Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

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430 VIII. Das Seyn 259. Die Philosophie 431 1m Obergang von der metaphysischen Seinsfrage zu der kiinftigen muB immer iiberganglich gedacht und gefragt werden. Damit ist die Moglichkeit einer nur metaphysischen Beurteilung des anderen Fragens ausgeschlossen. Das andere Fragen aber ist hierdurch auch nicht als »absolute« Wahrheit erwiesen, schon deshalb nicht, weil ein solcher Beweis einer solchen»Wahrheit« dem Wesen dieses Fragens zuwiderIauft. Denn dieses Fragen ist geschichtlich, weil in ihm die Geschichte des Seyns selbst als des abgriindigsten einzigen Geschichtsgrundes zum Ereignis wird. Oberdies leistet das iibergangliche Denken immer erst die Vorbereitung des anderen Fragens und d. h. die Vorbereitung jenes Menschseins, das in seiner Griinder- und Wachterschaft zuvor stark genug und wissend genug werden solI, den lang angezeigten, aber noch langer verweigerten StoB des Seyns zu empfangen und die Ermachtigung des Seyns zu seiner Wesung in einen einzigen Augenblick der Geschichte zu sammeln. Das iibergangliche Denken kann daher auch nicht durch einen Gewaltstreich die metaphysische Gewohnung abschiitteln. Ja es muB der Mitteilung wegen oft noch in der Bahn des metaphysischen Denkens gehen und dennoch stets das Andere wissen. Wie sollte auch das eigentlich geschichtliche Denken iibersehen konnen, daB, wenn der Obergang geschichtsgriindend werden solI, ihm die Plotzlichkeit des Ungeahnten ebenso aufbehalten ist wie die Unauffalligkeit des langsamen iiber sich Hinauskommens. Und wie sollte das iibergangliche Denken nicht auch wissen, daB Vieles, ja das Meiste, was ihm an Anstrengung zugewiesen bleibt, einstmals ein Dberfliissiges sein und in das Beilaufige zuriickfallen wird, um dem Strom der Geschichte des Einzigen seinen einmaligen Lauf zu lassen. Trotzdem darf das iibergangliche Denken die Diirftigkeit vorbereitender Unterscheidungen und Klarungen nicht scheuen, wenn sie nur angeweht sind yom Wind einer weither fallenden Entscheidung. Nur die Kalte der Kiihnheit des Denkens und die Nacht der Irre des Fragens leihen dem Feuer des Seyns Glut und Licht. Der Unterschied in der Seinsfrage, der ein geschichtlicher ist und die Geschichte der Metaphysik gegen das kiinftige Denken scheidet, bezeichnet in seinem ersten Vollzug den Obergang. Allein, der Unterschied verbindet nicht in der Weise der Abhebung ein Vergangenes und Kommendes, eine verflossene und eine bevorstehende Geschichte, sondern er scheidet zwei grundverschiedene Tiefgange der abendlandischen Geschichte. DaB die Geschichte der Metaphysik (mit Nietzsche) zu Ende ist, sagt keineswegs, daB von nun an das metaphysische (und d. h. zugleich vernunftgemaBe, logische) Denken ausgerottet sei, Un Gegenteil: Dieses Denken verlegt jetzt seine feste Gewohnung in die Bezirke der Weltanschauungen und der zunehmenden Verwissenschaftlichung des alltaglichen Treibens, so, wie es sich bereits in die Ausgestaltung des Christentums festgesetzt hat und mit diesem in die Formen seiner»Verweltlichung« iibergeht, in denen es sich selbst wieder begegnet in der Gestalt, die es durch seine Verchristlichung (schon bei Plato beginnend) angenommen hat. Die Geschichte der Metaphysik hort nicht auf, wei! sie jetzt in das Geschichtslose iibergeht, ja dieses erst eroffnet. Umgekehrt tritt das seinsgeschichtliche Denken des anderen Fragens nun nicht etwa in die Helle des Tages. Es bleibt in der eigenen Tiefe verborgen, aber jetzt nicht mehr, wie seit ./ dem ersten Anfang des abendlandischen Denkens wahrend der Geschichte der Metaphysik, in der Verhiillung seiner Verschlossenheit im unerbrochenen Ursprung, sondern in der Klarheit eines schweren Dunkels der sich selbst wissenden, in der Besinnung erstandenen Tiefe. Die Geschichte des metaphysischen und des seinsgeschichtlichen Denkens ereignet sich zumal in ihren verschiedenen Zeitaltern nach verschiedenen Machtigkeiten des Vorrangs des Seins .vor dem Seienden, des Seienden vor dem Sein, der Verwirrung beider, des Verloschens jedes Vorrangs im Zeitalter der errechenbaren Verstandlichkeit von allem. Wir wissen die Zukunft der Seinsgeschichte, daB, wenn sie Geschichte bleiben will, das Seyn selbst sich das Denken ereignen muB. Aber nie­

432 VIII. DasSeyn mand kennt die Gestalt des kommenden Seienden. Nur dies Eine mag gewiB sein: daB jedes Er-denken des Seyns und alles Schaffen aus der Wahrheit des Seyns, ohne den schon behiitenden Zuspruch des Seienden, andere Krafte des Fragens und des Sagens, des Werfens und des Tragens braucht, als sie die Geschichte der Metaphysik jemals hervorbringen konnte. Denn diese Anderen miissen noch zu ihrem Eigensten das fragende Gesprach mit dem in heller Tiefe aufgegangenen ersten Anfang und seiner Geschichte in das Denken einbeziehen und geriistet sein, mit den Einsamsten des ersten Denkens noch Einsamere des Abgrundes werden, der im anderen Anfang aIle Griinde nicht nur tragt, sondern auch durchweht. Was den bloB Nachgekommenen Gegenstand historischer Gelehrsamkeit und Forschung und schlieBlich bloB noch schulender Unterrichtung bleibt, die Geschichte des metaphysischen Denkens in seinen »Werken«, muB erst Geschichte werden, in der Jegliches auf seine Einzigkeit sich zusammenzieht und als ein Lichtblick des Denkens eine Wahrheit des Seyns in dessen eigenen undurchmessenen Raum verstrahlt. Weil da eine GroBe denkerischen Daseins ernotigt ist durch das Seyn selbst, deren Gestalt wir kaum erahnen aus dem dichterischenDasein Holderlins und aus der schauerlichen Wanderung Nietzsches, weil im Raum des seinsgeschichtlichen Denkens nur noch dieses GroBe ist, weshalb auch die Rede von GroBe zu klein bleibt, darum muB die Vorbereitung solcher Denker aIle Unerbittlichkeit zusammennehmen und in den klarsten. Unterscheidungen sich bewegen. Denn nur solche gewahren den Mut zur lnstandigkeit im StoBbereich des Fragwiirdigsten, das von den Gottem gebraucht und yom Menschen vergessen, und das wir das Seyn nennen. Der Unterschied in der Frage nach dem Sein kann formelhaft durch zwei Titel festgehalten werden; der eine lautet: Sein und Denken, der andere: Sein und Zeit. 1m ersten ist das Sein verstanden als die Seiendheit des Seienden; im anderen als das Sein, dessen Wahrheit erfragt wird. 1m ersten meint »Denken« 259. Die Philosophie den Leitfaden, an dem entlang das Seiende auf seine Seiendheit abgefragt wird: das vorstellende Aussagen. 1m anderen meint »Zeit« die erste Anzeige des Wesens der Wahrheit im Sinne der entriickungsmaBig offenen Lichtung des Spielraums, in dem das Seyn sich verbirgt und verbergend sich erstmals eigens in seine Wahrheit verschenkt. Beide Titel sind in ihrem Verhaltnis demnach keinesfalls so zu deuten, daB im zweiten nur das »Denken« im ersten durch die »Zeit« ersetzt ware, als sollte dieselbe Frage nach der Seiendheit des Seienden nunmehr statt am Leitfaden des aussagenden Vorstellens an dem der Zeit vollzogen werden, wobei dann noch die »Zeit« sogleich nach ihrem gewohnlichen Begriff gedacht wird. Vielmehr ist die »Rolle« des Denkens und diejenige der »Zeit« jedesmal eine grundverschiedene; ihre Bestimmung gibt dem >>und« in beiden Titeln eine je eigene Eindeutigkeit. Zugleich aber ist durch das Fragen nach dem Sein im Sinne des Titels »Sein und Zeit« eine Moglichkeit geschaffen, die Geschichte der Seinsfrage im Sinne des Titels »Sein und Denken« urspriinglicher, d. h. seinsgeschichtlich zu begreifen und die in der Geschichte der Metaphysik notwendig unerfragte Wahrheit des Seins zuerst im Zeitcharakter des Seins sichtbar zu machen durch den Hinweis auf das Walten der Anwesung und Bestandigkeit im / Wesen der

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VIII. DasSeyn<br />

mand kennt die Gestalt des kommenden Seienden. Nur dies<br />

Eine mag gewiB sein: daB jedes Er-denken des Seyns und alles<br />

Schaffen aus der Wahrheit des Seyns, ohne den schon behiitenden<br />

Zuspruch des Seienden, andere Krafte des Fragens und des<br />

Sagens, des Werfens und des Tragens braucht, als sie die Geschichte<br />

der Metaphysik jemals hervorbringen konnte. Denn<br />

diese Anderen miissen noch zu ihrem Eigensten das fragende<br />

Gesprach mit dem in heller Tiefe aufgegangenen ersten Anfang<br />

und seiner Geschichte in das Denken einbeziehen und geriistet<br />

sein, mit den Einsamsten des ersten Denkens noch Einsamere<br />

des Abgrundes werden, der im anderen Anfang aIle<br />

Griinde nicht nur tragt, sondern auch durchweht. Was den<br />

bloB Nachgekommenen Gegenstand historischer Gelehrsamkeit<br />

und Forschung und schlieBlich bloB noch schulender Unterrichtung<br />

bleibt, die Geschichte des metaphysischen Denkens in seinen<br />

»Werken«, muB erst Geschichte werden, in der Jegliches<br />

auf seine Einzigkeit sich zusammenzieht und als ein Lichtblick<br />

des Denkens eine Wahrheit des Seyns in dessen eigenen undurchmessenen<br />

Raum verstrahlt. Weil da eine GroBe denkerischen<br />

Daseins ernotigt ist durch das Seyn selbst, deren Gestalt<br />

wir kaum erahnen aus dem dichterischenDasein Holderlins und<br />

aus der schauerlichen Wanderung Nietzsches, weil im Raum<br />

des seinsgeschichtlichen Denkens nur noch dieses GroBe ist,<br />

weshalb auch die Rede von GroBe zu klein bleibt, darum muB<br />

die Vorbereitung solcher Denker aIle Unerbittlichkeit zusammennehmen<br />

und in den klarsten. Unterscheidungen sich bewegen.<br />

Denn nur solche gewahren den Mut <strong>zur</strong> lnstandigkeit im<br />

StoBbereich des Fragwiirdigsten, das von den Gottem gebraucht<br />

und yom Menschen vergessen, und das wir das Seyn<br />

nennen.<br />

Der Unterschied in der Frage nach dem Sein kann formelhaft<br />

durch zwei Titel festgehalten werden; der eine lautet: Sein<br />

und Denken, der andere: Sein und Zeit. 1m ersten ist das Sein<br />

verstanden als die Seiendheit des Seienden; im anderen als das<br />

Sein, dessen Wahrheit erfragt wird. 1m ersten meint »Denken«<br />

259. Die <strong>Philosophie</strong><br />

den Leitfaden, an dem entlang das Seiende auf seine Seiendheit<br />

abgefragt wird: das vorstellende Aussagen. 1m anderen<br />

meint »Zeit« die erste Anzeige des Wesens der Wahrheit im<br />

Sinne der entriickungsmaBig offenen Lichtung des Spielraums,<br />

in dem das Seyn sich verbirgt und verbergend sich erstmals<br />

eigens in seine Wahrheit verschenkt. Beide Titel sind in ihrem<br />

Verhaltnis demnach keinesfalls so zu deuten, daB im zweiten<br />

nur das »Denken« im ersten durch die »Zeit« ersetzt ware, als<br />

sollte dieselbe Frage nach der Seiendheit des Seienden nunmehr<br />

statt am Leitfaden des aussagenden Vorstellens an dem<br />

der Zeit vollzogen werden, wobei dann noch die »Zeit« sogleich<br />

nach ihrem gewohnlichen Begriff gedacht wird. Vielmehr ist<br />

die »Rolle« des Denkens und diejenige der »Zeit« jedesmal<br />

eine grundverschiedene; ihre Bestimmung gibt dem >>und« in<br />

beiden Titeln eine je eigene Eindeutigkeit. Zugleich aber ist<br />

durch das Fragen nach dem Sein im Sinne des Titels »Sein und<br />

Zeit« eine Moglichkeit geschaffen, die Geschichte der Seinsfrage<br />

im Sinne des Titels »Sein und Denken« urspriinglicher,<br />

d. h. seinsgeschichtlich zu begreifen und die in der Geschichte<br />

der Metaphysik notwendig unerfragte Wahrheit des Seins zuerst<br />

im Zeitcharakter des Seins sichtbar zu machen durch den<br />

Hinweis auf das Walten der Anwesung und Bestandigkeit im /<br />

Wesen der

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