Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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220 f{ausalität und Freiheit als kosmologisches Problem keit der Welt, der Totalität der Erscheinungen, dargetan, d. h. ein vVeltanfang aus Freiheit. Dagegen bleibt die einmal anhebende Welt in sich Bewirktes im Zwang der Naturursachen. Das läßt nur die Möglichkeit offen, die Abfolge aller übrigen Weltbegebenheiten völlig unter die Naturkausalität und ihre Notwendigkeit zu stellen. Indessen, weil nun einmal überhaupt das Vermögen, eine Reihe in der Zeit anzufangen, bewiesen, obzwar nicht eingesehen ist, »ist es uns nunmehr auch erlaubt«, mitten im Weltlauf »verschiedene Reihen ... von selbst anfangen zu lassen«, d. h. Vorhandenes anzunehmen, Substanzen, denen das Vermögen beigelegt wird, »aus Freiheit zu handeln. «12 Mit anderen Worten, aufgrund dieses Beweises ist es nicht undenkbar, daß es innerhalb des Vorhandenen und mitten in seinem Geschehensablauf freihandelndes Seiendes gibt. Auch hier wieder ist noch gar nichts darüber ausgemacht, ob das Menschen oder andere Wesen sind, sondern gemäß dem allgemein ontologischen Begriff der Handlung heißt das nur, daß innerhalb des Geschehensablaufs des Vorhandenen etwas ganz von selbst anfangen kann. Dieser Selbst anfang braucht aber kein schlechthinniger Anfang »der Zeit nach« zu sein, d. h. er schließt nicht aus, daß der Zeit nach anderes vorangegangen ist und die freie Handlung auf das Vorhergehende folgt, obzwar nicht aus dem Vorhergehenden >erfolgt
222 Kausalität und Freiheit als kosmologisches Problem sen selbst schlechthin anfängt. Für sie gibt es daher nichts, von woher sie ferner noch bestimmbar wäre, etwa gar nach beständigen Gesetzen. Dieses Ursachesein selbst als geschehende Handlung ist ein Seiendes. Wenn für sie aber keine Gesetzlichkeit besteht, diese aber zum Wesen und den Möglichkeiten der Erscheinungen, des Vorhandenen, gehört, dann ist in der transzendentalen Freiheit ein Ursachesein gedacht, was überhaupt kein Vorhandenes sein kann, »ein leeres Gedankending«.17 Also gibt es, da transzendentale Freiheit dem Kausalgesetz als Gesetz schon entgegen ist, nur Natur. Wenn Freiheit in die Kausalität des Weltlaufs einträte, dann käme in diesen nicht eine andere Gesetzlichkeit, sondern Gesetzlosigkeit. Natur, zu deren Wesen Gesetzmäßigkeit gehört, wäre damit überhaupt aufgehoben. Oder aber, wenn Freiheit eine Art von Gesetzlichkeit wäre, dann wäre sie eben nichts anderes als Natur. Also gibt es keine Freiheit. Alles, was geschieht, ist bestimmt durch das Eigen- und Allvermögen der Natur. Aufgrund der Wahrheit der Antithesis ist allerdings der Erkenntnis eine ständige Last aufgeladen, nämlich den Anfang immer höher hinauf zu suchen. Aber zugleich ist das Blendwerk einer Freiheit beseitigt und die Erkenntnis ist für die Last schadlos gehalten durch die Wahrung der durchgängigen und gesetzmäßigen Einheit der Erfahrung. Die Freiheit dagegen ist zwar Befreiung vom Zwange, aber auch vom Leitfaden aller Regeln, weil mit ihr als einem schlechthinnigen Anfang, der nichts Voriges vor sich hat, der Leitfaden der Regel der Bestimmung des Geschehens, die Anweisung zum bestimmenden Rückgang zu Vorigem, abreißt. In der Anmerkung zur Antithesis zeigt Kant, wie ein Verteidiger der Allvermögenheit der Natur gegen die Lehre von der Freiheit verteidigen würde. Da die Einheit der Erfahrung jederzeit die Beharrlichkeit der Substanz notwendig macht, d. h. daß Substanzen jederzeit in der Welt gewesen sind, so hat 17 a.a.O., A 447, B 475. § 23. Die zwei Arten der Kausalität und die Antithetik 223 es auch keine Schwierigkeit anzunehmen, daß der Wechsel jederzeit gewesen sei, daß es mithin keinen ersten Anfang gebe. Gewiß, die Möglichkeit einer solchen unendlichen Abstammung läßt sich nicht begreiflich machen. Solche Unbegreiflichkeit aber ist kein Beweisgrund, »diese Naturrätsel« wegzuwerfen. Wollte man ihr nachgeben, dann müßten wir auch die» Veränderung« verwerfen, da auch deren Möglichkeit »anstößig«18 sein muß. »Denn, wenn ihr nicht durch Erfahrung fändet, daß sie wirklich ist, so würdet ihr niemals apriori ersinnen können, wie eine solche unaufhörliche Folge von Sein und Nichtsein möglich sei. «19 c) Die Auszeichnung der kosmologischen Ideen in der Frage nach der Möglichkeit der eigentlichen Metaphysik und das Interesse der Vernunft an ihrer Auflösung So sind Thesis und Antithesis gleich notwendig, gleich wahr und gleich einsichtig beweisbar. Ihr Widerstreit ist eine innere zur Vernunft selbst gehörige» Veruneinigung«.2o Diese kann aus der Menschennatur nicht ausgerissen und beseitigt werden. Es bleibt nur, eindringlicher nach ihrem Ursprung zu fragen. Bevor Kant dieser Frage nachgeht und den Weg einer Auflösung, nicht Beseitigung dieser Antinomie findet, legt er sich die Frage vor: Wenn wir dieses unaufhörlich schwankende Spiel des Widerstreits der reinen Vernunft vor uns haben, stehen wir dann ganz unbeteiligt dabei, oder möchten wir uns doch, wenn wir unser Interesse fragen, am liebsten auf eine Seite schlagen und auf welche ?21 Unser Interesse - damit meint Kant nicht beliebige Bedürfnisse und Wünsche, sondern dasjenige, woran der Mensch als Mensch ein Interesse nimmt, was ihn in seinem Menschsein als Mensch angeht. In den reinen 18 a.a.O., A. 451, B 479. 19 Ebd. 20 a.a.O., A 464, B 492. 21 V gl. a.a.O., A 465, B 493.
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220 f{ausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />
keit <strong>der</strong> Welt, <strong>der</strong> Totalität <strong>der</strong> Erscheinungen, dargetan, d. h.<br />
ein vVeltanfang aus <strong>Freiheit</strong>. Dagegen bleibt die einmal anhebende<br />
Welt in sich Bewirktes im Zwang <strong>der</strong> Naturursachen.<br />
Das läßt nur die Möglichkeit offen, die Abfolge aller übrigen<br />
Weltbegebenheiten völlig unter die Naturkausalität und ihre<br />
Notwendigkeit zu stellen. Indessen, weil nun einmal überhaupt<br />
das Vermögen, eine Reihe in <strong>der</strong> Zeit anzufangen, bewiesen,<br />
obzwar nicht eingesehen ist, »ist es uns nunmehr auch erlaubt«,<br />
mitten im Weltlauf »verschiedene Reihen ... von selbst anfangen<br />
zu lassen«, d. h. Vorhandenes anzunehmen, Substanzen,<br />
denen das Vermögen beigelegt wird, »aus <strong>Freiheit</strong> zu handeln.<br />
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Mit an<strong>der</strong>en Worten, aufgrund dieses Beweises ist es nicht<br />
undenkbar, daß es innerhalb des Vorhandenen und mitten in<br />
seinem Geschehensablauf freihandelndes Seiendes gibt. Auch<br />
hier wie<strong>der</strong> ist noch gar nichts darüber ausgemacht, ob das<br />
Menschen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e <strong>Wesen</strong> sind, son<strong>der</strong>n gemäß dem allgemein<br />
ontologischen Begriff <strong>der</strong> Handlung heißt das nur, daß<br />
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von selbst anfangen kann. Dieser Selbst anfang braucht aber<br />
kein schlechthinniger Anfang »<strong>der</strong> Zeit nach« zu sein, d. h. er<br />
schließt nicht aus, daß <strong>der</strong> Zeit nach an<strong>der</strong>es vorangegangen ist<br />
und die freie Handlung auf das Vorhergehende folgt, obzwar<br />
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