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Die wahre Königsdisziplin: Karriere und Familie vereinbaren

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040 beratung work & life<br />

Heide Redlingshöfer (Foto rechts) leitete als Beraterin bei<br />

Camelot Mangement Consultants internationale Projekte im<br />

Bereich Supply Chain Management. Heute verantwortet die<br />

zweifache Mutter als Head of Human Capital Management<br />

die personelle Weiterentwicklung der Managementberatung.<br />

<strong>Die</strong> <strong>wahre</strong> <strong>Königsdisziplin</strong>: <strong>Karriere</strong> <strong>und</strong> <strong>Familie</strong> <strong>vereinbaren</strong><br />

HEIDE REDLINGSHÖFER, HEAD OF HUMAN CAPITAL MANAGEMENT BEI CAMELOT MANAGEMENT CONSULTANTS, MEISTERT, WAS VIELE<br />

FÜR UNMÖGLICH HALTEN: DEN BALANCE-AKT ZWISCHEN EINER FÜHRUNGSPOSITION IN DER BERATUNG UND<br />

DEN ANFORDERUNGEN EINES FAMILIENLEBENS MIT ZWEI KLEINEN KINDERN. ZU IHREN GRÖSSTEN LEISTUNGEN ZÄHLT SIE SELBST NICHT<br />

NUR INNOVATIVE INTERNATIONALE BERATUNGSPROJEKTE, SONDERN AUCH IHR AUSGEFEILTES ZEITMANAGEMENT.<br />

Managementberatung wird oft als die <strong>Königsdisziplin</strong> für Betriebswirte<br />

bezeichnet. In wenigen anderen Berufen erhält man so tiefe<br />

Einblicke in viele völlig unterschiedliche Unternehmen <strong>und</strong> Kulturen<br />

<strong>und</strong> kann sich so schnell fachlich <strong>und</strong> persönlich weiterentwikkeln.<br />

Weit verbreitet ist aber auch ein anderes Klischee: Beratung<br />

sei so fordernd, dass ein Privatleben daneben fast unmöglich sei –<br />

von einer <strong>Familie</strong> ganz zu schweigen. Schade ist, dass sich viele<br />

hoch qualifizierte Frauen dadurch abschrecken lassen – aus Angst<br />

oder Unwissenheit.<br />

Dem Vorurteil der Unvereinbarkeit von Beratung <strong>und</strong> <strong>Familie</strong> halte<br />

ich meinen ganz persönlichen Lebenslauf entgegen: Nach dem<br />

Realschulabschluss habe ich zunächst eine Banklehre absolviert –<br />

klassisch, solide, aber auch ziemlich trocken. Nach wenigen<br />

Wochen war klar: Das kann nicht alles gewesen sein. Deshalb<br />

beschloss ich, berufsbegleitend das Abitur nachzuholen <strong>und</strong> zu<br />

studieren. An der Fachhochschule Fulda schrieb ich mich ein, weil<br />

damals nur dort Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt<br />

„Umweltwirtschaft“ angeboten wurde. Im Studium begeisterte ich<br />

mich dann auch für einen zweiten Schwerpunkt: Logistik. Im<br />

Gegensatz zu meiner Banklehre ging es hier um ganz handfeste<br />

Fragen. Konsequenterweise habe ich beide Felder kombiniert <strong>und</strong><br />

mich auf Entsorgungslogistik spezialisiert. Auf den ersten Blick<br />

vielleicht eine ungewöhnliche Wahl für eine Frau. Aber bei näherer<br />

Betrachtung war es ein absolutes Trend-Thema. Bei der Abfallentsorgung<br />

setzte die B<strong>und</strong>esregierung damals einen Wandel durch:<br />

Das Schlagwort hieß im Amtsdeutsch „verursachergerechte<br />

Gebührenberechnung“. <strong>Die</strong> Höhe der Entsorgungsgebühren wurde<br />

nicht mehr pauschal erhoben, sondern richtete sich nach der tatsächlichen<br />

Menge – ein echter Systemwechsel.<br />

Während meines Auslandssemesters an der Heriot-Watt University<br />

in Edinburgh, bekam ich das Angebot, im Rahmen meines Praxissemesters<br />

die Einführung eines Müllwiegesystems in Großbritannien<br />

zu betreuen <strong>und</strong> zu prüfen, inwieweit sich dieses neue deutsche<br />

Prinzip auf den britischen Markt übertragen ließ. Meine Aufgaben<br />

reichten vom Erstellen des Business Case über das Prüfen<br />

der rechtlichen Rahmenbedingungen <strong>und</strong> die technische Zulassung<br />

bis hin zur K<strong>und</strong>enakquise sowie der Begleitung eines ersten<br />

gewerblichen Pilotprojekts am größten europäischen Flughafen<br />

London Heathrow. Eine Riesenaufgabe, die ich auch nach<br />

Abschluss des Praxissemesters für einige Zeit betreute.<br />

Nach dem Studium wollte ich weiter international arbeiten, idealerweise<br />

bei einem mittelständischen Beratungsunternehmen mit flachen<br />

Hierarchien <strong>und</strong> kurzen Entscheidungswegen, das sich nicht<br />

nur auf Supply Chain Management konzentrierte, sondern bei dem<br />

ich auch die Möglichkeit hatte, Dinge zu gestalten <strong>und</strong> schnell Verantwortung<br />

zu übernehmen. <strong>Die</strong> Entscheidung fiel auf Camelot, wo<br />

ich schon nach vier Wochen intensivem Training zu meinen ersten<br />

Projekteinsätzen nach Belgien <strong>und</strong> England kam.<br />

In dieser Phase, Ende der 90er Jahre, explodierte die Nachfrage<br />

nach Beratungsprojekten auf SAP-Basis. <strong>Die</strong> Walldorfer entwickelten<br />

damals gerade ihre integrierte Planungslösung, den Advanced<br />

Planner and Optimizer (kurz APO), der das bereits etablierte<br />

Unternehmens-Informationssystem (SAP R/3, heute SAP ECC)<br />

ergänzte <strong>und</strong> erstmals echtzeitbasierte simultane Planung sowie<br />

systemübergreifende Verfügbarkeitsprüfungen <strong>und</strong> Lagerbestandssichten<br />

ermöglichte. Dass die technische Lösung auch bei klassischen<br />

Managementaufgaben wie der Integration von Organisationsstrukturen<br />

<strong>und</strong> Businessprozessen effektiv eingesetzt werden<br />

kann, bewies Camelot bald darauf in einem innovativen Projekt.<br />

Im Oktober 2000 führten BASF <strong>und</strong> Shell ihre drei internationalen<br />

Tochterfirmen Elenac, Montell <strong>und</strong> Targor in dem Joint Venture<br />

Basell zusammen. Mit Basell entstand damals der Weltmarktführer<br />

für Polypropylen, Polyolefine <strong>und</strong> Polyethylenprodukte mit 7.600<br />

Mitarbeitern <strong>und</strong> einem Jahresumsatz von 6,6 Milliarden<br />

D-Mark. Aber um die beabsichtigten Synergie-Effekte zu erzielen,<br />

benötigten die drei fusionierten Unternehmen möglichst schnell<br />

high potential


work & life beratung 041<br />

eine immer stärker international agierende<br />

Beratung? Um mit High Potentials schon<br />

während des Studiums in Kontakt zu kommen<br />

<strong>und</strong> innovative Ideen r<strong>und</strong> um das<br />

Thema Supply Chain Management zu fördern,<br />

verleiht Camelot Management Consultants<br />

beispielsweise in diesem Jahr zum<br />

ersten Mal den „Camelot Innovative Value<br />

Chain Thesis Award“.<br />

eine gemeinsame integrierte Supply Chain,<br />

die trotz der unterschiedlichen Strukturen<br />

<strong>und</strong> Prozesse einen optimalen K<strong>und</strong>enservice<br />

mit kurzen Lieferzeiten <strong>und</strong> hoher<br />

Transparenz ermöglichte. Der Zeitplan war<br />

sportlich: Was bisher mehrere Jahre gedauert<br />

hatte, sollte mit SAP APO als Integrationsplattform<br />

innerhalb eines Jahres umgesetzt<br />

werden. Es war der weltweit erste Einsatz<br />

dieser Art. Für mich als Projektleiterin<br />

war es deshalb das spannendste Jahr meiner<br />

Beratungstätigkeit. Und für Camelot<br />

war es die Bestätigung des integrierten<br />

Beratungsansatzes, alle Projektphasen aus<br />

einer Hand zu begleiten: von der strategischen<br />

Aufgabenstellung über die Umsetzung<br />

in Prozesse bis zur technischen Realisierung.<br />

Nach einigen weiteren Beratungsmandaten<br />

entschloss ich mich, gemeinsam mit meinem<br />

Mann, auch privat ein Projekt „live“<br />

zu setzen. Wir wollten eine <strong>Familie</strong> gründen,<br />

ohne dabei unseren Beruf aufgeben zu<br />

müssen. Dass mein Mann ebenfalls in<br />

einer Führungsposition arbeitet <strong>und</strong> viel<br />

unterwegs ist, machte die Sache natürlich<br />

nicht einfacher. Meine Reisetätigkeit würde<br />

ich weitgehend einstellen müssen, das war<br />

klar. Andererseits fühlte ich mich bei Camelot<br />

wegen des Team-Spirits <strong>und</strong> der innovativen<br />

Projekte so wohl, dass ich die Firma<br />

auf keinen Fall verlassen wollte. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> ergänzte ich meine Ausbildung<br />

berufsbegleitend um einen Master of Arts<br />

Eine Führungsposition in der Beratung <strong>und</strong> gleichzeitig eine <strong>Familie</strong>?<br />

Heide Redlingshöfer meistert beides erfolgreich.<br />

im Bereich Personalentwicklung. Camelot<br />

trug die Kosten <strong>und</strong> ermöglichte es mir, an<br />

den Präsenzphasen durch eine flexible<br />

Gestaltung der Arbeitszeiten teilzunehmen.<br />

Nach dem Mutterschutz stieg ich mit<br />

einem Arbeitstag pro Woche in der Personalabteilung<br />

ein <strong>und</strong> kümmerte mich<br />

hauptsächlich um die Personalauswahl.<br />

Hier half mir in den Auswahlgesprächen<br />

meine Beratungserfahrung dabei, die<br />

besten Kandidaten für unsere Partner <strong>und</strong><br />

ihre jeweiligen Bereiche zu finden. Mit<br />

zunehmendem Alter der Kinder steigerte<br />

ich die Arbeitstage <strong>und</strong> als meine Vorgängerin<br />

das Unternehmen verließ, übernahm<br />

ich die Leitung der Personalabteilung.<br />

Für Unternehmensberatungen, die kaum<br />

andere Ressourcen besitzen, ist dieser<br />

Bereich besonders wichtig. Im Endeffekt<br />

entscheiden die Berater vor Ort tagtäglich<br />

über den Erfolg eines Projekts <strong>und</strong> damit<br />

auch des ganzen Unternehmens.<br />

Meine neue Aufgabe ist deshalb sicher<br />

nicht weniger spannend <strong>und</strong> anspruchsvoll<br />

als meine früheren Beratungsprojekte.<br />

Heute beschäftige ich mich neben dem<br />

Tagesgeschäft hauptsächlich mit strategischen<br />

Fragen, die für die langfristige Entwicklung<br />

von Camelot enorm wichtig sind.<br />

Wie reagieren wir auf den zunehmenden<br />

Fachkräftemangel? Wie sieht die Recruiting-<br />

Strategie der Zukunft aus? In welchen Ländern<br />

gibt es die besten Absolventen für<br />

Mein Fazit zum Thema Beruf <strong>und</strong> <strong>Familie</strong>?<br />

Beides zu <strong>vereinbaren</strong> ist kein Selbstläufer.<br />

Aber es kann funktionieren, wenn ein paar<br />

wichtige Rahmendaten stimmen: Ein optimales<br />

Zeitmanagement half mir schon bei<br />

meinem studienbegleitenden Markteinführungsprojekt<br />

in Großbritannien <strong>und</strong> dem<br />

berufsbegleitenden Master während meiner<br />

Beratungszeit. Überlebenswichtig wurde es<br />

dann aber, als die Bedürfnisse der <strong>Familie</strong><br />

hinzukamen. Bei Meetings werde ich heute<br />

viel schneller ungeduldig, wenn ich das<br />

Gefühl habe, dass sich die Teilnehmer mit<br />

unwichtigen Details aufhalten oder sich<br />

nicht an die vereinbarten Zeiten halten.<br />

Es ist erstaunlich, wie die eigene Effizienz<br />

durch eine Doppelbelastung noch steigt.<br />

Das fällt mir auch bei unseren Beraterinnen<br />

auf, die in der gleichen Situation sind.<br />

Im Hintergr<strong>und</strong> reicht außerdem eine<br />

Betreuungsperson nicht aus. Ein zuverlässiges<br />

Betreuungsnetzwerk ist nötig, um<br />

auch Notfälle, Krankheitsausfälle oder längere<br />

Reisen abzudecken. Und zu guter<br />

Letzt muss natürlich auch der Arbeitgeber<br />

mitziehen. Camelot legt viel Wert auf eine<br />

langfristige Mitarbeiterbindung. Das in vielen<br />

Beratungen übliche „hire and fire“ gibt<br />

es bei uns nicht. Stattdessen versucht das<br />

Unternehmen, durch die intelligente Planung<br />

von Projekt- <strong>und</strong> Reisezeiten, allen<br />

Mitarbeitern eine optimale Vereinbarkeit<br />

von Beruf <strong>und</strong> <strong>Familie</strong> zu ermöglichen <strong>und</strong><br />

individuell auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter<br />

einzugehen, egal ob es um die<br />

Betreuung von Kleinkindern oder pflegebedürftigen<br />

<strong>Familie</strong>nangehörigen geht. Dass<br />

unser CEO selbst Kinder hat, sorgt für das<br />

nötige Verständnis, wenn unsere Mitarbeiter<br />

im Notfall auch mal kurzfristig Termine<br />

verschieben oder absagen müssen.<br />

Inzwischen habe ich das Gefühl, die <strong>wahre</strong><br />

<strong>Königsdisziplin</strong> ist nicht die Managementberatung<br />

an sich, sondern, diese mit einem<br />

<strong>Familie</strong>nleben in Einklang zu bringen.

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