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1| 2010 Lanzarote: Vögel auf Lava - Biologie

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57. Jahrgang · Januar <strong>2010</strong> · D: € 4,80 · A: € 5,00 · CH: CHF 8,20<br />

1 | <strong>2010</strong><br />

Postvertriebsstück G3045<br />

<strong>Lanzarote</strong>:<br />

<strong>Vögel</strong> <strong>auf</strong> <strong>Lava</strong><br />

» Vogel-Uhren und Kalender-<strong>Vögel</strong><br />

» Vogelwilderei <strong>auf</strong> Malta<br />

» Helgoländer Vogeltage 2009


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Industriepark 3 • D-56291 Wiebelsheim • Tel.: 0 1805 / 24 44 24 (14 ct. pro Minute)<br />

Fax: 06766 / 903-320 • E-Mail: service@humanitas-book.de • www.humanitas-book.de<br />

Impressum<br />

DER FALKE – Journal für Vogelbeobachter<br />

ISSN 0323-357X, Erscheinungsweise: monatlich<br />

Gedruckt <strong>auf</strong> chlorfrei gebleichtem Papier<br />

Internet: www.falke-journal.de<br />

Redaktionsbüro im Verlag:<br />

AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3,<br />

56291 Wie bels heim, Tel. 06766/903-141;<br />

Fax 06766/903-320; E-Mail: falke@aula-verlag.de<br />

Redaktion:<br />

Dr. Norbert Schäffer (verantwortlich; sch),<br />

E-Mail: norbert.schaffer@falke-journal.de<br />

Georg Grothe, Redaktionsbüro,<br />

Tel.: 06766/903-252, Fax: 06766/903-341,<br />

E-Mail: g.grothe@falke-journal.de<br />

Hermann Stickroth (Fachredaktion; hs)<br />

E-Mail: hermann.stickroth@t-online.de<br />

Ständige Mitarbeiter:<br />

T. Brandt (tb), Dr. J. Dierschke (jd),<br />

H.-J. Fünf stück (fü), Dr. W. Irsch (wir),<br />

Dr. K. Richarz (ri)<br />

Redaktionsassistentin:<br />

Dominique Conrad, Redaktionsbüro,<br />

Tel.: 06766/903-236; Fax: 06766/903-341;<br />

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Gestaltung/Satz AULA-Verlag:<br />

Julia Schiwek, Rolf Heisler (Ltg.)<br />

Vertrieb und Abonnementverwaltung:<br />

Britta Knapp<br />

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Anzeigen verwaltung:<br />

Petra Koser-Bross, Tel.: 06766/903-251<br />

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Druck: Strube Druck & Medien OHG, Felsberg<br />

Pressevertrieb: UMS, Am Waldessaum 4 A,<br />

51545 Waldbröl, Tel.: 02291/91 24 20<br />

Bezugsbedingungen: Einzelheftpreis 4,80 . D a s J a hr e sa -<br />

bon ne ment für 12 Hefte ist im In- und Aus land für 49,– <br />

zzgl. Porto erhältlich. Für Schü ler-/innen und Student(inn)<br />

en 37,– zzgl. Por to (Be schei ni gung). In dem Preis ist der<br />

„Tas c h e nk al e nd e r f ü r V o g e l b e o b a c h t e r “ e i ng es c h l o ss e n . D i e<br />

M i nd e s tb es t e l ld a ue r d e s A b o nn em e n t s b et r ä g t e i n J a h r u n d<br />

ver län gert sich au to ma tisch um ein wei te res Jahr, wenn<br />

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B ez u g sz e i tr a u m s ( D at u m d e s P o s ts t e mp e l s ) g ek ü nd i g t w i r d .<br />

B es t e ll u ng e n f ü r DER FAL KE n e hm e n j e d e B u c hh a n dl u n g<br />

und der Ver lag ent ge gen.<br />

Manuskripte: Sollten Sie einen Beitrag oder eine Ma nu s kript idee<br />

für DER FALKE haben, senden Sie uns bit te zunächst eine etwa<br />

zehn zei li ge In halts an ga be oder set zen Sie sich vorab mit der Redaktion<br />

oder ei nem der ständigen Mitarbeiter in Verbindung.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Mei nung<br />

und Daten der Au to ren, nicht un be dingt der Re dak ti on wieder.<br />

Die Re dak ti on be hält sich das Recht <strong>auf</strong> Kür zung und<br />

die jour na li sti sche Be ar bei tung von Bei trä gen vor. Zum Abdruck<br />

an ge nom me ne Arbeiten und Ab bil dun gen ge hen in das<br />

un ein ge schränk te Nutzungsrecht – sowohl in ge druck ter, als<br />

auch in elektronischer Form – des Ver la ges über, wenn nichts<br />

an de res schrift lich ver ein bart wur de. Ori gi nal dias wer den<br />

re gel mä ßig, Fo to ab zü ge, son sti ge Ab bil dun gen und Datenträger<br />

wer den nicht zu rück ge schickt. Sind eingereichte<br />

Bei trä ge bereits veröffentlicht worden, so ist der Ein sen dung<br />

die Angabe über Zeitpunkt und Art der Ver öf fent li chung sowie<br />

das Einverständnis des erst ver öf fent li chen den Ver la ges<br />

beizufügen. Das gilt auch für Ar ti kel, die bereits in einer<br />

an de ren Spra che ver öf fent licht wur den. Für un ver langt einge<br />

sand te Ma nu skrip te wird keine Ge währ über nom men, die<br />

An nah me bleibt vor be hal ten.<br />

Die veröffentlichten Beiträge sind ur he ber recht lich ge schützt.<br />

Alle Rechte, auch das der Über set zung in frem de Sprachen,<br />

sind vor be hal ten. Eine even tu el le Nach druck ge neh mi gung<br />

muss schrift lich er teilt wer den. Kein Teil dieser Zeit schrift<br />

darf ohne aus drück li che schrift li che Ge neh mi gung des Verla<br />

ges ver viel fäl tigt werden, sei es als Kopie, Mi kro film oder<br />

an de res Ver fah ren oder in eine von Ma schi nen lesbare Sprache<br />

über tra gen wer den. Unsere ge nau en Be din gun gen entneh<br />

men Sie bitte den Manu skript richt linien, die wir Ih nen<br />

<strong>auf</strong> Anfrage gerne zu schic ken.


Liebe Leserinnen und Leser,<br />

die Tage werden jetzt, Anfang Januar,<br />

bereits wieder länger. Zunächst<br />

nur in sehr kleinen Schritten, aber<br />

schon in ein paar Wochen dann<br />

in großen Sprüngen. Auch unsere<br />

<strong>Vögel</strong> nehmen die länger werdenden<br />

Tage wahr und reagieren dar<strong>auf</strong><br />

in vielfältiger Weise. Das Thema<br />

<strong>Vögel</strong> und Zeit ist einer der<br />

Forschungsschwerpunkte von<br />

Barbara Helm. Wir konnten<br />

sie dafür gewinnen, uns einen<br />

Einblick in ihre Arbeit zu<br />

geben.<br />

Wenn es ein Thema gibt, das<br />

Vogelschützer in ganz Europa<br />

in Rage bringt, dann ist es der<br />

illegale Vogelfang im Mittelmeergebiet.<br />

Malta ist hierfür schon<br />

fast ein Synonym. Wer es noch nie<br />

mit eigenen Augen gesehen hat,<br />

macht sich von den Zuständen <strong>auf</strong><br />

Malta kaum eine Vorstellung. Fangplätze<br />

allgegenwärtig und geschossen<br />

wird <strong>auf</strong> alles, was fliegt, ob<br />

Schreiadler, Flamingo, Bienenfresser<br />

oder Eisvogel. Selbst Schmetterlinge<br />

werden als Zielscheibe missbraucht.<br />

Seit Jahren kämpft BirdLife Malta,<br />

unterstützt von international agierenden<br />

Natur- und Vogelschutzverbänden<br />

wie dem Naturschutzbund<br />

Deutschland (NABU) oder dem<br />

Komitee gegen den Vogelmord<br />

Rennvogel.<br />

gegen diese Missstände <strong>auf</strong> Malta.<br />

Axel Hirschfeld und David Conlin<br />

vom Komitee gehören seit vielen<br />

Jahren zu den Aktivisten vor Ort.<br />

Dass der Protest gegen den illegalen<br />

Vogelfang und -abschuss erfolgreich<br />

sein kann zeigt – zumindest<br />

teilweise – Italien, wo in den vergangenen<br />

Jahrzehnten<br />

die Anzahl getöteter<br />

<strong>Vögel</strong> drastisch abgenommen<br />

hat. Einige<br />

Erfolge sind durchaus<br />

auch <strong>auf</strong> Malta zu<br />

verzeichnen, beispielsweise<br />

bei der Frühjahrsjagd.<br />

Der illegale<br />

Foto: U. Strecker.<br />

Abschuss von zum<br />

Teil geschützten Arten<br />

ist aber noch immer ein großes<br />

Problem <strong>auf</strong> dieser eigentlich sehr<br />

schönen Mittelmeerinsel. Der Slogan<br />

„Kein Urlaubsort wo Vogelmord“<br />

wird dennoch von den meisten Vogelschützern<br />

nicht mehr unterstützt.<br />

Vielmehr rufen sie dazu <strong>auf</strong> Malta<br />

zu besuchen und gegen den illegalen<br />

Vogelfang zu protestieren.<br />

NABU und LBV haben den Kormoran<br />

zum Vogel des Jahres <strong>2010</strong><br />

gewählt. Die Auseinandersetzungen<br />

bei diesem Reizthema werden zwischen<br />

Fischern und Anglern <strong>auf</strong> der<br />

einen und den Naturschutzverbänden<br />

<strong>auf</strong> der anderen Seite zum Teil<br />

recht heftig geführt. Die Diskussion<br />

hat beispielsweise auch die Internetseite<br />

www.Kormoranfreunde.de erfasst.<br />

Schauen Sie doch mal nach.<br />

Die Vereinten Nationen haben das<br />

Jahr <strong>2010</strong> zum internationalen Jahr<br />

der biologischen Vielfalt erklärt.<br />

Hierzu passend beschreibt uns Horst<br />

Wilkens die Vogelwelt <strong>Lanzarote</strong>s,<br />

einer Insel der Kanaren, die als das<br />

europäische Galapagos angesehen<br />

werden.<br />

Ich möchte die Gelegenheit nutzen<br />

und mich bei allen Autorinnen und<br />

Autoren, die im Jahr 2009 für die<br />

Zeitschrift Der Falke Beiträge<br />

geschrieben haben, ganz herzlich zu<br />

bedanken. Gleichzeitig möchte ich<br />

all diejenigen, deren Manuskripte<br />

wir leider nicht annehmen konnten,<br />

um Verständnis bitten.<br />

Ich wünsche Ihnen alles Gute zum<br />

neuen Jahr und viele schöne Stunden<br />

beim Beobachten unserer Vogelwelt!<br />

Ihr<br />

Dr. Norbert Schäffer<br />

Ornithologie aktuell<br />

Neue Forschungsergebnisse 2<br />

Beobachtungstipp<br />

Christoph Moning, Christopher König, Christian Wagner,<br />

Felix Weiß:<br />

Vorarlberger Rheindelta bei Bregenz am Bodensee:<br />

Das Helgoland des Südens 5<br />

<strong>Biologie</strong><br />

Barbara Helm:<br />

Zeitprogramme im Tages- und Jahresl<strong>auf</strong>:<br />

Vogel-Uhren und Kalender-<strong>Vögel</strong> 9<br />

Europäische Highlights<br />

Horst Wilkens:<br />

Vielfalt <strong>auf</strong> der Kanareninsel <strong>Lanzarote</strong>:<br />

<strong>Vögel</strong> <strong>auf</strong> <strong>Lava</strong> 16<br />

Aktion<br />

Jochen Dierschke, Volker Dierschke:<br />

Helgoländer Vogeltage 2009 24<br />

Vogelschutz<br />

Inhalt<br />

Axel Hirschfeld, David Conlin:<br />

Kein Ende in Sicht: Zugvogelwilderei <strong>auf</strong> Malta 30<br />

Christoph Hein im Falke-Gespräch:<br />

Vogeljagd im Mittelmeerraum 36<br />

Anita Schäffer:<br />

Malta: Rückkehr „häufiger“ Vogelarten 37<br />

Rote Liste 2009: Ist das weltweite Artensterben<br />

noch <strong>auf</strong>zuhalten? 39<br />

Veränderungen der Vogelwelt Großbritanniens 40<br />

Peter Herkenrath:<br />

Illegaler Fang in Südwestfrankreich: Ursache für<br />

den Rückgang der Ortolane? 38<br />

Veröffentlichungen<br />

Neue Titel 23<br />

Leute/Ereignisse<br />

Termine, TV-Tipps 26<br />

Bild des Monats<br />

Rätselfoto und Auflösung 28


Ornithologie aktuell<br />

MacGillivray-Sturmvogel:<br />

Seltene Beobachtung<br />

Zum zweiten Mal seit seiner Entdeckung vor über 150 Jahren<br />

konnte der seltene und vom Aussterben bedrohte MacGillivray-<br />

Sturmvogel (Pseudobulweria macgillivrayi) fotografiert werden.<br />

Nach seiner Entdeckung durch den britischen Naturforscher John<br />

MacGillivray <strong>auf</strong> der abgelegenen Fidschi-Insel Gau im Jahr 1855<br />

war der rund 30 Zentimeter große Vogel bislang erst einmal <strong>auf</strong><br />

einem Foto aus dem Jahr 1984 zu sehen. Britischen Forschern<br />

gelang es im Mai ein zweites Mal, den wohl seltensten Vogel der<br />

Welt abzulichten. Diesmal entdeckten die Wissenschaftler die auch<br />

als Fidschi-Sturmvogel bekannte Art 40 Kilometer südlich von<br />

Gau <strong>auf</strong> offener See.<br />

(wir)<br />

H. Shirihai u. a., Bulletin Brit. Ornithologist Club Sept. 2009.<br />

Steinkauz: Treue in Raum und Zeit<br />

Der Steinkauz nimmt in Nordosteuropa im Bestand deutlich ab<br />

und ist in Dänemark vom Aussterben bedroht. 27 mit einem<br />

Sender versehene Käuze in 14 Revieren wurden über zwei Jahre<br />

verfolgt. Verpaarte Eulen hielten sich das ganze Jahr über in<br />

der Nähe des Neststandortes <strong>auf</strong>, wobei sie sich nachts in der<br />

Hälfte der Fälle nicht über 125 Meter voneinander entfernten.<br />

Den größten Abstand zum Schlafplatz hatten die <strong>Vögel</strong> im<br />

Januar, den geringsten im Mai. Die Größe der Aktionsgebiete<br />

unterschied sich zwischen den Paaren um den Faktor zehn, wobei<br />

Paare mit direkt benachbarten Individuen unabhängig von<br />

der Habitatzusammensetzung ein zwei- bis dreifach größeres<br />

Aktionsgebiet einnahmen. Die Aktivitätsverteilung der Partner<br />

überlappt sich vollständig, sie leben dichter beeinander, als es<br />

zufällig zu erwarten wäre – ein Hinweis <strong>auf</strong> eine dauerhafte<br />

Paarbindung. Der Abstand zwischen den Partnern war vor der<br />

Eiablage nicht größer als im Rest des Jahres – ein Zeichen für<br />

einen geringen Einsatz des Männchens bei der „Bewachung“ des<br />

Partners. Kein Paar trennte sich. Verwitwete <strong>Vögel</strong> verließen<br />

allerdings ihr Revier innerhalb von sechs bis zwölf Monaten,<br />

falls sie keinen neuen Partner fanden.<br />

(wir)<br />

P. Sunde u. a., J. Ornithol. 150, 2009, S. 537-548,<br />

DOI: 10.1007/s10336-009-0378-2.<br />

Bülbül: Neue Art entdeckt<br />

Durch Zufall entdeckten Wissenschaftler der Wildlife Conservation<br />

Society und der Universität Melbourne in Laos im<br />

vergangenen Jahr eine neue Bülbül-Art. Olivgrünes Gefieder,<br />

etwas hellere Brust, vor allem aber ein unbefiederter Kopf verleihen<br />

der Neuentdeckung ein geradezu bizarres Aussehen. Der<br />

glatzköpfige Sänger unterscheidet sich sonst kaum von seinen<br />

Verwandten, ist aber der bislang einzige Singvogel Asiens ohne<br />

Federn im Gesicht und großen Teilen des dadurch rosafarben<br />

erscheinenden Kopfes. Die exotisch anmutende Neuentdeckung<br />

besiedelt die laotischen Kalksteingebirge. Der etwa drosselgroße<br />

Baumbewohner lebt zwar in einem Schutzgebiet zwischen Thailand<br />

und Vietnam, ist jedoch durch die stetig expandierende<br />

Landwirtschaft und den Kalksteinabbau bedroht und die wohl<br />

einzige endemische Vogelart von Laos. Dreizehn Jahre zuvor<br />

hatten Ornithologen bereits einen Schwarm „glatzköpfiger“<br />

<strong>Vögel</strong> ausmachen können, jedoch nur für wenige Sekunden.<br />

(wir)<br />

Woxvold u. a., Forktail 25, S.1-12, 2009.<br />

Saatkrähen: Fabelhaftes Verhalten<br />

Steinkauzmännchen und -weibchen eines Brutpaares leben auch<br />

außerhalb der Paarungszeit dichter beeinander als erwartet.<br />

Foto: H.-J. Fünfstück. Türkei, 16.6.2007.<br />

In der Fabel des griechischen Dichters Äsop wurde bereits vor<br />

mehr als zweieinhalb Jahrtausenden eine Krähe beschrieben,<br />

die so lange Steine in einen Krug wirft, bis sie das eingefüllte<br />

Wasser erreichen kann. Was in dem Werk „Die Krähe und der<br />

Krug“ beschrieben ist, konnten britische Forscher nun erstmals<br />

experimentell nachweisen, indem sie vier Saatkrähen zunächst<br />

Plastikröhren präsentierten, die mit Wasser in verschiedenen<br />

Höhen gefüllt waren und in denen ein Mehlwurm schwamm.<br />

Mit dem Schnabel konnten die <strong>Vögel</strong> die Beute nicht erreichen,<br />

weil der Wasserstand zu niedrig war. Dann erhielten sie Steine<br />

verschiedener Größe, die sie sofort in das Gefäß warfen, sodass<br />

der Wasserspiegel anstieg und sie an die im Wasser schwimmende<br />

Beute gelangen konnten. Nach wenigen Versuchen lernten sie<br />

zudem, dass sie mit größeren Steinen schneller zum Ziel kommen.<br />

Im Kontrollversuch war die Röhre statt mit Wasser mit<br />

Sägemehl gef üllt. Die Saatkrähen inspizier ten diese zwar, warfen<br />

jedoch nach wenigen Fehlversuchen Steine nur noch in den<br />

Behälter mit Wasser. In der freien Natur war Werkzeuggebrauch<br />

bei Saatkrähen bislang nicht dokumentiert – im Gegensatz zu<br />

den in Neukaledonien vorkommenden Geradschnabelkrähen<br />

(Corvus moneduloides). Möglicherweise liegt dies daran, dass<br />

Saatkrähen als Allesfresser nicht nur in der Kulturlandschaft<br />

2 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


stets einen reich gedeckten Tisch vorfinden, an dem sie sich meist<br />

ohne größeren Aufwand bedienen können. Bislang hat man ein<br />

derart offensichtlich zielgerichtetes Anheben des Wasserstandes<br />

im Tierreich nur bei Orang-Utans beobachtet.<br />

(wir)<br />

C. Bird, Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2009.07.033.<br />

Kaiserpinguine:<br />

Bestandserfassung über Satellitenfotos<br />

Die Ausscheidungen von Kaiserpinguinkolonien (Guano) helfen<br />

Wissenschaftlern des British Antarctic Survey (BAS) bei der<br />

Erforschung der Lebensraumnutzung der flugunfähigen <strong>Vögel</strong><br />

in der Antarktis. Die rotbraunen Guanoflächen <strong>auf</strong> Meereis sind<br />

<strong>auf</strong> Satellitenbildern deutlich zu sehen. Auf diese Weise können<br />

die Kolonien der wandernden Pinguine, die Forscher von Schiffen<br />

oder Hubschraubern aus beobachtet hatten, mit genauen<br />

Koordinaten versehen werden. Insgesamt wurden 38 Kolonien<br />

von Kaiserpinguinen mithilfe von Satellitenbildern festgestellt,<br />

zehn davon waren bisher unbekannt. Die Methode vereinfacht<br />

die Verfolgung der Pinguine, die durch schmelzendes Eis zur<br />

Wanderung gezwungen werden. Mithilfe hoch <strong>auf</strong>gelöster Aufnahmen<br />

wollen die Wissenschaftler nun die Kaiserpinguine auch<br />

zählen. Kenntnisse über Bestandszahlen und Wanderverhalten<br />

sollen dann wesentlich bessere Annahmen darüber ermöglichen,<br />

wie die Kaiserpinguine <strong>auf</strong> den Klimawandel reagieren. Durch das<br />

Abschmelzen des antarktischen Meereises wird der Lebensraum<br />

dieser Vogelart drastisch beeinflusst.<br />

A. Schäffer<br />

P. T. Fretwell u. P. N. Trathan, Global Ecology and Biogeography,<br />

18, 2009, DOI: 10.1111/j.1466-8238.2009.00467.x.<br />

Riesentukane: Schnabel als „Kühler“<br />

Die in Südamerika lebenden Riesentukane (Ramphastos toco)<br />

haben die größten Schnäbel unter den <strong>Vögel</strong>n. Dafür gibt es<br />

mehrere Erklärungen. Die überdimensionalen Schmuckstücke<br />

könnten einmal dazu dienen, mögliche Partner oder Partnerinnen<br />

<strong>auf</strong> sich <strong>auf</strong>merksam zu machen, wie schon Charles Darwin<br />

vermutete, zum anderen beim Pflücken und Auspressen oder<br />

Schälen großer Früchte hilfreich sein. Schließlich könnten sie<br />

bei der Eroberung von Nistplätzen helfen oder als Warnsignal<br />

dienen. Mit Wärmebildkameras wurde nun gezeigt, dass die<br />

Riesenschnäbel auch als Klimaanlage fungieren. Denn je höher<br />

die Außentemperatur steigt, umso mehr Blut pumpen die <strong>Vögel</strong> in<br />

die oberflächennahen Gefäße der prächtigen Schnäbel. Dadurch<br />

wird wie beim Elefantenohr Wär me an die Umgebung abgegeben.<br />

Der Schnabel eignet sich deshalb besonders als „Wärmeregulator“,<br />

weil er sowohl eine große Fläche hat als auch über kein<br />

isolierendes Federkleid verfügt. 30 bis 60 Prozent der gesamten<br />

Wärmeabgabe finden über diesen orange-gelben Kühler statt.<br />

Bei niedrigen Außentemperaturen verengen sich die Gefäße und<br />

die Wärmeabgabe am Schnabel sinkt fast <strong>auf</strong> null. Bei großer<br />

Anstrengung, etwa beim Fliegen, geben die <strong>Vögel</strong> dort für kurze<br />

Zeit sogar den gesamten Wärmeüberschuss an die Umwelt ab.<br />

Das können bis zu fünf Watt sein, immerhin das Vierfache jener<br />

Wärmemenge, die Riesentukane in Ruhephasen produzieren.<br />

Kritisch für die Tukane wird es, wenn die Außentemperatur nahe<br />

der Körpertemperatur liegt. Weil dann das Wärmetauscherprinzip<br />

kaum noch funktioniert, bleibt den <strong>Vögel</strong>n – außer der Suche<br />

nach einem schattigen Fleck und minimaler Bewegung – nur<br />

die Verdunstungskühlung: Wenn Wasser nach einem Bad <strong>auf</strong><br />

Artgerechte Vogelfütterung<br />

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Viele <strong>Vögel</strong> bevorzugen die Aufnahme<br />

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Ornithologie aktuell<br />

der Haut verdampfen, wird der Umgebung Wärme entzogen, um<br />

die Flüssigkeit in einen gasförmigen Zustand zu überführen.<br />

So kann der Körper einen Teil der angestauten Hitze loswerden.<br />

Ältere <strong>Vögel</strong> sind übrigens bei der Wärmeregulation über<br />

den Schnabel im Vorteil: Sie können die Austauschwärme<br />

des Schnabels weitaus flexibler regulieren. Jungvögel, deren<br />

Schnabel noch im Wachstum steckt, benötigen immer eine gute<br />

Blutzirkulation in diesem Körperteil, der immerhin ein Drittel<br />

der Körperoberfläche ausmacht. Die Wärmeregulation gelingt<br />

schlechter.<br />

(wir)<br />

G. Tattersall u. a., Science 325, 2009, S. 468.<br />

Ameisenvögel: Gesangsüberraschungen<br />

<strong>Vögel</strong> sind in ihrer <strong>Biologie</strong> immer wieder für Überraschungen gut,<br />

so auch die beiden peruanischen Ameisenvogelarten Hypocnemis<br />

peruviana und Hypocnemis subflava, was ihre Gesangskünste angeht.<br />

Bislang ging man davon aus, dass nahe verwandte Arten, die<br />

im gleichen Verbreitungsgebiet vorkommen und deren Lebensräume<br />

(Habitate) sich vielleicht sogar überschneiden, in den Gesängen<br />

deutlich unterscheiden. Solche sympatrischen Zwillingsarten wie<br />

etwa Fitis und Zilpzalp, Sumpf- und Weidenmeise, Garten- und<br />

Waldbaumläufer und regional auch Orpheus- und Gelbspötter<br />

unterscheiden sich deutlich in ihren Gesängen und sind für den<br />

Vogelbeobachter erst dadurch eindeutig zu unterscheiden. Durch<br />

die unterschiedlichen Gesänge wird gewährleistet, dass die beiden<br />

Zwillingsarten sich nicht miteinander verpaaren, was genetisch in<br />

der Regel in der Sackgasse enden würde, da die Nachkommen nicht<br />

fruchtbar sind. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Bei den beiden<br />

im peruanischen Regenwald nebeneinander lebenden Ameisenvogelarten<br />

unterscheiden sich die Gesänge kaum, sondern nähern<br />

sich sogar einander an, um den sozialen Wettbewerb durch bessere<br />

Kommunikation zu steigern. Als die Ornithologen der Universität<br />

Oxford Populationen der beiden Arten in Gebieten untersuchten,<br />

in denen sie nebeneinander vorkommen, und solchen, in denen<br />

sie voneinander getrennt leben, mussten sie feststellen, dass die<br />

beiden Arten durchaus in der Lage sind, sich nach einer drei Millionen<br />

Jahre langen getrennten Entwicklung gesanglich einander<br />

Der wuchtige Schnabel dient dem Riesentukan zur Regulierung<br />

der Körpertemperatur. Foto: J. Ferdinand. Brasilien, 19.11.2001.<br />

anzugleichen, die territorialen Gesänge dieser <strong>Vögel</strong> in Design und<br />

Funktion mehr oder weniger austauschbar sind. Die Ergebnisse<br />

zeigen erstmalig, dass Arten, die um Raum und Nahrungsressourcen<br />

im Wettbewerb stehen und miteinander konkurrieren, sich<br />

durch soziale Interaktion einander annähern. Umso wichtiger ist<br />

es, dass sie sich in der Gefiederzeichnung und anderen äußeren<br />

Merkmalen bzw. nicht territorialen Signalen unterscheiden, damit<br />

es auch zwischen ihnen nicht zu Verwechslungen kommt. (wir)<br />

J. Tobias u. a., Evolution, 2009, DOI: 10.1111/j.1558-5646.<br />

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4 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


Beobachtungstipp<br />

Das Schleienloch vor dem verschneiten Bregenzer<br />

Wald. Brutkolonie von Lachmöwe und<br />

Haubentaucher. Foto: C. Wagner. 11.5.2009.<br />

Vorarlberger Rheindelta bei Bregenz am Bodensee<br />

Das Helgoland des Südens<br />

Das Vorarlberger Rheindelta im<br />

Südosten des Bodensees ist<br />

eine beeindruckende Landschaft.<br />

Zwischen dem Alten Rhein an<br />

der Staatsgrenze Österreich/Schweiz<br />

und der Dornbirnerach sind rund<br />

2000 ha abwechslungsreiche Kulturund<br />

Naturlandschaft geschützt. Hier<br />

liegt ein herausragendes Brut- und<br />

Rastgebiet, in dem bisher über 330<br />

Vogelarten beobachtet wurden. So<br />

ist es nicht verwunderlich, dass die<br />

Landschaft als Natura 2000-Gebiet<br />

gemäß der Fauna-Flora-Habitat-<br />

Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie<br />

der EU sowie als Feuchtgebiet<br />

von internationaler Bedeutung nach<br />

der Ramsar-Konvention geschützt<br />

ist. Daneben ist das Rheindelta aber<br />

auch ein viel besuchtes Erholungsgebiet<br />

und wird landwirtschaftlich<br />

intensiv genutzt. Die Nutzung geht<br />

einher mit Entwässerungen und intensivem<br />

Hochwasserschutz. Auch<br />

intensive Freizeitnutzung findet im<br />

Gebiet statt. Daneben bietet die Mündung<br />

des Neuen Rheins mit den umfangreichen<br />

Sedimentablagerungen<br />

aber die für Mitteleuropa nahezu<br />

einmalige Chance, der Natur bei der<br />

Entwicklung neuer Lebensräume über<br />

die Schulter zu schauen.<br />

» Landschaftsgeschichte und<br />

Lebensräume<br />

Zwei Eingriffe beeinflussten und beeinflussen<br />

noch immer die Landschaft<br />

im Rheindelta: Die Regulierung des<br />

Alpenrheins und die Eindeichung der<br />

Riedwiesen.<br />

Der Alpenrhein ist der größte Wildfluss<br />

Mitteleuropas. Er schwemmt<br />

durchschnittlich etwa 2,5 Mio. Kubikmeter<br />

Feinsedimente pro Jahr in<br />

den Bodensee und verändert seine<br />

Mündungslandschaft ständig. Dadurch<br />

entstehen jährlich etwa zwei<br />

bis drei Hektar neue Landflächen.<br />

So sind allein im 20. Jahrhundert<br />

über 2 km² neues Land hinzugekommen.<br />

Seit über hundert Jahren darf<br />

der Rhein aber nur noch mit einem<br />

Bruchteil seiner ursprünglichen Gewalt<br />

in seinem natürlichen L<strong>auf</strong> den<br />

Bodensee erreichen, die Hauptwassermenge<br />

wird als „Neuer Rhein“<br />

durch den Fußacher Durchstich in<br />

die Fußacher Bucht geleitet. Dies<br />

hatte und hat großräumige Veränderungen<br />

in der Verlandungsdynamik<br />

zur Folge. Die Fussacher Bucht wird<br />

durch Anlandungen vom Bodensee<br />

Ein Charaktervogel des Bodensees ist<br />

die Kolbenente.<br />

Foto: C. Wagner. Albufera, 21.3.2009.<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 5


Beobachtungstipp<br />

abgeschnitten. Um die Sedimentmassen<br />

in tiefere Bereiche zu leiten<br />

und die Verlandung im Uferbereich<br />

zu stoppen, werden die Dämme fast<br />

jedes Jahr ein Stück weiter in den See<br />

hinaus verlängert. Trotzdem wird der<br />

Bodensee eines Tages mehr oder weniger<br />

vollständig verlandet sein. Was<br />

die Wasserwirtschaft in hektische<br />

Betriebsamkeit stürzt, ist für die Natur<br />

ein Segen. Es entstehen Jahr für<br />

Jahr neue Flachwasserbereiche und<br />

kleine Inseln, die in wenigen Jahren<br />

bewachsen und ein reichhaltiges Lebensraummosaik<br />

bilden. Solch eine<br />

Landschaftsdynamik findet man außerhalb<br />

der Küsten nur noch selten<br />

in Mitteleuropa, sie ist ein wichtiger<br />

Grund für die große Artenvielfalt im<br />

Vorarlberger Rheindelta.<br />

Seit der Eindeichung Ende der<br />

1950er / Anfang der 1960er Jahre<br />

wird der Wasserstand in einem<br />

rund 250 ha großen Teilbereich des<br />

Schutzgebietes künstlich reguliert,<br />

wodurch sich Vegetation und Fauna<br />

stark verändert haben. Es fehlen die<br />

regelmäßigen Überschwemmungen,<br />

der Niedermoorkörper sackt, die Wiesen<br />

werden teilweise intensiv genutzt<br />

oder es wird sogar Ackerbau betrieben.<br />

Dies ist ein wahrscheinlicher<br />

Grund dafür, dass die Wiesenbrüter<br />

im Rheindelta stark abgenommen<br />

Sturm- und Lachmöwen, aber auch Zwerg-, Schwarzkopf- und Mittelmeermöwen lassen<br />

sich in der Lagune regelmäßig beobachten. Foto: C. Wagner. Starnberg, 6.12.2009.<br />

haben oder wie die Uferschnepfen<br />

verschwunden sind.<br />

Neben den neuen Anlandungen und<br />

der Riedwiesen findet man im Vorarlberger<br />

Rheindelta <strong>auf</strong> über 100 ha<br />

Fläche vitale Schilffelder. Es sind die<br />

größten Schilfbestände Vorarlbergs.<br />

Nachdem das Schilf <strong>auf</strong>grund des<br />

Hochwassers von 1999 stark zurückgegangen<br />

war, erholt es sich seitdem<br />

wieder, mit dem Ergebnis, dass die<br />

Zwergdommel in den letzten Jahren<br />

stark zugenommen hat. Die größte<br />

Fläche im Vorarlberger Rheindelta<br />

nehmen aber die Flachwasserbereiche<br />

ein, die – je nach Wasserstand<br />

– teilweise trocken fallen. In diesem<br />

Zusammenhang sehr bemerkenswert<br />

ist, dass im Oberl<strong>auf</strong> des Rheins keine<br />

Stauwerke existieren, sodass der<br />

Wasserzufluss in den Bodensee nicht<br />

regulierbar ist. Hoch- und Niedrigwasser<br />

richten sich ganz nach den<br />

natürlichen Gegebenheiten wie Regen<br />

und Schneeschmelze.<br />

»»Besondere Vogelarten und<br />

Reisezeit<br />

Egal zu welcher Jahreszeit man das<br />

Vorarlberger Rheindelta besucht,<br />

man wird nicht enttäuscht werden.<br />

Neben der großen Möwen- und Seeschwalbenkolonie<br />

mit einzelnen<br />

Typische Vogelarten in Vorarlberger Rheindelta, deren Status und günstige Beobachtungszeit (in Klammern)<br />

h = häufiger, r = regelmäßiger, s = seltener, J = Jahresvogel, B = Brutvogel, W = Wintergast, D = Durchzügler, N = Nahrungsgast<br />

Art<br />

Status (beste Beobachtungszeit)<br />

Art<br />

Status (beste Beobachtungszeit)<br />

Singschwan<br />

rW (Okt.–März)<br />

Sanderling<br />

rD (Mai, Aug.–Okt.)<br />

Zwergschwan<br />

sW (Nov.–Jan.)<br />

Temminckstrandläufer<br />

rD (Mai, Aug.–Sept.)<br />

Kolbenente<br />

hJ<br />

Sichelstrandläufer<br />

rD (Mai, Aug–Sept.)<br />

Zwergsäger<br />

sW (Nov.–März)<br />

Zwergmöwe<br />

hD (April–Okt.)<br />

Wachtel<br />

sB (Mai–Aug.)<br />

Schwarzkopfmöwe<br />

sB (Mitte März–Juni)<br />

Sterntaucher<br />

sW (Nov.–Mai)<br />

Sturmmöwe<br />

sB, hW (ganzjährig)<br />

Zwergdommel<br />

rB (Mitte Mai–Aug.)<br />

Flussseeschwalbe<br />

hB (Mitte April–Mitte Sept.)<br />

Silberreiher<br />

rW (Sept.–April)<br />

Weißbart-Seeschwalbe<br />

rD (Mitte April–Mitte Juni)<br />

Seidenreiher<br />

sD (Mai–Juni)<br />

Trauerseeschwalbe<br />

hD (Mai–Juni, Aug.–Sept.)<br />

Fischadler<br />

rD (März–Mai, Sept.–Okt.)<br />

Raubwürger<br />

sW (Okt.–Feb.)<br />

Wiesenweihe<br />

sD (April–Mai)<br />

Rohrschwirl<br />

sB (Mitte April–Juni)<br />

Schwarzmilan<br />

rB, hD (April–Aug.)<br />

Schwarzkehlchen<br />

sB (März–Okt.)<br />

Merlin<br />

sW (Okt.–März)<br />

Braunkehlchen<br />

rB, rD (April–Okt.)<br />

Tüpfelsumpfhuhn<br />

rD (April, Juli–Okt.)<br />

Steinschmätzer<br />

rD (März–Mai, Aug.–Okt.)<br />

Säbelschnäbler<br />

sD (April–Mai)<br />

Thunbergschafstelze<br />

rD (Mai)<br />

Großer Brachvogel<br />

sB, hW (ganzjährig)<br />

Aschkopf-Schafstelze<br />

sD (Mai)<br />

Kiebitzregenpfeifer<br />

rD (Sept.–Nov.)<br />

Bergpieper<br />

rW (Okt.–April)<br />

6 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


Schwarzkopf- und Sturmmöwen, die<br />

im Frühjahr voller Leben ist, sollte<br />

man zu dieser Zeit <strong>auf</strong> Schilfbrüter<br />

wie Zwergdommeln, Rohrschwirle<br />

und Drosselrohrsänger achten. Der<br />

Frühjahrs- und Herbstzug der Seeschwalben<br />

(Weißbart-Seeschwalben<br />

regelmäßig) und vor allem Limikolen<br />

(regelmäßig 15 Limikolenarten, sofern<br />

der Wasserstand nicht zu hoch<br />

ist) ist herausragend. Zehntausende<br />

von Enten mausern, rasten und überwintern<br />

im Rheindelta. Sing- und<br />

Zwergschwäne kommen aus Brandenburg<br />

an den milden Bodensee,<br />

um hier die kalte Jahreszeit zu verbringen.<br />

Große Brachvögel überwintern<br />

im Rheindelta mit bis zu 600<br />

Individuen; einer der größten mitteleuropäischen<br />

Winterschlafplätze im<br />

Binnenland. Regelmäßig verschn<strong>auf</strong>en<br />

auch nordamerikanische, asiatische<br />

und südeuropäische Irrgäste<br />

im Rheindelta. Pfingsten ist für Seltenheiten<br />

der beste Zeitraum.<br />

» Beobachtungsmöglichkeiten<br />

Die B 202 führt von Bregenz nach<br />

Höchst, das an der Grenze zur<br />

Schweiz liegt und verbindet die Beobachtungsgebiete<br />

miteinander.<br />

Die Schleienlöcher erreicht man,<br />

wenn man direkt östlich der Brücke<br />

über den Neuen Rhein von der B 202<br />

nach rechts abbiegt. Man folgt deer<br />

dammparallelen Straße zirka 1,1 km<br />

und erreicht den Parkplatz (1) bei<br />

der Gaststätte „Fischerheim“. Vom<br />

Parkplatz geht man <strong>auf</strong> den Damm.<br />

Rechterhand liegt das Schleienloch<br />

mit ausgedehnten Schilffeldern, die<br />

im Mai hervorragende Möglichkeiten<br />

zur Beobachtung von Zwergdommeln,<br />

Rohrschwirlen und Drosselrohrsängern<br />

bieten. In der großen<br />

Lachmöwenkolonie brüten viele Haubentaucher<br />

und lassen sich ins Nest<br />

schauen. Die Lagune kann umrundet<br />

werden. Auf dem Hauptdamm in<br />

den See hinausgehend, erreicht man<br />

Schlickflächen (2). Diese sind in den<br />

letzten Jahren immer interessanter<br />

geworden. Leider muss man zu den<br />

spannendsten Flächen bis zu 4 km<br />

<strong>auf</strong> den Bodensee hinausgehen.<br />

Nicht fehlen sollte ein Besuch des<br />

Sanddeltas (4). Es ist meist die erste<br />

Anl<strong>auf</strong>stelle für die Beobachtung von<br />

Seltenheiten. Das Sanddelta erreicht<br />

man, indem man nicht vor, sondern<br />

Die Lagune mit Flussseeschwalbenflößen und Möweninseln<br />

lädt zum Staunen ein. Foto: C. Wagner. 18.5.2007.<br />

nach der Brücke über den Neuen Rhein<br />

nach Norden abbiegt und 1,6 km bis<br />

zu einer Schranke nach Norden fährt.<br />

Auch hier geht man <strong>auf</strong> dem Damm<br />

weiter. In der Lagune, die man nach<br />

einiger Zeit linkerhand erreicht, befindet<br />

sich die große Flussseeschwalben-<br />

und Lachmöwenkolonie. In dem<br />

Schilfflächen der Lagune kommt die<br />

Zwergdommel vor. Für die besten Limikolen-<br />

und Möwenplätze muss man<br />

den Rheindamm (5) bis zum Ende folgen.<br />

Hin- und Rückweg summieren<br />

sich so zu einem sehr ausgedehnten<br />

Spaziergang von rund 7 km. Bei (3),<br />

am Yachthafen vorbei, hat man einen<br />

guten Überblick über die Fussacher<br />

Bucht – Seeschwalben lassen sich von<br />

hier recht gut beobachten.<br />

Der Rohrspitz ist Ausgangspunkt<br />

für eine Exkursion in die Riedwiesen.<br />

Die kleine Straße zum Rohrspitz<br />

zweigt in Höchst von der B 202 ab.<br />

Die Zufahrt ist ausgeschildert. Parken<br />

kann man im Bereich des Seerestaurants<br />

„Glashaus“ (6) und des Campingplatzes<br />

„Salzmann Rohrspitz“.<br />

Direkt am Restaurant (7) entsteht<br />

bei niedrigem Wasserstand eine interessante<br />

Sandinsel, die unter anderem<br />

Limikolen Rastmöglichkeiten<br />

bietet. Im Winterhalbjahr schwimmen<br />

hier auch Sing- und einzelne<br />

Zwergschwäne. Wenn man <strong>auf</strong> dem<br />

Damm nach rechts (Osten) geht, umrundet<br />

man am Campingplatz vorbei<br />

die Fussacher Bucht (8). Rechterhand<br />

liegen dann die Riedwiesen. Auf dem<br />

Rückweg führt ein Abstecher kurz vor<br />

dem großen Pumpwerk nach rechts<br />

in die Wiesen. Dort brüten Braunund<br />

Schwarzkehlchen (9). Der Weg<br />

<strong>auf</strong> den Rohrspitz (10) ist vor allem<br />

im Frühjahr lohnend.<br />

» Weitere Beobachtungs- und<br />

Freizeitmöglichkeiten<br />

Wer am Bodensee Urlaub macht,<br />

findet um den Bodensee herum weitere<br />

lohnende Beobachtungsgebiete.<br />

Im Uhrzeigersinn sind dies:<br />

Die blauen Blüten der Sibirischen Schwertlilie (Iris sibirica)<br />

überziehen ab Mitte Mai die Riedwiesen.<br />

Foto: C. Wanger. Wetterwinkel, 11.5.2009.<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 7


Beobachtungstipp<br />

Die Seetaucherstrecke am Schweizer<br />

Bodenseeufer, die entsprechend<br />

ihrem Namen hervorragend zur Beobachtung<br />

von Pracht- und anderen<br />

Seetauchern geeignet ist. Im Winterhalbjahr<br />

sollte man von Uttwil,<br />

Kesswil und Güttingen fast immer<br />

gute Entdeckungen machen können.<br />

Dabei darf es aber nicht zu windig<br />

(Wellengang) oder trüb sein.<br />

Bei Konstanz wurde am Ufer des<br />

Bodensee-Untersees mit dem Wollmatinger<br />

Ried ein herausragender<br />

Uferabschnitt geschützt. Das Gebiet<br />

ist nur im Rahmen von Führungen<br />

zugänglich (s. u.), <strong>auf</strong> eigene Faust<br />

kann man vom Beobachtungsturm<br />

in der Burgruine Schopflen <strong>auf</strong> dem<br />

Reichenaudamm die Flachwasserzonen<br />

der Hegnebucht und des Wollmatinger<br />

Rieds einsehen (Spektiv!).<br />

Das Eriskircher Ried südlich von<br />

Friedrichshafen ist vor allem wegen<br />

der Irisblüte (Iris sibirica) im Mai/<br />

Juni bekannt. Die davor liegenden<br />

geschützten Flachwasserzonen sind<br />

dann im Winter interessanter.<br />

Ein Abstecher ins Gebirge ist vor<br />

allem ab Mai lohnend. Eine Wanderung<br />

über die Öberlealmen <strong>auf</strong><br />

die Kanisfluh (die Spitze nennt sich<br />

Holenke) belohnt mit vielen Alpenarten.<br />

Juwelen der alpinen Höhen<br />

sind Steinrötel, die in den Südhängen<br />

über dem Alpengasthof Edelweiß<br />

zwei bis drei Reviere haben und sogar<br />

von der Terrasse (dann aber weit<br />

entfernt) beob achtet werden können.<br />

Der Alpengasthof hat in der Regel<br />

ab Pfingsten geöffnet. Dann ist auch<br />

eine gute Zeit für die Tour.<br />

Christian Wagner, Christopher König,<br />

Christoph Moning, Felix Weiß<br />

8 Der Falke 57, <strong>2010</strong><br />

Infomaterial/Literatur:<br />

Moning, C. & C. Wagner (2005): <strong>Vögel</strong><br />

beobachten in Süddeutschland<br />

– Die besten Beobachtungsgebiete<br />

zwischen Mosel und Watzmann. –<br />

Franckh-Kosmos-Verlag GmbH &<br />

Co. KG, Stuttgart.<br />

www.rheindelta.com ist die Internetseite<br />

zum Vorarlberger Rheindelta<br />

mit Gebietsübersicht und kommentierter<br />

Artenliste. Mit vielen weiteren<br />

Informationen gibt sie den umfangreichen<br />

Wissensstand zu dem Gebiet<br />

wider.<br />

Anfahrt<br />

Mit Bahn und Bus:<br />

Ein großer Bahnhof liegt in Bregenz, zirka 8,5 km<br />

vom Startpunkt zum Sanddelta (4) entfernt. Der<br />

nächste Bahnhof ist der Gemeinschaftsbahnhof<br />

Hard/Fussach. Von dort sind es knapp 4 km bis<br />

zum Parkplatz und damit fast Wanderentfernung.<br />

Mit dem Auto:<br />

Bregenz befindet sich 9 km südöstlich von Lindau<br />

in Österreich. Wer von Deutschland aus anfährt,<br />

muss beachten, dass in Österreich <strong>auf</strong> den Autobahnen<br />

Vignettenpflicht herrscht. Wer kein Geld für<br />

die Straßenbenutzung ausgeben will, kann <strong>auf</strong> der B 202 durch das Zentrum<br />

der Stadt Bregenz hindurch das Gebiet erreichen. Da in Bregenz oftmals viel<br />

Verkehr herrscht, steht man vor allem während der Stoßzeiten oft im Stau.<br />

Adressen<br />

NABU Naturschutzzentrum Wollmatinger Ried, Kindlebildstraße 87, 78479<br />

Reichenau, Tel.: 07531-78870, E-Mail: nabu.wollried@t-online.de, www.nabuwollmatingerried.de.<br />

Anmeldung für Gruppenführungen.<br />

Naturschutzzentrum Eriskirch, Bahnhofstr. 24, 88097 Eriskirch, Tel.:<br />

07541-81888, E-Mail: info@naz-eriskirch.de, Öffnungszeiten der Ausstellung:<br />

1. April–30. September: Dienstag–Sonntag und Feiertage 14–17 Uhr, Freitag<br />

zusätzlich 9–12 Uhr; 1. Oktober–31. März: Dienstag–Donnerstag 14–16 Uhr,<br />

Freitag 9–12 Uhr, Sonntag und Feiertage 14–17 Uhr.<br />

Beobachtungsmeldungen an: Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee,<br />

Beyerlestraße 22, 78464 Konstanz, Tel.: 07531-65633, E-Mail: info@<br />

bodensee-ornis.de. Die Internetseite der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft<br />

www.bodensee-ornis.de ist sehr informativ und eignet sich zur Vorbereitung<br />

<strong>auf</strong> eine Bodenseereise. Die zum Herunterladen bereitgestellten<br />

OAB-Rundbriefe geben einen guten Überblick über das jahreszeitliche Auftreten<br />

aller Vogelarten im Bodenseeraum und eine kommentierte Artenliste<br />

gibt umfassend Auskunft über das jahreszeitliche Auftreten und die Häufigkeit<br />

der vorkommenden Arten.<br />

Karte aus Moning & Wagner (2005): <strong>Vögel</strong> beobachten in Süddeutschland. Kosmos, Stuttgart.


<strong>Biologie</strong><br />

Zeitprogramme im Tages- und Jahresl<strong>auf</strong>:<br />

Vogel-Uhren<br />

und Kalender-<strong>Vögel</strong><br />

Timing is everything! Als ob es nicht schwierig genug wäre für <strong>Vögel</strong>, den vielen alltäglichen<br />

Anforderungen gerecht zu werden: Nahrungssuche, Vermeidung von Beutegreifern, Parasiten<br />

und Krankheiten, Wettbewerb um Brutpartner und Territorien, Aufzucht der Jungen ... Zusätzlich<br />

spielt für die Bewältigung dieser Aufgaben eine oft entscheidende Rolle, zur richtigen<br />

Zeit am richtigen Ort zu sein und sich im richtigen körperlichen Zustand zu befinden. Dabei<br />

helfen den <strong>Vögel</strong>n ihre inneren Uhren und Kalender.<br />

Für den menschlichen Beobachter<br />

sind <strong>Vögel</strong> eng verbunden<br />

mit zeitlicher Präzision. Ganz<br />

allgemein symbolisiert der Hahnenschrei<br />

<strong>auf</strong> dem Hof den morgendlichen<br />

Weckruf, und die Ankunft<br />

von Zugvögeln markiert den Frühling.<br />

Aber die von den Menschen<br />

0:00<br />

„Vogeluhr“<br />

Tageszeit des ersten<br />

Morgengesangs<br />

6:00<br />

beobachtete Präzision geht noch viel<br />

weiter: Unter „Vogel-Uhr“ verstehen<br />

Fachleute die spezielle Reihenfolge,<br />

in der die <strong>Vögel</strong> mit ihren Aktivitäten,<br />

und besonders mit dem morgendlichen<br />

Gesang, beginnen. Arten<br />

wie Hausrotschwanz, Amsel und Rotkehlchen<br />

gehören zu den frühesten<br />

Star<br />

Hausrotschwanz<br />

Rotkehlchen<br />

Amsel<br />

Kuckuck<br />

Kohlmeise<br />

Buchfink<br />

Haussperling<br />

Sängern, während andere Arten, z. B.<br />

Buchfink und Pirol, erst deutlich später<br />

aktiv werden. Ähnlich sind auch<br />

bei Zugvögeln die Ankunftszeiten<br />

von Art zu Art verschieden: „Eine<br />

Schwalbe macht noch keinen Sommer“,<br />

aber wenn der Neuntöter und<br />

der Grauschnäpper eintreffen, dann<br />

sollten auch Eisdielen, Biergärten<br />

und Schwimmbäder ihre Tore öffnen.<br />

Arttypische Ankunftszeiten spiegeln<br />

sich im deutschen Sprachraum<br />

auch in Bauernregeln wider, die die<br />

Ankunft einiger Arten genau charakterisieren.<br />

In manchen anderen<br />

landwirtschaftlichen Gesellschaften<br />

gilt die Ankunft von Zugvogelarten<br />

bis in unsere Zeit als Startsignal z. B.<br />

zur Aussaat bestimmter Kulturpflanzen.<br />

Solche Pünktlichkeit ist umso<br />

erstaunlicher, als Zugvögel den richtigen<br />

Zeitpunkt zur Rückkehr in die<br />

Brutgebiete von oft weit entfernten<br />

Winterquartieren aus einschätzen<br />

müssen. <strong>Vögel</strong> haben also ihre Symbolkraft<br />

für die „Zeit“ durchaus verdient.<br />

Aus diesem Grund sind <strong>Vögel</strong><br />

auch von hohem Interesse für die Erforschung<br />

der „Inneren Uhr“, mit der<br />

sich die Chronobiologie (<strong>Biologie</strong> der<br />

Zeit) befasst.<br />

Schematische Darstellung der Vogeluhr.<br />

Die Piktogramme zeigen die ungefähre<br />

Tageszeit (in normaler mitteleuropäischer<br />

Zeit), zu der die dargestellten Vogelarten<br />

im Mai in Deutschland mit ihrem Morgengesang<br />

beginnen.<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 9


<strong>Biologie</strong><br />

1. Januar<br />

»»Tagesuhren: „Wecker und<br />

Photometer“<br />

Vogelforschern, die die genauen<br />

morgendlichen Aktivitätsbeginne<br />

und ersten Gesangszeiten einiger Vogelarten<br />

notiert hatten, war zunächst<br />

eine deutliche Beziehung zum Tageslicht<br />

<strong>auf</strong>gefallen. In Abhängigkeit<br />

vom Ort und der Jahreszeit finden<br />

Sonnen<strong>auf</strong>gang, Sonnenuntergang<br />

und Dämmerung zu verschiedenen<br />

Tageszeiten statt. Diese Unterschiede<br />

beeinflussen auch die Tageszeit, zu<br />

der ein Vogel aktiv wird. Dementsprechend<br />

wurde zunächst davon<br />

ausgegangen, dass die Aktivitätszeit<br />

von <strong>Vögel</strong>n durch eine Art von<br />

„Photometer“ (also durch Bestimmung<br />

der Lichtintensität) gesteuert<br />

wird. Genauere Untersuchungen ergaben<br />

aber ein komplizierteres und<br />

spannenderes Bild. Wenn <strong>Vögel</strong> ohne<br />

Informationen über die Tageszeit in<br />

einem teilweise abgedunkelten Raum<br />

gehalten werden, zeigen sie dennoch<br />

klare Muster von Aktivität und Ruhe,<br />

die sich in etwa 24-stündigem Rhythmus<br />

wiederholen. Verfolgt man diese<br />

Rhythmen jedoch über mehrere Tage,<br />

dann zeigt sich, dass die Zeiten der<br />

<strong>Vögel</strong> langsam und kontinuierlich<br />

„wandern“: Die <strong>Vögel</strong> folgen ihrer<br />

eigenen, inneren Uhr, die aber nicht<br />

ganz präzise ist und deshalb auch als<br />

„Vogelkalender“<br />

Mittlere Erstankunft<br />

von Zugvögeln<br />

1. Juli<br />

„circadiane“ Uhr (von circa = ungefähr,<br />

und dies = Tag) bezeichnet wird.<br />

Bei <strong>Vögel</strong>n, deren innere Uhr schneller<br />

läuft als 24 Stunden, verfrüht sich<br />

die Aktivität täglich um einige Minuten,<br />

und bei <strong>Vögel</strong>n mit einer langsameren<br />

Uhr als 24 Stunden beginnt<br />

die Aktivität täglich etwas später.<br />

Feldlerche<br />

Star<br />

Singdrossel<br />

Kiebitz<br />

Zilpzalp<br />

Ringeltaube<br />

Knäkente<br />

Fitis<br />

Wiedehopf<br />

Kuckuck<br />

Turteltaube<br />

Bruchwasserläufer<br />

Mauersegler<br />

Pirol<br />

Neuntöter<br />

Erstankunftszeiten einiger Zugvogelarten im Frühling in Tschechien. Die Daten wurden<br />

von Hubálek über einen Zeitraum von 1952 bis 2001 gemittelt.<br />

Dieser „Freil<strong>auf</strong>“ ist der Beleg dafür,<br />

dass die <strong>Vögel</strong> nicht nur <strong>auf</strong> ein äußeres<br />

Umweltsignal (normalerweise<br />

das Tageslicht) reagieren, sondern<br />

schon innerlich <strong>auf</strong> den Beginn des<br />

kommenden Tages vorbereitet sind.<br />

Dies hat entscheidende Vorteile. Viele<br />

Aspekte der Physiologie, wie die Kör-<br />

22:00<br />

18:00<br />

Tageszeit<br />

14:00<br />

10:00<br />

Edinburgh Dämmerung<br />

München Dämmerung<br />

06:00<br />

02:00<br />

1. Jan.<br />

1. April<br />

1. Juli 1. Okt.<br />

18:00<br />

Tageszeit<br />

14:00<br />

10:00<br />

München Dämmerung<br />

Kolonieflüge<br />

06:00<br />

02:00<br />

1. Jan.<br />

1. April<br />

1. Juli 1. Okt.<br />

Dohlenflug und Dämmerung. Oben: Veränderung der Tageszeiten<br />

von Beginn und Ende der Dämmerung im Jahresl<strong>auf</strong><br />

(Beispiele München und Edinburgh). Unten: Tageszeit von<br />

Abflug 10 und Ankunft Der Falke der 57, Dohlen <strong>2010</strong> am Schlafplatz.<br />

<br />

Abbildung nach einer Zusammenstellung von Aschoff und v. Holst.<br />

Foto: H. Glader. Niederrhein, November 2007.


Kranich - eine Art, die ihr Zugverhalten<br />

in den letzten Jahren<br />

bemerkenswert schnell umstellen<br />

konnte.<br />

Foto: H. Jaschhof.<br />

pertemperatur und Hormone, werden<br />

so gesteuert, dass der Vogel mit Beginn<br />

seiner Aktivitätszeit „durchstarten“<br />

kann. Unter natürlichen Bedingungen<br />

bestimmen die innere, circadiane<br />

Uhr und die äußere Uhr, die<br />

durch die Umwelt vorgegeben ist, gemeinsam<br />

die Aktivitätszeit der <strong>Vögel</strong>.<br />

Die circadiane Uhr ist der „Wecker“,<br />

der den nahenden Tag ankündigt. Die<br />

äußere Uhr stellt diesen Wecker genau<br />

ein und passt die Aktivitätszeit<br />

ggf. an die jeweiligen Tagesbedingungen<br />

an. Dabei fällt dem Sonnenstand<br />

die Rolle des „Zeit gebers“ zu,<br />

der die Uhr stellt, während andere<br />

Faktoren wie Temperatur und Wetter<br />

mitbestimmen, wie sich ein Vogel um<br />

eine bestimmte Uhrzeit verhält. So<br />

lässt sich verstehen, wie es den <strong>Vögel</strong>n<br />

gelingt, einerseits <strong>auf</strong> den Tag<br />

vorbereitet zu sein, aber andererseits<br />

ihren Tagesabl<strong>auf</strong> an die aktuellen<br />

Bedingungen anzupassen, denen sie<br />

an einem bestimmten Tag und Ort<br />

ausgesetzt sind.<br />

» „Lerchen und Eulen“:<br />

Vielfalt der Uhren<br />

Die erwähnte, klassische Vogeluhr<br />

zeigt an, dass sich die Vogelarten<br />

deutlich in ihren Zeitmustern unterscheiden.<br />

Diese Unterschiede basieren<br />

<strong>auf</strong> ererbten, arttypischen Programmen,<br />

die steuern, wie ein Vogel<br />

<strong>auf</strong> Lichtintensität und andere Umweltfaktoren<br />

reagiert. Beispielsweise<br />

pendelt sich die Kombination von<br />

Wecker und Photometer so ein, dass<br />

ein Rotkehlchen bereits bei der ersten<br />

Dämmerung, ein Buchfink aber erst<br />

bei relativ hellem Licht zu singen<br />

beginnt. Auch viele andere Eigenschaften<br />

von Vogelarten haben sich<br />

in engem Zusammenhang mit einem<br />

bestimmten tageszeitlichen Verhalten<br />

entwickelt. Arten, die bereits nachts<br />

und in der frühen Dämmerung aktiv<br />

sind, haben z. B. in der Regel einen<br />

größeren Augendurchmesser als rein<br />

tagaktive Arten. Aber selbst innerhalb<br />

von Arten gibt es deutliche Unterschiede<br />

zwischen Individuen, die<br />

ausgesprochene „Früh<strong>auf</strong>steher“ sind,<br />

und anderen, die eher spät <strong>auf</strong>stehen.<br />

Dies gilt nicht nur für <strong>Vögel</strong>, sondern<br />

auch für uns Menschen. In Selbstversuchen<br />

und später in gezielten<br />

Experimenten, in denen freiwillige<br />

Probanden in einem unterirdischen<br />

Bunker ohne zeitliche Informationen<br />

auskommen mussten, zeigte sich,<br />

dass beim Menschen der Tagesabl<strong>auf</strong><br />

ebenso von einer Kombination aus<br />

innerer und äußerer Uhr bestimmt<br />

wird. Auch beim Menschen gibt es<br />

deutliche Unterschiede zwischen<br />

„Früh<strong>auf</strong>stehern“ und „Spät<strong>auf</strong>stehern“<br />

(besser: Morgentypen und<br />

Abendtypen). Und wiederum sind<br />

es <strong>Vögel</strong>, die als Symbole für diese<br />

Typen namengebend verwendet werden:<br />

„Lerchen“ für die Morgentypen<br />

und „Eulen“ für die Abendtypen.<br />

» Jahresuhren: Die Rückkehr<br />

der Zugvögel<br />

Das jahreszeitliche Verhalten der <strong>Vögel</strong><br />

hat für Menschen ganz besondere<br />

Bedeutung. Schon aus ägyptischen<br />

Dokumenten, aus der Bibel und aus<br />

griechischen Schriften sind Beobachtungen<br />

über die Ankunft von<br />

Kranichen und Gänsen erhalten.<br />

Mündliche Überlieferungen über Ankunft<br />

und Abzug der Zugvögel, über<br />

Brutaktivitäten und über Beginn und<br />

Ende der Gesangsperiode sind in<br />

Form von Bauernregeln und Mythen<br />

aus vielen Kulturen bekannt. Wie bei<br />

der Tagesuhr unterscheiden sich die<br />

Zeitpläne je nach Lokalität. Für einen<br />

vorgegebenen Ort jedoch lässt sich<br />

saisonales Verhalten wie eingangs<br />

erwähnt ähnlich wie bei der Vogeluhr<br />

arttypisch als „Vogelkalender“<br />

darstellen: Auch bei der Jahresuhr<br />

gibt es Vogelarten, die notorisch früh<br />

oder aber spät im Jahr ankommen,<br />

brüten, mausern oder abziehen. Am<br />

deutlichsten lässt sich dieses Spektrum<br />

für die erste Ankunft im Frühjahr<br />

zeigen.<br />

Lange schon haben Vogelinteressierte<br />

überlegt, woher die <strong>Vögel</strong> ihr<br />

präzises Wissen über die Jahreszeiten<br />

gewinnen. Vogelliebhabern, die Zugvögel<br />

in menschlicher Obhut hielten,<br />

0 6 12 18 0 6 12 18 24<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

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10<br />

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16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

Die freil<strong>auf</strong>ende circadiane Uhr einer Kohlmeise. Die Aktivität<br />

der Kohlmeise ist als blauer Balken über eine Zeit von<br />

21 Tagen in Zeilen dargestellt. An den ersten beiden Tagen<br />

richtet sich die Meise nach Lichtzeiten (oberer Balken),<br />

dann wird der Raum teils abgedunkelt. Die Meise folgt nun<br />

ihrer inneren Uhr und wird jeden Tag etwas früher aktiv<br />

(die Daten sind für bessere Sichtbarkeit zweimal nebeneinander<br />

gesetzt).<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 11


<strong>Biologie</strong><br />

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 0<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

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1-04<br />

2<br />

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6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

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30<br />

1-05<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

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22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

28<br />

29<br />

30<br />

31<br />

Frühlingszugunruhe eines sibirischen Schwarzkehlchens. Die Darstellung<br />

zeigt die von passiven Infrarotsensoren <strong>auf</strong>gezeichnete Aktivität des Vogels<br />

in den Monaten März bis Mai (schwarze Striche: 10-Minuten Intervalle<br />

mit Aktivität). In der rechten Spalte ist die Aktivität <strong>auf</strong>einanderfolgender<br />

Tage gegen die Tageszeit <strong>auf</strong>getragen, wobei jede Zeile einen<br />

Tag angibt. Für bessere Sichtbarkeit wird links davon der vorangegangene<br />

Tag nochmals gezeigt. Anfang März ist der Vogel fast ausschließlich<br />

tagaktiv. Die Zugunruhe zeigt sich als Nachtaktivität ab Ende März und<br />

endet Mitte Mai. Am 27. April wurde der Vogel <strong>auf</strong> Reaktivität seines<br />

Immunsystems getestet.<br />

Aktogramm: W. Jensen.<br />

6<br />

Männliches Schwarzkehlchen aus einer irischen Population.<br />

<br />

Foto: G. Hoffmann.<br />

war <strong>auf</strong>gefallen, dass besonders die nächtlich ziehenden<br />

Arten während der Zugperiode ihrer frei lebenden Artgenossen<br />

unruhig wurden, obwohl ihre regelmäßige Versorgung<br />

durch Menschen gesichert war. Diese „Zugunruhe“<br />

oder „Wanderlust“ gab Anlass zu Spekulationen, dass<br />

<strong>Vögel</strong> in der Tat einen inneren „Kalender“ in sich tragen<br />

könnten, der ihnen die richtigen Abflugzeiten angibt. Dies<br />

konnte dann 1967 zum ersten Mal durch den deutschen<br />

Verhaltensforscher Eberhard Gwinner auch experimentell<br />

eindeutig nachgewiesen werden. Gwinner zeigte zunächst<br />

am Fitis und später auch an vielen weiteren Vogelarten,<br />

dass die Jahresuhr ähnlich wie die Tagesuhr auch dann<br />

weiterläuft, wenn <strong>Vögel</strong> keinerlei Umweltinformationen<br />

über die Jahreszeit erhalten. Die <strong>Vögel</strong> wurden mehrere<br />

Jahre lang unter immer gleichen Licht- und Temperaturverhältnissen<br />

gehalten und erhielten auch ganzjährig dieselbe<br />

Nahrung. Dennoch zeigten sie klare Jahresrhythmen<br />

von Mauser und Zugunruhe. Doch wie bei den Experimenten<br />

zur circadianen Uhr waren die Rhythmen nicht<br />

mit dem äußeren Jahr synchronisiert, sondern entfernten<br />

sich kontinuierlich von der natürlichen Mauser- und Zugzeit.<br />

Auch die Jahresuhr läuft also nicht ganz präzise und<br />

wird deshalb als „circannualer“ Kalender (von circa = ungefähr,<br />

und annus = Jahr) bezeichnet.<br />

Da diese Experimente sehr zeit intensiv sind, ist die circannuale<br />

Uhr der <strong>Vögel</strong> weit weniger genau erforscht als<br />

die circadiane Uhr. Bei allen bisher untersuchten Singvogel<br />

arten lief die Jahresuhr schneller als das äußere<br />

Jahr. Im Gegensatz dazu benötigten die beiden bisher von<br />

Theunis Piersma untersuchten Limikolenarten Knutt und<br />

Großer Knutt deutlich länger als ein Jahr, um einen Jahreszyklus<br />

von Mauser und Körpermasseveränderungen<br />

zu durchleben. Ähnlich wie bei der Tagesuhr funktioniert<br />

auch die Jahresuhr als Zusammenspiel von inneren und<br />

äußeren Zeitinformationen. Die für <strong>Vögel</strong> wichtigste Informationsquelle,<br />

die den Kalender richtig stellt, ist die jährliche<br />

Veränderung in der Länge des Tageslichts. Dies lässt<br />

sich experimentell zeigen, indem man <strong>Vögel</strong> zur falschen<br />

Jahreszeit allein durch längere oder kürzere Lichtzeiten zu<br />

saisonalen Aktivitäten wie Brut oder Mauser stimulieren<br />

kann. Im Freiland wiederum sind viele weitere Faktoren<br />

wie z. B. Wetterbedingungen, das Nahrungs angebot oder<br />

das soziale Umfeld für das genaue zeitliche Verhalten mitverantwortlich.<br />

Wie die innere Uhr hat vermutlich auch<br />

der innere Kalender die Aufgabe, <strong>Vögel</strong> rechtzeitig <strong>auf</strong><br />

bevorstehende Jahreszeiten und die dazugehörigen Aktivitäten<br />

wie Brut, Zug oder Mauser vorzubereiten. Schließlich<br />

bedarf es jeweils wochenlanger Vorbereitung, bis ein<br />

Vogel nach der Winterpause reproduk tions bereit oder<br />

12 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


das Gefieder komplett erneuert ist.<br />

Bei Langstreckenziehern regeln Programme<br />

meist schon lange vor Zugbeginn<br />

den rechtzeitigen Aufbau von<br />

Energiespeichern für die Reise. Eine<br />

weitere Aufgabe des inneren Kalenders<br />

liegt vermutlich darin, dass er<br />

besonders Langstreckenzieher davor<br />

schützt, ihr jahreszeitliches Verhalten<br />

nach irreführenden, lokalen Faktoren<br />

zu richten. So stimulieren längere<br />

Tage das Brutverhalten im Frühjahr,<br />

aber nicht im Winterquartier, wo<br />

Zugvögel zumindest <strong>auf</strong> der Südhalbkugel<br />

ja ebenfalls langen Tagen<br />

und oft auch günstigen Bedingungen<br />

ausgesetzt sind.<br />

»»„Kalendervögel und<br />

Wettervögel“<br />

Saisonale Aktivitäten verschiedener<br />

Arten unterscheiden sich nicht nur<br />

im Zeitplan, sondern auch in ihrer<br />

Pünktlichkeit. Auch dies war Vogelbeobachtern<br />

schon lange bekannt<br />

und führte zur Unterscheidung zwischen<br />

„Kalendervögeln“ und „Wettervögeln“.<br />

Kalendervögel zeichnen sich<br />

durch präzise, artspezifische Zeitmuster<br />

besonders beim Vogelzug aus. Zu<br />

ihnen zählen „klassische Zugvögel“,<br />

also Langstreckenzieher wie Mauersegler,<br />

Neuntöter und Wespenbussard.<br />

Ein besonders eindrucksvolles<br />

Beispiel für zeitliche Präzision bietet<br />

eine Studie, die Gunnarson und<br />

Kollegen an der Uferschnepfe durchgeführt<br />

haben. Bei dieser Art überwintern<br />

Weibchen und Männchen in<br />

Winterquartieren, die etwa 1000 km<br />

auseinanderliegen. Dennoch gelingt<br />

es den Brutpartnern, die unabhängig<br />

voneinander ziehen, ihre Ankunft<br />

im isländischen Brutgebiet zeitlich<br />

genau <strong>auf</strong>einander abzustimmen.<br />

Solche Verhaltensweisen sind kaum<br />

anders erklärbar als durch innere Kalender,<br />

die den richtigen Zeitpunkt<br />

vorgeben und die <strong>Vögel</strong> gleichzeitig<br />

auch gegen größere Abweichungen<br />

vom Zeitplan in Reaktion <strong>auf</strong> örtliche<br />

Faktoren abschirmen.<br />

Das andere Extrem im Spektrum<br />

von saisonalem Verhalten repräsentieren<br />

die „Wettervögel“. Hierbei handelt<br />

es sich um Arten, deren Wanderungen<br />

weitgehend von aktuellen lokalen<br />

Faktoren, besonders vom Wetter<br />

und vom Nahrungsangebot, beeinflusst<br />

werden. Aus diesem Grund<br />

Sept. Dez. März Juni Sept.<br />

Der freil<strong>auf</strong>ende circannuale Kalender<br />

eines Fitis, der über mehr als zwei Jahre<br />

unter unveränderten Bedingungen gehalten<br />

wurde. Dargestellt ist die Abwechslung von<br />

Pränuptialmauser<br />

Postnuptialmauser<br />

Frühlingszugunruhe<br />

Herbstzugunruhe<br />

Mauser und Zugunruhe in den <strong>auf</strong>einanderfolgenden Jahren (Zeilen). Der Fitis folgt<br />

seinem inneren Kalender und beginnt seine Aktivitäten zunehmend früher im Jahr.<br />

ziehen sie in <strong>auf</strong>einanderfolgenden<br />

Jahren oft zu unterschiedlichen<br />

Zeiten oder über unterschiedliche<br />

Strecken. Zu den Wettervögeln zählen<br />

viele Kurzstreckenzieher, Teilzieher<br />

(Arten, von denen ein Teil der Population<br />

das Brutgebiet verlässt und<br />

der andere im Brutgebiet überwintert)<br />

und nomadische oder irruptive<br />

(plötzlich in großer Zahl <strong>auf</strong>tretende)<br />

Arten, z. B. Kiebitz, Star, Erlenzeisig<br />

oder Seidenschwanz. Die Steuerung<br />

des Verhaltens gerade bei Wettervögeln<br />

ist noch wenig verstanden. Hier<br />

besteht großes Potenzial durch neue<br />

Entwicklungen der Mikrotechnologie,<br />

besonders von Datenloggern und<br />

Sendern, über die auch der Falke<br />

berichtet (z. B. 2001, H. 5; 2009, H. 7).<br />

Mithilfe dieser Techniken können tiefe<br />

Einblicke in das Verhalten von individuellen<br />

Tieren bei gleichzeitiger<br />

Kenntnis von Umweltbedingungen<br />

gewonnen werden.<br />

»»Spezialisierte Zeitprogramme<br />

in verschiedenen Lebensräumen:<br />

Schwarzkehlchen als Modellart<br />

Angeborene Zeitprogramme können<br />

nur dann zu richtigem zeitlichem<br />

Verhalten führen, wenn sie genau<br />

<strong>auf</strong> die örtlichen Bedingungen abgestimmt<br />

sind. So brüten beispielsweise<br />

<strong>Vögel</strong> <strong>auf</strong> den Britischen Inseln in der<br />

Regel früher als in Kontinentaleuropa<br />

und <strong>Vögel</strong> in niedrigen Lagen früher<br />

als Artgenossen in Gebirgsregionen.<br />

Solche Unterschiede können teilweise<br />

von direkten Umweltreaktionen z. B.<br />

<strong>auf</strong> die Temperatur bestimmt werden.<br />

Bei Arten mit stark ausgebauten inneren<br />

Kalendern sind jedoch die Zeitprogramme<br />

selbst an den jeweiligen<br />

Lebensraum angepasst. Dies konnte<br />

im Detail für Schwarzkehlchen dokumentiert<br />

werden. Die genaue Taxonomie<br />

der Schwarzkehlchen wird zurzeit<br />

anhand von molekularen Daten<br />

geklärt. Unabhängig von den taxonomischen<br />

Details ist die Gruppe der<br />

Schwarzkehlchen jedoch als Brutvogel<br />

über ein riesiges Nord-Süd-Areal<br />

verbreitet. Schwarzkehlchen brüten<br />

in Sibirien bis zu einer nördlichen<br />

Breite von 70° und in Südafrika bis<br />

Junges Schwarzkehlchen aus einer irischen Population<br />

bei der Hand<strong>auf</strong>zucht im Institut.<br />

Foto: B. Helm.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 13


<strong>Biologie</strong><br />

Tageslänge (Std.)<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

1. Jan.<br />

1. Mai<br />

Jahreszeit<br />

1. Sept. 1. Jan.<br />

Tageslänge als Kalender. Die Tage werden im jeweiligen Sommer lang und im Winter<br />

kurz, aber die genaue Tageslänge hängt vom Breitengrad ab. Zugvögel, die den Äquator<br />

überfliegen, erleben zur europäischen Winterzeit lange Tage.<br />

25° S<br />

0° N<br />

25° N<br />

50° N<br />

zu einer südlichen Breite von 30°. Innerhalb<br />

dieses riesigen Areals lassen<br />

sich fast zu jeder Jahreszeit und unter<br />

einem weiten Spektrum von Tageslängen<br />

brütende oder mausernde<br />

Schwarzkehlchen vorfinden. Auch<br />

das saisonale Verhalten unterscheidet<br />

sich lokal sehr stark. So sind die<br />

<strong>Vögel</strong> in Sibirien Langstreckenzieher,<br />

während sie im äquatorialen Kenia<br />

ganzjährig Territorien besetzen. Daher<br />

sind Schwarzkehlchen eine ideale<br />

Gruppe um zu untersuchen, inwieweit<br />

saisonales Verhalten durch angeborene<br />

Programme bestimmt ist.<br />

Schwarzkehlchen wurden seit Beginn<br />

der 1980er Jahre in umfassenden<br />

Studien des Max-Planck-Instituts für<br />

Ornithologie erforscht. Dabei wurden<br />

die Zeitpläne von Schwarzkehlchen<br />

aus sibirischen, afrikanischen, zentraleuropäischen<br />

und britischen Populationen<br />

im Freiland untersucht.<br />

Gleichzeitig wurden die <strong>Vögel</strong> auch<br />

im Institut gezüchtet, hand<strong>auf</strong>gezogen,<br />

und unter genau gleichen Bedingungen<br />

verglichen. Diese Untersuchungen<br />

ergaben klare Hinweise<br />

<strong>auf</strong> ererbte Unterschiede in den Zeitprogrammen.<br />

Die grundsätzlichen<br />

Unterschiede im Zeitplan blieben bei<br />

sibirischen, zentraleuropäischen und<br />

britischen Populationen erhalten,<br />

einzig afrikanische Schwarzkehlchen<br />

zeigten sich etwas flexibler. Europäische<br />

und sibirische Schwarzkehlchen<br />

waren durch ihre unterschiedlichen<br />

Zeitprogramme stark in der Hybridisierung<br />

beschränkt. In Volieren erzeugten<br />

Mischpaare immer nur dann<br />

Junge, wenn beide Populationen<br />

gleichzeitig in Brutstimmung waren.<br />

Diese Unterschiede waren teilweise<br />

schon in den circannualen Rhythmen<br />

sichtbar, also im „inneren Kalender“.<br />

Afrikanische Schwarzkehl chen<br />

zeigten von allen Populationen die<br />

stabilsten inneren Kalender. Beispielsweise<br />

behielt ein Vogel unter<br />

Konstantbedingungen über einen<br />

Zeitraum von bis zu zehn Jahren<br />

klare circannualle Rhythmen in Brutbereitschaft<br />

und Mauser bei. Weitere<br />

Unterschiede fanden sich in den Reaktionen<br />

<strong>auf</strong> Umweltbedingungen,<br />

hauptsächlich <strong>auf</strong> die Tageslänge.<br />

Während der Brutzeit bietet die Tageslänge<br />

einen verlässlichen Kalender<br />

besonders für junge Zugvögel, die<br />

bis zum Abzug ihr Wachstum abgeschlossen<br />

und das schüttere Jugendgefieder<br />

durch robustes Adultgefieder<br />

ersetzt haben müssen. Jungvögel aus<br />

späten Gelegen mausern deshalb in<br />

jüngerem Alter als Nestlinge aus frühen<br />

Gelegen. Dieser „Kalendereffekt“<br />

unterschied sich markant zwischen<br />

den Schwarzkehlchenpopulationen<br />

und bekräftigte unterschiedliche ererbte<br />

Zeitprogramme.<br />

»»Globale Veränderungen: Heute<br />

gehen die Uhren anders ...<br />

Der Neuntöter – ein „Kalendervogel“, der spät im Jahr und relativ pünktlich im Brutgebiet<br />

ankommt. Foto: M. Höfer. Neusiedler See, Mai 2008.<br />

Mithilfe teilweise genauer Zeitpläne,<br />

vielfältiger Wanderungen und<br />

flexibler Reaktionen <strong>auf</strong> Umweltbedingungen<br />

haben sich <strong>Vögel</strong> eine<br />

erstaunliche Reichhaltigkeit von<br />

Ressourcen evolutionär erschlossen.<br />

Dieses Erfolgsrezept wird jedoch<br />

durch die immer schnelleren globalen<br />

Veränderungen <strong>auf</strong> eine harte<br />

Probe gestellt. Neben der Vielfalt und<br />

Menge an natürlichen Ressourcen<br />

verändert sich auch die Zeit ihrer<br />

Verfügbarkeit. So gehören ein immer<br />

früherer Frühling und ein häufig<br />

auch verlängerter Herbst zu den<br />

14 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


Literatur zum Thema:<br />

Aschoff, J. & D. von Holst (1960): Schlafplatzflüge der Dohle,<br />

Corvus monedula L.. Proc. XII Int. Ornithol. Congress Helsinki<br />

1958: 55-70.<br />

Gunnarsson, T. G., J. A. Gill, T. Sigurbjörnsson, W. J. Sutherland<br />

(2004): Arrival synchrony in migratory birds. Nature 431: 646.<br />

Gwinner, E. (1967): Circannuale Periodik der Mauser und der<br />

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Zulley, J. (2000): Unsere inneren Uhren. Verlag Herder, Freiburg.<br />

Der Seidenschwanz ist ein klassischer „Wettervogel“, der<br />

unter bestimmten Bedingungen irruptiv bei uns als Wintergast<br />

eintrifft. Nach ihm lässt sich der Kalender nicht<br />

stellen.<br />

Foto: M. Schäf.<br />

Dr. Barbara Helm arbeitet als Ornithologin<br />

am Max-Planck-Institut für Ornithologie<br />

und ab Januar an der Universität<br />

Konstanz. Vogelbeobachtung fasziniert<br />

sie seit ihrer Jugend in Nürnberg.<br />

<strong>auf</strong>fälligsten Veränderungen, die im Zusammenhang<br />

mit dem Klimawandel beobachtet wurden. Vogelarten<br />

unterscheiden sich stark in ihren Reak tionen <strong>auf</strong> diese<br />

Veränderungen. An einigen Arten werden zunehmend<br />

markantere Änderungen im saisonalen Verhalten beobachtet,<br />

während andere Arten ihre Zeitpläne fast<br />

gar nicht umgestellt haben. Diese Unterschiede zeigen<br />

<strong>auf</strong>fällige Parallelen zum Spektrum von „Wettervögeln“<br />

und „Kalendervögeln“. Wettervögel scheinen<br />

insgesamt sehr viel eher in der Lage zu sein <strong>auf</strong> aktuelle<br />

Veränderungen zu reagieren als Arten mit ausgeprägten<br />

angeborenen Zeit- und Zugprogrammen. Vergleichende<br />

Studien am Trauerschnäpper legen nahe,<br />

dass die Vitalität von Populationen mit ihrer Fähigkeit<br />

zusammenhängt, sich neuen saisonalen Bedingungen<br />

anzupassen. Selbst das tageszeitliche Verhalten der<br />

<strong>Vögel</strong> wird von Umweltveränderungen beeinflusst.<br />

So mehren sich die Anzeichen, dass nächtliche Beleuchtung<br />

möglicherweise die Tagesuhr und die Jahresuhr<br />

manipuliert. Einige Arten verändern ihren Tagesl<strong>auf</strong><br />

und tragen beispielsweise ihren Gesang vor,<br />

während die Menschen sich ruhig verhalten. Stadtamseln<br />

unterscheiden sich von ihren Verwandten im Wald<br />

unter anderem durch frühere Brutbereitschaft, die sich<br />

teilweise auch an hand<strong>auf</strong>gezogenen <strong>Vögel</strong>n zeigen<br />

lässt. Bleibt zu hoffen, dass die <strong>Vögel</strong> ihre Zeitpläne<br />

schnell genug <strong>auf</strong> menschengemachte Veränderungen<br />

umstellen können, um auch in Zukunft zur richtigen<br />

Zeit am richtigen Ort zu sein.<br />

Barbara Helm<br />

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Der Falke 57, <strong>2010</strong> 15


Europäische Highlights<br />

Vielfalt <strong>auf</strong> der Kanareninsel <strong>Lanzarote</strong>:<br />

<strong>Vögel</strong> <strong>auf</strong> <strong>Lava</strong><br />

Mit den Kanarischen Inseln werden im allgemeinen Sonne, Strand und der schnee bedeckte<br />

Pico del Teide <strong>auf</strong> Teneriffa verbunden. Den wenigsten ist bewusst, dass es sich hierbei<br />

um ein „Galapagos“ vor den Türen Europas handelt. Dabei hat jede der sieben Inseln<br />

ihren eigenen biologischen Charakter, der sich auch in der Vogelwelt zeigt. Vielfach ist<br />

es zur Ausbildung von Unterarten gekommen, die sowohl von denen des nahen afrikanischen<br />

Kontinents sowie auch zwischen den Inseln voneinander abweichen können. In<br />

einigen Fällen sind sogar neue Arten entstanden.<br />

Landeanflug <strong>auf</strong> den Flugplatz<br />

Arrecife: überall <strong>auf</strong> der Insel<br />

sind steiniges Geröll und rote<br />

Aschen zu sehen, der Pflanzenbewuchs<br />

ist wegen der extrem geringen<br />

Niederschläge sehr spärlich. Karg<br />

zeigt sich <strong>Lanzarote</strong> die meiste Zeit<br />

des Jahres den Touristen. Im Frühjahr<br />

jedoch überzieht eine unvorstellbare<br />

Blütenpracht die Insel. Bei Wanderungen<br />

durch die verschiedenen<br />

Lebensräume sind das Trällern der<br />

Stummellerchen, die eher unmelodisch<br />

klingenden, metallischen Rufe<br />

der Raubwürger sowie der Gesang<br />

der Kanarengirlitze zu hören. Macht<br />

sich der Besucher die Mühe genauer<br />

hinzusehen, so wird er von der einzigartigen<br />

Vielfalt und Fremdartigkeit<br />

dieser eher unbekannten Kanareninsel<br />

hinter der lebensfeindlich<br />

anmutenden Fassade zu jeder Jahreszeit<br />

begeistert sein.<br />

» Vielfalt in karger<br />

Vulkanlandschaft<br />

Die Kanarischen Inseln vor der Westküste<br />

Nordafrikas entstanden zwischen<br />

20 Mio. (Fuerteventura) und<br />

1 Mio. (El Hierro) Jahren. <strong>Lanzarote</strong>,<br />

die nördlichste Insel des Kanarischen<br />

Archipels, hob sich vor ca. 15 Mio.<br />

Jahren aus dem Meer. Der vulkanische<br />

Ursprung ist auch heute noch<br />

allerorten augenscheinlich. Schon<br />

im Anflug erkennt man einige der<br />

insgesamt etwa 100 die Insel überziehenden<br />

Vulkankrater. Bis Anfang<br />

des 18. Jahrhunderts wurden große<br />

Teile der Insel von der glühenden<br />

<strong>Lava</strong> und den Ascheregen erneuter<br />

Vulkanausbrüche überdeckt. Im Nationalpark<br />

„Timanfaya“ wird dies<br />

besonders deutlich. Entscheidend für<br />

das heutige Landschaftsbild ist der<br />

Mangel an Wasser, durch den auch<br />

der ältere vulkanische Untergrund<br />

sichtbar bleibt: „lebende“ Böden im<br />

mitteleuropäischen Sinne sind nicht<br />

vorhanden, sondern nur felsiger und<br />

steiniger Untergrund. Die Vegetation<br />

ist daher sehr lückenhaft. Bäume fehlen<br />

nahezu vollständig bzw. gedeihen<br />

nur mit menschlicher Hilfe.<br />

Auf Grund seiner Kargheit hat sich<br />

<strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong> eine Reihe hoch interessanter<br />

Lebensräume entwickelt.<br />

Diese reichen von untermeerischen<br />

Höhlen mit augenlosen weißen Tiefseekrabben<br />

und blinden urzeitlichen<br />

Krebsen bis hin zu trockenen Steinund<br />

Sandwüsten. Viele Pflanzen und<br />

16 Der Falke 57, <strong>2010</strong><br />

Die Feuerberge im Timanfaya-Nationalpark zeigen<br />

eindrucksvoll den vulkanischen Ursprung der Insel.<br />

Nov. 2008.


Der Kanarenpieper hat nahezu alle Lebensräume<br />

<strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong> besiedelt. Dez. 2005.<br />

Tiere kommen als Arten oder Unterarten<br />

nur <strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong> oder zusätzlich<br />

<strong>auf</strong> der südlich angrenzenden<br />

Nachbarinsel Fuerteventura vor.<br />

» El Jable – Lebensraum für<br />

Spezialisten in Sand und Wind<br />

Zu den biologisch wertvollsten Lebensräumen<br />

<strong>Lanzarote</strong>s gehört die<br />

im Nordwesten der Insel gelegene<br />

Halbwüste. Dieses Gebiet unterliegt<br />

<strong>auf</strong> ganz besondere Weise der Dynamik<br />

des Passatwindes. Seit Jahrtausenden<br />

treibt er die in der Brandung<br />

des Atlantiks klein geriebenen Schalen<br />

unterschiedlichster Weichtiere<br />

und Stachelhäuter sowie winzige Gesteinstrümmer<br />

aus dem Meer über die<br />

Insel. Hier bilden sich weite Sandflächen<br />

und Dünen, die vom Wind in<br />

steter Bewegung gehalten und erst an<br />

Vulkankegeln im Hinterland <strong>auf</strong>gefangen<br />

und abgebremst werden. Der<br />

pflanzliche Bewuchs ist im Sommer<br />

und Herbst spärlich, umso erstaunlicher<br />

ist das üppig bunt blühende<br />

Pflanzenmeer im Frühjahr, das sich<br />

nach winterlichen Regenfällen entwickeln<br />

kann. „El Jable“ ist ein Lebensraum<br />

für Spezialisten. Die Fruchtbarkeit<br />

des vulkanischen Untergrundes<br />

und des vom Meer heran gewehten<br />

Sandes ermöglichen eine speziell an<br />

die hier herrschenden ökologischen<br />

Bedingungen angepasste Landwirtschaft<br />

im Dünensand.<br />

„El Jable“ gehört zu den wichtigsten<br />

Refugien der Kanarischen<br />

Kragentrappe → Tab. <strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong>, die<br />

ansonsten nur <strong>auf</strong> der Nachbarinsel<br />

Fuerteventura und dem nördlich<br />

vorgelagerten Eiland La Graciosa<br />

vorkommt. Die äußerst scheue Kragentrappe<br />

ist hervorragend getarnt<br />

und lässt Beobachter nur <strong>auf</strong> großen<br />

Abstand an sich heran kommen.<br />

Entweder duckt sie sich hinter einem<br />

Dornlattichstrauch oder flieht bereits<br />

in weiter Entfernung. Trotzdem sind<br />

Kragentrappen immer wieder zu sehen.<br />

Im beginnenden Frühjahr gelingt<br />

es mit Ausdauer auch balzende<br />

Hähne zu beobachten, wenn sie mit<br />

zurückgelegtem Kopf und nach oben<br />

gestreckten Scheitel- und Kragenfedern<br />

wie ein großer weißer Puschel<br />

durch das Gelände sausen.<br />

Weitaus seltener ist <strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong><br />

der Rennvogel. Auch er hat seine<br />

Hauptverbreitung <strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong><br />

in „El Jable“. Die Art hält sich meist<br />

am Boden <strong>auf</strong>, wo Phasen schnellen<br />

L<strong>auf</strong>s mit kurzen Unterbrechungen<br />

abwechseln, während derer er regungslos<br />

hoch <strong>auf</strong>gerichtet die Umgebung<br />

mustert. Nur im Herbst finden<br />

sich größere Flugtrupps zusammen.<br />

Mit seinem kräftigen leicht<br />

gebogenen spitzen Schnabel legt er<br />

Insektenlarven aus dem Wurzelwerk<br />

der Pflanzen frei oder pickt Kleintiere<br />

<strong>auf</strong>. Recht häufig ist der Triel → , dessen<br />

melancholische Rufe vor allem<br />

in der Dunkelheit zu hören sind. Bei<br />

einem Besuch im Frühjahr ist die Luft<br />

in „El Jable“ erfüllt vom Gesang der<br />

Stummellerche → . Immer wieder trifft<br />

man <strong>auf</strong> den Südlichen Raubwürger<br />

→ und den Turmfalken → , die hier<br />

Dornbüsche als Ansitz nutzen. In „El<br />

Jable“ leben sie vor allem von der<br />

häufigen endemischen Atlantischen<br />

Eidechse.<br />

» Barrancos – Kerbtäler im<br />

Famara-Massiv<br />

Starke Regenfälle längst vergangener<br />

Zeiten dürften verantwortlich sein für<br />

die Erosion des Felsgesteins, in das<br />

vor allem am Ostrand des Famara-<br />

Massivs im Norden <strong>Lanzarote</strong>s tiefe<br />

Täler, die Barrancos, geschnitten<br />

wurden. Die größten sind die Barran-<br />

Männchen der Kanarischen Kragentrappe<br />

mit deutlich sichtbaren Kragenschmuckfedern.<br />

Okt. 2009.<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 17


Europäische Highlights<br />

cos Tenegüime westlich von Guatiza,<br />

Chafaris oberhalb von Tabayesco,<br />

Malpaso oberhalb von Haría und der<br />

angestaute Barranco bei Mala. Bis <strong>auf</strong><br />

den letzteren führen sie nur noch kurzfristig<br />

in den Wintermonaten Wasser.<br />

Die Täler wurden früher landwirtschaftlich<br />

genutzt, liegen jetzt jedoch<br />

brach, wodurch sich die ursprüngliche<br />

Flora und Fauna zu regenerieren<br />

beginnt. Hier hat der Kanarengirlitz →<br />

seinen Verbreitungsschwerpunkt. Vor<br />

allem in Chafaris und Malpaso singen<br />

die Männchen nahezu ganzjährig.<br />

Als Nahrungsquelle sehr beliebt sind<br />

die Früchte der uralten Feigenbäume.<br />

Eine weitere im Norden <strong>Lanzarote</strong>s<br />

und vor allem in den Barrancos heimische<br />

Besonderheit ist die als eigene<br />

Unterart beschriebene Blaumeise<br />

(Parus caeruleus degener). Sie weicht<br />

von der mitteleuropäischen Nominatform<br />

(P. c. coeruleus) ab. Wie die<br />

nordafrikanische Unterart P. c. ultramarinus<br />

hat sie eine anthrazitfarbene<br />

Kopfplatte. Von den Unterarten der<br />

anderen kanarischen Inseln unterscheidet<br />

sich diese Meise farblich<br />

durch einen hellen Flügelstreif, den<br />

sie wiederum mit P. c. ultramarinus<br />

teilt. In den steilen Wänden der Barrancos<br />

brüten Turmfalken, Felsentauben<br />

und die Schleier eule → . Eigene<br />

Untersuchungen der Schleiereulengewölle<br />

ergaben einen Überblick über<br />

das Spektrum nachtaktiver Kleinwirbeltiere<br />

<strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong>. Neben Hausratte<br />

und Mauergecko wird die erst<br />

1983 entdeckte endemische Kanarenspitzmaus<br />

(Crocidura canariensis)<br />

erbeutet.<br />

Eine ganzjährig wassergefüllte Zisterne<br />

bietet im Barranco de Chafaris<br />

Gelegenheit zu besonderen Beobachtungen.<br />

Zur Tränke sammeln sich<br />

hier aus der Umgebung einheimische<br />

Brutvögel wie Bluthänflinge → und<br />

Zugvögel wie Rotkehlchen, Hausrotschwanz,<br />

Drosseln oder Gebirgsstelze.<br />

Diese, wie auch schlüpfende<br />

Individuen der Sahara-Pechlibelle<br />

(Ischnura saharensis), sind potenzielle<br />

Beute der Eleonorenfalken, die<br />

in immer wieder kehrenden Sturzflügen<br />

herabstoßen.<br />

Triel mit frisch geschlüpften Küken im blühenden El Jable. Die Altvögel führen die<br />

ersten zwei Tage nach dem Schlupf die Jungen in der Nähe des Nestes. März 2009.<br />

Bluthänflinge und die zu den selteneren<br />

Brutvögeln <strong>Lanzarote</strong>s zählende<br />

Samtkopf-Grasmücke haben<br />

ihr Hauptverbreitungsgebiet gleichfalls<br />

im Norden <strong>Lanzarote</strong>s außerhalb<br />

der Barrancos. Die Arten nutzen<br />

im Umfeld der Vulkane Corona, Los<br />

Helechos und La Quemada zwischen<br />

Máguez und Guinate vor allem die<br />

hier häufigen kräftigen Büsche des<br />

Kanarenampfers zur Brut.<br />

Das langgestreckte Famara-Massiv<br />

besteht aus den geologisch ältesten<br />

Gesteinsformationen. Besonders<br />

beeindruckend ist die am Meer gelegene<br />

Felswand, die hunderte Meter<br />

steil <strong>auf</strong>ragt und nur an wenigen<br />

Bereichen von einer schmalen Geröllhalde<br />

umgeben wird. Hier ist das<br />

Felsenhuhn zu Hause. Eleonoren-,<br />

Wüsten- und Turmfalken, Kolkraben<br />

und auch Sepiasturmtaucher finden<br />

hier sichere Brutplätze.<br />

» Lebensräume am Meeresrand<br />

Die nahezu überall <strong>auf</strong>tretende Mittelmeermöwe<br />

→ erinnert immer wieder<br />

daran, dass man sich <strong>auf</strong> einer Insel<br />

<strong>auf</strong>hält und das Meer nie fern ist. Die<br />

Küsten <strong>Lanzarote</strong>s sind überwiegend<br />

schroff und der starken Brandung<br />

ausgesetzt. Wenige Rastvögel, etwa<br />

Seidenreiher und Regenbrachvogel,<br />

suchen hier Nahrung. Von besonderem<br />

Interesse sind daher Bereiche, wo<br />

der Gezeitengang sich über größere<br />

Flächen auswirken kann, wie z. B.<br />

in La Santa im Nordwesten <strong>Lanzarote</strong>s<br />

nahe Tinajo. Angrenzend an<br />

einen breiten Sandstrand finden sich<br />

amphibische Lebensräume mit ausgedehnten<br />

Beständen der mit dem<br />

Queller verwandten Gliedermelde<br />

sowie Sand-, Schlick- und Felswatt.<br />

Mehrere Paare des Seeregenpfeifers<br />

brüten hier erfolgreich. Die Hauptbedeutung<br />

hat dieses Watt jedoch als<br />

Rastbiotop für ziehende <strong>Vögel</strong>. Hier<br />

treffen Löffler, Grau-, Silber-, Seiden-,<br />

Purpur- und Nachtreiher ein.<br />

Zu beobachten sind außerdem Kiebitz-,<br />

Gold-, Fluss- und Sandregenpfeifer,<br />

Steinwälzer, Flussuferläufer<br />

und Regenbrachvogel.<br />

Ein mariner Lebensraum mit ganz<br />

anderem Charakter ist die Laguna<br />

de Janubio westlich von Yaiza.<br />

Dieses Gewässer ist durch einen hohen<br />

Strandwall aus <strong>Lava</strong>gestein vom<br />

Meer abgetrennt und unterliegt nicht<br />

mehr dem direkten Zugang der Gezeiten.<br />

Allerdings sickert das Meerwasser<br />

ständig durch die poröse Barriere.<br />

Weil das Wasser in der Lagune<br />

in der Sonnenhitze stetig verdampft,<br />

ist es salzhaltiger als das Meer. Dieses<br />

bereits „eingedickte“ Wasser wird<br />

vom Menschen in einem Teilbereich,<br />

den Salinas de Janubio am Ostrand<br />

der Lagune, zur Salzgewinnung genutzt.<br />

In der Lagune in Vielzahl<br />

<strong>auf</strong>tretende Wirbellose, wie Salinenkrebschen<br />

oder Salzfliegen und ihre<br />

Larven, dienen der Vogelwelt als<br />

Nahrung. Dort wo keine Salinenbecken<br />

angelegt wurden, bieten flache<br />

Uferbereiche optimale Bedingungen<br />

18 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


Der intensiver als die Nominatform<br />

gefärbte Turmfalke jagt <strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong><br />

nahezu überall Eidechsen. Dez. 2005.<br />

zur Nahrungssuche. Seit etwa zehn<br />

Jahren entwickelt sich in der Laguna<br />

de Janubio die einzige Brutpopulation<br />

des Stelzenläufers <strong>auf</strong> den Kanarischen<br />

Inseln. Es handelt sich um<br />

etwa 20 Individuen, zu denen sich<br />

zur Zugzeit weitere Stelzenläufer<br />

gesellen. Brutvogel ist hier auch der<br />

Seeregenpfeifer.<br />

Die Laguna de Janubio ist eine Drehscheibe<br />

des Vogelzuges. Die Mehrzahl<br />

der Gäste stammt aus der europäischen<br />

und sibirischen Tundra und Arktis. Es<br />

sind Regenpfeifer wie Sand-, Kiebitzund<br />

Flussregenpfeifer sowie Schnepfenvögel<br />

wie Knutt, Sanderling,<br />

Alpen strandläufer, Sichelstrandläufer,<br />

Kampfläufer, Zwergstrandläufer, Uferund<br />

Pfuhlschnepfe, Regenbrachvogel,<br />

Rot- und Grünschenkel, Waldwasser-,<br />

Bruchwasser- und Flussuferläufer sowie<br />

Steinwälzer. Seltener rasten auch<br />

Säbel schnäbler und Austern fischer.<br />

Auf der freien Wasserfläche schwimmend<br />

können vereinzelt Schwarzhalstaucher,<br />

Knäkente, Löffelente oder<br />

Brandgans entdeckt werden. Als Irrläufer<br />

treten nord amerikanische Arten<br />

wie Graubruststrandläufer, Wilson-<br />

Wassertreter, Veilchen-, Berg- oder<br />

Bl<strong>auf</strong>lügelente <strong>auf</strong>.<br />

Ein ähnliches, wenn auch nicht so<br />

umfangreiches Artenspektrum von<br />

Regenpfeifern, Schnepfenvögeln und<br />

Enten findet sich in den Salinenbecken<br />

bei Los Cocoteros nahe Guatiza.<br />

Allerdings fehlt hier die naturnahe<br />

ausgedehnte Wasserfläche wie bei El<br />

Janubio. Viele der zuvor erwähnten<br />

Arten rasten <strong>auf</strong> dem der Stadt Arrecife<br />

vor gelagerten Felsriff. Sie können<br />

von der Uferpromenade in Höhe<br />

des kleinen Hafens Charco de San Ginés<br />

beobachtet werden.<br />

Auf den steinigen, mit anspruchslosen<br />

Pflanzen locker bewachsenen<br />

Flächen, die an den Uferrand der<br />

Laguna de Janubio anschließen, ist<br />

der <strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong> weit verbreitete<br />

Wüstengimpel → bei der Suche nach<br />

Sämereien häufig zu sehen. Sein<br />

charakteristisches leises Trompeten<br />

ist bei dem meist heftigen Wind nur<br />

schwach hörbar. Er baut sein Nest<br />

in Lücken vom Menschen aus <strong>Lava</strong>brocken<br />

kunstvoll errichteter Mauern<br />

zwischen den Salinen. Die südlich der<br />

Lagune <strong>auf</strong>ragende Felswand bietet<br />

Brutmöglichkeiten für Turmfalke und<br />

Schleiereule.<br />

» Eleonorenfalken und<br />

seltene Seevögel im Naturpark<br />

Archipiélago Chinijo<br />

Der Insel <strong>Lanzarote</strong> ist nördlich der<br />

aus insgesamt fünf Eilanden bestehende<br />

Archipiélago Chinijo (= Kleines<br />

Archipel) vorgelagert. Mit Ausnahme<br />

der größten Insel La Graciosa sind<br />

alle anderen unbewohnt. Zusammen<br />

mit dem Steilhang des Risco de Famara,<br />

küstennahen Teilen des Gebietes<br />

„El Jable“ und dem dazwischen<br />

liegenden Meer ist der Archipel als<br />

Naturpark unter Naturschutz gestellt.<br />

Die Eilande, „Islotes“ genannt, bilden<br />

den Kern des Brutvorkommens einer<br />

Reihe gefährdeter Seevögel. Bei der<br />

Überfahrt mit der Fähre von Órzola<br />

nach La Graciosa sieht man Sepiasturmtaucher<br />

flach über Wellenberge<br />

und durch Wellentäler segeln. Sie<br />

halten sich hier von März bis Oktober<br />

<strong>auf</strong>, die restliche Zeit ziehen sie<br />

an die Küsten Südamerikas. Auf dem<br />

zum Archipiélago Chinijo gehörigen<br />

Eiland Alegranza gibt es mit mehr<br />

als 20 000 Paaren eine der größten<br />

Brutkolonien des Sepiasturmtauchers<br />

weltweit. Weitere Brutbestände finden<br />

sich am Risco de Famara und nahe<br />

dem Ort El Golfo am Rande des Nationalparkes<br />

„Timanfaya“. Die Nester<br />

Die Laguna de Janubio ist ein hypersaliner Lebensraum,<br />

umgeben von nur Der im Falke Frühjahr 57, <strong>2010</strong> blühenden, 19<br />

kargen Geröllfeldern. März 2009.


Europäische Highlights<br />

Ein weißer Flügelstrich kennzeichnet die nur<br />

<strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong> und Fuerteventura vorkommende<br />

Blaumeisenunterart. April 2007.<br />

mit jeweils nur einem einzigen Ei<br />

werden in Bruthöhlen angelegt. Eier<br />

und vor allem die noch nicht flüggen,<br />

sehr fetten Jungen wurden bis<br />

in die jüngste Vergangenheit von den<br />

Einheimischen aus ihren Bruthöhlen<br />

genommen und als Nahrung genutzt.<br />

Noch in einem Kochbuch von 1982<br />

über die kanarische Küche finden sich<br />

verschiedene Rezepte zu Seevögeln,<br />

wie z. B. „Pardela frita con miel“ (Gebratener<br />

Sepiasturmtaucher mit Honig).<br />

So ist wahrscheinlich auch der<br />

Ursprung des Namens Caleta del Sebo<br />

(= Talgbucht) für den kleinen Hafen<br />

„Galapagos“ im Atlantik<br />

Die Besonderheit und Vielfalt des von<br />

Europa und Afrika abweichenden Artenspektrums<br />

der Kanarischen Inseln hat<br />

mehrere Ursachen. Wegen der isolierten<br />

vulkanischen Entstehung im Ozean war<br />

nicht jeder Tier- oder Pflanzengruppe<br />

eine Besiedlung möglich. Hierbei sind<br />

beispielsweise flugfähige Insekten und<br />

<strong>Vögel</strong> gegenüber Säugetieren im Vorteil.<br />

Räumlich getrennt von ihrem Ursprung<br />

entwickelten manche der erfolgreichen<br />

Einwanderer eigene Unterarten oder Arten.<br />

Einige hatten sogar die Gelegenheit,<br />

freie Lebensräume zu nutzen, die in ihrem<br />

Herkunftsgebiet durch dort vorhandene<br />

Arten besetzt waren. Dies hat zwar<br />

nicht bei <strong>Vögel</strong>n, wohl aber bei etlichen<br />

Pflanzen- und wirbellosen Tierarten zur<br />

<strong>auf</strong> La Graciosa in der Bedeutung<br />

des aus den <strong>Vögel</strong>n gewonnen Fettes<br />

für den Menschen zu suchen, denn<br />

nicht weit entfernt liegt eine größere<br />

Brutkolonie der Sepiasturmtaucher.<br />

Obwohl strafbar, ist auch heute manchem<br />

die Lust <strong>auf</strong> die traditionelle<br />

Speise noch nicht vergangen. Auf La<br />

Graciosa werden nach wie vor Kücken<br />

heimlich gesammelt. Die Kolonien<br />

<strong>auf</strong> Alegranza und im Nationalpark<br />

„Timanfaya“ werden daher während<br />

der Brutzeit von Rangern der Nationalparkverwaltung<br />

sowie freiwilligen<br />

Helfern des WWF bewacht.<br />

vielfältigen Aufspaltung, einer Radiation,<br />

geführt. Zudem haben im ozeanisch<br />

ausgeglichenen Klima Tiere und Pflanzen<br />

ein Refugium gefunden, die während des<br />

Tertiär vor vielen Millionen Jahren auch<br />

in Europa lebten, dort aber durch die erdgeschichtlich<br />

nachfolgenden Eiszeiten<br />

ausstarben. Die Artenvielfalt steigerte<br />

sich außerdem durch das unterschiedliche<br />

geologische Alter der einzelnen Inseln<br />

des Kanarischen Archipels zwischen<br />

20 (Fuerteventura) und einer Million<br />

Jahren (Hierro), wodurch immer wieder<br />

Neubesiedlungen erfolgten. Alle so entstandenen<br />

Arten und Unterarten sind in<br />

ihrem Vorkommen <strong>auf</strong> die Kanaren oder<br />

sogar <strong>auf</strong> eine einzige Insel wie <strong>Lanzarote</strong><br />

beschränkt und somit endemisch.<br />

Weitaus seltenere Brutvögel im<br />

Archipiélago Chinijo sind Kleiner<br />

Sturmtaucher, Atlantiksturmtaucher,<br />

Bulwer Sturmschwalbe → , Fregattensturmschwalbe<br />

→ und Madeirawellenläufer<br />

sowie die zudem im Nationalpark<br />

„Timanfaya“ brütende Sturmschwalbe.<br />

Es lohnt sich jedoch, von<br />

den Küsten Ausschau nach ihnen zu<br />

halten. Dabei wird der Blick auch immer<br />

wieder <strong>auf</strong> ziehende Brandseeschwalben<br />

fallen.<br />

Der Archipiélago Chinijo ist gleichfalls<br />

wichtigster Brutplatz verschiedener<br />

Greifvogelarten. Es gibt Bestände<br />

von über 200 Brutpaaren des<br />

von Mai bis Oktober zu beobachtenden<br />

Eleonorenfalken, der hier nicht<br />

nur seinen einzigen Brutplatz <strong>auf</strong><br />

den Kanaren sondern auch den südwestlichsten<br />

seines Verbreitungsgebietes<br />

hat. Im Risco de Famara und<br />

im Nationalpark „Timanfaya“ finden<br />

sich die meisten von etwa 20 Paaren<br />

des ganzjährig anwesenden Wüstenfalken.<br />

Weiterhin sind Fischadler und<br />

der Schmutzgeier → vertreten.<br />

Neben <strong>Vögel</strong>n, die ihren Verbreitungsschwerpunkt<br />

in bestimmten<br />

Lebensräumen haben, kommen andere<br />

nahezu überall vor. Der wohl<br />

häufigste ist der Kanarenpieper → .<br />

Die Art besiedelt mit Ausnahme des<br />

eigentlichen Küstensaums Flächen<br />

bis hin<strong>auf</strong> <strong>auf</strong> die Vulkane. Die <strong>Vögel</strong><br />

trippeln meist Nahrung suchend<br />

über den Boden und entfernen sich<br />

erst beim Näherkommen mit einem<br />

„psilitt“, um schon nach kurzem Flug<br />

wieder zu landen. Gleichfalls weit<br />

verbreitet ist die Brillengrasmücke,<br />

deren warnendes „drss“ aus kleinsten<br />

Dornsträuchern zu vernehmen ist. Ein<br />

etwas seltenerer aber doch markanter<br />

Brutvogel <strong>Lanzarote</strong>s ist der Wiedehopf.<br />

Man sieht ihn häufig in flatterhaftem<br />

Flug, bis er dann <strong>auf</strong> Steinwällen<br />

oder Stromleitungen landet.<br />

Hier ertönt sein Ruf, nach dem er <strong>auf</strong><br />

den Kanaren lautmalerisch „ta-bobo“<br />

genannt wird.<br />

» Lebensraumveränderungen durch<br />

den Menschen<br />

Massentourismus, ungehemmte Bebauung<br />

großer Teile <strong>Lanzarote</strong>s und<br />

Straßenbau während der letzten<br />

Jahrzehnte haben ihre Spuren hinterlassen.<br />

Bislang unberührte Naturflächen<br />

gingen verloren. Die in Jahr-<br />

20 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


tausenden gewachsene Landschaft<br />

El Jable wird durch ungezügelte<br />

Sandentnahme für den Hotel- und<br />

Appart mentbau in den Touristenzentren<br />

großflächig zerstört. Intensivste<br />

Ziegenbeweidung verdrängt zudem<br />

die natürliche Vegetation und begünstigt<br />

wenige weideresistente Arten.<br />

Vogelschutz fand <strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong> bis<br />

in die jüngste Vergangenheit kaum<br />

Wertschätzung. Die letzten Exemplare<br />

des rätselhaften Schwarzen<br />

Austernfischers → wurden Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts beobachtet.<br />

Sepiasturmtauchern und Kragentrappen<br />

wurde zum Nahrungserwerb<br />

nachgestellt. Heute erfolgt die legale<br />

Vogeljagd als Freizeitbeschäftigung,<br />

zeitlich und räumlich beschränkt,<br />

noch <strong>auf</strong> Felsenhuhn, Wachtel, Turtel-<br />

und Felsentaube. Die vom Menschen<br />

verursachte Veränderung der<br />

Umwelt hat für einige Arten auch<br />

Vorteile gebracht. Bereits zu Beginn<br />

In den nördlichen Barrancos ist der<br />

Kanarengirlitz heimisch. März 2007.<br />

Fotos: U. Strecker.<br />

Reisetipps<br />

Kanarische Inseln<br />

Durch seine geringe Entfernung von etwa 100 km zum afrikanischen<br />

Kontinent ist <strong>Lanzarote</strong> vor allem zur Zugzeit im<br />

auch eine Unterkunft,<br />

gen, empfiehlt sich hier<br />

Frühjahr und Herbst besonders interessant. Nicht nur Wat-<br />

z. B. in Costa Teguise.<br />

und Wasservögel sondern auch eine Vielzahl europäischer<br />

Wer es etwas beschaulicher<br />

liebt, sollte kleinere Ortschaften<br />

Klein- und Großvögel nutzen die Insel zur Rast. Besonders<br />

eindrucksvoll wird das Zuggeschehen, wenn starke<br />

wir Arrieta, Punta Mujeres oder das im<br />

aus der Sahara kommende Ost- und Südostwinde (Calima<br />

Landesinnern liegende Städtchen Haría<br />

oder Harmattan) den vorherrschenden Nordostpassat durchbrechen.<br />

Sie können Zugvögel in Vielzahl mit sich reißen, die <strong>auf</strong><br />

man mit dem öffentlichen Busverkehr (gu-<br />

als Quartier auswählen. Von hier aus kann<br />

den Afrika am nächsten gelegenen Inseln <strong>Lanzarote</strong> und Fuerteventura<br />

für einige Zeit notlanden. Wer neben Vogelbeob-<br />

von dort aus zu wandern. Startpunkte für<br />

agua) bestimmte Punkte ansteuern, um<br />

achtungen auch an Pflanzen interessiert<br />

die nördlichen Barrancos sind die kleinen<br />

ist, sollte im Frühjahr anreisen.<br />

Ortschaften Guatiza, Tabayesco und Haría.<br />

Da die meisten biologisch<br />

Die Sandwüste El Jable erstreckt sich zwischen<br />

den Straßen Richtung Famara, Soo<br />

interessanten Gebiete im<br />

Norden der Insel lie-<br />

und Muñique, die man aus Richtung Teguise<br />

erreicht. Unweit hiervon liegen der<br />

Risco de Famara sowie La Santa. Den<br />

Risco kann man über den schönen weißen<br />

Sandstrand von Caleta de Famara<br />

erwandern, indem man von dort am Ende<br />

der sogenannten „Norwegersiedlung“ <strong>auf</strong>steigt.<br />

Das Watt La Santa liegt zwischen dem<br />

gleichnamigen „Sportknast“ und Tinajo. Zur<br />

Besichtigung der Laguna de Janubio im Süden<br />

der Insel startet man von einem der beiden Parkplätze<br />

an der Küste in das Innere des Gebietes.<br />

Eigentlich ein „Muß“ ist es, mindestens zwei der insgesamt<br />

sieben von César Manrique künstlerisch gestalteten<br />

Zentren zu besichtigen: dies sind die Höhle Jameos del Agua und<br />

das Vulkangebiet Montañas del Fuego. Es empfiehlt sich auch ein<br />

Besuch der ursprünglichen Inselhauptstadt Teguise mit ihren sehenswerten<br />

alten Gebäuden und Gassen. Hier kann man im Übrigen vom 10.<br />

Dezember 2009 bis 10. Januar <strong>2010</strong> die Fotoausstellung „Leben <strong>auf</strong> <strong>Lava</strong>“<br />

Karte verändert nach Wilkens 2009<br />

im Convento de Santo Domingo sehen. Diese Ausstellung von Ulrike Strecker<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong><br />

und dem Autor in Zusammenarbeit mit der Biosphärenreservatsverwaltung zeigt 21<br />

beeindruckende Fotos von den Lebensräumen, Tieren und Pflanzen <strong>Lanzarote</strong>s.


Europäische Highlights<br />

des 19. Jahrhunderts profitierte der<br />

ursprünglich nicht heimische Weidensperling<br />

von landschaftsgärtnerischen<br />

Aktivitäten. Damals soll er<br />

erstmalig zahlreich bei Haría in den<br />

dortigen Palmen genistet haben, heute<br />

tritt er in allen Ortschaften <strong>auf</strong>. Wo<br />

Ziersträucher angepflanzt und bewässert<br />

werden, lebt neuerdings die<br />

Mönchsgrasmücke. Bis vor kurzem<br />

fand sich eine über die Jahre wachsende<br />

Brutpopulation von Kuhreihern<br />

und deren nächtlicher Schlafplatz in<br />

dem einzigen größeren Baumbestand<br />

<strong>Lanzarote</strong>s entlang der Uferpromenade<br />

in Arrecife. Dies wurde allerdings<br />

inzwischen aus hygienischen Gründen<br />

geändert, indem die Bäume beschnitten<br />

und <strong>auf</strong> den verbliebenen<br />

Ästen mit spitzem Draht Sitzen und<br />

Nestbau verhindert werden.<br />

Das Süßwasser künstlich angelegter<br />

Kleingewässer und feuchter<br />

Rasenflächen <strong>auf</strong> Golfplätzen sowie<br />

Abfalldeponien lockt etliche heimische<br />

und viele Rastvögel an. Hier<br />

sind interessante Beobachtungen zur<br />

Rastzeit zu machen.<br />

»»Schutzmaßnahmen zum Erhalt<br />

der Vielfalt<br />

Verschiedene Maßnahmen zum<br />

Schutz der Natur werden jedoch<br />

unternommen. So wurden als zwei<br />

Im Text genannte Vogelarten bzw. -unterarten, die nicht<br />

in akutellen Vogel führern genannt sind.<br />

** = endemisch <strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong>, La Graciosa, Fuerteventura<br />

* = endemisch <strong>auf</strong> den Kanarischen Inseln<br />

Bl<strong>auf</strong>lügelente Anas discors<br />

Blaumeise<br />

Parus caeruleus degener**<br />

Bluthänfling<br />

Carduelis cannabina harterti**<br />

Bulwer Sturmschwalbe Bulweria bulwerii<br />

Fregattensturmschwalbe Pelagodroma marina<br />

Kanarengirlitz<br />

Serinus canarius*<br />

Kanarenpieper Anthus berthelotii<br />

Kanarische Kragentrappe Chlamydotis undulata fuertaventurae**<br />

Mittelmeermöwe Larus michahellis atlantis<br />

Schleiereule<br />

Tyto alba gracilirostris**<br />

Schmutzgeier<br />

Neophron percnopterus mojorensis<br />

Schwarzer Austernfischer Haematopus meadewaldoi (**)<br />

(ausgestorben)<br />

Stummellerche Calandrella rufescens polatzeki**<br />

Südlicher Raubwürger Lanius meridionalis koenigi*<br />

Triel<br />

Burhinus oedicnemus insularum**<br />

Turmfalke<br />

Falco tinnunculus dacotiae**<br />

Veilchenente<br />

Athya affinis<br />

Wüstenfalke<br />

Falco pelegrinoides<br />

Wüstengimpel Bucanetes githagineus amantum*<br />

Nationalpark<br />

Naturpark<br />

Geologisches Schutzgebiet<br />

Naturschutzgebiet<br />

Landschaftspark<br />

Landschaftsschutzgebiet<br />

Gebiet von wissenschaftlichem Interesse<br />

EU-Schutzgebiet (IBA/ZEPA)<br />

Janublo<br />

Rubicón<br />

Montañas<br />

del Fuego<br />

Yaiza<br />

Los Ajaches<br />

La Geria<br />

wichtige Schutzgebiete der Nationalpark<br />

„Timanfaya“ und der Naturpark<br />

„Archipiélago Chinijo“ eingerichtet.<br />

Beide Parks umfassen auch marine<br />

Lebensräume, wobei die ausgedehnten<br />

Flachwasserbereiche des<br />

„Archipiélago Chinijo“ eine besonders<br />

artenreiche Meeresfauna beherbergen.<br />

Beträchtliche Flächen für<br />

den Vogelschutz wichtiger Zonen<br />

wie „El Jable“ (einschließlich von<br />

Gebieten östlich von Teguise und<br />

im Süden der Insel) und „Laguna de<br />

Janubio“ wurden als „Zona Especial<br />

Para Aves“ (ZEPA = „Important Bird<br />

Area“) in das europäische Schutzgebietssystem<br />

Natura 2000 <strong>auf</strong>genommen.<br />

Im Süden der Insel ist geplant,<br />

die <strong>auf</strong>gelassenen Salzpfannen von<br />

Janubio zu restaurieren. In diesem<br />

Zusammenhang bemüht sich die Biospärenreservatsverwaltung<br />

die angrenzende<br />

Lagune zu erhalten. Um<br />

diesen wichtigen Rastplatz des Vogelzuges<br />

zu schützen und gleichzeitig<br />

den Besuchern zugänglich zu machen,<br />

sind hier Beobachtungsschirme<br />

geplant. Das im Nordwesten der Insel<br />

gelegene Vogelrastgebiet La Santa<br />

ist durch Flächenank<strong>auf</strong> vor weiterer<br />

Bebauung geschützt. Unsicher<br />

ist, ob ein angrenzender Meeresarm<br />

renaturiert werden kann. Hierdurch<br />

könnte ein <strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong> einzigartiger<br />

Wattbereich erheblich erweitert<br />

und <strong>auf</strong> diese Weise der ursprüngliche<br />

Zustand wieder hergestellt werden.<br />

Innerhalb des „Archipiélago Chinijo“<br />

dürfen die ohnehin unbewohnten<br />

Eilande mit Ausnahme der größten<br />

Insel „La Graciosa“ nur mit spezieller<br />

Alegranza<br />

Montaña Clara<br />

La Graciosa<br />

Archipiélago Chinijo<br />

El Jable<br />

Teguise<br />

Haria<br />

Tegala Grande<br />

Arrecife<br />

Malpais de la Corona<br />

Tenegüime<br />

Roque<br />

del Este<br />

Los Jameos del Agua<br />

Schutzzonen <strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong>.<br />

Quelle: Wilkens 2009, verändert.<br />

Genehmigung betreten werden. Dennoch<br />

ist es notwendig, dass freiwillige<br />

Helfer des WWF die Nester des<br />

Sepiasturmtauchers zur Brutzeit <strong>auf</strong><br />

Alegranza bewachen. Initiiert durch<br />

den Künstler César Manrique bestand<br />

als Besonderheit <strong>Lanzarote</strong>s bereits<br />

zu Beginn des Tourismus zumindest<br />

der Anspruch nachhaltiger Nutzung<br />

der Insel. Auf sein Bemühen ist die<br />

seit 1993 bestehende Anerkennung<br />

<strong>Lanzarote</strong>s als Biosphärenreservat<br />

zurückzuführen. Die von ihm gegründete<br />

Stiftung „Fundación César Manrique“<br />

setzt sich bis heute für die Ziele<br />

der Nachhaltigkeit <strong>auf</strong> der Insel ein.<br />

Horst Wilkens<br />

Informationen zum Thema:<br />

Wilkens H 2009: <strong>Lanzarote</strong>: Blinde<br />

Krebse, Wiedehopfe und Vulkane.<br />

Verlag Naturalanza Ulrike Strecker,<br />

Hamburg. (2. Aufl.).<br />

Strecker U, Wilkens H 2009: <strong>Lanzarote</strong>:<br />

Leben <strong>auf</strong> <strong>Lava</strong>. Verlag Naturalanza<br />

Ulrike Strecker, Hamburg. Bestellung<br />

beider Bücher per E-Mail: info@<br />

naturalanza.com oder telefonisch:<br />

0162/418 2226 sowie bei amazon.de<br />

www.naturalanza.com<br />

http://birdinglanzarote.blogspot.com/<br />

http://avesencanarias.blogspot.com/<br />

Dr. Horst Wilkens ist<br />

Professor an der Universität<br />

Hamburg und<br />

beschäftigt sich in seiner<br />

Forschung mit der Evolution<br />

von Höhlentieren<br />

und den Grundlagen der<br />

Artbildung. Weiterer Schwerpunkt ist<br />

der Naturschutz, besonders im Elbetal<br />

und <strong>auf</strong> <strong>Lanzarote</strong>.<br />

22 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


Die Brutvögel Hagens, 1997–2008<br />

Von der Arbeitsgemeinschaft Avifauna Hagen<br />

306 Seiten, zahlr. Fotos, Grafiken und Karten, Hardcover,<br />

Format 21,5 x 29 cm.<br />

Biologische Station Umweltzentrum Hagen, 2009.<br />

ISBN 978-3-00-026037-7. EUR 19,90.<br />

In einer opulenten Aufmachung mit 388 Farbfotos von <strong>Vögel</strong>n<br />

(nicht alle aus dem Gebiet) und Lebensräumen sowie vielen Artkarten<br />

und Grafiken fasst dieses Buch den aktuellen Wissensstand<br />

über die Brutvögel einer westdeutschen Großstadt zusammen.<br />

Eingehende Erhebungen gingen der Auswertung voraus.<br />

Angaben zu den Bestandsgrößen sind sehr vorsichtig gehalten.<br />

Über relative Häufigkeiten kann man sich in einer „Hitliste“<br />

orientieren, weitere Details finden sich in den ausführlichen<br />

Arttexten. Die Karten geben keine Verbreitungsbilder (etwa besetzte<br />

Gitternetzfelder) wieder, sondern die durchschnittliche,<br />

für jeweils zehn Zählpunkte errechnete Individuenzahl in zehn<br />

Teilbereichen des Untersuchungsgebietes, die je einem Achtel<br />

eines Messtischblattes entsprechen. Das lässt zwar mögliche<br />

Dichte- oder besser Häufigkeitsunterschiede erkennen, ist aber<br />

nicht sehr anschaulich und auch statistisch etwas fragwürdig. Ob<br />

Unterschiede signifikant oder auch nur als wesentlich zu bewerten<br />

sind, bleibt dem Betrachter überlassen. Die Zählpunkte sind auch<br />

nicht nach einer Zufallsverteilung ausgewählt, sondern <strong>auf</strong> die<br />

Anteile „der Landschaft“ eines Teilbereiches bezogen. Mehr als ein<br />

grober Eindruck der räumlichen Verteilung<br />

war wohl auch nicht beabsichtigt, wäre<br />

aber mit einem feinmaschigen Gitternetz<br />

mit üblicher Präsenz-/Absenz-Methode<br />

sicher besser darzustellen gewesen. Einige<br />

Grafiken über Zeitreihen und saisonale<br />

Verteilungen ergänzen die sorgfältig<br />

zusammengestellten Arttexte, die sich<br />

bemühen, auch alle historischen Quellen<br />

zum Gebiet auszuwerten und die<br />

lokalen Befunde in das Wissen über<br />

die Avifauna des Bundeslandes einzuordnen.<br />

Hinweise <strong>auf</strong> Lebensraum und<br />

Schutzmaßnahmen fehlen nicht.<br />

Die moderne, sehr eingehende Übersicht<br />

der Brutvögel einer Fläche von ca. 160 km 2 findet hoffentlich<br />

die wünschenswerte Beachtung bei Einwohnern und Behörden der<br />

Stadt. Ihre großzügige Ausstattung und der sehr gefällig gegliederte<br />

Text kann durchaus Türen in bisher weniger der Heimatnatur und<br />

ihrer Vogelwelt verbundenen Kreisen öffnen. Für Vogelbeobachter,<br />

Avifaunisten und Naturschützer ist das Buch auch überregional<br />

gesehen interessant.<br />

E. Bezzel<br />

Ornithologischer Jahresbericht Helgoland Band 19, 2009<br />

Von Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Helgoland e. V. (Hrsg.)<br />

112 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Softcover, Format<br />

15 x 21 cm.<br />

Bezug: Postfach 869, 27490 Helgoland<br />

ISSN 1438-3748. EUR 10,00 (für Mitglieder kostenlos).<br />

Die Helgolandberichte sind mittlerweile zu einem festen Bestandteil<br />

des relevanten feldornithologischen Informationsmarktes in Europa<br />

geworden. Da geht es längst nicht mehr nur um Aufzählung<br />

von Raritäten und anderen Episoden, sondern um Fortschreibung<br />

intensiver Beobachtungen, die mit jedem weiteren Jahr an überregionaler<br />

Bedeutung zunimmt. Lehrreiche, aber auch ausgesprochen<br />

begeisternde Fotos sind ein essenzieller Bestandteil des Berichtes<br />

und lohnen allein schon die Anschaffung. Die Jahresübersicht über<br />

die Vogelberingung <strong>auf</strong> der Insel mit Wiederfunden enthält viele<br />

weitere interessante Informationen, bietet aber auch zum Beispiel mit<br />

Fundkarten von Heckenbraunelle und Amsel Zusammenfassungen<br />

und damit tiefere Einblicke. Kurzum eine vielseitige Fundgrube, in<br />

die man sich mit Gewinn vertieft. Vorbildlich! E. Bezzel<br />

Neue Zeitschrift<br />

Otus. Bd. 1<br />

Von Otus e. V. (Hrsg.)<br />

80 Seiten, 74 farbige Abbildungen, 3 Sonagramme.<br />

Bezug/Mitgliedschaft: Angelika Krätzel, Postfach 1142,<br />

63881 Miltenberg, E-Mail: heft@otus-bayern.de.<br />

je EUR 15,00.<br />

Nachdem die Zeitschrift „Avifaunistik in Bayern“ (AviB), die innerhalb<br />

der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern erschien, Ende<br />

2007 eingestellt wurde, gründeten die bayrischen Feldornithologen<br />

im November 2008 einen neuen Verein: Otus e. V. – Verein für<br />

Feldornithologie in Bayern. Das vorliegende Heft ist das erste Heft<br />

einer Reihe, deren Herausgabe eines der Ziele des neuen Vereins<br />

ist. Die Redaktion besteht überwiegend aus früheren Mitgliedern<br />

der Redaktion von AviB – anscheinend waren die programmatischen<br />

Ziele innerhalb der OG Bayern nicht mehr durchführbar.<br />

Otus e. V. machte als erstes durch eine sehr gut gestaltete Webseite<br />

mit aktuellen Beobachtungen und<br />

Fotos <strong>auf</strong> sich <strong>auf</strong>merksam (www.<br />

otus-bayern.de); der Homepage<br />

ist auch zu entnehmen, dass die<br />

AG Seltene Brutvögel und die<br />

Bayrische Avifaunistische Kommission<br />

hier ihre neue Heimat<br />

gefunden haben.<br />

Das erste Otus-Heft erschien<br />

im November 2009 und schließt<br />

sich inhaltlich nahtlos an AviB<br />

an. Neben einem spritzigen<br />

Vorwort von Einhard Bezzel<br />

finden sich Artikel über Nachweise<br />

von Meerstrandläufer,<br />

Zwergscharbe und Zistensänger<br />

in Bayern, über einen ungewöhnlichen<br />

Zugstau am Kochelsee im Oktober 2008 und über<br />

die Gefiedervariation der Aschkopf-Schafstelze (die immer wieder<br />

in Bayern beobachtet wird). Aus der AG Seltene Brutvögel wird<br />

eine Übersicht der Neozoen und wieder angesiedelten Brutvögel<br />

Bayerns präsentiert, der längste Artikel (37 Seiten) ist jedoch der<br />

Bericht der Bayrischen Avifaunistischen Kommission für die Jahre<br />

2001–2007. Alle Artikel sind mit vielen Farbfotos und zum Teil<br />

mit übersichtlichen Diagrammen sowie einigen Sonagrammen<br />

versehen.<br />

Das erste Heft ist zwar etwas „seltenheitenlastig“, insgesamt aber<br />

sehr gut gelungen. Da die Mitglieder der Redaktion bereits früher<br />

mit anspruchsvollen Auswertungen auch häufigerer Vogelarten<br />

<strong>auf</strong> sich <strong>auf</strong>merksam gemacht haben, ist für die Zukunft sicher<br />

eine Ausweitung <strong>auf</strong> weitere feldornithologische Themen zu erwarten.<br />

Otus ist daher allen an der Feldornithologie Interessierten<br />

in Bayern und darüber hinaus wärmstens zu empfehlen! (jd)<br />

Veröffentlichungen<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 23


Aktion<br />

Helgoländer Vogeltage 2009<br />

Bereits zum achten Mal fanden im Oktober 2009 die Helgoländer Vogeltage statt. Erneut<br />

konnte die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft (OAG) Helgoland ein attraktives Programm<br />

<strong>auf</strong> die Beine stellen.<br />

Neben ornithologischen Führungen<br />

für Laien und Fortgeschrittene<br />

sowie einer Besichtigung<br />

des Fanggartens des Instituts<br />

für Vogelforschung „Vogelwarte<br />

Helgoland“ führte der Sponsor der<br />

Veranstaltung, die Firma Carl Zeiss<br />

Sports Optics, sein neuestes Produkt<br />

im Feld vor: Das Zeiss PhotoScope,<br />

ein Spektiv mit integrierter Digitalkamera.<br />

Tagsüber lud die Nordseehalle<br />

zum Genuss von Kaffee, Tee<br />

und Eintopf ein, daneben wurden die<br />

Teilnehmer an den Ständen von Carl<br />

Zeiss Sports Optics, OAG Helgoland,<br />

Birdingtours und Dr. Koch Reisen<br />

ausgiebig informiert.<br />

Abends gab es in der gut besuchten<br />

Nordseehalle Vorträge zu hören. Am<br />

8. Oktober erklärte Jan Ole Kriegs<br />

aus Münster den Zuhörern verschiedene<br />

genetische Methoden, die in<br />

der Ornithologie angewandt werden<br />

und mit denen er selbst ostasiatische<br />

Schwirle untersucht. Im Mittelpunkt<br />

des zweiten Abends stand das Rätselvogelquiz,<br />

das diesmal Roef Mulder<br />

aus den Niederlanden vorbreitet<br />

hatte. Mit 16 von 25 hatten Frank<br />

Stühmer und Tobias Rautenberg die<br />

meisten <strong>Vögel</strong> richtig erkannt, im<br />

anschließenden Stechen setzte sich<br />

Frank Stühmer durch und erhielt den<br />

begehrten Hauptpreis, ein Fernglas<br />

des Hauptsponsors. Sechs weitere<br />

Kandidaten erreichten 15 richtige<br />

Antworten, im Stechen teilten sich<br />

Wie in jedem Jahr präsentierten sich mehrere<br />

Gelbbrauen-Laubsänger sehr schön<br />

für die Kamera.<br />

Foto: J. Dierschke.<br />

Abends herrschte reges Treiben am<br />

Stand der OAG. Foto: U. Nettelmann.<br />

Detlef Gruber und Jochen Dierschke<br />

Platz 3. Am selben Abend informierte<br />

Benoit Paepegaey aus Frankreich die<br />

Zuhörer über das „Helgoland Frankreichs“,<br />

die bretonische Insel Ouessant.<br />

Es zeigten sich in der Tat viele<br />

Parallelen, aber auch einige schmerzliche<br />

Unterschiede (z. B. das weitgehende<br />

Fehlen amerikanischer Singvögel<br />

<strong>auf</strong> Helgoland).<br />

Auf der Suche nach einem potenziellen<br />

Buschspötter.<br />

Foto: R. Busch.<br />

24 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


Am Samstag fand traditionell das<br />

Helgoländer Birdrace statt. Erneut<br />

wurden Spenden für die Avifauna<br />

Helgolands gesammelt, von der auch<br />

ein Probelayout in der Nordseehalle<br />

zu bewundern war. Insgesamt wurden<br />

knapp 3000 Euro erwirtschaftet,<br />

wobei in diesem Jahr besonders positiv<br />

zu erwähnen ist, dass mehrere<br />

Teams eigene Sponsoren vom Festland<br />

gewinnen konnten oder sich sogar<br />

selbst gesponsort haben. Eine Liste<br />

aller Sponsoren ist <strong>auf</strong> der Homepage<br />

der OAG Helgoland einzusehen<br />

(http://www.oag-helgoland.de). Insgesamt<br />

wurden 137 Arten notiert, von denen<br />

das Team „Shower of Bustards“, bestehend<br />

aus Frank Stühmer, Jochen<br />

Dierschke und Jan Ole Kriegs mit 100<br />

Arten am meisten sahen. Zweiter war<br />

das Team „Oriol“ von Frank Schwintech<br />

und Patricia Chaves mit 94 Arten.<br />

Unter allen Teilnehmern wurden<br />

wie immer attraktive Preise verlost,<br />

besonders glücklich war dabei Sven<br />

Baumung, der ein Spektiv gewann.<br />

Am Abend des 10. Oktober informierten<br />

Bettina Mendel (FTZ Westküste)<br />

und Volker Dierschke über die<br />

Lebensweise Helgoländer Heringsmöwen,<br />

die mit traditionellen Mitteln<br />

(Farbberingung) oder Hightech (GPS<br />

Datalogger) untersucht wurden.<br />

Das Tageslicht wurde von allen<br />

250 bis 300 Teilnehmern der Vogeltage<br />

ausgiebig zur Vogelbeobachtung<br />

genutzt. Besonders begehrt war dabei<br />

eine Weißbart-Grasmücke, die dem<br />

Ruf nach der Unterart S. c. moltoni<br />

angehörte. Diese Form brütet <strong>auf</strong><br />

den Balearen und in Süditalien, wurde<br />

jedoch nie zuvor in Deutschland<br />

festgestellt. Systematiker diskutieren<br />

derzeit, ob es nicht sogar eine eigene<br />

Art sein könnte. Daneben gab es<br />

einen Waldpieper, Helgolands dritten<br />

Silberreiher-Nachweis, zwei Wellenläufer,<br />

eine Schwalbenmöwe und<br />

einige Gelbbrauen-Laubsänger zu<br />

Deutschlands erster Steinortolan erschien leider<br />

erst zwei Tage nach Abreise der meisten Besucher<br />

der Vogeltage. Foto: H. Schmaljohann. Helgoland, 13.10.2009.<br />

betrachten. Aber auch die häufigeren<br />

Arten präsentierten sich gut für die<br />

Fotografen, sodass viele Gigabyte,<br />

aber auch noch einzelne Dias produziert<br />

wurden. Besonders belohnt<br />

wurden Vogelbeobachter, die ihren<br />

Aufenthalt über die Vogeltage hinaus<br />

verlängerten: Am 13.10. hatten sie<br />

Gelegenheit, den ersten in Deutschland<br />

festgestellten Steinortolan zu<br />

bewundern.<br />

Jochen Dierschke, Volker Dierschke<br />

Auf dem Festland inzwischen<br />

keine Seltenheit mehr, für Helgoland<br />

stellte dieser Silberreiher<br />

aber erst den dritten Nachweis<br />

dar. Foto: T. Kuppel. Helgoland, 10.10.2009.<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 25


Termine<br />

Jahrestagung <strong>2010</strong> der OAG für Schleswig-<br />

Holstein und Hamburg<br />

Die Jahrestagung <strong>2010</strong> der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft<br />

für Schleswig-Holstein und Hamburg<br />

findet am Sonntag, 7. März <strong>2010</strong> in<br />

Paulsens Gasthof in Fockbek bei Rendsburg<br />

statt. Beginn 10.30 Uhr (vorher ab 9.00 Uhr<br />

Mitgliederversammlung).<br />

Themenschwerpunkt mit drei Vorträgen am Vormittag<br />

sind Möwen (Dachbruten, Ergebnisse zu Zug und Raumnutzung<br />

der Heringsmöwe nach fünf Jahren Farbberingung<br />

<strong>auf</strong> Helgoland und Amrum und Dataloggereinsatz),<br />

außerdem Beiträge zur Brandseeschwalbe <strong>auf</strong> Norderoog,<br />

zum Habicht in Schleswig-Holstein und Berichte aus den<br />

l<strong>auf</strong>enden Projekten, z. B. Ergebnisse der Vogelzugplanbeobachtungen<br />

2009.<br />

Weitere Informationen und das vollständige Tagungsprogramm<br />

sind <strong>auf</strong> der Homepage www.ornithologie-schleswigholstein.de<br />

zu finden.<br />

Stunde der Wintervögel<br />

Am 6. Januar ist es wieder soweit: In ganz Bayern sind<br />

Naturinteressierte den Wintervögeln <strong>auf</strong> der Spur.<br />

Die Aktion wurde, wie die Stunde der Gartenvögel, nach<br />

dem Vorbild des Big Garden BirdWatch der Royal Society<br />

for the Protection of Birds (RSPB) in Großbritannien konzipiert,<br />

der wichtige Daten über die Vogelwelt in Großbritannien<br />

liefert. In den Jahren 2005 bis 2008 wurde die<br />

Stunde der Wintervögel nur in München und Umgebung<br />

durchgeführt, im Jahr 2009 dann erstmals bayernweit mit<br />

6800 Meldungen und 270 000 gemeldeten <strong>Vögel</strong>n. <strong>2010</strong><br />

nimmt auch BirdLife Österreich an der Aktion teil.<br />

Mit der Stunde der Wintervögel wollen die Initiatoren<br />

Daten über das Verhalten der <strong>Vögel</strong> sammeln, die sich im<br />

26 Der Falke 57, <strong>2010</strong><br />

TV Programmvorschau<br />

Regelmäßige Sendungen:<br />

Mo – Fr<br />

» ZDF. 15.15 Uhr: Tierisch Kölsch: Geschichten aus dem<br />

Domstadt-Zoo<br />

» ARD. 16.10 Uhr: Leopard, Seebär & Co.<br />

Geschichten aus dem Tierpark Hagenbeck in Hamburg<br />

» hr Fernsehen. 17.00 Uhr: Weiches Fell und scharfe<br />

Krallen Zoogeschichten<br />

Mittwochs<br />

» NDR. 18.45 Uhr: DAS! Norddeutschland und die Welt<br />

» MDR. 19.50 Uhr: Tierisch, tierisch. Das Tiermagazin<br />

Weitere Sendungen:<br />

Mittwoch, 6. Januar <strong>2010</strong><br />

» 3sat. 19.15 Uhr: Galapagos – Die Kräfte der Natur<br />

» NDR Fernsehen. 20.15 Uhr: Alaskas Welt der Giganten<br />

Der Denali Nationalpark<br />

Donnerstag, 7. Januar <strong>2010</strong><br />

» hr Fernsehen. 14.15 Uhr: Die Sage vom Vogel in<br />

der Hand<br />

Freitag, 8. Januar <strong>2010</strong><br />

» hr Fernsehen. 14.15 Uhr: An den Ufern der Save<br />

Eine Flusslandschaft in Kroatien<br />

» hr Fernsehen. 20.15 Uhr: Wunder der Erde<br />

Von Inseln und Bodden – Bilder von der Ostseeküste<br />

Winter in Bayern und Österreich <strong>auf</strong>halten.<br />

Dabei werden die Auswirkungen der<br />

Winterfütterung von <strong>Vögel</strong>n, Folgen des<br />

Klimawandels und die Bestandsentwicklung<br />

der Arten ausdrücklich genannt. Die Aktion dient<br />

auch dazu, Öffentlichkeitsarbeit für den Vogelschutzgedanken<br />

zu betreiben und die Kenntnis der heimischen Vogelwelt<br />

zu erhöhen.<br />

So können Sie mitmachen:<br />

1. Gezählt werden alle <strong>Vögel</strong>, die innerhalb einer Stunde<br />

vor dem Fenster, am Balkon, im Garten oder im Park gesehen<br />

werden. Angegeben wird am Ende der Stunde die<br />

Maximalzahl gleichzeitig gesehener <strong>Vögel</strong> derselben Art.<br />

Die Uhrzeit und ob z. B. ein Futterhäuschen <strong>auf</strong>gestellt ist,<br />

spielen dabei keine Rolle. Als Bestimmungshilfe sind <strong>auf</strong><br />

der Internetseite www.lbv.de/aktiv-werden/wintervoegel.html<br />

Steckbriefe der 21 wichtigsten Wintervögel zu finden.<br />

2. Die Beobachtungen können <strong>auf</strong> unterschiedlichen Wegen<br />

gemeldet werden:<br />

- online <strong>auf</strong> o. g. Internetseite<br />

- per Post können Faltblatt oder Meldebogen an den LBV,<br />

Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein gesandt werden,<br />

- per Fax können Faltblatt oder Meldebogen unter der<br />

Nummer 09174/4775-75 an den LBV gefaxt werden.<br />

Einsendeschluss ist der 13.1.<strong>2010</strong>.<br />

Ergebnisse sind ab 6. Januar in der Online-Auswertung<br />

<strong>auf</strong> o. g. Internetseite zu finden. Alle Teilnehmer erhalten<br />

die Abschlussauswertung auch per Post.<br />

Vogelschutz<br />

Gänsegeier kollidiert mit Windturbine<br />

Am 27. November 2009 kollidierte ein Gänsegeier mit dem<br />

Rotorblatt einer Windturbine <strong>auf</strong> Kreta (www.youtube.com/<br />

watch?v=9srPoOU6_Z4). Gänsegeier zählen zu geschützen<br />

Arten und sind im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie der<br />

5. Januar – 5. Februar <strong>2010</strong><br />

Samstag, 9. Januar <strong>2010</strong><br />

» Bayerisches Fernsehen. 14.35 Uhr: Zeit für Tiere<br />

u. a.: Familienzusammenführung<br />

» Bayerisches Fernsehen. 19.00 Uhr: natur exclusiv<br />

Winterzauber in Japan<br />

Sonntag, 10. Januar <strong>2010</strong><br />

» 3sat. 13.05 Uhr: Winter-Wildnis<br />

Dienstag, 12. Januar <strong>2010</strong><br />

» hr Fernsehen. 14.15 Uhr: Der Tanz des Haubentauchers<br />

Tiere an schlesischen Seen<br />

» 3sat. 14.30 Uhr: Bunte <strong>Vögel</strong> in Wien<br />

Donnerstag, 14. Januar <strong>2010</strong><br />

» hr Fernsehen. 14.15 Uhr: Der Flug des Waldrapps<br />

Samstag, 16. Januar <strong>2010</strong><br />

» MDR. 11.36 Uhr: Unter Stelzenläufern und Regenpfeifern<br />

Vogelparadies am Ndutu-See<br />

Mittwoch, 20. Januar <strong>2010</strong><br />

» hr Fernsehen. 14.15 Uhr: Göttervögel – Galgenvögel<br />

Geschichten von Kolkraben & Co.<br />

Mittwoch, 27. Januar <strong>2010</strong><br />

» hr Fernsehen. 14.15 Uhr: Geier, Würger, Schwarze<br />

Witwen: Tierbeobachtungen in den Wüsten Israels


EU <strong>auf</strong>geführt. Auf dem griechischen Festland konnten in<br />

jüngsten Bestandserfassungen nur noch 30 Paare gezählt<br />

werden, ein etablierter Bestand von etwa 150 Paaren brütet<br />

<strong>auf</strong> der Insel Kreta, wo der oben erwähnte Windpark<br />

nur knapp einen Kilometer außerhalb eines Natura 2000<br />

Schutzgebietes gebaut wurde. Die Hellenic Ornithological<br />

Society (HOS, BirdLife Partner in Griechenland) protestiert<br />

seit Jahren gegen die Genehmigungen von Windparkanlagen<br />

in Schutzgebieten wie SPAs, in Zugrouten-Engpässen,<br />

<strong>auf</strong> einzelnen unbewohnten Inseln und in Ramsar-<br />

Feuchtgebieten. Der kurze Film zeigt deutlich die Gefahr,<br />

die Windturbinen für <strong>Vögel</strong> darstellen. Die Naturschützer<br />

hoffen jedoch, in Zukunft nicht nur danebenstehen und<br />

zuschauen zu müssen, sondern fordern Reglementierungen<br />

der EU, in denen Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer<br />

Ener gien im Einklang mit Schutzbemühungen zum Erhalt<br />

der Artenvielfalt stehen.<br />

„<strong>Vögel</strong> in Deutschland 2009“:<br />

30 Jahre Vogelschutzrichtlinie<br />

1979 wurde die EG-Vogelschutzrichtlinie verabschiedet,<br />

im letzten Jahr feierte sie ihr 30-jähriges<br />

Jubiläum. Anlass genug, sich in „<strong>Vögel</strong> in Deutschland<br />

2009“, am 10. Dezember 2009 in Bonn der<br />

Öffentlichkeit vorgestellt, näher mit den Errungenschaften<br />

wie auch Versäumnissen im europäischen<br />

und deutschen Vogelschutz zu befassen.<br />

Die wichtigsten Fakten von „<strong>Vögel</strong> in Deutschland<br />

2009“:<br />

• Bestände vieler Vogelarten nehmen weiter ab: Die<br />

Situa tion hat sich gegenüber dem Vorjahr weiter verschlechtert:<br />

<strong>Vögel</strong> der Agrarlandschaft und Bodenbrüter<br />

weisen starke Bestandsverluste <strong>auf</strong>.<br />

• Mäßiger Erhaltungszustand bei besonders geschützten<br />

Arten in Deutschland: Knapp 50 % dieser Arten stehen<br />

<strong>auf</strong> der Roten Liste.<br />

• Wandernde Arten: überwiegend gut geschützt, aber<br />

Handlungs- und Forschungsbedarf bei Arten mit Brutgebieten<br />

in der Arktis, insbesondere Zwergschwan und<br />

Waldsaatgans.<br />

• Besserer rechtlicher Schutz und Management für Vogelschutzgebiete<br />

erforderlich: 11,2 % der Landfläche und<br />

weitere Meeresflächen sind in Deutschland als Vogelschutzgebiet<br />

ausgewiesen. Aber: Viele Vogelschutzgebiete<br />

sind noch rechtsverbindlich zu schützen, es mangelt<br />

an gebietsspezifischen Managementplänen.<br />

• Vertragsnaturschutz – wichtige Ergänzung für den Erhalt<br />

der Artenvielfalt: Die Zahlung von Fördermitteln<br />

in der Fläche ist zwingend an Schutzleistungen für die<br />

Biologische Vielfalt zu koppeln.<br />

• Förderinstrumente künftig stärker nutzen: vielfältige<br />

Möglichkeiten zur Finanzierung von Naturschutzzielen<br />

in Natura 2000-Gebieten.<br />

Wer mehr wissen möchte: „<strong>Vögel</strong> in<br />

Deutschland 2009“ kann über den DDAzzgl.<br />

Versandkosten bezogen werden: DDA-<br />

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Schriftenversand, Thomas Thissen, Piusallee<br />

46, 48147 Münster, E-Mail: schriftenversand@dda-web.de.<br />

Der Bericht kann auch kostenlos von der<br />

Homepage des DDA (www.dda-web.de)(<br />

als<br />

PDF herunter geladen werden. Hinweis: Alle<br />

Mitarbeiter an den Vogelmonitoringprogammen sowie<br />

von ADEBAR erhalten den Bericht kostenlos!<br />

Christoph Sudfeldt<br />

Leute & Ereignisse<br />

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Dobrudscha (Apr); Donaudelta Fototour (Jun,<br />

Aug) – ÄTHIOPIEN: Einzigartige Natur (Mai, Nov)<br />

– Naturkultur im Norden (Okt) – Völker des Südens<br />

(Aug) – UGANDA: Im Land des Kronenkranichs –<br />

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Der Falke 57, <strong>2010</strong> 27


Bild des Monats<br />

Welcher Vogel ist das?<br />

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Auflösung vom Dezember:<br />

Winterlicher „Singvogel“<br />

Schwäne sind ein fester Bestandteil unserer Wintervogelwelt. Aufgrund ihres weißen Gefieders<br />

und der eindrucksvollen Größe fielen sie den Menschen schon immer <strong>auf</strong> und<br />

gingen in zahlreiche Mythen und Märchen ein. In Parks stehen sie vielen Menschen besonders<br />

nahe – und wehe, man würde ihren Lieblingen etwas antun. In der freien Natur,<br />

<strong>auf</strong> großen Seen oder in der weiten Flur vermitteln sie etwas von großer Freiheit, selbst<br />

wenn sie sich als Höckerschwäne entpuppen.<br />

Damit habe ich schon etwas vorausgenommen,<br />

denn unser Rätselbild zeigt einen großen weißen<br />

Vogel. Im tiefen Wasser gründelnd wirbelt er einiges<br />

<strong>auf</strong>, als er seinen Hals hochzieht. Der Kopf ist noch<br />

teilweise verdeckt, sodass eines der wichtigsten Bestimmungsmerkmale<br />

für Schwäne, der Schnabel, nicht zu<br />

sehen ist. Ein „großer weißer Vogel“ in freier Natur ist in<br />

der Regel natürlich keine dumme Gans, wie uns ein geflügeltes<br />

Wort glauben machen möchte. Nichtdestotrotz<br />

werden wir einen kurzen Blick auch dar<strong>auf</strong> werfen, ob<br />

es sich um eine Hausgans oder gar eine Schneegans<br />

handeln könnte.<br />

Dabei hilft uns der Körperbau: Schwäne haben einen<br />

sehr langen, dünnen Hals. Dadurch wirken sie<br />

elegant und anmutig, insbesondere der Höckerschwan,<br />

wenn er seinen Hals gebogen hält. Dies hat ihn zur perfekten<br />

Requisite eines Barock-Parks gemacht, unterstützt<br />

noch von einer Mutation, bei der die Jungen schon<br />

weiß erscheinen wie die Eltern. Gänse dagegen haben<br />

nur mittellange Hälse und sind kräftig gebaut. Sie sind<br />

kleine Kraftpakete, die zu außerordentlichen Leistungen<br />

fähig sind, denken wir nur an die langen Flüge in die<br />

arktischen Brutgebiete oder die Überfliegung des Himalaja.<br />

Beim erneuten Blick <strong>auf</strong> den Rätselvogel wird rasch<br />

klar, dass wir es mit der schlanken, eleganten Form der<br />

beiden Gruppen zu tun haben, den Schwänen. Auch für<br />

die dunklen Schwingen der Schneegans gibt es keine<br />

Anzeichen.<br />

Sehen wir einmal von der Möglichkeit ab, dass unser<br />

Rätselschwan zur allzeit weißen Immutabilis-Parkvariante<br />

des Höckerschwans gehören könnte, können<br />

wir auch sagen, dass es sich wohl um ein erwachsenes<br />

Tier handelt. Wir sehen nur weiße Federn, keine Anzeichen<br />

des braunen Jugendkleides. Für den Rest braucht es<br />

28 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


vielleicht etwas Erfahrung, denn wir können dem Kopf<br />

keine weiteren Merkmale entlocken. Dunkle Abzeichen<br />

im Augenbereich, die <strong>auf</strong> den Höckerschwan hindeuten<br />

würden, könnten auch durch täuschende Licht-Schatten-Effekte<br />

zustandegekommen sein. Die Rostfärbung<br />

am Hals gibt uns aber den entscheidenden Hinweis: Diese<br />

kommt beim Singschwan häufig vor, beim Höckerschwan<br />

jedoch nur selten. Wenn überhaupt, dann hat<br />

bei letzterem der Kopf einen solchen Farbhauch, nicht<br />

aber der ganze Hals. Eine solche Verfärbung des Gefieders<br />

ist eigentlich eine Verschmutzung der Federn,<br />

kann bei einem Schwan aber den entscheidenden Hinweis<br />

geben.<br />

Werfen wir noch einen Blick <strong>auf</strong> den Zwergschwan.<br />

Dieser ähnelt dem Singschwan, ist etwas kleiner<br />

und kompakter, und hat einen proportional kürzeren<br />

Hals. Der Hals von unserem Rätselschwan ist indes<br />

sehr lang und schlank, sodass wir bei unserer Bestimmung<br />

bleiben: Das Rätselbild zeigt einen erwachsenen<br />

Singschwan. Ein wirklich gutes Auflösungsfoto gibt es<br />

jedoch nicht, sodass wir dem Fotografen und FALKE-<br />

Mitarbeiter Hans-Joachim Fünfstück glauben wollen,<br />

dass dem tatsächlich so ist.<br />

Singschwäne sind ursprünglich <strong>Vögel</strong> der Tundra, wo<br />

sie an Waldseen brüten. Sie überwintern in größerer<br />

Zahl in Nordwest- und Mitteleuropa, breiten sich derzeit<br />

aber südwärts aus. Seit den 1990er Jahren brüteten einzelne<br />

Paare auch in Deutschland. Ihr Name geht <strong>auf</strong> ihre<br />

Rufe zurück, im Unterschied zum „Stummen Schwan“,<br />

wie eine alte Bezeichnung für den Höckerschwan lautete.<br />

Der ist jedoch keineswegs stumm, wie jeder Eindringling<br />

in ein Höckerschwan-Revier weiß. Während<br />

des Fluges lässt der Höckerschwan zudem ein singendes<br />

Geräusch hören, das von den Schwungfedern erzeugt<br />

Gewinner des<br />

Dezember-Rätsels:<br />

Rainer Brodkorb, Bottrop<br />

Angela Reisch, Hamburg<br />

Kathrin Beelte, Hildesheim<br />

Wir gratulieren.<br />

Eingesandte Lösungen: 118<br />

davon Singschwan (47), Höckerschwan (62),<br />

Zwergschwan (4), Rosaflamingo (3) sowie Chileflamingo<br />

und Kormoran.<br />

wird. So kann er während des Fluges <strong>auf</strong> Kontaktrufe<br />

verzichten, da ohnehin zu hören ist, wo der nächste<br />

Schwan fliegt. Das Kontakthalten ist einerseits für den<br />

Formationsflug wichtig, der Energie sparen hilft bei den<br />

weiten Wanderungen, andererseits bei Nacht und Nebel,<br />

um die Gruppe nicht zu verlieren.<br />

Hermann Stickroth<br />

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Singschwan.<br />

Fotos: H.-J. Fünfstück.21.4.2008<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 29


Vogelschutz<br />

Kein Ende in Sicht:<br />

Zugvogelwilderei <strong>auf</strong> Malta<br />

Mit seiner zentralen Lage im Mittelmeer ist der maltesische Archipel ein wichtiger Trittstein<br />

für den Vogelzug zwischen Europa und Afrika. Besonders bei schlechtem Wetter legen zahlreiche<br />

Zugvögel einen Zwischenstop <strong>auf</strong> der gerade einmal 360 Quadratkilometer großen<br />

Inselgruppe ein. Der Einflug großer Vogelschwärme zu den Rastplätzen <strong>auf</strong> Malta und Gozo<br />

ist ein einzigartiges Naturschauspiel, das jedes Jahr zahlreiche Vogelbeobachter begeistert.<br />

Leider sind der Abschuss geschützter Arten und der illegale Vogelfang nach wie vor weit verbreitet.<br />

Allein im September und Oktober 2009 beobachteten Vogelschützer des Komitees<br />

gegen den Vogelmord und von Birdlife Malta mehr als 900 Fälle von illegaler Jagd, darunter<br />

den Abschuss von Fischadlern, Wespenbussarden, Rohrweihen, Baumfalken und eines Schreiadlers.<br />

Axel Hirschfeld und David Conlin berichten über die Situation im Herbst 2009.<br />

Seit Maltas Beitritt zur Europäischen<br />

Union am 1. Mai 2004<br />

richteten sich die Hoffnungen<br />

von Vogelfreunden in ganz Europa<br />

dar<strong>auf</strong>, dass mit der Umsetzung der<br />

Vogelschutzrichtlinie endlich auch<br />

Fortschritte bei der Bekämpfung der<br />

Wilderei <strong>auf</strong> Malta erzielt werden.<br />

Und in der Tat gab es seitdem einige<br />

entscheidende Gesetzesänderungen,<br />

wie zum Beispiel das Verbot der<br />

Frühlingsjagd <strong>auf</strong> Turteltauben und<br />

Wachteln sowie die Beendigung des<br />

Fangs von Finken mit Klappnetzen<br />

(siehe Infokasten). Um auch die <strong>auf</strong><br />

der Insel rastenden Greifvögel besser<br />

vor Abschüssen schützen zu können,<br />

führte die Regierung in Valletta zusätzlich<br />

ein nachmittägliches Jagdverbot<br />

in der Zeit vom 15. bis zum 30.<br />

September ein. Damit Wespenbussard<br />

& Co ungestört zu ihren Schlafplätzen<br />

fliegen können, wurde in diesem<br />

Zeitraum von 15 Uhr bis Sonnenuntergang<br />

die Jagd komplett untersagt.<br />

Zuständig für die Überwachung der<br />

Schutzvorschriften ist die maltesische<br />

Umweltpolizei A.L.E. (Administrative<br />

Law Enforcement). Doch obwohl die<br />

große Mehrheit der Bevölkerung die<br />

illegale Jagd ablehnt, gibt es bis heute<br />

keine wirksamen Kontrollen. Der<br />

Grund: Die A.L.E ist seit Jahren nicht<br />

verstärkt worden und steht mit maximal<br />

zehn Beamten pro Schicht immer<br />

noch einer mehr als tausendfachen<br />

Übermacht gegenüber.<br />

30 Der Falke 57, <strong>2010</strong><br />

Wegen seiner zentralen Lage im Mittelmeerraum<br />

ist Malta ein wichtiger Trittstein für<br />

den Vogelzug zwischen Europa und Afrika.<br />

Foto: A. Heyd/KgdV. Bahrija, September 2009.


»»Vogelschutzcamps gegen die<br />

Wilderei<br />

Um die Umweltpolizei bei ihrer Arbeit<br />

zu unterstützen und um Daten<br />

über den Vogelzug zu sammeln,<br />

orga nisieren das deutsche Komitee<br />

gegen den Vogelmord und Birdlife<br />

Malta jedes Jahr sogenannte Zugvogelschutzcamps<br />

mit internationaler<br />

Beteiligung. Unterstützt werden<br />

die Vogelschützer dabei von der britischen<br />

RSPB, dem NABU und der<br />

Stiftung Pro Artenvielfalt, die jedes<br />

Jahr namhafte Beträge für die Einsätze<br />

zur Verfügung stellen. Wichtigstes<br />

Ziel dieser Aktionen ist es,<br />

Der Pirol steht in Deutschland <strong>auf</strong> der Vorwarnliste<br />

der gefährdeten Vogelarten und<br />

ist durch die Europäische Vogelschutzrichtlinie<br />

streng geschützt. Auf Malta werden<br />

jedes Jahr zahlreiche Pirole und andere<br />

Langstreckenzieher abgeschossen. Dieses<br />

Weibchen starb <strong>auf</strong> dem Zug ins Winterquartier.<br />

Foto: A. Hirschfeld/KgdV. St. Paul´s Bay, September 2009.<br />

An den Einsätzen gegen die illegale Vogeljagd<br />

<strong>auf</strong> Malta nehmen jedes Jahr mehr<br />

als 100 Freiwillige aus ganz Europa teil.<br />

Mit Spektiven und Ferngläsern überwacht<br />

dieses Team des Komitees gegen den Vogelmord<br />

den Einflug von Greifvögeln zum<br />

Schlafplatz in Mizieb.<br />

Foto: A. Hirschfeld/KgdV. Mai 2009.<br />

Eine Gruppe maltesischer Jäger wartet<br />

<strong>auf</strong> Beute. Insgesamt sind in der nur 360<br />

Quadratkilometer großen Inselrepublik<br />

mehr als 13 000 Jäger registriert.<br />

<br />

Foto: A. Hirschfeld/KgdV.<br />

Wilderei durch die ständige Präsenz<br />

von mit Videokameras und Ferngläsern<br />

ausgestatteten Beobachtern<br />

(Bird Guards) zu verhindern. Darüber<br />

hinaus werden alle von den Teilnehmern<br />

beobachteten Verstöße soweit<br />

wie möglich dokumentiert und<br />

bei den Behörden zur Anzeige gebracht.<br />

Durch die konsequente und<br />

möglichst zeitnahe Veröffentlichung<br />

beobachteter Straftaten im Internet<br />

und begleitende Öffentlichkeitsarbeit<br />

sollen sowohl die Behörden als auch<br />

die maltesische Bevölkerung für das<br />

Problem sensibilisiert und für mehr<br />

Engagement bei der Bekämpfung der<br />

Wilderei gewonnen werden. Die Einsätze<br />

im Herbst 2009 begannen am<br />

11. September und dauerten bis zum<br />

4. Oktober. Insgesamt nahmen mehr<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 31


Vogelschutz<br />

Bei einem Vogelfänger beschlagnahmte Mornellregenpfeifer.<br />

Foto: A. Hirschfeld/KgdV. Xemxija, September 2008.<br />

Beamte der maltesischen Umweltpolizei beschlagnahmen<br />

ein illegales Klappnetz für den Fang von Limikolen.<br />

Foto: A. Hirschfeld/KgdV. April 2008.<br />

als 80 Teilnehmer aus elf verschiedenen<br />

Ländern an den Aktionen teil.<br />

Um einen möglichst großen Teil der<br />

jagdlichen Brennpunkte abzudecken,<br />

wurden die Einsatzgebiete der einzelnen<br />

Teams täglich zwischen den Leitstellen<br />

der beiden Verbände und der<br />

Polizei abgestimmt.<br />

Das Ergebnis ist niederschmetternd:<br />

Trotz Anwesenheit der Bird Guards<br />

wurden während der dreiwöchigen<br />

Aktion von den Teams des Komitees<br />

insgesamt 486 Fälle von illegaler<br />

Jagd und Vogelfang registriert.<br />

Diese umfassten 23 direkt beobachtete<br />

und teilweise gefilmte Abschüsse<br />

von Greifvögeln (darunter zwei<br />

Fischadler) sowie 31 Fälle, in denen<br />

geschützte Arten beschossen, jedoch<br />

nicht oder zumindest nicht tödlich<br />

getroffen wurden. Dazu kommen 24<br />

Beobachtungen oder Funde von geschützten<br />

<strong>Vögel</strong>n mit mutmaßlichen<br />

Schussverletzungen und 29 gemeinsam<br />

mit der Polizei beschlagnahmte<br />

Limikolen. Bei nächtlichen Kartierungen<br />

wurden zudem die Standorte<br />

von 119 illegalen „bird callern“ erfasst,<br />

mit denen Jäger und Vogelfänger<br />

nachts Zugvögel vor ihre Netze<br />

und Flinten locken. Im gleichen<br />

Zeitraum registrierten die Helfer von<br />

Birdlife Malta 467 Zwischenfälle,<br />

darunter 82 Schüsse <strong>auf</strong> geschützte<br />

Arten, 64 illegale Lockgeräte und 48<br />

Fälle, bei denen Jäger verbotene automatische<br />

Waffen einsetzten. Zudem<br />

wurden von Mitte August bis Mitte<br />

Oktober insgesamt 50 tote oder angeschossene<br />

geschützte <strong>Vögel</strong> bei der<br />

Organisation eingeliefert.<br />

„Die Wilderei ist nach wie vor<br />

weit verbreitet und konterkariert die<br />

Schutzbemühungen, die bei uns bedrohten<br />

Arten helfen sollen“, fasst<br />

Komiteevorsitzender Heinz Schwarze<br />

die Ergebnisse zusammen. „Zwar<br />

hat das von der Regierung verhängte<br />

Jagdverbot am Nachmittag zu einer<br />

deutlichen Reduzierung der Abschüsse<br />

nach 15 Uhr beigetragen, für viele<br />

Greifvögel bedeutet das jedoch nur<br />

eine Galgenfrist von einer Nacht, da<br />

sie spätestens beim Abflug von ihren<br />

Schlafplätzen am nächsten Morgen<br />

wieder unter Beschuss geraten“, so<br />

der Vogelkundler.<br />

Aktivisten des Vogelschutzcamps bergen<br />

einen frisch geschossenen Ziegenmelker.<br />

Foto: A. Raine/Birdlife Malta, Mizieb, 21.9.2009.<br />

32 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


» Wichtige Schlafplätze: Buskett<br />

und Mizieb<br />

Jahrhundertelange Abholzung hat<br />

dazu geführt, dass es kaum noch größere<br />

Baumbestände <strong>auf</strong> Malta gibt.<br />

Umso größer ist die Bedeutung der<br />

wenigen verbliebenen Wälder als sicherer<br />

Schlafplatz für Zugvögel. Die<br />

beiden wichtigsten Rastgebiete <strong>auf</strong><br />

der Hauptinsel sind der Park „Buskett<br />

Gardens” im Zentrum Maltas und ein<br />

bewaldeter, etwa 75 Hektar großer<br />

Bergrücken bei Mizieb im Norden<br />

der Insel. Mit seinem dichten Bestand<br />

an Kiefern und Phönizischem<br />

Wacholder hat Mizieb vor allem als<br />

Schlafplatz für Greifvögel wie Rohrund<br />

Wiesenweihen, Wespenbussarde,<br />

Schwarzmilane, Fischadler und<br />

Baum falken große Bedeutung. Aber<br />

während Buskett <strong>auf</strong>grund seiner<br />

Bedeutung für den Vogelzug bereits<br />

1993 zum jagdfreien Vogelschutzgebiet<br />

erklärt wurde, hat der Wald bei<br />

Mizieb bisher keinerlei wirksamen<br />

Schutzstatus. Ganz im Gegenteil: Die<br />

gesamte Fläche ist ein von der maltesischen<br />

Jägervereinigung FKNK (Federation<br />

for Hunting and Conservation)<br />

gemanagtes „Wildschutzgebiet”,<br />

in dem Hunderte Jäger regelmäßig<br />

ihrem Hobby nachgehen. Entsprechend<br />

sieht es dort aus: Aus Steinen,<br />

Brettern und alten Ölfassern haben<br />

Jäger mehr als 250 Schießhütten errichtet,<br />

überall liegen Müll und leere<br />

Schrotkartuschen herum, dazwischen<br />

immer wieder Schilder mit der Aufschrift<br />

„Hunting area” oder „keep<br />

out!”.<br />

Erfolge <strong>auf</strong> Malta<br />

Mit dem Beitritt zur Europä­ Belgischen Vogelschutzverbandes<br />

ischen Union hat sich Malta im<br />

Jahr 2004 dazu verpflichtet, die<br />

Bestimmungen der Europäischen<br />

als Verletzung von EU­Recht gewertet.<br />

Parallel dazu sorgte eine<br />

Klage von Birdlife International bei<br />

Vogel schutzrichtlinie vollständig der EU Kommission dafür, dass der<br />

in nationa les Recht umzusetzen.<br />

Dazu gehört auch das Verbot des<br />

<strong>auf</strong> Malta bisher weit verbreiteten<br />

Fangs von sieben in der EU geschützten<br />

Singvogelarten (Erlenzeisig,<br />

Hänfling, Buchfink, Girlitz,<br />

Kernbeißer, Stieglitz und Grünfink)<br />

mit großen Klappnetzen. Von der<br />

Abschaffung ihres „Hobbys“ waren<br />

Ende 2008 etwa 4000 Fänger und<br />

Vogelhalter betroffen.<br />

Ein weiterer wichtiger Erfolg für<br />

den Vogelschutz <strong>auf</strong> Malta ist das<br />

Verbot der Jagd <strong>auf</strong> im Frühling<br />

heimkehrende Zugvögel, das seit<br />

dem Jahr 2007 in Kraft ist. Zuvor<br />

hatte der Petitionsausschuss des<br />

Europäischen Parlamentes die Genehmigung<br />

dieser Praxis nach einer<br />

Beschwerde des Komitees gegen<br />

den Vogelmord und des Königlich­<br />

Fall vor den Europäischen Gerichtshof<br />

in Luxemburg kam. Am 10.<br />

September 2009 wurde Malta dort<br />

endgültig wegen Verstoß gegen die<br />

Vogelschutzrichtlinie in den Jahren<br />

2004 bis 2006 (als Malta bereits<br />

EU­Mitglied und die Frühlingsjagd<br />

weiterhin erlaubt war) verurteilt.<br />

Ob es allerdings bei einem dauerhaften<br />

Verbot bleibt, ist unsicher.<br />

Auf Druck der Jagdlobby wird in<br />

Valletta zurzeit ernsthaft über eine<br />

Wiedereinführung der Frühlingsjagd<br />

unter angeblich „limitierten<br />

Bedingungen“ diskutiert. Da Jäger<br />

und ihre Familien nach wie vor<br />

eine sehr mächtige Wählergruppe<br />

darstellen, ist zu erwarten, dass dieser<br />

Plan bei den Parlamentswahlen<br />

im Jahr 2011 ein wichtiges Wahlkampfthema<br />

sein wird.<br />

Da in Mizieb bereits im vergangenen<br />

Jahr beobachtet wurde, wie Jäger<br />

Rohrweihen, Baumfalken und einen<br />

Schwarzstorch töteten, wurde das<br />

Waldstück während der Jagdsaison<br />

2009 besonders intensiv überwacht.<br />

Als am Morgen des 20. Septembers<br />

der Abschuss mehrerer Rohrweihen<br />

im östlichen Teil des Gebietes gemeldet<br />

wurde, organisierte das Komitee<br />

gemeinsam mit Birdlife Malta<br />

eine großangelegte Suchaktion. Und<br />

tatsächlich wurden an der Stelle,<br />

wo die Schüsse gefallen waren, drei<br />

frischtote Rohrweihen sowie der bereits<br />

einige Tage alte Kadaver eines<br />

Baumfalken gefunden. Die Tiere waren<br />

notdürftig unter großen Steinen<br />

und einem verrosteten Ölfass versteckt<br />

worden und wiesen eindeutige<br />

Schussverletzungen <strong>auf</strong>. Die Suche<br />

wurde dar<strong>auf</strong>hin ausgeweitet und<br />

weitere Vogelkadaver – ebenfalls<br />

versteckt unter Geröll und Abfällen –<br />

kamen ans Tageslicht. Als klar wurde,<br />

dass praktisch überall in dem Gebiet<br />

die Überreste toter Zugvögel lagen,<br />

informierte das Komitee die Umweltpolizei<br />

und forderte Unterstützung<br />

Dieser junge Wespenbussard hat seine erste Reise nach Afrika nicht überlebt und<br />

wurde geschossen im Norden Maltas gefunden. Foto: A. Heyd/KgdV, Manikata, September 2008.<br />

» Der Vogelfriedhof von Mizieb<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 33


Vogelschutz<br />

Wespenbussarde gehören zu den häufigsten<br />

Jagdopfern <strong>auf</strong> Malta.<br />

Foto: S. Agmon/KgdV. Buskett, September 2009.<br />

Schießopfer Rosa Flamingo<br />

Rosa Flamingos sind seltene Gäste<br />

<strong>auf</strong> Malta und bei Jägern als besondere<br />

Trophäe sehr begehrt. Mitte<br />

September 2008 landete ein völlig<br />

erschöpfter Jungvogel dieser Art<br />

Rosa Flamingos sind augfrgund ihrer Seltenheit eine<br />

begehrte Trophäe.<br />

Foto: BirdLife Malta.<br />

Dieser Jungvogel hat Glück gehabt und<br />

wird mit leichten Verletzungen zu einem<br />

Tierarzt gebracht. Foto: A. Hirschfeld/KgdV.<br />

zwischen zahlreichen Touristen in<br />

einer Badebucht im Norden der Insel<br />

und ließ sich stundenlang beobachten<br />

und filmen. Bilder des bunten<br />

Exoten, der zwischen badenden<br />

Kindern nach Nahrung suchte, fanden<br />

sogar ihren Weg in die Abendnachrichten<br />

des maltesischen Fern­<br />

sehens. Vom Strand aus flog das<br />

Tier später in das nahe gelegene<br />

Naturschutzgebiet „Il Gadhira“, wo<br />

es mehrere Wochen lang blieb, um<br />

Kräfte für den Rest seiner Reise zu<br />

sammeln. Am 14. Oktober<br />

wurde beobachtet,<br />

wie der Vogel das<br />

sichere Schutzgebiet<br />

verließ und Richtung<br />

Meer flog. Doch nur<br />

eine Stunde später<br />

kehrte das Tier schwer<br />

verletzt zurück. An<br />

Brust und Bauch des<br />

Flamingos waren<br />

zahlreiche blutende<br />

Wunden zu sehen –<br />

eindeutige Anzeichen<br />

für einen Beschuss<br />

mit Schrot. Doch obwohl<br />

selbst Experten<br />

dem Tier keine großen<br />

Überlebenschancen einräumten,<br />

überlebte der Flamingo und blieb<br />

ein gutes halbes Jahr in der Bucht<br />

von Gadhira. Am 24. Mai 2009<br />

wurde der Vogel das letzte Mal beobachtet.<br />

Ob er es geschafft hat,<br />

Malta lebend zu verlassen, ist leider<br />

nicht bekannt.<br />

Komiteemitarbeiter Gaetano Giambusso mit einem<br />

unter einem alten Ölfass versteckten Wespenbussardkadaver.<br />

Foto: A. Heyd/KgdV. Mizieb, 20.9.2009.<br />

an. Bis zum Abend des 21. Septembers<br />

wurde das Gebiet zu etwa einem<br />

Drittel gründlich abgesucht und dabei<br />

insgesamt 213 Vogelleichen und<br />

­skelette gefunden. In der Mehrheit<br />

handelte es sich dabei um Greifvögel,<br />

darunter 38 Rohrweihen, 14 Wespenbussarde,<br />

sechs Baumfalken, fünf<br />

Turmfalken, eine Wiesen­ oder Steppenweihe,<br />

24 nicht näher bestimmbare<br />

Falken sowie 47 größere Greifvögel.<br />

Darüber hinaus wurden 33<br />

Nachtreiher, ein Graureiher, ein Purpurreiher,<br />

drei Wiedehopfe, ein Pirol,<br />

vier Ziegenmelker, ein Bienenfresser,<br />

eine Nachtigall sowie Knochen von<br />

33 weiteren <strong>Vögel</strong>n in unterschiedlichen<br />

Stadien der Verwesung entdeckt.<br />

Aber trotz dieser unglaublichen<br />

Menge toter <strong>Vögel</strong> wurde weder das<br />

Waldstück abgesperrt noch der restliche<br />

Teil von der Polizei durchsucht.<br />

Stattdessen durften Jäger dort weiter<br />

ungestört ihrem Hobby nachgehen<br />

und am 24. September sogar eine<br />

Protestversammlung gegen die Präsenz<br />

ausländischer Vogelschützer <strong>auf</strong><br />

Malta abhalten. Und weiter: Obwohl<br />

es sich um das größte bisher <strong>auf</strong> Malta<br />

<strong>auf</strong>gedeckte Jagdverbechen handelt,<br />

haben sowohl die Regierung als<br />

auch die Opposition bisher zu den<br />

Funden von Mizieb geschwiegen. Bis<br />

heute hat die maltesische Polizei keine<br />

Untersuchungsergebnisse veröf­<br />

34 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


fentlicht oder weitere Suchaktionen<br />

veranlasst.<br />

»»Forderungen des Komitees<br />

Fazit: Trotz EU-Beitritt gibt es <strong>auf</strong><br />

Malta in Sachen Zugvogelschutz<br />

noch viel zu tun. Die Umsetzung der<br />

Europäischen Vogelschutzrichtlinie<br />

hat bisher fast ausschließlich <strong>auf</strong><br />

dem Papier stattgefunden; von einem<br />

wirksamen Vollzug der Jagdgesetze<br />

kann keine Rede sein. Die Reaktion<br />

der Behörden <strong>auf</strong> das Vogelmassaker<br />

in Mizieb zeigt, dass es zurzeit <strong>auf</strong><br />

Malta offenbar keinerlei politischen<br />

Willen gibt, die Wilderei wirksam zu<br />

bekämpfen. Damit Zugvögel <strong>auf</strong> Malta<br />

besser vor Verfolgung geschützt<br />

werden können, ist die Verstärkung<br />

der A.L.E. mit mehr Personal und besserer<br />

Ausrüstung von entscheidender<br />

Bedeutung. Die Arbeit der Polizei<br />

besteht bisher hauptsächlich darin,<br />

<strong>auf</strong> Meldungen von Vogelschützern<br />

und aus der Bevölkerung zu reagieren.<br />

Dies führt besonders an Tagen<br />

mit starkem Zuggeschehen regelmäßig<br />

zu einer völligen Überlastung der<br />

wenigen verfügbaren Kräfte. Damit<br />

die Wilderei endlich effektiv bekämpft<br />

werden kann, muss die Präsenz<br />

von Polizeibeamten im Bereich<br />

der Rastplätze massiv verstärkt werden.<br />

Gleichzeitig muss dafür gesorgt<br />

werden, dass überführte Täter auch<br />

angemessen bestraft werden. Leider<br />

bewegen sich die von maltesischen<br />

Gerichten wegen Verstößen gegen das<br />

Jagdgesetz verhängten Strafen sehr<br />

oft im untersten Bereich der gesetzlich<br />

möglichen Skala. So wurde am 6.<br />

Oktober 2009 ein Mann aus Bahrija<br />

wegen Tierquälerei und illegalem Besitz<br />

von 75 streng geschützten Watvögeln<br />

(darunter Sichelstrandläufer,<br />

Mornell regenpfeifer, Bruchwasserläufer<br />

und Zwergstrandläufer) zu einer<br />

Geldbuße von lediglich 600 Euro<br />

verurteilt, was umgerechnet acht Euro<br />

pro Vogel entspricht. Ein Vogelfänger,<br />

den die Bird-Guards des Komitees im<br />

Mai 2008 in flagranti beim illegalen<br />

Fang von Ortolanen erwischt hatten,<br />

wurde am 18. Februar 2009 zu einer<br />

Geldstrafe von lächerlichen 466 Euro<br />

verurteilt.<br />

Um den Druck <strong>auf</strong> die maltesische<br />

Regierung zu erhöhen, haben Birdlife<br />

Malta und das Komitee gegen den<br />

Vogelmord die Europäische Kommission<br />

über die Ergebnisse ihrer Camps<br />

informiert. Parallel dazu l<strong>auf</strong>en die<br />

Vorbereitung für die Aktionen im<br />

nächsten Jahr <strong>auf</strong> Hochtouren. Für<br />

die Einsätze im Herbst <strong>2010</strong> werden<br />

übrigens noch fähige Vogelbeobachter<br />

mit Mut und Teamgeist gesucht.<br />

Wer Interesse an einer Teilnahme<br />

hat, kann sich beim Komitee oder<br />

bei Birdlife Malta bewerben.<br />

Axel Hirschfeld, David Conlin<br />

Kreisende Rohrweihen über der Hauptstadt<br />

Valletta.<br />

Foto: S. Agmon/KgdV, September 2009.<br />

Informationen zum Thema:<br />

Der Abschlussbericht des Komitee-<br />

Zugvogelschutzcamps im Herbst<br />

2009 sowie ein ausführliches Dossier<br />

über den „Vogelfriedhof” von<br />

Mizieb können <strong>auf</strong> der Homepage<br />

des Komitees (www.komitee.de)<br />

gegen den Vogelmord heruntergeladen<br />

werden. Dort sind auch die<br />

Tagebücher der letzten Einsätze<br />

sowie eine Tabelle der <strong>auf</strong> Malta<br />

jagdbaren Vogelarten abrufbar.<br />

Informationen über die Kampagnen<br />

von Birdlife Malta gibt es<br />

unter:<br />

www.birdlifemalta.org<br />

Axel Hirschfeld ist Biologe<br />

und Autor zahlreicher TV-<br />

Reportagen und Fachartikel<br />

über illegalen Tierhandel<br />

und Jagd. Seit 2001 arbeitet<br />

er als Artenschutzreferent<br />

und Pressesprecher für<br />

das Komitee gegen den Vogelmord und<br />

leitet die Einsätze des Verbandes gegen<br />

die illegale Zugvogeljagd <strong>auf</strong> Malta.<br />

Polizisten beruhigen einen <strong>auf</strong>gebrachten Jäger, der sich durch die Anwesenheit von<br />

ausländischen Vogelschützern gestört fühlt. Foto: D. Conlin/KgdV. September 2008.<br />

David Conlin ist pensionierter<br />

Stabsoffizier der<br />

Britischen Armee und<br />

Diplomat. Seit Mitte der<br />

1990er Jahre setzt er sich<br />

mit dem von ihm <strong>auf</strong>gebauten<br />

Netzwerk „Proact“,<br />

für einen besseren Vogelschutz in der EU<br />

ein. Seit 2007 organisiert er als freier<br />

Mitarbeiter für das Komitee gegen den<br />

Vogelmord Einsätze gegen die Zugvogeljagd<br />

im Mittelmeerraum.<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 35


Standpunkte<br />

Vogeljagd im Mittelmeerraum<br />

Lange Zeit war Italien eines der Schwerpunktländer für illegalen<br />

Vogelfang im Mittelmeergebiet. So wurden beispielsweise im südlichen<br />

Italien alljährlich Greifvögel in großer Zahl geschossen.<br />

Auch wenn es in Italien noch immer Probleme mit illegalem Vogelfang<br />

gibt – die Situation hat sich deutlich verbessert. Christoph<br />

Hein von migration unlimited hat uns erzählt, wie es dazu kam.<br />

DER FALKE: Was ist migration-unlimited ?<br />

Christoph Hein: Hinter dem Namen migration-unlimited<br />

verbirgt sich eine Bundesarbeitsgruppe unter dem Dach des<br />

Naturschutzbund Deutschland (NABU). Ihr Ziel ist es, lokalen<br />

Partnerorganisationen oder Gruppen im Mittelmeerraum<br />

bei Vorhaben zum Schutz von Zugvögeln gegen illegalen<br />

Fang oder illegale Bejagung zur Seite zu stehen. Im<br />

Vordergrund steht dabei keine reine Finanzhilfe, sondern<br />

eine zumeist lange Jahre andauernde enge Kooperation bei<br />

direkten Aktionen gegen Wilderei, aber auch der Umweltbildung,<br />

der Schulung von Lehrern vor Ort, der Einflussnahme<br />

gegenüber Politik und Behörden im jeweiligen Land,<br />

der Ausweisung und Begründung von Schutzgebieten. migration-unlimited<br />

hat immer eine lokale Partnerorganisation,<br />

die das Projekt federführend betreut.<br />

Seit wann arbeitet migration-unlimited in Süditalien?<br />

Unsere Projektpartnerschaft mit Ornithologen an der<br />

Straße von Messina geht <strong>auf</strong> das Jahr 1986 und ein erstes<br />

Treffen im Zuge einer Konferenz zum Greifvogelschutz<br />

in Kalabrien zurück. Das erste internationale Camp zum<br />

Schutz ziehender Greifvögel und Störche in Messina (Sizilien)<br />

fand unter Leitung von Anna Giordano im Frühjahr<br />

1987 statt. In den dar<strong>auf</strong>folgenden Jahren haben schätzungsweise<br />

600 überwiegend jugendliche Naturschützer<br />

aus ganz Europa und einige aus Übersee mit uns für den<br />

Stopp des illegalen Abschusses von Zugvögeln in Süditalien<br />

gestritten.<br />

Wie hat sich der illegale Abschuss von <strong>Vögel</strong>n in Süditalien<br />

in den vergangenen Jahren verändert?<br />

unsere lokalen Partner kaum ständig überall präsent sein<br />

können. Die Forstpolizei, aber auch andere Polizeieinheiten<br />

arbeiten fast ausnahmslos zu unserer Zufriedenheit,<br />

eigenständig und daran interssiert, den guten Status<br />

quo zu erhalten.<br />

Was sind die Ursachen hierfür?<br />

Die Ursachen für den Rückgang sind vielschichtig. An<br />

erster Stelle ist die lange Jahre <strong>auf</strong>rechterhaltene konsequente<br />

Verfolgung durch die Polizeisondereinheiten zu<br />

nennen, die allerdings auch erst Dank unseres Drucks und<br />

der aktiven logistischen Hilfe erfolgreich gegen Wilderer<br />

vorgehen konnten. Nicht zu vernachlässigen ist auch der<br />

Generationenwechsel. Die Jäger, die der Greifvogeljagd aus<br />

alter Tradition nachgegangen sind, sind – wie wir Aktive<br />

– mittlerweile gut 20 Jahre älter geworden und riskieren<br />

für das Hobby nicht mehr, von der Polizei und den Gerichten<br />

verfolgt zu werden; die junge Generation hat überwiegend<br />

andere Interessen und wird auch von den Vätern<br />

nicht mehr so häufig wie früher zur Jagd mitgenommen.<br />

Die Jungen erkennen, dass die Traditionen, die die Jagd<br />

einst begründet haben, in der modernen Zeit keinen Platz<br />

mehr haben. Das allgemeine Umweltbewusstsein ist Dank<br />

der Medien und der Arbeit der Umweltschutzverbände gestiegen.<br />

Zu guter Letzt – und dieser Punkt ist, denke ich,<br />

nicht zu unterschätzen – ist die langjährige enge Freundschaft<br />

zwischen den Projektbeteiligten Motor und Quelle<br />

der Kraft gewesen, einen anfänglich aussichtlos erscheinenden<br />

Kampf gegen alle Widerstände und Rückschläge<br />

zu führen.<br />

Welche Projekte bearbeitet migration-unlimited aktuell?<br />

In den ersten Jahren unserer Camps wurden wir täglich<br />

mit Abschüssen bedrohter oder gefährdeter Greifvögel direkt<br />

vor unseren Augen konfrontiert. Tage mit bis zu 1000<br />

Schuss im direkten Umfeld und Dutzende toter oder angeschossener<br />

Tiere waren die Regel. Geschätzt starben etwa<br />

5000 bis 6000 Wespenbussarde jedes Frühjahr während des<br />

Vogelzuges. Aggressionen oder Anfeindungen gegen die<br />

Campteilnehmer durch Jäger waren keine Seltenheit, die<br />

zuständigen Behörden waren anfangs vollkommen inaktiv.<br />

Heute ist die Zahl der illegal während des Frühjahrszuges<br />

geschossenen <strong>Vögel</strong> <strong>auf</strong> wahrscheinlich kaum noch<br />

ein Dutzend gesunken. Betrachtet man die Größe des<br />

Einzugsgebietes, ist das ein sensationeller Rückgang, da<br />

Seitdem sich die Lage an der Straße von Messina so entspannt<br />

hat, haben wir eine neue Projektpartnerschaft mit<br />

einer kleinen Naturschutzorganisation im Norden der Insel<br />

Zypern <strong>auf</strong>leben lassen. Hier stellen sich wenige Aktive<br />

gegen etwa 20 000 registrierte Jäger und Hunderte Vogelfänger,<br />

die mit Netzen und Leimruten in erster Linie Singvögel<br />

während der Zugzeiten fangen. Schätzungen gehen<br />

von bis zu zehn Millionen <strong>Vögel</strong>n aus, die dort alljährlich<br />

ihr Leben lassen müssen. Mit einer anderen Partnergruppe<br />

südlich von Istanbul bemühen wir uns, Probleme für ziehende<br />

Störche zu lösen, die durch nicht ausreichend isolierte<br />

Mittelspannungsleitungen dort ebenfalls während<br />

der Zugzeiten schmerzliche Verluste erleiden.<br />

36 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


Vogelschutz<br />

Malta: Rückkehr „häufiger“ Vogelarten<br />

Das Jahr 2009 war für Maltas Brutvögel von besonderer Bedeutung, wie ein von BirdLife<br />

Malta veröffentlichter Bericht zur Lage der Inselvogelwelt deutlich macht. Einige Vogelarten<br />

scheinen vom Verbot der Frühjahrsjagd zu profitieren und Malta wieder als Brutgebiet<br />

zu nutzen.<br />

Nach fast 100 Jahren kehrt auch die Gebirgsstelze<br />

als Brutvogel nach Malta zurück.<br />

Foto: M. Schäf.<br />

Im „2009 Rare Breeding Bird Report“<br />

sind alle Brutbeobachtungen<br />

seltener Vogelarten gemäß der<br />

strikten Kriterien des European Bird<br />

Census Council und BirdLife Malta<br />

für Brutnachweise sehr seltener Arten<br />

<strong>auf</strong> Malta und den dazugehörigen<br />

Inseln enthalten. Die Ergebnisse zeigen,<br />

dass neun seltene Vogelarten,<br />

von denen die meisten in anderen<br />

Ländern recht häufig sind, in ihrer<br />

Gesamtverbreitung <strong>auf</strong> den maltesischen<br />

Inseln im Vergleich zum Vorjahr<br />

in ihren Beständen zugenommen<br />

haben. Vier dieser im Jahr 2009 <strong>auf</strong><br />

Malta brütenden Arten waren im Bericht<br />

von 2008 nicht <strong>auf</strong>geführt.<br />

Als Highlights der Studie gelten die<br />

bestätigten Brutnachweise für Turmfalken<br />

(zwei Brutpaare) – die ersten<br />

seit 15 Jahren! – sowie die Eroberung<br />

Maltas als Brutlebensraum einer für<br />

die Inseln neuen Art: des Fahlseglers.<br />

Weiterhin konnte erstmalig seit fast<br />

100 Jahren eine Brut der Gebirgsstelze<br />

nachgewiesen werden. Ebenso gelang<br />

der insgesamt erst vierte bestätigte<br />

Nachweis von Kuckucksbruten.<br />

Nach Angaben von Dr. Andre<br />

Raine, Conservation Manager bei<br />

BirdLife Malta, vermuten Vogelschützer,<br />

dass das während der letzten zwei<br />

Jahre durchgesetzte Verbot der Frühjahrsjagd<br />

eine wichtige Rolle bei der<br />

Etablierung dieser Arten spielt, da die<br />

<strong>Vögel</strong> zu Beginn der Brutzeit weniger<br />

gestört werden. Obwohl die illegale<br />

Jagd, besonders im Süden, auch weiterhin<br />

verbreitet ist, war die Intensität<br />

der Jagdaktivitäten während des<br />

Frühjahrszuges deutlich geringer als<br />

vor dem Verbot. Nachdem die Frühjahrsjagd<br />

nun verboten ist, besteht das<br />

größte Problem für seltene Brutvögel<br />

im illegalen Abschuss während der<br />

Jagdsaison <strong>auf</strong> Kaninchen, die am 1.<br />

Fahlsegler brüteten im<br />

Jahr 2009 zum ersten<br />

Mal <strong>auf</strong> Malta.<br />

Foto: R. Martin.<br />

Juni beginnt. Konstantin Kreiser, EU<br />

Policy Manager bei der Europaabteilung<br />

von BirdLife International, zeigt<br />

sich erfreut über die Rückkehr von<br />

Vogelarten nach Malta als Brutvögel.<br />

Dies sei ein großer Erfolg für BirdLife<br />

und die EU­Vogelschutz­Richtlinie –<br />

nach der sich anscheinend auch Malta<br />

endlich richten will.<br />

Leider gingen bei BirdLife Malta<br />

auch dieses Jahr in den Monaten<br />

Juni und Juli wieder geschossene,<br />

geschützte <strong>Vögel</strong> ein – einschließlich<br />

Arten, die im Frühjahr <strong>auf</strong> Malta gebrütet<br />

hatten.<br />

Trotz solcher Abschüsse wurden im<br />

Jahr 2009 auch ausgesprochen positive<br />

Veränderungen registriert. Maltesische<br />

Dörfer beherbergten neue<br />

Kolonien brütender Mauersegler,<br />

während <strong>auf</strong> den Feldern Turmfalken<br />

Futter für ihre Jungen finden konnten.<br />

Nach wie vor ist es von großer<br />

Bedeutung, <strong>auf</strong> Malta eine ständige<br />

Wildlife Crime Unit <strong>auf</strong>zubauen um<br />

seltene Vogelarten das ganze Jahr<br />

über schützen zu können – vor allem<br />

auch während der Brutsaison im<br />

Sommer, wenn die <strong>Vögel</strong> durch illegale<br />

Jagd besonders gefährdet sind.<br />

Anita Schäffer<br />

Quelle: BirdLife Presseinfo vom 25.08.2009,<br />

www.birdlife.org/news/news/2009/08/<br />

malta_rare_bird.html<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 37


Vogelschutz<br />

Illegaler Fang in Südwestfrankreich:<br />

Ursache für den Rückgang der Ortolane?<br />

Der illegale Fang von Ortolanen in Frankreich ist Vogelschützern in ganz Europa schon seit<br />

geraumer Zeit ein Dorn im Auge. Während diese Art vielerorts zu einer echten Rarität geworden<br />

ist, wandern in Südfrankreich noch immer Tausende Ortolane buchstäblich in den<br />

Kochtopf. Tradition hin oder her – dieser Zustand ist untragbar.<br />

Nach BirdLife Internationals<br />

Publikation Birds in Europe<br />

gehen die europäischen<br />

Bestände des Ortolans fast überall<br />

zurück. Aufgrund einer rapiden historischen<br />

Abnahme, von der sich die<br />

Art nie erholt hat, stuft BirdLife den<br />

Ortolan in Europa als „dezimiert“ (depleted)<br />

ein. Immer wieder sind Stimmen<br />

laut geworden, die die mangelnde<br />

Bestandserholung teilweise <strong>auf</strong><br />

den massiven Fang <strong>auf</strong> dem Zug in<br />

Frankreich zurückführen<br />

Mitglieder der Ligue pour la Protection<br />

des Oiseaux (LPO, BirdLife<br />

Partner in Frankreich) und der Umweltorganisation<br />

SEPANSO starteten<br />

im August 2009 eine groß angelegte<br />

Aktion gegen den Ortolanfang im<br />

Département Les Landes in Südwestfrankreich.<br />

Mehr als 200 Fallen wurden<br />

dabei zerstört und mehrere Dutzend<br />

Ortolane befreit. Ortolane sind<br />

seit 1999 in Frankreich geschützt,<br />

wegen ihres guten Geschmacks aber<br />

als illegale Beute nach wie vor sehr<br />

begehrt. In jedem Jahr werden zwischen<br />

Mitte August und Ende September<br />

im Süden von Les Landes und<br />

im Norden des Département Pyrénées­Atlantiques<br />

30 000 bis 50 000<br />

Ortolane zu Speisezwecken gefangen,<br />

wie Bougrain erläutert. Das ent­<br />

Mit Drahtfallen werden Ortolane gefangen<br />

und anschließend in Käfigen gemästet.<br />

Foto aus LPO­Video: http://www.lpo.fr/comm/2009/<br />

comm2009­08­30.shtml<br />

spricht der gesamten Brutpopulation<br />

der Beneluxstaaten, Deutschlands,<br />

Dänemarks, Österreichs, der Tschechischen<br />

Republik und der Slowakei<br />

zusammengenommen.<br />

» Gezielter Schutz ab <strong>2010</strong>?<br />

Der Präsident von LPO, Bougrain<br />

Dubourg klagt die „inakzeptable<br />

Tole ranz“ der Behörden gegenüber<br />

den Vogelfängern an: Im Jahr 2008<br />

wurden lediglich in acht Fällen Ermittlungsverfahren<br />

eingeleitet, während<br />

die LPO die Zahl der Vogelfänger<br />

<strong>auf</strong> über 1200 schätzt.<br />

„Wir verlangen von der Regierung,<br />

hier Verantwortung zu zeigen”,<br />

sagte Bougrain Dubourg der Agence<br />

France­Presse (AFP). Er hätte vom<br />

Umweltminister, Jean­Louis Borloo<br />

die Zusage erhalten, dass die Behörden<br />

etwas unternehmen, aber geschehen<br />

sei kaum etwas. „Es hat zwanzig<br />

Jahre gedauert, den Fang von Turteltauben<br />

zu unterbinden. Ich hoffe, der<br />

Ortolan muss nicht so lange <strong>auf</strong> seinen<br />

Schutz warten“, setzte Bougrain<br />

Dubourg fort.<br />

Die Umweltstaatssekretärin Chantal<br />

Jouanno gab AFP gegenüber zu,<br />

dass die Regierung 30 Jahre lang<br />

tatenlos zugesehen habe, bekräftigte<br />

jedoch, dass es von <strong>2010</strong> an, dem Internationalen<br />

Jahr der Biologischen<br />

Vielfalt, keine Toleranz für den Ortolanfang<br />

mehr geben würde. Nachdem<br />

diese Vogelart in den letzten 20 Jahren<br />

70 bis 90 Prozent der Population<br />

eingebüßt hat, steht der Ortolan recht<br />

nahe am Rand des Aussterbens. 2008<br />

wären 17 Mitarbeiter der Staatlichen<br />

Jagdbehörde ONCFS be<strong>auf</strong>tragt worden,<br />

1200 bis 1500 Vogelfänger in 60<br />

Gemeinden der Region <strong>auf</strong>zuspüren.<br />

Früher galten Ortolane als Delikatesse<br />

am königlichen Hof, heute erlangen<br />

die <strong>Vögel</strong> noch hohe Preise<br />

Ortolane (hier ein Männchen) gelten in Südfrankreich<br />

nach wie vor als Delikatesse.<br />

Foto: H. Tuschl/Naturfotoarchiv Willner. Bulgarien, Mai 2008.<br />

<strong>auf</strong> dem Schwarzmarkt. Gefangene<br />

Ortolane werden in Käfigen gehalten<br />

und gemästet, bevor sie <strong>auf</strong> dem<br />

Speisetisch landen. Unter http://www.<br />

lpo.fr/comm/2009/comm2009-08-30.shtml<br />

kann ein LPO­Video von der Operation<br />

Ortolan abgerufen werden.<br />

Peter Herkenrath<br />

Literatur zum Thema:<br />

Bernardy P 2009: Ökologie und<br />

Schutz des Ortolans (Emberiza hortulana)<br />

in Europa – IV. Internationales<br />

Ortolan­Symposium. Naturschutz<br />

Landschaftspfl. Niedersachs. H. 45.<br />

Lang M 2007: Niedergang der<br />

süddeutschen Ortolan­Population<br />

Emberiza hortulana – liegen die Ursachen<br />

außerhalb des Brutgebiets?<br />

Vogelwelt 128: 179­196.<br />

38 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


Rote Liste 2009: Ist das weltweite<br />

Artensterben noch <strong>auf</strong>zuhalten?<br />

Gemäß der neuesten, aktualisierten Ausgabe der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN<br />

sind 17 291 von insgesamt 47 677 untersuchten Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben<br />

bedroht.<br />

Weltweit nimmt die Artenvielfalt<br />

nach wie vor weiter<br />

ab. Im Januar <strong>2010</strong> beginnt<br />

das Internationale Jahr der Biodiversität<br />

– die aktuelle Rote Liste der IUCN<br />

zeigt jedoch deutlich, dass das von<br />

der weltweiten Staatengemeinschaft<br />

im Rahmen der Konvention über<br />

den Erhalt der Biologischen Vielfalt<br />

gesetzte Ziel, bis zum Jahr <strong>2010</strong> den<br />

Verlust der Artenvielfalt deutlich zu<br />

verlangsamen, nicht erreicht wurde.<br />

Es wird Zeit, dass Regierungen sich<br />

ernsthaft mit dem Schutz von Arten<br />

befassen. Der Erhalt der Biodiversität<br />

muss hoch oben <strong>auf</strong> der Prioritätenliste<br />

stehen, bevor die Zeit für wirksame<br />

Maßnahmen abgel<strong>auf</strong>en ist.<br />

»»Die aktuelle Situation<br />

Bereits vor einigen Wochen hat Bird­<br />

Life International, als zuständige Instanz<br />

für die Beurteilung der Situation<br />

in der Vogelwelt, die aktualisierte<br />

Ausgabe der Roten Liste bedrohter<br />

Vogelarten 2009 veröffentlicht.<br />

Von den insgesamt 9998 bekannten,<br />

untersuchten Vogelarten<br />

weltweit sind 137 bereits ausgestorben<br />

oder gelten als verschollen.<br />

Weitere 192 sind nach der neuesten<br />

Roten Liste vom Aussterben bedroht,<br />

362 stark gefährdet und 669<br />

gefährdet. In anderen Artengruppen<br />

sieht es noch schlechter aus. Weltweit<br />

wurden 5490 Säugetierarten<br />

hinsichtlich ihrer Bestandssituation<br />

bewertet. 79 Säugetierarten gelten<br />

demnach als ausgestorben oder verschollen,<br />

188 Säugetierarten sind<br />

vom Aussterben bedroht. Zahlreiche<br />

Arten finden sich in den Kategorien<br />

„stark gefährdet“ (449) und „gefährdet“<br />

(505). Stellvertretend für die<br />

Gefährdungssituation vieler anderer<br />

Säugetierarten steht das mäuseartige<br />

Voalavo Voalavo antsahabensis, das<br />

in diesem Jahr zum ersten Mal in<br />

der Kategorie „stark gefährdet“ <strong>auf</strong>geführt<br />

wird. Das Vorkommen dieses<br />

nur <strong>auf</strong> Madagaskar heimischen Nagers<br />

beschränkt sich <strong>auf</strong> tropische<br />

Bergwälder. Sein Lebensraum wird<br />

durch Brandrodung immer kleiner.<br />

Mittlerweile stehen auch insgesamt<br />

1677 Reptilienarten <strong>auf</strong> der weltweiten<br />

Roten Liste, 293 davon waren<br />

alleine in diesem Jahr hinzugefügt<br />

worden. 22 Arten gelten bereits als<br />

ausgestorben oder verschollen, ganze<br />

469 Reptilienarten sind vom Aussterben<br />

bedroht. Unter den Neuzugängen<br />

sind 165 <strong>auf</strong> den Phillippinnen endemische,<br />

also nur dort vorkommende<br />

Arten, darunter auch die stark gefährdete<br />

Panay Waran Varanus mabitang.<br />

Die Bedrohung für diese hochspezialisierte<br />

Art besteht ebenfalls in<br />

Lebensraumverlust durch land- und<br />

holzwirtschaftliche Nutzung in ihrem<br />

Vorkommensgebiet, zudem wird<br />

die Echse von den Einheimischen als<br />

Nahrungsquelle gejagt. Verlust des<br />

Lebensraumes spielte auch bei der<br />

Einstufung der Philippinischen Segelechse<br />

Hydrosaurus pustulatus in<br />

die Kategorie „gefährdet“ eine große<br />

Rolle. Daneben besteht eine Hauptursache<br />

für Bestandrückgänge dieser<br />

Art im Sammeln frisch geschlüpfter<br />

Echsen zum Verzehr ebenso wie für<br />

den Handel als Haustiere. Zweifellos<br />

ist die Gefährdungssituation unter<br />

den Reptilien bereits sehr ernst – und<br />

könnte sogar noch schlimmer sein.<br />

Zwei bis drei Millionen US Dollar<br />

wären nötig um die Bestandstrends<br />

aller Reptilienarten bewerten und<br />

ein genaueres Bild der Situation erhalten<br />

zu können – bisher fehlt hierfür<br />

jedoch das Geld. Die am meisten<br />

gefährdete Artengruppe stellen die<br />

Amphibien: von den 6285 weltweit<br />

untersuchten Amphibienarten sind<br />

etwa 30 % gefährdet. 39 Arten hiervon<br />

sind bereits ausgestorben oder<br />

gelten als verschollen, 484 Arten sind<br />

vom Aussterben bedroht, 754 stark<br />

gefährdet und 657 gefährdet. Die<br />

Kihansi Gischtkröte Nectophrynoides<br />

asperginis musste aus der Kategorie<br />

„vom Aussterben bedroht“ in die<br />

Kategorie „verschollen“ hochgestuft<br />

werden. Das einzige Vorkommen<br />

der Art war von den Kihansi Fällen<br />

in Tansania bekannt, wo die Kröte<br />

einstmals mit mehr als 17 000 Individuen<br />

verbreitet war. Mittlerweile<br />

verhindert der Bau eines Dammes<br />

oberhalb der Kihansi Fälle 90 % des<br />

ursprünglichen Wasserstromes in die<br />

Schlucht und reduzierte damit den<br />

Aufgrund intensiver Schutzbemühungen konnte der Lear<br />

Ara in Brasilien aus der höchsten Gefährdungsstufe herausgenommen<br />

werden. Foto: A. & G. Swash (WorldWildlifeImages.com).<br />

Lebensraum der Kihansi Gischtkröte<br />

massiv. Die Ausbreitung einer Pilzkrankheit<br />

(Chytridiomycosis) war<br />

letztendlich wohl ausschlaggebend<br />

für das vollständige Verschwinden<br />

der Art. Ein Pilz gefährdet auch die<br />

Bestände eines Baumfrosches in Panama,<br />

Ecnomiohyla rabborum, der in<br />

der neuen Roten Liste als „vom Aussterben<br />

bedroht“ geführt wird. Seit<br />

im Jahr 2006 ein Pilz mit dem Namen<br />

Batrachochytrium dendrobatidis im<br />

Der Falke 57, <strong>2010</strong> 39


Vogelschutz<br />

einzigen Vorkommensgebiet der Art<br />

in Zentral­Panama entdeckt worden<br />

war, hatten Wissenschaftler nur noch<br />

ein einziges Männchen rufen hören.<br />

Baumfrösche dieser Art wurden zwar<br />

zu Nachzuchtzwecken gefangen, alle<br />

bisherigen Zuchtversuche waren jedoch<br />

erfolglos. Besonders dramatisch<br />

sieht die Situation im Reich der<br />

Pflanzen aus: Von den weltweit untersuchten<br />

Pflanzenarten sind 12 151<br />

in der Roten Liste verzeichnet. 8500<br />

Pflanzenarten finden sich in den<br />

hoch gefährdeten Kategorien, davon<br />

gelten 114 Arten bereits als „ausgestorben<br />

oder verschollen“. Ein außergewöhnliches<br />

Beispiel liefert eine<br />

Bromelienart, Puya raimondii, die<br />

auch nach erneuter Bewertung in der<br />

Kategorie „stark gefährdet“ verbleibt.<br />

Die in den Anden Perus und Boliviens<br />

beheimatete Pflanze bildet nur<br />

alle 80 Jahre (!) Samen aus und stirbt<br />

dann. Möglicherweise hat der Klimawandel<br />

das Aussamen alter Pflanzen<br />

bereits aus dem Gleichgewicht gebracht,<br />

zudem leiden die Jungpflanzen<br />

unter Tritt­ und Fraßschäden<br />

durch Weidevieh. Trotz aller negativen<br />

Beispiele sind in der aktuellen<br />

Roten Liste auch großartige Naturschutzerfolge<br />

zu finden. Der Lear Ara<br />

in Brasilien beispielsweise konnte aus<br />

der höchsten Gefährdungsstufe „vom<br />

Aussterben bedroht“ heruntergestuft<br />

werden. Durch Schutzbemühungen,<br />

bei denen zahlreiche nationale und<br />

internationale Verbände, die brasilianische<br />

Regierung sowie Landbesitzer<br />

zusammenarbeiteten, konnte sich<br />

der Bestand dieses atemberaubenden,<br />

blauen Papageis vervierfachen! In<br />

Neuseeland profitierte der Chathamsturmvogel<br />

Pterodroma axillaris von<br />

Maßnahmen, die das New Zealand<br />

Department of Conservation zum<br />

Schutz der Art durchführte, und wurde<br />

dar<strong>auf</strong>hin aus der Kategorie „vom<br />

Aussterben bedroht“ herausgenommen.<br />

Und <strong>auf</strong> Mauritius wurde der<br />

Mauritiusweber Foudia rubra vom<br />

Rand des Aussterbens zurückgeholt,<br />

nachdem die Art <strong>auf</strong> eine Beutegreifer<br />

freie Insel umgesiedelt und eine neue<br />

Population <strong>auf</strong>gebaut werden konnte.<br />

Der Mauritiusweber wird nun als<br />

„stark gefährdet“ in der Roten Liste<br />

geführt. Chathamsturmvogel ebenso<br />

wie Mauritiusweber sind Beispiele<br />

für Arten, deren Hauptbedrohung in<br />

eingeführten, ursprünglich nicht heimischen<br />

Arten, z. B. Beutegreifern,<br />

besteht. Die Bekämpfung <strong>auf</strong> Inseln<br />

eingeführter Arten ist eine von zehn<br />

Schlüsselmaßnahmen, die BirdLife<br />

International herausgearbeitet hat,<br />

um das weitere Aussterben von Vogelarten<br />

zu verhindern. Die Veränderungen<br />

in der diesjährigen Roten Liste<br />

zeigen, dass es durchaus möglich<br />

ist, die Situation für einzelne Arten<br />

zu verbessern. Dazu bedarf es „nur“<br />

guten Willens zum Handeln und die<br />

Mittel zur Durchführung.<br />

Anita Schäffer<br />

Quelle: BirdLife International<br />

Presseinfo 3.10.2009;<br />

Rote Liste 2009 der IUCN, www.iucnredlist.org<br />

Veränderungen der Vogelwelt Großbritanniens<br />

Während der letzten zehn Jahre ging es seltenen<br />

Vogelarten in Großbritannien anscheinend bedeutend<br />

besser als wesentlich häufigeren Arten.<br />

Eine von führenden Naturschutzorganisationen des<br />

Landes veröffentlichte Studie zum Status von 210 natürlicherweise<br />

in Großbritannien brütenden Vogelarten zeigt,<br />

dass bei fast 60 % der 63 seltenen Arten Bestandszunahmen<br />

zu verzeichnen sind. Bestandsabnahmen finden sich<br />

bei nur 28 % der seltenen Arten, in Kontrast dazu jedoch<br />

auch bei vier von zehn häufigen Vogelarten.<br />

Als „selten“ gelten Vogelarten mit weniger als 1000<br />

Brutpaaren. Zu den Arten, die sich gut entwickeln, zählen<br />

u. a. Fischadler, Wachtelkönig, Säbelschnäbler, Zaunammer<br />

und Triel – sie alle profitieren von intensiven<br />

Schutzmaßnahmen. Den Naturschutzerfolgen stehen Bestandsrückgänge<br />

häufiger Arten wie z. B. Bluthänfling,<br />

Nachtigall, Mauersegler, Feldlerche, Star, Haussperling,<br />

Turmfalke und Fitis gegenüber. Die Ursachen für die fallenden<br />

Bestandszahlen sind hierbei sehr unterschiedlich,<br />

von Veränderungen der Landnutzung im Brutgebiet bis<br />

hin zu Gefahren in den Überwinterungsräumen der ziehenden<br />

Arten.<br />

Die Naturschützer sind sich einig, dass mit gezielten<br />

Maßnahmen auch den häufigen Arten geholfen werden<br />

kann. Jetzt gilt es die Erfahrungen beim Schutz seltener<br />

Arten <strong>auf</strong> die überall anzutreffenden anzuwenden.<br />

Anita Schäffer<br />

Quelle: RSPB Presseinfo vom 28.10.2009<br />

Die Bestände vieler seltener Vogelarten wie z. B. der Zaunammer<br />

(hier ein Männchen) entwickeln sich in Großbritannien <strong>auf</strong>grund<br />

intensiver Schutzbemühungen positiv.<br />

Foto: M. Schäf.<br />

40 Der Falke 57, <strong>2010</strong>


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