Organisation im Wandel - Universität St.Gallen

WANDEL ALS KONSTANTE UNSERER ZEIT 104
In Bezug auf Organisationen werden nach STAEHLE Veränderungen zweiter
Ordnung durch Krisen ausgelöst. Diese stellen nicht nur vorübergehende Störungen
dar, sondern sind unbeabsichtige und unerwartete Abweichungen eines Systems von
der geplanten Entwicklung. 264 Krisen können deshalb zu existenzbedrohenden Situationen
führen (Liquiditätsprobleme, Überschuldung, Umsatzrückgang, abnehmendes
Image, etc.). WITTE nennt in Anlehnung an empirische Simulationsarbeiten
von HERMANN folgende allgemeinen Krisenmerkmale: 265
1. Hochrangige Ziele der Entscheidungseinheit werden bedroht.
2. Die Reaktionszeit bis zum Abschluss der Entscheidung ist eingeschränkt.
3. Die Mitglieder der Entscheidungseinheit werden überrascht.
Um Krisen und Veränderungen zweiter Ordnung im Organisationskontext abschätzen
zu können, ist dabei eine qualitative oder quantitative Einschätzung auf einem dreidimensionalen
Situationswürfel mit den Dimensionen „niedrige vs. hohe Bedrohung“,
„kurze vs. lange Entscheidungszeit“ sowie „gute vs. geringe Voraussicht“ hilfreich. 266
Vergleicht man weiter die Auftretenswahrscheinlichkeit von Wandel erster und
zweiter Ordnung, ist festzustellen, dass beide Wandelformen sowohl evolutionär oder
revolutionär verlaufen können. Während ein evolutionäres Auftreten häufig auch als
inkrementell oder kontinuierlich bezeichnet wird, werden für revolutionären Wandel
synonym Beschreibungen wie radikal oder transformational verwendet. Grundsätzlich
kann gesagt werden, dass für Wandel erster Ordnung eher ein evolutionärer Verlauf
zutrifft, während Wandel zweiter Ordnung aufgrund seiner Veränderungstiefe – auch
im o.g. Verständnis von Krisen – häufiger revolutionär verläuft. 267
Für eine Organisation im Wandel und den geplanten Umgang mit organisatorischen
Veränderungen ist v.a. Wandel zweiter Ordnung von Interesse. Zum einen, da dieser
inhaltlich das zugrunde liegende System und deshalb meistens die Organisation als
Ganzes in Frage stellt, zum anderen, da er in Kombination mit dem o.g. häufig
revolutionären Vorgehen andere Anforderungen an die Integration von Veränderungsbedarf
und Methodik stellt.
Um systemübegreifende Veränderungen zu verstehen, nutzt Wandel zweiter Ordnung
als theoretischen Bezugsrahmen die logische Typenlehre von WHITEHEAD &
264 Staehle, W.H. (Management, 1980/1999), S. 902.
265 Witte, E. (Unternehmenskrise, 1981), S. 7.
266 Ebd., S. 7.
267 Vgl. Greiner, L.E. (Evolution, 1972) und Burke, W.W. (Change, 2002).