Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

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490 VIII. Das Seyn Verhaltenheit im Bereich der Lichtung des Seyns. Dieser Bereich jedoch ist durch und durch nicht menschlich, d. h. nicht bestimmbar und nicht tragbar durch das animal rationale und ebensowenig durch das Subjekturn. Der Bereich ist iiberhaupt kein Seiendes, sondern gehort der Wesung des Seyns. DaseinsmaBig begriffen ist der Mensch jenes Seiende, das seiend seines Wesens verlustig gehen kann und somit am unsichersten und gewagtesten je seiner selbst gewiB ist, dieses aber auf Grund der Dberantwortung an die Wachterschaft des Seyns. Der Vorrang des Da-seins ist nicht nur das Gegenteil zu jeder Art Vermenschung des Menschen, er begriindet eine ganz andere, von der Metaphysik und daher auch von der »Anthropologie« aus nie faBbare Wesensgeschichte des Menschen. Das schlieBt nicht aus sondern ein, daB der Mensch jetzt noch wesentlicher flir das Seyn, aber zugleich unwichtiger geschatzt aus dem »Seienden«wird. Das Da-sein ist die Griindung des Abgrundes des Seyns durch die Inanspruchnahme des Menschen als desjenigen Seienden, das der Wachterschaft fiir die Wahrheit des Seyns iiberantwortet wird. Auf dem Grunde des Da-seins verwandelt sich der Mensch erst in jenes Wesen, dem der Bezug zurn Seyn das Entscheidende zuweist, was sogleich andeutet, daB die Rede von einem Bezug zum Seyn das eigentlich zu Denkende in sein Gegenteil ausdriickt. Denn der Bezug zum Seyn ist in Wahrheit das Seyn, das als Ereignis den Menschen in seinen Bezug riickt. Deshalb umlagert mannigfache MiBdeutung jenes»Verhaltnis«, das durch den Titel »Der Mensch und das Seyn« sich anzeigt (vgl. Das Seyn, 272. Der Mensch, 273. Geschichte). 272. Der Mensch* Wer die Geschichte des Menschen als Geschichte des Wesens des Menschen begriffen hat, fiir den kann die Frage, wer der Mensch sei, nur die Notwendigkeit bedeuten, den Menschen aus seinem bisherigen metaphysischen Aufenthaltsbezirk heraus zu fragen, fragend in ein anderes Wesen zu weisen und damit diese Frage selbst zu iiberwinden. Unvermeidbar steht dieses Fragen noch unter dem Schein der »Anthropologie« und in der Gefahr anthropologischer MiBdeutung. 1. Auf welche Gipfel miissen wir steigen, urn den Menschen frei zu iiberblicken in seiner Wesensnot? DaB sein Wesen ihm Eigenturn und d. h. Verlust ist, und zwar aus der Wesung des Seyns. Warum sind solche Gipfel notig, und was meinen sie? 2. Hat der Mensch sich eigensinnig verlaufen in das »nur« Seiende oder wurde er dafiir vom Seyn verstoBen oder wurde er vom Seyn einfach ausgehangt und einer Eigensucht iiberlassen? (Diese Fragen bewegen sich in der Unterscheidung von Sein und Seiendem.) 3. Der Mensch, das denkende Tier, als vorhandene Queile der Leidenschaften, Triebe, Ziel- und Wertsetzungen, ausgestattet mit einem Charakter usf. Dieses jederzeit Feststeilbare, das des Einverstandnisses ailer sicher ist, zumal, wenn aile sich geeinigt haben, nicht mehr zu fragen und nichts anderes sein zu lassen, als jeder ist: a) als was wir den Menschen antreffen. b) daf3 wir ihn antreffen. 4. Der Mensch der im Loswurf (geworfenen Entwurf) Zuriickgekehrte; wir miissen Sein verstehen, wenn ... 5. Der Mensch der Wachter der Wahrheit des Seyns (Griindung des Da-seins). * vgl. Das Seyn, 276. Das Seyn und die Sprache, S. 499 f.; Oberlegungen VIII ...,

492 VIII. Das Seyn 27J. Geschichte 493 6. Der Mensch weder »Subjekt« noch »Objekt« der »Geschichte«, sondern nur der von der Geschichte (Ereignis) Angewehte und in das Seyn Mitgerissene, dem Seyn Zugehorige. Zuruf der Notschaft, Dberantwortung in die Wiichterschaft. 7. Der Mensch als der im ausgetragenen Loswurf Fremde, der aus dem Ab-grund nicht mehr zuriiekkehrt und in dieser Fremde die ferne Nachbarschaft zum Seyn behalt. 273. Geschichte Bisher war der Mensch noch niemals geschichtlich. Wohl dagegen »hatte« und »hat« er eine Geschichte. Allein, dieses Geschichte-Haben verrat sogleich die Art von »Geschichte«, die hier einzig gemeint ist. Die Geschichte ist iiberall vom »Historischen« her bestimmt, auch dort, wo man meint, die geschichtliche Wirklichkeit selbst zu fassen und im Wesen zu umgrenzen; das geschieht z. T. »ontologisch«: die gesclUchtliche Wirklichkeit als Werde-Wirklichkeit, z. T. »erkenntnistheoretisch«: die Geschichte als das feststellbare Vergangene. Beide Auslegungen sind abhangig von dem, was »Ontologie« und »Erkenntnistheorie« moglich machte, d. h. von der Metaphysik. Hier sind auch die Voraussetzungen fiir die Historie zu suchen. Soll aber der Mensch geschichtlich sein und soll das Wesen der Geschichte ins Wissen kommen, dann muB zumal das Wesen des Menschen fraglich und das Sein fragwiirdig, erstmals fragwiirdig werden. Nur im Wesen des Seyns selbst und d. h. zugleich in seinem Bezug zum Menschen, der solchem Bezug gewachsen ist, kann die Geschichte gegriindet sein. Ob freilich der Mensch die Geschichte erreicht und ob deren Wesen iiber das Seiende kommt, ob die Historie vernidltet werden kann, dies laBt sich nicht errechnen; das steht beim Seyn selbst. Schon fiir die erste Aufhellung dieser Fragen legt sich die Hauptschwierigkeit in den Weg, daB wir uns von der Historie kaum los zu machen vermogen, zumal wir schon gar nicht mehr iibersehen, wie weit die Historie, in mannigfachen versteckten Formen, das menschliche Sein beherrscht. Die »Neuzeit« bringt nicht zufallig die Historie zur eigentlichen Herrschaft. Diese erstreckt sich heute, im Beginn des entscheidenden Abschnitts der Neuzeit, schon so weit, daB durch die von der Historie bestimmte Geschichtsauffassung die Geschichte in das Geschichtslose abgedrangt und daB dort ihr Wesen gesucht wird. Blut und Rasse werden zu Tragern der Geschichte. Die Praehistorie gibt der Historie den nun giiltigen Charakter. Die Art, wie der Mensch sich selbst betreibt und berechnet, in Szene und in die Vergleichung setzt, die Art, wie er das Vergangene sich als Hintergrund seiner Gegenwartigkeit zurechtstellt, die Weise, wie er diese Gegenwart zu einer Ewigkeit ausspreizt, all dieses zeigt das Vorwalten der Historie. Was ist aber hier mit Historie gemeint? Das feststellende ErkHiren des Vergangenen aus dem Gesichtskreis der berechnenden Betreibungen der Gegenwart. Das Seiende ist hierbei vorausgesetzt als das Bestell-, Herstell- und Feststellbare (lMa). Das Fest-stellen dient einem Behalten, das nicht so sehr das Vergangene nicht entgleiten lassen will, als vielmehr das Gegenwiirtige als das Vorhandene verewigen will. Verewigung ist immer als Strebnis die Folge der Herrschaft der Historie, ist die anscheinend der Geschichte verschriebene Flucht vor der Geschichte. Ver-ewigung ist das Nicht-von-sich-(als einem Vorhandenen)-Loskommen einer geschichtsfernen Gegenwart. Historie ist als dieses Fest-stellen ein standiges Vergleichen, das Herbeiholen des Anderen, darin man sich als das Weitergekommene spiegelt; ein Vergleichen, das von sich weg denkt, weil es nicht mit sich selbst fertig wird. Die Historie verbreitet eine Tiiuschung der volligen Beherrschbarkeit alles Wirklichen, sofern sie an allem Oberflachlichen entlang tragt und die OberJ:1iiche selbst verschiebt als die einzig geniigende Wirklichkeit. Die in der Historie angelegte ....,

490 VIII. Das Seyn<br />

Verhaltenheit im Bereich der Lichtung des Seyns. Dieser Bereich<br />

jedoch ist durch und durch nicht menschlich, d. h. nicht<br />

bestimmbar und nicht tragbar durch das animal rationale und<br />

ebensowenig durch das Subjekturn. Der Bereich ist iiberhaupt<br />

kein Seiendes, sondern gehort der Wesung des Seyns. DaseinsmaBig<br />

begriffen ist der Mensch jenes Seiende, das seiend seines<br />

Wesens verlustig gehen kann und somit am unsichersten und<br />

gewagtesten je seiner selbst gewiB ist, dieses aber auf Grund<br />

der Dberantwortung an die Wachterschaft des Seyns. Der Vorrang<br />

des Da-seins ist nicht nur das Gegenteil zu jeder Art Vermenschung<br />

des Menschen, er begriindet eine ganz andere, von<br />

der Metaphysik und daher auch von der »Anthropologie« aus<br />

nie faBbare Wesensgeschichte des Menschen. Das schlieBt nicht<br />

aus sondern ein, daB der Mensch jetzt noch wesentlicher flir<br />

das Seyn, aber zugleich unwichtiger geschatzt aus dem »Seienden«wird.<br />

Das Da-sein ist die Griindung des Abgrundes des Seyns<br />

durch die Inanspruchnahme des Menschen als desjenigen Seienden,<br />

das der Wachterschaft fiir die Wahrheit des Seyns iiberantwortet<br />

wird. Auf dem Grunde des Da-seins verwandelt sich<br />

der Mensch erst in jenes Wesen, dem der Bezug <strong>zur</strong>n Seyn das<br />

Entscheidende zuweist, was sogleich andeutet, daB die Rede<br />

von einem Bezug zum Seyn das eigentlich zu Denkende in sein<br />

Gegenteil ausdriickt. Denn der Bezug zum Seyn ist in Wahrheit<br />

das Seyn, das als <strong>Ereignis</strong> den Menschen in seinen Bezug<br />

riickt. Deshalb umlagert mannigfache MiBdeutung jenes»Verhaltnis«,<br />

das durch den Titel »Der Mensch und das Seyn« sich<br />

anzeigt (vgl. Das Seyn, 272. Der Mensch, 273. Geschichte).<br />

272. Der Mensch*<br />

Wer die Geschichte des Menschen als Geschichte des Wesens<br />

des Menschen begriffen hat, fiir den kann die Frage, wer der<br />

Mensch sei, nur die Notwendigkeit bedeuten, den Menschen<br />

aus seinem bisherigen metaphysischen Aufenthaltsbezirk heraus<br />

zu fragen, fragend in ein anderes Wesen zu weisen und damit<br />

diese Frage selbst zu iiberwinden. Unvermeidbar steht dieses<br />

Fragen noch unter dem Schein der »Anthropologie« und in<br />

der Gefahr anthropologischer MiBdeutung.<br />

1. Auf welche Gipfel miissen wir steigen, urn den Menschen<br />

frei zu iiberblicken in seiner Wesensnot? DaB sein Wesen<br />

ihm Eigenturn und d. h. Verlust ist, und zwar aus der Wesung<br />

des Seyns.<br />

Warum sind solche Gipfel notig, und was meinen sie?<br />

2. Hat der Mensch sich eigensinnig verlaufen in das »nur«<br />

Seiende oder wurde er dafiir vom Seyn verstoBen oder wurde<br />

er vom Seyn einfach ausgehangt und einer Eigensucht iiberlassen?<br />

(Diese Fragen bewegen sich in der Unterscheidung von Sein<br />

und Seiendem.)<br />

3. Der Mensch, das denkende Tier, als vorhandene Queile der<br />

Leidenschaften, Triebe, Ziel- und Wertsetzungen, ausgestattet<br />

mit einem Charakter usf. Dieses jederzeit Feststeilbare,<br />

das des Einverstandnisses ailer sicher ist, zumal, wenn aile<br />

sich geeinigt haben, nicht mehr zu fragen und nichts anderes<br />

sein zu lassen, als jeder ist:<br />

a) als was wir den Menschen antreffen.<br />

b) daf3 wir ihn antreffen.<br />

4. Der Mensch der im Loswurf (geworfenen Entwurf) Zuriickgekehrte;<br />

wir miissen Sein verstehen, wenn ...<br />

5. Der Mensch der Wachter der Wahrheit des Seyns (Griindung<br />

des Da-seins).<br />

* vgl. Das Seyn, 276. Das Seyn und die Sprache, S. 499 f.; Oberlegungen<br />

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