Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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244 Kausalität und Freiheit als kosmologisches Problem Vereinigung von Natur und Freiheit und somit die metaphysische Möglichkeit des Menschen als eines Weltwesens. Es liegt immer wieder alles daran, daß Sie die Probleme sehen die Art und Richtung des Fragens, und nicht einfach die Gehalte, die in der Frage vorkommen. Problema~satz, Richtung und Feld der Lösung sind aber nicht etwas Außerliches, bloß Formelles gegenüber dem Gehalt, sondern sie bestimmen allein das eigentlich Gehaltliche am Gehalt als das Philosophische. Sieht man dieses nicht, dann unterscheidet sich Kants Philosophie in nichts von den gemeinsten Erörterungen über Willensfreiheit. Es ist überhaupt die charakteristischste Haltung aller vulgären Auffassung der Philosophie, daß sie nur Lehrstoffe und Wissensgehalte sieht. Wir sind jetzt an der Stelle, wo wir das Eigentümliche der Freiheitsproblematik des ersten Weges überschauen, nicht leer und allgemein, sondern auf grund von und im Zusammenhang mit den konkreten Erörterungen. Was soll bezüglich der Freiheit gezeigt werden? In welchem Horizont bewegt sich die Erörterung? Was ergibt sich aus alldem für den inneren Gehalt des Freiheitsproblems ? Zunächst ist zu sagen, daß nicht bewiesen werden soll, daß Freiheit wirklich ist, nicht gezeigt werden soll, daß und wie Freiheit als solche möglich ist, sondern Aufgabe der Auflösung der Antinomien ist allein der Nachweis der Möglichkeit der Vereinigung von Freiheit und Natur, und zwar in maßgebender Orientierung an der Natur: Rettung der Freiheit in bezug auf Natur im Zusammenhang mit ihr. Durch dieses Auflösungsproblem ist der eigentliche Charakter und zugleich. d.ie Grenze des Freiheitsproblems bestimmt. Daher werden WH m diesen Erörterungen Kants inhaltlich nichts Neues mehr hören, sondern es gilt, auf die Art der Problematik zu achten. Sof~rn Kant allerdings die Auflösung des Widerstreites durchführt 1m Vorblick auf den Menschen, gibt sich die Gelegenheit, das Wesen einer Kausalität aus Freiheit konkreter zu fassen und das Ursachesein dieser Art von Ursache zu kennzeichnen. Das § 25. Die positive Auflosung der dritten Antinomie 24'1 bringt es mit sich, daß die bisher gewonnenen Begriffe wie Ursachesein, Handlung und andere eine noch schärfere Bestimmung erhalten. Die Bedeutung der Auflösung gerade dieser dritten Antinomie unter den übrigen tritt schon dadurch zutage, daß der Text nicht nur ausführlicher ist, sondern im Hinblick auf den inneren Zug der Problematik ausdrücklich gegliedert wird, und zwar in drei Abschnitte. Der erste bereitet das Problem der Auflösung der dritten Antinomie vor. Er betrifft ganz allgemein den 'Viderstreit in der Idee »von der Totalität der Ableitung der Weltbegebenheiten aus ihren Ursachen«.5 Der nächste Abschnitt 6 ist überschrieben: »Möglichkeit der Kausalität durch Freiheit, in Vereinigung mit dem allgemeinen Gesetze der Na turnotwendigkei t «. Der Stil der Problemstellung ist folgender. Kant fragt zunächst noch ganz allgemein: Wie muß ein Seiendes sein, das einheitlich zugleich bestimmbar soll sein können durch Kausalität nach der Natur und Kausalität aus Freiheit? Wenn dergleichen sein soll, wie ist dann die Einheit der Kausalität zu denken? Das heißt zugleich und besonders, wie muß Freiheit selbst dabei näher in ihrem Kausalitätscharakter bestimmt werden? Kant gibt so eine Konstruktion der Auflösung der Antinomien und sagt selbst von diesem Abschnitt: »Ich habe gut gefunden, zuerst den Schattenriß der Auflösung unseres transzendentalen Problems zu entwerfen, damit man den Gang der Vernunft in Auflösung desselben dadurch besser übersehen möge. «7 Jetzt erst gibt er eine konkretere Behandlung desselben Problems auf dem Wege der Anwendung desselben auf den Menschen. Es handelt sich aber nicht um eine Berufung auf den Menschen als Beweisgrund für die Konstruktion, sondern umgekehrt, die Erörterung des Problems in bezug auf den Menschen ist lediglich eine anschauliche Darstellung. Daher überschreibt Kant 5 a.a.O., A 532 ff., B 560 ff. 6 a.a.O., A 538 ff., B 566 ff. 7 a.a.O., A 542, TI 570.

246 Kausalität und Freiheit als kosmologisches Problem den letzten Abschnitt: »Erläuterung der kosmologischen Idee einer Freiheit in Verbindung mit der allgemeinen Naturnotwendigkeit.«8 Gerade wenn es sich bei der Heranziehung des Menschen um einen erläuternden Beleg handeln soll und nur um dieses, wird damit vollends klar, daß die Einheit von Kausalität aus Freiheit und Kausalität der Natur, wie sie konkretfaktisch der Mensch darstellt, nur ein Fall der allgemeinen kosmologisch bestimmten Vereinigung beider Kausalitäten ist. Damit ist gesagt, daß nicht nur die Freiheit für sich als ein Naturbegriff angesetzt ist, sondern auch die Einheit des konkreten Menschen als eines vernünftig-sinnlichen Wesens ist metaphysisch aus der kosmologischen Problematik vorgezeichnet. Bezeichnen wir das Sein des Menschen in seiner Ganzheit und Eigentlichkeit als Existenz, dann ergibt sich: Das Problem des Menschen ist einbezogen in das allgemeine kosmologische Problem. Schärfer noch läßt sich sagen: Die metaphysisch-ontologische Problematik der Existenz kommt nicht zum Durchbruch, sondern ist niedergehalten in der allgemeinen und selbstverständlichen Seinsproblematik der überlieferten Metaphysik. Es muß also jenes, was möglicherweise am Menschen Nicht-Natur ist und seinem Seinsgehalt nach anderes, in derselben Weise wie die Natur auch kausal bestimmt werden. Daß dabei die Kausalität modifiziert wird, ändert nichts daran, daß die Kausalität es ist, die primär und allein zur ontologischen Grundcharakteristik beigezogen wird. Die Kritik dieser Metaphysik ist keine radikale, kann es nicht sein, sofern Kant die Seinsfrage nicht aus dem Grunde stellt. Darin liegt letztlich beschlossen: Das Problem der Freiheit, so zentral es für Kant wird, vermag sich nicht an die metaphysisch entscheidende Stelle innerhalb der Problematik der Metaphysik zu bringen. 8 Ebd. § 25. Die positive Auflösung der dritten Antinomie 247 c) Empirischer und intelligibler Charakter. Der intelligible Charakter als Weise des Ursacheseins der Kausalität aus Freiheit. Der Doppelcharakter der Erscheinung und die Möglichkeit zweier grundverschiedener Kausalitäten mit Bezug auf die Erscheinung als Wirkung Es gilt jetzt, noch kurz den Gang der kantischen posztwen Auflösung der dritten Antinomie darzustellen, d. h. aber die eigentlich metaphysische Auflösung des Freiheitsproblems als eines Weltproblems. Wir achten dabei besonders auf einige ergänzende Bestimmungen, die die Kausalität überhaupt angehen. Erinnert sei an den allgemeinen ontologischen Begriff der Handlung: 9 »Das Verhältnis des Subjekts der Kausalität zur Wirkung«. Objekt im Verhältnis zum Subjekt ist dabei allgemein ontologisch gemeint. Nun sagt Kant: »Es muß aber eine jede wirkende Ursache einen Charakter haben«.lO Charakter heißt hier Gesetz der Kausalität, notwendige Regel des Wie des Ursacheseins der Ursache. Der Charakter regelt dann zugleich die Art des Zusammenhangs der Handlungen und damit der Wirkungen. Denn der Charakter als Wie des Ursacheseins bestimmt offenbar das Verhältnis des Subjekts des Ursacheseins zu seiner Wirkung, und das ist eben die Handlung. Kant unterscheidet nun zwei Charaktere, den empirischen Charakter und den intelligiblen Charakter. Es ist unumgänglich, daß man hier die Terminologie versteht, zumal sie hier gerade nicht eindeutig und folgerichtig ist. Das ist kein Zufall. Gehen wir aus von der Kennzeichnung des ersten Charakters, des sogenannten >empirischen< - Empirie, E!LJt!:Lota, Erfahrung. Etwas ist empirisch, wenn es zur Erfahrung gehört, d. h. für Kant, durch die Erfahrung zugänglich wird, wobei zu beachten bleibt, daß für die Erfahrung als endliche Erfahrung wesentlich ist die sinnliche Anschauung, die Sinnlichkeit, als Fundament. Deren Wesen besteht in der Rezeptivität, im empfangenden 9 Vgl. oben, S. 196 ff. 10 a.a.o., A 539, B 567.

246 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

den letzten Abschnitt: »Erläuterung <strong>der</strong> kosmologischen Idee<br />

einer <strong>Freiheit</strong> in Verbindung mit <strong>der</strong> allgemeinen Naturnotwendigkeit.«8<br />

Gerade wenn es sich bei <strong>der</strong> Heranziehung des<br />

Menschen um einen erläuternden Beleg handeln soll und nur<br />

um dieses, wird damit vollends klar, daß die Einheit von Kausalität<br />

aus <strong>Freiheit</strong> und Kausalität <strong>der</strong> Natur, wie sie konkretfaktisch<br />

<strong>der</strong> Mensch darstellt, nur ein Fall <strong>der</strong> allgemeinen kosmologisch<br />

bestimmten Vereinigung bei<strong>der</strong> Kausalitäten ist. Damit<br />

ist gesagt, daß nicht nur die <strong>Freiheit</strong> für sich als ein Naturbegriff<br />

angesetzt ist, son<strong>der</strong>n auch die Einheit des konkreten<br />

Menschen als eines vernünftig-sinnlichen <strong>Wesen</strong>s ist metaphysisch<br />

aus <strong>der</strong> kosmologischen Problematik vorgezeichnet. Bezeichnen<br />

wir das Sein des Menschen in seiner Ganzheit und<br />

Eigentlichkeit als Existenz, dann ergibt sich: Das Problem des<br />

Menschen ist einbezogen in das allgemeine kosmologische Problem.<br />

Schärfer noch läßt sich sagen: Die metaphysisch-ontologische<br />

Problematik <strong>der</strong> Existenz kommt nicht zum Durchbruch,<br />

son<strong>der</strong>n ist nie<strong>der</strong>gehalten in <strong>der</strong> allgemeinen und selbstverständlichen<br />

Seinsproblematik <strong>der</strong> überlieferten Metaphysik. Es<br />

muß also jenes, was möglicherweise am Menschen Nicht-Natur<br />

ist und seinem Seinsgehalt nach an<strong>der</strong>es, in <strong>der</strong>selben Weise wie<br />

die Natur auch kausal bestimmt werden. Daß dabei die Kausalität<br />

modifiziert wird, än<strong>der</strong>t nichts daran, daß die Kausalität<br />

es ist, die primär und allein zur ontologischen Grundcharakteristik<br />

beigezogen wird. Die Kritik dieser Metaphysik ist<br />

keine radikale, kann es nicht sein, sofern Kant die Seinsfrage<br />

nicht aus dem Grunde stellt. Darin liegt letztlich beschlossen:<br />

Das Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, so zentral es für Kant wird, vermag<br />

sich nicht an die metaphysisch entscheidende Stelle innerhalb<br />

<strong>der</strong> Problematik <strong>der</strong> Metaphysik zu bringen.<br />

8 Ebd.<br />

§ 25. Die positive Auflösung <strong>der</strong> dritten Antinomie 247<br />

c) Empirischer und intelligibler Charakter.<br />

Der intelligible Charakter als Weise des Ursacheseins <strong>der</strong> Kausalität<br />

aus <strong>Freiheit</strong>. Der Doppelcharakter <strong>der</strong> Erscheinung und<br />

die Möglichkeit zweier grundverschiedener Kausalitäten mit<br />

Bezug auf die Erscheinung als Wirkung<br />

Es gilt jetzt, noch kurz den Gang <strong>der</strong> kantischen posztwen<br />

Auflösung <strong>der</strong> dritten Antinomie darzustellen, d. h. aber die<br />

eigentlich metaphysische Auflösung des <strong>Freiheit</strong>sproblems als<br />

eines Weltproblems. Wir achten dabei beson<strong>der</strong>s auf einige ergänzende<br />

Bestimmungen, die die Kausalität überhaupt angehen.<br />

Erinnert sei an den allgemeinen ontologischen Begriff <strong>der</strong><br />

Handlung: 9 »Das Verhältnis des Subjekts <strong>der</strong> Kausalität zur<br />

Wirkung«. Objekt im Verhältnis zum Subjekt ist dabei allgemein<br />

ontologisch gemeint. Nun sagt Kant: »Es muß aber eine<br />

jede wirkende Ursache einen Charakter haben«.lO Charakter<br />

heißt hier Gesetz <strong>der</strong> Kausalität, notwendige Regel des Wie<br />

des Ursacheseins <strong>der</strong> Ursache. Der Charakter regelt dann zugleich<br />

die Art des Zusammenhangs <strong>der</strong> Handlungen und damit<br />

<strong>der</strong> Wirkungen. Denn <strong>der</strong> Charakter als Wie des Ursacheseins<br />

bestimmt offenbar das Verhältnis des Subjekts des Ursacheseins<br />

zu seiner Wirkung, und das ist eben die Handlung.<br />

Kant unterscheidet nun zwei Charaktere, den empirischen<br />

Charakter und den intelligiblen Charakter. Es ist unumgänglich,<br />

daß man hier die Terminologie versteht, zumal sie hier<br />

gerade nicht eindeutig und folgerichtig ist. Das ist kein Zufall.<br />

Gehen wir aus von <strong>der</strong> Kennzeichnung des ersten Charakters,<br />

des sogenannten >empirischen< - Empirie, E!LJt!:Lota, Erfahrung.<br />

Etwas ist empirisch, wenn es zur Erfahrung gehört, d. h. für<br />

Kant, durch die Erfahrung zugänglich wird, wobei zu beachten<br />

bleibt, daß für die Erfahrung als endliche Erfahrung wesentlich<br />

ist die sinnliche Anschauung, die Sinnlichkeit, als Fundament.<br />

Deren <strong>Wesen</strong> besteht in <strong>der</strong> Rezeptivität, im empfangenden<br />

9 Vgl. oben, S. 196 ff.<br />

10 a.a.o., A 539, B 567.

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