Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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236 Kausalität und Freiheit als kosmologisches Problem zeigen, sondern es gilt vor allem, diese natürliche Gemeinheit als ein Wesensmoment der Endlichkeit sichtbar zu machen. Es gilt zu zeigen, warum diese Gemeinheit zur natürlichen Vernunft gehört und worin sie eigentlich besteht. In der Art, wie oben versucht wurde, den Gebrauch des Prinzips der Vernunft zu interpretieren, haben wir schon die Richtung gewiesen, in der die Antwort zu suchen ist. Was bekundet sich in solchem Verwischen der Unterschiede zwischen dem Logischen, Ontischen und Ontologischen, daß alles gleich unbestimmt als >Sein< genommen wird?5 § 25. Die positive Auflösung der dritten Antinomie. Freiheit als Kausalität der Vernunft: transzendentale Idee einer unbedingten Kausalität. Charakter und Grenzen des Freiheitsproblems innerhalb des Antinomienproblems a) Die Auflösung des Antinomienproblems über das Problem der endlichen Erkenntnis hinaus als Problem der Endlichkeit des Menschen überhaupt Wir besinnen uns zur Beantwortung dieser Frage noch einmal auf das Freiheitsproblem innerhalb des Antinomienproblems. Wenn wir Kant folgen auf seinem ersten Weg zur Freiheit, dann treffen wir sie innerhalb des Antinomienproblems. Dieses ist die Form des Weltproblems als der Grundfrage der kritischen Auflösung der überlieferten metaphysischen Disziplin der rationalen Kosmologie. Innerhalb des Antinomienproblems und innerhalb des Widerstreits zweier Sätze muß jedesmal die Rede auf die Freiheit kommen, und zwar im entgegengesetzten Sinne: Es ist Freiheit neben und in der Natur - es ist nur Natur und keine Freiheit. Der Widerstreit kann nicht so entschieden werden, daß die Wahrheit auf eine Seite der Streitenden 5 V gl. oben, S. 26 und 117. Die >Indifferenz< des Seinsverständnisses. die >Unterschiedslosigkeit< war einer der acht aufgezählten Charaktere. § 25. Die positive Auflösung der dritten Antinomie 237 zu stehen kommt. Eine Entscheidung ist nur möglich auf dem Wege einer Auflösung des Widerstreits, d. h. durch den Nachweis, daß der Ursprung des Streites diesem kein Recht gibt, für sich eine Entscheidung zu verlangen. Wohl aber gibt der Ursprung des Streites ihm gerade das Recht, ständig in der Menschennatur sein Unwesen zu treiben. Die Auflösung des Streites, die Ursprungsbetrachtung, erfolgt in zwei Etappen. 1. Es wird gezeigt, daß das Prinzip, aufgrund dessen die vernünfteInden Schlüsse zu den widerstreitenden Sätzen führen, in der Art, wie es als Prinzip fungiert, trügerisch ist. Was von rein logischen Beziehungen gilt, wird genommen für rein ontische und diese ihrerseits wieder werden unterschiedslos aufgefaßt bald im Sinne von solchen, die nur absoluter Erkenntnis zugänglich sind, bald von solchen, die der endlichen Erkenntnis zugehören. Was von jener gilt, gilt nicht von dieser und umgekehrt. Nicht nur das Beweisprinzip der Beweise der beiden antinomischen Sätze und damit die Beweise selbst sind trügerisch, sondern auch der gegensätzliche Sachgehalt der Sätze selbst ist in sich nichtig, ist ein scheinbarer Gegensatz. 2. In der näheren Kennzeichnung des Gegensatzes wird gezeigt, daß kein echter Widerspruch besteht, weil beide Sätze: Die Natur an sich ist endlich - die Natur ist an sich unendlich, von der Natur etwas sagen, was sie überhaupt nicht ist. Die Sätze sagen mehr, als was zum Widerspruch notwendig ist: ein, weil einen Schein bildender, dialektischer Widerspruch. Der Schlüssel dieser zweifachen Auflösung ist die Unterscheidung zwischen Erscheinung und Ding an sich, welche Unterscheidung das Problem der Endlichkeit der Erkenntnis in sich trägt. Diese wird Problem in der Umgrenzung des zugänglichen Seienden und der Bedingung der Möglichkeit seiner Zugänglichkeit. Was aber besagt die Unterschiedslosigkeit beider? Ist sie nur ein Fehler der überlieferten Metaphysik oder etwas Wesentliches? Wenn das metaphysische Fragen zur Menschennatur

238 Kausalität und Freiheit als kosmologisches Problem gehört, dann auch diese eigentümliche von Kant selbst als notwendig behauptete Verkehrung. Was ist es in der Menschennatur, das diese Verkehrung ermöglicht? Wir deuteten es bereits an: die Art des Seinsverständnisses, d. h. dessen Indifferenz. Woher kommt und warum geschieht diese? Ist aus dem Seinsverständnis selbst noch die Notwendigkeit dafür zu ersehen? Inwiefern ist sie notwendig und wird doch nicht mehr durch ein weiteres Warum hinterfragt? Was heißt das? Es gilt, die Endlichkeit des Menschen über die bloße Endlichkeit seiner Erkenntnis hinaus ans Licht zu bringen. Diese Endlichkeit gilt es sich zeigen zu lassen, nicht um festzustellen, daß und wo Grenzen sind, wo es zu Ende ist, wo es aufhört, wo das Nichtmehr-weiter sich auftut, sondern um die innere Gefaßtheit und Sammlung zu erwecken, womit und worin das Wesentliche anfängt und von woher es allein zu seiner Zeit besteht. Wenn das Grundproblem einer Grundlegung der Metaphysik, wie es die »Kritik der reinen Vernunft« ist, im Problem der Endlichkeit des Menschen besteht, dann muß die umfassende und totale Durchdringung der »Kritik der reinen Vernunft« erst recht und immer unausweichlicher auf das Problem der Endlichkeit dringen. Aber, werden wir sagen, dieses Problem mag zentrale Bedeutung haben, für uns geht es um das Problem der Freiheit. Was haben wir für dieses aus der jetzigen Erörterung der Auflösung der Antinomien gewonnen? Ist dadurch irgendwie das, was wir suchen, deutlicher geworden, die systematische Stellung des Freiheitsproblems im Rahmen der Grundlegung der Metaphysik? Wenn in der angezeigten Weise der Widerstreit aufgelöst wird, so betrifft diese Auflösung nur negativ seine innere Unrechtmäßigkeit und Nichtigkeit. Dann aber wäre das in den Antinomien erörterte Freiheitsproblem selbst ein nichtiges. Kommt es so mit der aufgelösten Antinomie selbst zum verschwinden? Wir kommen über die vielleicht entscheidende Erkenntnis nicht hinaus: Die Freiheit ist im Sinne eines transzendentalen Naturbegriffes angesetzt. Allerdings, das ist das nackte Resul- § 25. Die positive Auflösung der dritten Antinomie 239 tat und doch nicht das eigentliche Ergebnis, jenes, was aus dem eigentlichen Verständnis des Problems erwächst. Das Problem war die Auflösung des Widerstreits zwischen Kausalität nach der Natur und Kausalität aus Freiheit. Auflösung des Widerstreits sagt gewiß zunächst: Beseitigung der Veruneinigung, dafür sorgen, daß sie nicht und nicht mehr besteht, also in gewissem Sinne etwas Negatives. Die eigentliche Auflösung des Widerstreites muß aber zu etwas Positivem führen, zur Möglichkeit der Einheit der beiden Streitenden. Man wird fragen, warum. Kant würde antworten: Einmal weil die Vernlmft überhaupt, auch als endliche menschliche, zum Grundprinzip die Einheit hat, sodann aber, weil gerade die kosmologischen Ideen eigentümlich auf die Erfahrung bezogen sind, die selbst eine Einheit der Gesetzlichkeit darstellt. Erst wenn also eine positive Einigung erreicht ist, werden wir den metaphysischen Kern des Antinomienproblems und damit des Freiheitsproblems fassen können. Um diesem Ziel nahe zu kommen, dazu dienten die letzten Erörterungen, nicht etwa nur einer äußerlichen Vervollständigung des historischen Berichts über dieses Lehrwerk der »Kritik der reinen Vernunft«. Was bisher in Kants Durchdringung der Antinomien negativen Charakter hatte, verlangt eine Wendung ins Positive. Das bedeutet, daß die bloße Kritik des Grundsatzes und seines Gebrauches von seiten der gemeinen Vernunft mit ihren vernünftelnden Schlüssen dazu übergehen muß auszumachen, was er nun selbst in der berichtigten Form sein kann, ja sein muß, wenn anders gerade die kosmologischen Ideen gemäß ihrer ausgezeichneten Bezogenheit auf die Einheit des Erfahrbaren auch eine positive Funktion innerhalb des Gesamtproblems der Möglichkeit der Erfahrung beanspruchen kann. Es zeigt sich, daß die gemeine Vernunft den Charakter des Grundsatzes verkennt, sofern sie diesen als einen Satz nahm, in dem etwas über die Dinge an sich ausgesagt werde. Dagegen wurde klar, daß der Grundsatz nur den Fortgang des Rückganges von der Gegebenheit des Bedingten zur Gegebenheit

238 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

gehört, dann auch diese eigentümliche von Kant selbst als notwendig<br />

behauptete Verkehrung. Was ist es in <strong>der</strong> Menschennatur,<br />

das diese Verkehrung ermöglicht? Wir deuteten es bereits<br />

an: die Art des Seinsverständnisses, d. h. dessen Indifferenz.<br />

Woher kommt und warum geschieht diese? Ist aus dem<br />

Seinsverständnis selbst noch die Notwendigkeit dafür zu ersehen?<br />

Inwiefern ist sie notwendig und wird doch nicht mehr<br />

durch ein weiteres Warum hinterfragt? Was heißt das? Es gilt,<br />

die Endlichkeit des Menschen über die bloße Endlichkeit seiner<br />

Erkenntnis hinaus ans Licht zu bringen. Diese Endlichkeit gilt<br />

es sich zeigen zu lassen, nicht um festzustellen, daß und wo<br />

Grenzen sind, wo es zu Ende ist, wo es aufhört, wo das Nichtmehr-weiter<br />

sich auftut, son<strong>der</strong>n um die innere Gefaßtheit und<br />

Sammlung zu erwecken, womit und worin das <strong>Wesen</strong>tliche anfängt<br />

und von woher es allein zu seiner Zeit besteht.<br />

Wenn das Grundproblem einer Grundlegung <strong>der</strong> Metaphysik,<br />

wie es die »Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft« ist, im Problem<br />

<strong>der</strong> Endlichkeit des Menschen besteht, dann muß die umfassende<br />

und totale Durchdringung <strong>der</strong> »Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft«<br />

erst recht und immer unausweichlicher auf das Problem<br />

<strong>der</strong> Endlichkeit dringen. Aber, werden wir sagen, dieses Problem<br />

mag zentrale Bedeutung haben, für uns geht es um das<br />

Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Was haben wir für dieses aus <strong>der</strong> jetzigen<br />

Erörterung <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Antinomien gewonnen? Ist<br />

dadurch irgendwie das, was wir suchen, deutlicher geworden,<br />

die systematische Stellung des <strong>Freiheit</strong>sproblems im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Grundlegung <strong>der</strong> Metaphysik? Wenn in <strong>der</strong> angezeigten<br />

Weise <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>streit aufgelöst wird, so betrifft diese Auflösung<br />

nur negativ seine innere Unrechtmäßigkeit und Nichtigkeit.<br />

Dann aber wäre das in den Antinomien erörterte <strong>Freiheit</strong>sproblem<br />

selbst ein nichtiges. Kommt es so mit <strong>der</strong> aufgelösten<br />

Antinomie selbst zum verschwinden?<br />

Wir kommen über die vielleicht entscheidende Erkenntnis<br />

nicht hinaus: Die <strong>Freiheit</strong> ist im Sinne eines transzendentalen<br />

Naturbegriffes angesetzt. Allerdings, das ist das nackte Resul-<br />

§ 25. Die positive Auflösung <strong>der</strong> dritten Antinomie 239<br />

tat und doch nicht das eigentliche Ergebnis, jenes, was aus dem<br />

eigentlichen Verständnis des Problems erwächst. Das Problem<br />

war die Auflösung des Wi<strong>der</strong>streits zwischen Kausalität nach<br />

<strong>der</strong> Natur und Kausalität aus <strong>Freiheit</strong>. Auflösung des Wi<strong>der</strong>streits<br />

sagt gewiß zunächst: Beseitigung <strong>der</strong> Veruneinigung,<br />

dafür sorgen, daß sie nicht und nicht mehr besteht, also in gewissem<br />

Sinne etwas Negatives. Die eigentliche Auflösung des<br />

Wi<strong>der</strong>streites muß aber zu etwas Positivem führen, zur Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Einheit <strong>der</strong> beiden Streitenden. Man wird fragen,<br />

warum. Kant würde antworten: Einmal weil die Vernlmft<br />

überhaupt, auch als endliche menschliche, zum Grundprinzip<br />

die Einheit hat, sodann aber, weil gerade die kosmologischen<br />

Ideen eigentümlich auf die Erfahrung bezogen sind, die selbst<br />

eine Einheit <strong>der</strong> Gesetzlichkeit darstellt. Erst wenn also eine<br />

positive Einigung erreicht ist, werden wir den metaphysischen<br />

Kern des Antinomienproblems und damit des <strong>Freiheit</strong>sproblems<br />

fassen können. Um diesem Ziel nahe zu kommen, dazu<br />

dienten die letzten Erörterungen, nicht etwa nur einer äußerlichen<br />

Vervollständigung des historischen Berichts über dieses<br />

Lehrwerk <strong>der</strong> »Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft«.<br />

Was bisher in Kants Durchdringung <strong>der</strong> Antinomien negativen<br />

Charakter hatte, verlangt eine Wendung ins Positive.<br />

Das bedeutet, daß die bloße Kritik des Grundsatzes und seines<br />

Gebrauches von seiten <strong>der</strong> gemeinen Vernunft mit ihren vernünftelnden<br />

Schlüssen dazu übergehen muß auszumachen, was<br />

er nun selbst in <strong>der</strong> berichtigten Form sein kann, ja sein muß,<br />

wenn an<strong>der</strong>s gerade die kosmologischen Ideen gemäß ihrer ausgezeichneten<br />

Bezogenheit auf die Einheit des Erfahrbaren auch<br />

eine positive Funktion innerhalb des Gesamtproblems <strong>der</strong><br />

Möglichkeit <strong>der</strong> Erfahrung beanspruchen kann.<br />

Es zeigt sich, daß die gemeine Vernunft den Charakter des<br />

Grundsatzes verkennt, sofern sie diesen als einen Satz nahm, in<br />

dem etwas über die Dinge an sich ausgesagt werde. Dagegen<br />

wurde klar, daß <strong>der</strong> Grundsatz nur den Fortgang des Rückganges<br />

von <strong>der</strong> Gegebenheit des Bedingten zur Gegebenheit

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