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eigentlichen Kern der Sache. Wenn wir näm lich einmal annehmen,<br />
daß die Wettervorhersagen des Eingeborenen in etwa ebenso<br />
zutreffend sind wie die seines technikliebenden<br />
meteorologischen Kollegen im Fernsehen, so spielt es im Prinzip<br />
für die Praxis keine Rolle, auf welchem Wege beide zur gleichen<br />
Aussage gelangen. Daß die auf der Auswertung von<br />
Satellitenfotos beruhende Wettervorhersage der Intuition des<br />
Eingeborenen überlegen sei, ist ein ungerechtfertigter Einwand.<br />
Denn kein eingeborener Schamane wird eine Vorhersage für einen<br />
solch großen geographischen Raum machen, wie es der<br />
überregional arbeitende Fernsehmeteorologe tut. Es bliebe noch<br />
zu untersuchen, ob die regionale Vorhersage des Meteorologen<br />
der des Schamanen tatsächlich überlegen ist.<br />
Entscheidend an diesem Beispiel ist aber nicht die Deb atte, ob<br />
es mit oder ohne Technik besser geht, sondern vielmehr das<br />
Prinzip der Bezugsebene: Die weinende Regengöttin des Schamanen<br />
ist eine »mythische Wahrheit«, sie »fühlt« sich für ihn richtig<br />
an, sein Unbewußtes akzeptiert diese Erklärung, ja es hat si e<br />
wahrscheinlich überhaupt erst hervorgebracht und vorformuliert.<br />
Denn es entspricht in der Regel dem symbollogischen Denken des<br />
Unbewußten, eher in Bildern zu denken als in Barometerwerten.<br />
Damit soll eine kühne Behauptung aufgestellt werden: Der<br />
Meteorologe mag zwar mit seiner naturwissenschaftlichen<br />
Erklärung der »objektiven«, also materiellen Wahrheit<br />
näherkommen als der Schamane, doch wird dieser dafür<br />
wahrscheinlich seinem Unbewußten gerechter, weil er eine<br />
Sprache spricht, die es versteht und durch d ie es nicht in<br />
einen Erklärungskonflikt mit seiner Umwelt gebracht wird. Mit<br />
anderen Worten: seine Erklärung ist gesünder]<br />
Wenn man sich mit einer derartigen Problematik befaßt, läuft<br />
man leicht Gefahr, zu stark zu vereinfachen oder gar endlose<br />
Debatten vom Zaun zu brechen, die nicht wirklich zum Thema<br />
gehören. Auch Mißverständnisse können auf diese Weise<br />
entstehen, und einem möglichen Mißverständnis dieser Art wollen<br />
wir hier gleich vorbeugen: Es geht uns nicht darum, einmal mehr<br />
den uralten Mythos vom »edlen Wilden« und vom »unedlen<br />
Zivilisationsmenschen« breitzutreten, denn damit wäre beiden<br />
Seiten nicht gedient. Eine solche Schwarzweißmalerei führt in<br />
die Irre, weil sie vom Wesentlichen ablenkt. Es ist ja auch<br />
nicht so, als sei der mythisch denkende Natu rmensch absolut<br />
frei von Krankheiten, Streß und Neurosen, oder als wäre der<br />
technisierte Mensch des 20. Jahrhunderts nur ein reines<br />
Nervenbündel. Wenn wir hier dennoch solche Beispiele bringen,<br />
so vor allem deshalb, weil sich das analoge, mythische Denken<br />
nicht auf rational - lineare Weise veranschaulichen läßt. Denn<br />
das gegenteilige Extrem besteht darin, das nicht wirklich<br />
Intellektualisierbare zu verkopfen und damit einmal mehr die<br />
Wahrheitsebenen zu verwechseln.<br />
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß d ie Stärke der<br />
Analogien gerade in ihrer Unscharfe liegt. Nehmen wir wieder<br />
ein Beispiel, um dies zu verdeutlichen. Diesmal begeben wir uns<br />
in den Bereich der Zukunftsvorhersage: Je unpräziser eine