Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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300 Dw eigentliche ontologische Dimension Bedenken wir, daß das Sein des Seienden zunächst und zumeist begriffen wird als beständige Anwesenheit - und darin liegt Hergestelltheit, Herstellen, Verfertigen, im weiteren Sinne Verwirklichen, das in sich birgt Verursachen und Ursachesein -, dann wird ersichtlich: Die Kausalität ist gerade im Sinne des überlieferten Verstandes des Seins des Seienden, im vulgären Verstande wie in der traditionellen Metaphysik, die Grundkategorie des Seins als Vorhandensein. 'Venn Kausalität ein Problem der Freiheit ist und nicht umgekehrt, dann ist das Problem des Seins überhaupt in sich ein Problem der Freiheit. Das Problem des Seins ist aber, wie wir in der Vorbetrachtung zeigten, das Grundproblem der Philosophie überhaupt. Also ist die Frage nach dem Wesen der menschlichen Freiheit die Grundfrage der Philosophie, in der sogar die Frage nach dem Sein verwurzelt ist. Das aber ist die These, die wir am Schluß der Vorbetrachtung und im übergang zum Problem der Freiheit als Kausalität ausgesprochen haben. Das Problem der Freiheit als Kausalität ist jetzt erörtert. Aber nicht gezeigt wurde, daß die Kausalität ein Problem der Freiheit ist, d. h. die Frage nach dem Sein eingebaut ist in das Problem der Freiheit. Unsere Grundthese ist nicht bewiesen. Allerdings nicht, und doch haben wir, wenn wir wirklich verstanden haben, etwas Wesentliches begriffen: daß es ein eigen Ding ist um die Wirklichkeit der Freiheit und damit offenbar um alle Problematik, die auf sie zielt und hiermit erst recht um alle Beweise, die hier geführt werden sollen und können. Diese Grundthese, mit der wir scheinbar gewaltsam in die Philosophie einbrachen, ist dann aber auch kein Satz, der mit den kleinen Mitteln einer Wissenschaft theoretisch beweisbar wäre. Er ist es nicht, weil er überhaupt nichts aussagt über etwas feststellbares Vorhandenes. Aber er sagt doch aus über das Wesen. Und Wesen und Wesenszusammenhang - können wir diese nicht absolut einsichtig erschauen? Nein! Das Wesen bleibt uns verschlossen, solange wir selbst nicht wesentlich werdenim Wesen. § 29. D~e Grenzen der kantischen Erörterung 301 Anfänglich versuchten wir eine einfache Kennzeichnung der beiden kantischen Wege zur Freiheit, indem wir sagten, der erste Weg handelt von der Mciglichkeit der Freiheit, der zweite Weg von der Wirklichkeit der Freiheit. Wir haben die Kennzeichnung damals zurückgewiesen. J etzl, wo wir die Problematik beider Wege kennen, dürfen wir die Kennzeichnung wieder aufnehmen. Sie erlaubt jetzt, recht gefaßt, eine entscheidende Konzentration des ganzen Problems. Auf dem zweiten Weg ist in der Tat die Wirklichkeit der praktischen Freiheit Problem, sofern es sich darum handelt, sie als praktisch wirklich nachzuweisen und die Eigenart ihrer Beweisbarkeit herauszustellen. Allein, die Wirklichkeit dieser wirklichen Freiheit wird gerade nicht Problem in der Weise, daß eigens und wirklich gefragt wird nach dem Wesen dieses spezifischen Seins, das sich im willentlichen Handeln der Person des Menschen bekundet. Wirklichkeit der Freiheit, ja darum geht es, aber nicht um sie im eigentlichen metaphysischen Sinne, nicht um sie als ein Problem des Seins. Auf dem ersten Weg ist die Mciglichkeit der Freiheit Problem, aber in der bestimmten Form, daß gefragt wird nach der Möglichkeit der Vereinbarkeit von Freiheit und Naturkausalität. Das sieht so aus, als sei eigentlich die Möglichkeit der Freiheit Problem, d. h. weil eben Freiheit im vorhinein eine Art von Kausalität ist, Ursachesein aber in sich bezogen ist auf anderes Bestimmbares, Bewirkbares. Deshalb kann die Frage nach der Möglichkeit einer so gefaßten Freiheit gar nichts anderes sein als die Frage der Vereinbarkeit dieser Kausalität mit einer anderen. Allein, die Möglichkeit der Freiheit ist gerade nicht Problem in der Weise, daß eigens und wirklich gefragt wird nach dem Wesen des spezifischen Seins des Seienden, das als mögliches Vereinbares in und durch beide Kausalitäten angesetzt ist. Auf beiden Wegen unterbleibt die Frage nach dem Seins charakter des in Frage stehenden Wirklichen bzw. Möglichen. Der Möglichkeitscharakter ebenso wie der Wirklichkeitscharakter der Freiheit als Freiheit bleiben unbestimmt

302 Die eigentliche ontologische Dimension und erst recht das hier obwaltende Verhältnis beider, obzwar ständig und allein von ihm gehandelt wird. § 30. Freiheit als Bedingung der Möglichkeit der Offenbarkeit des Seins des Seienden, d. i. des Seinsverständnisses Die Fragwürdigkeit beider Wege und ihrer Einheit aber wird dadurch verhüllt, daß beidemal das Problem unter die leitende Bestimmung der Kategorie Kausalität gebracht wird, die Kausalität selbst aber nicht zum Problem wird im Sinne einer radikalen Erörterung des darin beschlossenen Seinsproblems. Was müßte geschehen, wenn die Kausalität, zunächst noch ganz im Sinne Kants, Problem würde? Kausalität ist wie die übrigen Kategorien des Vorhandenen im weiteren Sinne nach Kant ein Charakter der Gegenständlichkeit der Gegenstände. Gegenstände sind das Seiende, sofern es in der theoretischen Erfahrung als einer solchen des endlichen Menschenwesens zugänglich wird. Die Kategorien sind dann Charaktere des Seins des so offenbaren Seienden, Bestimmungen des Seins des Seienden, die es ermöglichen, daß Seiendes in seinen verschiedenen seinshaften Hinsichten an ihm selbst offenbar wird. Seiendes aber kann sich von ihm selbst nur zeigen und gar als Gegenstand nur entgegenstehen, wenn das Erscheinen von Seiendem und somit in erster Linie das, was dergleichen Erscheinung im Grunde ermöglicht, das Seinsverständnis, wenn dieses in sich den Charakter hat des Gegenstehenlassens von etwas. Gegenstehenlassen von etwas als Gegebenes, grundsätzlich: Offenbarkeit von Seiendem in der Verbindlichkeit seines So- und Daßseins, wird nur da möglich, wo das Verhalten zu Seiendem als solchem den Grundzug hat, daß es dem, was möglicherweise, ob in theoretischer oder praktischer Erkenntnis, oder sonstwie offenbar wird, im vorhinein Verbindlichkeit zugesteht. Vorgängiges Zugestehen von Verbindlichkeit aber ist ursprüngliches § 30. Freiheit als Bedingung der Offenbarkeit des Seins 303 Sichbinden, Bindung als für sich verbindlich sein lassen, d. h. kantisch, sich ein Gesetz geben. Begegnenlassen von Seiendem, Verhalten zu Seiendem in jeder Weise der Offenbarkeit ist nur möglich, wo Freiheit ist. Freiheit ist die Bedingung der Möglichkeit der Offenbarkeit des Seins von Seiendem, des Seinsverständnisses . Eine Seinsbestimmung des Seienden unter anderen aber ist die Kausalität. Kausalität gründet in der Freiheit. Das Problem der Kausalität ist ein Problem der Freiheit und nicht umgekehrt. Grundsätzlich ist die Frage nach dem Wesen der Freiheit das Grundproblem der Philosophie, wenn anders die Leitfrage dieser in der Frage nach dem Sein beschlossen liegt. Doch diese Grundthese und ihr Beweis ist nicht Sache einer theoretisch-wissenschaftlichen Erörterung, sondern eines Begreifens in Begriffen, die immer und notwendig im vorhinein den Begreifenden mit einbegreifen, ihn in der Wurzel seines Daseins in Anspruch nehmen. Wofür? Für nichts Geringeres und nichts Höheres als dafür: wesentlich zu werden im wirklichen Wollen des eigenen Wesens. Wenn wirkliches Freisein und Wollen aus dem Grunde des Wesens die Grundhaltung des Philosophierens und damit den Gehalt der Philosophie bestimmt, dann gilt von ihr Kants Wort aus der »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten«: »Hier sehen wir nun die Philosophie in der Tat auf einen mißlichen Standpunkt gestellt, der fest sein soll, ungeachtet er weder im Himmel noch auf der Erde an etwas gehängt oder woran gestützt wird. Hier soll sie ihre Lauterkeit beweisen als Selbsthalterin ihrer Gesetze, nicht als Herold derjenigen, welche ihr ein eingepflanzter Sinn oder wer weiß welche vormundschaftliche Natur einflüstert ... «.1 1 Kant, Grundlegung zur MetaphYSIk der Sitten. S. 49 f. (IV, 425).

300 Dw eigentliche ontologische Dimension<br />

Bedenken wir, daß das Sein des Seienden zunächst und zumeist<br />

begriffen wird als beständige Anwesenheit - und darin<br />

liegt Hergestelltheit, Herstellen, Verfertigen, im weiteren Sinne<br />

Verwirklichen, das in sich birgt Verursachen und Ursachesein -,<br />

dann wird ersichtlich: Die Kausalität ist gerade im Sinne des<br />

überlieferten Verstandes des Seins des Seienden, im vulgären<br />

Verstande wie in <strong>der</strong> traditionellen Metaphysik, die Grundkategorie<br />

des Seins als Vorhandensein. 'Venn Kausalität ein<br />

Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> ist und nicht umgekehrt, dann ist das<br />

Problem des Seins überhaupt in sich ein Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>.<br />

Das Problem des Seins ist aber, wie wir in <strong>der</strong> Vorbetrachtung<br />

zeigten, das Grundproblem <strong>der</strong> Philosophie überhaupt. Also ist<br />

die Frage nach dem <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> <strong>menschlichen</strong> <strong>Freiheit</strong> die<br />

Grundfrage <strong>der</strong> Philosophie, in <strong>der</strong> sogar die Frage nach dem<br />

Sein verwurzelt ist. Das aber ist die These, die wir am Schluß<br />

<strong>der</strong> Vorbetrachtung und im übergang zum Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

als Kausalität ausgesprochen haben. Das Problem <strong>der</strong><br />

<strong>Freiheit</strong> als Kausalität ist jetzt erörtert. Aber nicht gezeigt<br />

wurde, daß die Kausalität ein Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> ist, d. h.<br />

die Frage nach dem Sein eingebaut ist in das Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>.<br />

Unsere Grundthese ist nicht bewiesen.<br />

Allerdings nicht, und doch haben wir, wenn wir wirklich<br />

verstanden haben, etwas <strong>Wesen</strong>tliches begriffen: daß es ein<br />

eigen Ding ist um die Wirklichkeit <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> und damit offenbar<br />

um alle Problematik, die auf sie zielt und hiermit erst<br />

recht um alle Beweise, die hier geführt werden sollen und können.<br />

Diese Grundthese, mit <strong>der</strong> wir scheinbar gewaltsam in die<br />

Philosophie einbrachen, ist dann aber auch kein Satz, <strong>der</strong> mit<br />

den kleinen Mitteln einer Wissenschaft theoretisch beweisbar<br />

wäre. Er ist es nicht, weil er überhaupt nichts aussagt über<br />

etwas feststellbares Vorhandenes. Aber er sagt doch aus über<br />

das <strong>Wesen</strong>. Und <strong>Wesen</strong> und <strong>Wesen</strong>szusammenhang - können<br />

wir diese nicht absolut einsichtig erschauen? Nein! Das <strong>Wesen</strong><br />

bleibt uns verschlossen, solange wir selbst nicht wesentlich werdenim<br />

<strong>Wesen</strong>.<br />

§ 29. D~e Grenzen <strong>der</strong> kantischen Erörterung 301<br />

Anfänglich versuchten wir eine einfache Kennzeichnung <strong>der</strong><br />

beiden kantischen Wege zur <strong>Freiheit</strong>, indem wir sagten, <strong>der</strong><br />

erste Weg handelt von <strong>der</strong> Mciglichkeit <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, <strong>der</strong> zweite<br />

Weg von <strong>der</strong> Wirklichkeit <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Wir haben die Kennzeichnung<br />

damals zurückgewiesen. J etzl, wo wir die Problematik<br />

bei<strong>der</strong> Wege kennen, dürfen wir die Kennzeichnung wie<strong>der</strong><br />

aufnehmen. Sie erlaubt jetzt, recht gefaßt, eine entscheidende<br />

Konzentration des ganzen Problems. Auf dem zweiten<br />

Weg ist in <strong>der</strong> Tat die Wirklichkeit <strong>der</strong> praktischen <strong>Freiheit</strong><br />

Problem, sofern es sich darum handelt, sie als praktisch wirklich<br />

nachzuweisen und die Eigenart ihrer Beweisbarkeit herauszustellen.<br />

Allein, die Wirklichkeit dieser wirklichen <strong>Freiheit</strong><br />

wird gerade nicht Problem in <strong>der</strong> Weise, daß eigens und wirklich<br />

gefragt wird nach dem <strong>Wesen</strong> dieses spezifischen Seins,<br />

das sich im willentlichen Handeln <strong>der</strong> Person des Menschen bekundet.<br />

Wirklichkeit <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, ja darum geht es, aber nicht<br />

um sie im eigentlichen metaphysischen Sinne, nicht um sie als<br />

ein Problem des Seins.<br />

Auf dem ersten Weg ist die Mciglichkeit <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> Problem,<br />

aber in <strong>der</strong> bestimmten Form, daß gefragt wird nach <strong>der</strong><br />

Möglichkeit <strong>der</strong> Vereinbarkeit von <strong>Freiheit</strong> und Naturkausalität.<br />

Das sieht so aus, als sei eigentlich die Möglichkeit <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

Problem, d. h. weil eben <strong>Freiheit</strong> im vorhinein eine Art<br />

von Kausalität ist, Ursachesein aber in sich bezogen ist auf an<strong>der</strong>es<br />

Bestimmbares, Bewirkbares. Deshalb kann die Frage<br />

nach <strong>der</strong> Möglichkeit einer so gefaßten <strong>Freiheit</strong> gar nichts an<strong>der</strong>es<br />

sein als die Frage <strong>der</strong> Vereinbarkeit dieser Kausalität mit<br />

einer an<strong>der</strong>en. Allein, die Möglichkeit <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> ist gerade<br />

nicht Problem in <strong>der</strong> Weise, daß eigens und wirklich gefragt<br />

wird nach dem <strong>Wesen</strong> des spezifischen Seins des Seienden, das<br />

als mögliches Vereinbares in und durch beide Kausalitäten<br />

angesetzt ist. Auf beiden Wegen unterbleibt die Frage nach<br />

dem Seins charakter des in Frage stehenden Wirklichen bzw.<br />

Möglichen. Der Möglichkeitscharakter ebenso wie <strong>der</strong> Wirklichkeitscharakter<br />

<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> als <strong>Freiheit</strong> bleiben unbestimmt

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