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Sachverhalt Examensklausurenkurs - unirep

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<strong>Sachverhalt</strong> <strong>Examensklausurenkurs</strong><br />

N, eine landeseigene Anstalt des öffentlichen Rechts, betreibt in Berlin ein Klinikum und<br />

vermietet seit 2000 Praxisräume auf dem Klinikgelände an den Frauenarzt Dr. F., der dort<br />

Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.<br />

Am 8. Oktober 2010 verteilten die Mitglieder des B e.V (B). vor dem Gelände des Klinikums<br />

Flugblätter im Format DIN A 4, als deren presserechtlich Verantwortlicher der B genannt ist.<br />

Auf der einen Seite enthält das Flugblatt folgenden Text in unterschiedlichen - zum Teil<br />

graphisch hervorgehobenen - Schriftarten und -größen: "Unterstützen Sie unseren Protest und<br />

unsere Arbeit. Helfen Sie, damit in Zukunft das 5. Gebot "Du sollst nicht töten!" und das<br />

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von allen Ärzten in N. eingehalten wird!<br />

Stoppen Sie den Kinder-Mord im Mutterschoß auf dem Gelände des Klinikum N.<br />

damals: Holocaust<br />

heute: Babycaust<br />

Wer hierzu schweigt wird mitschuldig! "Tötungs-Spezialist" für ungeborene Kinder Dr. F. auf<br />

dem Gelände des Klinikum N.".<br />

Auf der anderen Seite des Flugblattes befinden sich im oberen Teil zwei Abbildungen<br />

zerfetzter bzw. zerstückelter Föten mit Erläuterungen verschiedener Abtreibungsmethoden,<br />

daneben das Bild eines Kleinkindes mit Flasche. Der mittlere Teil enthält - graphisch<br />

hervorgehoben - die Aufforderung: "Bitte, helfen Sie uns im Kampf gegen die straflose<br />

Tötung ungeborener Kinder!" Der untere Teil besteht aus argumentativen Texten, die in die<br />

wiederum graphisch hervorgehobene Forderung münden:<br />

"Deshalb: Abtreibung NEIN!"<br />

Mit der am 6. November 2010 eingereichten Klage haben sowohl N als auch Dr. F die<br />

Unterlassung rufschädigender Äußerungen durch B beantragt. Das Landgericht hat B<br />

verurteilt, es zu unterlassen, in Bezug auf das Klinikum N. die Äußerung aufzustellen oder zu<br />

verbreiten: "damals: Holocaust heute: Babycaust" sowie im Zusammenhang hiermit die<br />

Äußerung aufzustellen oder zu verbreiten "Kinder-Mord im Mutterschoß auf dem Gelände<br />

des Klinikum N.".<br />

Bezüglich des Antrags des Dr. F stellten die Richter fest, dass die fraglichen Äußerungen<br />

ersichtlich eine Prangerwirkung gegen den als Einzelperson genannten Arzt erzeugen sollten.<br />

Dies sei wiederum als eine so schwerwiegende Verletzung des allgemeinen<br />

Persönlichkeitsrechts des Klägers zu qualifizieren, dass das Grundrecht des B aus Art. 5 Abs.<br />

1 Satz 1 GG zurücktreten muss; B habe jegliche im Flugblatt enthaltene Äußerungen insofern<br />

für die Zukunft zu unterlassen.<br />

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des B zurückgewiesen; diesem Ergebnis schloss sich<br />

der Bundesgerichtshof am 20.05.2013 an. In ihrem Urteil verwiesen die Richter darauf, dass<br />

N und Dr. F durch die Aussagen auf dem Flugblatt unmittelbar und direkt in ihrem Recht auf<br />

die persönliche Ehre tangiert sind und diese nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB dulden müssen.<br />

Der Hinweis auf das Gelände des N enthalte aus der Sicht eines unvoreingenommenen<br />

Beobachters den Erklärungsgehalt, dass F dort Kindermord betreibt und N dieses Tun duldet<br />

bzw. es unterlässt, eine solche Praxis zu unterbinden. Die im Rahmen von § 1004 Abs. 2


vorgenommene Abwägung falle zugunsten der Antragssteller aus, die in ihrem Recht auf die<br />

persönliche Ehre durch die streitgegenständlichen Äußerungen unverhältnismäßig tangiert<br />

werden.<br />

Mit seiner formgerechten Verfassungsbeschwerde, die am 12.06.2013 beim BVerfG eingeht.<br />

rügt B eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG. Entgegen der von<br />

Zivilgerichten zu Grunde gelegten Deutung habe die Formulierung "damals: Holocaust -<br />

heute: Babycaust" nicht auf den Arzt Dr. F. oder die Klinikträgerin gezielt. Werde die<br />

räumliche Trennung von Vorder- und Rückseite des Flugblatts berücksichtigt, so könne diese<br />

Äußerung allein als genereller Vergleich zwischen der heutigen Abtreibungspraxis und der<br />

unter dem Begriff des "Holocaust" gefassten Vernichtung der jüdischen Bevölkerung<br />

verstanden werden. Eine konkrete Bezugnahme auf das Verhalten des Arztes oder der<br />

Trägerin des Klinikums sei damit jedoch nicht verbunden. Auch könne ein unpersönlich<br />

gefasster Vergleich zweier geschichtlicher Vorgänge, wie er hier zwischen der heutigen<br />

Abtreibungspraxis und dem nationalsozialistischen Holocaust gezogen worden sei, unter<br />

keinen Umständen als allein auf eine konkrete Person bezogene Diffamierung bzw.<br />

Schmähkritik bewertet werden. Von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sei die Freiheit zu überzogenen<br />

oder drastischen Wertungen umfasst. Diese Freiheit ermögliche einen Vergleich<br />

gegenwärtiger gesellschaftlicher oder politischer Zustände und Vorgänge mit dem Holocaust<br />

als dem nach allgemeiner Anschauung am schwersten wiegenden Unrechtsgeschehen der<br />

Geschichte. Ob ein solcher Vergleich passend oder verfehlt und geschmacklos erscheine, habe<br />

dabei nach Art. 5 Abs. 1 GG außer Betracht zu bleiben.<br />

Keinesfalls durfte der BGH auch zu Bejahung der Voraussetzungen des<br />

Unterlassungsanspruchs des N gelangen. Diese werde in dem durch den B verteilten Flugblatt<br />

an keiner Stelle erwähnt. Auch das Klinikum selbst werde nur zur Beschreibung des Orts der<br />

Tätigkeit von Dr. F. benannt, ohne dass damit aber eine erkennbare Abwertung des Klinikums<br />

oder seiner Rechtsträgerin verbunden worden sei. Es sei bereits zweifelhaft, inwiefern N sich<br />

als Anstalt des öffentlichen Rechts auf den Ehrenschutz berufen kann. Soll das in der Tat<br />

möglich sein, so bleibt der BGH zudem jeden Nachweis schuldig, inwiefern durch die<br />

Äußerung der Beschwerdeführer die Erfüllung der Funktionen des Landes oder des in ihrer<br />

Trägerschaft stehenden Klinikums beeinträchtigt worden sei oder es zu greifbaren<br />

Beeinträchtigungen der staatlichen Autorität habe kommen können. Das aber sei<br />

Voraussetzung für die Ablehnung einer Duldungspflicht i.S.v. § 1004 Abs. 2 BGB.<br />

Wie wird das BVerfG entscheiden?<br />

§ 1004 BGB: Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch<br />

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes<br />

beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung<br />

verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung<br />

klagen.<br />

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.<br />

Schreibzeit: von 9:00 – 14:00 Uhr<br />

Abgabe: bis einschließlich Montag, 01.07.2013, 09:00 Uhr (nur mit Korrekturwertmarke)<br />

ins Postfach von Herrn Prof. Dr. Blankenagel, welches sich in der Pförtnerloge<br />

der Juristischen Fakultät im Foyer des Gouverneurshauses befindet.<br />

Besprechung und Rückgabe der Klausur: Montag, den 08.07.2013, 12 - 14 Uhr c.t. in UL<br />

9, R. 213

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