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Nachhaltigkeit braucht Systemdenken - Ökolog

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ÖKOLOG-Sommerakademie 2012:<br />

system.denken – netz.werken<br />

Schloss Seggau, 20. 8. 2012<br />

"<strong>Systemdenken</strong> und <strong>Nachhaltigkeit</strong>"<br />

Ao. Univ. Prof. Dr. Günther Ossimitz<br />

Mag. Thomas Vlk<br />

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt


Herzlich Willkommen!<br />

• Ich freue mich sehr, hier bei der Sommerakademie den<br />

Eröffnungsvortrag halten zu dürfen!<br />

• Zur Kompensation meiner noch sehr lädierten Stimme wird mir<br />

Thomas Vlk behilflich sein.<br />

• Wir werden einige Thesen zum Thema <strong>Systemdenken</strong> und<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> präsentieren, die zum Bedenken, Nachdenken und<br />

Umdenken anregen sollen.<br />

• Unsere Thesen werden bei Ihnen teils Zustimmung, teils<br />

Widerspruch auslösen.<br />

Widersprüchliche Ansichten weisen uns darauf<br />

hin, dass wir in unseren Meinungen frei sind!<br />

G. Ossimitz: / T. Vlk: <strong>Systemdenken</strong> und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 2


Die Basis: unsere persönliche Wahl-Freiheit<br />

im Denken und Handeln: "freier Wille"<br />

"Freier Wille" bedeutet:<br />

• Jede/r entscheidet selbst, was sie/er für richtig bzw. falsch hält<br />

• Jeder ist für sein Denken und Handeln selbst verantwortlich<br />

• Widersprüche zwischen den Ansichten verschiedene Menschen<br />

sind möglich und eine normale Konsequenz unseren fr. Willens<br />

• Freier Wille impliziert die Freiheit, neu und anders zu denken –<br />

seine Position zu ändern, zu lernen und anders zu handeln<br />

• Freier Wille ist die Basis für echtes Lernen (im Gegensatz zum<br />

programmierten Drill)<br />

Der freie Wille wurde bereits von Adam und<br />

Eva genutzt – heute ist er ein Menschenrecht!<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 3


"Freier Wille" versus "Wir in der Opferrolle"<br />

• Was sind wir? Menschen mit freien Willen oder hilflose Opfer<br />

externer Mächte (Konzerne, Parteien, Finanzwelt...)<br />

• Opferrolle ist bequem: Ich kann – weil machtlos – nix verändern<br />

& schuld an allem Ungemach sind die übermächtigen Anderen!<br />

• Opferrolle als "self fulfilling prophecy": Ausstieg schwierig!<br />

• Das Systemprinzip hinter der Opferrolle: "Problemverschiebung"<br />

– Shifting the Burden. Abschieben von Verantwortung und<br />

Schuldzuweisung an andere statt Eigenverantwortung!<br />

• Shifting the Burden ist ein verheerendes Systemprinzip, das<br />

niemals nachhaltig funktionieren kann!<br />

Wir können/müssen uns zwischen Freiheit/<br />

Eigenverantwortung und Opferrolle entscheiden!<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 4


"Shifting the Burden" (StB) – seit Adam & Eva!<br />

• StB bei Adam und Eva: Adam zu Gott: "Die Frau, die du mir<br />

gegeben hast..." Auch Eva redes sich heraus: "Die Schlange..."<br />

• StB als Teufelskreis = "Streitendes Ehepaar" (Paul Watzlawick):<br />

– Sie sagt: "Ich nörgle, weil du dauernd ins Gasthaus gehst!" Er sagt: "Ich<br />

gehe ins Gasthaus, weil du dauernd nörgelst!"<br />

– Beide Ehepartner sehen sich als Opfer und den anderen als verantwortlich.<br />

Systemisch: eskalierender Teufelskreis<br />

• StB und Geld = Schuldenmachen: Heute verbrauchen – später<br />

zahlen (am liebsten: andere sollen zahlen!)<br />

• StB und Ressourcen = Tragödie der Gemeingüter: jeder plündert<br />

ein frei zugängliches Gut, bevor es jemand anders sich aneignet<br />

Shifting the Burden ist die ursprünglichste und<br />

vielfältigste Deformation unseres freien Willens!<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 5


Shifting the Burden tödlich: „Scylla und Charybdis“<br />

• Story aus Homer‘s „Odyssee“: Das sechsköpfige Ungeheuer Scylla in der Straße<br />

von Messina (zwischen Italien und Sizilien) verlangt von vorbeifahrenden Schiffen<br />

pro Kopf einen Matrosen als Opfer – und lässt das Schiff dann weiter. Der „clevere“<br />

Kapitän, der Scylla ausweicht, gerät unweigerlich in die Fänge von Charybdis,<br />

einem Wirbelstrom, der das gesamte Schiff mit Mann und Maus in die Tiefe zieht.<br />

• Prinzip: Manchmal sind rechtzeitige schmerzhafte Maßnahmen<br />

unumgänglich, um ein späteres Totaldesaster zu vermeiden.<br />

• Beispiel: Knochenmarkstransplantation bei Leukämie<br />

• Beispiel: rechtzeitige Radikal-Umstellung des Pensionssystems bei<br />

veränderter Altersstruktur, Sanierung von maroden Firmen<br />

• Negativbeispiel: Tanker „Prestige“ – buchstäblich in „Charybdis“<br />

Prinzip: Wer Scylla ausweicht, bleibt kurzfristig ungeschoren,<br />

wird langfristig aber unweigerlich von Charybdis vernichtet!<br />

G. Ossimitz: Einfach ins Chaos- und wie wieder zurück?<br />

Seite 6


StB: Symptomkuren vs. fundamentale Lösungen<br />

• StB bei Problemen: "Quick & dirty Lösung" (QaD) durch<br />

kurzfristige Linderung der Symptome (Symptomkur)<br />

• Alternative = Fundamentale Lösung: Wurzel des Übels ausfindig<br />

machen und sanieren: ist aufwändiger als Symptomkur<br />

• QaD-Lösungen lindern kurzfristig & schnell die Symptome (Aspirin<br />

bei Zahnschmerzen), das Problem wird langfristig schlimmer<br />

• Fundamentale Lösungen sind aufwändiger und wirken i.a. erst<br />

langfristig. Kurzfristig können die Symptome sogar noch<br />

schlimmer werden (Schmerzen bei Zahnbehandlung)<br />

• QaD-Lösungen sind oft mit einem kurzfristigen Zeitgewinn<br />

verbunden. Langfristig machen sie abhängig und enden fatal.<br />

QaD-Lösungen sind niemals nachhaltig!<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 7


Systeme, Wachstum und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

• Systeme mit "eingebauten Zwang zum Wachstum":<br />

– Pyramidenspiele und Strukturvertriebe: Gewinn nur durch neue Leute<br />

– Krebs: hemmungsloses Wachstum von Tumorzellen<br />

– Geldwesen: immanenter Wachstumszwang in der Geldwirtschaft<br />

• Systeme mit Wachstumszwang sind NIEMALS nachhaltig!<br />

• Nachhaltige Systeme MÜSSEN auch ohne Wachstum funktionieren<br />

• Nachhaltige soziale Systeme müssen StB überwinden! StB ist<br />

niemals nachhaltig!<br />

• Statt StB: Systeme, bei denen alle gewinnen. G. Frankl: WIN-WIN<br />

bzw WIN ALL ; bei Gemeingütern: Allmende-Management (E. Ostrom)<br />

Permanentes Wachstum ist unmöglich:<br />

Die Bäume wachsen nicht in den Himmel!<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 8


Die Tragödie der Gemeingüter – TdG (Tragedy of<br />

Commons) und ihre Überwindung durch WIN ALL<br />

• Gemeingüter: Luft, Wasser, Meeresfische, Allmenden, öff. Budgets<br />

• TdG: jeder plündert was geht, um den anderen zuvor zu kommen <br />

Ressource wird langfristig völlig vernichtet (zB Überfischung)<br />

• TdG ist eine sozio-ökonomische Variante von StB<br />

• Tragödie bei der TdG: die kurzfristige egoistische Maximierung des<br />

individuellen Vorteils bringt langfristig ALLEN den Totalverlust.<br />

• Zur Überwindung der TdG müssen alle Betroffenen kooperieren und<br />

Regelverstöße effektiv sanktionieren!<br />

Was ist Ethik? - oder die Story von der 101.Kuh:<br />

Wie schnell sich WIN ALL korrumpieren lässt<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 9


WIN ALL : Alle sind Gewinner<br />

• Nullsummenspiele (NSS): Summe aller Gewinne und Verluste = 0<br />

• Pyramidenspiele, Pokerrunden ... sind NSS<br />

• Geldwirtschaft als NSS: wenige raffen zusammen, was anderen<br />

weggenommen bzw. vorenthalten wird<br />

• Sieger-Loser-Denken: ALLES auf der Welt sind NSS: Gewinnen ist<br />

NUR auf Kosten anderer möglich, die dann entsprechend verlieren.<br />

• WIN ALL -Konzepte: Überwindung des Sieger-Loser-Denkens<br />

• WIN ALL ist sowohl sozial als auch ökonomisch nachhaltig!<br />

• WIN ALL -Konzepte basieren auf Vertrauen und Selbstorganisation –<br />

sind in klassischen Hierarchien unmöglich! (Elinor Ostrom)<br />

WIN ALL -Konzepte überwinden Gier und Egomanie!<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 10


Geld und WIN ALL<br />

• Kann Geld WIN ALL herbeiführen?<br />

– rein mathematisch: JA – durch gleichmäßiges Aufteilen des Geldes<br />

– systemtheoretisch & faktisch: NEIN – weil WIN ALL auf Gleichheit und<br />

Geldsysteme auf Ungleichheit beruhen: Schuldner-Gläubiger, Soll &<br />

Haben, Buy & Sell<br />

• Geldsysteme sind wachstumsorientiert (dh NICHT nachhaltig),<br />

während WIN ALL -Systeme auf nachhaltige Nutzung orientiert sind.<br />

• Geld schafft auch soziale Unterschiede, die durch Umverteilung<br />

von Geld/Vermögen NICHT beseitigt werden können!<br />

• Umverteilung <strong>braucht</strong> eine absolute Macht – und die ist immer<br />

korrumpierbar!<br />

WIN ALL <strong>braucht</strong> Selbstorganisation der Betroffenen<br />

und keine von oben verordnete Umverteilung!<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 11


<strong>Systemdenken</strong> im Verhältnis Mensch - Natur<br />

• Übliches Denken und Handeln: Mensch als Herr über die Natur<br />

• systemgerechtes Umdenken: Natur ist STÄRKER als der Mensch!<br />

• Beispiel "Klimaschutz": der Begriff suggeriert, dass der Mensch in<br />

der Lage wäre, das Klima zu schützen – welche Überheblichkeit!<br />

• Die Wahrheit: das Klima ist immer stärker als der Mensch und der<br />

Mensch kann sich bestenfalls VOR Klimaänderungen schützen!<br />

• Die Folgen menschlicher Hybris: Umwelt- und Klimakatastrophen.<br />

• Rein technischer Katastrophenschutz (zB Schutzdämme gegen<br />

Hochwasser) verhindert kleinere Katastrophen; dafür steigt die<br />

Gefahr von (seltenen!) Mega-Katastrophen (wenn die technischen<br />

Schutzeinrichtungen nicht ausreichen – zB Dämme brechen)<br />

Nachhaltiges Handeln respektiert das Primat der Natur!<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 12


<strong>Systemdenken</strong>: radikal anders Denken & Handeln<br />

• Statt Opferrolle: eigenverantwortliches Denken & Handeln!<br />

• Wir haben einen freien Willen, uns für oder gegen StB zu<br />

entscheiden! <strong>Systemdenken</strong>: bewusste Abkehr von StB!<br />

• Statt kurzfristigen "quick and dirty" Symptomkuren langfristige<br />

Lösungen wählen, die die Wurzel des Übels beseitigen, auch wenn<br />

fundamentalen Lösungen kurzfristig unangenehmer sind als QaD.<br />

• Statt TdG: Eigenverantwortung übernehmen und WIN ALL in sozialer<br />

Selbstorganisation anstreben!<br />

• Systeme so gestalten, dass sie auch ohne Wachstum funktionieren!<br />

• <strong>Systemdenken</strong> & systemgerechtes Handeln als Einheit!<br />

Metanoia: <strong>Systemdenken</strong> als radikales Umdenken<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 13


Zum Nachlesen:<br />

• Günther Ossimitz / Christian Lapp (2006):<br />

Das Metanoia-Prinzip. Eine Einführung in<br />

systemgerechtes Denken und Handeln.<br />

Hildesheim: Franzbecker Verlag.<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 14


Die Gefahr neuer Begriffe:<br />

Rohmaterial für intellektuelle Hirnwichserei<br />

• <strong>Systemdenken</strong>, <strong>Nachhaltigkeit</strong>, Selbstorganisation, StB, Metanoia, ...<br />

Alle diese Begriffe hatten vor 100 Jahren kaum eine Bedeutung.<br />

• Warum wurden sie so wichtig?<br />

• Neue Begriffe sind IMMER ein Hinweis darauf, dass Dinge NICHT<br />

funktionieren! Wir beschäftigen uns mit dem Begriff<br />

– <strong>Nachhaltigkeit</strong> – weil wir nicht nachhaltig leben<br />

– <strong>Systemdenken</strong> – weil wir nicht systemisch denken<br />

– Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, , ....<br />

• Neue Begriffe erlauben, darüber ewig lang wissenschaftlich zu<br />

diskutieren – statt sein Denken und Handeln fundamental zu ändern!<br />

Neue Begriffe verführen zu intellektueller<br />

"Hirnwichserei" ohne substanzielle Veränderung!<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 15


Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

guenther@ossimitz.at, thomas.vlk@live.at<br />

www.guenther.ossimitz.at<br />

www.systemisches.wordpress.com<br />

G. Ossimitz / T. Vlk: Systemdeken und <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

Seite 16

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