Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

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466 VIII. Das Seyn entschiedener die Metaphysik in die DenkmaBigkeit der Seiendheit und zumal im Sinne des absoluten Denkens sich festsetzt. Das Wesen und der Grund dieser Abhebung ist das Seyn als Er-eignung. Dieses riickt sich als das lichtende Zwischen selbst in diese Lichtung und ist deshalb, ohne als Ereignung je erkannt und geahnt zu sein, yom vorstellenden Denken her als Sein iiberhaupt ein Unterscheidbares und Unterschiedenes. Das gilt schon fiir die erstanfangliche Wesung des Seyns als IjJU(1L~, die als &.A~{}ELa hervorkommt, aber zugleich iiber dem Seienden, das durch sie als ein solches vernehmbar wird, vergessen und zum seiendsten Seienden, einer und der hochsten Weise des Seienden, umgedeutet wird. Bier liegt zugleich der Grund, warum die ontologische Differenz als solche nicht ins Wissen kommt, da ja im Grunde immer nur zwischen Seiendem und Seiendem (Seiendsten) eine Unterscheidung benotigt ist. Die Folge sieht man an der weitverbreiteten Verwirrung im Gebrauch des Namens »Seyn« und »Seiendes«, die wechselweise beliebig fiir einander stehen, so daB man, obzwar das Seyn meinend, doch nur ein Seiendes vor-stellt und es als das Allgemeinste alles Vor-stellens darstellt. Das Sein (als ens qua ens - ens in commune) ist nur die diinnste Verdiinnung des Seienden und selbst noch ein solches und, weil jegliches Seiende zu diesem bestimmend, das Seiendste des Seienden. Auch wenn man jetzt, nach der entschiedenen Nennung dieser Unterscheidung in »Sein und Zeit«, sich eines sorgfaltigeren Sprachgebrauchs befJeiBigt, ist nichts erreicht und in keiner Weise bezeugt, daB ein Wissen und Fragen nach dem Seyn lebendig geworden sei. 1m Gegenteil: die Gefahr ist jetzt gesteigert, daB das Sein selbst wie ein Vorhandenes fiir sich genommen und bearbeitet wird. Oberhaupt kann ja die Beraushebung dieser »Unterscheidung« nur dann denkerisch etwas sagen, wenn sie von Anfang an aus der Frage nach dem »Sinn des Seyns«, d. h. nach seiner Wahrheit, entspringt; und wenn diese Frage nicht als eine beliebige gefaBt, sondern als die geschichtlich die Metaphysik entscheidende und iiber die Metaphysik und ihr Fragen ent­ 266. Das Seyn und die »ontologische Difjerenz« . .. 467 scheidende gefragt ist, wenn das Seyn selbst zur Not geworden, welche Not erst wieder fiir sich das ihr zugehorige »Denken« in seiner Bestimmung stimmt. Die »ontologische Differenz« ist ein Durchgang, der unumganglich wird, wenn die Notwendigkeit des Fragens derGrundfrage von der Leitfrage her sichtbar gemacht werden solI. Und die Leitfrage selbst? Diese Aufgabe laBt sich aber nicht umgehen, solange iiberhaupt noch ein Weg gesichert bleiben muB, der aus der noch so diirftigen Oberlieferung des fragenden metaphysischen Denkens hinausleitet in die notwendig ungefragte Frage nach der Wahrheit des Seyns. Aber diese Kennzeichnung der »ontologischen Differenz« als solcher und die Ansetzung ihrer aus der Absicht auf die Oberwindung der Metaphysik scheint zunachst das Gegenteil zu erwirken: nun ergibt sich erst recht die Festsetzung in der »Ontologie«. Man nimmt die Unterscheidung als ein Lehrstiick und Schliissel ontologischer Betrachtung und vergiBt das Entscheidende: das DurchgangsmaBige dieser Unterscheidung. Man entschlagt sich daher im voraus jeder Bemiihung, diese Unterscheidung iiberhaupt nicht als eine vor-stellende zu vollziehen, in der das Unterschiedene gleichmaBig in dieselbe, obzwar ganz unbestimmt gelassene Ebene der Unterschiedenheit ./ gesetzt wird; wahrend doch diese formal genommene und hingesagte Unterscheidung nur eine Anzeige dafiir sein kann, daB der Bezug zum Sein ein anderer ist als der zum Seienden, und daB diese Andersheit der Beziige zum unterscheidenden Sichbeziehen auf die Unterschiedenen gehort. Der Bezug zum Sein ist als gegriindeter die Instandigkeit im Da-sein, das Innestehen in der Wahrheit des Seyns (als Ereignis). Der Bezug zum Seienden ist die schaffende Bewahrung der Verwahrung des Seyns in dem, was sich gemaB solcher Verwahrung als das Seiende in die Lichtung des Da stellt. 1m Obergang zum Da-sein innerhalb des Fragens nach der Wahrheit des Seyns bleibt keine andere Moglichkeit, als das Vorstellen zunachst soweit zu wandeln, daB der Bezug zum Sein

468 VIII. Das Seyn als Entwurf und daher als der Charakter des Verstehens festgelegt wird (das Seinsverstandnis des Da-seins). Aber diese Bestimmungen, so entscheidend sie bleiben fiir eine erste Verdeutlichung des ganz anderen Fragens der Seinsfrage, sind doch, auf die Fragwiirdigkeit des Seyns und seiner Wesung hinaus gesehen, nur wie ein erster tastender Schritt auf ein sehr langes Sprungbrett, bei welchem Schritt kaum etwas gespiirt wird von der Forderung, die amEnde des Sprungbretts fiir denAbsprung notig ist. Doch man nimmt diesen Schritt nicht einmal als ersten fiir ein langes »unterwegs«, sondern als den schon letzten, urn sich in dem Gesagten als einer bestimmten »Lehre« und »Ansicht« einzurichten und mit ihr allerlei in historischer Hinsicht auszurichten. Oder aber man lehnt diese »Lehre« ab und bildet sich ein, damit etwas iiber die Seinsfrage entschieden zu haben. 1m Grunde aber gibt die Heraushebung der »ontologischen Differenz« nur ein Zeugnis dafUr, daB der Versuch zur urspriinglicheren Seinsfrage zugleich sein muB eine wesentlichere Aneignung der Geschichte der Metaphysik. Aber dieses Beides zu einigen bezw. von Grund aus schon in Einem zu haben: das Anfangen im ganz Anderen und die alles bisherige historische Beischaffen wesentlich iibertreffende Treue zur Geschichte des ersten Anfangs, die gleich entschiedene Beherrschung und Behauptung des SichausschlieBenden, das ist fiir die Gewohnheit der Historie und der Systematik so befremdlich, daB sie sich gar nicht einfallen lassen, Solches konnte gefordert sein. (Was anderes aber will die »phanomenologische Destruktion«?) Deshalb schwebt denn auch die »ontologische Differenz« im Unbestimmten. Es sieht so aus, als sei sie schon zum mindesten seit Plato gewuBt, wo sie doch nur vollzogen und gleichsam in Gebrauch genommen ist. Bei Kant ist sie im Begriff des»Transzendentalen« gewuBt und dock nicht gewuBt, weil einmal die Seiendheit als Gegenstandlichkeit gefaBt wird und weil sodann diese Auslegung der Seiendheit gerade jede Seinsfrage abschneidet. Es sieht aber auch wieder so aus, als sei die »ontologische Differenz« etwas »Neues«, was sie nicht sein kann und 266. Das Seyn und die »ontologische Difjerenz« . .. 469 nicht sein will. Mit ihr ist nur Jenes genannt, was die ganze Geschichte der Philosophie tragt und als dieses Tragende fUr sie als Metaphysik nie das zu Erfragende und deshalb zu Nennende sein konnte. Sie ist ein Dbergangliches im Dbergang vom Ende der Metaphysik zum anderen Anfang. DaB aber diese Unterscheidung genannt werden kann als das Bereichsgefiige der abendliindischen Metaphysik und daB sie in dieser unbestimmten Form genannt werden muB, hat seinen Grund in der anfanglichen Geschichte des Seyns selbst. In der q:liJO"L(; liegt es beschlossen, daB fiir das allgemeinste Vorstellen (Denken) das Sein das standigste Anwesendste und als dieses gleichsam die Leere der Gegenwartigkeit selbst ist. Sofern das Denken sich in die Herrschaft der »Logik« begeben hat, wird dieses Gegenwartige alles Anwesenden (Vorhandenen) ZUlli Allgemeinsten und trotz der Abwehr des Aristoteles, daB es nicht yEVO(; sei, zum »Generellsten« gemacht. Bedenken wir diese geschichtliche Herkunft der ontologischen Differenz aus der Seinsgeschichte selbst, dann zwingt das Wissen dieser Herkunft bereits zu einer Vorferne der Zugehorigkeit in die Wahrheit des Seins, zur Erfahrung, daB wir, von der »ontologischen Differenz« in allem Menschsein als Bezug ZUlli Seienden getra- ./ gen, der Macht des Seyns hiedurch wesentlicher ausgesetzt bleiben als in jedem noch so »lebensnahen« Bezug zu irgend einem »Wirklichen«. Und dieses, die Durchstimmtheit des Menschen vom Seyn selbst, muB zur Erfahrung gebracht werden durch die Nennung der »ontologischen Differenz«; dann namlich, wenn die Seinsfrage selbst als Frage erweckt werden solI. Andererseits aber, im Hinblick auf die Dberwindung der Metaphysik (das geschichtliche Zuspiel des ersten und des anderen Anfangs), muB die »ontologische Differenz« in ihrer Zugehorigkeit ZUlli Da­ -sein deutlich gemacht werden; von da aus gesehen riickt sie in die Form einer, ja der »Grundstruktur« des Da-seins selbst.

466 VIII. Das Seyn<br />

entschiedener die Metaphysik in die DenkmaBigkeit der Seiendheit<br />

und zumal im Sinne des absoluten Denkens sich festsetzt.<br />

Das Wesen und der Grund dieser Abhebung ist das Seyn<br />

als Er-eignung. Dieses riickt sich als das lichtende Zwischen<br />

selbst in diese Lichtung und ist deshalb, ohne als Ereignung je<br />

erkannt und geahnt zu sein, yom vorstellenden Denken her als<br />

Sein iiberhaupt ein Unterscheidbares und Unterschiedenes. Das<br />

gilt schon fiir die erstanfangliche Wesung des Seyns als IjJU(1L~,<br />

die als &.A~{}ELa hervorkommt, aber zugleich iiber dem Seienden,<br />

das durch sie als ein solches vernehmbar wird, vergessen und<br />

zum seiendsten Seienden, einer und der hochsten Weise des<br />

Seienden, umgedeutet wird. Bier liegt zugleich der Grund, warum<br />

die ontologische Differenz als solche nicht ins Wissen<br />

kommt, da ja im Grunde immer nur zwischen Seiendem und<br />

Seiendem (Seiendsten) eine Unterscheidung benotigt ist. Die<br />

Folge sieht man an der weitverbreiteten Verwirrung im Gebrauch<br />

des Namens »Seyn« und »Seiendes«, die wechselweise<br />

beliebig fiir einander stehen, so daB man, obzwar das Seyn meinend,<br />

doch nur ein Seiendes vor-stellt und es als das Allgemeinste<br />

alles Vor-stellens darstellt. Das Sein (als ens qua ens - ens in<br />

commune) ist nur die diinnste Verdiinnung des Seienden und<br />

selbst noch ein solches und, weil jegliches Seiende zu diesem<br />

bestimmend, das Seiendste des Seienden. Auch wenn man jetzt,<br />

nach der entschiedenen Nennung dieser Unterscheidung in<br />

»Sein und Zeit«, sich eines sorgfaltigeren Sprachgebrauchs befJeiBigt,<br />

ist nichts erreicht und in keiner Weise bezeugt, daB ein<br />

Wissen und Fragen nach dem Seyn lebendig geworden sei. 1m<br />

Gegenteil: die Gefahr ist jetzt gesteigert, daB das Sein selbst<br />

wie ein Vorhandenes fiir sich genommen und bearbeitet wird.<br />

Oberhaupt kann ja die Beraushebung dieser »Unterscheidung«<br />

nur dann denkerisch etwas sagen, wenn sie von Anfang<br />

an aus der Frage nach dem »Sinn des Seyns«, d. h. nach seiner<br />

Wahrheit, entspringt; und wenn diese Frage nicht als eine beliebige<br />

gefaBt, sondern als die geschichtlich die Metaphysik<br />

entscheidende und iiber die Metaphysik und ihr Fragen ent­<br />

266. Das Seyn und die »ontologische Difjerenz« . .. 467<br />

scheidende gefragt ist, wenn das Seyn selbst <strong>zur</strong> Not geworden,<br />

welche Not erst wieder fiir sich das ihr zugehorige »Denken« in<br />

seiner Bestimmung stimmt.<br />

Die »ontologische Differenz« ist ein Durchgang, der unumganglich<br />

wird, wenn die Notwendigkeit des Fragens derGrundfrage<br />

von der Leitfrage her sichtbar gemacht werden solI. Und<br />

die Leitfrage selbst? Diese Aufgabe laBt sich aber nicht umgehen,<br />

solange iiberhaupt noch ein Weg gesichert bleiben muB,<br />

der aus der noch so diirftigen Oberlieferung des fragenden<br />

metaphysischen Denkens hinausleitet in die notwendig ungefragte<br />

Frage nach der Wahrheit des Seyns.<br />

Aber diese Kennzeichnung der »ontologischen Differenz« als<br />

solcher und die Ansetzung ihrer aus der Absicht auf die Oberwindung<br />

der Metaphysik scheint zunachst das Gegenteil zu erwirken:<br />

nun ergibt sich erst recht die Festsetzung in der »Ontologie«.<br />

Man nimmt die Unterscheidung als ein Lehrstiick und<br />

Schliissel ontologischer Betrachtung und vergiBt das Entscheidende:<br />

das DurchgangsmaBige dieser Unterscheidung.<br />

Man entschlagt sich daher im voraus jeder Bemiihung, diese<br />

Unterscheidung iiberhaupt nicht als eine vor-stellende zu vollziehen,<br />

in der das Unterschiedene gleichmaBig in dieselbe, obzwar<br />

ganz unbestimmt gelassene Ebene der Unterschiedenheit ./<br />

gesetzt wird; wahrend doch diese formal genommene und hingesagte<br />

Unterscheidung nur eine Anzeige dafiir sein kann, daB<br />

der Bezug zum Sein ein anderer ist als der zum Seienden, und<br />

daB diese Andersheit der Beziige zum unterscheidenden Sichbeziehen<br />

auf die Unterschiedenen gehort. Der Bezug zum Sein<br />

ist als gegriindeter die Instandigkeit im Da-sein, das Innestehen<br />

in der Wahrheit des Seyns (als <strong>Ereignis</strong>).<br />

Der Bezug zum Seienden ist die schaffende Bewahrung der<br />

Verwahrung des Seyns in dem, was sich gemaB solcher Verwahrung<br />

als das Seiende in die Lichtung des Da stellt.<br />

1m Obergang zum Da-sein innerhalb des Fragens nach der<br />

Wahrheit des Seyns bleibt keine andere Moglichkeit, als das<br />

Vorstellen zunachst soweit zu wandeln, daB der Bezug zum Sein

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