior (Johann Bapt. Edler von Steeb, Gschl. 494–496)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

Steeb junior: 01/1783–03/1800<br />

450


(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Qdr. 1 liegt kleiner Handzettel bei: „Referens a Steep“<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1787<br />

Verfahrensende 1789<br />

Prozessdauer<br />

2 Jahre<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 20<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–19<br />

Neupaginierung 1–209<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis die Einberufung eines Lehrers zur Wertheimerischen Stiftungsschule<br />

betr.<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 18, Anl. C,<br />

S. 180–189<br />

Qdr. 1, Anl. Num. 1,<br />

S. 6/ Qdr. 1,<br />

Anl. Num 2/1,<br />

S. 20, 21<br />

Qdr. 1, Anl. Num. 2,<br />

S. 7–27<br />

Anzeige der Baumeister ctr. Zacharias<br />

Wertheim – Bitte um obrigkeitliches<br />

Verbot die Einberufung eines fremden<br />

beweibten Lehrers betr.<br />

Schöffenratsconclusum – Anweisung an<br />

den Stiftungsadministrator, von seinem<br />

Vorhaben abzustehen<br />

02.07.1787<br />

30.08.1787<br />

Appellationseinreichung 07.09.1787<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S. 1–31<br />

HK – Introductio appellationis, Terminverschiebung<br />

Libell. grav. 2 Monate<br />

10.10.1787<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 17.12.1788<br />

Qdr. 2 S. 32–35<br />

HK – Purgatio morae, Terminverschiebung<br />

Libell. grav. 2 Monate<br />

18.02.1788<br />

Qdr. 3 S. 36–46 HK – Legitimatio ad acta 18.02.1788<br />

Qdr. 4 S. 47–50 BK 1 – Terminmahnung Libell. grav. 18.02.1788<br />

Qdr. 5 S. 51–54 BK 2 – Terminmahnung Libell. grav. 18.02.1788<br />

(Qdr. 6, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 25.02.1788<br />

Qdr. 6 S. 55–58<br />

Qdr. 7 S. 59–62<br />

BK 2 – Terminmahnung Libell. grav.,<br />

Bitte pro appell. pro deserta declarando<br />

BK 1 – Terminmahnung Libell. grav.,<br />

Bitte pro appell. pro deserta declarando<br />

25.04.1788<br />

25.04.1788<br />

451


Qdr. 8 S. 63–71 BK 1 – Legitimatio ad acta 25.04.1788<br />

Qdr. 9 S. 72–75<br />

HK –Terminverschiebung Libell. grav.<br />

2 Monate<br />

28.04.1788<br />

(Qdr. 9, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 05.05.1788<br />

Qdr. 10 S. 76–90 HK – Libell. grav. 29.05.1788<br />

Qdr. 11 S. 91–94<br />

Qdr. 12 S. 95–98<br />

BK 1 – Terminmahnung Libell. grav.,<br />

Bitte pro appell. pro deserta declarando<br />

BK 2 – Terminmahnung Libell. grav.,<br />

Bitte pro appell. pro deserta declarando<br />

07.07.1788<br />

07.07.1788<br />

n.n., S. 99 RHR – Reskript um Bericht 12.08.1788<br />

(Qdr. 13, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 12.08.1788<br />

Qdr. 13 S. 100–105<br />

HK – Insinuationsbescheid und Terminmahnung<br />

Bericht<br />

04.12.1788<br />

Qdr. 14 S. 106–109 BK 2 – Terminverschiebung 2 Monate 09.12.1788<br />

(Qdr. 15, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 23.12.1788<br />

Qdr. 15 S. 110–113 BK 2 – Terminverschiebung 2 Monate 26.02.1789<br />

Qdr. 16 S. 114–117 HK – Terminmahnung Bericht 26.02.1789<br />

(Qdr. 17, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 09.03.1789<br />

Qdr. 17 S. 118–121 HK – Terminmahnung Bericht 11.05.1789<br />

Qdr. 18 S. 122–192 BK 2 – Bericht 12.05.1789<br />

Qdr. 19 S. 193–199 HK – Anzeige litis finita 18.02.1790<br />

S. 200–209 Relatio<br />

(1) HK Eingaben 9<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben BK 1: 4; BK 2: 6<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 7<br />

Form RHR Erlasse<br />

2<br />

3<br />

BK 1: 0; BK 2: 2<br />

BK 1: 3; BK 2: 3<br />

Reskript um Bericht, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Gemeindemitgliedschaft<br />

Die Erben des Hoffactors Samson Wertheim unterhalten verschiedene<br />

Stiftungen, u.a. in Frankfurt eine Schule mit zugehörigen Wohnplätzen für die<br />

Schüler und Lehrer. Zacharias Wertheim hat als Administrator der Wertheimischen<br />

Stiftung einen auswärtigen Rabbiner namens Isaac Zacharias Fränckel<br />

(ein Urenkel Samson Wertheims, gebürtig aus Fürth, wohnhaft in Brandeis in<br />

Böhmen) als Lehrer an die Stiftung berufen. Als Fränckel bereits auf der Reise<br />

nach Frankfurt ist, legen die Baumeister beim Magistrat Widerspruch ein. Dieser<br />

erlässt 1787 ein Dekret, worin er die Berufung Fränkels verbietet. Fränckel<br />

452


leibt derweil auf Stiftungskosten in Offenbach und wartet auf den Entscheid.<br />

Der Administrator Wertheim appelliert am Reichshofrat gegen Baumeister<br />

und Schöffenrat, denn der Stiftungsbrief sehe als Auflage vor, möglichst Verwandte<br />

mit den Positionen zu versehen – dies sei auch schon zuvor geschehen.<br />

Falls dies nicht mehr möglich sein sollte, wäre man seitens der Stiftung gewillt,<br />

die Frankfurter Stiftung zu schliessem bzw. an einen anderen Ort zu verlegen.<br />

Letztendlich gibt die Stiftung jedoch nach, es wird ein einheimischer Lehrer<br />

aus Frankfurt berufen, entsprechend Vergleichsanzeige und Niederlegung des<br />

Verfahrens 1790.<br />

Weitere Bemerkugen<br />

Transkription des reichshofrätlichen Zwischenvotums, offensichtlich in der<br />

Zeit zwischen Juni und Anfang August 1788 nach Einreichung des Klagelibells<br />

geschrieben:<br />

S. 202: „ Ob a) kein fremder, und b) kein beweibter Jude, auch c) in dem<br />

Falle, wann kein tüchtiger oder mit der Wertheimer Famille verwandter<br />

Juden in Ffurth selbst vorfindig ist, einberufen werden könne, hanget<br />

theils von dem Tenor des Stüfftungsbriefes, theils von der Verfaßung der<br />

Stüfftung, theils von der bisherigen Observanz ab. All dieses läßt sich von<br />

nun an nicht übersehen. Ich wüßte also mehrer heute nicht zu thuen, als<br />

um Bericht zu schreiben.“<br />

Zu diesem Verfahren sind im Frankfurter Stadtarchiv folgende Schreiben<br />

zwischen dem Agenten Bittner und dem Magistrat Frankfurt erhalten:<br />

1.) Schreiben Bittner an Magistrat vom 30.08.1788, zu Frankfurt eingelangt<br />

am 05.09.1788<br />

FSTA, Juden Akten 198 (Ubg D 33 N 198), o.F.<br />

„[Marg.: D[e] d[ato] 5 Sept[ember] 1788 H[errn] von Glauburg Cons[ul]<br />

Sen[atus] ] Hochwohlgebohrner, hochzuverehrender Herr! Der Herr<br />

R[eich]s HofRath v[on] Steeb Referens in anmaßl[icher] Appellat[ion]<br />

des Zacharias Wertheimers als Samson Wertheimeris[cher] Stiftungs<br />

Administratoris c[ontr]a die dasige Juden-Baumeister, die Einberufung<br />

eines Lehrers zur Wertheimeris[che]n Stifftungs-Schule, findet das Appellatische<br />

Betragen so auffallend und der dasigen Judenschafft um so mehr<br />

äußerst nachtheilig, indeme der Verlust der ganzen Stifftung die Folge<br />

seyn werde; daß derselbe mir dieses zu eröfnen nicht unterlaßen können.<br />

Dieses in geziemendem Vertrauen zu berichten, habe meiner Obliegenheit<br />

gemäß erachtete, der ich mit aller Veneration bin Euer Hochwohlgebohrn<br />

gehorsamer Diener Bittner Wien, d[e]n 30. Aug[us]t 1788. [Marg.:<br />

N[umer]o 949.]“<br />

2.) Entwurf eines Schreibens des Magistrats an Agenten Bittner vom 01. und<br />

02.05.1789<br />

FSTA, Juden Akten 199 (Ubg D 33 N 199), o.F.<br />

„An den H[ern] Agent Bittner in Wien. Unserm p. überschiken wir in<br />

dem Anschluß Unsere in Sachen der hiesige Schuz Juden Zacharias Wertheimer<br />

c[ontr]a die Judenbaumeister und Uns, die Einberufung eines<br />

fremden beweibten Lehrers zur Wertheimerischen Stiftung betr[effend]<br />

abgefassten Bericht, und zwar unverschlossen, mit dem Ersuchen, denselben<br />

zuvorderist durchzulesen, sodann sowol zu gehörigen Orts zu überreichen,<br />

als auch mündlich dem Herrn Referenten die wichtigen Gründe<br />

bemerklich zu machen, welche Uns in dieser Sache, so, wie geschehen ist,<br />

zu decretiren, haben bewegen müssen. Wir hoffen, Unser p. werde bei<br />

einer solchen mündlichen Unterredung Gelegenheit finden, dem Herrn<br />

Referenten die Sache von einer andern Seite zu zeigen, als von welcher<br />

derselbe sie, nach Unsers p. an Unsern Ältern Herrn Bürgermeister sub<br />

dato 30. Aug[ust] a[nni] p[rioris] erlassenen Schreiben, vor der Hand und<br />

vermutlich deswegen, weil demselben vorgestellt worden, als ob die Wertheimerische<br />

Stiftung ein hier schon längst in der Ordnung aufgenommenes<br />

und von Uns bestätigtes Institut sei, zu betrachten scheint, und es<br />

werde dadurch die von Uns gebetene Abschlagung der nachgesuchten<br />

453


454<br />

Appellationsprocesse und Remission der Sache an Uns desto eher bewirkt<br />

werden, wo Wir sodann nicht entgehen werden, wenn Unsere Obrigkeitliche<br />

Rechte gegen die verwegene Anmassungen Unsers SchuzJuden<br />

Zacharias Wertheimer und der Wertheimerischen Familie ins Sicherheit<br />

gestellt sind, so wol auf das Beste der hiesigen Judenschaft, welche nach<br />

der Äusserung des Herrn Referenten durch das Appellatische Betragen in<br />

Gefahr stehen soll, die Wertheimerische Stiftung zu verlieren, alle mögliche<br />

Rüksicht zu nehmen, als auch gegen die Wertheimerische familie<br />

alle diejenige Billigkeit zu bezeugen, welche dieselbe alsdann vernunftiger<br />

Weise erwarten kann, wenn sie Uns überzeugt, daß ihre Stiftung für die<br />

hiesige Judenschaft wirklich so wolthätig, und übrigens unschädlich sei,<br />

als von dem Ap[pelan]ten vorgegeben wird. Wir gewärtigen Uns seiner<br />

Zeit Unsers p. Berichts von dem Erfolg, und erlassen Uns beiderseits<br />

Göttlicher Obhut. Datum den 1. May 1789. [Marg.: expedirt den 2. May<br />

1789. Bogen.]<br />

3.) Schreiben Bittner an Magistrat vom 20.05.1789<br />

FSTA, Juden Akten 199 (Ubg D 33 N 199), o.F.<br />

„Hochwohlgebohrner, hochzuverehrender Herr! Vergangene Woche<br />

habe Gelegenheit genommen, mit dem herrn Reichs Hof Rath von<br />

Steeb über den am 12. curr[entis] übergebenen Bericht in anmaßl[iche]<br />

r Appellat[ions] Sache des Zacharias Wertheimers, die Einberufung<br />

eines Lehrers zur Wertheimerischen Stifftungs-Schule betr[effend], zu<br />

sprechen, worauf derselbe mir zusicherte, solchen zu durchlesen und<br />

mir so nach seine Meynung darüber zu eröfnen, welche nun dahin gehet:<br />

Derselbe glaubt in diesem Bericht einige Gehäßigkeit gegen Appellanten<br />

um so mehr zu finden, als demselben unglaublich scheint, daß diese<br />

Stifftungs=Anstalt so viele Jahre daselbst etablirt seyn solle, ohne daß<br />

Ampliss[imus] Senatui jemalen etwas wäre bekannt geworden, indeme<br />

der herr von Steeb eine bessere Meynung von denen Policey=Anstalten<br />

daselbst habe, welche erfordere, daß man ex officio fürgehe, Untersuchungen<br />

gegen eingeschlichene Corpora und Einrichtungen veranstalte<br />

und der Ordnung gemäß verfahre, einfolgl[ich] könne dieses Vorgeben<br />

Ampliss[imus] Senatui nicht vorträglich- im Gegentheil höchstnachtheilig<br />

seyn und vielleicht gar bey dem Vortrag einen Verweiß zu ziehen.<br />

Dieses und daß also tacity Consensus praesumirt werden könne und daß<br />

dem Publico durch eine solche Stifftung immerhinn ein bedeutender<br />

Nuzen zu fließe, lässt demselben die Hofnung fassen: Ampliss[imus]<br />

Senatus werde die Stifftung des billigen Schuzes würdigen; es ist dahero<br />

dem Appellantis[chen] Herrn Agenten aufgegeben worden: seinen<br />

Constitutenten anzuweisen, daß er den Stifftungs-Brief Ampliss[imus]<br />

Senatui, der Juden-Stätttigkeit und den kaiserlichen Verordnungen zu<br />

Folge, zur Bestättigung vorlege, einen jedesmaligen nach dem Stifftungs<br />

Brief zu wählenden Lehrer gleichfalls hochdemselben paresentire- um<br />

die Stättigkeit nachsuchen lasse und gewärtige, daß solcher nach besagten<br />

Vorschrifften entweder aufgenommen oder reüciret werde, auch sich<br />

überhaupts der Ordnung und denen Gesezen füge, welche Amplissimus<br />

Senatus selbst nicht überschreiten könne noch werde. Euer Hochwohlgebohrn<br />

ex speciali Commissione hirvon vertrauliche Eröfnung zuthun<br />

ermangele nicht, der ich mit aller Veneration bin Euer hochwohlgebohrn<br />

gehorsamster Diener Bittner Wien, den 20. Maii 1789.“


F25 Wallich Bann<br />

Fallnummer 25<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur K 2140<br />

Kurzbezeichnung Wallich Bann<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Zu Franckfurth Kastenmeister der gemeinen Judenschaft<br />

(1) Beteiligte Personen 1. Appellation wird eingereicht durch die jüdischen Kastenmeister „Herz Isaac<br />

Bonn, Raphael Beer, Löw Götz Haas, Marx Nathan Maas, Amschel Moyses<br />

Beyfuß“ (14, 20, 26)<br />

2. Appellation wird eingereicht durch die jüdischen Kastenmeister „Herz Isaac<br />

Bonn, Raphael Beer, Löw Götz Haas, Marx Nathan Maaß, Amschel Moyses<br />

Beyfuß“ (29, 31)<br />

Bau- und Kastenmeister laut Mandato 1788: „Abraham Shnapper, Joseph<br />

Hirsch Gundersheim, Abraham Davidt Wimpfe, Lehman Isaac Hanau, Hersch<br />

Salomon Cahn, Isaac Hetz Bonn, Michael Aaron May, Samuel Seligman<br />

Stiebel,// Hertz Isaac Bonn, Raphael Beer, Löw Götz Haas, Marx Nathan Maas“<br />

(45, 47)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

1. Appellationseinreichung durch kaiserlichen Notar Ff: Carl Nicolaus Behrends<br />

(26), Zeugen: „Johann Christoph Cretschmer, Einspänniger, Johann<br />

Michael Hänel, Hellepartirer“ (14, 26), Älterer Herr Bürgermeister: Johann<br />

Friedrich Maximilian von Stallburg (22)<br />

2. Appellationseinreichung durch kaiserlichen Notar Ff: Carl Nicolaus Behrends<br />

(35), Zeugen: „Peter Bambach, Bürger und Scribent, Johann Nicolaus<br />

Kleinpell, Bürger und Hellepartierer“ (29, 35), Älterer Herr Bürgermeister:<br />

Johann Friedrich Maximilian von Stallburg (34)<br />

(2) Beklagter (BK) Isaac Salmon Wallich und den Schöffenrath daselbst<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Philipp Goetz<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

02.01.1788<br />

(4) RHR Agent BK Johann Jakob Bittner<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb junior (Johann Bapt. Edler von Steeb, Gschl. 494–496)<br />

455


(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Steeb junior: 01/1783–03/1800<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1787<br />

Verfahrensende 1789<br />

Prozessdauer<br />

2 Jahre<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 11<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1– 10<br />

Neupaginierung 1–178<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis den Eingriff in die Befugniß den Schulbann gegen saumselige<br />

Gemeinds Gläubiger anzulegen betr.<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 7, Anl. 1,<br />

S. 105–111<br />

Qdr. 7, Anl. 2,<br />

S. 112–121<br />

Qdr. 1, Anl. O,<br />

S. 9, 10<br />

Qdr. 1, Anl. O,<br />

S. 14–28<br />

Qdr. 1, Anl. D,<br />

S. 11–13<br />

Klageeinreichung Wallich bei Schöffenrat<br />

ctr. Kastenmeister in pct. Aufhebung<br />

des gegen ihn verhängten Bannes<br />

Erklärungsschrift Baumeister – Wallich<br />

sei sowohl mit Gemeindeabgaben seit<br />

1771 als auch den Schätzungspraestanda<br />

seines mütterlichen Erbes seit 1769<br />

ausständig, daher sei der Bann zu Recht<br />

ergangen<br />

Dekret Schöffenrat – den Kastenmeistern<br />

wird die Anlegung des Schulbanns<br />

gegen den Wallich bei Strafe 200 Rthl.<br />

verboten und eine möglicherweise<br />

von den Baumeistern geltend machen<br />

wollende Rechtshängigkeit in Bezug<br />

auf das bereits laufende Verfahren<br />

ctr. Wallich und Schöffenrat am RHR<br />

werde nicht anerkannt<br />

20.06.1787<br />

13.07.1787<br />

14.07.1787<br />

Appellationseinreichung 23.07.1787<br />

Publ. Sentenz Schöffenrat „auf die in<br />

termino reproductionis iudicialis der<br />

eingewandten anmaßlichen Appellation<br />

abgehaltene recessus iudiciales<br />

beider Theile“– die Appellation an den<br />

RHR werde verworfen weil „contra res<br />

iudicata atque Privilegia Caesarea de<br />

non appellando“<br />

07.09.1787<br />

456


Qdr. 1, Anl. O’’<br />

S. 29–35<br />

Appellationseinreichung 10.09.1787<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S. 1–35<br />

HK – Introductio appellationis mit zwei<br />

Appell.instrumenten, Terminverschiebung<br />

ad prod. libell. grav. 2 Monate<br />

12.10.1787<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 19.11.1787<br />

Qdr. 2 S. 36–39<br />

HK – Terminverschiebung ad prod.<br />

libell. grav. 2 Monate<br />

21.01.1788<br />

Qdr. 3 S. 40–48 HK – Legitimatio ad acta 21.01.1788<br />

(Qdr. 4, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 14.08.1788<br />

(fälschl.<br />

1789)<br />

Qdr. 4 S. 49–52 BK 2 – Terminmahnung Libell. grav. 21.01.1788<br />

(Qdr. 5, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 28.01.1788<br />

Qdr. 5 S. 53–56 BK 2 – Terminmahnung Libell. grav. 31.03.1788<br />

Qdr. 6 S. 57–60<br />

HK – purgatio morae, Terminverschiebung<br />

ad prod. libell. grav. 2 Monate<br />

31.03.1788<br />

(Qdr. 7, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 14.04.1788<br />

Qdr. 7 S. 61–141 HK – Libell. grav. 10.06.1788<br />

Qdr. 8 S. 142–145 BK 2 – Terminmahnung Libell. grav. 16.06.1788<br />

(Qdr. 9, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 14.08.1789<br />

Qdr. 9 S. 146–155 HK – Vergleichsanzeige 09.12.1789<br />

n.n. S. 156–157 RHR – Reskript umBericht 14.08.1789<br />

(Qdr. 10, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 19.11.1789<br />

Qdr. 10 S. 158–161 BK 2 – Terminverschiebung Bericht 2<br />

Monate<br />

S. 162–178 Relatio<br />

10.12.1789<br />

(1) HK Eingaben 6<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben BK 2: 4<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 7<br />

Form RHR Erlasse<br />

2<br />

0<br />

BK 2: 1<br />

BK 2: 3<br />

Reskript um Bericht, Ultima Conclusa<br />

457


INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien, Bann<br />

Die Kasten- und Baumeister haben den Schulbann gegen das Gemeindemitglied<br />

Wallich verhängt wegen ausstehender Gemeindeabgaben seit 1771 und<br />

Schätzungsabgaben vom mütterlichen Erbe seit 1769, in Summe 1014,10 fl.<br />

Der Schöffenrat hat die Aufhebung des Banns anbefohlen, darauf legen die<br />

Gemeindevorstesher Appellation beim Reichshofrat ein, wo bereits ein anderes<br />

Verfahren ctr. Wallich und Schöffenrat anhängig ist. 1 Bevor der Magistrat aber<br />

seinen Bericht einschickt, vergleichen sich die Parteien wie folgt (siehe Qdr. 9,<br />

Anlage 6): Wallich anerkennt die ausstehenden Gemeindeabgaben von 857,35<br />

fl. (die Zinsen werden ihm erlassen) und bezahlt sie aus dem Verkauf seines<br />

halben Hauses zum Rosenkranz und seiner Schulsesseln, dafür bekommt er<br />

die Chaluta für das Haus und der Bann ist hinfällig.<br />

1<br />

F27, HHStA, RHR, Decisa K 2139, „Zu Frankfurth gemeine Judenschafft<br />

contra Isaac Salomon Wallich et cons. Appellationis die Fertigung der sogenannten<br />

Chelude betreffend“<br />

Beilage Qdr. 7, Anl. 3: Schuldenliste des Wallich mit ausführlichen Anmerkungen<br />

der Kastenmeister, wie die Summen jeweils zusammen kommen – insg.<br />

1014,1 fl<br />

458


F26 Zeugeneid<br />

Fallnummer 26<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur<br />

K 2140, F6<br />

Kurzbezeichnung Zeugeneid<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Der Judenschaft zu Franckfurth im Monath stehende Bau- und Kastenmeister<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die vom Schöffenratsdekret betroffenen<br />

Baumeister Herz Abraham Geiger, Hersch Salomon Cahn, Kastenmeister<br />

Raphael Hahn Beer, Marx Nathan Maas (4, 6, 9, 96)<br />

Baumeister laut Mandat 1787: „Abraham Shnapper, Joseph Hirsch Gundersheim,<br />

Abraham Davidt Wimpfe, Lehman Isaac Hanau, Hirsch Salomon Cahn,<br />

Abraham Loeb Goldschmidt,// Isaac Hertz Bonn, Isaac Speyer, Löw Götz<br />

Haas, Raphael Beer, Marx Nathan Maas, Amschel Moyses Beyfus“ (19–28)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung durch kaiserlichen Notar Ff: Carl Nicolaus Behrends<br />

(9), Zeugen: „Philipp Casimir Gollhard und Johann Michael Hänel, Bürger<br />

und Hellepartier“ (4, 9), Älterer Herr Bürgermeister: Friedrich Adolph von<br />

Glauburg (7)<br />

Bei Requisition der Akten anwesend: „Doctor Lehr nomine der in mandato<br />

speciali benannten Jüdischen Bau- und Castenmeister“ (10, 13), „Proc[urator]<br />

Hartwig nomine des hiesigen Schutz- und Handels Juden David Jacob Wohl“<br />

(12)<br />

(2) Beklagter (BK) Der Schöffenrath daselbst<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Franz Xaver Matt<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

07.05.1787<br />

(4) RHR Agent BK Johann Jacob Bittner<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb junior (Johann Bapt. Edler von Steeb, Gschl. 494–496)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

Steeb junior: 01/1783–03/1800<br />

459


(5) Weitere<br />

Informationen<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1787<br />

Verfahrensende 1791<br />

Prozessdauer 4 Jahre (aktive Prozessjahre: 3)<br />

Zeitliche Lücken 1790<br />

Anzahl Aktenstücke 18<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–15<br />

Neupaginierung 1–142<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appell. den in geringfügigen Sachen auferlegten Zeugeneid bey der grossen<br />

Thora betr.<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 6, Anl. A, S. 54<br />

(Inhaltsschilderung<br />

Qdr. 14, S. 98, 99)<br />

Qdr. 1, Anl. O, S. 7<br />

Qdr. 1, Anl. O und D,<br />

S. 4–14<br />

(Klageerhebung David Jacob Wohl<br />

contra Isaac Buchsbaum, Aufruf der<br />

Bau- und Kastenmeister als Zeugen)<br />

(Schöffenrat – Sententia interlocutoria,<br />

Beweiserbringung durch Pachtkontrakte<br />

beider Teile)<br />

(Eingabe Bau- und Kastenmeister –<br />

Bitte, den Zeugeneid nicht ablegen zu<br />

müssen)<br />

Schöffenratsdekret in Sachen David<br />

Jacob Wohl contra Isaac Buchsbaum –<br />

Anweisung der Bau- und Kastenmeister<br />

zur Ableistung des Zeugeneid in der<br />

Judenschule vor der großen Thora<br />

(Exhibito Baumeister – erneut Bitte,<br />

den Zeugeneid nicht ablegen zu müssen)<br />

Schöffenratsdekret – Abweisung des<br />

Baumeisterlichen Gesuchs und Bestätigung<br />

des Dekrets vom 09.09.<br />

Appellationseinreichung<br />

(Juli 1785)<br />

(26.01.1786)<br />

(30.08.1786)<br />

09.09.1786<br />

(18.09.1786)<br />

23.09.1786,<br />

ins.<br />

28.09.1786<br />

06.10. und<br />

14.10. 1786<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, S. 1–14<br />

HK – Introductio appellationis, Terminverschiebung<br />

2 Monate für prod.<br />

libell. grav.<br />

23.01.1787<br />

460


(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 23.04.1787<br />

Qdr. 2, S. 15–18<br />

HK – Terminverschiebung 2 Monate<br />

Libell. grav.<br />

25.06.1787<br />

Qdr. 3, S. 19–28 HK – Legitimatio ad acta 25.06.1787<br />

Qdr. 4, S. 29–32 BK – Termineinfoderung Libell. grav. 25.06.1787<br />

(Qdr. 5, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 02.07.1787<br />

Qdr. 5, S. 33–36 BK – Termineinfoderung Libell. grav. 03.09.1787<br />

(Qdr. 6, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 10.09.1787<br />

Qdr. 6, S. 37–54 HK – Libell. grav. 20.09.1787<br />

Qdr. 7, S. 55–59 BK – Termineinfoderung Libell. grav. 17.10.1787<br />

n.n., S. 60 RHR – Schreiben um Bericht 11.08.1788,<br />

acc. et exp.<br />

4.10.1788<br />

(Qdr. 8, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 11.08.1788<br />

Qdr. 8. S. 61–64 BK – Terminverschiebung Bericht 07.01.1789<br />

Qdr. 9, S. 65–70<br />

HK – Insinuationsbescheid Reskript<br />

und Terminmahnung Bericht<br />

12.01.1789<br />

(Qdr. 10, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 12.01.1789<br />

Qdr. 10, S. 71–74 HK – Terminmahnung Bericht 12.03.1789<br />

Qdr. 11, S. 75–78 BK – Terminverschiebung Bericht 12.03.1789<br />

(Qdr. 12, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 16.03.1789<br />

Qdr. 12, S. 79–83 BK – Terminverschiebung Bericht 18.05.1789<br />

(Qdr. 13, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 16.03.1789<br />

Qdr. 13, S. 84–89 HK – Terminmahnung Bericht 18.05.1789<br />

(Qdr. 14, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 15.06.1789<br />

Qdr. 14, S. 90–111 BK – Bericht Ddo 19.<br />

et praes.<br />

02.07.1789<br />

Qdr. 15, S. 112–115 HK – Terminmahnung Bericht 17.08.1789<br />

n.n., S. 116<br />

S. 117–142 Relatio<br />

RHR – Reskript, Abschlagung der<br />

Appell.prozesse<br />

27.01.1791<br />

(1) HK Eingaben 8<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 7<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 10<br />

2<br />

4<br />

3<br />

3<br />

461


Form RHR Erlasse<br />

Reskripte, Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Gerichtseid<br />

Es geht ein Prozess zw. David Jakob Wohl, Garkoch, und Isaak Buchsbaum,<br />

Pächter der jüdischen Backöfen auf dem Bleichgarten, voraus. Da am Sabbat<br />

nicht gekocht werden darf, wird von Wohl das Essen an die Haushalte<br />

geliefert. Die Baumeister legen den Pächter auf 10 Heller/2,5 Kr pro Topf<br />

fest. Es entsteht ein Streit zw. Wohl und Buchsbaum, weil Wohl mit weniger,<br />

dafür größeren Töpfen kocht, und für diese seine 10 Heller pro Topf beim<br />

Pächter abliefert, tatsächlich aber viel mehr einnehme. Daher geben ihm die<br />

Baumeister auf, 5 Kr. pro Topf an Buchsbaum abzugeben, worauf Wohl gegen<br />

Buchsbaum klagt. Die Baumeister werden als Zeugen geladen und sollen den<br />

Zeugeneid „in der Judenschul auf die Thora“ schwören, was sie aber wegen<br />

so einer geringfügigen Sache nicht tun wollen, weil sie auch so die Wahrheit<br />

sagen würden, das würde schon ihr Amt erfordern. Daraufhin ergeht ein<br />

1786 Dekret, das sie zum Eid zwingt. Sie appellieren an den Kaiser, da sie laut<br />

Stättigkeit bei einer so geringfügigen Sache, die im Jahr kaum mehr als 6 fl.<br />

betrage, nicht zum Eid gezwungen werden dürfen. Es würde innerhalb der Gemeinde<br />

den Eindruck erwecken, „daß man den Bau, und Kastenmeistern ohne<br />

Eid nicht glaube, und daß ihr Amt keine Achtung verdiene, die Juden würden<br />

sich an sie nicht mehr kehren, sie gering schätzen, und dann auch keiner mehr<br />

das so beschwerliche, und nichts eintragende Bau- und Kastenmeisteramt<br />

annehmen wollen“ (6)<br />

Der Magistrat argumentiert dagegen, dass bewußt solche Bau- und Kastenmeister<br />

als Zeugen aufgestellt worden seien, die besondere Feindschaft gegen<br />

den Kläger hegten und „wo sie nur könnten, ihn zu kränken befliessen wären“.<br />

Außerdem gelte der Zeugeneid für alle Personen unabhängig von ihrem Amt.<br />

Die Appell. wird abgeschlagen.<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Zitierte juristische und ethnographische Literatur:<br />

HK:<br />

S. 45: „Seyfarts Teuscher Reichsprozeß cap: 13. §. 12. 1 “<br />

BK:<br />

S. 100: „Eberh. Speckhan quaest. jur. centur. 1. quaest. 5. a “<br />

S. 102: „in Orths Anmerkungen über die Franckfurter Reformation, 1te<br />

Fortsez. pag. 675 b “<br />

S. 103: „in Orths Anmerk. C. all. pag. 181 c “<br />

Transkription der reichshofrätlichen Gutachten (es existieren zwei verschiedene<br />

Voten in zeitlicher Abfolge, das eine vor dem Schreiben um Bericht an<br />

den Magistrat, das andere nach Erhalt des Berichts. Es handelt sich aber um<br />

dieselbe Schreiberhand, also vermutlich keine Korelation):<br />

S. 136, 141, 142: „Votum. das eigene decretum gravans ist vom 9ten S[e]pt[em]<br />

ber 1786. Appellantes sagen uns, daß sie dagegen intra decendium<br />

Vorstellung gemachet, ob sie aber auch bey dieser Vorstellung esentialiter,<br />

oder aber erst contra decretus die Appellation interponiret.<br />

können wir nicht bemessen, weil sotane Vorstellung nicht beygeleget<br />

ist. Eben wenig also auch, ob die formalia richtig beobachtet worden<br />

seyen. In materialibus kommet alles auf die Frage an, ob ein in<br />

Amtssachen deponierender Zeug beeidiget werden solle. daß dieses<br />

unter deren Authoren streitig seye bezeuget schon Lejses Spec. 288.<br />

de arbitr. Jud. circa iurius. test. B. 3. I Strube in seinem rechtlichen<br />

Bedenk. III. B. p. 183. II behauptet negativam. Dagegen Schrade Vol. 1.<br />

cons. 13. n. 294. III und Vitrias. Enere. XVII. p. 1065. IV ex l. 9. Cod. de<br />

test. offergi officiam V bestand geben. In unserem Falle trifft also noch<br />

462


eine für die Stadt Ffurth besonders existiren sollende Verordnung<br />

vom 2. Sptbris 1738. ein, kraft welcher überhaupt in ganz geringen<br />

Sachen, welche höchstens 15 fl. betragen, die Gezeugen nicht mit<br />

dem gewöhnlichen Zeugen Eyd beleget werden sollen. Da nun nach<br />

dem appellantischen Angeben der streitige Unterschied durch das<br />

ganze Jahr kaum 15 fl. machen solle, so wäre gemäß diesem Gesichts<br />

Punkte die Eyds deposition uberflüßig. Gleichwie aber angezogene<br />

Verordnung nur bemerket, aber nicht in forma probanti beygeleget;<br />

auch die angebliche Geringfügikeit nicht bescheinet wird; so gedächte<br />

dermahlen nur Schreiben um Bericht zu erkennen tam super<br />

formalia, quam materialia.“<br />

S. 137–140: „Votum. die ganze frage bey gegenwärtiger appellations Sache<br />

darauf geleitet werden, ob ein Officialis, wann er in Amts Sachen als<br />

gezeug aufgerufen wird, seine deposition mit einem Eyd in besondere<br />

bestärken muße? Leyses spec. 288. de arbitr. Jud. circa iurius.<br />

test. §§. 3. und Strube in seinen rechtlichen Bedenken 3. et p. 183.<br />

besondersten hierüber negativam. Dagegen Schrader Vol. 1. cons. 13.<br />

n. 294 und Struv. in spetagen – ius, civ. Exercit. XVII. p. 10 et 9. VI ex<br />

l. 9. cod. de Rest. affirmativam VII besondersten. Alls aber quaesupponiere<br />

zum voraus, daß es eine Amts Sache betreffe und daß der<br />

officialis einen Amtseyd geleistet habe. Beede diese Umstände treffen<br />

bey unserem Falle nicht ein. Dann wenn ich auch gelten laßen will,<br />

daß die Verpachtung der gemeinen jüdischen Backöfen eine Amts<br />

Sache seye; so kann doch, wann über den Pachtcontract selbst, und<br />

ob dieses, oder jenes dem Pächter aus Vergünstigung der Verpächter<br />

gebähre Streit entstehet, dieses nunmehr als ein aus dem Amt<br />

der Baumeister zu entscheidender gegenstand betrachtet werden,<br />

weilen diesen nach der Juden Stättigkeit nur Vergleich Verträge,<br />

und gütliche Aussprüche zu machen; keinesweegs aber, wann sich<br />

die Theile damit nicht begnugen, und die Streit prosequiren wollen,<br />

zu entscheiden gebühret. Auch die zweyte Eigenschaft ermanglet<br />

bey denen Juden Baumeisteren. Sie sind als Baumeistere zu ihrem<br />

Amt nicht beeydiget. Es ist also ex natura rei unmöglich, daß sie bey<br />

ihrem abgelegten Amts Eyd deponieren können. Und da in iudicis<br />

regulariter keinem, als einem beeydigten Zeugen geglaubet wird so<br />

sehe ich nicht ab, wie die Baumeistere in unserem Fall sich hievon<br />

entledigen können. Wornach also die aufgestellte gravamina von<br />

selbsten zerfallen. Dann ad 1.) ob, und in wie weit die Sach, als eine<br />

Amts Sache betrachtet werden könne, habe ich meine Meinung<br />

bereits oben geaußert. Wann es aber auch eine solche wäre; so<br />

könnten sie auf ihren Amts Eyd von darum nicht zurück gewiesen<br />

werden, weilen sie keinen ablegen. Und werden, weilen sie keinen<br />

ablegen. Und wann ihnen auch bey Einschreibung der in dissen<br />

Hypoteken auf ihren Bericht Glauben beygemeßen wird, so lässt sich<br />

auf andere dinge nicht schlußen, da sie besonders bey Hypoteken für<br />

die Warheit mit ihrem eigenen Beutel zu haften haben. ad 2.) Nehme<br />

mann auch an: daß der Gegenstand nach dem appellantischen […]<br />

nur 6 fl. 15 Kr iährlich ausmachen […] Magistratus in formans<br />

solchen auf iährlich 20 fl. berechnet, so tragt selber doch der die 3<br />

Pacht Jahr 18 fl. 25 Kr.; sofolglich eine solche summam aus, welche<br />

nach der Ffrth Verordnung de 1738 durch eydliche Zeugschaften<br />

erhärtet werden muß. ad 3.) haben wir schon oben gehört, daß denen<br />

Juden Baumeistern ad § 99 der Judenstättigkeit geringe Händel<br />

zu vergleichen, und gütlich zu sprechen zwar nicht aber vergonnt<br />

seye, einen richterlichen spruch zu erledigen, wenn die Parteyen<br />

zur Hülfe sich nicht bequemen wollen. Und nur dann, wann diese<br />

den güttlichen Spruch einmahl angenommen, und sich solchem<br />

sodann wiedersezen wollen die wiederspenstige zur strafe gezogen<br />

werden können. ad 4.) Was die eidliche Reposition dem Ansehen<br />

der Baumeistere schaden sollen, gehe ich gar nicht ab. Es ist kein<br />

463


464<br />

beschimpfende Handlung, und denen Juden kein Vorrecht vor denen<br />

Christen hierinnfalls zuständig. der falls wird es auch wenig geben,<br />

wo mann eben ihres Zeugnisses bedarf. Und wann solche existieren;<br />

so haben sie sich nicht zu beschweren, wann sie zu deme Verhalten<br />

werden, was Recht und Ordnung allgemein erheischet. Welchem<br />

vorgängig ich also questa […] und eine communicatione ad notitiam<br />

die gebettene appellations Process abschlagen, und dieses Judici à<br />

quo per Rescriptum ratificiren muste.“<br />

S. 116: „[Marg: Resciptum pro Compl[ento] Just[itia] An den Magistrat zu<br />

Frankfurt In Sachen Zu Frankfurt, Judenschaft c[ontr]a den Schöffenrath<br />

daselbst App[ellation] den in geringfügigen Sachen auferlegten<br />

Zeugeneid bei der großen Thora betr[effend] Wien, den 27ten<br />

Jänner, 1781.] Leopold der Zweite p. / Tit. :/ Nachdem in Sachen<br />

der Judenschaft zu Franckfurth contra den Schöffenrath daselbst in<br />

p[unc]to des in geringfügigen Sachen auferlegten Zeugeneids bey<br />

der großen Thora die mehrgesagten Appellationsprozesse nach erstattetem<br />

Bericht anheute gerechtest abgeschlagen werden; So mögen<br />

Wir Euch als vorigen Richtern solches pro complemento justitia<br />

nicht verhalten, und verbleiben Euch anbey p. Wien den 27. Jänner<br />

1791. [Marg: expedirt den 11ten Martii [1]791. an den Magistrat zu<br />

Franckfurth 10. März zahlt R[eichshofrats] A[gens] Bittner]


F27 Wallich Chelude<br />

Fallnummer 27<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Decisa<br />

Signatur K 2139<br />

Kurzbezeichnung Wallich Chelude<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Zu Frankfurt gemeine Judenschaft<br />

(1) Beteiligte Personen Appellation wird eingereicht durch die jüdischen Bau- und Kastenmeister „Joseph<br />

Hirsch Gundersheim, Isaac Herz Bonn, Herz Isaac Bonn, Raphael Beer,<br />

Löw Götz Haas, Marx Nathan Maas, Amschel Moyses Beyfuß“ (5, 11, 13)<br />

Baumeister laut Mandato 1788: „Abraham Shnapper, Joseph Hirsch Gundersheim,<br />

Abraham Davidt Wimpfe, Hirsch Salomon Cahn, Isaac Hertz Bonn,//<br />

Michael Aron May, Samuel Seeligman Stiebel, Hertz Isaac Bonn, Raphael Beer,<br />

Löw Götz Haas, Marx Nathan Maas“ (97, 99)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung durch kaiserlichen Notar Ff: Carl Nicolaus Behrends<br />

(14), Zeugen: „Johann Nicolaus Kleinpel, Johann Michael Hänel, Hellepartirer“<br />

(5, 14),<br />

(2) Beklagter (BK) Isaac Salomon Wallich et cons.<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Erasmus von Gretzmüller; Substitut: Philipp Maria Görtz<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

10.09.1788<br />

(4) RHR Agent BK Johann Jacob Bittner<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb junior (Johann Bapt. Edler von Steeb, Gschl. 494–496)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Steeb junior: 01/1783–03/1800<br />

465


ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1788<br />

Verfahrensende 1789<br />

Prozessdauer<br />

1 Jahr<br />

Zeitliche Lücken -<br />

Anzahl Aktenstücke 6<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr.<br />

Neupaginierung 1–133<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis die Fertigung der sogenannten Chelude betr.<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 2, S. 36, 37 Eingabe Wallich bei Schöffenrat – er<br />

wolle sein halbes Haus zum Rosenkranz<br />

verkaufen, erhalte aber von den<br />

Bau- und Kastenmeistern die Chaluta<br />

nicht, es möge ihnen bei Strafandrohung<br />

aufgegeben werden<br />

30.07.1787<br />

Qdr. 2, S. 37, 38<br />

Qdr. 2, S. 38, 39<br />

Gegenvorstellung Baumeister – es seien<br />

ausständige Gemeindeabgaben auf dem<br />

Grundstück, weshalb die Chaluta nicht<br />

ausgestellt werden könne, bevor diese<br />

nicht beglichen wären<br />

Dekret Schöffenrat – da analoge Fälle<br />

der Baumeister bezügl. Ausstellung der<br />

Chaluta beim RHR anhängig seien,<br />

werde ihnen aufgetragen, in diesen<br />

RHR-Prozessen die erforderlichen<br />

Prozessschriften einzugeben. In der<br />

Annahme aber, dass die Appellationen<br />

frivol seien, werden sie angewiesen, sowohl<br />

die Chaluta über den Verkauf des<br />

Wallichschen halben Hauses, als auch<br />

über den Kauf des Weselischen halben<br />

Hauses binnen 14 Tagen bei Strafe von<br />

100 Rthl. auszustellen.<br />

10.09.1787<br />

02.04.1788,<br />

ins.<br />

07.04.1788<br />

Qdr. 2, Anl. 1, S. 5–14 Appellationseinreichung 14.04. und<br />

10.05.1788<br />

2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, S. 1–14<br />

HK – Introductio appellationis, Terminverschiebung<br />

Libellum Gravaminum<br />

11.08.1788<br />

(Qdr. 2, Anl.) RHR – Ultimum Conclusum 01.09.1899<br />

Qdr. 2, S. 15–91 HK – Libellus Gravaminum 09.09.1788<br />

466


Qdr. 3, S. 92–100 HK – legitimatio ad acta 16.09.1788<br />

Qdr. 4, S. 101–104<br />

BK – Terminmahnung Libellum<br />

Gravaminum<br />

04.10.1788<br />

Qdr. 5 S. 105–115 HK – Vergleichsanzeige 09.09.1789<br />

S. 116–133 Relation<br />

(1) HK Eingaben 4<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 1<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 1<br />

Form RHR Erlasse<br />

0<br />

0<br />

0<br />

1<br />

Ultimum Conclusum<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien<br />

Isaac Salomon Wallich will sein halbes Haus zum Rosenkranz verkaufen. Um<br />

jedoch die Chaluta von den Bau- und Kastenmeistern zu bekommen, muss<br />

er zunächst seine Gemeindeschulden von 857,35 fl bezahlen. Der Rat zwingt<br />

die Kastenmeister per Dekret 1788 zur Ausfertigung der Chaluta nicht nur für<br />

diesen Verkauf, sondern auch für den von Wallich bereits seit längerem getätigten<br />

Kauf des Weselischen Hauses. 1 Die Bau- und Kastenmeister appellieren<br />

gegen das Dekret an den Reichshofrat. Die Parteien vergleichen sich aber<br />

zuletzt und es wird eine Art Finanzierungsplan aufgestellt, wie Wallich die<br />

Abgaben aus dem Erlös des Hauses bezahle und er dafür die Chaluta bekomme.<br />

Parallel läuft ein weiteres Verfahren gegen Wallich wg. der ausstehenden<br />

Gemeindeabgaben am RHR.2<br />

1<br />

HHStA, RHR, Denegata recentiora, K 357/2 „Ursel [richtig: Wesel, Anm.<br />

VKM], Herz Schutzjud zu Ffurt contra Walich, Isaac Salomon und Schöffenrath<br />

allda appellationis, modo restitutionis, puncto strittigen Haus Verkauf “<br />

2<br />

F25, HHStA, RHR, Decisa K 2140, „Zu Franckfurth Kastenmeister der<br />

gemeinen Judenschaft contra Isaac Salomon Wallich und den Schöffenrath<br />

daselbst Appellationis den Eingriff in die Befugniß den Schulbann gegen<br />

saumselige Gemeind Gläubiger anzulegen betr.“<br />

467


F28 Verbot Schulbann<br />

Fallnummer 28<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Obere Registratur<br />

Signatur K 278/2<br />

Kurzbezeichnung Verbot Schulbann<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Zu Frankfurth Bau- und Kastenmeister der gemeinen Judenschafft<br />

(1) Beteiligte Personen<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

(2) Beklagter (BK) Den Magistrat der Reichsstadt Frankfurth<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Erasmus von Gretzmüller<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

(4) RHR Agent BK -<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Steeb junior (Johann Bapt. Edler von Steeb, Gschl. 494–496)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Steeb junior: 01/1783–03/1800<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1789<br />

Verfahrensende 1801<br />

Prozessdauer<br />

12 Jahre (davon 2 aktive Prozessjahre)<br />

Zeitliche Lücken 1790–1800<br />

468


Anzahl Aktenstücke 3<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–2<br />

Neupaginierung 1–102<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Die Verbietung des Schulbanns gegen saumselige Gemeindsgläubiger, dann<br />

die Ausfertigung der Chelude betr.<br />

Reskriptsprozess<br />

1. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S.1–75<br />

Qdr. 2 S. 76–79<br />

S. 81–102 Relatio<br />

HK – Vorstellung und Bitte pro decernendo<br />

Rescriptum S.C.<br />

HK – Bitte um Ernennung eines zuständigen<br />

Referenten<br />

09.12.1789<br />

16.11.1801<br />

(1) HK Eingaben 2<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben -<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse -<br />

Form RHR Erlasse -<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Bann<br />

Der Magistrat hat in mehreren Fällen gerichtlich die Aufhebung des Bannes<br />

oder die Ausfertigung der Chaluta erzwungen – nun erfolgt eine Bitte um ein<br />

Reskript sine clausula an den Kaiser mit der Argumentation, warum beide<br />

Strafmittel für die Gemeinde wichtig sind. Es wird auf die Fälle Geiß und<br />

Krämer, David Michael Mayer zu Hannover und Isaac Salomon Wallich Bezug<br />

genommen, bei denen sich der Magistrat eingeschaltet und die Herausgabe der<br />

Chaluta sowie die Aufhebung des Bannes angeordnet hat.<br />

Die Chaluta stelle der Kastenmeister bei einem Hausverkauf dem Verkäufer<br />

aus, und bescheinige damit, dass er ebenso wie die Vorbesitzer der Gemeinde<br />

keine Abgaben mehr schuldig ist. Ansonsten übernehme der Käufer mit dem<br />

Kaufschilling auch die Schulden (onera), die auf dem Haus liegen. Der Rabbiner<br />

erstellt dann eine förmliche Ausfertigung in hebr. Sprache. (§ 27)<br />

Der Prozess bleibt auf der Klageschrift liegen.<br />

Beilage: Extrakt aus dem 1766 erneuerten Privileg von Kaiser Matthias von<br />

1612, nach dem die Juden an ihren Gebräuche und Zeremonien ungehindert<br />

festhalten dürfen und aus den o.g. Prozessen Extrakte<br />

469


Weitere Bemerkungen<br />

Zitierte juristische Literatur:<br />

HK:<br />

S. 20, 21. „[…] verstorbene Frankfurter Statuenkündige Doctor Orth<br />

als Commentator ad Reformationem Francofurtanam […] ausdrüklich<br />

bekennet, daß zu Beytreibung gemeiner Anlagen und Schulden die<br />

Frankfurther Jüdische Bau und Kastenmeisterschaft eigenmächtige Hielfe<br />

vermittels des Bannes vorzukehren befugt seye.“<br />

S. 22: „Dock. Orth ad reform: 1ste Fortsezung der Anmerkungen p. 128.<br />

seq. 1 “<br />

S. 23: „vide Orth, citat: loco.“<br />

470


F29 Beer Chelude<br />

Fallnummer 29<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Obere Registratur<br />

Signatur K 278/3<br />

Kurzbezeichnung Beer Chelude<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Zu Franckfurth am Mayn Jüdische Kastenmeister<br />

(1) Beteiligte Personen Appellation wird eingereicht durch die jüdischen Bau- und Kastenmeister „Raphael<br />

Beer, Marx Nathan Maas, Amschel Moyses Beyfuß, Hirsch Model Haas,<br />

Jachiel Salomon Kahn“ (5, 7, 8, 16)<br />

Baumeister laut Mandato 1788: „Abraham Shnapper, Joseph Hirsch Gundersheim,<br />

Abraham Davidt Wimpfe, Hirsch Salomon Cahn, Isaac Hertz Bonn,//<br />

Michael Aron May, Samuel Seeligman Stiebel, Hertz Isaac Bonn, Raphael Beer,<br />

Löw Götz Haas, Marx Nathan Maas“ (97, 99)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellationseinreichung durch kaiserlichen Notar Ff: Johann Friedrich Ragges<br />

(16), Zeugen: „Johann Christoph Cretzschmar, Bürger und Einspänniger,<br />

Johann Michael Hänel, Hellepartirer“ (6, 16),<br />

(2) Beklagter (BK) Moses Löw Beer jetzo aber Friedrich Maximilian Beer, und der Schöffenrath<br />

allda<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Franz Schattenhofer<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

23.06.1790<br />

(4) RHR Agent BK unbekannt<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

(5) RHR Referent Unbekannt, da zunächst nicht am RHR verhandelt<br />

(5) RHR Bank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

471


ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1790<br />

Verfahrensende 1800<br />

Prozessdauer<br />

10 Jahre<br />

Zeitliche Lücken 1792–1800<br />

Anzahl Aktenstücke 5<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr.<br />

Neupaginierung 1–63 (es fehlen Aktenteile)<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

Appellationis in pto der Ausfertigung der Chalotte oder Gelude<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 4, S. 45<br />

Klageeinreichung Beer bei Schöffengericht<br />

19.02.1790<br />

Qdr. 4, S. 45, 46<br />

Dekret Schöffenrat – die Baumeister<br />

werden zur Ausfertigung der Chaluta<br />

gegen eine Kautionshinterlegung<br />

angewiesen<br />

19.02.1790,<br />

ins.<br />

24.02.1790<br />

Qdr. 1, S. 1–22 Appellationseinreichung 05. und<br />

19.03.1790<br />

2. Instanz 1790 Reichsvikariatsgericht München, 1791 RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1, S. 1–22<br />

HK Introductio Appellationis und<br />

Terminverschiebung ad producendam<br />

libell. grav.<br />

25.06.1790<br />

(Qdr. 2, S. 34) RHR Ultimum Conclusum 28.06.1790<br />

Qdr. 2, S. 23– HK Stubenrauch Legitimatio ad acta 25.07.1790<br />

Qdr. 3 HK Terminverschiebung Libell. grav. 28.07.1790<br />

Akten fehlen RHR Ultimum Conclusum 03.08.1790<br />

Akten fehlen HK Terminverschiebung Libell. grav. 06.09.1790<br />

Akten fehlen RHR Ultimum Conclusum 06.09.1790<br />

(Qdr. 5), S. 39–56 HK Libell. grav. Praes.<br />

12.03.1791<br />

(Qdr. 5), S. 42<br />

S. 57–63 Relatio<br />

RHR Vermerknotiz der Referenten:<br />

nach Angaben der Appellanten gab es<br />

einen Vergleich (24.03.1791), zwar wäre<br />

noch ein weiterer Appellans, nämlich<br />

der Schöffenrat, vorhanden, aber es<br />

wurden keine weiteren Prozessschriften<br />

mehr eingebracht (14.12.1800)<br />

24.03.1791<br />

und<br />

15.12.1800<br />

472


(1) HK Eingaben 5<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

(2) BK Eingaben 0<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

Anzahl RHR Erlasse 3<br />

Form RHR Erlasse<br />

2<br />

0<br />

0<br />

0<br />

Ultima Conclusa<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Weitere Bemerkungen<br />

Gemeindeabgaben, Immobilien<br />

Friedrich Maximilian Beer (ehemals Moses Löw Beer) ist konvertiert und<br />

will nun sein Haus in der Judengasse (zum halben Mond genannt) an Marcus<br />

Oppenheim für 13oo fl verkaufen. Um jedoch die Chaluta zu erhalten, müsse<br />

er, laut Baumeister, zunächst seine ausstehenden Gemeindeabgaben von 2145<br />

fl. bezahlen. Beer klagt beim Schöffengericht und bestreitet die hohe Summe,<br />

da er erst im März 1788 eine Chaluta bekommen habe, d.h. die ausstehenden<br />

Abgaben wären nur für die Jahre 89–90 berechnet. Im libellum gravaminum<br />

teilen die Baumeister bereits mit, dass es einen gütlichen Vergleich zwischen<br />

ihnen und dem Beklagten Beer gegeben habe, dass man aber dennoch die<br />

Prozesse gegen das Schöffengericht als Vorinstanz aufrecht erhalten werden<br />

möchte. Auf dem libellum gravaminum bleibt das Verfahren offiziell bis 1800<br />

liegen.<br />

Das Verfahren wird nach dem Tode Josephs II. im Februar 1790 und damit der<br />

Auflösung des RHR Gremiums beim Reichsvikariatsgericht München eingegeben,<br />

möglicherweise erklärt sich dadurch der Aktenverlust.<br />

473


F30 Schwab Bann<br />

Fallnummer 30<br />

Archiv<br />

HHStA Wien<br />

Bestand<br />

Obere Registratur<br />

Signatur K 278/5<br />

Kurzbezeichnung Schwab Bann<br />

PERSONEN<br />

(1) Kläger (HK) Zu Frankfurth Baumeistere gemeiner Judenschaft<br />

(1) Beteiligte Personen Die Appellation wird eingereicht durch die Baumeister Abraham David<br />

Wimpfe und Salomon Seelig Haas (8, 12)<br />

Baumeister laut Mandato 1791: „Abraham Shnapper, Abraham Davidt<br />

Wimpfe, Joseph Hirsch Gundersheim, Michael Aaron May, Samuel Seligmann<br />

Stiebel, Abraham Moyses Braunschweig, Salomon Seelig Haas, Salomon Wolff<br />

Bingoff, Samuel Säckel Landau, Isaac Moyses Beyfus, Isaac Lemle Schuster“<br />

(22–33)<br />

Baumeister laut Mandato 1796: „Joseph Michael Bamberger, Beer Abraham<br />

Stiebel// Joseph Hirsch Gundersheim, Gumpel Loeb Isaac zur Kann, Salomon<br />

Wolff Bingoff, Samuel Säcke Landauer, D.M. Fulda, Zacharias Isaac Wertheimber,<br />

Mayer Nathan Maaß, Levin Mich. Goldschmidt“ (258–262)<br />

(1) Weitere<br />

Informationen<br />

Appellation wird eingereicht durch kaiserlichen Notar Ff: Carl Nicolaus<br />

Behrends, Zeugen: Georg Christian Raidt, Johann Michael Hänel (15), Älterer<br />

Herr Bürgermeister: Johann Christoph von Lauterbach (13)<br />

Bei der Requisition der Akten anwesend: „Lic[entiat] Hartwig no[min]e der<br />

hiesigen Jüdischen Baumeister “ (16)<br />

(2) Beklagter (BK) Den Juden Jacob Schwab oder Mannheim, und den Schöffenrath daselbst<br />

(2) Beteiligte Personen<br />

(2) Weitere<br />

Informationen<br />

(3) RHR Agent HK 1790–1794 Erasmus von Gretzmüller, Substitut: Philipp Maria Goetz<br />

ab 1798 Philipp Maria von Goetz, Sustitut: Heinrich Theodor von Sicherer<br />

(3) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(3) Weitere<br />

Informationen<br />

Gretzmüller 01.02.1791<br />

Goetz 18. Hornung [Februar] 1796<br />

Goetz 30.01.1796<br />

(4) RHR Agent BK 1790, 1791 Bittner<br />

ab 1794 David Heinrich Gottfried Pilgram, Substitut: Franz Aloys Thaddarr<br />

Edlen Herrn von Kirchbauer auf Pollanden<br />

(4) Datum<br />

Bevollmächtigung<br />

(4) Weitere<br />

Informationen<br />

Pilgram: 12.05.1796<br />

474


(5) RHR Referent Steeb junior (Johann Bapt. Edler von Steeb, Gschl. 494–496)<br />

(5) RHR Bank Ritter- und Gelehrtenbank<br />

(5) RHR<br />

Tätigkeitszeitraum<br />

(5) Weitere<br />

Informationen<br />

Steeb junior: 01/1783–03/1800<br />

ÄUSSERE FORMALIA<br />

Verfahrensbeginn 1790<br />

Verfahrensende 1800<br />

Prozessdauer<br />

10 Jahre<br />

Zeitliche Lücken 1792, 1793, 1796, 1797<br />

Anzahl Aktenstücke 39<br />

Fol./ Pag./ Quadr. Qdr. 1–39, Qdr. 23 Bericht BK Magistrat pag. 1–72, Anlagen pag. 1–5, Qdr. 31<br />

Akten 1. Instanz fol. 1–71, Rationes decidendi fol. 1–7<br />

Neupaginierung 1–625<br />

INNERE FORMALIA<br />

Aktenrubrum<br />

Verfahrensart<br />

App[ellationis] pto der Befugnis, den Schulbann in ritual und Ceremoniell<br />

Sachen anzulegen<br />

Appellationsprozess<br />

1. Instanz Ältere Bürgermeisteraudienz, Schöffenrat<br />

Aktenverlauf 1. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 31, Anl. 2,<br />

S. 315, 316/ fol. 4r, v<br />

Qdr. 31, Anl. 2 und 6,<br />

S. 316, 317, 399, 400/<br />

fol. 4v, 5r, 45v–46v<br />

Qdr. 31, Anl. 6,<br />

S. 400–402/<br />

fol. 46v–47v<br />

Qdr. 31, Anl. 8,<br />

S. 403–405/<br />

fol. 48r–51v<br />

Qdr. 31, Anl. 3,<br />

S. 329, 330/<br />

fol. 10v, 11r<br />

Qdr. 31, Anl. 11,<br />

418–426/<br />

Fol. 58v–62r<br />

Qdr. 1, Anl. 1, S. 6, 7<br />

Bannverhängung gegen Schwab und<br />

Ausschaffung aus der Stadt<br />

Klage Schwab und Lemle bei Älterem<br />

Bürgermeister und Anweisung an Baumeister,<br />

den Bann aufzuheben und sich<br />

am 15.07. vernehmen zu lassen<br />

Verhör der Baumeister durch Bürgermeister<br />

Replik Lemle und Schwab auf Verhörprotokoll<br />

der Baumeister<br />

Erlass des Bürgermeisters – Aufhebung<br />

des Bannes bei Strafe 5 Rthlr.<br />

Appellationseingabe Baumeister bei<br />

Schöffenrat<br />

Schöffenratsdekret – Die Appellation<br />

an den Schöffenrat wird abgelehnt,<br />

und auf das Urteil des Bürgermeisters<br />

verwiesen<br />

06.07.1790<br />

07.07.1790<br />

08.07.1790<br />

15. und<br />

16.07.1790<br />

25. und 27.<br />

07.1790<br />

31.07.1790<br />

06.08., ins.<br />

09.08.1790<br />

Qdr. 1, Anl. 2, S. 8–17 Appellationseinreichung 18.08.1790<br />

475


2. Instanz RHR<br />

Aktenverlauf 2. Instanz Fol./Pag./Quadr. Aktenstück Datum<br />

Qdr. 1 S. 1–17<br />

HK – Introductio appellationis, Terminverschiebung<br />

ad prod. libell. grav.<br />

2 Monate<br />

19.12.1790<br />

(Qdr. 2, S. 21) RHR Ultimum Conclusum 11.01.1791<br />

Qdr. 2, S. 18–21 HK Terminverschiebung Libell. grav. 11.03.1791<br />

Qdr. 3, S. 22–33 HK Legitimatio ad acta 11.03.1791<br />

Qdr. 4, S. 34–37 BK Terminmahnung Libell. grav. 14.03.1791<br />

(Qdr. 5, S. 41, 42) RHR Ultimum Conclusum 22.03.1791<br />

Qdr. 5, S. 38–42 BK Terminmahnung Libell. grav. 23.03.1791<br />

(Qdr. 6, S. 82) RHR Ultimum Conclusum 26.05.1791<br />

Qdr. 6, S. 43–86 HK Libell. grav. 08.07.1791<br />

Qdr. 7, S. 87–90 BK Terminmahnung Libell. grav. 01.08.1791<br />

o. Qdr. 91, 92 RHR Reskript Schreiben um Bericht 10.02.1794<br />

(Qdr. 8, S. 97) RHR Ultimum Conclusum 10.02.1794<br />

Qdr. 8, S. 93–97<br />

HK Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminmahnung Bericht<br />

19.05.1794<br />

Qdr. 9, S. 98–101 BK Terminverschiebung Bericht 19.05.1794<br />

(Qdr. 10, 105) RHR Ultimum Conclusum 26.05.1794<br />

Qdr. 10, S. 102–105 BK Terminverschiebung Bericht 28.07.1794<br />

Qdr. 11, S. 106–109 HK Terminmahnung Bericht 28.07.1794<br />

(Qdr. 12, S. 113) RHR Ultimum Conclusum 01.08.1794<br />

Qdr. 12, S. 110–113 HK Terminmahnung Bericht 02.10.1794<br />

Qdr. 13, S. 114–117 BK Terminverschiebung Bericht 02.10.1794<br />

(Qdr. 14, S. 121) RHR Ultimum Conclusum 21.10.1794<br />

Qdr. 14, S. 118–121 BK Terminverschiebung Bericht 22.12.1794<br />

Qdr. 15, S. 122–125 HK Terminmahnung Bericht 22.12.1794<br />

Qdr. 16, S. 126–131 BK Terminverschiebung Bericht 07.05.1795<br />

(Qdr. 17, S. 135) RHR Ultimum Conclusum 11.05.1795<br />

Qdr. 17, S. 132–135 HK Terminmahnung Bericht 13.07.1795<br />

Qdr. 18, S. 136–140 BK Terminverschiebung Bericht 13.07.1795<br />

Qdr. 19, S. 141–151 BK Terminverschiebung Bericht 16.07.1795<br />

(Qdr. 20, S. 155) RHR Ultimum Conclusum 20.07.1795<br />

Qdr. 20, S. 152–155 HK Terminmahnung Bericht 21.09.1795<br />

Qdr. 21, S. 156–163 BK Terminverschiebung Bericht 21.09.1795<br />

Qdr. 22, S. 164–169 BK Terminverschiebung Bericht 04.12.1795<br />

Qdr. 23, S. 170–253 BK Bericht 30.11.<br />

et praes.<br />

09.12.1795<br />

Qdr. 24, S. 254–257 HK Terminmahnung Bericht 03.05.1798<br />

Qdr. 25, S. 258–265 HK Legitimatio ad acta 03.05.1798<br />

476


o. Qdr. S. 266–272 RHR Reskript – Appell.prozesse<br />

werden erkannt, dem Magistrat per<br />

Temporalinhibition bei Strafe 4 Mark<br />

löthigen Geldes jede weitere Verfügung<br />

in dieser Sache sowie die unverzügliche<br />

Herausgabe der Akten erster Instanz<br />

verboten, BK ex officio zum Bericht<br />

aufgefordert<br />

15.06.1798<br />

(Qdr. 26, S. 281) RHR Ultimum Conclusum 15.06.1798<br />

(Qdr. 26, S. 261) RHR Ultimum Conclusum 15.06.1798<br />

Qdr. 26, S. 273–281<br />

Qdr. 27, S. 282–287<br />

HK Insinuationsbescheid Reskript,<br />

Terminverschiebung ad prod. Gegenbericht,<br />

Bitte „in Ermanglung der Exceptions<br />

Schrift litem pro contestataet<br />

libellum pro confessato allermildest<br />

anzunehmen“<br />

BK Insinuationsbescheid Reskript und<br />

Legitimatio HK<br />

13.11.1798<br />

13.11.1798<br />

(Qdr. 28, S. 294) RHR Ultimum Conclusum 30.11.1798<br />

Qdr. 28, S. 288–294<br />

Qdr. 29, S. 295–298<br />

HK Insinuationsbescheid Conclusum,<br />

Terminverschiebung ad prod. Gegenbericht,<br />

Bitte „in Ermanglung der Exceptions<br />

Schrift litem pro contestataet<br />

libellum pro confessato allermildest<br />

anzunehmen“<br />

BK Terminverschiebung ad excipiendum<br />

11.02.1799<br />

18.03.1799<br />

Qdr. 30, S. 299–304 BK legitimatio ad acta 18.03.1799<br />

Qdr. 31, S. 305–460<br />

BK Übersendung der Akten erster<br />

Instanz, gebunden<br />

25.02.1799<br />

Qdr. 32, S. 461–538 BK Exceptiones 01.04.1799<br />

(Qdr. 33, S. 544) RHR Ultimum Conclusum 11.07.1799<br />

Qdr. 33, S. 539–544<br />

BK Insinuationsbescheid Exceptiones<br />

und Terminmahnung Replik<br />

16.09.1799<br />

Qdr. 34, S. 545–549 BK Insinuationsbescheid Legitimatio 16.09.1799<br />

Qdr. 35, S. 550–554 HK Terminverschiebung Replik 17.09.1799<br />

(Qdr. 36, S. 558) RHR Ultimum Conclusum 31.10.1799<br />

Qdr. 36, S. 555–558 HK Terminverschiebung Replik 24.12.1799<br />

Qdr. 37, S. 559–562 BK Terminmahnung Replik 07.06.1800<br />

(Qdr. 38, S. 569) RHR Ultimum Conclusum 20.01.1800<br />

Qdr. 38, S. 563–569 HK Terminverschiebung Replik 21.03.1800<br />

Qdr. 39, S. 570–573 BK Terminmahnung Replik 29.03.1800<br />

S. 574–625 Relatio<br />

(1) HK Eingaben 16<br />

(1) HK<br />

Terminverschiebungen<br />

(1) HK<br />

Terminmahnungen<br />

6<br />

6<br />

477


(2) BK Eingaben 23<br />

(2) BK<br />

Terminverschiebungen<br />

(2) BK<br />

Terminmahnungen<br />

4<br />

10<br />

Anzahl RHR Erlasse 17<br />

Form RHR Erlasse<br />

Ultima conclusa, Reskripte<br />

INHALTE<br />

Schlagworte<br />

Regest<br />

Zeremonial, Bann<br />

Jacob Schwab ist ein fremder jüdischer Jeshivastudent, der an die „jüdische<br />

Universität Frankfurt“ von einer benachbarten „jüdischen Universität“ (45)<br />

gewechselt habe, um sich zum Rabbiner ausbilden zu lassen. Anscheinend<br />

habe er den Sabbat entweiht (er habe sich gepudert und über die Rabbiner<br />

Meyer Schiff und Heyum Gundersheim beleidigt) und halte, laut Klageschrift,<br />

nicht viel auf Sitten, beeinflusse die Jugend schlecht und sei inkompetent. Die<br />

Gemeindevorsteher belegen ihn zunächst mit dem Schulbann und hoffen, ihn<br />

so aus der Gasse zu vertreiben. Als dies nicht geschieht, schaffen sie ihn selbst<br />

aus der Stadt, wie es ihnen obliege. Mit seinem Dienstherren Noe Lemle reist<br />

er aber wieder in Frankfurt ein, bekommt eine Audienz bei Bürgermeister,<br />

der 1790 verfügt, dass der Bann aufgehoben werden müsse. Die Baumeister<br />

gehen daraufhin zunächst zur zweiten Frankfurter Instanz dem Schöffenrat<br />

(„Bekanntlich ist diese Audienz die erstere, ein hochedler Schöffenrath hingegen<br />

die zwote Instanz, an welche in allen Sachen, die nicht unter 25fl. sind,<br />

mit Erfolg provocirt werden kann, und darf “ 49, 50) – dieser bestätigt jedoch<br />

das Urteil des Bürgermeisters. Von diesem Schöffenratsdekret appellieren die<br />

Baumeister an den Reichshofrat. Dennoch erlässt der Schöffenrat ein weiteres<br />

Dekret am 06.08.1790, das die Appellation an den Schöffenrat für desert<br />

erklärt und die Baumeister zur Erlegung der Strafe und der Aufhebung des<br />

Bannes zwingt. Letztendlich verlässt Schwab die Stadt, die Baumeister und<br />

Rabbiner wollen den Bann nun auch gegen die Eltern, die an einem – wohl mit<br />

Schwab assoziierten – reformerischen Schulunternehmen teilhatten, bannen –<br />

der Magistrat verhindert dies wiederum. Kein Endurteil.<br />

Weitere Bemerkungen Transkription des Bannspruchs gegen Schwab/ Mannheimer Qdr. 23, Anl. B,<br />

fol. 11v–13r<br />

„Hört zu ihr Herrn! Es ist befolen worden im Namen der heiligen<br />

Gemeinde, nebst Zuziehung der Herrn Cassa Meistere und Einstimmung<br />

des Oberrabbiners, folgendes bekannt zu machen. Nachdem wir<br />

vernommen und zwar von zween hiesigen Gelehrten als: Rabbi Meyer<br />

Schiff und Rabbi Hayum Guntersheim welche dem hiesien Oberrabinner<br />

hinterbracht auch von den versamleten Vorstehern in der Session Stube<br />

ausgesagt haben daß der Jüngling Jacob Mannheim öffentlich vor Augen<br />

der beesagten zween Gelehrten vorsezlicherweise den Sabbath entheiliget<br />

habe, sogar auch gegen besagte Herren Gelehrten, die ihm darüber<br />

Verweise haben, so naseweis war, ihnen mit Antworten zu begegnen. Also<br />

ist einstimmig von der ganzen heiligen Gemeinde und den Cassameistern<br />

beschlossen worden, diesen Frevler Jacob Mannheim in Zeit von<br />

24. Stunden aus unserer Versammlung zu stosen /: das ist man solle ihn<br />

aus Franckfurt führen :/ und so lange er sich noch hier befindet ihn wie<br />

einen Verbannten zu behandlen. Auch sollen diejenigen, welche besagten<br />

Jacob Mannheim einen Unterhalt geben, sowohl Essen, Trincken als auch<br />

Nachtlager, vielmehr wer ihm hier im Schreibwesen, in der Rechenkunst,<br />

oder worinn es auch bestehen mag, einen Verdienst zueignet, verbannt<br />

seyn. Sondern vertrieben ja völlig vertrieben muß er aus unserer Versammlung<br />

sein wie es einem solchen ausgezeichneten Frevler gebührt.“<br />

478


Transkription des Reskripts vom 15.06.1798, S. 266–272:<br />

„Plenie appellationis processus in Sachen zu Franckfurt am Mayn<br />

Baumeister gemeiner Judenschafft c[ontr]a den Juden Jacob Schwab oder<br />

Mannheim und den Schöffenrath alda appell. die Befugniß den Schullbann<br />

in ritual und Ceremonialsachen anzulegen betr. Wien den 15. Junii<br />

1798 [Marg.: empfangen den 31n July und gefertiget den 2n August 1798.<br />

Molitor. Den 31ten Julius l[aufenden] J[ahres] zahlt R[eichs] A[gent]<br />

v[on] Goetz]<br />

Wir Franz II. p. entbieten dem Juden Jacob Schwab oder Mannheim,<br />

dann dem /tit/ Magistrat der Reichs Stadt Franckfurt Unsere<br />

Kays[erliche] Gnade: Nachdem Baumeister gemeiner Judenschaft in<br />

unser und des heiligen Reichsstadt Franckfurt ob den ihnen zuwider<br />

unterm 6. Aug[ust] 1790. ergangenen Urtel, die Befugniß den Schullbann<br />

in rituals- und Ceremonialsachen betr[effend] an unsern Kayserlichen<br />

Reichshofrath appelliret, auch mittels ihrer hier anliegenden Exhibitorum<br />

de pras.ty 17. Dezember 1790. und 8. Julii 1791. die appellation behörig<br />

introduciret, und zu fortsezung ihres Rechts und plenos appellationis<br />

processes cum solita fatalium praerogatione allerunterthängist gebetten,<br />

auch erlanget haben, daß nach reifer der Sachen Erwegung solch gebetene<br />

processus, als nemlich citatio, inhibitio, et compulsoriales mà cum termin<br />

2 m. anheut zu recht erkannt worden: Als heischen und laden Wir dich<br />

appellaten von Röm[ischer] Kays[erlicher] Macht auch gerichts- und<br />

Rechts wegen hiemit und wollen, daß da innerhalb zween Monaten, den<br />

nächsten nach Insinuis- oder Verkündigung dieses, so wie die für den<br />

ersten anderten, dritten lezten und endlichen Gericht Tag sezen, und<br />

benennen peremtoriae, oder ob derselbe kein Gerichts Tag seyn würde,<br />

den nächsten Gerichtstag hernach selbst, oder durch einen gevollmächtigten<br />

Anwald an Unserm Kay[serlichen] Hofe, welcher Orten derselbe<br />

all dann seyn wird, erscheinest, appellantischen Theil derentwegen, wie<br />

sichs gebühret zu antworten, und darauff der Sachen und allen ihren gerichtstägen<br />

und terminen bis zum Beschluß und Urtel auszuwarten. Wir<br />

gebieten zu gleich auch vorigen Richtern, dann die appellaten samt und<br />

sonders, von obberührt dieser kay[erlichen] Macht bey Poen vier Marck<br />

lötigen Goldes, halb in unseres Kay[erliche] Kammer und den andern<br />

halben Theil appellanten unnachlässig zu bezahlen hiemit ernstlich und<br />

wollen, daß ihr in dieser Sache, und allem was derselben anklebend ist,<br />

aldeweilen solche vor Uns, und Unsern Kay[erlichen] R[eichs]H[of]<br />

Rath unentschieden schwebet, den appellanten zum Nachtheil, oder<br />

Unser Kay[erlich]en Obrigkeit zum Veracht ferner nicht verfahret, oder<br />

fürnehmet, selbst oder durch andere auf keinerley Weise noch Weege.:<br />

Ebenmässig und bey jezt angedrohter Poen der vier Marck lötig Goldes<br />

gebieten Wir auch vorigen Richtern, daß ihr innerhalb den nächsten<br />

drey Wochen den appellanten, oder ihre [?] auf ihr gesinnen, und um<br />

billige Belohnung aller und jede acta, und Handlungen in glaubwürdiger<br />

Form, und zusammengeheftet, nebst angefügten rationibus decidendi<br />

verschlossner herausgebet, und folgen lasset, sie hierinnen nicht aufhaltet,<br />

oder verziehet, damit appellanten daraus wegen in Vollfährung der Sache<br />

nicht gehindert werden. Wenn die appellat nun kömmt, und erscheinet,<br />

als dann also oder nicht, oder da obangeregten Unserm Kay[erlichen] inhibitorie<br />

Gebot, und besserer Zuversicht zuwider emelter massen verfahren,<br />

procediret, und fürgenommen, oder auch die auferlegte Edition und<br />

Befolgung der Acten verzogen, aufgehalten, oder gar unterlassen würde,<br />

so wie doch solch alles respectivè als attentata, und an sich selbst untauglich<br />

nachmals widerrufen, und nicht destoweniger mit Erklärung der<br />

verwirckten Poen allerseits, wir auch gansten auf des appellant[ischen]<br />

Theils, oder dessen Anwalds allerunterth[äni]gstes Anlangen und Bitten<br />

mit gemelter Erkenntniß und Erklärung, auch andern hierinn ferner in<br />

Rechten verfahren, gehandlet, und procediret werden, wie sich das seiner<br />

Ordnung nach eignet und gebühret, darnach habt ihr eüch allerseits<br />

allergehorsamst zu richten. Wien den 13. Junii 1798.“<br />

479


480<br />

Als Anlage C liegt eine anonyme kleine gedruckte Broschüre von 1794<br />

mit dem Titel „Zur Beherzigung für jeden Menschenfreund dem die Bildung<br />

und Veredlung der jüd. Jugend nicht gleichgültig ist…“ bei, worin<br />

eine neue Schule in Frankfurt beworben wird, die den christl. Schulen mit<br />

Deutsch, Französisch, Schreiben, Rechnen, Arithmetik als Schulfächern<br />

entspricht. Es wird darin beklagt, dass bisher die Eltern Privatunterricht<br />

bezahlen mussten und „erlangt nicht ein einziger Lehrling die Fähigkeit<br />

deutsch oder franz. fehlerfrei zu sprechen und zu schreiben“ – „diese<br />

Unwissenheit und dieser Mangel an Bildung… tragen sehr viel dazu bei,<br />

daß unsre Nation verkannt, gekränkt, mishandelt, und so oft hintangesetzt<br />

wird“, einige Eltern hätten ihre Kinder bereits angemeldet: „Getz<br />

Hofmann Amschel, Manses Jacob Emden, Jacob Dodrus Haas, Moses<br />

Jacob Emden, Feist Jacob Emden, Lehmann Moses Sichel, Mayer Wolf<br />

Schnapper, Getz Isaac Amschel Wittwe, Herz Löb Oppenheim Wittwe,<br />

Abraham Löb Goldschmidt, Isaac Löw Goldschmidt, Seligmann Abraham<br />

Hecht“.


Register<br />

I. Personenregister<br />

A<br />

Adler, Ester 135f., 217, 411<br />

Alt, Johann Ludwig, Reichshofratsagent 349, 406<br />

Amschel,<br />

Herz Götz, Hoffaktor und Baumeister 407, 409f., 438, 444<br />

Getz Hofmann 480<br />

Mayer, Hoffaktor 407, 409f<br />

Witwe des Getz Isaac 480<br />

Amsterdam, Moses, Mehlhändler 355<br />

Arnstein,<br />

Adam Isaac 403–405<br />

Isaak 36<br />

Nathan Adam 403–405<br />

Rebecca 141f., 437<br />

Wolf Isaac 141f., 244–246, 435–437<br />

B<br />

Baader, Johann Christoph Böhm 348<br />

Baert, Alexander 411–414, 417–419<br />

Bambach, Johann Peter, Schreiber 438<br />

Bamberg(er),<br />

Hänle, geb. Schuster 377<br />

Joseph Michael, Baumeister 368, 474<br />

Lemle Löw 373–377<br />

Barbos, Agostinho 333, 359<br />

Barckhaus, Heinrich von, Schöffe 355<br />

Bartenstein, Josef Reichsfreiherr von, Reichshofrat 30, 68, 71<br />

Baruch, Samuel 40<br />

Baß, Jakob, Rabbiner 145, 203<br />

Bauer, Johann Michael, Gastwirt 348<br />

Bauer, Witwe Johann Carl 348<br />

Beck, Johann Jodocus 192f., 235, 264, 334f., 399, 425<br />

Becker, Georg Gustav, Wecken- und Mehlhändler in Frankfurt am Main 355<br />

Beer (Hahn),<br />

Friedrich Maximilian, ehemals Beer, Moses Löw 471–473<br />

481


482<br />

Mayer Abraham 225, 228, 230<br />

Raphael, Bau- und Kastenmeister 438, 444, 450, 455, 459, 465, 471<br />

Behrends, Carl Nicolaus, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 444, 455,<br />

459, 465, 474<br />

Berger, Johann Heinrich 336, 441<br />

Berlü, Johann David 348<br />

Bethmann, Johann Philip 348<br />

Beyerbach, Elias 348<br />

Beyfus (Beyfuß),<br />

Amschel Moyses, Baumeister 141, 455, 465, 471<br />

Hertz Benedict 245<br />

Isaac Moyses, Baumeister 474<br />

Binder, Christian, Schreiber 373<br />

Bing, Juda Mi(e)chel, Baumeister 341, 348, 355, 360–363, 364–367, 373, 378,<br />

381, 402, 406, 411<br />

Bing(en), Moses Juda 187f., 196, 360–363, 364–367<br />

Bing(en), Salomon Juda 363, 367<br />

Bing(off) Salomon Wolff 368, 474<br />

Bissing, Johann Christoph Edler von, Reichshofratsagent 360, 364, 368, 374<br />

Bittner, Johann Jacob, Reichshofratsagent 106–108, 211f., 283, 341, 346, 349,<br />

352f., 368, 390, 406, 411, 421, 430, 432, 435, 438, 440, 444, 453f., 455, 459,<br />

464, 465, 474<br />

Blum, Heinrich Balthasar, Reichshofrat 68<br />

Blum, Magdalena 198<br />

Bodenschatz, Johann Christian Georg 236f., 333f., 399<br />

Bonn, Her(t)z Isaac, Bau- und Kastenmeister 425, 438, 444, 450, 455, 465, 471<br />

Bonn, Isaac Hertz, Baumeister 416, 438, 444, 450, 455, 459, 465, 471<br />

Borié (Beaurieux) zu Schönbach, Aegidius Valentin Felix Freiherr von, Reichshofrat<br />

59, 60, 68<br />

Bormann, Gottlieb 348<br />

Brandt, Susanna Margaretha 198<br />

Braun, Karl Adolf von, Reichshofrat 68, 71, 78<br />

Braunschweig, Abraham Moyses, Baumeister 368, 474<br />

Breidbach zu Bürresheim, Joseph von (→ Mainz, Kurfürst von)<br />

Breitenbach, Christina Antonetta Dorothea 348<br />

Brunnemann, Jacob 334–337, 441<br />

Brutscher auf Schorn,<br />

Alexander Siegmund Priminus, Pfleger 78<br />

Franz Anton, Hofrat 78, 101<br />

Franz Xaver Freiherr von, Propst/Pfleger 77, 78, 81, 99


Buchsbaum Isaac, Gemeindegarkoch 146f., 239, 241, 460, 462<br />

Butge, Schmuhl, Mehlhändler 355<br />

C<br />

C(a)evallos, Gerónimo de 331, 359<br />

Cahn, Abraham Trir, Rabbiner 396, 399–401<br />

Cahn, Hirsch Salomon, Baumeister 416, 444, 450, 455, 459, 465, 471<br />

Carpzov, Benedikt 195, 216f., 219, 332, 334f., 359, 396, 415, 425<br />

Caßel, Benedict 219<br />

Coblenz (Koblenz), Moses, Deputierter der Frankfurter Gemeinde in Wien<br />

105–107, 132<br />

Collischonn, Joh[ann] Cons[tantin], kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main<br />

444<br />

Colloredo, Franz Gundaker Reichsgraf von, Reichshofrat 59, 67f., 79–81, 93<br />

Colloredo, Rudolph Joseph von, Reichsvizekanzler 93<br />

Cothmann, Ernst 332<br />

Cramer, Johann Ulrich Freiherr von, Reichskammergerichtsassessor 60<br />

Cretschmer (Cretzschmar), Johann Christoph, Einspänniger 455, 471<br />

D<br />

Dalmüller, Dorothea geb. von 83<br />

Darmstädter, Manasse 204<br />

Daub, Benedict 131, 171, 355<br />

Dauber, Georg Conrad, Chirurg 348<br />

Debliz, Salomon, Mehlhändler 355<br />

Decius, Philipp 152f., 332, 359<br />

Dellheim, Salomon 37<br />

Dessau, Salomon Lämle 402–405<br />

Diel, Johann Jacob, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 368, 373<br />

Dietmar (Dittmar, Ditmar, Dithmar), Rudolf Reichsfreiherr von, Reichshofrat<br />

69, 71, 349<br />

Dietrichstein-Proskau-Leslie, Karl Johann Baptist Walter Fürst zu 87, 101<br />

Dollberg, Gerhard Wilhelm von, Dompropst 79<br />

Dornheck, Dr. Anthon Christian 348, 355<br />

Dottenfeld, Johann Jacob 348<br />

Drach, Emanuel, Baumeister 355<br />

Drach, Mendel, Deputierter der Frankfurter Gemeinde in Wien 105<br />

Dreher, Henrich Nicolaus 435<br />

Dürckheim, Ludwig Karl Eckbrecht Freiherr von/Graf zu, Reichshofrat 60, 68<br />

483


E<br />

Eberlein, Dagobert 76, 96<br />

Eisenhardt, Johann Christian Fr[eiherr] von 348<br />

Eisenmenger, Johann Andreas 72, 172f., 336, 441<br />

Eißinger, Jacob, Schuhmachermeister 348<br />

Emden,<br />

Abraham 420<br />

Feist Jacob 480, 420<br />

Jacob, Baumeister 143, 438, 444–448, 480<br />

Moses (Manses) Jacob 420, 480<br />

Erpel, Johann David 411–414, 417, 419<br />

Ettling, Gottlieb 334, 415<br />

Ettlinger, Shlomo 129<br />

Eybinger, Johann Georg, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 373<br />

Eyseneck, Friedrich Maximilian Bauer von, älterer Bürgermeister in Frankfurt<br />

am Main 381<br />

F<br />

Fabrice, Joachim Gottlieb von, Reichshofratsagent 341, 348f., 352, 356, 368,<br />

373, 378, 381, 402, 406<br />

Falk, Jakob Josua, Rabbiner 238<br />

Fichtl, Reichshofratsagent 450<br />

Firmian, Ernst Graf zu, Reichshofrat 69, 71f., 406f.<br />

Firnhaber von Eberstein, Johann Friedrich 348<br />

Fischer, Anna Regina 348<br />

Flesch, Aaron David, Baumeister 360, 364, 368<br />

Flörsheim (Flers(c)heim),<br />

Herz Amschel 393<br />

Herz Michael, Baumeister 341, 355, 373, 378, 381, 402, 406<br />

Mayer Amschel 187<br />

Mayer Götz Amschel 187<br />

Mayer Moses, Baumeister 421, 438<br />

Förster, Johann Friedrich, Schneidermeister 360, 364<br />

Franck, Feist, Baumeister 368<br />

Franck, Johann Friedrich Heinrich, Händler 450<br />

Fränkel, Isaac Zacharias 204, 452f.<br />

Franz II./I., Kaiser 41, 44, 48–50, 93, 479<br />

Franz I. Stephan, Kaiser 34, 44, 46, 48–50, 67<br />

Friedl, (Magd) 198<br />

Friedrich, Johann Jacob 348<br />

484


Fröhlich, Anna Maria 198<br />

Fuchs, Witwe des Johann 411–414, 417, 419<br />

Fuld, Joseph, Mehlhändler 355<br />

Fulda,<br />

D[ewle] M[ajer], Baumeister 368, 474<br />

Hanna, geb. Ursel 137–139, 186–202, 263–265, 270–273, 421–429<br />

Herz Isaac 137–139, 421<br />

Herz Abraham (→ Schreiber (Fulda), Herz Abraham)<br />

Isaac Herz 137–139, 273, 421, 425<br />

Fürnkranz, Johann Simund 348<br />

G<br />

Ganß, Hirsch 225<br />

Gärtner (Gartner), Karl Friedrich von, Reichshofrat 30, 68, 71, 121<br />

Geier, Georg Marcus, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 438<br />

Geiger, Hertz Abraham, Baumeister 341, 348, 411, 421, 430, 438, 444, 459<br />

Geiger, Michael Lazarus, Gemeindeschreiber (Judenbeglaubter) 420<br />

Geiß, Händler in Frankfurt am Main 135–137, 147, 230, 411–419, 469<br />

Glauburg, Hieronymus Maximilian von, älterer Bürgermeister in Frankfurt<br />

am Main 373, 402, 411, 416, 421, 430, 435, 453<br />

Glauburg, Friedrich Adolph von, älterer Bürgermeister in Frankfurt am Main<br />

459<br />

Goldschmidt,<br />

Abraham Loeb 459, 480<br />

Isaac Löw 480<br />

Levin Mach. 368, 474<br />

Gollhard, Philipp Casimir, Hellepartier 459<br />

Göltz, Johann Philipp, Notar in Frankfurt am Main 373, 381<br />

Götz, Philipp Maria, Reichshofratsagent 341, 349, 353, 358, 368, 384<br />

Gözla, Jud, Mehlhändler 355<br />

Gräveniz (Grävenitz), Friedrich Reichsgraf von, Reichshofrat 69, 71<br />

Gregorius Magnus 334<br />

Gretzmüller, Erasmus von, Reichshofratsagent 341, 346, 349, 353, 368, 406, 411,<br />

416, 421, 424, 430, 432f., 435, 438–440, 443f., 450, 455, 459, 465, 468, 471, 474<br />

Grodt, Susanna Lucretia 348<br />

Grodt, Peter 348<br />

Gümbel, Johann Adam, Schreiber 421<br />

Gumperz, Gosman Lion 37<br />

Gunders(c)heim, Joseph Hirsch, Baumeister 341, 348, 368, 373, 378, 381, 393,<br />

402, 406, 411, 416, 421, 425, 430, 438, 444, 450, 455, 459, 465, 471, 474<br />

485


Gundersheim, Heyum 478<br />

Günsburger, Abraham Meyer 37<br />

H<br />

Haas,<br />

Hirsch Model, Baumeister 471<br />

Jacob Dodrus 480<br />

Löw Götz, Baumeister 438, 444, 450, 455, 459, 465, 471<br />

Salomon Seelig, Baumeister 368, 474<br />

Habel, Johann Caspar 435<br />

Hacker, Georg Philipp, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 355, 373, 393,<br />

402, 406, 411, 416, 421, 435<br />

Hacker, Jonathan Gottlieb 421, 435<br />

Hacker, Zacharias 435<br />

Haffner, Joachim Christoph(er), Reichshofratsagent 348f., 352f., 393<br />

Hagen, Johann Hugo Freiherr von, Reichshofratspräsident 30f., 67f., 92f., 100<br />

Hagenau, Maximilian von, Hofrat 89<br />

Hager, Witwe des Johannes 348<br />

Hamburger, Beer, Baumeister 355<br />

Hamel, Wilhelm 348<br />

Hanau, Lehmann Isaac, Baumeister 341, 416, 421, 430, 438, 450, 455, 459<br />

Hänel, Johann Michael, Hellepartier 444, 455, 459, 465, 471, 474<br />

Hänschel, Johann Philipp, Zinngießer 348<br />

Harpprecht, Johann Friedrich, Syndicus/Reichshofratsagent 131, 341, 349, 351, 356<br />

Harrach zu Rohrau, Ferdinand Bonaventura II. Reichsgraf von, Reichshofratspräsident<br />

67f.<br />

Harrach, Johann Nepomuk Graf zu, Reichshofrat 69, 71<br />

Hartwig, Friedrich Christian, Advokat in Frankfurt am Main 128, 459, 474<br />

Hayeck, Dominikus Josef von Waldstätten, Reichshofrat 67, 68<br />

Hecht,<br />

David Abraham, Mehlhändler 130, 355, 358<br />

Israel, Mehlhändler 355, 396<br />

Seeligmann Abraham 480<br />

Heine, Johann David 348<br />

Heineccius, Johann Gottlieb 336<br />

Helmberg, Jos[eph] Anton Öckhl, Kanzleischreiber 80<br />

Hess (Heß), Joachim Albert Freiherr von, Reichshofrat 30, 60, 71, 73<br />

Hessen-Darmstadt, Joseph Ignaz Philipp Landgraf von 78<br />

Heumann von Teutschenbrunn, Johann 235, 334, 399<br />

Heyden, Johann Philipp, älterer Bürgermeister in Frankfurt am Main 373<br />

486


Hilleprand (Hillebrand), Stephan Andreas von, Freiherr von Prandau, Reichshofrat<br />

30, 68, 71<br />

Hiltens, Witwe des C.B. von 348<br />

Hocker, Samuel Tobias, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 341<br />

Hoffmann, Frantz Christoph, Silberarbeiter 348<br />

Hoffmann, Johannes 348<br />

Hornstein-Göffingen, Franz Bernhard Freiherr von, Generalvikar/Geheimer<br />

Rat (Augsburg) 78f., 100<br />

Horowitz, Pinchas, Rabbiner 51, 190, 420<br />

Hung, Witwe des Albert 348<br />

I<br />

Isaak, Jakob 40<br />

J<br />

Jacob, Heyum 37<br />

Jäger, Georg Jost Benedict 348<br />

Jaysius, Johannes Fridericus, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 355<br />

Jodoci, Karl Heinrich Edler von, Reichskammergerichtsassessor 60<br />

Jordis, Stephan 348<br />

Joseph I., Kaiser 48–50, 220<br />

Joseph II., Kaiser 17, 22f., 33, 44, 47–50, 67–69, 70, 72, 87, 90, 92f., 106, 155,<br />

186, 244f., 279<br />

Juncker, Isaac, fürstl. Taxischer Hofmaler 348<br />

K<br />

Kagenegg (Kageneck), Friedrich Fridolin Freiherr von, Reichshofrat 69, 71<br />

Kaib, Joh[ann] Carl von, Schöffe und ehemals älterer Bürgermeister in Frankfurt<br />

am Main 355<br />

Kaiser (→ Franz II./I., → Franz I. Stephan, → Joseph I., → Joseph II., → Karl VI.,<br />

→ Karl VII., → Leopold I., → Leopold II.)<br />

Kaiser, Moises, Mehlhändler 355<br />

Kann (Kante),<br />

Beer Löw Isaac 110<br />

Gumpel Lo(e)b Isaac, Baumeister 368<br />

Isaac Löw Beer, Baumeister 368<br />

Jakob Isaak, Baumeister 355<br />

Löw Isaac, Baumeister 204, 341, 373, 402, 406, 474<br />

Moses Löb Isaak, Rabbiner 204<br />

Kappers, Johann Friedrich, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 444<br />

487


Karl VI., Kaiser 44, 48–50, 69f., 152, 162f., 279<br />

Karl VII., Kaiser 44, 46, 48–50<br />

Käßner, Johannes 348<br />

Kaunitz-Rietberg-Questenberg, Dominikus Andreas, Reichsgraf von, Reichshofrat<br />

68, 71, 73, 349, 356, 381, 406f.<br />

Kaunitz-Rietberg, Wenzel Anton Reichsgraf von, Reichshofrat 59<br />

Khistler, Philipp Jakob, Reichshofratsagent 341<br />

Kinsky, Josef Johann Graf zu, Reichshofrat 69<br />

Kißel, Peter, Wecken- und Mehlhändler in Frankfurt am Main 355<br />

Kleinzell (Kleinpell, Kleinpul), Johann Nicolaus, Hellepartier 396, 444<br />

Klock, Kasper 152f., 331, 359<br />

Knoth, Johann Conrad 348<br />

Kohl, Johann Weygndt, Wecken- und Mehlhändler in Frankfurt am Main<br />

348, 355<br />

Kohler, Witwe des Salomon 348<br />

Krä(h)mer, Händler in Frankfurt am Main 135–137, 147, 230, 411–414, 416–<br />

419, 469<br />

Krüger, Johann Adolph 348<br />

Kulp, Süßel (Sußel) Mayer Juda, kaiserlicher Hoffaktor/Baumeister 36, 348,<br />

355, 360, 364, 367f., 373, 378, 381, 393, 396, 406, 411, 416, 421<br />

Künig, Joh[ann] Jacob, Wecken- und Mehlhändler in Frankfurt am Main 355<br />

L<br />

Labonté, Reichshofratsagent 406<br />

Landau,<br />

David Abraham, Baumeister 341, 421, 430<br />

Joseph Benedikt 221f., 230<br />

Samuel Säckel, Baumeister 368, 474<br />

Lange, Johannes Philipp Christian, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main<br />

348, 360, 364<br />

Langlet, Maria Antonia geb. Freiin von 83<br />

Lauterbach, Johann Christoph, älterer Bürgermeister in Frankfurt am Main 474<br />

Lauterbach, Wolfgang Adam 219, 335, 336, 441<br />

Leelmacher zu Sandersheim, Johann Wilhelm Reichsritter und Edler von,<br />

Truchseß/Hofrat/Kabinettsekretär 89<br />

Lehnemann, Heinrich Wilhelm 348<br />

Lehr, Iohann Iustus, Advokat in Frankfurt am Main 128, 459<br />

Leiter, Lößer, Baumeister 341, 348, 355, 360, 364, 368, 373, 378, 381, 400, 402,<br />

406, 411, 421, 430<br />

Lemle, Noe 475, 478<br />

488


Leopold I., Kaiser 44, 48–50, 69, 224, 231<br />

Leopold II., Kaiser 48–50, 93, 147<br />

Levi, Gottschalk Moses 144, 227, 446f.<br />

Levi, Wolff Salomon, Gemeindeschreiber (Judenbeglaubter) 431<br />

Leyser, Augustin 242, 336<br />

Leytgerstorfer 40<br />

Libano, Christoph, Kanzleischreiber 81<br />

Lichtenstein, Franck von, Syndicus in Frankfurt am Main 131, 355, 359<br />

Linde, Johann Christoph, Chirurg 348<br />

Lippe-Biesterfeld-Weißenfeld, Karl Christian Reichsgraf zu, Reichshofrat 69, 71<br />

Löw, Samuel, Mehlhändler 130, 355, 358<br />

Lucam, Theodor E[dler] v[on], Reichshofratsagent 348f.<br />

Ludovici, Jakob Friedrich 336, 441<br />

Lußmann, Johann Adam 348<br />

Lyncker, Gottlieb, Reichshofratsagent 131, 341, 345, 348f., 351f., 355f., 358, 373,<br />

378, 381, 383f., 388f., 393, 396, 402, 406, 411, 438<br />

Lyncker, Nikolaus Christoph 333, 399<br />

M<br />

Maas (Maaß),<br />

Gumbrig, Mehlhändler 130, 355, 358<br />

Herz Amschel 182, 184<br />

Mayer (Marx) Nathan, Baumeister 368, 438, 455, 450, 459, 465, 471, 474<br />

Moele, Mehlhändlerin 130, 355, 358<br />

Samuel, Mehlhändler 130, 355, 358<br />

Mainz, Kurfürst von = Breidbach zu Bürresheim, Joseph von 110, 120, 127, 380<br />

Mannberger, Johann Friedrich, Messerschmidt 348<br />

Manz, Jacob Isaac, Baumeister 348<br />

Marquart, Johann 333<br />

Marr, Johannes Wilhelm, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 430, 438<br />

Mascardi, Joseph 164, 331, 333, 336, 359, 441<br />

Matt, Franz Xaver, Reichshofratsagent 341, 421, 430, 435, 444, 459<br />

Matthias, Kaiser 155, 187, 244, 469<br />

Mauchart (Maukhart), Friedrich von, Reichshofrat 69, 71, 90<br />

May, Michael Aaron, Baumeister 368, 416, 450, 455, 474<br />

Mayer, Carl Friedrich 348<br />

Mayer, David Michael, Hoffaktor 143f., 147, 155, 215, 224–228, 230, 244, 444–<br />

449, 469<br />

Mayß (Maas), Nathan Salomon, Rabbiner 133, 234, 396, 401<br />

Meinhardt, Ewa Margaretha 348<br />

489


Menocchio (Menochius), Jacopo 195, 331, 333, 335, 359, 425<br />

Mergentheim, Jakob Baruch, Deputierter der Frankfurter Gemeinde in Wien 106<br />

Mevius, David 162, 195, 219, 332, 335, 359, 415, 425<br />

Middleburg (Middelburg), Johann Heinrich, Reichshofratsagent 131, 341,<br />

349–351, 356, 360, 364, 368, 370<br />

Milwitz, Robert Balthasar Clemens von, Reichshofrat 68f.<br />

Milz, Witwe des Johann Stephan 348<br />

Moll, Albrecht Theodor, Syndicus 131, 341, 345, 356, 360, 364, 368, 374, 381,<br />

383f., 390, 393, 396, 402, 406<br />

Moeller, Ludwig Heinrich, Schreiber 430<br />

Monschein, Thomas 76<br />

Moors, Johann Isaac, älterer Bürgermeister in Frankfurt am Main 393, 396<br />

Moser,<br />

Friedrich Karl von, Reichshofrat 62, 68, 71<br />

Johann Georg 348<br />

Johann Jakob 12, 333<br />

Moysen, Gambert 225<br />

Münch-Belinghausen (Münch), Franz Josef Freiherr von, Reichshofrat 30, 32,<br />

68, 71, 378<br />

Münch, Iohann Gerhard, Advokat in Frankfurt am Main 128, 421, 444, 450<br />

Münch, Johann Nicolaus 341<br />

N<br />

Neustädtl, Simon Aaron 40<br />

Nonnengaißer, Johann Peter 348<br />

Notthafft von Wernberg auf Wiesfelden, Johann Heinrich Graf von, Reichshofratsvizepräsident<br />

59<br />

Nottebohm, Bürgerdeputationssprecher 341<br />

O<br />

Ochß, Johannes, Wecken- und Mehlhändler in Frankfurt am Main 355<br />

Ochs, Jakob 369, 375<br />

Oettingen, Abraham Löw 135–137, 411–414, 416–419<br />

Oettingen, Frommet 135–137, 411–414, 416–419<br />

Olenschlager, Johann Daniel von, älterer Bürgermeister in Frankfurt am<br />

Main 406<br />

Oppenheim,<br />

David, Rabbiner 204<br />

[Edel] Witwe des Herz Löb 480<br />

Lazarus Salomon, Baumeister 341, 348<br />

490


Löb Hertz, Baumeister 348<br />

Löw, Rabbiner der Judenschaft zu Schwaben 37<br />

Marcus 473<br />

Mayer Seeligmann 386, 388f.<br />

Samuel, Hoffaktor 105<br />

Seligmann Lazarus, Baumeister 360, 364, 368<br />

Orlando, Reichshofratsagent 438<br />

Orth, Johann Philipp 223, 226, 229, 232, 334, 335–337, 415, 420, 437, 448, 462, 470<br />

Öttingen-Wallerstein, Philipp Karl Graf zu, Reichshofratspräsident 69, 71<br />

P<br />

Pauli, Karl Joseph von, Hofratskanzler 89<br />

Pauly, Christoph Heinrich, Parfümeur 348<br />

Pfalzbayern, Carl Theodor Kurfürst zu 82<br />

Pfan, Amschel Salomon, Gemeindeschreiber (Judenbeglaubter) 431<br />

Pfann, Bär, Mehlhändler 355<br />

Pfeffer, Löw, Mehlhändler 355<br />

Pilgram, David Heinrich Gottfried von, Syndicus/Reichshofratsagent 368, 416,<br />

474<br />

Pistor, Hartmann 152f., 332, 359<br />

Pistoris, Modestinus 195, 335, 425<br />

Praum, Hieronymus von, Syndicus/Reichshofratsagent 341, 349f.<br />

Prehm, Witwe des Zacharias Ludwig 348<br />

Pufendorf (Puffendorff), Konrad Friedrich von, Reichshofrat 69, 71, 73<br />

Purukur, Johann Valentin 348<br />

R<br />

Rabler, Simon 368<br />

Ragges, Johann Friedrich, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 471<br />

Raidt, Georg Christian 474<br />

Reimer, Gottlob Traugott, Spenglermeister 348<br />

Reismann (Reißmann, Reißen), Gottfried 355, 393, 396, 402, 406, 411, 416<br />

Reizer, Johann Georg, Reichshofratssekretär 30<br />

Reus (Reuß),<br />

Moses Löw 138, 425<br />

Mayer Benedict 386<br />

Löw Elias 206, 209<br />

Reußing, Witwe des Johann Georg 348<br />

Reyger, Arnold von 333, 359<br />

Rhode, Jost David, Stadtkanzleibote 373<br />

491


Richter, Christoph Philipp 152f., 331, 334, 359, 415<br />

Riefel (Riefl, Rieffel), Josef Josua von, Reichshofrat 69, 83f., 90<br />

Rindskopf, Alexander 139, 392, 433<br />

Röder, Franz 348<br />

Ronneberger, Ernst Gotthelf, Schuhmachermeister 444<br />

Rosch, Hilarius, Wecken- und Mehlhändler in Frankfurt am Main 355<br />

Rössing, Iohann Georg, Advokat in Frankfurt am Main 128, 360, 364<br />

Rost, Franz Carl Freiherr von, Pfleger 76, 101<br />

Roth, Philipp Ludwig, Buchbinder 341<br />

Rühl, Johann Heinrich 348<br />

Rumpel, Johann Georg Friedrich, Advokat in Frankfurt am Main 444<br />

Rüsselsheim, Süßmann 392<br />

S<br />

Salzwedel, Johann Jacob 348<br />

Samm, Johann Peter 348<br />

Sara, Jüdin zu Prag 40<br />

Sassoferrato, Bartolo da 333, 359<br />

Scaccia, Sigismund 332, 359<br />

Schäffer, Johannes 348<br />

Schallern, Franz Joseph von, Universitätsgubernator 76, 101<br />

Schamas, Goldge, Mehlhändlerin 355<br />

Schamas, Jacob David, Rabbiner 396, 401<br />

Schattenhofer, Franz, Reichshofratsagent 471<br />

Scheuer, Löw Isaac, Baumeister 341, 348, 355, 373, 378, 380f., 402, 406, 411<br />

Schi(e)ff, Hertz Joseph, Baumeister 373<br />

Schiff, Meyer 478<br />

Schmid, Johann(es) Justus, Notar in Frankfurt am Main 341, 348, 355<br />

Schmidt, Johann Christian, Weißbendermeister 421<br />

Schnapper, Mayer Wolf 480<br />

Schnapper (Shnapper), Abraham, Baumeister 341, 348, 355, 373, 368, 378, 380,<br />

383, 393, 396, 402, 406, 411, 416, 421, 430, 438, 444, 450, 455, 459, 465, 471, 474<br />

Schneider, Jacob Philipp, Schneider/Lehnbedienter 430<br />

Schneider, Johann Adam 348<br />

Schönthall, Martin Anton Stöger Edler von, kaiserlicher Rat 83, 98<br />

Schrader, Ludolf 242, 337, 463<br />

Schreiber (Fulda), Herz Abraham, Sofer 132–134, 233–239, 387, 396–401<br />

Schroff, Johann Adam Freiherr von, Reichskammergerichtsassessor 60<br />

Schrötter, Franz Leopold, Reichshofratsagent 444<br />

Schuckerbier, Christian, Wecken- und Mehlhändler in Frankfurt am Main 355<br />

492


Schudt, Johann Jakob 220f., 335, 420<br />

Schuster,<br />

Isaac Lemle, Baumeister 368, 474<br />

Juda Joseph, Baumeister 341, 348, 396, 406, 411, 416, 421, 430, 431, 438<br />

Samuel Juda 140, 431–433<br />

Samuel Nathan, Baumeister 341, 355, 373, 377f., 381, 396, 402, 406<br />

Schwab (Mannheim), Jacob 474–480<br />

Schwab, Zipper 393–395<br />

Schwab, Mayer 395<br />

Schwarzschild,<br />

David, Gemeindediener und Schulklöpper 420<br />

Isaac 131, 171, 355<br />

Mayer, Rabbiner 396, 401<br />

Seckendorf, Franz Paul Christoph Freiherr von, Reichshofrat 69<br />

Seibel, Johann Adam, Händler 450<br />

Seilern, Josef Graf zu, Reichshofrat 69, 71f., 176f., 438<br />

Semler, Johann Christoph 348<br />

Senckenberg, Heinrich Christan von, Reichshofrat 59, 67f.<br />

Seyfart, Johann Friedrich 241, 336, 462<br />

Sichel,<br />

Lehmann Moses 480<br />

Moses Salomon, Baumeister 139–141, 179–186, 196, 430–434<br />

Salomon 139, 392, 433<br />

Sicherer, Heinrich Theodor von, Reichshofratsagent 349, 353, 474<br />

Siegfried, Anna Catharina 348<br />

Sinsheim (Sinßheim), Isaac Raphael 141f., 435–437<br />

Söhngen, Johann Peter, Reichshofratssekretär 92f., 443<br />

Sonnenmann, Heinrich Bernhard 348<br />

Speckhan, Eberhard 241, 336, 462<br />

Speyer,<br />

Bräunle 363<br />

Isaac, Baumeister 459<br />

Jakob Isaac 363, 367<br />

Städel, Johann Daniel 348<br />

Stallburg, Johann Friedrich Maximilian, älterer Bürgermeister in Frankfurt<br />

am Main 455<br />

Steeb,<br />

Anton Bartholomäus 74f.<br />

Anton, Gastwirt 74f., 82f.<br />

Christian Franz Eugen Freiherr von, General 84<br />

493


494<br />

Jakob Karl Dominikus Reichsritter und Edler von 75, 89<br />

Johann Adam 75<br />

Johann Baptist Reichsritter und Edler von, Reichshofrat 69, 72–75, 78, 82f.,<br />

88–95, 95–101, 148, 282f., 411f., 416, 430f., 435, 445, 450, 455f., 459, 465,<br />

468, 475<br />

Johann Ignaz 75<br />

Johann Jakob Reichsritter und Edler von, Reichshofrat 68, 72–88, 90, 92,<br />

95–108, 282f., 342, 360, 364, 374, 384, 388, 390, 393, 396, 402, 411, 416,<br />

422, 430, 435<br />

Johann Thomas 75, 76f.<br />

Joseph Thomas 75<br />

Louise Edle von 84<br />

Maria Barbara Anna Theresa Edle von 75, 89<br />

Maria Agatha 75<br />

Maria Amalia Edle von, geb. Leelmacher zu Sandersheim 75, 89, 94f., 99<br />

Maria Anna 75<br />

Maria Anna geb. Monschein 74–76<br />

Maria Barbara Edle von, geb. Freiin von Brutscher auf Schorn 77f., 83–85,<br />

88f., 96, 99<br />

Maria Dominika Floriana Edle von 75, 89<br />

Maria Elisabeth 75<br />

Stein, Johann Friedrich, bürgerlicher Leutnant 348<br />

Stellweg (Stellwag), Johann Lorenz, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main<br />

421, 438<br />

Stephan, Nicolaus, Wecken- und Mehlhändler in Frankfurt am Main 355<br />

Stern, Süßkind Samuel, Händler 110, 390–392<br />

Sternberg, Gundaker Thomas Graf zu, Reichshofrat 30, 68, 71<br />

Stiebel,<br />

Abraham Isaac, Baumeister 360, 364, 368<br />

Beer Abraham 368, 474<br />

Samuel Seeligman, Baumeister 368, 416, 450, 455, 465, 471, 474<br />

Stieve, Christian Gottlieb von, Reichshofratsagent 341, 349, 352f.<br />

Stögler, Christian Heinrich, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 421<br />

Stöpler, Karl Maximilian, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 373, 381<br />

Strauß, Hertz Amschel 395<br />

Strauß, Johann Georg, Sattlermeister 348<br />

Strube, David Georg 242f., 336, 462f.<br />

Struve, Georg Adam 242, 337, 463<br />

Stryck, Samuel 334, 336, 415


T<br />

Taaffe, Johann Graf zu, Reichshofrat 67, 69, 71<br />

Textor, Johann Wolf(f)gang, älterer Bürgermeister in Frankfurt am Main 348<br />

Thaddarr, Franz Aloys 474<br />

Thomasius, Christian 333, 359<br />

Thoranc, François de Théas Compte de 361, 363, 365, 367<br />

Thorz, Isaak 40<br />

Thüngen, Johann Siegmund Karl Freiherr von, Reichshofrat 30–32, 68<br />

Thurneisen, Carl Wilhelm 411f., 414, 417, 419<br />

U<br />

Überacker, Wolfgang Christoph Reichsgraf von, Reichshofratspräsident 30,<br />

67f., 71<br />

Uffenbach, Johann Friedrich von, älterer Bürgermeister in Frankfurt am Main<br />

360, 364<br />

Uffenheim, Gabriel, Baumeister 341, 382f., 411, 421, 430<br />

Ulbricht, Adolph Friedrich, kaiserlicher Notar in Frankfurt am Main 381, 450<br />

Urban, Johann Georg, Reichshofratsagent 444, 450<br />

Urschel, Nathan Meyer 360, 364, 368<br />

V<br />

Vacano, Anton, Reichshofratsagent 40, 378<br />

Vantius, Sebastian 332, 259<br />

Vázquez de Menchaca, Fernando 331, 359<br />

Villier, Johann Peter de 348<br />

Vitriarius, Philipp Reinhard 337, 462<br />

Vockel, Johann Paul Reichsritter von, Reichshofrat 67, 69<br />

Voltz, Johann Ernst 348<br />

Vulpius, Georg Ludwig von, Reichshofrat 60, 69<br />

W<br />

Wagenseil, Johann Christoph 237, 334, 399<br />

Wallau, Gottfried, Reichshofratsagent 378<br />

Wallich, Isaak Salomon 135–137, 147, 155, 215, 221, 228, 230, 414f., 416, 419,<br />

455–458, 465–467, 469<br />

Walther, Johann Georg Schreinermeister 348<br />

Walther, Advokat in Frankfurt am Main 341<br />

Weickert, Wolfgang Victor, Schöffe 355<br />

Weinreich, Adrian 402<br />

Weißkirch, Franz Josef, Reichshofrat 69, 71, 73<br />

495


Weitz, Christoph Peter, Silberarbeiter 444<br />

Welsch, Meyer Hertz, Baumeister 341, 355, 360, 364, 368, 373, 378, 381, 402, 406<br />

Wertheim,<br />

Joseph Samuel 40<br />

Samson, Hoffaktor 104f.<br />

Sara 204<br />

Wolff, Hoffaktor 104<br />

Zacharias Isaac, Baumeister/Stiftungsadministrator 107, 111, 144f., 179,<br />

203–219, 368, 450–454, 474<br />

Wesenbeck, Matthäus 332, 359<br />

Wetterhahn, Heyum, Mehlhändler 355<br />

Wetzlar, Nathan Aaron, Baumeister 373, 378, 381, 402, 406<br />

Wiesand, Georg Stephan, Advokat in Frankfurt am Main 156<br />

Wiesenhüten, Johann Friedrich, älterer Bürgermeister in Frankfurt am Main<br />

438<br />

Wimpfe, Abraham David(t), Baumeister 368, 416, 421, 430, 438, 444, 450, 455,<br />

459, 465, 471, 474<br />

Wimpfe, Löb Hertz 411<br />

Windischgrätz (Windischgraz), Josef Graf zu, Reichshofrat 68, 71<br />

Woelckern, Lazarus Karl von, Reichshofrat 69, 71<br />

Wohl, David Jacob, Gemeindegarkoch 146f., 239, 241f., 459, 460, 462<br />

Wolf, Nicolaus, Registrator 26f.<br />

Wollhard, Johann Peter 348<br />

Wormbs (Worms), Mayer, Baumeister 131, 171, 355, 360, 364<br />

Wrbna (Würben), Josef Wenzel Graf zu, Reichshofrat 69<br />

Würtz, Johannes, Schreiber 360, 364<br />

Z<br />

Zelling, Carl von, Reichshofratsagent 368<br />

Zunß, Amschel Herz, Rabbinatsassessor 396, 401<br />

Zunß, Salomon Herz 138<br />

496


II. Sachregister<br />

Anwalt/Advokat (→ Reichshofrat, Agenten, → Reichskammergericht, Assessoren)<br />

Appellation (s. auch Reichshofratsverfahren) 17, 21f., 39, 72f., 110f., 114f., 119f.,<br />

122–126, 128, 179, 202, 215, 223, 238, 246<br />

Argumentationskategorien 18, 110–113, 148f., 157–160<br />

Aufklärung 169, 194f., 198f., 212, 226, 244, 288<br />

jüdische (→ Haskala)<br />

Bann, jüdischer<br />

Schulstrafe 133, 143f., 147f., 157, 224, 478f.<br />

Cherem 134, 233, 256, 478<br />

Baumeister 110f., 113f., 116, 118f., 127f., 140, 179f., 210, 217, 219f., 221, 227,<br />

256ff., 278, 289<br />

Beweis 150f., 160, 166, 183f., 194, 206, 209, 225, 228, 232, 238, 250, 420, 460<br />

Brit Mila/Beschneidung 362f., 366f.<br />

Ehe<br />

Ehebruch 138, 192, 425<br />

eheliche/uneheliche Geburt 138, 189, 191, 198, 200, 271, 363, 425<br />

Ehescheidung/-trennung 94, 132, 137f., 101, 200, 271, 404, 425<br />

Eheschließung 77, 89, 94, 96, 99f., 102, 130f., 189<br />

Eid, jüdischer 146f., 230, 233, 239–244, 286, 462<br />

Elite<br />

Elite, jüdische 39, 58, 281<br />

Funktionselite, juristische 61–64<br />

Empfehlung 66f., 78, 93, 100f.<br />

Erbe 51, 72, 92, 97, 138, 143f., 172, 179f., 182–184, 203, 207, 420, 452, 456, 458<br />

Frankfurt am Main<br />

Archivbestände 20–22, 51, 145, 106–108, 212, 453f.<br />

Bürgermeister 21, 32, 107, 132, 138, 155, 348, 360, 364, 373, 381, 386, 393,<br />

402, 406, 411, 416, 421f., 424, 428, 430, 435, 438, 453, 455, 459, 474, 478<br />

Magistrat 17, 50, 55f., 57, 106–108, 115, 122f., 125, 158, 247f., 250<br />

Rechneiamt 130, 135, 137f., 176, 185f., 350, 355ff., 382, 407, 409, 412, 414,<br />

417, 419, 429, 430f., 439<br />

Schöffenrat 11. 110, 123f., 197, 215<br />

Stadtherr 19, 158<br />

Garköche 146f., 241, 265, 462<br />

Gebetsriemen (→ Tephillin/Gebetsriemen)<br />

Gehorsam/Ungehorsam 168, 178, 235, 240, 247, 270, 287, 379f.<br />

Geleit 40, 380<br />

497


498<br />

Gemeiner Nutzen/Gemeinwohl 169, 183, 205, 262f., 275–277<br />

Gemeines Recht 149, 150, 158, 179, 183f., 186, 213, 223, 248<br />

Gerichtsprotokoll (→ Reichshofrat, Protokoll, → Frankfurt am Main, Bürgermeister,<br />

Rechneiamt, Schöffenrat)<br />

Gewalt 197, 226f., 229, 231, 258f., 267f., 274f., 404<br />

Gewohnheitsrecht/Observanz/Herkommen 158–160, 166, 171, 174f., 178, 181f.,<br />

189–191, 213f., 232, 248–250, 286<br />

Gnade/Ungnade 93, 194f., 200, 245, 257, 422f., 199, 278, 427<br />

Handel<br />

Branntwein 258f., 406, 409f.<br />

Fisch 124f., 142, 161, 172, 176, 441, 443<br />

Holz 142f., 161, 438, 441<br />

Kaffee 258, 381–383<br />

Markt 142f., 161, 172, 267f., 269, 441<br />

Spezereien 258f., 382f.<br />

Tee 381–383<br />

Wechselhandel 72, 136, 217, 404f.<br />

Weißmehl 130f., 162–166, 170f., 256–259, 269, 355–359<br />

Zucker 258f., 381–383<br />

Handwerk 74, 130f., 165, 170, 196f., 358<br />

Haskala 19, 22<br />

Hospital<br />

Immobilien in der Judengasse 72f., 118, 215–233<br />

Chaluta (auch Chelude, Chalotte, Geluda, Gelude) 110, 124, 136, 147, 215,<br />

217, 220–230, 233, 249f., 414, 417–419, 420f., 458, 466f., 469, 472f.<br />

Verkauf 135f., 215f., 219, 222<br />

Verwaltung 375, 377<br />

Jeshivot/jüdische Schulen 144f., 203, 210, 452–454, 478, 480<br />

Judengasse, Frankfurt am Main (→ Immobilien, → Jeshivot/jüdische Schulen,<br />

→ Stiftungen, jüdische)<br />

jüdische Gemeinde Frankfurt am Main<br />

Archivalische Überlieferung (→ Memorbuch, → Pinkas, → Prästandenbuch)<br />

Funktionsträger (→ Baumeister, → Kastenmeister, → Lehrer, → Rabbiner, →<br />

Schreiber, → Garköche)<br />

Geschichte 46f., 167, 182, 258f.<br />

Ritual (→ Brit Milah/Beschneidung, → Tephillin/Gebetsriemen, → Mezuzot,<br />

→ Mikwe/Ritualbad, → Shabbat, → Schulsessel, → Synagoge)<br />

jüdische Gemeinden<br />

Buchau 52<br />

Corbach (Korbach) 52


(→ jüdische Gemeinde Frankfurt am Main)<br />

Friedberg 52<br />

Fürth 52<br />

Grabfeldt (Grabfeld) 52<br />

Hamburg 52<br />

Hechingen 52<br />

(→ Judenschaft im Reich)<br />

(→ Landjudenschaft, Schwaben)<br />

Lonnerstadt 52<br />

Mühlhausen 52<br />

Niederwehren (Niederwerrn) 52<br />

Oettingen 52<br />

Prag 40, 280, 386<br />

Preußen 19<br />

Regensburg 52<br />

Speyer 52<br />

Thannhausen 52<br />

Wetzlar 52<br />

Worms 50–52, 280, 289<br />

Judenschaft im Reich 50, 52, 280<br />

jüdisches Recht/Halacha 36, 128, 136f., 158, 184, 191f., 193–196, 202, 214, 243,<br />

249, 377<br />

Kastenmeister 136, 146f., 221, 263, 389, 390–392, 414, 445, 458, 462, 467,<br />

469f.<br />

Landjudenschaft 19<br />

Schwaben 37, 52, 102<br />

Lehrer 107, 144f., 179, 203, 206–211, 451–454<br />

Litispendenz (→ Rechtshängigkeit/Litispendenz)<br />

Memorbuch 22, 130, 137, 203, 272f.<br />

Mezuzot 132–134, 236f., 398<br />

Mikwe/Ritualbad 192, 264<br />

Minhagim 249, 286<br />

Naturrecht 150, 152, 154, 158, 162, 167, 169f., 198, 226, 234, 253, 288<br />

Obrigkeit (→ Frankfurt am Main, Magistrat)<br />

Öffentliches Recht 158, 218, 248<br />

peregrinatio academica 16, 88f., 96<br />

Pinkas 137<br />

Policey 145, 158, 171f., 174, 178f., 212, 248, 255, 266, 275, 277, 287, 407, 409f., 454<br />

Präjudiz 163, 180, 187, 196, 220f., 225, 230, 242f., 250, 286f.<br />

Praestandenbuch 221, 431<br />

499


500<br />

Privilegien<br />

jüdische (s. auch Stättigkeit) 18, 42f., 72, 155f., 157f., 160f., 162f., 203, 220,<br />

223f., 229, 231, 245, 248, 286<br />

städtische 158, 227, 232, 234, 248, 287<br />

Rabbiner 37, 52, 116, 133, 136, 144, 179, 204f., 222f., 234, 238, 240, 290, 401<br />

Rechtsgeltung 149ff., 159f., 172, 178, 184, 188f., 206 213, 250f.<br />

Rechtshängigkeit/Litispendenz 123f., 166, 185, 202, 246, 251f., 285, 288<br />

Rechtsquellen (s. Gemeines Recht, Gewohnheitsrecht/Observanz/Herkommen,<br />

Öffentliches Recht, jüdisches Recht/Halacha, Minhagim, Naturrecht,<br />

Römisches Recht, Privilegien, Präjudiz)<br />

Prozessbeteiligte<br />

Herrschaftsträger 53–58<br />

jüdische Prozessbeteiligte 58<br />

Rechtsmittel (→ Reichshofratsverfahren, Rechtsmittel)<br />

Reichshofrat<br />

Agenten 16, 25, 59, 62, 105–108, 115, 127, 131, 145, 283, 453<br />

Gremiumssitzungen 17, 30f., 59, 109, 282<br />

Kommissionen 14, 16, 47, 54, 111, 126f., 163, 165, 169f., 178, 186, 242, 246,<br />

248, 268, 343<br />

Protokollführung 15f., 28–33, 36, 53, 70–72, 136, 148, 282<br />

Referentengeheimnis 105–110<br />

Reichshofräte<br />

Aufnahmekriterien 63f., 78–80, 92f., 100f.<br />

Bänke 30–33, 62f., 67–70<br />

Besoldung 81, 91<br />

Spezialisierung 17, 33, 71–73, 102, 109, 282<br />

Reichshofratsverfahren<br />

(→ Appellation)<br />

Mandatsprozess 72f.<br />

(→ Prozessbeteiligte)<br />

Rechtsmittel (s. auch Appellation, Revision, Supplikation) 125<br />

Referentenvoten 17, 110, 141, 165, 176f., 199f., 202, 213f., 228, 232, 253, 277,<br />

286f., 425, 441, 448, 462f.,<br />

(→ Revision)<br />

(→ Supplikation)<br />

Verfahrensdauer 35, 118f.<br />

Verfahrensende 125f.<br />

Verfahrensgegenstände 28, 48, 72f.<br />

votum ad imperatorem 26f., 165, 281<br />

Reichsfiskal 28, 89, 90f., 101, 375, 377


Reichskammergericht 11–13, 16, 18, 41<br />

Assessoren 60, 62–64, 66, 96<br />

Reichs- und Ritterkreise 53f.<br />

Reichsmatrikel 55<br />

Reichspublizistik 26, 62<br />

Revision (s. auch Reichshofratsverfahren) 120, 123, 349–354<br />

Ritualbad (→ Mikwe/Ritualbad)<br />

Römisches Recht 149, 154, 162, 183f., 216, 218f., 253<br />

Schreiber 132f., 237<br />

Schulen (→ Jeshivot/jüdische Schulen)<br />

Schulsessel 222, 420, 458<br />

Schutz<br />

kaiserlicher 11, 40, 42, 159, 168, 171, 178, 188, 213, 229, 235, 247, 268, 287f.<br />

städtischer 169, 175, 224, 232<br />

Shabbat 146, 170, 172, 273, 386, 423, 462, 478<br />

Sollizitatur 121<br />

Steuern/Abgaben 118, 140, 182, 216, 218, 225f., 244, 260f., 266, 258, 343f., 347,<br />

433, 447f., 467, 473<br />

Stiftungen, jüdische 107, 144f., 179, 203–211, 369, 372, 450–454<br />

Supplikation (s. auch Reichshofratsverfahren) 350<br />

Synagoge 133, 135, 144, 222, 233, 363, 367, 375, 414, 419, 423<br />

Tephillin/Gebetsriemen 132–134, 236f., 396–398<br />

Tod<br />

Beerdigung 134, 386<br />

(→ Erbe)<br />

Ungehorsam (→ Gehorsam/Ungehorsam)<br />

Verfahrensfehler 158, 176, 178, 185, 199, 202, 214, 223, 227f., 233, 238, 244,<br />

247, 251<br />

Wechsel (→ Handel, Wechselhandel)<br />

Witwen 84, 94f., 135f., 363, 367, 393–395, 411–414, 417–419<br />

Zession (→ Erbe)<br />

Zeugen 131, 146f., 160, 171, 239–243, 249, 265f., 274f., 355<br />

501


Schriften des Centrums für Jüdische Studien<br />

Reihenherausgeber: Klaus Hödl<br />

Alle Bände der Reihe sind fest gebunden.<br />

Ursula Mindler<br />

Grenz-Setzungen im Zusammenleben<br />

Verortungen jüdischer Geschichte in der ungarischen/österreichischen Provinz<br />

am Beispiel Oberwart/Felsőőr<br />

Band 20<br />

488 Seiten, zahlreiche s/w-Abbildungen<br />

€ 39.90/sfr 53.90<br />

ISBN 978-3-7065-5104-5<br />

Evelyn Adunka/Gerald Lamprecht/Georg Traska (Hrsg.)<br />

Jüdisches Vereinswesen in Österreich im 19. und 20. Jahrhundert<br />

Band 18<br />

296 Seiten, zahlreiche s/w-Abbildungen<br />

€ 34.90/sfr 47.90<br />

ISBN 978-3-7065-4946-2<br />

Petra Ernst/Gerald Lamprecht (Hrsg.)<br />

Jewish Spaces<br />

Die Kategorie Raum im Kontext kultureller Identitäten<br />

Band 17<br />

278 Seiten, € 32.90/sfr 51.90<br />

ISBN 978-3-7065-4810-6<br />

Gudrun Salmhofer<br />

„Was einst gewesen ist, bleibt in uns“<br />

Erinnerung und Identität im erzählerischen Werk Lenka Reinerovás<br />

Band 16<br />

312 Seiten, € 34.90/sfr 56.90<br />

ISBN 978-3-7065-4708-6<br />

Markus Helmut Lenhart<br />

Du sollst Dir ein Bild machen<br />

Jüdische Kunst in Theorie und Praxis von David Kaufmann bis zur Kultur-Lige<br />

Band 15<br />

260 Seiten, zahlreiche Farbfotos<br />

€ 29.90/sfr 49.50<br />

ISBN 978-3-7065-4694-2<br />

Klaus Hödl (Hrsg.)<br />

Kulturelle Grenzräume im jüdischen Kontext<br />

Band 14<br />

204 Seiten, € 24.90/sfr 44.90<br />

ISBN 978-3-7065-4530-3


Francesca Falk<br />

Grenzverwischer<br />

„Jud Süss“ und „Das dritte Geschlecht“.<br />

Verschränkte Diskurse von Ausgrenzung<br />

Band 13<br />

168 Seiten, € 22.90/sfr 41.50<br />

ISBN 978-3-7065-4512-9<br />

Petra Ernst (Hrsg.)<br />

Karl Emil Franzos – Schriftsteller zwischen den Kulturen<br />

Band 12<br />

152 Seiten, € 19.90/sfr 35.90<br />

ISBN 978-3-7065-4397-2<br />

Petra Ernst/Gerald Lamprecht (Hrsg.)<br />

Konzeptionen des Jüdischen<br />

Kollektive Entwürfe im Wandel<br />

Band 11<br />

482 Seiten, zahlreiche s/w-Abbildungen<br />

€ 44.90/sfr 72.90<br />

ISBN 978-3-7065-4346-0<br />

Michaela Raggam-Blesch<br />

Zwischen Ost und West<br />

Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien<br />

Band 10<br />

304 Seiten, zahlreiche s/w-Abbildungen<br />

€ 36.90/sfr 61.90<br />

ISBN 978-3-7065-4307-1<br />

Klaus Hödl<br />

Wiener Juden – jüdische Wiener<br />

Identität, Gedächtnis und Performanz im 19. Jahrhundert<br />

Band 9<br />

198 Seiten, € 22.90/sfr 40.10<br />

ISBN 978-3-7065-4215-9<br />

Gerald Lamprecht<br />

Fremd in der eigenen Stadt<br />

Die moderne jüdische Gemeinde von Graz vor dem Ersten Weltkrieg<br />

Band 8<br />

318 Seiten, zahlreiche s/w-Abbildungen<br />

€ 32.90/sfr 57.10<br />

ISBN 978-3-7065-4202-9

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