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Ralph Tegtmeier

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eigentlichen Kern der Sache. Wenn wir näm lich einmal annehmen,<br />

daß die Wettervorhersagen des Eingeborenen in etwa ebenso<br />

zutreffend sind wie die seines technikliebenden<br />

meteorologischen Kollegen im Fernsehen, so spielt es im Prinzip<br />

für die Praxis keine Rolle, auf welchem Wege beide zur gleichen<br />

Aussage gelangen. Daß die auf der Auswertung von<br />

Satellitenfotos beruhende Wettervorhersage der Intuition des<br />

Eingeborenen überlegen sei, ist ein ungerechtfertigter Einwand.<br />

Denn kein eingeborener Schamane wird eine Vorhersage für einen<br />

solch großen geographischen Raum machen, wie es der<br />

überregional arbeitende Fernsehmeteorologe tut. Es bliebe noch<br />

zu untersuchen, ob die regionale Vorhersage des Meteorologen<br />

der des Schamanen tatsächlich überlegen ist.<br />

Entscheidend an diesem Beispiel ist aber nicht die Deb atte, ob<br />

es mit oder ohne Technik besser geht, sondern vielmehr das<br />

Prinzip der Bezugsebene: Die weinende Regengöttin des Schamanen<br />

ist eine »mythische Wahrheit«, sie »fühlt« sich für ihn richtig<br />

an, sein Unbewußtes akzeptiert diese Erklärung, ja es hat si e<br />

wahrscheinlich überhaupt erst hervorgebracht und vorformuliert.<br />

Denn es entspricht in der Regel dem symbollogischen Denken des<br />

Unbewußten, eher in Bildern zu denken als in Barometerwerten.<br />

Damit soll eine kühne Behauptung aufgestellt werden: Der<br />

Meteorologe mag zwar mit seiner naturwissenschaftlichen<br />

Erklärung der »objektiven«, also materiellen Wahrheit<br />

näherkommen als der Schamane, doch wird dieser dafür<br />

wahrscheinlich seinem Unbewußten gerechter, weil er eine<br />

Sprache spricht, die es versteht und durch d ie es nicht in<br />

einen Erklärungskonflikt mit seiner Umwelt gebracht wird. Mit<br />

anderen Worten: seine Erklärung ist gesünder]<br />

Wenn man sich mit einer derartigen Problematik befaßt, läuft<br />

man leicht Gefahr, zu stark zu vereinfachen oder gar endlose<br />

Debatten vom Zaun zu brechen, die nicht wirklich zum Thema<br />

gehören. Auch Mißverständnisse können auf diese Weise<br />

entstehen, und einem möglichen Mißverständnis dieser Art wollen<br />

wir hier gleich vorbeugen: Es geht uns nicht darum, einmal mehr<br />

den uralten Mythos vom »edlen Wilden« und vom »unedlen<br />

Zivilisationsmenschen« breitzutreten, denn damit wäre beiden<br />

Seiten nicht gedient. Eine solche Schwarzweißmalerei führt in<br />

die Irre, weil sie vom Wesentlichen ablenkt. Es ist ja auch<br />

nicht so, als sei der mythisch denkende Natu rmensch absolut<br />

frei von Krankheiten, Streß und Neurosen, oder als wäre der<br />

technisierte Mensch des 20. Jahrhunderts nur ein reines<br />

Nervenbündel. Wenn wir hier dennoch solche Beispiele bringen,<br />

so vor allem deshalb, weil sich das analoge, mythische Denken<br />

nicht auf rational - lineare Weise veranschaulichen läßt. Denn<br />

das gegenteilige Extrem besteht darin, das nicht wirklich<br />

Intellektualisierbare zu verkopfen und damit einmal mehr die<br />

Wahrheitsebenen zu verwechseln.<br />

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß d ie Stärke der<br />

Analogien gerade in ihrer Unscharfe liegt. Nehmen wir wieder<br />

ein Beispiel, um dies zu verdeutlichen. Diesmal begeben wir uns<br />

in den Bereich der Zukunftsvorhersage: Je unpräziser eine

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