Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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248 Kausalität und Freiheit als kosmologisches Problem Hinnehmen. ·Wohl gemerkt, nicht jedes Hinnehmen, Anschauung, ist empfangend. Es gibt auch ein Hinnehmen, was solches hinnimmt, was sich selbst gibt, sich selbst gebendes Hinnehmen: reine Anschauung. Wird etwas als >empirisch< gekennzeichnet, dann ist es dabei ins Auge gefaßt hinsichtlich der Art seiner Erkennbarkeit und Erkanntheit. Der empirische Charakter ist diejenige Gesetzlichkeit des Ursacheseins, die empirisch zugänglich ist in der Erfahrung, als Erscheinung, das Ursachesein in seinem Wie als zur Erscheinung gehöriges, d. h. Kausalität der Natur. Intelligibler Charakter - wir können es schon erraten - ist die Weise des Ursacheseins der Kausalität aus Freiheit. Gewiß, das ist inhaltlich richtig erraten, aber damit ist nichts verstanden. Intelligibel ist der Gegenbegriff zu empirisch. Aber scharf zugesehen kann intelligibel gar nicht der Gegenbegriff zu empirisch sein. Empirisch betrifft die Art des Erkennens des Gegenstandes, intelligibel aber ist eine Kennzeichnung der Gegenstände selbst. Demgemäß schreibt Kant in seiner Schrift »De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis« (1770) § 3: »Objectum sensualitatis est sensibile; quod autem nihil continet, nisi per intelligentiam cognoscendum, est intelligibile. Prius scholis veterum Phaenomenon, posterius Noumenon audiebat. «11 \Vir sehen hier klar: 1. Intelligibile ist eine Kennzeichnung des Objekts. Wir müssen daher sagen, etwas ist ein intelligibile, es gehört in den Bereich einer bestimmten Art von Objekten. Deren Art wird freilich gekennzeichnet durch die Weise des Erkanntwerdens: intelligentia, intellectus. Die Erkenntnisart der intelligiblen Gegenstände ist rein intellektuell. 2. Der Gegenbegriff zum intelligibile ist das sensibile, nicht aber das >Empirische
250 Kausalität und Freiheit als kosmologisches Problem haben wir nicht den mindesten Begriff, mithin auch nicht von den Verstandeswesen, auf die er gehen soll.«13 Der intelligible Charakter ist daher die Weise des Ursacheseins einer Ursache, die als solche bloß durch den Verstand ohne Sinnlichkeit erkannt werden müßte, wenn sie erkannt werden könnte. Wodurch wird nun aber Kant auf diese Unterscheidung des empirischen und intelligiblen Charakters geführt? Eben durch das allgemeine Problem einer möglichen Vereinigung beider Kausalitäten. Versuchen wir, uns das Problem noch einmal ganz elementar vor Augen zu legen. Die mögliche Vereinigung beider Kausalitäten fordert, daß eine und dieselbe Wirkung in verschiedener Hinsicht zugleich kausal bestimmt sei. Demnach muß gefragt werden: Ist überhaupt eine solche Wirkung möglich? Wirkung als sich Ergebendes und Begebendes ist allemal in der Erfahrung sich Zeigendes, Erscheinung. So nimmt das Problem folgende Gestalt an: Läßt überhaupt eine Erscheinung als Erscheinung es zu, in zweifacher und gar grundverschiedener Beziehung zu stehen? Erscheinung als etwas in der Zeit sich Begebendes steht offenbar in Beziehung zu Erscheinungen, die ihr zeitlich vorhergehen und nachfolgen. Hier ist also eine Art von Beziehung der Erscheinung als solcher zu etwas, nämlieh wieder zu Erscheinungen. Allerdings, aber damit ist doch auch die Möglichkeit von Beziehungen, in denen eine Erscheinung stehen kann, erschöpft. Hat die Erscheinung als solche keine andere Beziehung zu etwas? Die Erscheinung, das Erscheinende ist doch das Seiende selbst. Gewiß, aber nur sofern es und soweit es für menschliche Erkenntnis sich zeigt. Was es, das sich Zeigende, an sich, schlechthin genommen, d. h. für ein absolutes Erkennen ist, das wissen wir nicht. Aber schon indem wir dies nicht wissen, meinen und denken wir dabei eben jenes. das wir nicht wissen. Das ist nicht das Erscheinende, sondern das Unbekannte, das X, der transzendentale Gegenstand. Er 13 Kant, Prolegomena. § 34, S. 78 (IV, 317) Anm. Die ,Intelligenzen< als Gegenbegriff zu ,Phaenomenon< gleich ,Sinnenweseneses< ist das Erscheinende, so zwar, daß es eben als Erscheinendes sich nicht >an sich< zeigt, nicht wie es absolut ist, d. h. nicht wie es als nicht Erscheinendes ist. 14 Das X ist Gegenstand, aber ganz leer; jedoch als dieser leere nicht Erscheinung, nicht sinnlich, sondern intelligibel, aber negativ intelligibel, nur nicht weiter erkannt. Das X ist der intelligible Gegenstand, das Intelligible am Gegenstand. Dies, wohl verstanden, ganz allgemein ontologisch, für jeden gültig. Aber dieses X ist kein abgesonderter Gegenstand der Erkenntnis an sich selbst. Demgemäß sagt Kant: ». " so hindert nichts, daß wir diesem transzendentalen Gegenstande, außer der Eigenschaft, dadurch er erscheint, nicht auch eine Kausalität beilegen sollten, die nicht Erscheinung ist, obgleich ihre Wirkung dennoch in der Erscheinung angetroffen wird. «15 Was nicht Erscheinung ist, ist aber intelligibel. Gemäß dieser Doppelbeziehung der Erscheinung als solcher kann sie als solche mit anderen Erscheinungen in Beziehung stehen, Wirkung einer Erscheinung sein und als diese zugleich bezogen sein auf intelligible Ursachen. Aus dem Wesen der Erscheinung ist so die Möglichkeit dieser Doppelbeziehung mit Bezug auf ein und dasselbe deduziert und mithin die Möglichkeit des Anspruchcharakters zweier grundverschiedener Kausalitäten an ein und derselben Begebenheit als Wirkung. Der wesenhafte Doppelcharakter der Erscheinung, daß sie einmal als Erscheinung mit anderen Erscheinungen zusammenhängt, daß sie aber auch als Erscheinung Erscheinung eines Erscheinenden (X) ist, enthält die grundsätzliche Möglichkeit der Beziehbarkeit eines und desselben auf 14 V gl. Kant, Kr. d. r. V., A 249 ff. und insbesondere A 251 f. zum Begriff der Erscheinung überhaupt. Ferner B 307 zum Begriff des Noumenon im negativen und positiven Verstande. 15 a.a.O., A 538 f., B 566 f.
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248 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />
Hinnehmen. ·Wohl gemerkt, nicht jedes Hinnehmen, Anschauung,<br />
ist empfangend. Es gibt auch ein Hinnehmen, was solches<br />
hinnimmt, was sich selbst gibt, sich selbst gebendes Hinnehmen:<br />
reine Anschauung. Wird etwas als >empirisch< gekennzeichnet,<br />
dann ist es dabei ins Auge gefaßt hinsichtlich <strong>der</strong> Art seiner<br />
Erkennbarkeit und Erkanntheit. Der empirische Charakter ist<br />
diejenige Gesetzlichkeit des Ursacheseins, die empirisch zugänglich<br />
ist in <strong>der</strong> Erfahrung, als Erscheinung, das Ursachesein in<br />
seinem Wie als zur Erscheinung gehöriges, d. h. Kausalität <strong>der</strong><br />
Natur.<br />
Intelligibler Charakter - wir können es schon erraten - ist<br />
die Weise des Ursacheseins <strong>der</strong> Kausalität aus <strong>Freiheit</strong>. Gewiß,<br />
das ist inhaltlich richtig erraten, aber damit ist nichts verstanden.<br />
Intelligibel ist <strong>der</strong> Gegenbegriff zu empirisch. Aber scharf<br />
zugesehen kann intelligibel gar nicht <strong>der</strong> Gegenbegriff zu empirisch<br />
sein. Empirisch betrifft die Art des Erkennens des Gegenstandes,<br />
intelligibel aber ist eine Kennzeichnung <strong>der</strong> Gegenstände<br />
selbst. Demgemäß schreibt Kant in seiner Schrift<br />
»De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis«<br />
(1770) § 3: »Objectum sensualitatis est sensibile; quod autem<br />
nihil continet, nisi per intelligentiam cognoscendum, est intelligibile.<br />
Prius scholis veterum Phaenomenon, posterius Noumenon<br />
audiebat. «11<br />
\Vir sehen hier klar: 1. Intelligibile ist eine Kennzeichnung<br />
des Objekts. Wir müssen daher sagen, etwas ist ein intelligibile,<br />
es gehört in den Bereich einer bestimmten Art von Objekten.<br />
Deren Art wird freilich gekennzeichnet durch die Weise<br />
des Erkanntwerdens: intelligentia, intellectus. Die Erkenntnisart<br />
<strong>der</strong> intelligiblen Gegenstände ist rein intellektuell. 2. Der<br />
Gegenbegriff zum intelligibile ist das sensibile, nicht aber das<br />
>Empirische