Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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504 VIII. Das Seyn<br />
wendig aus der geschichtlichen Auseinandersetzung mit der<br />
Metaphysik als solcher. Diese enthiilt die abendliindische<br />
Grundstellung ZUlli Seienden und somit auch den Grund zum<br />
bisherigen Wesen der abendliindischen Kunst und ihrer Werke.<br />
Die Dberwindung der Metaphysik bedeutet die Freigabe des<br />
Vorrangs der Frage nach der Wahrheit des Seins vor jeder<br />
»idealen«, »kausalen« und »transzendentalen« und »dialektischen«<br />
Erkliirung des Seienden. Die Dberwindung der Metaphysik<br />
ist jedoch kein AbstoBen der bisherigen <strong>Philosophie</strong>,<br />
sondern der Einsprung in ihren ersten Anfang, ohne diesen<br />
erneuern zu wollen, was historisch unwirklich und geschichtlich<br />
unmoglich bleibt. Trotzdem fuhrt die Besinnung auf den ersten<br />
Anfang (aus der Notigung <strong>zur</strong> Vorbereitung des anderen Anfangs)<br />
zu einer Auszeichnung des anfiinglichen (griechischen)<br />
Denkens, die das MiBverstiindnis begtinstigt, mit diesem Riickgang<br />
solIe eine Art des »Klassizismus« in der <strong>Philosophie</strong> angestrebt<br />
werden. In Wahrheit aber offnet sich durch das »wiederholende«,<br />
d. h. urspriinglicher ansetzende Fragen die einsame<br />
Ferne des ersten Anfangs zu allem, was ihm geschichtlich folgt.<br />
Vollends steht der andere Anfang zum ersten zwar in einem<br />
notwendigen und inneren, aber verborgenen Bezug, der zugleich<br />
die vollige Abgeschiedenheit beider gemaB ihrem Ursprungscharakter<br />
einsch1ieBt. Daher kommt, daB gerade dort,<br />
wo das vorbereitende Denken am ehesten in den Umkreis des<br />
Ursprungs des anderen Anfangs gelangt, der Anschein auftaucht,<br />
der erste Anfang werde nur erneuert und jener sei<br />
lediglich eine historisch verbesserte Auslegung von diesem.<br />
Was von der »Metaphysik« iiberhaupt gilt, trifft denn auch<br />
zu fur die Besinnung auf den»Ursprung des Kunstwerks«, die<br />
eine geschichtlich iibergangliche Entscheidung vorbereitet.<br />
Auch hier kann <strong>zur</strong> Veranschaulichung am ehesten das Friihe<br />
des ersten Anfangs gewahlt werden, aber zugleich ist zu wissen,<br />
daB das Wesende der griechischen Kunst niemals getroffen<br />
,werden kann und will durch Solches, was wir als Wesenswissen<br />
"ber »die« Kunst zu entfalten haben.<br />
277. Die »Metaphysik« und der Ursprung des Kunstwerks 505<br />
Dberall jedoch handelt es sich hier darum, geschichtlich zu<br />
denken und d. h. zu sein, statt historisch zu rechnen. Die Frage<br />
des »Klassizismus« und die Dberwindung der »klassizistischen«<br />
MiBdeutung und Herabsetzung des »Klassischen« und ebenso<br />
die Kennzeichnung einer Geschichte als »klassisch« ist keine<br />
Frage der Stellung <strong>zur</strong> Kunst, sondern eine Entscheidung fur<br />
oder gegen die Geschichte.<br />
Zeitalter, die durch den Historismus Vieles und alsbald alles<br />
kennen, werden nicht begreifen, daB ein Augenbliek einer<br />
kunst-losen Geschichte geschichtlicher und schopferischer sein<br />
kann als Zeiten eines ausgedehnten Kunstbetriebs. Die Kunstlosigkeit<br />
entspringt hier nicht aus dem Unvermogen und dem<br />
Verfall, sondern aus der Kraft des Wissens von den wesentlichen<br />
Entscheidungen, durch die Jenes hindurchschreiten muB,<br />
was bislang, selten genug, als Kunst geschah. 1m Gesichtskreis<br />
dieses Wissens hat die Kunst den Bezug <strong>zur</strong> Kultur verloren; sie<br />
offenbart sich hier nur als ein <strong>Ereignis</strong> des Seyns. Die Kunst<br />
-losigkeit griindet in dem Wissen, daB die Ausiibung vollendeter<br />
Fahigkeiten aus der vollstandigsten Beherrschung der Regeln<br />
sogar nach den hochsten bisherigen MaBstaben und Vor<br />
./<br />
bildern niemals »Kunst« sein kann; daB die planmaBige Einrichtung<br />
einer Anfertigung von solchem, was bisherigen<br />
»Kunstwerken« und ihren »Zwecken« entspricht, zu umfangreichen<br />
Ergebnissen gelangen kann, ohne daB jemals eine urspriingliche<br />
Notwendigkeit des Wesens der Kunst, die Wahrheit<br />
des Seyns <strong>zur</strong> Entscheidung zu bringen, aus einer Not sich<br />
aufzwingt; daB ein Betrieb mit »der Kunst« als Betriebsmittel<br />
sich schon auBerhalb des Wesens der Kunst gestellt hat und<br />
daher gerade zu blind und zu schwach bleibt, die Kunst-Iosigkeit<br />
in ihrer Geschichte-vorbereitenden und dem Seyn zugewiesenen<br />
Macht zu erfahren oder auch nur »gelten« zu lassen.<br />
Die Kunstlosigkeit griindet in dem Wissen, daB die Bestatigung<br />
und Zustimmung jener, die »Kunst« genieBen und erleben,<br />
gar nichts dariiber entscheiden konnen, ob der GenuBgegenstand<br />
uberhaupt aus dem Wesensumkreis der Kunst stammt