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Ralph Tegtmeier

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Augenblicken größter Gefahr vollbringen kann. Wäre der Verstand<br />

(den wir ja leider meistens mit dem Bewußtsein verwechseln)<br />

hier weiterhin in Kraft geblieben, er hätte nur die<br />

»Unmöglichkeit« der Situation analysiert und dem Organismus den<br />

Zwang zur Resignation signalisiert.<br />

Beide Beispiele sind natürlich stark überspitzt, weil sie ja<br />

auch nur der Veranschaulichung dienen. Im Falle des Feueralarms<br />

wird ein kühler Verstand oft mehr wert sein al s ein rein<br />

instinktives Verhalten - sofern die Gefahr nicht schon zu nahe<br />

herangerückt ist. Freilich übertragen wir unserem Verstand die<br />

Aufgabe, festzustellen, ob es sich dabei nicht vielleicht bloß<br />

um einen blinden Alarm oder gar um einen schlimmen Schab ernack<br />

handelt. Doch kann sich der Verstand dessen nie sicher sein,<br />

selbst dann nicht, wenn er keinerlei Flammen oder<br />

Rauchentwicklung konstatiert - denn schließlich könnte das<br />

Feuer ja auch im Verborgenen glimmen oder draußen im Foyer und<br />

so weiter. Vorzuziehen wäre sicherlich eine Instinktsicherheit,<br />

die im Falle eines blinden Alarms die Panik verhindert, indem<br />

sie dem einzelnen die Gewißheit gibt, daß es keinen Grund gibt,<br />

sich der Gefahr einer Massenflucht durchs Nadelöhr der<br />

Kinoausgänge auszusetzen. Doch über eine solche<br />

Instinktsicherheit verfügen selbst wilde Tiere nicht immer, um<br />

wieviel weniger kann man sie also vom hochzivilisierten<br />

Menschen der Gegenwart erwarten, der sich ohnehin den größten<br />

Teil des Tages auf die Entscheidungen seines Verstands stützt<br />

und sein Unbewußtes systematisch verkümmern läßt.<br />

Andererseits ist auf unser Unbewußtes auch nicht immer Verlaß:<br />

Nicht jede Mutter wird ihr Kind auf die oben geschilderte Weise<br />

retten, und trotz aller übermenschlichen Leistungen und<br />

Gefahrenmeisterungen kommen in Kriegen immer wieder zigtausende<br />

oder gar Millionen von Menschen um. Es ist die<br />

Unberechenbarkeit des Unbewußten und seiner verborgenen Kräfte,<br />

die zur Vorherrschaft der Vernunft geführt hat. Der analytische<br />

Verstand will Klarheit - und Sicherheit, er hat<br />

Schwierigkeiten, mit der Unscharfe des Symbolkosmos zu leben,<br />

den das Unbewußte ihm als einziges anzubieten hat. Denn Symbole<br />

sind fast immer mehrdeutig, sie lassen sich weder auf eine<br />

alleinige Aussage festlegen noch gar wiegen und messen. Ihre<br />

Stärke liegt vielmehr gerade in ihrer erwähnten Unscharfe, wie<br />

wir noch sehen werden.<br />

Die Sache hat aber noch einen weiteren, vielleicht sogar viel<br />

fataleren Aspekt: Denn wenn wir uns nicht um die »Pflege«<br />

unseres Unbewußten kümmern, wird sich dies o ft in der Form<br />

bitter rächen, daß Störungen in seinem »Symbolhaushalt« (und<br />

daß Symbolen eigene Kräfte eignen, und seien diese vielleicht<br />

auch nur psychischer Natur, ist eine seelische Urerfahrung, auf<br />

der unter anderem sämtliche Religionen, Ideologien und<br />

praktische Seinslehren fußen) nicht direkt als solche erkannt<br />

werden; das aber löst wiederum solange Störungen im Seelenleben<br />

wie im Organismus aus, bis das Bewußtsein nicht mehr umhin<br />

kann, sich nun bewußt damit auseinanderzusetzen. Leider ist es<br />

dann aber oft schon zu spät: Die Ursachen lassen sich

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