Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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94 1. Vorblick 44. Die »Entscheidungen« 95 licher »Kantianismus« miBdeutet und unschadlich gemacht wird. Die abendlandische Geschichte der abendlandischen Metaphysik ist der »Beweis« dafur, daB die Wahrheit des Seyns nicht zur Frage werden konnte, und der Hinweis auf die Griinde dieser Unmoglichkeit. Die grobste Verkennung der Wahrheit des Seyns lage aber in einer »Logik« der Philosophie. Denn diese ist die bewuBte oder unbewuBte Ruckubertragung der »Erkenntnistheorie« auf sich selbst. Die »Erkenntnistheorie« aber ist nur die Form der Ratlosigkeit der neuzeitlichen Metaphysik sich selbst gegenuber. Die Verwirrung kommt auf den Hohepunkt, wenn nun diese »Erkenntnistheorie« sich noch einmal als »Metaphysik der Erkenntnis« ausgibt; das Rechnen auf dem Rechenschieber der »Aporetik« und »aporetischen« Erorterung »an sich« vorhandener »Richtungen« und »Problemfronten« wird und zwar mit vollem Recht zu der Methode der neuzeitlichsten Philosophiegelehrsamkeit. Das sind nur letzte Auslaufer des Vorgangs, durch den die Philosophie ihres Wesens verlustig geht und in die grobste Zweideutigkeit ausartet, weil, was Philosophie zu sein scheint, eindeutig fur den Wissenden eine solche nicht mehr sein kann. Und deshalb mussen auch aIle Versuche, zu sagen, was die Wahrheit des Seyns nicht ist, damit sich abgefunden haben, daB sie hochstens dem unwissentlichen Eigensinn der weiteren MiBdeutung neue Nahrung zufuhren, falls solche Verdeutlichungen des Glaubens sind, die Unphilosophie konne durch Belehrung zur Philosophie umgewandelt werden. Wohl aber ist die Besinnung darauf, was die Wahrheit des Seyns nicht ist, wesentlich als eine geschichtliche, sofem sie helfen kann, die Grundbewegungen in den metaphysischen Grundstellungen des abendlandischen Denkens durchsichtiger und die Verborgenheit der Seinsgeschichte eindringlicher zu machen. In all dem ist freilich auch mitgesagt, daB jede Ablehnung des Philosophie-betriebs im echten Sinne des Wortes nur ihre Notwendigkeit besitzt, wenn sie erkannt hat, daB die Besin nung auf die Wahrheit des Seyns einschlieBt eine Wandlung der denkenden Haltung zur denkerischen, welcher Wandel freilich nicht durch moralische Anweisungen bewirkt werden kann, sondern vorgewandelt werden muB und zwar in der Offentlichkeit des Unsichtbaren und Larmfreien. Warum ist die Wahrheit des Seyns keine Zugabe und kein Rahmen zum Seyn und auch keine Voraussetzung, sondem das innerste Wesen des Seyns selbst? Weil das Wesen des Seyns in der Er-eignung der Ent-scheidung west. Doch woher wissen wir dieses? Wir wissen es nicht, sondem erfragen es und eroffnen in solchem Fragen dem Seyn die Statte und vielleicht eine von ihm geforderte, falls das Wesen des Seyns die Verweigerung sein sollte, der das unzureichende Fragen die allein gemiiBe Niihe bleibt. Und so muB denn erst auf eine lange Frist hinaus alles Da -sein griindende Schaffen (und nur dieses, nicht das alltagliche feste Betreiben der Einrichtung des Seienden) die Wahrheit des Seyns als Frage und Not durch die entschiedensten pfade hindurch und in wechselvollen, scheinbar zusammenhangslosen und sich unbekannten Anlaufen erwecken und fur die Stille des Seyns bereit machen, aber auch entschieden gegen jeden Versuch, im bloBen Ruckwartswollen, und sei es zu den »wertvollsten« Dberlieferungen, die schonungslose Notigung in die Not der Besinnung zu verwirren und zu schwachen. Das Wissen von der stetigen Bedachtsamkeit des Seltenen gehort zur Wiichterschaft fur das Seyn, dessen Wesen als die Wahrheit selbst im Dunkel ihrer eigenen Glut erstrahlt. Die Wahrheit des Seyns ist das Seyn der Wahrheit - so gesagt klingt es wie eine gekunstelte und verzwungene Umkehrung und, wenn es hoch kommt, wie eine Verleitung zu einem dialektischen Spiel. Wahrend doch diese Umkehrung nur ein fluchtig-auBeres Zeichen ist der Kehre, die im Seyn selbst west und ein Licht wirft auf das, was hier mit Entscheidung genannt sein mochte.
96 1. Vorblick 45. Die »Entscheidung« 97 45. Die»Entscheidung« Die schon Hingst Un Verborgenen und Verstellten angebrochene Entscheidung ist die zur Geschichte oder zum Geschichtsverlust. Geschichte aber begriffen als die Bestreitung des Streites von Erde und Welt, iibernommen und vollzogen aus der Zugehorigkeit zum Zuruf des Ereignisses als der Wesung der Wahrheit des Seyns in der Gestalt des letzten Gottes. Die Entscheidung fallt dadurch, daB die Notwendigkeit des auBersten Auftrags aus der innersten Not der Seinsverlassenheit erfahren und zur bestandhaften Macht ermachtigt wird. Der Auftrag aber Un Lichte und in der Bahn der Entscheidung ist: die Bergung der Wahrheit des Ereignisses aus der Verhaltenheit des Daseins in die grope Stille des Seyns. Wodurch fallt die Entscheidung? Durch das Geschenk oder den Ausbleib jener ausgezeichneten Gezeichneten, die wir »die Zukiinftigen« nennen im Unterschied gegen die vielerlei beliebigen und unaufhaltsamen Spateren, die nichts mehr vor sich und nichts mehr hinter sich haben. Zu diesen Gezeichneten gehoren: 1. Jene wenigen Einzelnen, die in den wesentlichen Bahnen des griindenden Da-seins (Dichtung - Denken - Tat - Opfer) fiir die Bereiche des Seienden die Statten und Augenblicke vorausgriinden. Sie schaffen so die wesende Moglichkeit fUr die verschiedenen Bergungen der Wahrheit, in denen das Da-sein geschichtlich wird. 2. Jene zahlreicheren Biindischen, denen es gegeben ist, aus dem Begreifen des wissenden Willens und der Griindungen der Einzelnen die Gesetze der Umschaffung des Seienden, der Wahrung der Erde und des Entwurfs der Welt in ihrem Streit zu erahnen und Un Vollzug sichtbar zu machen. 3. Jene vielen Zueinanderverwiesenen, gemaB ihrer gemeinsamen geschichtlichen (erdhaft-welthaften) Herkunft, durch die und fiir die die Umschaffung des Seienden und damit die Griindung der Wahrheit des Ereignisses Bestand gewinnt. 4,. Die Einzelnen, die Wenigen, die Vielen (nicht als Anzahl genommen, sondern hinsichtlich ihrer Gezeichnetheit) stehen noch z. T. in den alten und gangigen und geplanten Ordnungen. Diese sind entweder nur noch schalenhaft ein Schutz ihres gefahrdeten Bestandes, oder noch Leitkrafte ihres Wollens. Das Einverstandnis dieser Einzelnen, Wenigen und Vielen ist verborgen, nicht gemacht, plotzlich und fUr sich wachsend. Durchherrscht ist es yom je verschiedenen Walten des Ereignisses, worin sich eine urspriingliche Sammlung vorbereitet, in der und als die dasjenige geschichtlich wird, was ein Volk genannt werden darf. 5. Dieses Yolk ist in seinem Ursprung und seiner Bestimmung einzig gemaB der Einzigkeit des Seyns selbst, dessen Wahrheit es einmalig an einer einzigen Statte in einem einzigen Augenblick zu griinden hat. Wie kann diese Entscheidung vorbereitet werden? Haben hier Wissen und Willen einen Raum der Verfiigung, oder wiirde das nur ein blinder Eingriff in verborgene Notwendigkeiten? Aber Notwendigkeiten leuchten auf nur in einer Not. Und die Bereitung einer Bereitschaft zur Entscheidung steht freilich in der Not, am Ende nur noch die anwalzende Geschichtslosigkeit zu beschIeunigen und ihre Bedingungen zu verharten, wo sie doch das Andere will. Wer urn diese Not nicht weiB, ahnt nicht einen Schatten von den bevorstehenden Entscheidungen. Die Entscheidung fallt im Stillen. Nach solcher Weise abet erfolgt erst recht die Zerstorung der Entscheidungsmoglichkeit durch die drohende Unaufhaltsamkeit der Entwurzelung. Die Entscheidung und ihre Notwendigkeit und gar Vorbereitung bleiben urnso schwerer vernehmlich, je mehr die Begebenheiten der »weltgeschichtlichen« Umwalzungen den Larm brauchen, je ausschlieBlicher alles Horen und Gehorschenken nur noch anspricht auf das Riesige und Laute und alles dem
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Die schon Hingst Un Verborgenen und Verstellten angebrochene<br />
Entscheidung ist die <strong>zur</strong> Geschichte oder zum Geschichtsverlust.<br />
Geschichte aber begriffen als die Bestreitung des Streites von<br />
Erde und Welt, iibernommen und vollzogen aus der Zugehorigkeit<br />
zum Zuruf des <strong>Ereignis</strong>ses als der Wesung der Wahrheit<br />
des Seyns in der Gestalt des letzten Gottes.<br />
Die Entscheidung fallt dadurch, daB die Notwendigkeit des<br />
auBersten Auftrags aus der innersten Not der Seinsverlassenheit<br />
erfahren und <strong>zur</strong> bestandhaften Macht ermachtigt wird.<br />
Der Auftrag aber Un Lichte und in der Bahn der Entscheidung<br />
ist: die Bergung der Wahrheit des <strong>Ereignis</strong>ses aus der<br />
Verhaltenheit des Daseins in die grope Stille des Seyns.<br />
Wodurch fallt die Entscheidung? Durch das Geschenk oder<br />
den Ausbleib jener ausgezeichneten Gezeichneten, die wir »die<br />
Zukiinftigen« nennen im Unterschied gegen die vielerlei beliebigen<br />
und unaufhaltsamen Spateren, die nichts mehr vor sich<br />
und nichts mehr hinter sich haben.<br />
Zu diesen Gezeichneten gehoren:<br />
1. Jene wenigen Einzelnen, die in den wesentlichen Bahnen<br />
des griindenden Da-seins (Dichtung - Denken - Tat - Opfer)<br />
fiir die Bereiche des Seienden die Statten und Augenblicke<br />
vorausgriinden. Sie schaffen so die wesende Moglichkeit fUr<br />
die verschiedenen Bergungen der Wahrheit, in denen das<br />
Da-sein geschichtlich wird.<br />
2. Jene zahlreicheren Biindischen, denen es gegeben ist, aus<br />
dem Begreifen des wissenden Willens und der Griindungen<br />
der Einzelnen die Gesetze der Umschaffung des Seienden,<br />
der Wahrung der Erde und des Entwurfs der Welt in ihrem<br />
Streit zu erahnen und Un Vollzug sichtbar zu machen.<br />
3. Jene vielen Zueinanderverwiesenen, gemaB ihrer gemeinsamen<br />
geschichtlichen (erdhaft-welthaften) Herkunft, durch<br />
die und fiir die die Umschaffung des Seienden und damit die<br />
Griindung der Wahrheit des <strong>Ereignis</strong>ses Bestand gewinnt.<br />
4,. Die Einzelnen, die Wenigen, die Vielen (nicht als Anzahl<br />
genommen, sondern hinsichtlich ihrer Gezeichnetheit) stehen<br />
noch z. T. in den alten und gangigen und geplanten Ordnungen.<br />
Diese sind entweder nur noch schalenhaft ein Schutz<br />
ihres gefahrdeten Bestandes, oder noch Leitkrafte ihres Wollens.<br />
Das Einverstandnis dieser Einzelnen, Wenigen und Vielen<br />
ist verborgen, nicht gemacht, plotzlich und fUr sich wachsend.<br />
Durchherrscht ist es yom je verschiedenen Walten des <strong>Ereignis</strong>ses,<br />
worin sich eine urspriingliche Sammlung vorbereitet,<br />
in der und als die dasjenige geschichtlich wird, was<br />
ein Volk genannt werden darf.<br />
5. Dieses Yolk ist in seinem Ursprung und seiner Bestimmung<br />
einzig gemaB der Einzigkeit des Seyns selbst, dessen Wahrheit<br />
es einmalig an einer einzigen Statte in einem einzigen<br />
Augenblick zu griinden hat.<br />
Wie kann diese Entscheidung vorbereitet werden? Haben<br />
hier Wissen und Willen einen Raum der Verfiigung, oder<br />
wiirde das nur ein blinder Eingriff in verborgene Notwendigkeiten?<br />
Aber Notwendigkeiten leuchten auf nur in einer Not. Und<br />
die Bereitung einer Bereitschaft <strong>zur</strong> Entscheidung steht freilich<br />
in der Not, am Ende nur noch die anwalzende Geschichtslosigkeit<br />
zu beschIeunigen und ihre Bedingungen zu verharten, wo<br />
sie doch das Andere will.<br />
Wer urn diese Not nicht weiB, ahnt nicht einen Schatten von<br />
den bevorstehenden Entscheidungen.<br />
Die Entscheidung fallt im Stillen. Nach solcher Weise abet<br />
erfolgt erst recht die Zerstorung der Entscheidungsmoglichkeit<br />
durch die drohende Unaufhaltsamkeit der Entwurzelung.<br />
Die Entscheidung und ihre Notwendigkeit und gar Vorbereitung<br />
bleiben urnso schwerer vernehmlich, je mehr die Begebenheiten<br />
der »weltgeschichtlichen« Umwalzungen den Larm<br />
brauchen, je ausschlieBlicher alles Horen und Gehorschenken<br />
nur noch anspricht auf das Riesige und Laute und alles dem