Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

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23.11.2013 Aufrufe

170 I III. Das Zuspiel auBere Form dieser geschichtlichen Besinnungen (»philosophiehistorische« Vorlesungen) in Nichts sich unterscheidet von dem, was nur noch eine nachtragliche Gelehrsamkeit zu einer abgeschlossenen Geschichte der Philosophie darstellt. Geschichtliche Besinnungen konnen, und sogar mit einem Nutzen, lediglich als historische und damit zugleich als verbesserbare Betrachtungen und vielleicht Entdeckungen gebraucht werden, ohne daB jemals aus ihnen der Wink der Geschichte durchbricht, der Geschichte, die die des Seyns selbst ist und die Entscheidungen aller Entscheidungen in sich tragt. Geschichtliche Besinnungen haben den Grund ihrer Vollziehbarkeit im seynsgeschichtlichen Denken. Wie aber, wenn uns das Wesen des Denkens verlorengegangen und die »Logik« auserwahlt wurde, iiber das »Denken« zu verfiigen, wo sie doch selbst ein Dberbleibsel nur der Ohnmacht des Denkens ist, d. h. des ungestiitzten, ungeschiitzten Fragens im Abgrund der Wahrheit des Seins? Wie aber, wenn »Denken« nur noch Geltung hat als das fehlerlose SchluBfolgern im richtigen Vorstellen von Gegenstanden, als das Ausweichen vor jenem Fragen? 83. Die Meinung aZZer Metaphysik iiber das Sein Die Metaphysik meint, das Sein lasse sich am Seienden finden, und dies so, daB das Denken iiber das Seiende hinaus geht. Je ausschlieBlicher das Denken dem Seienden sich zuwendet und fiir sich selbst einen seiendsten Grund sucht (vgl. Descartes und die Neuzeit), urn so entschiedener entfernt sich die Philosophie aus der Wahrheit des Seyns. Wie aber ist der metaphysische Verzicht auf das Seiende und d. h. der Verzicht auf die Metaphysik moglich, ohne dem »Nichts« anheimzufalIen? Das Da-sein ist die Griindung der Wahrheit des Seyns. Je unseiender der Mensch, je weniger er sich auf das Seiende, 85. Die urspriingliche Zueignung des ersten Anfangs . . . 171 als welches er sich vorfindet, versteift, urn so naher kommt er dem Sein. (Kein Buddhismus! das Gegenteil). 84. Das Seiende in seinem Aufgang zu ihm selbst (Griechentum); verursacht durch ein Hochstes seines Wesens (Mittelalter); das Vorhandene als Gegenstand (Neuzeit). Immer zugehiilIter wird die Wahrheit des Seyns, immer seltener die Moglichkeit, daB diese Wahrheit als solche zur griindenden Macht werde und iiberhaupt erst erkannt. 85. Die urspriingliche Zueignung des ersten Anfangs bedeutet das Fuf3fassen im anderen Anfang Die urspriingliche Zueignung des ersten Anfangs (und d. h. seiner Geschichte) bedeutet das FuBfassen im anderen Anfang. Dieses volIzieht sich im Dbergang von der Leitfrage (was ist das Seiende?, Frage nach der Seiendheit, Sein) zur Grundfrage: was ist die Wahrheit des Seyns? (Sein und Seyn ist dasselbe und doch grundverschieden.) Dieser Dbergang ist geschichtlich begriffen die Dberwindung und zwar die erste und erstmogliche aZZer »Metaphysik«. Die »Metaphysik« wird jetzt erst in ihrem Wesen erkennbar, und im iiberganglichen Denken kommt aIle Rede von »Metaphysik« in die Zweideutigkeit. Die Frage: Was ist Metaphysik?, im Bereich des Dbergangs zum anderen Anfang gestellt (vgl. den Vortrag im Zusammenhang mit »Sein und Zeit« und »Vom Wesen des Grundes«), erfragt das Wesen der »Metaphysik« bereits im Sinne einer ersten Gewinnung der Vorfeldstellung zum Dbergang in den anderen Anfang. Mit anderenWorten, sie fragt schon aus diesem her. Was sie als Bestimmung der »Metaphysik« sichtbar macht, das ist schon nicht mehr die

172 III. Das Zuspiel Metaphysik, sondern ihre Uberwindung. Was diese Frage erzielen will, ist nicht die Aufkliirung und d. h. Festerhaltung der bisherigen und dazu notwendig verwirrten Vorstellung von der »Metaphysik«, sondern ist der StoB in den Ubergang und damit in das Wissen, daB jede Art von Metaphysik zu Ende ist und sein muB, wenn die Philosophie ihren anderen Anfang gewinnen solI. Wenn die »Metaphysik« als zurn Da-sein als solchem gehoriges Geschehen sichtbar gemacht wird, dann will dies nicht als eine sehr billige »anthropologische« Verankerung der Disziplin der Metaphysik im Menschen gelten, sondern mit dem Da-sein ist jener Grund gewonnen, in dem die Wahrheit des Seyns griindet, so daB jetzt das Seyn selbst urspriinglich zur Herrschaft kommt und eine Stellung des Ubersteigens des Seienden, d. h. doch des Ausgehens vom Seienden und zwar als Vorhandenem und als Gegenstand unmoglich geworden ist. Und so zeigt sich erst, was Metaphysik war, eben diese Ubersteigung des Seienden zur Seiendheit (Idee). Unvermeidlich zweideutig aber bleibt diese Bestimmung der »Metaphysik«, insofern es so aussieht, als sei sie nur eine heutige, an der Sache nichts antastende andere Fassung des bisherigen Begriffes. Das ist sie, aber indem die Fassung des Wesens der »Metaphysik« zuvor und durchaus eine Griindung des Da-seins wird, verlegt sie der »Metaphysik« jeden Weg zu einer weiteren Moglichkeit. Ubergiinglich denkerisch begreifen heiBt: das Begriffene in seine Unmoglichkeit versetzen. 1st es noch notig, diese Abwehr der »Metaphysik« eigens vor der Vermischung mit der »antimetaphysischen« Tendenz des »Positivismus« (und seiner Spielarten) zu schiitzen? Doch kaum, wenn wir bedenken, daB ja der »Positivismus« die Grobste aller »metaphysischen« Denkweisen darsteIlt, insofern er einmal eine ganz bestimmte Entscheidung iiber die Seiendheit des Seienden (Sinnlichkeit) enthiilt und zum anderen eben dieses Seiende stiindig iibersteigt durch die grundsiitzliche Ansetzung einer gleichartigen »Kausalitiit«. Fiir das iibergiingliche Denken aber 85. Die urspriingliche Zueignung des ersten Anfangs . . . 173 handelt es sich nicht urn eine »Gegnerschaft« gegen die »Metaphysik«, wodurch sie ja gerade erneut in Stellung gebracht wiirde, sondern urn eine Uberwindung der Metaphysik aus ihrem Grunde. Die Metaphysik ist zu Ende, nicht weil sie zu sehr, zu unkritisch, zu verstiegen nach der Seiendheit des Seienden fragte, sondern weil sie zufolge des Abfalls vom ersten Anfang mit diesem Fragen das im Grunde gesuchte Seyn niemals enragen konnte und schlieBlich in der Verlegenheit dieser Ohnmacht auf die »Erneuerung« der »Ontologie« verfiel. Die Metaphysik als das Wissen vom »Sein« des Seienden muBte zum Ende kommen (siehe Nietzsche), weil sie gar nicht und noch nie nach der Wahrheit des Seyns selbst zu fragen wagte und daher auch in ihrer eigenen Geschichte stets in der Verwirrung und der Ungesichertheit ihres Leitfadens (des Denkens) bleiben muBte. Eben deshalb darf aber auch das iibergiingliche Denken nicht der Versuchung verfaIlen, das, was es als Ende und im Ende begriffen hat, nun einfach hinter sich zu lassen, statt dieses hinter sich zu bringen, d. h. jetzt erst in seinem Wesen zu fassen und dieses gewandelt in die Wahrheit des Seyns einspielen zu lassen. Die Rede vom Ende der Metaphysik darf nicht zur Meinung verleiten, die Philosophie sei mit der »Metaphysik« fertig, im GegenfaIl: diese muB ihr jetzt erst in ihrer Wesensunmoglichkeit zugespielt und die Philosophie selbst so in ihren anderen Anfang hiniibergespielt werden. Uberdenken wir diese Aufgabe des anderen Anfangs (die Frage nach dem »Sinn« des Seyns in der Formel von »Sein und Zeit«), dann wird auch deutlich, daB aIle Versuche, die gegen die Metaphysik, die iiberall - auch als Positivismus - idealistisch ist, reagieren, eben re-aktiv und damit von der Metaphysik grundsiitzlich abhiingig und somit selbst Metaphysik bleiben. AIle Biologismen und Naturalismen, die die »Natur« und das Nichtrationale als das Tragende vorbringen, dem alles entsteigt, als das Alleben, in dem alles brodelt, als das Niichtige gegen das Lichte u. s. f., bleiben durchgiingig auf dem Boden der Metaphysik und brauchen sie, sei es nur, urn an ihr sich zu

172 III. Das Zuspiel<br />

Metaphysik, sondern ihre Uberwindung. Was diese Frage erzielen<br />

will, ist nicht die Aufkliirung und d. h. Festerhaltung<br />

der bisherigen und dazu notwendig verwirrten Vorstellung von<br />

der »Metaphysik«, sondern ist der StoB in den Ubergang und<br />

damit in das Wissen, daB jede Art von Metaphysik zu Ende ist<br />

und sein muB, wenn die <strong>Philosophie</strong> ihren anderen Anfang<br />

gewinnen solI.<br />

Wenn die »Metaphysik« als <strong>zur</strong>n Da-sein als solchem gehoriges<br />

Geschehen sichtbar gemacht wird, dann will dies nicht als<br />

eine sehr billige »anthropologische« Verankerung der Disziplin<br />

der Metaphysik im Menschen gelten, sondern mit dem Da-sein<br />

ist jener Grund gewonnen, in dem die Wahrheit des Seyns<br />

griindet, so daB jetzt das Seyn selbst urspriinglich <strong>zur</strong> Herrschaft<br />

kommt und eine Stellung des Ubersteigens des Seienden,<br />

d. h. doch des Ausgehens vom Seienden und zwar als Vorhandenem<br />

und als Gegenstand unmoglich geworden ist. Und so<br />

zeigt sich erst, was Metaphysik war, eben diese Ubersteigung<br />

des Seienden <strong>zur</strong> Seiendheit (Idee). Unvermeidlich zweideutig<br />

aber bleibt diese Bestimmung der »Metaphysik«, insofern es<br />

so aussieht, als sei sie nur eine heutige, an der Sache nichts<br />

antastende andere Fassung des bisherigen Begriffes. Das ist<br />

sie, aber indem die Fassung des Wesens der »Metaphysik«<br />

zuvor und durchaus eine Griindung des Da-seins wird, verlegt<br />

sie der »Metaphysik« jeden Weg zu einer weiteren Moglichkeit.<br />

Ubergiinglich denkerisch begreifen heiBt: das Begriffene<br />

in seine Unmoglichkeit versetzen. 1st es noch notig,<br />

diese Abwehr der »Metaphysik« eigens vor der Vermischung<br />

mit der »antimetaphysischen« Tendenz des »Positivismus«<br />

(und seiner Spielarten) zu schiitzen? Doch kaum, wenn wir bedenken,<br />

daB ja der »Positivismus« die Grobste aller »metaphysischen«<br />

Denkweisen darsteIlt, insofern er einmal eine ganz<br />

bestimmte Entscheidung iiber die Seiendheit des Seienden<br />

(Sinnlichkeit) enthiilt und zum anderen eben dieses Seiende<br />

stiindig iibersteigt durch die grundsiitzliche Ansetzung einer<br />

gleichartigen »Kausalitiit«. Fiir das iibergiingliche Denken aber<br />

85. Die urspriingliche Zueignung des ersten Anfangs . . . 173<br />

handelt es sich nicht urn eine »Gegnerschaft« gegen die »Metaphysik«,<br />

wodurch sie ja gerade erneut in Stellung gebracht<br />

wiirde, sondern urn eine Uberwindung der Metaphysik aus<br />

ihrem Grunde. Die Metaphysik ist zu Ende, nicht weil sie zu<br />

sehr, zu unkritisch, zu verstiegen nach der Seiendheit des Seienden<br />

fragte, sondern weil sie zufolge des Abfalls vom ersten<br />

Anfang mit diesem Fragen das im Grunde gesuchte Seyn niemals<br />

enragen konnte und schlieBlich in der Verlegenheit dieser<br />

Ohnmacht auf die »Erneuerung« der »Ontologie« verfiel.<br />

Die Metaphysik als das Wissen vom »Sein« des Seienden<br />

muBte zum Ende kommen (siehe Nietzsche), weil sie gar nicht<br />

und noch nie nach der Wahrheit des Seyns selbst zu fragen<br />

wagte und daher auch in ihrer eigenen Geschichte stets in der<br />

Verwirrung und der Ungesichertheit ihres Leitfadens (des Denkens)<br />

bleiben muBte. Eben deshalb darf aber auch das iibergiingliche<br />

Denken nicht der Versuchung verfaIlen, das, was es<br />

als Ende und im Ende begriffen hat, nun einfach hinter sich<br />

zu lassen, statt dieses hinter sich zu bringen, d. h. jetzt erst in<br />

seinem Wesen zu fassen und dieses gewandelt in die Wahrheit<br />

des Seyns einspielen zu lassen. Die Rede vom Ende der Metaphysik<br />

darf nicht <strong>zur</strong> Meinung verleiten, die <strong>Philosophie</strong> sei<br />

mit der »Metaphysik« fertig, im GegenfaIl: diese muB ihr jetzt<br />

erst in ihrer Wesensunmoglichkeit zugespielt und die <strong>Philosophie</strong><br />

selbst so in ihren anderen Anfang hiniibergespielt werden.<br />

Uberdenken wir diese Aufgabe des anderen Anfangs (die<br />

Frage nach dem »Sinn« des Seyns in der Formel von »Sein und<br />

Zeit«), dann wird auch deutlich, daB aIle Versuche, die gegen<br />

die Metaphysik, die iiberall - auch als Positivismus - idealistisch<br />

ist, reagieren, eben re-aktiv und damit von der Metaphysik<br />

grundsiitzlich abhiingig und somit selbst Metaphysik bleiben.<br />

AIle Biologismen und Naturalismen, die die »Natur« und<br />

das Nichtrationale als das Tragende vorbringen, dem alles entsteigt,<br />

als das Alleben, in dem alles brodelt, als das Niichtige<br />

gegen das Lichte u. s. f., bleiben durchgiingig auf dem Boden<br />

der Metaphysik und brauchen sie, sei es nur, urn an ihr sich zu

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