Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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252 Kausalität und Freiheit als kosmologisches Problem Empirisches und Nichtempirisches. Diese zwei grundverschiedenen Verhältnisse überhaupt geben die Möglichkeit für zwei grundverschiedene Verhältnisse des Ursacheseins im Sinne des empirischen und des intelligiblen Charakters. Die Möglichkeit der Vereinigung beider Kausalitäten ist damit grundsätzlich erwiesen, noch gar nicht freilich die Berufung auf den Menschen. d) Die Kausalität der Vernunft. Freiheit als intelligible Kausalität: transzendentale Idee einer unbedingten Kausalität. Die Anwendung der allgemein ontologischen (kosmologischen) Problematik auf den Menschen als Weltwesen Bevor Kant die Anwendung des grundsätzlich Erkannten auf den Menschen verlegt, versucht er, immer noch ganz allgemein, den Strukturzusammenhang der Einheit beider Kausalitäten näher darzustellen. Wir heben das Wesentliche heraus. Offenbar kann die Bezogenheit ein und desselben als Wirkung auf beide Arten von Ursachen nicht so begriffen werden, daß die Ursachen einfach nacheinander ins Spiel treten, denn die eine, \'on intelligiblem Charakter, ist ja gerade dadurch ausgezeichnet, daß sie nicht in der Zeit verläuft. Andererseits muß sie doch, da sie ja mit der Ursache vom empirischen Charakter auf dasselbe als Wirkung geht, zu der genannten Ursache ein Verhältnis haben. So wird die Frage notwendig: Muß auch das Ursachesein der Ursache, die selbst Erscheinung, mithin empirischen Charakters ist, notwendig selbst wieder Erscheinung sein, oder kann dieses Ursachesein nicht selbst Wirkung einer intelligiblen Kausalität sein? Was wäre dann? Dann würde das Ursachesein der Ursache empirischen Charakters zur Handlung bestimmt durch ein Intelligibles. Wir kennen nun bereits die Doppeldeutigkeit des Ausdrucks. Das Intelligible ist selbst ein Verstandeswesen. Wo der Grund ein Intelligibles ist, da fungiert als das Bestimmende» das Denken [und Handeln] im rei- § 25. Die positive Auflösung der dritten Antinomie 253 nen Verstande«.16 Kurz, so wie Erscheinung immer ist, was sie ist, als in sich bezogen auf Nichterscheinendes (X), so kann der intelligible Charakter die nicht erscheinende transzendentale Ursache des empirischen Charakters sein und so mit diesem und durch diesen hindurch Ursache sein ein und derselben Erscheinung als Wirkung. Das Erscheinende als Erscheinung kann auch bestimmt sein durch das Nichterscheinende, davon die Erscheinung eben das Erscheinende ist und was daher zur Erscheinung gehört. Die intelligible Ursache aber fängt, von den Erscheinungen her gesehen, immer von sich selbst an, ist und ermöglicht eine ursprüngliche Handlung,11 d. h. ein Verhältnis zur Wirkung, das von sich aus sich zuträgt. Kant sagt einmal in einer uns erhaltenen Reflexion, die beiden Arten von Ursachen seien »in allen Wesen zu denken, aber nur am Willen bemerken wir die letzte. «18 »Dagegen läßt sich von dem Intelligibelen der Körper keine Kausalität denken, denn ihre Erscheimmgen "erraten keine Intelligenz; also läßt sich von ihrem substrato intelligibili auch keine Freiheit denken, und wir kennen es durch kein Prädikat. «19 Aus diesen Bemerkungen entnehmen wir ein Doppeltes. Einmal, daß die Unterscheidung der beiden Kausalitäten als allgemein ontologische für jedes Seiende gültig angesetzt wird. Mit anderen Worten: >Intelligenzen< sind nicht etwa nur die Menschen oder Engel, sondern jedes Seiende ist, sofern es eben als Seiendes bezogen gedacht werden kann auf absolute Erkenntnis, reine Intelligenz, von sich aus Intelligenz. Ein Intelligibile sind auch die materiellen Dinge - was nicht und eben nie heißt, irgendwelche an sich gedachten Geistwesen, Kobolde. Denn dergleichen Vorstellungen sind gerade anschauliche, nur fälschlich verabsolutiert, als Gegenstand der absoluten Erkenntnis 16 a.a.O., A 545, B 573. 17 a.a.O., A 544, B 572. 18 Reflexionen Kants zur Kritik der reinen Vernunft. Hg. Benno EH1- mann. Leipzig 1884. Reflexion 1404. 19 a.a.O., Reflexion 1531.

254 Kausalität und Freiheit als kosmologisches Problem dieser unterschoben. Sodann aber, hinsichtlich des möglichen Bemerkens der Intelligenzen ist uns nur ein Bemerken des willentlich Intelligiblen möglich, derjenigen Intelligenzen, die wir je selbst sind. Darin liegt aber: bezüglich unseres Selbst besteht für uns selbst die Möglichkeit, uns selbst in unserem Ansichsein zu »bemerken«, d. h. formal >absolutIch willIch bin< in diesem >Ich willBloß< bedeutet keinen Mangel und keine Einschränkung, sondern positiv einen Vorzug: allein schon durch, d. h. soviel wie >rein< gegenüber der >empirischen Apperzeption

252 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

Empirisches und Nichtempirisches. Diese zwei grundverschiedenen<br />

Verhältnisse überhaupt geben die Möglichkeit für zwei<br />

grundverschiedene Verhältnisse des Ursacheseins im Sinne des<br />

empirischen und des intelligiblen Charakters. Die Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Vereinigung bei<strong>der</strong> Kausalitäten ist damit grundsätzlich<br />

erwiesen, noch gar nicht freilich die Berufung auf den Menschen.<br />

d) Die Kausalität <strong>der</strong> Vernunft.<br />

<strong>Freiheit</strong> als intelligible Kausalität: transzendentale Idee<br />

einer unbedingten Kausalität. Die Anwendung <strong>der</strong> allgemein<br />

ontologischen (kosmologischen) Problematik auf den Menschen<br />

als Weltwesen<br />

Bevor Kant die Anwendung des grundsätzlich Erkannten auf<br />

den Menschen verlegt, versucht er, immer noch ganz allgemein,<br />

den Strukturzusammenhang <strong>der</strong> Einheit bei<strong>der</strong> Kausalitäten<br />

näher darzustellen. Wir heben das <strong>Wesen</strong>tliche heraus. Offenbar<br />

kann die Bezogenheit ein und desselben als Wirkung auf<br />

beide Arten von Ursachen nicht so begriffen werden, daß die<br />

Ursachen einfach nacheinan<strong>der</strong> ins Spiel treten, denn die eine,<br />

\'on intelligiblem Charakter, ist ja gerade dadurch ausgezeichnet,<br />

daß sie nicht in <strong>der</strong> Zeit verläuft. An<strong>der</strong>erseits muß sie<br />

doch, da sie ja mit <strong>der</strong> Ursache vom empirischen Charakter<br />

auf dasselbe als Wirkung geht, zu <strong>der</strong> genannten Ursache ein<br />

Verhältnis haben. So wird die Frage notwendig: Muß auch<br />

das Ursachesein <strong>der</strong> Ursache, die selbst Erscheinung, mithin empirischen<br />

Charakters ist, notwendig selbst wie<strong>der</strong> Erscheinung<br />

sein, o<strong>der</strong> kann dieses Ursachesein nicht selbst Wirkung einer<br />

intelligiblen Kausalität sein? Was wäre dann? Dann würde das<br />

Ursachesein <strong>der</strong> Ursache empirischen Charakters zur Handlung<br />

bestimmt durch ein Intelligibles. Wir kennen nun bereits die<br />

Doppeldeutigkeit des Ausdrucks. Das Intelligible ist selbst ein<br />

Verstandeswesen. Wo <strong>der</strong> Grund ein Intelligibles ist, da fungiert<br />

als das Bestimmende» das Denken [und Handeln] im rei-<br />

§ 25. Die positive Auflösung <strong>der</strong> dritten Antinomie 253<br />

nen Verstande«.16 Kurz, so wie Erscheinung immer ist, was sie<br />

ist, als in sich bezogen auf Nichterscheinendes (X), so kann <strong>der</strong><br />

intelligible Charakter die nicht erscheinende transzendentale<br />

Ursache des empirischen Charakters sein und so mit diesem und<br />

durch diesen hindurch Ursache sein ein und <strong>der</strong>selben Erscheinung<br />

als Wirkung. Das Erscheinende als Erscheinung kann auch<br />

bestimmt sein durch das Nichterscheinende, davon die Erscheinung<br />

eben das Erscheinende ist und was daher zur Erscheinung<br />

gehört. Die intelligible Ursache aber fängt, von den Erscheinungen<br />

her gesehen, immer von sich selbst an, ist und ermöglicht<br />

eine ursprüngliche Handlung,11 d. h. ein Verhältnis<br />

zur Wirkung, das von sich aus sich zuträgt. Kant sagt einmal<br />

in einer uns erhaltenen Reflexion, die beiden Arten von Ursachen<br />

seien »in allen <strong>Wesen</strong> zu denken, aber nur am Willen<br />

bemerken wir die letzte. «18 »Dagegen läßt sich von dem Intelligibelen<br />

<strong>der</strong> Körper keine Kausalität denken, denn ihre Erscheimmgen<br />

"erraten keine Intelligenz; also läßt sich von ihrem<br />

substrato intelligibili auch keine <strong>Freiheit</strong> denken, und wir<br />

kennen es durch kein Prädikat. «19<br />

Aus diesen Bemerkungen entnehmen wir ein Doppeltes. Einmal,<br />

daß die Unterscheidung <strong>der</strong> beiden Kausalitäten als allgemein<br />

ontologische für jedes Seiende gültig angesetzt wird. Mit<br />

an<strong>der</strong>en Worten: >Intelligenzen< sind nicht etwa nur die Menschen<br />

o<strong>der</strong> Engel, son<strong>der</strong>n jedes Seiende ist, sofern es eben als<br />

Seiendes bezogen gedacht werden kann auf absolute Erkenntnis,<br />

reine Intelligenz, von sich aus Intelligenz. Ein Intelligibile<br />

sind auch die materiellen Dinge - was nicht und eben nie heißt,<br />

irgendwelche an sich gedachten Geistwesen, Kobolde. Denn<br />

<strong>der</strong>gleichen Vorstellungen sind gerade anschauliche, nur fälschlich<br />

verabsolutiert, als Gegenstand <strong>der</strong> absoluten Erkenntnis<br />

16 a.a.O., A 545, B 573.<br />

17 a.a.O., A 544, B 572.<br />

18 Reflexionen Kants zur Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft. Hg. Benno EH1-<br />

mann. Leipzig 1884. Reflexion 1404.<br />

19 a.a.O., Reflexion 1531.

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