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Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

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50 I. Vorblick<br />

19. <strong>Philosophie</strong> (Zur Fruge: wer sind wir?) 51<br />

worin wir verhaftet sind, einfach seinen Lauf lassen? In welchern<br />

Sinne der Mensch ist, wie wir sind, das ist durchaus nicht<br />

klar. Auch der Hinweis auf ein Handeln und Wirken geniigt<br />

nicht. Jeder »Betrieb«, jedes Sichumtun setzt den Menschen in<br />

Bewegung, und es bleibt die Frage, ob er damit schon »ist«.<br />

Zwar kann nicht geleugnet werden, daB er solcher Art ein Seiendes<br />

ist, aber gerade deshalb verscharft sich die Frage dahin,<br />

ob dann der Mensch schon »ist«, wenn er nur so »ist« und vorkommt,<br />

ob ein Volk es selbst »ist«, indem es nur die Vermehrung<br />

und Abnahme seines Bestandes betreibt. Offenbar gehort<br />

»mehr« zum »Sein« des Volkes, dieses »Sein« ist in sich von<br />

einer eigenen Beziiglichkeit wesentlicher Bestimmungen, deren<br />

»Einheit« erst recht dunkel bleibt. Woher sollte denn z. B. die<br />

Bemiihung kommen, den vorhandenen Volkskorper durch Einrichtungen<br />

und »Organisation« in »Form« zu bringen? DaB<br />

der Mensch aus Leib - Seele - Geist»besteht«, sagt nicht viel.<br />

Denn die Frage nach dem Sein dieses einigen Bestandes ist damit<br />

umgangen, abgesehen davon, daB diese »Bestandstiicke«<br />

und ihre Ansetzung als Bestimmungen des Menschen doch<br />

ganz eigene geschichtliche Erfahrungen des Menschen und<br />

seines Verhaltnisses zum Seienden voraussetzen. Was liegt in<br />

»Seele« - anima - 'ljJuxf)?, im Geist - animus, spiritus - 3tveul-la?<br />

Wenn man hier auch nur den allernachsten Schritt in der<br />

Richtung einer iiber den bloBen dumpfen Wortgebrauch hinaus<br />

reichenden Klarheit tut und tun will, erwachsen wesentliehe<br />

Aufgaben der Klarung, die am Ende fiir die Ubernahme<br />

und den Vollzug des Mensch- und Volk-seins nicht gleichgiiltig,<br />

sondern erst entseheidend sind.<br />

Doch die Frage nach dem »Sein« des Menschen, in dieser<br />

Weise gestellt, bleibe einmal auf der Seite. Wie steht es bei dem<br />

geforderten Selbst-sein mit dem Selbst?<br />

Selbst - heiBt das nieht, daB wir uns in den Einsatz des Seins<br />

bringen, also zuvor »uns« im Blick und Griff haben, bei-uns<br />

sind? Wodureh und wie ist der Mensch dessen gewiB, daB er<br />

bei-sieh ist und nieht nur bei einem Ansehein und einer Ober­<br />

flaehe seines Wesens? Kennen wir uns - selbst? Wie sollen wir<br />

selbst sein, wenn wir nicht selbst sind? Und wie konnen wir<br />

selbst sein, ohne zu wissen, wer wir sind, damit wir dessen gewiB<br />

sind, die zu sein, die wir sind?<br />

Die Werfrage ist deshalb keine auBerlich dazu kommende,<br />

als wiirde durch ihre Beantwortung auBerdem noch eine Auskunft<br />

iiber den Menschen erteilt, die »praktisch« iiberfliissig<br />

ist, sondern die Wer-frage stellt die Frage nach dem Selbst-sein<br />

und damit nach dem Wesen der Selbstheit.<br />

In der Frage »wer wir sind« liegt und steht die Frage, ob wir<br />

sind. Beide Fragen sind unzertrennlieh, und diese Unzertrennlichkeit<br />

ist nur wieder die Anzeige des verborgenen Wesens des<br />

Menschseins und zwar des geschichtlichen.<br />

Hier offnet sich der Blick in ganz andersartige Zusammenhange,<br />

anders geartet, als sie die bloBe Berechnung und Betreuung<br />

des vorhandenen Menschenwesens kennt, als galte es<br />

an ihm je nur eine Umformung, wie sie der Topfer mit dem<br />

Lehmklurnpen vornimmt.<br />

Die Selbstheit des Menschen - des geschichtlichen als des<br />

Volkes - ist ein Geschehnisbereich, in dem er sich zu-geeignet<br />

wird nur, wenn er selbst in den offenen Zeit-Raum gelangt, in<br />

dem eine Eignung geschehen kann.<br />

Das eigenste »Sein« des Menschen ist daher gegriindet in<br />

eine Zugehorigkeit <strong>zur</strong> Wahrheit des Seins als solchen, und dieses<br />

wieder, weil das Wesen des Seins als solchen, nicht das des<br />

Menschen, in sich den Zuruf an den Menschen als den <strong>zur</strong> Geschichte<br />

ihn bestimmenden enthalt (vgl. Die Griindung, 197.<br />

Da-sein - Eigentum - Selbstheit).<br />

Hieraus wird deutlich: Jene Wer-frage alsVollzug der Selbstbesinnung<br />

hat nichts gemein mit einer neugierigen ich-siichtigen<br />

Verlorenheit in die Zergriibelung der »eigenen« Erlebnisse,<br />

sondern sie ist eine wesentliche Bahn des Vollzugs der<br />

Frage nach dem Fragwiirdigsten, jener Frage, die erst die Wiirdigung<br />

des Fragwiirdigsten eroffnet, der Frage nach der Wahrheit<br />

des Seins.

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