Skript Allgemeine Anästhesiologie
Skript Allgemeine Anästhesiologie
Skript Allgemeine Anästhesiologie
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Skript</strong> <strong>Allgemeine</strong> <strong>Anästhesiologie</strong><br />
1. Definitionen 3<br />
2. Vorbereitungen auf eine Allgemeinanästhesie 4<br />
2.1. Präoperative Untersuchungen 4<br />
2.2. Futterkarenz 5<br />
2.3. Intravenöser Verweilkatheter 6<br />
2.4. Prämedikation 6<br />
2.4.1. Sedativa 6<br />
a) Ataraktika 6<br />
b) Neuroleptika 8<br />
c) a2-Agonisten 7<br />
d) andere sedativ wirksame Stoffe 8<br />
2.4.2. Anticholinergika (Parasympatholytika) 8<br />
a) Wirkungen und Nebenwirkungen 8<br />
b) Anwendung 8<br />
c) Atropin-Glycopyrrolat: Unterschiede 9<br />
2.4.3. Analgetika 10<br />
a) Analgetika vom Typ des Morphins: Opiate, Opioide 10<br />
b) nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAID) 12<br />
3. Allgemeinanästhesie 14<br />
3.1. Injektionsanästhetika 14<br />
3.1.1. Barbiturate 14<br />
3.1.2. Ketamin 15<br />
3.1.3. Propofol 15<br />
3.1.4. Etomidat 16<br />
3.1.5. Althesin 16<br />
3.2. Totale intravenöse Allgemeinanästhesie 16<br />
3.3. Muskelrelaxantien 16<br />
3.3.1. periphere Muskelrelaxantien 16<br />
a) nicht depolarisierende 16<br />
b) depolarisierende 17<br />
3.3.2. zentrale Muskelrelaxantien 17<br />
3.3.3. Anwendungsmöglichkeiten für Muskelrelaxantien 18<br />
a) periphere Muskelrelaxantien 18<br />
b) zentrale Muskelrelaxantien 19<br />
3.4. Inhalationsanästhesie 19<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
1
3.4.1. Inhalationsanästhesiesysteme 19<br />
a) offenes System 19<br />
b) halboffenes System 19<br />
c) halbgeschlossenes System 21<br />
d) geschlossenes System 22<br />
3.4.2. Anwendung von Maske versus Tubus 23<br />
a) Maske 23<br />
b) Tubus 23<br />
3.4.3. Ablauf einer Inhalationsanästhesie 23<br />
a) Einleitungsphase 23<br />
b) Verteilungsgleichgewicht 24<br />
c) Aufwachphase 24<br />
3.4.4. Eigenschaften der Inhalationsanästhetika 24<br />
a) Blut/Gasverteilungskoeffizient 25<br />
b) Öl/Gas bzw. Öl/Blutverteilungskoeffizient 25<br />
c) minimale alveoläre Konzentration 25<br />
d) Vergleich von Isofluran, Halothan und Methoxyfluran 26<br />
e) Eigenschaften von Lachgas 26<br />
3.4.5. Anästhesiestadien nach Güdel 27<br />
3.4.6. Atmung während der Anästhesie 29<br />
a) Spontanatmung 29<br />
b) künstliche Beatmung 29<br />
3.4.7. „Balancierte“ Anästhesie 30<br />
3.5. Möglichkeiten zur Überwachung einer Allgemeinanästhesie 31<br />
3.5.1. Atemsystem 32<br />
a) Beobachtung ohne Monitor 32<br />
b) Monitoren 33<br />
3.5.2. Herz-Kreislaufsystem 33<br />
a) Beobachtung ohne Monitor 33<br />
b) Monitor 34<br />
3.5.3. Andere Körpersysteme 35<br />
3.6. Postoperative Überwachung 35<br />
4. Lokalanästhesie 37<br />
4.1. Chemischer Aufbau 37<br />
4.2. Wirkungsmechanismus 37<br />
4.3. Zusatzstoffe 38<br />
4.4. Toxizität 38<br />
4.5. Arten von Lokalanästhesien 38<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
2
1. Definitionen<br />
<strong>Allgemeine</strong> <strong>Anästhesiologie</strong><br />
Anästhesie:<br />
Allgemeinanästhesie:<br />
Neuroleptanalgesie:<br />
Anästhetikum (klassisch):<br />
Anästhetikum (nicht klassisch):<br />
Sedativum:<br />
Hypnotikum:<br />
Neuroleptikum:<br />
Ataraktikum:<br />
Analgetikum:<br />
Unempfindlichkeit<br />
Reversible Auslöschung von Bewusstsein, Schmerz und<br />
Angst mit Pharmaka. Narkose ist die alte Bezeichnung für<br />
Allgemeinanästhesie und sollte nicht mehr verwendet<br />
werden.<br />
Kombination von einem Neuroleptikum und einem Analgetikum,<br />
dadurch Anästhesie-ähnlicher Zustand mit gewisser<br />
Analgesie (z.B. Acepromazin und Morphium).<br />
Medikament, das zu den 4 klassischen Eigenschaften einer<br />
Allgemeinanästhesie führt: Analgesie, Schlaf, Muskelrelaxation<br />
und verminderte Reflexe, z.B. Barbiturat.<br />
Anästhetikum, das nicht unbedingt alle 4 klassischen<br />
Allgemeinanästhesieeigenschaften herbeiführt, z.B. Ketamin.<br />
”Beruhigungsmittel”, Dämpfung sensorischer, vegetativer<br />
und motorischer Zentren. Hohe Dosen führen zu Schlaf<br />
(d.h. sie wirken hypnotisch), nicht aber zu Anästhesie.<br />
Schlafmittel, in höheren Dosen ev. auch zu Bewusstseinsverlust<br />
führend (z. B. Barbiturate).<br />
Medikament, das antipsychotisch und zentral dämpfend<br />
wirkt, ohne das Bewusstsein auszuschalten (z.B. Acepromazin).<br />
Medikament mit anxiolytischer und psychisch dämpfender<br />
Wirkung (z.B. Benzodiazepin)<br />
Schmerzmittel.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
3
2. Vorbereitung auf eine Allgemeinanästhesie:<br />
Vor jedem operativen Eingriff muss überlegt werden, welche Anästhesieform gewählt<br />
werden soll. Die Anästhesiemethode muss dem Tier, der Art des Eingriffes und der Länge<br />
des Eingriffes angepasst werden. Um bei einem Pferd eine Hautwunde zu vernähen, wird<br />
man eine Sedation mit zusätzlicher Lokalanästhesie wählen. Bei einer Katze hingegen<br />
dürften sich die meisten Tierärzte für eine kurze Injektionsallgemeinanästhesie mit zum<br />
Beispiel Acepromazin und Ketamin entscheiden. Einige allgemeine Überlegungen und<br />
Probleme sind aber für alle Tierarten ähnlich bzw. identisch. Diese werden im folgenden<br />
<strong>Skript</strong>um beschrieben.<br />
2. 1. Präoperative Untersuchungen:<br />
Grundsätzlich sollte vor jeder Anästhesie der Patient seinem Zustand entsprechend<br />
untersucht werden. Werden bestehende Probleme erkannt, so kann die Anästhesiemethode<br />
angepasst werden. Dadurch lassen sich viele Komplikationen vermeiden. Es ist einfacher<br />
und sicherer, sich genügend Zeit für präoperative Abklärungen zu lassen, als intraoperativ<br />
plötzlich überrascht zu werden. Das im Folgenden vorgeschlagene Protokoll erhebt keinen<br />
Anspruch auf Vollständigkeit. Es muss jedem Tier individuell angepasst werden.<br />
1. gesunde Tiere für Routineeingriffe:<br />
- Anamnese<br />
- klin. Untersuch: T (=Temperatur), AF (=Atemfrequenz), HF (=Herzfrequenz), SH<br />
(Schleimhautfarbe), KFZ (=kapilläre Füllungszeit), Puls, Herzauskultation, Thoraxauskultation.<br />
2. gesunde alte Tiere (d.h. Hunde > 8 Jahre, Katzen > 10 Jahre):<br />
- wie gesunde Tiere<br />
- zusätzlich: Hkt (=Hämatokrit), PP (=Plasmaprotein), Harnstoff, Kreatinin, Leberenzyme,<br />
Na + , K + , Ca 2+<br />
3. alle übrigen (z.B. Unfalltiere, Tiere mit vermindertem AZ):<br />
- wie gesunde alte Tiere<br />
- zusätzlich: je nach Grunderkrankung: Thoraxröntgen, EKG, Abdomenröntgen etc.<br />
Abnorme Befunde müssen bei allen Patienten genau abgeklärt und ihre Bedeutung für eine<br />
allfällige Anästhesie abgewogen werden. Besitzer müssen immer über erhöhte<br />
Anästhesierisiken aufgeklärt werden. Es ist gut möglich, dass sie lieber auf die Kastration<br />
ihres Hundes verzichten, als die Gefahr in Kauf zu nehmen, ihn zu verlieren.<br />
Anhand der Untersuchungsresultate wird der Patient in eine von 5 Gruppen (ASA-<br />
Kategorien, American Society of Anaesthesiologists) eingeteilt. Anhand dieser Einteilung ist<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
4
es einfacher zu verstehen, bei welchen Patienten das Anästhesierisiko höher ist und deren<br />
Anästhesie darum erhöhte Aufmerksamkeit verlangt.<br />
ASA Beschreibung<br />
Beispiel<br />
Kategorie<br />
I Gesunder junger Patient Gesunder Patient für Kastration<br />
II Milde systemische Erkrankung Hauttumor; Fraktur nicht im Schock;<br />
kompensierte Herzerkrankung; sehr alte<br />
Tiere, Neonaten<br />
III Schwere systemische Erkrankung Fieber, Dehydratation, Anämie<br />
IV Schwere systemische Erkrankung, Unkompensierte Herzinsuffizienz,<br />
jederzeit lebensbedrohlich<br />
Toxämie, Urämie<br />
V<br />
Moribunder Patient, stirbt innerhalb Schock, multiples Organversagen,<br />
der nächsten 24h mit oder ohne schweres Trauma<br />
Operation<br />
Eine systemische Erkrankung kann, muss aber nicht die Krankheit sein, wegen der der<br />
Patient operiert wird. Notfalloperationen werden in der Regel als ASA VI oder V eingestuft,<br />
und zusätzlich wird noch ein ‚N’ hinzugefügt (z.B. ASA IV N). Erfasst werden mit diesem<br />
System aber nur Patientendaten. Andere Faktoren, die ebenfalls das Anästhesierisiko<br />
beeinflussen, wie die Art der Operation oder die Erfahrung von Anästhesist und Chirurg<br />
werden hierbei nicht erfasst.<br />
2. 2. Futterkarenz<br />
Vor einer Allgemeinanästhesie soll grundsätzlich jedes Tier gefastet werden. Dafür gibt es<br />
folgende Gründe:<br />
- ein voller Magen behindert beim Tier in Allgemeinanästhesie die Atemtätigkeit.<br />
Beim auf dem Rücken liegenden Tier wird zusätzlich der venöse Rückfluss<br />
zum Herzen behindert.<br />
- Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tier bei der Einleitung oder in der Aufwachphase<br />
erbricht und aspiriert ist reduziert.<br />
- Die Gefahr von Reflux und Aspiration beim Wdk. und Pfd. ist geringer.<br />
- Fehlgärungen und Tympanien (v.a. beim Wdk.) sind seltener.<br />
Tiere, welche nicht gefastet werden können (d.h. solche, die notfallmässig operiert werden),<br />
sollten unbedingt nach der Einleitung schnell intubiert werden. Der Einsatz von Lachgas ist<br />
bei solchen Patienten kontraindiziert.<br />
Neugeborene- und Jungtiere dürfen nicht oder nur sehr kurz gefastet werden, weil sie<br />
ansonsten lebensbedrohlich hypoglykämisch werden können.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
5
2. 3. Intravenöser Verweilkatheter<br />
Ist bei einem Tier eine Allgemeinanästhesie geplant, so sollte ein intravenöser<br />
Verweilkatheter gelegt werden. Hunde können zuvor sediert, Katzen mit ein wenig Ketamin<br />
kombiniert mit einem Sedativum immobilisiert werden. Bei Pferden und Wiederkäuern ist<br />
eine Lokalanästhesie der Einstichstelle hilfreich. Die Vorteile eines intravenösen<br />
Verweilkatheters sind die folgenden:<br />
- Auf diese Weise ist im Falle von Anästhesieproblemen ein venöser Zugang<br />
vorhanden und lebensrettende Massnahmen können schnell ergriffen werden.<br />
- Während der Operation wird das Tier infundiert. Auf diese Weise kann der Blutdruck<br />
bis zu einem gewissen Grad reguliert werden.<br />
- Die Gefahr paravenöser Injektion wird minimiert. Bei paravenöser Injektion reizender<br />
Medikamente, wie z.B. Barbituraten, können grossflächige Nekrosen auftreten.<br />
- Das Tier muss nur einmal gestochen werden. D.h., es kann sich nach dem Stecken<br />
des Katheters ein wenig beruhigen und wird sich bei der Einleitung der Anästhesie<br />
nicht mehr aufregen. Pferde, die mehrere Male hintereinander intravenös gespritzt<br />
werden, können panikartig auf Tierärzte oder Berührungen in der Halsgegend<br />
reagieren.<br />
- Die Gefahr intraarterieller Injektion wird gebannt. Die versehentliche intraarterielle<br />
Injektion von Sedativa oder Anästhetika (z.B. wenn ein Pfd. während dem Spritzen<br />
steigt), führt oft zum Tod des Patienten.<br />
2. 4. Prämedikation<br />
Unter Prämedikation versteht man jegliche präoperative Verabreichung von Arzneimitteln.<br />
Zu den drei Kategorien der am häufigsten verwendeten Medikamente gehören die Sedativa<br />
(Neuroleptika, Ataraktika, a2-Agonisten), die Analgetika und die Anticholinergika.<br />
2. 4. 1. Sedativa (Ataraktika, Neuroleptika, a2-Agonisten)<br />
Sedativa werden präoperativ aus folgenden Gründen verabreicht:<br />
-Beruhigung des Tieres und damit sanftere Einleitung und Aufwachphase<br />
-Reduktion des Verbrauchs an Anästhetika<br />
-Muskelrelaxation<br />
-Einschränken der Spontanaktivität für z.B. Untersuchung des Auges<br />
a) Ataraktika: Einzige in der Veterinärmedizin verwendete Ataraktika sind die Benzodiazepine.<br />
Sie sind von allen Sedativa die nebenwirkungsärmsten. Ab-<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
6
hängig von Spezies, Alter und vor allem Allgemeinzustand des Tieres<br />
wirken sie sehr unterschiedlich. Grundsätzliche Wirkungen sind die folgenden:<br />
- muskelrelaxierend, antikonvulsiv<br />
- praktische keine kardiovaskuläre Dämpfung<br />
- Atmung leicht gedämpft ev Verstärkung der Atemdämpfung von Anästhetika<br />
- Sedation bei Neonaten, alten und geschädigten Tieren, kaum sedierend<br />
bei gesunden Tieren<br />
- Antagonist verfügbar<br />
Ihre Spezies spezifischen Wirkungen und Nebenwirkungen sowie die<br />
sinnvolle Verwendung sind im <strong>Skript</strong>um Spezielle Anästhesie genau beschrieben.<br />
b) Neuroleptika: Neuroleptika sind in der Veterinärmedizin sehr beliebt. Phenothiazine<br />
(z.B. Azepromazin, Propionylpromazin) und Butyrophenonderivate (z.<br />
B. Droperidol, Azaperon) sind die hauptsächlich verwendeten Stoffgruppen.<br />
Grundsätzliche Wirkungen sind die folgenden:<br />
- sedativ/hypnotisch, beruhigte Tiere können aber durch äussere Stimuli<br />
aufgeweckt werden<br />
- durch alpha-Adrenolyse periphere Vasodilatation und Blutdruckabfall<br />
- schützen Herz vor arrhythmogener Wirkung anderer Medikamente<br />
- keine Beeinträchtigung der Atmung<br />
- kein Antagonist verfügbar<br />
- Hämatokritabfall durch Sequestration der Erythrozyten in der Milz<br />
- erhöhte Blutungsneigung<br />
- senkt Reizschwelle für Krampfanfälle<br />
- Ausfall der Thermoregulation<br />
- antiemetisch<br />
- nicht analgetisch, potenzieren aber die Wirkung von Analgetika<br />
- Adrenalinumkehr<br />
Ihre Speziesspezifischen Wirkungen und Nebenwirkungen sowie die<br />
sinnvolle Verwendung sind im <strong>Skript</strong>um Spezielle Anästhesie genau beschrieben.<br />
c) alpha2-Agonisten:<br />
Je nach Autor werden die alpha2-Agonisten nicht zu den Sedativa sondern zu den<br />
Analgetika, Muskelrelaxantien oder Hypotensiva gezählt. Wir führen sie unter den<br />
Sedativa auf, weil sie meist als Beruhigungsmittel eingesetzt werden und nur sehr selten<br />
der analgetischen Wirkungskomponente wegen. Xylazin, Detomidin, Romifidin und<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
7
Medetomidin sind die gebräuchlichen Stoffe dieser Klasse. Wichtigste Wirkungen sind:<br />
- Beruhigung<br />
- initial nach IV Applikation kurzer Blutdruckanstieg (durch periphere Vasokonstriktion)<br />
gefolgt von längerem Blutdruckabfall<br />
- Bradykardie, Bradyarrhythmie<br />
- sehr gute viszerale Analgesie, gewisse somatische Analgesie<br />
- geringe Dämpfung der Atmung<br />
- Thermoregulation gedämpft<br />
- Magen-Darm-Motilität gedämpft<br />
- Muskelrelaxation<br />
- Antagonisten verfügbar<br />
Die Länge und Ausprägung dieser Wirkungen sind Präparat- und v.a.<br />
stark speziesabhängig. Siehe Spezielle Anästhesie.<br />
d) andere sedativ wirksame Stoffe:<br />
Injektionsanästhetika, wie z.B. die Barbiturate bewirken dosisabhängig<br />
Sedation, Hypnose und erst in höheren Dosierungen Bewusstseinsverlust,<br />
bzw. bei Überdosierung Asphyxie und Tod.<br />
2. 4. 2. Anticholinergika (Parasympatholytika): Atropin, Glykopyrrolat<br />
Anticholinergika sind kompetitive Antagonisten des Acetylcholin, indem sie cholinerge<br />
Rezeptoren an der postsynaptischen Membran blockieren. Es werden nur<br />
Azetylcholinwirkungen an der glatten Muskulatur und den Drüsenzellen (muskarinartige<br />
Wirkungen) beeinflusst. Es kommt zur Tonusminderung der parasympathisch innervierten<br />
Organe wie Magen-Darmtrakt, Harnblase, Sinusknoten des Herzens, exokrine Drüsen,<br />
Bronchien und Pupillen.<br />
a) Wirkungen und Nebenwirkungen:<br />
Verdauungsorgane: Hemmung von Sekretion Motilität, ev. Spasmolyse, Salivation<br />
Atemtrakt:<br />
Bronchialsekretion, Sekrete dicker, Erweiterung der Bronchien<br />
Auge:<br />
Mydriasis<br />
Harnblase:<br />
Atonie<br />
Herz:<br />
AV-Überleitungszeit, HF<br />
b) Anwendung:<br />
Die präoperative Anwendung von Anticholinergika erachten wir als sinnvoll bei:<br />
- bestehender Bradyarrhythmie bzw. Bradykardie<br />
- ev. bei Katzen zur Herabsetzung des Speichelflusses bei der Anwendung von<br />
Ketamin<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
8
- bei der Verwendung von Sedativa/Analgetika, die zu ausgeprägten Bradykardien<br />
führen (z.B. Fentanyl)<br />
- bei Schweinen wird vor einer Allgemeinanästhesie mit Intubation immer mit<br />
Anticholinergika prämediziert, um ihr sehr starkes Speicheln und vagale Reflexe bei<br />
der Intubation zu verhindern.<br />
Ansonsten gilt, dass Anticholinergika nur bei Bedarf, d.h. beim Auftreten vagal bedingter<br />
Bradykardien (Hund HF < 60, Katzen und Zwerghunde HF < 80, Pferd HF < 15-20),<br />
eingesetzt werden sollten. Zu Vagusreizung kann es kommen bei Manipulationen im Kopf-<br />
Halsbereich sowie bei operativen Eingriffen an Ösophagus, Lunge, Harnblase, Magen,<br />
Darm. Andere Ursachen für eine Bradykardie sind: Hypothermie, Hyperkalämie,<br />
Hyperkalzämie, Inhalationsanästhetikaüberdosierung, alpha2-Agonisten, Opioide.<br />
Verschwindet eine intraoperativ auftretende Bradykardie nach der Anwendung von<br />
Anticholinergika nicht, so ist es wahrscheinlich, dass die Bradykardie die Folge von<br />
Auskühlung, einer zu tiefen Anästhesie oder von Elektrolytanomalien ist. Durch<br />
Neuanpassen der Anästhesietiefe, die Anwendung von<br />
Heizkissen und warmen<br />
Infusionslösungen verschwindet die Bradykardie meist. Bei persistierender Bradykardie<br />
muss ev. ein Einsatz von Sympathomimetika (z.B. Dopamin, Dobutamin) erfolgen.<br />
Kontraindiziert sind Anticholinergika bei bestehender Tachykardie oder Glaukom.<br />
c) Atropin-Glykopyrrolat Unterschiede: Tab.1.<br />
Wirkungsdauer:<br />
Hd.<br />
Ktz.<br />
Pfd.<br />
Wirkungseintritt:<br />
NW auf Herz:<br />
Andere NW:<br />
Atropin<br />
je nach Dosis und Appl.art:<br />
ca. 30-90 min.<br />
ca. 60-90 min.<br />
ca. 20-30 min.<br />
1-3 min. nach i.v<br />
5-8 min. nach IM/SC<br />
-HF (Sinustachykardie)<br />
-initial ev. HF-abfall für 3-4 min<br />
v.a. nach IV Applikat.<br />
-antiarrhythmisch bei Bradyarrythmien<br />
Durchdringt Blut-Hirnschranke<br />
durchdringt Planzentarschranke<br />
erhöhte Inzidenz von Refluxösophagitis<br />
Glycopyrrolat<br />
je nach Dosis und Appl.art:<br />
ca. 1-4 h<br />
ca. 1-4 h<br />
ca. 1-2 h, NW bis zu 7 h<br />
1 min. nach IV<br />
ca. 5 min. nach IM<br />
-HF-<br />
-NW auf Herz eher geringer als<br />
durch Atropin<br />
durchdringt Blut-Hirnschranke nicht<br />
durchdringt Plazentarschranke<br />
nicht<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
9
2. 4. 3. Analgetika<br />
Vor jedem schmerzhaften Eingriff müssen Analgetika verabreicht werden, da es sonst trotz<br />
Allgemeinanästhesie zu einer Sensibilisierung der Schmerzbahnen im ZNS kommt. Dies<br />
führt postoperativ zu stärkeren Schmerzen und wird als „wind up“-Phänomen bezeichnet.<br />
Zu den parenteral applizierbaren Analgetika gehören klassischerweise die morphinartigen<br />
und die nicht steroidalen Entzündungshemmer. Ebenfalls analgetische Eigenschaften<br />
besitzen vor allem die Alpha 2 -Agonisten und das Ketamin. Lokalanästhetika eignen sich<br />
ebenfalls sehr gut zur Unterbrechung der Schmerzleitung, Schwierigkeiten bei deren<br />
gezielter Applikation sowie eine relativ geringe Wirkdauer schränken jedoch die Verwendung<br />
ein.<br />
Um eine ideale Analgesie zu erreichen ist es wünschenswert, verschiedene Stoffgruppen<br />
miteinander zu kombinieren. Dies wird als multimodale Schmerztherapie bezeichnet. Auf<br />
diese Weise kann an unterschiedlichen Stellen der Schmerzentstehung und<br />
Schmerzverarbeitung angegriffen werden, was am günstigsten ist für den Patienten<br />
a) Analgetika vom Typ des Morphins: Opiate, Opioide<br />
Zu den Opiaten gehören Morphin und Alkaloide des Opium mit morphinähnlichen<br />
Wirkungen. Opioide sind halb- und vollsynthetische Stoffe bzw. körpereigene Peptide mit<br />
morphinartigen Wirkungen. Die Begriffe Opiat und Opioid werden in der Literatur oft nicht<br />
streng unterschieden und als Synonym verwendet. Der Einfachheit halber werden wir im<br />
folgenden Text nur noch von Opioiden schreiben, das Morphium aber als dazugehörig<br />
betrachten.<br />
Wirkungsmechanismus:<br />
Opioide wirken, indem sie an Opioidrezeptoren binden. Bisher wurden fünf verschiedene<br />
Opioidrezeptoren identifiziert. Ihre Eigenschaften sind in Tab.2 dargestellt. Eine hohe Dichte<br />
derartiger Rezeptoren befindet sich im limbischen System, Rückenmark, Thalamus,<br />
Hypothalamus, Striatum und im Mittelhirn. Im Gastrointestinaltrakt, Harntrakt und in anderen<br />
Organen mit glatter Muskulatur, sowie in Gelenken befinden sich ebenfalls<br />
Opioidrezeptoren.<br />
Tab. 2: Opioidrezeptoren Klassifikation.<br />
Rezeptortyp Wirkungen/Nebenwirkungen<br />
Mu<br />
Analgesie, Euphorie; Atemdepression; Miosis<br />
Kappa Analgesie, Sedation; Miosis<br />
Sigma<br />
Dysphorie, Halluzinationen; Kardiovask/ respirat. Stimulation; Mydriasis<br />
Delta Depresssion, Sedation<br />
Epsilon Funktion unklar<br />
Im Übrigen können Opioide noch wie folgt wirken:<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
10
- emetisch zu Beginn der Wirkung, dann antiemetisch<br />
- steigernd auf Harnblasen- und Gallenblasen Sphinkteren<br />
- vagusstimulierend: periphere Vasodilatation, Bradykardie<br />
- antitussiv<br />
- initial oft Auslösung von Defäkation, später Konstipationen<br />
Die Wirkung eines Opioides wird bestimmt durch die Bindung an die verschiedenen<br />
Rezeptoren. Es gibt Opioid-Agonisten, Opioid Agonist-Antagonisten, partielle Agonisten und<br />
reine Opioid-Antagonisten. Grundsätzlich besitzen die Opioid Agonist-Antagonisten und<br />
partielle Agonisten die geringsten Nebenwirkungen führen aber auch zu weniger<br />
ausgeprägter Analgesie als die Agonisten. Für sehr schmerzvolle Eingiffe (Thorakotomien,<br />
Rückenoperationen...) ist es demzufolge sinnvoller reine Agonisten zu verwenden, für<br />
routine Eingriffe reichen Agonist-Antagonisten oder partielle Agonisten. Kommt es durch<br />
Überdosierung eines Agonisten zu einer zu ausgeprägten Dämpfung der Atmung, kann ein<br />
Agonist-Antagonist oder ein partieller Agonist appliziert werden. Dadurch ev. Atmung wieder<br />
ausreichend bei erhaltener Analgesie.<br />
Verschiedene Tierarten können sehr unterschiedlich auf ein und dasselbe Opioid reagieren,<br />
was möglicherweise mit einer unterschiedlichen Verteilung der Rezeptoren zusammenhängt.<br />
Bevor ein Tiermediziner ein Opioid anwendet, sollte er sich genau über tierspezifische<br />
Wirkungen und Nebenwirkungen informieren.<br />
Opioide werden meist in der Leber metabolisiert. Bei leberinsuffizienten Tieren sollten nur<br />
geringste Dosierungen verwendet werden. Opioide passieren die Plazentarschranke und<br />
werden in die Milch ausgeschieden. Bei Geburten sollten sie nur verwendet werden, wenn<br />
den Neugeborenen Naloxon (=reiner Opioid Antagonist) gegeben wird, da deren Atmung<br />
ansonsten lebensbedrohlich gedämpft wird.<br />
Opioid-Agonisten:<br />
Morphium: - rel. starke respiratorische Dämpfung (Erhöhung der CO2-Schwelle)<br />
- Histaminausschüttung nach IV Applikation bei allen Tierarten möglich, deshalb<br />
nur IM oder SC anwenden<br />
- Sedation von Hunden, übrige Tierarten: Erregung, Wirkung rel. kurz (ca. 2-4 h)<br />
- Emesis bei Katzen und Hunden<br />
- ev. Hypothermie bei Hunden, Hyperthermie bei übrigen Tierarten<br />
- Hecheln bei Hunden<br />
- initiale Defäkation gefolgt von Konstipation<br />
- vorübergehende sehr milde Blutdrucksenkung<br />
- kann im Magendarmtrakt Spasmen verursachen<br />
Pethidin: - Wirkungen sehr ähnlich Morphium, aber kürzer (nur ca. 1h)<br />
- Im Gegensatz zu Morphium eher spasmolytisch<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
11
Methadon: - Wirkungen sehr ähnlich Morphium<br />
- keine Histaminausschüttung nach IV Applikation<br />
- keine Sedation; wenn alleine gebraucht, Exzitationen möglich<br />
- IV etwas stärkere Atemdepression als Morphium<br />
Fentanyl: - viel stärkeres Analgetikum als bisher beschriebene<br />
- nach IV kurze Wirkung von 10-20 Minuten<br />
- starke Atemdepression, Bradykardie<br />
- vorwiegend intraoperativ, IV (oft in Form einer Infusion), zur Verbesserung der<br />
Analgesie verwendet<br />
- neu: Applikation in Form eines Pflasters (Grösse je nach Grösse des Tieres)<br />
transcutane Absorption des Fentanyl-mehrere Tage wirksam; ideal für<br />
Kleintiere mit starken Schmerzen, für Pferde/Nutztiere zu teuer<br />
partieller Opioid Agonist<br />
Buprenorphin:<br />
- leichtes Absenken von Herzfrequenz und Blutdruck<br />
- NW auf Atmung und Gastrointestinaltrakt minimal<br />
- sehr lange Wirkung (4-8 h), gute somatische Analgesie<br />
- fast nicht antagonisierbar weil sehr hohe Rezeptoraffinität<br />
Opioid Agonist-Antagonist:<br />
Butorphanol:<br />
- Analgesie (v.a. viszerale) für 2-4 h<br />
- sehr stark antitussiv<br />
- selten leichtes Absenken von Herzfrequenz und Blutdruck<br />
- GI-Motilität leicht gehemmt (v.a. bei repetitiven Dosen)<br />
- fast nicht antagonisierbar<br />
Opioid-Antagonisten:<br />
Naloxon: - Naloxon ist der einzige reine Opioidantagonist<br />
- nur in Notfällen verwenden, weil auch endogene Opioide verdrängt werden<br />
- muss nach Wirkung, langsam IV dosiert werden<br />
- hat kürzere t 1/2 als meiste Opioide, deshalb ev. nachdosieren notwendig<br />
b) Nichsteroidale Entzündungshemmer (NSAID):<br />
Nichtsteroidale Antiphlogistika besitzen entzündungshemmende, analgetische und<br />
antipyretische Eigenschaften. Früher wurden sie grob in 2 Gruppen unterteilt:<br />
- Wirkstoffe mit vorwiegend zentraler analgetischer und antipyretischer Wirkung (z.B.<br />
Acetylsalicylsäure, Novaminsulfonsäure)<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
12
- Wirkstoffe mit ausgeprägter entzündungshemmender Wirkung, die vorwiegend peripher<br />
wirksam werden (Phenylbutazon, Flunixin, Meclofenaminsäure)<br />
Moderne NSAID werden gemäss ihrer Wirkung auf die Cyclooxygenase Isoenzyme COX 1<br />
oder COX 2 beurteilt. Theoretisch besitzen selektivere COX 2 Hemmer weniger<br />
Nebenwirkungen. Klinisch ist dies jedoch nicht immer der Fall. Reagiert ein Tier mit zB<br />
Erbrechen oder gastrointestinalen Blutungen auf die Gabe eines NSAIDS, sollte ein<br />
alternatives Präparat getestet werden. Oft verträgt ein Patient ein bestimmtes NSAID<br />
besser, unabhängig von dessen COX Selektivität.<br />
Unerwünschte Nebenwirkungen von Antiphlogistika die vor allem bei Langzeitbehandlungen<br />
ein grosses Problem sind:<br />
- Reizungen und Ulzerationen im Magen-Darm Trakt<br />
- Blutungen durch verzögerte Blutgerinnung<br />
- Beeinträchtigung der Nierenfunktion durch Verminderung der Nierendurchblutunggrösste<br />
Gefahr im perioperativen Kontext<br />
Im folgenden werden einige NSAID mit ihren tierartspezifischen Merkmalen beschrieben. In<br />
Kombination mit Opioiden können sie, präoperativ verabreicht werden und helfen schwerste<br />
Schmerzen unter Kontrolle zu halten. Die ersten vier Medikamente sind schon seit sehr<br />
langer Zeit auf dem Markt. Die darauffolgenden (Carprofen etc) gehören der neueren<br />
Generation von NSAIDS an.<br />
Acetylsalicylsäure: - kaum mehr verwendet<br />
- beim Pfd. (30-50 mg/kg 2x tägl. PO) zur Hemmung der Thrombozytenaggregation<br />
z.B. bei akuter Hufrehe<br />
Metamizol (=Novaminsulfonsäure):<br />
- Anwendung IV oder IM v.a. bei Pfd und Nutztieren<br />
- zeichnet sich zusätzlich zu seiner recht stark analgetischen und<br />
antipyretischen Komponente durch eine gute spasmolytische Wirkung<br />
aus<br />
- Wirkungsdauer ca. 4 h nach IV<br />
- ideal zur initialen Schmerzbehandlung von Koliken v.a. beim Pfd. (20-<br />
50 mg/kg IV oder IM). Auch bei anderen Tierarten sehr gut. Gefahr,<br />
dass Schmerzen ”maskiert” werden ist nicht vorhanden.<br />
- sehr gut bei Schlundverstopfung von Rd. oder Pfd.<br />
- bei mehrmaliger Anwendung grosser Dosen Knochenmarkdepression<br />
möglich<br />
Phenylbutazon: - Anwendung PO und IM v.a. bei Pfd und ev. Nutztieren<br />
- bewirkt langanhaltende irreversible Hemmung der Cyclooxygenase im<br />
Entzündungsexudat und wirkt dadurch sehr gut antiinflammatorisch<br />
- reichert sich im Entzündungsexudat an<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
13
Flunixin:<br />
Carprofen:<br />
Meloxicam:<br />
Tolfenaminsäure:<br />
Vedaprofen:<br />
Ketoprofen:<br />
- ideal bei akuten entzündlichen Erkrankungen des<br />
Bewegungsapparates bei allen Tierarten (Hd.: 3x10 mg/kg tägl. PO,<br />
nach 3 Tg. reduzieren; Pfd.: 2x4 mg/kg tägl. PO, nach 2 Tagen auf die<br />
Hälfte reduzieren für 1 Wo.)<br />
- Nicht anwenden bei Katzen, da sehr geringe therapeutische Breite<br />
- cave Idiosykrasie bei gewissen Ponyrassen<br />
- Anwendung IV bei allen Tierarten<br />
- sehr starkes ca. 8 h wirksames Analgetikum zur Behandlung kolikbedingter<br />
Schmerzen v.a. beim Pfd. (1.1 mg/kg IV); Cave: so starkes<br />
Analgetikum, dass Symptome maskiert werden können, nur geben,<br />
wenn Ursache der Kolik bekannt<br />
- Anwendung SC, IV und PO bei allen Tierarten<br />
- neuerer Entzündungshemmer; sehr starkes, lang wirksames Analgetikum<br />
(18-24 h, Potenz vergleichbar mit Opioiden) für v.a. Hunde und<br />
Katzen (4 mg/kg SC, IV 1x tägl.) mit akuten somatischen Schmerzen<br />
(Frakturen etc), postoperative Schmerzen mit PO Carprofen behandelbar<br />
- Perioperativ für Pferde (0.7 mg/kg IV 1x tägl.), Nutztiere: 1-2 mg/kg IV,<br />
teuer; PO Applikation ebenfalls möglich<br />
- Anwendung Hd und Ktz: PO oder IV 0.2 mg/kg initial dann 0.1 mg/kg<br />
alle 24 h<br />
- ebenfalls neuerer Entzündungshemmer (höchst selektiver COX 2<br />
Hemmer); sehr starkes, lang wirksames Analgetikum<br />
- sehr gut geeignet für Langzeit Anwendung<br />
- Anwendung Hd und Ktz IM, SC, PO 4 mg/kg (nicht präoperativ), wirkt<br />
24 h, nur bis zu 3 Tagen verabreichen da rel. toxisch<br />
- ideal bei akuten Schüben chronisch entzündlicher Prozesse<br />
- ebenfalls neuerer Entzündungshemmer; lang wirksames Analgetikum<br />
- Anwendung Pfd und Hd PO oder IV (0.5-2 mg/kg), idR 2x tägl.,<br />
höchstens alle 3 h<br />
- ebenfalls neuerer Entzündungshemmer (höchst selektiver COX 2-<br />
Hemmer)<br />
- Anwendung Hd , Ktz, Pfd, Kuh, Schwein, Kamel und Ratte. PO v.a.<br />
bei chronischen Schmerzen und als Antipyretikum. SC Perioperativ bei<br />
Hd und Ktz, bzw IV beim Pferd oder IM bei Wdk und Schwein.<br />
3. Allgemeinanästhesie<br />
3. 1. Injektionsanästhetika<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
14
3. 1. 1. Barbiturate<br />
Zur Einleitung einer Allgemeinanästhesie werden bei Hunden meist ultrakurzwirkende Barbiturate<br />
(Thiopental, Methohexital, Thiamylal), mit folgenden Eigenschaften eingesetzt:<br />
- rel. stark atemdepressiv (in Dosierungen, die zu Bewusstseinsverlust führen)<br />
- schnellster Wirkungseintritt aller Stoffe die zur Einleitung verwendet werden<br />
- arrhythmogen, gering Blutdruck senkend (meist von Tachykardie begleitet)<br />
- senken intrakraniellen Druck (durch Verminderung des Blutflusses)<br />
- stark lipidlöslich, Wirkungsdauer bestimmt durch Umverteilung ins Fett; bei mehrmaliger<br />
Nachdosierung Kumulation mit sehr langem Nachschlaf<br />
- in Aufwachphase können Exzitationen auftreten<br />
- bei Barbituratüberdosierung muss die Atmung künstlich aufrechterhalten, die Körpertemperatur<br />
regelmässig überprüft, und die Ausscheidung des Barbiturates<br />
durch Harnalkalinisierung mit Bikarbonat beschleunigt werden<br />
- kontraindiziert bei Leberinsuffizienz, Windhunden<br />
- stark gewebereizend<br />
3. 1. 2. Ketamin<br />
Ketamin ist kein klassisches Anästhetikum, da es nicht alle klassischen Wirkungen eines<br />
solchen mit sich bringt (siehe Kapitel 1, Definitionen). Ketamin führt zu einem Zustand der<br />
durch gute somatische Analgesie, oberflächlichen Schlaf und Katalepsie gekennzeichnet ist.<br />
Ketamin sollte grundsätzlich immer mit Sedativa kombiniert angewendet werden, um die<br />
negativen Eigenschaften des Ketamin zu mindern. Bei Operationen mit viszeralem Schmerz<br />
kann zusätzlich mit Analgetika (Opioiden) kombiniert werden. Die Eigenschaften von<br />
Ketamin sind die folgenden:<br />
- leichte Atemdepression<br />
- Stimulation von Herz-Kreislauf<br />
- Muskeltonussteigerung, krampferregend<br />
- protektive Reflexe erhalten<br />
- erhöht intrakraniellen- und intraokkulären Druck<br />
- einziges Anästhetikum, das ausser IV auch IM verabreicht werden kann<br />
3. 1. 3. Propofol<br />
Propofol ist ein neueres, sehr kurz wirkendes Allgemeinanästhetikum, welches nur sehr geringgradig<br />
kumuliert. Seine Eigenschaften sind die folgenden:<br />
- blutdrucksenkend, negativ inotrop aber nur für kurze Zeit<br />
- bei zu schneller Injektion Apnoe möglich<br />
- i.d.R. sanfte Einleitung beim Kleintier nicht bei Pferden, schnelle Aufwachphase<br />
- schlechte Analgesie, gute Hypnose<br />
- cave schlecht haltbar, angebrochene Ampullen kühlen, innerhalb 24 h<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
15
aufbrauchen.<br />
3. 1. 4. Etomidat<br />
Etomidat ist ein neueres Allgemeinanästhetikum, das sich durch minimalste<br />
Nebenwirkungen auf Herz, Kreislauf und Atmung auszeichnet. Es wirkt sehr schnell,<br />
kumuliert nicht und verändert den intrakraniellen Druck nicht. Etomidat führt aber zu<br />
Myoklonien. Um diese zu verhindern, sollte Etomidat immer mit einem Benzodiazepin<br />
kombiniert angewendet werden. Etomidat führt zu einer Unterdrückung der<br />
Cortisolproduktion, was vor allem bei seiner Anwendung in Form einer Infusion<br />
problematisch ist.<br />
3. 1. 5. Althesin<br />
Althesin ist eine Kombination von 2 Steroiden, welche einzig bei der Katze verwendet wird.<br />
Es ist sehr schnell wirksam, die therapeutische Breite ist gross und die Nebenwirkungen auf<br />
Herz, Kreislauf und Atmung sind gering. Der Lösungsvermittler Cremophor kann allergische<br />
Reaktionen wie Pfoten -und Schwanzödemen sowie Bronchokonstriktion auslösen.<br />
3. 2. Totale intravenöse Allgemeinanästhesie (TIVA)<br />
Die TIVA ist eine Alternative zur Inhalationsanästhesie, welche sich immer grösserer<br />
Beliebtheit erfreut. Je nach Tierart werden verschiedene Anästhetika, Analgetika und<br />
Sedativa kombiniert. Die vorhandenen Möglichkeiten sind sehr vielfältig und werden deshalb<br />
an dieser Stelle nicht besprochen. Im speziellen Teil des <strong>Skript</strong>ums werden einige Tierart<br />
spezifische, erprobte Prozeduren vorgestellt.<br />
3. 3. Muskelrelaxantien:<br />
3. 3. 1. Periphere Muskelrelaxantien<br />
Periphere Muskelrelaxantien hemmen die neuromuskuläre Übertragung an der<br />
Skelettmuskulatur. Bei der Anwendung von peripheren Muskelrelaxantien muss immer<br />
künstlich beatmet werden, da auch das Zwerchfell und die Atemhilfsmuskulatur gelähmt<br />
werden. Die durch periphere Muskelrelaxantien (nicht depolarisierende) erreichte Blockade<br />
kann durch Anticholinesterasen (z.B. Neostigmin) aufgehoben werden. Vor der Applikation<br />
der Anticholinesterase muss immer ein Anticholinergikum verabreicht werden.<br />
Muskarinische Nebenwirkungen des Neostigmin wie Bradykardie, Hypotension oder<br />
Salivation können so verhindert werden. Dem Wirkungsmechanismus der peripheren<br />
Muskelrelaxantien entsprechend werden zwei verschiedene Typen unterschieden:<br />
a) nicht depolarisierende: Sie verhindern durch Blockade der nikotinartigen Cholinozeptoren<br />
an der motorischen Endplatte eine Depolarisation der postsynaptischen<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
16
Membran durch Azetylcholin und Nikotin. In der Veterinäranästhesiologie häufig<br />
verwendete Beispiele sind: Atracurium, Vecuronium, Pancuronium. Ein Vergleich<br />
der Eigenschaften dieser drei Medikamente befindet sich in Tab. 3.<br />
b) depolarisierende: Sie verursachen eine langanhaltende Depolarisation der<br />
Endplatte und machen auf diese Weise die Erregungsübertragung durch<br />
Azetylcholin unmöglich. Hierzu gehört z.B. das Succinylcholin, welches schnell<br />
relaxierend und sehr kurz wirkt. Nebenwirkungen wie Hypertonie, Dysrhythmien<br />
sowie initiale Muskelkontraktionen sind relativ häufig. Deshalb wird es fast nicht<br />
mehr gebraucht.<br />
3. 3. 2. Zentrale Muskelrelaxantien<br />
Zentrale Muskelrelaxantien bringen die Skelettmuskulatur zum Erschlaffen. Sie<br />
unterscheiden sich von den peripheren Muskelrelaxantien dadurch, dass sie nicht an der<br />
motorischen Endplatte, sondern an Rezeptoren im Zentralnervensystem wirken. Ihr<br />
Angriffsort sind die für die Regulation des Muskeltonus verantwortlichen Zentren.<br />
Charakteristisch für zentrale Muskelrelaxantien ist, dass sie vor allem polysynaptische<br />
Reflexe dämpfen. Zusätzlich führen sie dosisabhängig zu Sedation. Die Atmung wird nicht<br />
(oder nur in sehr geringem Masse) gedämpft und auf eine künstliche Beatmung kann i.d.R.<br />
verzichtet werden. In der Veterinärmedizin häufig verwendete zentrale Muskelrelaxantien<br />
sind das Guaifenesin und die Benzodiazepine.<br />
Tab.3: Eigenschaften von Atracurium, Vecuronium und Pancuronium.<br />
Atracurium Vecuronium Pancuronium<br />
Wirkung je nach Dosis nach 2-5<br />
Min. für 20-35 Min.<br />
nach ca. 2 Min. für<br />
ca. 25 Min.<br />
je nach Dosis nach 2-3<br />
Min. für 30-45 Min.<br />
(länger bei Azidose, kürzer<br />
bei Alkalose)<br />
Metabolismus/<br />
Ausscheidg.<br />
Esterhydrolyse + Hoffman<br />
Elimination d.h. Leber/Niere-unabhängig<br />
teilweise metabolisiert,<br />
in Galle und<br />
Urin ausgeschieden<br />
teilweise Ausscheidung<br />
über Niere, teilweise metabolisiert<br />
in Leber<br />
Nebenwirkg. Selten Histaminfreisetzg.<br />
Kontraindikationesuffizienz<br />
Keine<br />
schwere Nierenin-<br />
Nieren/Leberinsuffizienz<br />
Dosis Hd: 0.2-0.5 mg/kg IV<br />
Ktz.: 0.2 mg/kg IV<br />
Pfd.: 0.05-0.2 mg/kg IV<br />
Hd.: 0.1 mg/kg IV Hd.: 0.03-0.04 mg/kg IV<br />
Ktz.: 0.04-0.1 mg/kg IV<br />
Schw.: 0.1 mg/kg IV<br />
3. 3. 3. Anwendungsmöglichkeiten für Muskelrelaxantien<br />
a) Periphere Muskelrelaxantien:<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
17
Ein jeder, der periphere Muskelrelaxantien benutzen will, muss sich bewusst sein, dass relaxierte<br />
Tiere künstlich beatmet werden müssen und dass es nicht einfach ist, die eigentliche<br />
Anästhesietiefe bei solchen Tieren abzuschätzen. Um die Anästhesietiefe abschätzen zu<br />
können, sollten Herzfrequenz und Blutdruck regelmässig überprüft werden. Es darf nicht<br />
vergessen werden, dass Muskelrelaxantien weder Analgesie noch Bewusstseinsverlust mit<br />
sich bringen. Appliziert man ein Muskelrelaxans ohne Anästhetikum, so sind die Tiere<br />
vollständig bei Bewusstsein und schmerzempfindlich. Sie können sich aber nicht bewegen.<br />
Sind die Voraussetzungen gegeben, dass eine adäquate Anästhesietiefe garantiert werden<br />
kann, so ist der Einsatz von Muskelrelaxantien beim Tier in folgenden Situationen sinnvoll:<br />
- Wenn ein Tier künstlich beatmet werden muss (z.B. Zwerchfellshernie) und es gegen<br />
den Respirator atmet. Das heisst der Thorax bewegt sich asynchron zum Respirator,<br />
was unangenehm ist für den Chirurgen sowie eine grosse Belastung für den Kreislauf<br />
des Tieres darstellt.<br />
- Bei Frakturen, welche infolge starker Muskelkontrakturen fast nicht mehr reponierbar<br />
sind. Durch Muskelrelaxantien können die eigentlichen Kontrakturen zwar nicht gelöst<br />
werden, aber durch komplette Relaxation aller übrigen Muskeln wird die Reposition<br />
der Fraktur einfacher.<br />
- Intraokkuläre Operationen erfordern einen zentralen, komplett ruhig gestellten<br />
Bulbus. Dies ist nur mit peripheren Muskelrelaxantien erreichbar.<br />
- Sehr heikle Chirurgien wie z.B. Gefässchirurgien, für welche eine Abwehrbewegung<br />
des Patienten fatal sein könnte, können am sichersten am relaxierten Patienten<br />
durchgeführt werden.<br />
b) Zentrale Muskelrelaxantien:<br />
Guaifenesin: Das Guaifenesin wird bei Pferden und Wiederkäuern kombiniert mit Ketamin<br />
oder ultrakurzwirkenden Barbituraten oft zur Einleitung einer Allgemeinanästhesie<br />
verwendet. Es hilft den Bedarf an Anästhetikum zu senken ohne signifikante<br />
Nebenwirkungen auf Herz/Kreislauf oder Atmung. Vor allem bei der<br />
Kombination mit Ketamin ist die Muskelrelaxation durch das Guaifenesin<br />
sehr günstig. Wird Guaifenesin in Konzentrationen >5 % verwendet , so besteht<br />
Hämolysegefahr. Bei der Anwendung von Guaifenesin kommen häufiger<br />
Thromophlebitiden vor als bei anderen gebräuchlichen<br />
Sedativa/Anästhetika.<br />
Benzodiazepine: Benzodiazepine können bei älteren Kleintieren bzw. bei solchen mit<br />
reduziertem Allgemeinzustand zur präoperativen Sedation verwendet<br />
werden. Bei gesunden Tieren können Benzodiazepine zu adversen<br />
Reaktionen führen (z.B. lieber Hund wird extrem agressiv, Pferd kann nicht<br />
mehr stehen). Sie sollten deshalb nicht verwendet werden. Bei Tieren mit<br />
Epilepsie oder anderen Erkrankungen, die mit Krämpfen einhergehen (z.B.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
18
Tetanus), sind Benzodiazepine die Mittel der Wahl. Gelingt es nicht, die<br />
Krämpfe mit Benzodiazepinen zu kontrollieren, so müssen Barbiturate<br />
eingesetzt werden.<br />
3. 4. Inhalationsanästhesie<br />
Ist ein chirurgischer Eingriff geplant, der länger als eine Stunde dauert, wird der Patient in<br />
der Regel mit einer Inhalationsanästhesie betäubt. Dafür müssen die für den Patienten<br />
geeigneten Geräte und Materialien, wie Verdampfer und dazugehöriges Anästhetikum,<br />
Inhalationsanästhesiesystem, Tuben oder Masken in der richtigen Grösse sowie Sauerstoff<br />
und eventuell Lachgas, zur Verfügung stehen.<br />
Im Folgenden werden die zur Verfügung stehenden Inhalationsanästhesiesysteme<br />
besprochen, der Gebrauch von Tuben bzw. Masken verglichen und wichtige Eigenschaften<br />
von Inhalationsanästhetika erläutert. Die verschiedenen Anästhesiestadien während einer<br />
Inhalationsanästhesie werden tabellarisch dargestellt sowie Vor-und Nachteile der<br />
künstlichen Beatmung beschrieben.<br />
3. 4. 1. Inhalationsanästhesiesysteme<br />
a) offenes System:<br />
Die Schimmelbusch-Maske oder der für Labortiere verwendete "Äthertopf" stellen<br />
sogenannte offene Systeme dar. Die Schimmelbusch-Maske besteht aus einer Gazeplatte,<br />
die dem Patienten über den Mund und die Nase gestülpt wird. Auf diese Gaze wird Aether<br />
aufgetropft, welchen der Patient mit Raumluft als Trägergas einatmet. Offene Systeme sind<br />
schlecht steuerbar und die Personal- und Umweltbelastung ist sehr gross. Aus diesen<br />
Gründen ist die Anwendung von offenen Systemen heute sehr selten. Einzig bei Labortieren<br />
finden offene Systeme vereinzelt noch Anwendung (Abb. 1).<br />
b) halboffenes System:<br />
Inhalationsanästhesiesystem, in welchem das zufliessende Inspirationsgasgemisch (O2, ev.<br />
N2O, Inhalationsanästhetikum)<br />
den ganzen Bedarf des Tieres deckt. Es ist kein CO2-<br />
Absorber vorhanden. Das Exspirationsgasgemisch wird vollständig abgeführt. Die<br />
verwendete Gasflussmenge muss demzufolge mindestens dem Atemminutenvolumen des<br />
Patienten entsprechen. Für die meisten halboffenen Systeme werden 200 ml/kg/min. Gas<br />
(O2/N2O) als genügend erachtet, um eine Rückatmung von CO2 zu verhindern. Ein<br />
Atembeutel ist vorhanden, wodurch im Notfall ein Tier beatmet werden kann (Abb. 2).<br />
Vorteile: Da kein CO2-Absorber und keine Richtungsventile vorhanden sind, ist der Widerstand<br />
des Systemes sehr gering. Falls notwendig, kann künstlich beatmet werden.<br />
Nachteile: Teuer und wenig umweltfreundlich, weil grosse Gasmengen verloren gehen. Abkühlen<br />
und Austrocknen der Patienten durch hohen Gasfluss.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
19
Einsatz: Je nach Literaturstelle für Tiere < 1-7 kg.<br />
Abb. 1: Offenes Inhalationsanästhesiesystem.<br />
Abb. 2: Halboffenes Pendelsystem.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
20
c) halbgeschlossenes System:<br />
Halbgeschlossene und geschlossene Systeme bestehen immer aus einem Kreissystem (d.h.<br />
die Gase fliessen durch 2 Richtungsventile im Kreis) Abb. 3 a+b oder aus einem<br />
Pendelsystem (d.h. Ein- und Ausatmung erfolgt durch dasselbe Rohr). Immer vorhanden ist<br />
ein CO2-Absorber, ein Atembeutel sowie ein Überdruckventil. Beim halbgeschlossenen<br />
System wird der überschüssige Teil der Exspirationsluft ins Freie abgeführt bzw. mit einer<br />
Absaugevorrichtung gesammelt. Der grösste Teil des Exspirationsgasgemisches aber wird<br />
in den Atembeutel zurückgeatmet und passiert vor jeder Inspiration einen CO2-Absorber.<br />
I.d.R. sollten beim halbgeschlossenen System 15-50 ml/kg/min O2/N 2 O zugeführt werden.<br />
Oft werden aber noch höhere Gasflussmengen verwendet, weil dadurch verhindert wird,<br />
dass bei gleichzeitigem Einsatz von N2O eine Anreicherung des Lachgases im<br />
Inspirationsgemisch stattfindet.<br />
Vorteile: Geringere Gasflussmengen als beim halboffenen System, dadurch Einsparen von<br />
Gasen, geringeres Abkühlen und Austrocknen des Patienten.<br />
Nachteile: Der CO2-Absorber und die Richtungsventile stellen einen Atemwiderstand dar,<br />
der von kleinen Tieren, die spontan atmen, nicht überwunden werden kann.<br />
Einsatz: Dieses System wird bei uns für jedes Tier, das schwerer ist als 5 kg, verwendet.<br />
Moderne Kreissysteme können aber problemlos für Tiere bis zu 1 kg verwendet werden.<br />
Wird bei einem halbgeschlossenen System das Absaugventil geschlossen, d.h. vom<br />
Exspirationsgasgemisch wird nichts mehr nach aussen abgeführt, entsteht ein<br />
geschlossenes System. In diesem Fall entspricht die zugeführte O2 Menge genau dem<br />
Verbrauch des Patienten.<br />
Abb. 3a-b Halbgeschlossenes Kreissystem.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
21
d) geschlossenes System:<br />
Bei einem geschlossenen System wird kein Gas ins Freie abgeführt (Abb 3c). Es wird nur<br />
zugeführt, was der Organismus verbraucht, nämlich Sauerstoff und Anästhesiegas. Der O2-<br />
Bedarf eines Tieres beträgt 3-8-10 ml/kg/min. Arbeitet man längere Zeit mit einem<br />
geschlossenen System, muss unbedingt die O2-, CO2- und die Anästhesiegaskonzentration<br />
im Inspirationsgasgemisch gemessen werden. Treten zu hohe CO2 bzw. zu tiefe O2-Spiegel<br />
auf oder kommt es zu einer Anreicherung von Anästhesiegas, so wird dies bemerkt, bevor<br />
der Patient dadurch geschädigt wird. Um die Anreicherung von N2 oder anderen Gasen, die<br />
im Organismus gebildet werden, aber im CO2 Absorber nicht extrahiert werden, zu<br />
verhindern, sollte das System nach mehreren Stunden Gebrauch "gelüftet" werden. Das<br />
bedeutet, dass der Gasfluss erhöht wird, das Absaugeventil geöffnet und damit das ganze<br />
System mit einem frischen Gasgemisch gefüllt wird.<br />
Vorteile: Minimaler Gas- und damit Wärme- und Feuchtigkeitsverlust.<br />
Nachteile: Überwachung stellt an Personal und Geräte grösste Anforderungen. Klinisch<br />
wenig verwendet.<br />
Abb. 3c: geschlossenes Kreissystem<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
22
3. 4. 2. Anwendung von Maske versus Tubus:<br />
a) Maske:<br />
nicht zu verwechseln mit der Schimmelbuschmaske!<br />
Vorteile:<br />
- relativ billig, weil ziemlich stabil (d.h. "einmalige Anschaffung").<br />
- weniger verschiedene Grössen als bei Tuben müssen angeschafft werden.<br />
- einfache Handhabung.<br />
Nachteile:<br />
- Atemwege sind nicht gesichert, bei Erbrechen besteht Aspirationsgefahr.<br />
- Falls versucht wird, nur mit Maske einzuleiten, können sich Tiere extrem aufregen.<br />
- Eine Maske ist nie ganz dicht, wodurch immer Anästhesiegase in die Umwelt<br />
austreten, was für Operateure und Op-personal sehr unangenehm und ungesund ist.<br />
- Der Totraum ist mit Maske grösser als mit Tubus.<br />
b) Tubus:<br />
Vorteile:<br />
- freie Atemwege, dadurch zum Beispiel die Möglichkeit, Sekrete aus Tubus abzusaugen;<br />
keine Gefahr von Aspiration bei Erbrechen oder Regurgitieren.<br />
- Beatmungsmöglichkeit gewährleistet.<br />
- Reduktion des anatomischen Totraumes (bei angepasster Tubuslänge und Grösse).<br />
- geringerer Atemwiderstand als mit Maske.<br />
Nachteile:<br />
- Intubation kann bei gewissen Rassen schwierig sein.<br />
- um optimale Tubusgrösse für das jeweilige Tier zu verwenden, muss eine grosse Anzahl<br />
an Tuben verschiedener Grösse und Länge vorhanden sein.<br />
- Tuben müssen auch bei sorgfältiger Anwendung oft ersetzt werden.<br />
Komplikationen im Zusammenhang mit der Intubation:<br />
- Fehlintubation (ösophageal oder endobronchial).<br />
- Tubusabknickung oder Verlegung mit Sekreten.<br />
- Verletzung der Manschette bei der Intubation ("undichter Tubus").<br />
- akzidentielle Extubation z.B. bei Umlagerung während Op.<br />
3. 4. 3. Ablauf einer Inhalationsanästhesie:<br />
a) Einleitungsphase:<br />
Zu Beginn einer Inhalationsanästhesie ist der Partialdruck des Anästhesiegases im<br />
Einatmungsgemisch am grössten. Die Zeit welche vergeht, bis im Alveolarraum der gleiche<br />
Partialdruck herrscht wie im Inhalationsgasgemisch wird als ”Auswaschzeit” bezeichnet.<br />
Während dieser Zeit wird in der Lunge vorhandene Luft allmählich durch das angebotene<br />
Gasgemisch ersetzt. Aus den Alveolen diffundieren Inhalationsanästhetika in den kapillären<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
23
Blutstrom der Lunge. Die pro Zeiteinheit diffundierende Menge Anästhetikum ist abhängig<br />
von dessen Partialdruck, von der Diffusionsstrecke, von der Alveolarfläche und von der<br />
Durchblutung der Lunge. Für die Zeit bis zum Partialdruckausgleich zwischen Lunge und<br />
Blut ist zudem die Blutlöslichkeit eines jeden Inhalationsanästhetikums massgebend (siehe<br />
4.a). Mit dem Blutstrom wird das Anästhetikum weiter ins Gewebe transportiert. Ein<br />
massgebender Faktor für die Geschwindigkeit mit welcher Anästhetika während der<br />
Einleitung in verschiedene Gewebe gelangen, ist deren Durchblutungsrate. Das Gehirn als<br />
Wirkort gehört zu den am besten durchbluteten Organen und nimmt während der Einleitung<br />
besonders rasch Anästhetikum auf. Die Einleitung kann verkürzt werden, indem initial hohe<br />
Konzentrationen an Inhalationsanästhetika und hohe Frischgaszufuhren gewählt werden<br />
(”Überfluten”).<br />
b) Verteilungsgleichgewicht:<br />
Nachdem ein Partialdruckausgleich zwischen allen Kompartimenten des Körpers<br />
stattgefunden hat, befindet er sich im Verteilungsgleichgewicht. Im dem zur Lunge<br />
zurückfliessenden venösen Blut ist der Partialdruck des Anästhetikums theoretisch gleich<br />
hoch wie im Inhalationsgasgemisch. Praktisch wird aber der Partialdruck im venösen Blut<br />
etwas tiefer sein, weil Inhalationsanästhetika teilweise metabolisiert werden (Methoxyfluran<br />
ca. 50 %, Halothan ca. 20 %, Isofluran 0.2 %) und über Schleimhäute sowie Körpersekrete<br />
kleinere Mengen an Anästhetikum verloren gehen.<br />
c) Aufwachphase:<br />
Am Ende einer Anästhesie wird die Inhalationsanästhetikumzufuhr unterbrochen. Es kommt<br />
zur Abatmung des Inhalationsanästhetikums entlang des Konzentrationsgradienten. Je<br />
höher die Blutlöslichkeit des verwendeten Anästhetikums ist, desto langsamer erwacht ein<br />
Tier. Falls Lachgas verwendet wird, so sollte 5-10 Min. (bzw. bei Grosstieren 30 min) vor<br />
Ende der Anästhesie dem Tier reiner Sauerstoff zugeführt werden. Lachgas wird in<br />
Konzentrationen von ca. 60 % verwendet. Diffundiert das Lachgas am Ende entlang seines<br />
Konzentrationsgradienten in die Alveolen, so verdrängt es viel Sauerstoff. Bei Zufuhr von<br />
Luft (ca. 21 % O2) anstatt reinem Sauerstoff kann es zu einer sogenannten<br />
Diffusionshypoxie kommen.<br />
3. 4. 4. Eigenschaften der Inhalationsanästhetika:<br />
Das ideale Inhalationanästhetikum müsste die folgenden Eigenschaften besitzen: Rasche<br />
An- und Abflutung, gute Steuerbarkeit, ausreichende Analgesie und Muskelrelaxation ohne<br />
toxische Nebenwirkungen sowie eine grosse Sicherheitsbreite. Leider erfüllt keines der<br />
bisher bekannten Inhalationsgase alle diese Forderungen. In jeder Inhalationsanästhesie<br />
kommt es im operationsfähigen Zustand zu einer kardiopulmonären Dämpfung<br />
unterschiedlicher Ausprägung. Je höher die verabreichte Inhalationsanästhestikum Dosis<br />
desto ausgeprägter fällt diese aus. Im folgenden werden allgemein wichtige Eigenschaften<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
24
der Inhalationsanästhetika besprochen und die verschiedenen, in der Veterinärmedizin gebräuchlichen<br />
Inhalationsgase, verglichen:<br />
a) Blut/Gasverteilungskoeffizient:<br />
Der Blut/Gasverteilungskoeffizient ist ein Mass für die Blutlöslichkeit eines<br />
Inhalationsanästhetikums. Je höher die Blutlöslichkeit eines Gases ist, umso grösser ist der<br />
Verteilungsraum, den es einnehmen kann, desto mehr Substanz muss aufgenommen<br />
werden, um den Partialdruck im Blut zu erhöhen. Je grösser die Blutlöslichkeit eines<br />
Inhalationsgases ist, desto langsamer verläuft die Anästhesie-Einleitung, beziehungsweise<br />
Änderungen der Anästhesietiefe, wodurch die Anästhesie weniger gut steuerbar wird.<br />
Praktisch wichtig ist, dass Halothan oder Methoxyfluran im Gegensatz zu Isofluran,<br />
Sevofluran oder gar Desfluran eine hohe Blutlöslichkeit besitzen. Das bedeutet, dass zu<br />
Beginn der Anästhesie stundenlang kein Partialdruckausgleich zwischen Alveolen und Blut,<br />
beziehungsweise Blut und Hirn erreicht wird. Aus diesem Grund wird die Anästhesie mit<br />
einer höheren Konzentration in der Atemluft eingeleitet, als im Gleichgewicht zum Unterhalt<br />
der Anästhesie benötigt wird. Die Blutlöslichkeit der von uns verwendeten Inhalationsanästhetika<br />
nimmt in der folgenden Reihenfolge ab:<br />
Methoxyfluran> Halothan> Isofluran>Sevofluran>Lachgas >Desfluran.<br />
b) Öl/Gas bzw. Öl/Blutverteilungskoeffizient:<br />
Diese 2 Koeffizienten sind ein Mass für die Lipidlöslichkeit eines Anästhetikums. Mit ihrer<br />
Hilfe kann die Konzentration an Anästhetikum im Fettgewebe bzw. im Gehirn nach Erreichen<br />
des Verteilungsgleichgewichtes abgeschätzt werden. Je stärker lipidlöslich ein<br />
Inhalationsanästhetikum ist (d.h. je höher der Öl/Gasverteilungskoeffizient), desto geringer<br />
ist die Konzentration die benötigt wird um die Anästhesie aufrecht zu erhalten.<br />
c) Minimale alveoläre Konzentration (MAC):<br />
Der MAC Wert ist eine experimentelle Grösse, welche für jede Tierart neu bestimmt werden<br />
musste. Sie beschreibt diejenige Konzentration eines Inhalationsanästhetikums in den<br />
Alveolen (= Ende der Exspiration), bei welcher 50% aller Patienten bei einer Hautinzision<br />
nicht mehr mit Abwehrbewegungen reagieren. Je niedriger der MAC eines Inhalationsanästhetikums<br />
ist, desto grösser ist seine Wirkungsstärke. Unabhängig von der Tierart<br />
gilt generell: MAC von Desfluran>Sevofluran>Isofluran>Halothan>Methoxyfluran. Im<br />
Verteilungsgleichgewicht braucht ein Tier somit mehr Isofluran (%) als Halothan oder<br />
Methoxyfluran, um eine Anästhesie aufrecht zu erhalten.<br />
Der MAC Wert wird verringert (d.h. der Patient braucht weniger Inhalationsanästhetikum)<br />
durch Lachgas, Tranquilizer oder Sedativa, Analgetika, hohes Alter oder verminderten Allgemeinzustand,<br />
reduziertes Blutvolumen oder ausgeprägte Hypotonie sowie durch verminderte<br />
Körpertemperatur.<br />
Der MAC Wert wird erhöht durch Medikamente die das ZNS stimulieren, Hyperthermie und<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
25
durch präoperativen Stress oder Schmerzen.<br />
d) Tab. 4: Vergleich der Eigenschaften von Sevofluran, Isofluran und Halothan.<br />
Sevofluran Isofluran Halothan<br />
Metabolisierung 3 % 0.2% ca. 20%<br />
Preis am teuersten teuer relativ billig<br />
NW auf Herz-<br />
Kreislauf<br />
Generell geringere<br />
Dämpfung von Herz-<br />
Kreislauf als mit<br />
Halothan, aber<br />
Vasodilatation<br />
dadurch<br />
Blutdruckabfall<br />
Generell geringere<br />
Dämpfung von<br />
Herz-Kreislauf als<br />
mit Halothan, aber<br />
Vasodilatation<br />
dadurch Blutdruckabfall<br />
Sensibilisierung<br />
des Myokards gegenüber<br />
Katecholaminen<br />
(Arrhythmien),<br />
starke Dämpfung<br />
von Herz-Kreislauf<br />
NW auf Atmung Dämpfung stärker als Dämpfung stärker Dämpfung<br />
mit Halothan als mit Halothan<br />
empfohlene Anwendung<br />
Jungtiere unter 2-3 Jungtiere unter 2-3 "Routinepatient"<br />
Mo.,<br />
Leber/Niereninsuffizienz,<br />
Erkrankungen<br />
des Herzens (v.a.<br />
Rhythmusstörungen)<br />
Mo., Leber/Niereninsuffizienz,<br />
Erkrankungen des<br />
Herzens<br />
(Rhythmusstörunge<br />
n)<br />
weitere Merkmale -keine postop<br />
Analgesie<br />
-nur mit frischem Absorberkalk<br />
-keine postoperative<br />
Analgesie<br />
-kann mit Halothan<br />
verwenden Verdampfer<br />
sonst Bildung nephrotoxischer<br />
benutzt werden<br />
Substanz<br />
-Sehr schnelle Anund<br />
Abflutung, am<br />
Besten für<br />
Maskeneinleitung<br />
e) Eigenschaften von Lachgas:<br />
Vorteile:<br />
- vermindert durch analgetische Wirkung MAC-Wert der Inhalationsanästhetika (d.h. es<br />
braucht weniger Inhalationsanästhetikum); geringe Blutlöslichkeit.<br />
- Praktisch keine Nebenwirkungen auf Herz/Kreislauf.<br />
- beschleunigt Einleitung der Allgemeinanästhesie durch Zweitgas- und Ventilationseffekt<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
26
(Erklärung siehe unten).<br />
- keine Hemmung der Magen/Darmfunktion.<br />
Nachteile:<br />
- Diffundiert in luftgefüllte Räume.<br />
- Diffusionshypoxie in Ausleitungsphase, d.h. in Alveolen diffundierendes Lachgas<br />
verdrängt übrige Luft, sodass ein O2-Mangel entstehen kann.<br />
- eingeatmete O2-Fraktion vermindert.<br />
N2O ist kontraindiziert bei:<br />
- Pneumothorax<br />
-Magenblähung/drehung, Ileusverdacht<br />
- hypoxischen Patienten (z.B. bei Zwerchfellshernie)<br />
- Patienten mit starker Anämie<br />
- ungefasteten Patienten<br />
Definition Zweitgaseffekt: N2O wird in Konzentrationen bis zu 60 % verwendet. Dadurch besteht<br />
zu Anfang der Anästhesie ein grosses Konzentrationsgefälle zwischen Blut und<br />
Alveolarluft. Das führt zusammen mit der geringen Blutlöslichkeit von N2O zu einem sehr<br />
raschen Anfluten des Lachgases. Andere im Gasgemisch vorhandene<br />
Inhalationsanästhetika werden mit dem N2O "mitgerissen" und konzentriert.<br />
3. 4. 5. Anästhesiestadien nach Güdel (Aethermonoanästhesie)<br />
Die von Güdel ermittelten Anästhesiestadien wurden während einer Aethermonoanästhesie<br />
bestimmt. Sie sind in Tab. 5 dargestellt. Bei den heute angewendeten kombinierten<br />
Anästhesieverfahren wird durch ein Injektionsanästhetikum rasch Bewusstlosigkeit erzielt.<br />
Die Stadien I und II werden dadurch übersprungen. Während Injektionsanästhesien zeigen<br />
Tiere oft völlig andere Symptome, als die von Güdel beschriebenen.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
27
Tab. 5: Beschreibung der Anästhesiestadien nach Güdel.<br />
ANÄSTHESIE-<br />
MECHANISMUS<br />
KLINISCHE KON-<br />
SONSTIGE SYMP-<br />
STADIUM<br />
TROLLE<br />
TOME<br />
I ANALGESIE<br />
Lähmung sensori-<br />
Schmerzempfindun<br />
Euphorie, Rausch,<br />
scher Rindenareale<br />
g geringer,<br />
Koordinationsstö-<br />
Bewusstsein +/-,<br />
rungen,<br />
Motorik erhalten<br />
Halluzinationen,<br />
Hyperakusis<br />
II EXITATION<br />
Hemmung der<br />
Bewusstlosigkeit,<br />
Erbrechen, Harn-<br />
höheren<br />
Hypermotilität, Hy-<br />
und Kotabsatz,<br />
motorischen Zen-<br />
perreflexie, Augen-<br />
unregelmässige<br />
tren, Enthemmung<br />
bewegungen +++,<br />
Atmung,<br />
der niederen<br />
Pupillen weit<br />
Tachykardie,<br />
motorischen<br />
erhöhter Blutdruck<br />
Zentren<br />
III TOLERANZ<br />
Zentren des Gross-<br />
Skelettmuskulatur<br />
1<br />
hirnes und des RM<br />
erschlafft,<br />
gehemmt, Re-<br />
Augenbewegungen<br />
Blutdruck normal,<br />
flexmechanismen<br />
++, enge Pupillen,<br />
Regelmässige<br />
z.T. erloschen<br />
Lidreflex +,<br />
Atmung<br />
Kornealreflex +<br />
Medulla oblongata<br />
Augenbewegungen<br />
Herzfrequenz<br />
2<br />
unterhält vegetative<br />
-, Lidreflex-,<br />
normal<br />
Funktionen<br />
Kornealreflex+<br />
Beginnende<br />
Pupillen<br />
Atmung wird ober-<br />
3<br />
Lähmung der<br />
zunehmend weiter,<br />
flächlich, Blutdruck<br />
vegetativen Zen-<br />
Augäpfel sind nach<br />
sinkt<br />
tren<br />
unten oder lateral<br />
gerichtet, Pupillenreaktion<br />
auf<br />
Lichteinfall<br />
vermindert<br />
Pupillenreaktion 0<br />
Zyanose,<br />
4<br />
Tachycardie,<br />
Temp. sinkt,<br />
schwitzen<br />
IV ASPHYXIE<br />
Vegetative Zentren<br />
Pupillen weit<br />
Atmung, Kreislauf<br />
gelähmt<br />
regulation 0<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
28
In der klinischen Anästhesieführung werden bei verschiedenen Tierarten zum Teil<br />
unterschiedliche Reflexe und Veränderungen des Muskeltonus beurteilt, um die<br />
Anästhesietiefe einzuschätzen.<br />
Tab. 6 : Anzeichen eines chirurgischen Anästhesiestadiums unter Inhalationsanästhesie<br />
Pferd Hund/Katze Rind Kleine WDK<br />
Kornealreflex + + + +<br />
Lidreflex + - - (+)<br />
Pharynx/Larynx<br />
-<br />
reflexe<br />
Bulbusstellung<br />
Atmung<br />
- - - -<br />
medioventral<br />
(langsamer<br />
Nystagmus)<br />
tiefe Atemzüge,<br />
regelmässig<br />
medioventral<br />
zentral<br />
tiefe Atemzüge,<br />
regelmässig<br />
ventral (nicht<br />
mehr sichtbar)<br />
regelmässig<br />
Blutdruck ⇓ = ⇓ = oft ⇑ ⇓ =<br />
Herzfrequenz = = = =<br />
CRT < 2s < 2s < 2s < 2s<br />
Kiefertonus nicht<br />
nicht<br />
beurteilbar<br />
beurteilbar<br />
reduziert<br />
v.a. bei der<br />
Katze sehr<br />
guter Parameter<br />
Bewegungen - - - -<br />
leicht medioventral<br />
regelmässig<br />
nicht<br />
beurteilbar<br />
= in etwa wie im wachen Zustand; ⇑ höher als im wachen Zustand; ⇓ niedriger als im<br />
wachen Zustand; + vorhanden; - nicht vorhanden<br />
3. 4. 6. Atmung während der Anästhesie:<br />
a) Spontanatmung<br />
Während einer Allgemeinanästhesie wird die Atmung in Abhängigkeit von der<br />
Anästhesietiefe gedämpft. Die auftretende Hypoventilation führt zu einem Anstieg des CO2-<br />
Partialdruckes im arteriellen Blut und damit zu einer respiratorischen Azidose. Bei intakter<br />
Lungenfunktion und adäquater Anästhesietiefe ist die Ventilation aber meist genügend, um<br />
einen O2-Partialdruck von > 60 mm Hg (O2-Sättigung des Blutes > 90%) und einen nicht<br />
allzu hohen CO2-Partialdruck zu gewährleisten. Bei Zyanose, Operationen mit Eröffnung<br />
des Thorax, Anwendung von peripheren Muskelrelaxantien oder ausgeprägter<br />
respiratorischer Azidose ist eine künstliche Beatmung indiziert.<br />
b) künstliche Beatmung<br />
Es gibt verschiedene Arten von künstlicher Beatmung. Bei jeder Form der künstlichen Beat-<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
29
mung kommt es zu einer Umkehr der intrathorakalen und intrapulmonalen Druckverhältnisse.<br />
Dies führt, in Abhängigkeit vom Druck mit welchem beatmet wird, zu einer<br />
Behinderung des venösen Rückflusses zum Herzen und zu einer konsekutiven Absenkung<br />
des Herzauswurfes.<br />
Intermittierend positive Druckbeatmung (IPPB):<br />
- Die Lunge wird in festgelegten Abständen mit Druck aufgebläht.<br />
- Der Beatmungsdruck soll bei gesunden Patienten 15-20 cm H2O betragen. Bei raumfordernden<br />
Massen in Abdomen oder Thorax, ist eventuell ein höherer Druck notwendig,<br />
um eine adäquate Ventilation zu garantieren. Je höher der Beatmungsdruck, desto<br />
grösser ist die Belastung des kleinen Kreislaufes. Bei eröffnetem Thorax genügen<br />
geringere Beatmungsdrücke (10-15 cm H2O), da der elastische Widerstand der<br />
Thoraxwand wegfällt.<br />
- Die Exspiration erfolgt passiv aufgrund der Elastizität von Brustwand und Lunge.<br />
- Das Atemphasen-Zeitverhältnis sollte Inspiration:Exspiration=1:2 gewählt werden.<br />
Beatmung mit positivem endexspiratorischen Druck (PEEP):<br />
- Beatmung bei welcher der endexspiratorische Druck nicht auf 0 abfällt sondern bei 4-6<br />
cm H2O gehalten wird.<br />
- bei akuter Linksherzinsuffizienz mit drohendem Lungenödem kann der<br />
Plasmaexsudation in den Alveolarraum entgegengewirkt werden und die Alveolen<br />
werden offen gehalten. Bei eröffnetem Thorax kann auf diese Weise ein Lungenkollaps<br />
verhindert werden. Die Nebenwirkungen auf den kleinen Kreislauf sind aber ausgeprägter.<br />
3.4.7. „balancierte“ Anästhesie<br />
Inhalationsanästhetika sind mit Ausnahme des Lachgases schlechte Analgetika. Zudem<br />
bewirken sie dosisabhängig eine Beeinträchtigung der Herz, Kreislauf- und Atemfunktion.<br />
Aus diesem Grund sollte versucht werden ihre Dosis durch geeignete Kombination mit<br />
Analgetika bzw. Lokalanästhesie zu senken. Diese Kombination von verschiedensten<br />
Medikamenten (von jedem eine geringe Dosis mit geringen Nebenwirkungen) zur Erreichung<br />
der optimalen Anästhesie wird als „balancierte“ Anästhesie bezeichnet. Es werden hier<br />
einige Möglichkeiten der balancierten Anästhesie bei verschiedenen Tierarten aufgeführt.<br />
Für kurze, nicht sehr schmerzhafte Eingriffe, welche unter Inhalationsanästhesie<br />
durchgeführt werden reichen idR die Analgesie präoperativ verabreichter analgetisch<br />
wirksamer Stoffe wie Opioide, Alpha 2 -Agonisten, NSAID. Bei invasiveren, schmerzhafteren<br />
Eingriffen und bei allen Eingriffen die länger dauern, muss zusätzlich zur<br />
Inhalationsanästhesie intraoperativ für Analgesie gesorgt werden. Bei den Kleintieren<br />
werden dazu meist kurzwirkende Opioide verwendet (zB. Fentanyl) oder Lokalanästhesie<br />
(zB Epiduralanästhesie). In ausgewählten Fällen Infusionen von Lidocain und/oder Ketamin.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
30
Bei den Pferden bringt die Anwendung von Opioiden keine verlässliche Wirkung mit sich. Es<br />
werden Infusionen von Lidocain, Ketamin oder Medetomidin verwendet und bei den<br />
Wiederkäuern va. Ketamininfusionen.<br />
Eigenschaften verschiedener zur balancierten Anästhesie verwendeter Mittel.<br />
Opioide:<br />
- gut steuerbar<br />
- potente Analgesie<br />
- starke Atemdepression, meist künstl. Beatmung erforderlich<br />
- Bradykardie mit Anticholinergika therapierbar<br />
- geringe Akkumulation bei Infusion während Stunden<br />
Lidocain: - weniger potent<br />
- keine NW auf Herz, Kreislauf und Atmung<br />
- fördert propulsive Darmmotorik (ev schwierig Därme zu nähen)<br />
- relativ geringe therapeutische Breite<br />
Ketamin<br />
- sympathische Stimulation (gut bei Kreislaufproblemen)<br />
- bei langen Infusionen >2 h nach Anästhesie Krämpfe möglich<br />
Medetomidin - va. erfolgreich bei Pferden (gute Aufwachphasen)<br />
- gut steuerbar, keine Akkumulation<br />
- potente Analgesie<br />
- Herz-, Kreislaufdepression dosisabhängig<br />
3. 5. Möglichkeiten zur Überwachung einer Allgemeinanästhesie<br />
Eine Allgemeinanästhesie hat das Ziel, den Patienten bewusstlos und schmerzfrei zu<br />
machen. Die Muskeln sollen relaxiert sein, sodass ein operativer Eingriff durchgeführt<br />
werden kann. Durch verwendete Medikamente soll es nicht zu einer Schädigung<br />
lebenswichtiger Organe kommen. Alle Anästhetika führen bei Überdosierung zu<br />
Beeinträchtigung von Herz/Kreislauf und/oder Atmung und dadurch zu ev. irreversiblen<br />
Schädigungen wichtiger Organe. Im schlimmsten Falle führt eine Anästhetikaüberdosierung<br />
zum Tode des Patienten.<br />
Während einer Allgemeinanästhesie muss der Anästhesist seinen Patienten regelmässig<br />
überwachen und die Menge und Art der zugeführten Anästhetika anpassen. In erster Linie<br />
benützt er dazu seine eigenen Sinne.<br />
Wichtigste Parameter sind: - Atemfrequenz und Atemmuster<br />
- Herzfrequenz und Pulsqualität<br />
- Farbe der Schleimhäute und kapilläre Füllungszeit<br />
- je nach Tierart: Augenreflexe, Nystagmus, Kiefersperre<br />
Im folgenden Abschnitt werden Grundlagen der Anästhesieüberwachung erläutert und<br />
einige Methoden und Monitoren vorgestellt, mit welcher Allgemeinanästhesien überwacht<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
31
werden können.<br />
3. 5. 1. Atemsystem:<br />
a) Beobachtung ohne Monitor:<br />
Die Überwachung des Atemsystemes geschieht idealerweise durch Beobachten der Thoraxwand<br />
bzw. des Reservoirballons bei Tieren während einer Inhalationsanästhesie. Die<br />
Atmung soll regelmässig, rhythmisch und tief sein. Die Atemfrequenz beträgt im Idealfall<br />
intraoperativ gleichviel wie präoperativ. Meist kommt es jedoch zu einer pharmakabedingten<br />
leichten Dämpfung der Atmung.<br />
Ursachen für eine erhöhte Atmungstätigkeit sind:<br />
- ungenügende Anästhesietiefe<br />
- Hyperkarbie<br />
- Hyperthermie<br />
- Hypoxämie (ungenügendes O2-Angebot, partieller Luftwegverschluss,<br />
Lungenödem, Thoraxblutung)<br />
- metabolische Azidose<br />
- Pharmakabedingt (Hunde hecheln nach z.B. Morphin)<br />
Ursachen für eine verminderte Atmungstätigkeit sind:<br />
- zu tiefe Anästhesie<br />
- ZNS-Erkrankung (z.B. Hirnödem)<br />
- metabolische Alkalose<br />
- extreme Hyperkarbie, Hypoxämie<br />
- Hypothermie<br />
Eine verminderte Atmungstätigkeit ist immer ein sehr ernst zu nehmendes Alarmsignal!<br />
Treten Probleme mit der Atmung auf, so ist immer auch die Farbe der Schleimhäute zu<br />
beachten. Sind diese zyanotisch so handelt es sich um einen Notfall.<br />
b) Monitore:<br />
Tab. 7: Arten von Monitoren zur Überwachung der Atmung.<br />
Eigenschaften Preis Praxisrelevanz<br />
Apnoe-Monitor leiser Piepston bei jedem<br />
O2-Messgerät<br />
Atemzug,<br />
lauter Alarm bei Apnoe<br />
misst inspiratorische O2-Konz.,<br />
Alarm, wenn O2 unter best.<br />
ab 600.-<br />
unbedingt<br />
ab 2000.- sinnvoll bei Verwendung<br />
von N2O<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
32
Grenze<br />
CO2-<br />
misst exspiratorische CO2-<br />
Messgerät Konz.<br />
Kapnograph misst Konz. verschiedenster<br />
Gase, verschiedenste Alarme<br />
Spirometer misst Ein- und<br />
Ausatmungsvolumen während<br />
Inhalationsanästhesie<br />
Pulsoxymeter O2-Sättigung des<br />
Hämoglobines durch<br />
Lichtabsorptionsspektrometrie<br />
nicht invasiv gemessen, kontinuierliche<br />
Pulsangabe,<br />
Sensoren störanfällig<br />
Blutgasanalyse einzige Methode, die sehr<br />
genau eigentlichen<br />
respiratorischen Zustand angibt,<br />
Nachteile: es muss Blut gewonnen<br />
werden<br />
ab 4000.- Luxus, sinnvoll bei<br />
künstlicher<br />
Beatmung<br />
ab Luxus<br />
10000.-<br />
Nur für<br />
wissenschaftliche<br />
Zwecke<br />
ab 1500.- Wahrscheinlich<br />
Praxismonitor der<br />
Zukunft<br />
ab Für grössere Pferdepraxen<br />
ev.<br />
10000.-<br />
Anschaffung wert,<br />
da auch für diagnostische<br />
Zwecke<br />
verwendbar<br />
3. 5. 2. Herz-Kreislaufsystem:<br />
a) Beobachtung ohne Monitor:<br />
Zur intraoperativen Überwachung von Herz-Kreislauf werden regelmässig die folgenden<br />
Parameter bestimmt:<br />
- Herzfrequenz und -rhythmus (Phonendoskop, ösophageales Stethoskop)<br />
- Pulsqualität<br />
- Farbe der Schleimhäute, kapilläre Füllungszeit<br />
Das Herz sollte rhythmisch und mit der für die jeweilige Tierart spezifischen Frequenz schlagen.<br />
Ein kräftiger Puls, rosa Schleimhäute und eine kapilläre Füllungszeit von 1-2 Sek.<br />
deuten auf eine gute Kreislauffunktion hin. Bei Arrhythmien, Bradykardien und Tachykardien<br />
bzw. bei Veränderungen, welche auf eine verschlechterte Herz-Keislauffunktion schliessen<br />
lassen, muss versucht werden, den Grund dafür herauszufinden. Es ist wichtig in diesen<br />
Fällen nicht nur eine symptomatische Therapie einzuleiten. Wenn immer möglich sollte auch<br />
die Ursache behoben werden.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
33
) Monitoren:<br />
Tab. 8: Arten von Monitoren zur Überwachung von Herz und/oder Blutdruck.<br />
Eigenschaften Preis Praxisrelevant<br />
misst elektrische<br />
ab 2000.- ev. in Kleintierpraxis,<br />
Erregungsausbreitung im<br />
wo auch diagnostischer<br />
Herzen<br />
Einsatz des EKG möglich<br />
Herzschlag via ”Sonde” in unter 100.- nur für Kleintiere<br />
Ösophagus hörbar<br />
geeignet, einfaches<br />
Mittel zur Be-stimmung<br />
der Herzfrequenz<br />
EKG<br />
ösophagea<br />
les<br />
Phonendoskop<br />
Ultraschall-<br />
Doppler<br />
oszillometri<br />
sche Blutdruckmessung<br />
intraarteriel<br />
le Blutdruckmessung<br />
Doppler über peripherer<br />
Arterie macht Puls hörbar,<br />
prox. davon Manschette;<br />
Messung von systolischem<br />
Blutdruck<br />
ab 1000.- ideal, da bei passender<br />
Manschette genau (vom<br />
Meerschw. bis zum<br />
Pfd.)<br />
nicht invasiv, mittels Manschette<br />
ab 150.-, spe-<br />
geeignet für Hde>15 kg<br />
über Arterie; rel. gezielle<br />
Geräte und Pferde<br />
naue Angabe von syst., mittl. für Tiere erst<br />
und diast. Blutdruck, wenn ab 2000.-<br />
nicht extrem hoher oder<br />
tiefer Blutdruck<br />
misst sehr genau arteriellen ab 8000.-, 1 kaum, da art. Katheter<br />
Druck und gibt Herzfrequenz Transducer nötig, zu aufwendig und<br />
an<br />
25.-<br />
teuer<br />
Ursachen für eine intraoperative Bradykardie:<br />
- Vagusreizung: durch z.B. Manipulationen im Kopf-Halsbereich, bei operativen<br />
Eingriffen an Ösophagus, Lunge, Harnblase, Magen, Darm<br />
- Hypothermie<br />
- Hyperkalämie, Hyperkalzämie, Hyponatriämie<br />
- Inhalationsanästhetikaüberdosierung<br />
- alpha2-Agonisten, Opioide<br />
Ursachen für eine intraoperative Tachykardie:<br />
- erhöhter Sympatikotonus: durch Aufregung, zu oberflächliche Anästhesie<br />
- Hyperkarbie, Hypoxämie, ev. durch Lachgas<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
34
- Hyperthyreoidismus<br />
- Ketamin, Aminophyllin, Anticholinergika<br />
- Hypovolämie, Kardiomyopathie<br />
- Toxämie, Schock<br />
- Hyperthermie<br />
- Hypokalämie, Hypernaträmie<br />
3. 5. 3. Andere Körpersysteme<br />
In speziellen Fällen müssen zusätzlich zur Überwachung von Herz-Kreislauf und Atmung<br />
noch die folgenden Parameter überwacht werden:<br />
- Harnproduktion z.B. bei Tieren, die sich in einem extremen Schock befunden haben<br />
und ev. aus diesem Grund keinen Harn mehr produzieren.<br />
- Temperatur bei Tieren mit schlechtem Allgemeinzustand, bei Neonaten,<br />
Winzlingen oder extrem mageren Tieren mit kurzem Fell<br />
- Glukose bei Diabetikern während sehr langen Anästhesien.<br />
- Hämatokrit und Plasmaproteine bei Tieren, welche akut Blut verlieren zur Abklärung,<br />
ob Transfusion notwendig ist.<br />
3. 6 Postoperative Überwachung<br />
Am Ende der Anästhesie bleibt der Anästhesist beim Patienten, bis er extubiert ist. Bei<br />
reinen Injektionsanästhesien muss jemand beim schlafenden Tier bleiben, bis es wach ist<br />
(d.h. bis der Hund oder die Katze den Kopf anhebt bzw. das Pferd oder die Kuh aufsteht).<br />
Bei Kleintieren oder neonaten Grosstieren muss die Körpertemperatur ca. jede halbe Stunde<br />
überprüft werden. Wärmelampen, Decken oder Heizkissen sind hilfreich, dürfen aber nur<br />
eingesetzt werden, bis sich die Temperatur des Patienten im Normbereich befindet. Ist das<br />
Tier ganz wach und benötigt keine zusätzliche parenterale Flüssigkeitszufuhr, so soll der<br />
Katheter baldmöglichst entfernt werden.<br />
Hat ein Patient viel Blut verloren oder war er schon vor der Anästhesie in einem schlechten<br />
Allgemeinzustand, so muss die Aufwach- und die postoperative Phase intensiver überwacht<br />
werden. Wichtige Parameter, die alle 15-30 Minuten bestimmt werden sollten, sind Puls,<br />
Herzfrequenz, Temperatur, Atemfrequenz, Farbe der Schleimhäute und kapilläre<br />
Füllungszeit. Bei Blutverlust müssen Hämatokrit und Plasmaproteine bestimmt werden. Bei<br />
anderen Erkrankungen müssen ev. weitere der Situation angepasste Untersuchungen<br />
vorgenommen werden.<br />
Die Zufuhr von Flüssigkeit, Wärme, ev. Sauerstoff oder anderen Medikamenten muss immer<br />
neu dem Zustand des Patienten angepasst werden.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
35
4. Lokalanästhesie<br />
Lokalanästhetika blockieren reversibel die Fortleitung von Aktionspotentialen über Nervenfasern.<br />
Dadurch kommt es zu einer lokalen Schmerzausschaltung ohne Bewusstseinsverlust.<br />
Die Empfindlichkeit verschiedener Fasertypen gegenüber der blockierenden Wirkung der<br />
Lokalanästhetika ist unterschiedlich. Eine Klassifikation der Nervenfasertypen und ihre<br />
jeweilige Empfindlichkeit befindet sich in Tab. 9.<br />
Tab. 9: Klassifikation von Nervenfasern und Reihenfolge deren Blockade.<br />
Fasertyp A alpha A beta A gamma A delta B C<br />
Funktion somatosensoriscrührunzeption<br />
Temperatur<br />
Druck, Be-<br />
Proprio-<br />
Schmerz Gefäss- Schmerz<br />
verengung<br />
Parese,<br />
Paralyse<br />
Verlust der<br />
Berührungsund<br />
Druckwahrnehmg.<br />
Verlust<br />
der Propriozeption<br />
Schmerzfreiheit,<br />
keine<br />
Temp.wahr<br />
nehmung<br />
Erhöhte<br />
Hauttemp.<br />
Schmerzfreiheit,<br />
keine<br />
Temp.wahr<br />
nehmung<br />
5 4 3 2 1 2<br />
Zeichen<br />
der<br />
Blockade<br />
Reihenfolge<br />
der<br />
Blockade<br />
4. 1. Chemischer Aufbau:<br />
Lokalanästhetika sind quaternäre Ammoniumverbindungen vom Estertyp (z.B. Procain,<br />
Tetracain) oder Amidtyp (z.B. Lidocain). Diese Verbindungen sind schwache Basen (B). Zur<br />
Anwendung kommen Lokalanästhetika als Salze (BH + ) in saurer Lösung (so sind sie löslich<br />
und stabil).<br />
4. 2. Wirkungsmechanismus<br />
Wird ein Lokalanästhetikum ins Gewebe injiziert so steigt sein pH und ein Teil des Salzes<br />
(BH + ) wird als lipophile Base (B) frei. Weil B so gut fettlöslich ist, kann sie durch Zellmembranen<br />
zum Wirkort, dem Neurolemm diffundieren. Dieser Vorgang bestimmt die Latenzzeit,<br />
d.h. die Dauer bis zum Wirkungseintritt. Danach ionisiert ein Teil des Lokalanästhetikums<br />
wieder und stabilisiert die Nervenmembran, sodass kein Na + durch die Natriumkanäle der<br />
Zellmembran mehr strömen kann. Dadurch wird eine Depolarisation der Nervenmembran<br />
verhindert. Eine Erregungsausbreitung ist damit nicht mehr möglich. Erst nach Absorption<br />
des Lokalanästhetikums durch vorhandene Gefässe wird eine Depolarisation des Nerven<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
36
wieder möglich. Je stärker ein Gewebe durchblutet ist, desto kürzer wirken Lokalanästhetika.<br />
Die Wirkungsdauer eines Lokalanästhetikums ist zudem eine Funktion dessen<br />
Fettlöslichkeit, dessen Plasmaproteinbindung und dessen pKa (Tab. 10).<br />
In entzündlichem Gewebe wirken Lokalanästhetika nicht oder nur schlecht, weil<br />
entzündliches Gewebe einen tiefen pH besitzt und sehr gut durchblutet ist. Dadurch wird nur<br />
sehr wenig fettlösliche Base freigesetzt bzw. freigesetzte Base wird sehr schnell absorbiert.<br />
Tab. 10: Physikalische, chemische und biologische Eigenschaften einiger Lokalanästhetika.<br />
Medikament Fett-<br />
Löslichkeit<br />
relative<br />
anästhetische<br />
pKa Wirkungs<br />
-eintritt<br />
Plasmaproteinbindung<br />
(%)<br />
Wirkungsdauer<br />
(min)<br />
Potenz *<br />
Procain 0.5 1 8.9 langsam 6 60-90<br />
Lidocain 3 2 7.7 schnell 65 90-180<br />
Mepivacain 2 2 7.6 schnell 75 120-180<br />
Tetracain 80 8 8.6 langsam 80 180-360<br />
Bupivacain 28 8 8.1 mittel 95 180-500<br />
*Potenz relativ zu Procain.<br />
4. 3. Zusatzstoffe<br />
Hyaluronidase: Hyaluronidase wird Lokalanästhetika beigemischt zur besseren Ausbreitung<br />
der Lokalanästhesie. Hyaluronidase lockert das hyaline Bindegewebe,<br />
die Kittsubstanz zwischen den Zellen und erleichtert damit die Diffusion.<br />
Adrenalin: Adrenalin bewirkt lokal eine Gefässkonstriktion, wodurch die Absorption<br />
des Lokalanästhetikums vermindert wird. Dadurch verweilt das Lokalanästhetikum<br />
länger am Wirkort und die Lokalanästhesie dauert länger. Zudem<br />
führt Adrenalin zu einem pH-Abfall des Gemisches und damit zu einem<br />
höheren Anteil an ionisierter Form. Die Na + -Kanäle sind dadurch intensiver<br />
und länger blockiert. Der Wirkungseintritt allerdings wird dadurch<br />
verzögert.<br />
Bikarbonat: Bikarbonat puffert H + -Ionen und setzt dadurch mehr lipophile Base frei.<br />
Dadurch ist eine vermehrte Diffusion des Lokalanästhetikums zum Wirkungsort<br />
möglich. Die Wirkung tritt schneller ein. Die Wirkungsdauer wird<br />
aber verkürzt.<br />
Es können mehrere verschiedene Zusatzstoffe kombiniert und demselben<br />
Lokalanästhetikum beigemischt werden.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
37
4. 4. Toxizität<br />
Durch Überdosierung bzw. versehentliche intravasale Applikation von Lokalanästhetika kann<br />
es zu toxischen Erscheinungen wie z.B. Krämpfen, Erregungszuständen oder Atemlähmung<br />
kommen. Die Therapie erfolgt symptomatisch.<br />
Die relative Toxizität verschiedener Lokalanästhetika ist proportional zu deren relativer<br />
Potenz also Tetracain>Bupivacain>Mepivacain>Lidocain>Procain.<br />
Zu beachten ist, dass verschiedene Tierarten unterschiedlich reagieren. Schafe z.B. sind<br />
besonders sensibel gegenüber Lidocain (nie mehr als 2 mg/kg geben) und Katzen ertragen<br />
nur geringste Mengen Bupivacain.<br />
Sehr selten werden Allergien beobachtet, welche ebenfalls symptomatisch therapiert werden<br />
müssen.<br />
4. 5. Arten von Lokalanästhesien<br />
1. Terminale Anästhesie=Oberflächenanästhesie<br />
Das Lokalanästhetikum wird in Form von Sprays, Lösungen, Salben oder Puder auf eine resorptionsfähige<br />
Oberfläche (z.B. Bindehaut, Schleimhaut, Serosen) aufgetragen, z.B.<br />
Besprayen des Larynx vor Intubation zur Verhinderung eines Laryngospasmus.<br />
2. Infiltrationsanästhesie<br />
Lokal (subkutan, intramuskulär, subperitoneal) wird die Stelle die unempfindlich gemacht<br />
werden soll mit Lokalanästhetikum injiziert, z.B. Umspritzen eines Hauttumors an dessen<br />
Basis zur anschliessenden operativen Entfernung desselben.<br />
3. Leitungsanästhesie<br />
Das Lokalanästhetikum wird perineural injiziert und soll Leitfähigkeit des betreffenden<br />
Nervenstranges unterbrechen. Dadurch Schmerzfreiheit im ganzen vom betroffenen Nerven<br />
versorgten Gebiet (distal der Injektionsstelle des Lokalanästhetikums). Z.B.<br />
Paravertebralanästhesie beim Rind zur stehenden Laparatomie oder diagnostische<br />
Anästhesien zur Lahmheitsdiagnostik v.a. beim Pferd.<br />
4. Intravenöse regionale Anästhesie:<br />
Durch Unterbindung der lokalen Blutzufuhr einer Gliedmasse und anschliessender<br />
intravenöser Injektion eines Lokalanästhetikums Schmerzausschaltung distal der Staubinde.<br />
Angewendet v.a. bei Rindern für Klauenoperationen.<br />
©2008 <strong>Anästhesiologie</strong> Vetsuisse Fakultät Universität Zürich<br />
38