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Freuds Begriff nahegelegt wird. Ja wenn man es genau nimmt und<br />
der Tatsache Rechnung trägt, daß der Anteil des Unbewußten an<br />
die 90% der Gesamtpsyche ausmacht, e s also schon kraft Masse<br />
die eigentliche »Vorherrschaft« hat, müßte man sonst nämlich<br />
pikanterweise gerade das Bewußtsein als das wirkliche<br />
Unterbewußte definieren!<br />
Betrachten wir das Modell »Unbewußtes/Bewußtsein« einmal von<br />
der praktischen Seite. Der Mensch erfährt sich in der Regel vor<br />
allem als bewußtes Wesen, weshalb er auch immer wieder dazu<br />
neigt, das Bewußtsein zu überschätzen oder es gar für<br />
alleinseligmachend zu halten. Aus einer solchen Einstellung,<br />
und wir alle haben sie in mehr oder weniger aus geprägtem Maße,<br />
spricht sowohl Arroganz als auch Angst: Arroganz, indem wir<br />
meinen, die Welt enthalte ausschließlich das, was wir als<br />
existent wahrnehmen und begreifen; Angst, weil wir uns vor dem<br />
fürchten, was an Unbekanntem, eben Nicht - Bewußtem im<br />
Unbewußten ruht oder - je nach Einstellung - lauert. Die<br />
Arroganz ist zwar sehr menschlich und verständlich, stellt aber<br />
eine dauernde Gefahr dar, weil sie auf dem Irrtum beruht,<br />
unsere Entscheidungen seien stets bewußter und rationaler Art.<br />
Die Angst dagegen ist durchaus berechtig, sofern wir weiterhin<br />
auf eine derart unreflektierte, ja törichte Weise mit den<br />
Kräften unseres Unbewußten umgehen. Ein Beispiel soll dies<br />
erläutern.<br />
Wenn wir einen vollen Kinosaal betrachten, in dem plötzlich<br />
jemand »Feuer!« ruft, werden wir schnell eines Besseren<br />
belehrt, wenn wir wirklich geglaubt haben sollten, daß wir rein<br />
rationale, bewußt handelnde Wesen seien. Plötzlich wird selbst<br />
der vernunftbetonteste Mensch zur wilden Bestie und versucht<br />
auf Gedeih und Verderb, den Ausgang zu erreichen - mit<br />
Ellenbogen und Fußtritten, wenn es sein muß, und ohne sich viel<br />
darum zu scheren, wer von seinen Nachbarn daran glauben muß.<br />
Dabei ist es keineswegs böse Absicht, wenn einige Menschen von<br />
anderen zu Tode getrampelt werden. Wir haben es mit einem fast<br />
völlig unbewußten Akt zu tun, bei dem der biologische<br />
Überlebensinstinkt und der Revierfluchttrieb vorübergehend die<br />
Oberhand gewinnen. Kommt hinzu eine ebenso unbewußte,<br />
instinktive Furcht vor dem Feuer, wie sie praktisch allen<br />
Säugetieren zueigen ist - und schon bleibt vom »bewußten Wesen«<br />
Mensch nicht mehr sehr viel übrig. Er gebärdet sich als reines<br />
Herdentier und wird von Panik und Hysterie beherrscht. Um der<br />
einen Gefahr auszuweichen, begibt er sich möglicherweise in<br />
eine viel größere.<br />
Dieses Beispiel ist nicht nur ein Hinweis darauf, wie mächtig<br />
unser Unbewußtes eingreifen und alles beherrschen kann, wenn es<br />
dies für erforderlich hält (hier: bei Lebensgefahr). Im Alltag<br />
ist es oft ebenso beherrschend, nur zeigt sich dies meist<br />
weniger offensichtlich. Wenn wir freilich einmal darauf achten,<br />
wie wenig rational unsere Abneigungen gegen bestimmte Dinge<br />
oder Menschen (ebenso natürlich unsere Vorlieben) oft sind, wie<br />
häufig wir rein nach Gefühl handeln (das Gefühl gilt uns ja<br />
meist als eine Art »verlängerter Arm« des Unbewußten), nicht