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Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

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38 1. Vorblick<br />

14. <strong>Philosophie</strong> und Weltanschauung<br />

39<br />

ste Sache zu retten gegeniiber der Beliebigkeit des willkiirlich<br />

werdenden weltanschaulichen Meinens und der notwendig einschrankenden<br />

und gebieterischen Art der Weltanschauung<br />

iiberhaupt. Denn selbst in der »liberalen« Weltanschauung<br />

steckt noch dieses Rechthaberische in dem Sinn, daB sie fordert,<br />

jedem seine Meinung zu lassen. Die Beliebigkeit aber ist die<br />

Sklaverei des »Zufalligen«.<br />

Aber die eigenste Sache der <strong>Philosophie</strong> ist vergessen, durch<br />

die »Erkenntnistheorie« miBdeutet; und wo die »Ontologie«<br />

noch verstanden wird (Lotze), bleibt sie doch eine Disziplin unter<br />

anderen. DaB und wie hier die alte Leitfrage (-d TO QV;) sich<br />

durch die neuzeitliche <strong>Philosophie</strong> hindurch gerettet und doch<br />

abgewandelt hat, kommt nicht zu klarem Wissen, weil der<br />

<strong>Philosophie</strong> bereits die Notwendigkeit fehlt und sie ihre »P£lege«<br />

ihrem Charakter als »Kulturgut« verdankt.<br />

»Weltanschauung« ist ebenso wie die Herrschaft von»Weltbildern«<br />

ein Gewachs der Neuzeit, eine Palge der neuzeitlichen<br />

Metaphysik. Hierin liegt auch begriindet, warum die»Weltanschauung«<br />

dann versucht, sich iiber die <strong>Philosophie</strong> zu setzen.<br />

Denn mit dem Heraufkommen der »Weltanschauungen«<br />

schwindet die Moglichkeit eines Willens <strong>zur</strong> <strong>Philosophie</strong> bis zu<br />

dem Grade, daB sich die Weltanschauung schlieBlich der <strong>Philosophie</strong><br />

erwehren muB. Dies gelingt ihr umso eher, je mehr inzwischen<br />

die Philasophie selbst absinken muBte und nur noch<br />

Gelehrsamkeit sein konnte. Diese merkwiirdige Erscheinung<br />

der Herrschaft von»W eltanschauungen« hat - und zwar nicht<br />

zufallig - auch die letzte groBe <strong>Philosophie</strong> sich dienstbar zu<br />

machen versucht: die <strong>Philosophie</strong> Nietzsches. Das gelang umso<br />

leichter, als Nietzsche selbst die <strong>Philosophie</strong> als »Gelehrsamkeit«<br />

verneinte und damit scheinbar auf die Seite der »Weltanschauung«<br />

trat (als »Dichterphilosoph«!).<br />

»Weltanschauung« istimmer»Machenschaft«gegeniiberdem<br />

Dberkommenen zu seinerDberwindung undBandigungmit den<br />

ibm eigenen und von ibm vorbereiteten aber nicht zum Austrag<br />

gebrachten Mitteln - alles iibergeleitet in das »Erlebnis«.<br />

Philasophie hat als Griindung der Wahrheit des Seyns den<br />

Ursprung in ihr selbst; sie muB sich selbst in das, was sie griindet,<br />

<strong>zur</strong>iieknehmen und einzig daraus er-bauen.<br />

<strong>Philosophie</strong> und Weltanschauung sind so unvergleichbar,<br />

daB es fiir diese Unterschiedenheit kein mogliches Bild <strong>zur</strong> Versinnlichung<br />

gibt. Jedes Bild wiirde beide noch immer einander<br />

zu nahe bringen.<br />

Die versteckte aber abgelebte »Herrschaft« der Kirchen, die<br />

Gelaufigkeit und Zuganglichkeit der»Weltanschauungen« fiir<br />

die Massen (als Ersatz des lang entbehrten »Geistes« und des<br />

Bezugs zu »Ideen«), die gleichgiiltige Weiterbetreibung der<br />

<strong>Philosophie</strong> als Gelehrsamkeit und zugleich mittelbar und unmittelbar<br />

als Kirchen- und Weltanschauungsscholastik, all dieses<br />

wird fiir lange Zeit die Philosaphie als schaffende Mitgriindung<br />

des Da-seins aus dem gelaufigen und wendigen Alleskennen<br />

des offentlichen Meinens fernhalten. Dies freilich ist<br />

nichts, was zu »bedauern« ware, sondern nur das Anzeichen,<br />

daB die <strong>Philosophie</strong> einem echten Geschick ihres Wesens entgegen<br />

geht. Und alles liegt daran, daB wir dieses Geschick<br />

nicht storen und gar miBachten durch eine »Apologetik« fur<br />

die <strong>Philosophie</strong>, eine Machenschaft, die notwendig immer unter<br />

ihrem Rang bleibt.<br />

Wohl aber ist Not die Besinnung auf das Nahen dieses Geschicks<br />

der <strong>Philosophie</strong>, das Wissen von dem, was start und<br />

verunstaltet und ein Scheinwesen der <strong>Philosophie</strong> <strong>zur</strong> Geltung<br />

bringen mochte. Dieses Wissen wiirde sich allerdings selbst<br />

miBdeuten, wenn es sich verlocken lieBe, jenes Widrige zum<br />

Gegenstand der Widerlegung und der Auseinandersetzung zu<br />

machen. Das Wissen des Unwesens muB hier stets ein Vorbeigehen<br />

bleiben.<br />

Das machenschaftlich-erlebnishafte Wesen der Weltanschauung<br />

zwingt die Ausformung der jeweiligen Weltanschauungen<br />

dazu, in den weitesten Gegensatzen hin und her zu schwanken<br />

und deshalb auch jeweils in Ausgleichen sich zu verfestigen.<br />

DaB die»Weltanschauung« gerade eigenste Sache des Einzel­

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