Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

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34 I. Vorblick 13. Die Verhaltenheit 35 durch die Stimmung erst wird das AusmaB der Entriickung des Daseins ermessen und ihm die Einfachheit der Beriickung zugemessen, sofem es sich urn die Verhaltenheit als die Grund­ -stimmung handelt. Sie ist die Grund-stimmung, weil sie die Ergriindung des Grundes des Da-seins, des Ereignisses, und somit die Griindung des Da-seins stimmt. Die Verhaltenheit ist die starkste und zugleich zarteste Bereitschaft des Daseins fiir die Er-eignung, das Geworfenwerden in das eigentliche Innestehen in der vVahrheit von der Kehre im Ereignis (vgl. Der letzte Gott). Nur auf die Verhaltenheit trifft die Herrschaft des letzten Gottes; die Verhaltenheit schafft ihr, der Herrschaft, und ihm, dem letzten Gott, die grof3e Stille. Verhaltenheit stimmt den jeweiligen griindenden Augenblick einer Bergung der Wahrheit im kiinftigen Dasein des Menschen. Diese im Da-sein gegriindete Geschichte ist die verhorgene Geschichte der groBen Stille. In ihr allein kann noch ein Yolk sein. Diese Verhaltenheit vermag allein Menschenwesen und Menschenversammlung auf es selbst, d. h. in die Bestimmung seines Auftrags: die Bestandnis des letzten Gottes, zu sammeln. 1st uns noch kiinftig eine Geschichte bestimmt, das ganz Andere, als was jetzt dafiir gehalten zu werden scheint: die triibe Hetzjagd sich selbst auffressender Begebenheiten, die nur noch durch den lautesten Larm fliichtig sich festhalten lassen? Wenn uns eine Geschichte, d. h. ein Stil des Da-seins, noch geschenkt sein solI, dann kann dies nur die verborgene Geschichte der grof3en Stille sein, in der und als welche die Herrschaft des letzten Gottes das Seiende eroffnet und gestaltet. Also muB erst die groBe Stille iiber die Welt fiir die Erde kommen. Diese Stille entspringt nur dem Schweigen. Und dieses Erschweigen entwachst nur der Verhaltenheit. Sie durchstimmt als Grundstimmung die Innigkeit des Streites zwischen Welt und Erde und damit die Bestreitung des Anfalls der Ereignung. Das Da-sein als Bestreitung dieses Streites hat sein Wesen in der Bergung der Wahrheit des Seyns, d. h. des letzten Gottes in das Seiende (vgl. Die Griindung). Die Verhaltenheit und die Sorge Die Verhaltenheit ist der Grund der Sorge. Die Verhaltenheit des Da-seins begriindet erst die Sorge als die das Da ausstehende Instandigkeit. Aber die Sorge - immer wieder ist es zu sagen - meint nicht Triibsinn und Beklemmung und verqualte Bekiimmemis um dies und jenes. All dieses ist nur das Unwesen der Sorge, sofem sie iiberdies noch in ein anderes MiBverstandnis gesetzt wird, daB sie eine »Stimmung« und »Haltung« unter anderen sei. In dem Ausspruch: »er wird filr Ordnung sorgen« - Sorge tragen - kommt etwas yom Wesen der Sorge zum Vorschein: die vorgreifende Entschiedenheit. Aber zugleich ist die Sorge keine bloBe Willenshaltung, sie laBt sich iiberhaupt nicht aus Seelenvermogen zusammenrechnen. Sorge ist als Bestandnis des Da-seins die vorgreifende Entschiedenheit zur Wahrheit des Seyns und die Zugewiesenes austragende Verhaftung in das Da zumal; der Grund dieses Zumal ist die Verhaltenheit des Daseins. Diese stimmt nur als ereignete Zugehorigkeit zur Wahrheit des Seins. Verhaltenheit als der Ursprung der Stille und als Gesetz der Sammlung. Die Sammlung in der Stille und die Bergung der Wahrheit. Bergung der Wahrheit und ihre Ausfaltung in das Besorgen und den Umgang. Verhaltenheit als Offenheit fiir die verschwiegene Nahe der Wesung des Seyns, stimmend auf das fernste Erzittem sich ereignender Winke aus der Ferne des Unentscheidbaren. Verhaltenheit und Suchen; der hochste Fund im Suchen selbst die Nahe zur Entscheidung.

36 I. Vorblick 14. Philosophie und Weltanschauung 37 Verhaltenheit: der an sich haltende Vorsprung in die Kehre des Ereignisses (deshalb keine romantische Flucht oder biedermiinnisches Ausruhen). Verhaltenheit, Schweigen und Sprache Es verschliigt einem das Wort; dies nicht als gelegentliches Vorkommnis, wobei eine vollziehbare Rede und Aussage unterbleibt, wo nur das Aus- und Wiedersagen des schon Gesagten und Sagbaren nicht vollzogen wird, sondern urspriinglich. Das Wort kommt noch gar nicht zum Wort, ob es gerade durch das Verschlagen auf den ersten Sprung kommt. Das Verschlagende ist das Ereignis als Wink und Anfall des Seyns. Die Verschlagung ist die anfiingliche Bedingung fUr die sich entfaltende Moglichkeit einer urspriinglichen - dichtenden ­ Nennung des Seyns. Sprache und die groBe Stille, die einfache Niihe des Wesens und die helle Ferne des Seienden, wenn erst das Wort wieder wirkt. Wann wird diese Zeit sein? (vgl. das anfiingliche Denken als unbegriffliches). Die Verhaltenheit: das schaffende Aushalten im Ab-grund (vgl. Die Griindung, 238. - 242. Der Zeit-Raum). 14. Philosophie und Weltanschauung Philosophie ist das nutzlose, gleichwohl herrschaftliche Wissen. Philosophie ist das furchtbare aber seltene Fragen nach der Wahrheit des Seyns. Philosophie ist die Griindung der Wahrheit unter gleichzeiti­ tiger Entbehrung des Wahren. Philosophie ist das Zuriickwollen in den Anfang der Geschichte und so das Dbersichhinauswollen. Deshalb ist die Philosophie von auBen genommen nur ein Schmuck, vielleicht ein Lehr- und Schaustuck der Kultur, viel­ leicht noch ein Erbstuck, dessen Grund verloren gegangen ist. So miissen die Vielen die Philosophie nehmen und gerade dort und dann, wo und wenn sie fur Wenige eine Not ist. Die »Weltanschauung« richtet die Erfahrung in eine bestimmte Bahn und ihren Umkreis ein, so weit immer, daB die Weltanschauung nie in Frage gestellt wird; die Weltanschauung verengt und unterbindet daher eigentliche Erfahrung. Das ist ihre Stiirke, von ihr aus gesehen. Die Philosophie eroffnet die Erfahrung, aber deshalb vermag sie gerade nicht unmittelbar Geschichte zu griinden. Weltanschauung ist immer ein Ende, meist ein langhingezogenes und als solches nicht gewuBtes. Philosophie ist immer ein Anfang und fordert die Dberwindung ihrer selbst. Weltanschauung muB sich neue Moglichkeiten versagen, urn sie selbst zu bleiben. Philosophie kann langehin aussetzen und scheinbar verschwinden. Beide haben ihre verschiedenen Zeiten und halten sich innerhalb der Geschichte auf ganz verschiedenen Stufen des Da­ -seins. Die Unterscheidung von »wissenschaftlicher Philosophie« und »Weltanschauungsphilosophie« ist der letzte Ausliiufer der philosophischen Ratlosigkeit des 19. Jahrhunderts, in dessen Verlauf die»Wissenschaft« zu einer eigentumlichen technischen Kulturbedeutung kam und andererseits die»Weltanschauung« des Einzelnen als Ersatz des geschwundenen Bodens, unkriiftig genug, noch »Werte« und »Ideale« zusammenhalten sollte. Was als letzter echter Rest im Gedanken der »wissenschaftlichen« Philosophie steckt (vgl. die tiefere Fassung bei Fichte und Hegel), das ist: auf dem Grunde und in der Folge der Idee des Wissens als GewiBheit (SelbstgewiBheit) das WiBbare einheitlich systematisch (mathematisch) zu begriinden und aufzubauen. Noch lebt in dieser Absicht der »wissenschaftlichen« Philosophie ein Drang der Philosophie selbst, noch ihre eigen­

36 I. Vorblick<br />

14. <strong>Philosophie</strong> und Weltanschauung<br />

37<br />

Verhaltenheit: der an sich haltende Vorsprung in die Kehre<br />

des <strong>Ereignis</strong>ses (deshalb keine romantische<br />

Flucht oder biedermiinnisches Ausruhen).<br />

Verhaltenheit, Schweigen und Sprache<br />

Es verschliigt einem das Wort; dies nicht als gelegentliches Vorkommnis,<br />

wobei eine vollziehbare Rede und Aussage unterbleibt,<br />

wo nur das Aus- und Wiedersagen des schon Gesagten<br />

und Sagbaren nicht vollzogen wird, sondern urspriinglich. Das<br />

Wort kommt noch gar nicht zum Wort, ob es gerade durch das<br />

Verschlagen auf den ersten Sprung kommt. Das Verschlagende<br />

ist das <strong>Ereignis</strong> als Wink und Anfall des Seyns.<br />

Die Verschlagung ist die anfiingliche Bedingung fUr die sich<br />

entfaltende Moglichkeit einer urspriinglichen - dichtenden ­<br />

Nennung des Seyns.<br />

Sprache und die groBe Stille, die einfache Niihe des Wesens<br />

und die helle Ferne des Seienden, wenn erst das Wort wieder<br />

wirkt. Wann wird diese Zeit sein? (vgl. das anfiingliche Denken<br />

als unbegriffliches).<br />

Die Verhaltenheit: das schaffende Aushalten im Ab-grund<br />

(vgl. Die Griindung, 238. - 242. Der Zeit-Raum).<br />

14. <strong>Philosophie</strong> und Weltanschauung<br />

<strong>Philosophie</strong> ist das nutzlose, gleichwohl herrschaftliche Wissen.<br />

<strong>Philosophie</strong> ist das furchtbare aber seltene Fragen nach der<br />

Wahrheit des Seyns.<br />

<strong>Philosophie</strong> ist die Griindung der Wahrheit unter gleichzeiti­<br />

tiger Entbehrung des Wahren.<br />

<strong>Philosophie</strong> ist das Zuriickwollen in den Anfang der Geschichte<br />

und so das Dbersichhinauswollen.<br />

Deshalb ist die <strong>Philosophie</strong> von auBen genommen nur ein<br />

Schmuck, vielleicht ein Lehr- und Schaustuck der Kultur, viel­<br />

leicht noch ein Erbstuck, dessen Grund verloren gegangen ist.<br />

So miissen die Vielen die <strong>Philosophie</strong> nehmen und gerade dort<br />

und dann, wo und wenn sie fur Wenige eine Not ist.<br />

Die »Weltanschauung« richtet die Erfahrung in eine bestimmte<br />

Bahn und ihren Umkreis ein, so weit immer, daB die<br />

Weltanschauung nie in Frage gestellt wird; die Weltanschauung<br />

verengt und unterbindet daher eigentliche Erfahrung. Das<br />

ist ihre Stiirke, von ihr aus gesehen.<br />

Die <strong>Philosophie</strong> eroffnet die Erfahrung, aber deshalb vermag<br />

sie gerade nicht unmittelbar Geschichte zu griinden.<br />

Weltanschauung ist immer ein Ende, meist ein langhingezogenes<br />

und als solches nicht gewuBtes.<br />

<strong>Philosophie</strong> ist immer ein Anfang und fordert die Dberwindung<br />

ihrer selbst.<br />

Weltanschauung muB sich neue Moglichkeiten versagen, urn<br />

sie selbst zu bleiben.<br />

<strong>Philosophie</strong> kann langehin aussetzen und scheinbar verschwinden.<br />

Beide haben ihre verschiedenen Zeiten und halten sich innerhalb<br />

der Geschichte auf ganz verschiedenen Stufen des Da­<br />

-seins. Die Unterscheidung von »wissenschaftlicher <strong>Philosophie</strong>«<br />

und »Weltanschauungsphilosophie« ist der letzte Ausliiufer<br />

der philosophischen Ratlosigkeit des 19. Jahrhunderts,<br />

in dessen Verlauf die»Wissenschaft« zu einer eigentumlichen<br />

technischen Kulturbedeutung kam und andererseits die»Weltanschauung«<br />

des Einzelnen als Ersatz des geschwundenen Bodens,<br />

unkriiftig genug, noch »Werte« und »Ideale« zusammenhalten<br />

sollte.<br />

Was als letzter echter Rest im Gedanken der »wissenschaftlichen«<br />

<strong>Philosophie</strong> steckt (vgl. die tiefere Fassung bei Fichte<br />

und Hegel), das ist: auf dem Grunde und in der Folge der<br />

Idee des Wissens als GewiBheit (SelbstgewiBheit) das WiBbare<br />

einheitlich systematisch (mathematisch) zu begriinden und aufzubauen.<br />

Noch lebt in dieser Absicht der »wissenschaftlichen«<br />

<strong>Philosophie</strong> ein Drang der <strong>Philosophie</strong> selbst, noch ihre eigen­

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