Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

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358 V. Die Grundung des Seienden als Herstellbaren aus anderem Seienden (»Mathesis«, »Mechanik« im weitesten Sinne). Wo diese ErkHirung scheitert, wendet man sich an das Unerklarbare oder behauptet das Nichterklarbare folgerichtig als nichtseiend. Das Unerklarbare (»Transzendente«) ist aber so nur der Abkommling der Erklarungssucht und, statt ein Hoheres zu sein, die Erniedrigung selbst. Der verborgene Grund von all diesem Treiben liegt aber im Vorrang und Anspruch der Richtigkeit und dieser in der Unkraft zum Wesen der Wahrheit selbst, d. h. zum Wissen von dem, was aIle noch so ehrliche Bemuhung nach dem Wahren tragt bezw. hemmt. 231. W ie die W ahrheit, aA~~ELa, zur Richtigkeit wird Wahrheit, &A~~ELa, dabei kaum aufklingend, machtig zwar, aber ungegrundet und auch nicht eigentlich griindend. Richtigkeit bringt die 'ljJlJX~ in den Vorrang und nachher die Subjekt-Objekt-Beziehung. Weil die Herrschaft der Richtigkeit schon ihre lange Geschichte hat, deshalb ist ihre Herkunft und die Moglichkeit eines Anderen nur schwer und langsam in den Blick zu bringen. Mit der 'ljJlJxfJ schon der Myor:; als Sammlung ursprunglich und dann als Rede und Sage. DaB die Aussage der art fur»Wahrheit« wird, ist mit das Befremdlichste in ihrer Geschichte, trotzdem uns das fur gelaufig gilt. Aber deshalb wird es umso schwerer, abgesehen von der Fassung der Wesung selbst, Wahrheit und Wahres urspriinglich weiter uberall dort zu suchen und zu verwahren, wo wir sie gar nicht vermuten. Diese Entwurzelung der Wahrheit geht zusammen mit der Verhullung des Wesens des Seyns. Inwiefern »Richtigkeit« von der Einrichtung und Bergung her (Sprache) wesentlich? 2JJ. Einfugung der Auslegung des Hohlengleichnisses. .. 359 232. Die Frage nach der Wahrheit als geschichtliche Besinnung Gemeint ist hier nicht das historische Berichten uber die Meinungen und Lehren, die hinsichtlich des »Begriffes« der Wahrheit aufgestellt wurden. Philosophie im anderen Anfang ist im Wesen geschichtlich, und in dieser Hinsicht muB sich nun auch eine urspriinglichere Art der Erinnerung an die Geschichte des ersten Anfangs ergeben. Die Frage ist, welche Grundbewegungen des Wesens der Wahrheit und ihrer Auslegungsbedingungen die abendlandische Geschichte trugen und tragen werden. Die beiden ausgezeichneten Grundstellungen in dieser Geschichte sind durch Plato und Nietzsche gekennzeichnet. Und zwar Plato (vgl. Auslegung des Hohlengleichnisses*) als derjenige Denker, bei dem noch ein letztes Aufscheinen der aA~~ELa deutlich wird im Ubergang zur Wahrheit der Aussage (vgl. auch Aristoteles, Metaphysik e IV). Und Nietzsche, bei dem sich die abendlandische Uberlieferung in der neuzeitlichen und vor allem positivistischen Abwandlung des 19. Jahrhunderts sammelt und zugleich die ." »Wahrheit« in den wesentlichen Gegensatz und damit in die Zusammengehorigkeit mit der Kunst gebracht wird, beide als Grundweisen des Willens zur Macht als des Wesens des Seienden (essentia), dessen existentia die ewige Wiederkehr des Gleichennennt. 233. Die Einfugung der Auslegung des Hohlengleichnisses (1931/32 und 1933/34) in die Wahrheitsfrage 1. Warum diese Auslegung geschichtlich wesentlich? Weil hier noch in einer ausgefuhrten Besinnung sichtbar wird, wie zu­ * Vorlesung Wintersemester 1931/32 »Vom Wesen der Wahrheit. Zu Platons Hiihlengleichnis und Theiitet« (Gesamtausgabe Band 34)

360 V. Die Grilndung 234. Die Frage nach der Wahrheit (Nietzsche) 361 gleich die &A~l}Et(X noch wesentlich das griechische Fragen nach dem OV tragt und fiihrt und wie sie doch gerade durch dieses Fragen, Ansetzung der tbEa, zum Einsturz gebracht wird. 2. Zugleich zeigt sich weiter zuriick: Der Einsturz ist nicht der eines Errichteten und gar eigens Gegriindeten. Weder das eine noch das andere wurden im anfanglichen griechischen Denken geleistet, trotz des l't6AEJlO~-Satzes des Heraklit und des Lehrgedichtes des Parmenides. Und dennoch, iiberall im Denken und Dichten (Tragodie und Pindar) ist die &A~l}ELa wesentlich. 3. Nur wenn dieses erfahren und herausgestellt ist, laBt sich zeigen, in welcher Weise dann und in gewissem Sinn notwendig sich ein Rest und Anschein der &A~1tELa erhalten muB, da ja doch auch die Wahrheit als Richtigkeit und sie gerade in einem schon Offenen sich bergen muB (vgl. iiber Richtigkeit). Offen muB sein das, wonach sich das Vor-stellen richtet, und offen muB sein das, dem die Angemessenheit kund werden solI (vgl. Richtigkeit und Subjekt-Objekt-Beziehung; Da-sein und Vor-stellen). 4. Ubersehen wir die Geschichte der &i,~l}ELa yom Hohlengleichnis aus, das so eine Schliisselstellung hat, nach riickwarts und vorwarts, dann kann mittelbar ermessen werden, was es besagt, die Wahrheit als aA~l}ELa erst denkerisch aufrichten, im Wesen entfalten und begriinden. DaB dies in der bisherigen Metaphysik und auch im ersten Anfang nicht nur nicht geschah, sondern nicht geschehen konnte. 5. Die Wesensgriindung der Wahrheit als Enthiillung des ersten Aufscheinens in der &A~l}ELa ist dann nicht lediglich die Ubernahme des W ortes und seiner angemessenen Ubersetzung als »Unverborgenheit«, sondern es gilt, das Wesen der Wahrheit zu erfahren als Lichtung fiir das Sichverbergen. Die lichtende Verbergung muB sich griinden als Da-sein. Das Sichverbergen muB ins Wissen kommen als Wesung des Seyns selbst als Ereignis. Der innigste Bezug von Seyn und Dasein in seiner Kehre wird sichtbar als das, was die Grundfrage ernotigt und zwingt, iiber die Leitfrage und somit iiber aIle Metaphysik hinaus zu gehen, hinaus in der Tat in die Zeit-Riiumlichkeit desDa. 6. Weil nun aber »die Wahrheit« selbst und ihr Begriff gemaB der langen Geschichte und verwirrten Uberlieferung, in der Vielerlei zusammengefunden hat, in keiner klaren und notwendigen Fragestellung mehr in der Frage steht, sind auch die Auslegungen der Geschichte des Wahrheitsbegriffes und die des Hohlengleichnisses im besonderen diirftig und abhangig von dem, was selbst zuvor aus dem Platonismus und der Urteilslehre aufgegriffen wurde. Die Grundstellungen fehlen fiir einen Entwurf dessen, was im Hohlengleichnis gesagt wird und was in diesem Sagen vor sich geht. Deshalb ist es notig, iiberhaupt einmal erst eine geschlossene, aus der Wahrheitsfrage herkommende Auslegung des Hohlengleichnisses vorzulegen und sie als eine Einfiihrung in den Bereich der Wahrheitsfrage und als eine Hinfiihrung zur Notwendigkeit dieser Frage wirksam zu machen, mit all den Vorbehalten, die an solchen unmittelbaren Versuchen haften bleiben; denn Grund und Blickbahn des Entwurfs der Auslegung und ihrer Schritte bleiben als unerortert vorausgesetzt und erscheinen als gewaltsam und willkiirlich. 234. Die Frage nach der Wahrheit (Nietzsche) Der zuletzt und am leidenschaftlichsten nach der»Wahrheit« fragt, ist Nietzsche. Denn einmal geht er davon aus, »daB wir die Wahrheit nicht haben« (XI, 159)1, zum anderen fragt er 1 F. Nietzsche, Nachgelassene Werke. Unveroffentlichtes aus der Zeit des Menschlichen, Allzumenschlichen und der Morgenrothe (1875176.1880/81). In: Nietzsche's Werke (GroBoktavausgabe) Bd. XI. Leipzig (Kroner) 1919, S. 159 '"

358 V. Die Grundung<br />

des Seienden als Herstellbaren aus anderem Seienden (»Mathesis«,<br />

»Mechanik« im weitesten Sinne).<br />

Wo diese ErkHirung scheitert, wendet man sich an das Unerklarbare<br />

oder behauptet das Nichterklarbare folgerichtig als<br />

nichtseiend.<br />

Das Unerklarbare (»Transzendente«) ist aber so nur der Abkommling<br />

der Erklarungssucht und, statt ein Hoheres zu sein,<br />

die Erniedrigung selbst.<br />

Der verborgene Grund von all diesem Treiben liegt aber im<br />

Vorrang und Anspruch der Richtigkeit und dieser in der Unkraft<br />

zum Wesen der Wahrheit selbst, d. h. zum Wissen von<br />

dem, was aIle noch so ehrliche Bemuhung nach dem Wahren<br />

tragt bezw. hemmt.<br />

231. W ie die W ahrheit, aA~~ELa, <strong>zur</strong> Richtigkeit wird<br />

Wahrheit, &A~~ELa, dabei kaum aufklingend, machtig zwar,<br />

aber ungegrundet und auch nicht eigentlich griindend.<br />

Richtigkeit bringt die 'ljJlJX~ in den Vorrang und nachher die<br />

Subjekt-Objekt-Beziehung. Weil die Herrschaft der Richtigkeit<br />

schon ihre lange Geschichte hat, deshalb ist ihre Herkunft und<br />

die Moglichkeit eines Anderen nur schwer und langsam in den<br />

Blick zu bringen. Mit der 'ljJlJxfJ schon der Myor:; als Sammlung<br />

ursprunglich und dann als Rede und Sage.<br />

DaB die Aussage der art fur»Wahrheit« wird, ist mit das<br />

Befremdlichste in ihrer Geschichte, trotzdem uns das fur gelaufig<br />

gilt.<br />

Aber deshalb wird es umso schwerer, abgesehen von der Fassung<br />

der Wesung selbst, Wahrheit und Wahres urspriinglich<br />

weiter uberall dort zu suchen und zu verwahren, wo wir sie gar<br />

nicht vermuten.<br />

Diese Entwurzelung der Wahrheit geht zusammen mit der<br />

Verhullung des Wesens des Seyns.<br />

Inwiefern »Richtigkeit« von der Einrichtung und Bergung<br />

her (Sprache) wesentlich?<br />

2JJ. Einfugung der Auslegung des Hohlengleichnisses. .. 359<br />

232. Die Frage nach der Wahrheit als geschichtliche<br />

Besinnung<br />

Gemeint ist hier nicht das historische Berichten uber die Meinungen<br />

und Lehren, die hinsichtlich des »Begriffes« der Wahrheit<br />

aufgestellt wurden.<br />

<strong>Philosophie</strong> im anderen Anfang ist im Wesen geschichtlich,<br />

und in dieser Hinsicht muB sich nun auch eine urspriinglichere<br />

Art der Erinnerung an die Geschichte des ersten Anfangs ergeben.<br />

Die Frage ist, welche Grundbewegungen des Wesens der<br />

Wahrheit und ihrer Auslegungsbedingungen die abendlandische<br />

Geschichte trugen und tragen werden.<br />

Die beiden ausgezeichneten Grundstellungen in dieser Geschichte<br />

sind durch Plato und Nietzsche gekennzeichnet.<br />

Und zwar Plato (vgl. Auslegung des Hohlengleichnisses*) als<br />

derjenige Denker, bei dem noch ein letztes Aufscheinen der<br />

aA~~ELa deutlich wird im Ubergang <strong>zur</strong> Wahrheit der Aussage<br />

(vgl. auch Aristoteles, Metaphysik e IV).<br />

Und Nietzsche, bei dem sich die abendlandische Uberlieferung<br />

in der neuzeitlichen und vor allem positivistischen Abwandlung<br />

des 19. Jahrhunderts sammelt und zugleich die ."<br />

»Wahrheit« in den wesentlichen Gegensatz und damit in die<br />

Zusammengehorigkeit mit der Kunst gebracht wird, beide als<br />

Grundweisen des Willens <strong>zur</strong> Macht als des Wesens des Seienden<br />

(essentia), dessen existentia die ewige Wiederkehr des Gleichennennt.<br />

233. Die Einfugung der Auslegung des Hohlengleichnisses<br />

(1931/32 und 1933/34) in die Wahrheitsfrage<br />

1. Warum diese Auslegung geschichtlich wesentlich? Weil hier<br />

noch in einer ausgefuhrten Besinnung sichtbar wird, wie zu­<br />

* Vorlesung Wintersemester 1931/32 »<strong>Vom</strong> Wesen der Wahrheit. Zu<br />

Platons Hiihlengleichnis und Theiitet« (Gesamtausgabe Band 34)

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