Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

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10 1. Vorblick 4. Vom Ereignis Bier ist alles auf die einzige Frage nach der Wahrheit des Seyns gestellt: Auf das Fragen. Damit dieser Versuch ein AnstoB werde, muB das Wunder des Fragens im Vollzug erfahren und zur Weckung und Starkung der Fragekraft wirksam gemacht werden. Das Fragen erweckt sogleich den Verdacht der leeren Versteifung auf das Unsichere, Unentschiedene und Unentscheidbare. Es nimmt sich aus wie ein ZuriickreiBen des»Wissens« in die stillstehende Besinnung. Es hat den Anschein des Verengenden, Bemmenden, wenn nicht gar Verneinenden. Und dennoch: im Fragen ist der treibende Ansturm des Ja zum Unbewaltigten, die Weitung in das noch unausgewogene Zuerwagende. Bier waltet das Dbersichhinausfahren in das uns Dberhohende. Fragen ist die Befreiung zum verborgen Zwingenden. Das Fragen ist in seinem selten erfahrenen Wesen so ganz anders als der Anschein seines Unwesens vorgibt, urn so oft den Unmutigen ihren letzten Mut zu nehmen. Aber sie gehoren dann auch nicht in den unsichtbaren Ring, der jene umschlieBt, denen im Fragen der Wink des Seyns antwortet. Das Fragen nach der Wahrheit des Seyns laBt sich nicht aus clem Bisherigen errechnen. Und wenn es den Anfang einer anderen Geschichte vorbereiten sollte, muB der Vollzug urspriinglich sein. So unumganglich die Auseinandersetzung mit dem ersten Anfang der Geschichte des Denkens bleibt, so gewiB muB das Fragen selbst nur seine Not bedenken und Alles urn sich vergessen. Nur in der unmittelbaren Dberspringung des »Bistorischen« wird Geschichte. Die Frage nach dem »Sinn«, d. h. nach der Erlauterung in »Sein und Zeit« die Frage nach der Griindung des Entwurfsbereichs, kurz nach der Wahrheit des Seyns ist und bleibt meine Frage und ist meine einzige, denn sie gilt ja dem Einzigsten. 5. Fur die Wenigen - Fur die Seltenen 1m Zeitalter der volligen Fraglosigkeit von allem genugt es, die Frage aller Fragen erst einmal zu fragen. 1m Zeitalter des endlosen Bediirfens aus der verborgenen Not der Notlosigkeit muB diese Frage notwendig als das nutzloseste Gerede erscheinen, uber das man auch schon rechtzeitig hinweggegangen ist. Gleichwohl bleibt die Aufgabe: Die Wiederbringung des Sei-· enden aus der Wahrheit des Seyns. Die Frage nach dem »Sinn des Seyns« ist die Frage aller Fragen. 1m Vollzug ihrer Entfaltung bestimmt sich das Wesen dessen, was da »Sinn« benennt, das, worinnen die Frage als Besinnung sich halt, was sie als Frage eroffnet: die Offenheit fur das Sichverbergen, d. h. die Wahrheit. Die Seinsfrage ist der Sprung in das Seyn, den der Mensch als der Sucher des Seyns vollzieht, sofern er ein denkerisch Schaffender ist. Sucher des Seyns ist im eigensten DbermaB sucherischer Kraft der Dichter, der das Seyn »stiftet«. Wir Jetzigen aber haben nur die eine P£1icht, jenen Denker vorzubereiten durch die weit vorgreifende Griindung einer sicheren Bereitschaft fur das Frag-wiirdigste. 5. Fur die Wenigen - Fur die Seltenen Fur die Wenigen, die von Zeit zu Zeit wieder fragen, d. i. das Wesen der Wahrheit erneut zur Entscheidung stellen. Fur die Seltenen, die den hochsten Mut zur Einsamkeit mitbringen, urn den Adel des Seyns zu denken und zu sagen von seiner Einzigkeit. Das Denken im anderen Anfang ist in einer einzigen Weise urspriinglich geschichtlich: die sich fiigende Verfugung uber die Wesung des Seyns. Ein Entwurf der Wesung des Seyns als das Ereignis muB gewagt werden, weil wir den Auftrag unserer Geschichte nicht kennen. Vermochten wir die Wesung dieses Unbekannten in seinem Sichverbergen von Grund aus zu erfahren. 11

.~ 12 1. Vorblick Wollten wir doch dieses Wissen entfalten, daB uns das unbekannte Aufgegebene den Willen in der Einsamkeit laBt und so das Bestehen des Da-seins zur hochsten Verhaltenheit gegen das Sichverbergende zwingt. Die Nahe zum letzten Gott ist die Verschweigung. Diese muB im StH der Verhaltenheit ins Werk und Wort gesetzt werden. In der Nahe des Gottes sein - und sei diese Niihe die fernste Ferne der Unentscheidbarkeit iiber die Flucht oder die Ankunft der Gotter-, das kann nicht auf ein »Gliick«oderein»Ungliick« verrechnet werden. Das Bestandnis des Seyns se1bst tragt sein MaB in sich, wenn es iiberhaupt noch eines MaBes bedarf. Aber wem unter uns Heutigen ist dies Bestiindnis beschieden? Kaum daB uns die Bereitschaft zu seiner Notwendigkeit gliickt oder auch nur der Hinweis auf diese Bereitschaft als den Beginn einer anderen Bahn der Geschichte. Die Riickfiille in die festgefahrenen Denkweisen und Anspriiche der Metaphysik werden noch langehin storen und die Klarheit des vVeges und die Bestimmtheit des Sagens verhindemo Dennoch muB der geschichtliche Augenblick des Dberganges vollzogen werden aus dem Wissen, daB aIle Metaphysik (gegriindet auf die Leitfrage: was ist das Seiende?) auBerstande blieb, den Menschen in die Grundbeziige zurn Seienden zu riicken. Wie solI sie das auch vermogen? Schon der Wille dazu findet kein Gehor, solange nicht die Wahrheit des Seyns und seine Einzigkeit zur Not geworden ist. Wie solI aber dem Denken gliicken, was ZUvor dem Dichter (Holderlin) versagt blieb? Oder miissen wir dessen Bahn und Werk in der Richtung auf die Wahrheit des Seyns nur der Verschiittung entreiBen? Sind wir dazu geriistet? Die Wahrheit des Seyns wird nur zur Not durch die Fragenden. Sie sind die eigentlich Glauhenden, weil sie sich _ eroffnend das Wesen der Wahrheit - auf den Grund zu halten (vgl. 'Die Griindung, 237. Der Glaube und die Wahrheit). Die Fragenden - einsam und ohne die Hilfsmittel einer Beauberung - setzen den neuen und hochsten Rang der Instan­ 5. Fur die Wenigen - Fur die Seltenen digkeit in der Mitte des Seyns, in der Wesung des Seyns (das Ereignis) als der Mittc. Die Fragenden haben aIle Neugier abgelegt; ihr Suchen liebt den Abgrund, in dem sie den iiltesten Grund wissen. SolI noch einmal uns eine Geschichte beschieden sein, die schaffende Ausgesetztheit in das Seiende aus der Zugehorigkeit zum Sein, dann ist unabwendbar die Bestimmung: Den Zeit­ -Raum der letzten Entscheidung - ob und wie wir diese Zugehorigkeit erfahren und griinden - vorzubereiten. Darin liegt: denkerisch das Wissen vom Ereignis zu griinden, durch die Griindung des Wesens der Wahrheit als Da-sein. Wie immer die Entscheidung iiber Geschichtlichkeit und Geschichtslosigkeit fallen mag, die Fragenden, die denkerisch jene Entscheidung vorbereiten, miissen sein; jeder trage die Einsamkeit in seine groBte Stunde. Welches Sagen leistet die hochste denkerische Erschweigung? Welches Vorgehen erwirkt am ehesten die Besinnung auf das Seyn? Das Sagen von der Wahrheit; denn sie ist das Zwischen fiir die Wesung des Seyns und die Seiendheit des Seienden. Dieses Zwischen griindet die Seiendheit des Seienden in das Seyn. Das Seyn aber ist nicht ein »Friiheres« - fiir sich, an sich bestehend -, sondem das Ereignis ist die zeitriiumliche Gleichzeitigkeit fUr das Seyn und das Seiende (vgl. Das Zuspiel, 112. Das »Apriori«). In der Philosophie lassen sich niemals Siitze anbeweisen; und dies nicht nur deshalb nicht, weil es keine hochsten Siitze gibt, aus denen andere abgeleitet werden konnten, sondern weil hier iiberhaupt nicht »Satze« das Wahre sind und auch nicht einfach Jenes, woriiber sie aussagen. Alles »Beweisen« setzt voraus, daB der Verstehende so, wie er vorstellend vor den Satzgehalt kommt, unverandert derselbe bleibt im NachvolIzug des beweisenden Vorstellungszusammenhangs. Und erst das »Ergebnis« des Beweisganges kann eine geiinderte Vorstellungsweise oder eher das Vorstellen von bisher nicht Beachtetem verlangen. 13

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1. Vorblick<br />

Wollten wir doch dieses Wissen entfalten, daB uns das unbekannte<br />

Aufgegebene den Willen in der Einsamkeit laBt und<br />

so das Bestehen des Da-seins <strong>zur</strong> hochsten Verhaltenheit gegen<br />

das Sichverbergende zwingt.<br />

Die Nahe zum letzten Gott ist die Verschweigung. Diese muB<br />

im StH der Verhaltenheit ins Werk und Wort gesetzt werden.<br />

In der Nahe des Gottes sein - und sei diese Niihe die fernste<br />

Ferne der Unentscheidbarkeit iiber die Flucht oder die Ankunft<br />

der Gotter-, das kann nicht auf ein »Gliick«oderein»Ungliick«<br />

verrechnet werden. Das Bestandnis des Seyns se1bst tragt sein<br />

MaB in sich, wenn es iiberhaupt noch eines MaBes bedarf.<br />

Aber wem unter uns Heutigen ist dies Bestiindnis beschieden?<br />

Kaum daB uns die Bereitschaft zu seiner Notwendigkeit<br />

gliickt oder auch nur der Hinweis auf diese Bereitschaft als den<br />

Beginn einer anderen Bahn der Geschichte.<br />

Die Riickfiille in die festgefahrenen Denkweisen und Anspriiche<br />

der Metaphysik werden noch langehin storen und die<br />

Klarheit des vVeges und die Bestimmtheit des Sagens verhindemo<br />

Dennoch muB der geschichtliche Augenblick des Dberganges<br />

vollzogen werden aus dem Wissen, daB aIle Metaphysik<br />

(gegriindet auf die Leitfrage: was ist das Seiende?) auBerstande<br />

blieb, den Menschen in die Grundbeziige <strong>zur</strong>n Seienden zu<br />

riicken. Wie solI sie das auch vermogen? Schon der Wille dazu<br />

findet kein Gehor, solange nicht die Wahrheit des Seyns und<br />

seine Einzigkeit <strong>zur</strong> Not geworden ist. Wie solI aber dem Denken<br />

gliicken, was ZUvor dem Dichter (Holderlin) versagt blieb?<br />

Oder miissen wir dessen Bahn und Werk in der Richtung auf<br />

die Wahrheit des Seyns nur der Verschiittung entreiBen? Sind<br />

wir dazu geriistet?<br />

Die Wahrheit des Seyns wird nur <strong>zur</strong> Not durch die Fragenden.<br />

Sie sind die eigentlich Glauhenden, weil sie sich _ eroffnend<br />

das Wesen der Wahrheit - auf den Grund zu halten (vgl.<br />

'Die Griindung, 237. Der Glaube und die Wahrheit).<br />

Die Fragenden - einsam und ohne die Hilfsmittel einer Beauberung<br />

- setzen den neuen und hochsten Rang der Instan­<br />

5. Fur die Wenigen - Fur die Seltenen<br />

digkeit in der Mitte des Seyns, in der Wesung des Seyns (das<br />

<strong>Ereignis</strong>) als der Mittc.<br />

Die Fragenden haben aIle Neugier abgelegt; ihr Suchen liebt<br />

den Abgrund, in dem sie den iiltesten Grund wissen.<br />

SolI noch einmal uns eine Geschichte beschieden sein, die<br />

schaffende Ausgesetztheit in das Seiende aus der Zugehorigkeit<br />

zum Sein, dann ist unabwendbar die Bestimmung: Den Zeit­<br />

-Raum der letzten Entscheidung - ob und wie wir diese Zugehorigkeit<br />

erfahren und griinden - vorzubereiten. Darin liegt:<br />

denkerisch das Wissen vom <strong>Ereignis</strong> zu griinden, durch die<br />

Griindung des Wesens der Wahrheit als Da-sein.<br />

Wie immer die Entscheidung iiber Geschichtlichkeit und Geschichtslosigkeit<br />

fallen mag, die Fragenden, die denkerisch<br />

jene Entscheidung vorbereiten, miissen sein; jeder trage die<br />

Einsamkeit in seine groBte Stunde.<br />

Welches Sagen leistet die hochste denkerische Erschweigung?<br />

Welches Vorgehen erwirkt am ehesten die Besinnung auf das<br />

Seyn? Das Sagen von der Wahrheit; denn sie ist das Zwischen<br />

fiir die Wesung des Seyns und die Seiendheit des Seienden.<br />

Dieses Zwischen griindet die Seiendheit des Seienden in das<br />

Seyn.<br />

Das Seyn aber ist nicht ein »Friiheres« - fiir sich, an sich<br />

bestehend -, sondem das <strong>Ereignis</strong> ist die zeitriiumliche Gleichzeitigkeit<br />

fUr das Seyn und das Seiende (vgl. Das Zuspiel, 112.<br />

Das »Apriori«).<br />

In der <strong>Philosophie</strong> lassen sich niemals Siitze anbeweisen; und<br />

dies nicht nur deshalb nicht, weil es keine hochsten Siitze gibt,<br />

aus denen andere abgeleitet werden konnten, sondern weil hier<br />

iiberhaupt nicht »Satze« das Wahre sind und auch nicht einfach<br />

Jenes, woriiber sie aussagen. Alles »Beweisen« setzt voraus, daB<br />

der Verstehende so, wie er vorstellend vor den Satzgehalt<br />

kommt, unverandert derselbe bleibt im NachvolIzug des beweisenden<br />

Vorstellungszusammenhangs. Und erst das »Ergebnis«<br />

des Beweisganges kann eine geiinderte Vorstellungsweise oder<br />

eher das Vorstellen von bisher nicht Beachtetem verlangen.<br />

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