Über den Mut, den ersten Schritt zu tun - Theodor-Heuss-Stiftung

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22.11.2013 Aufrufe

GOLD MANN Politik. Solche Bequemlichkeit ist nicht Gräfin Dönhoffs Art. Sie sieht die Unterschiede in der Zeit: Das Ungarn von heute ist nicht das Ungarn von vorgestern. Sie sieht die Unterschiede im Raum: Aus den und den historischen Gründen sind die Dinge in Jugoslawien ganz anders als in Rumänien. Sie sieht die menschlichen Unterschiede: Bei dem einen ist der dogmatische P anzer schwer, bei dem anderen leicht, der eine denkt mehr an die Sache und ist besseren Willens, der andere denkt mehr an sich und ist schlechteren Willens. So, sich an das Konkrete haltend, hat Gräfin Dönhoff uns von der historischen, der aktuellen wirtschaftlichen und politischen, der menschlichen Wirklichkeit Osteuropas unterscheidende Bilder gezeichnet, die eine deutsche Ostpolitik informieren könnten und sollten. Mehr als seine Kenntnisse und Urteile anbieten kann der Publizist nun einmal nicht. Ob sie nützlich gebraucht werden oder nicht, liegt bei anderen. Die Freiheit von Vorurteilen .. . gegenüber Menschen, die uns die Heimat nahmen, die das Schloß der Väter samt allem Reichtum in Jahrhunderten gesammelter Schönheiten verbrannten, kann sie so leicht nicht zu erwerben gewesen sein, aber sie spricht aus jeder Zeile dieser Berichte. Auch in der schlimmsten Zeit, in der Stalin-Ära, sei nicht alles unvernünftig gewesen. Bei allen Härten, welche die sozialistische Planwirtschaft den Leuten auferlege, bringe sie ihnen auch Vorteile, die wir nicht haben. 32

ÜBER DEN MUT, DEN ERSTEN SCHRITT ZU TUN In einem Artikel aus Ungarn heißt es: »Ist die Mehrheit in Ungarn zufrieden? Es ist schwer, diese Frage als Fremder zu beurteilen (ich weiß nicht einmal, ob ein >Eingeweihter< sie objektiv richtig beurteilen könnte). Alles hat hier nicht nur zwei Seiten, sondern viele Facetten; die meisten Dinge sind nicht nur doppelbödig, sondern haben viele verschiedene in einandergeschobene Schichten. Die Frage, ob die Ungarn zufrieden sind, wird wahrscheinlich immer zugleich mit Ja und mit Nein beantwortet werden müssen.« Ist solch ein Paragraph verwirrend? Freilich; so verwirrend wie die Wirklichkeit nun einmal ist für alle die, die glauben, sie in Schwarz und Weiß lesen zu können. Aber es ist hilfreiche Verwirrung: nutzbar für den, der entwirrende, realistische Politik machen will. Die Bereitschaft, im besonderen als Deutscher die Nachwirkungen der jüngsten Vergangenheit in Osteuropa gerecht zu würdigen. Gräfin Dönhoff maßt sich nicht an, als Freie und Befreierin in diese Gegenden der Unfreiheit zu kommen; eine Rolle, die viele sich heute anmaßen möchten und die uns nicht zusteht. Sie kennt, sie versteht die Furcht vor Deutschland und ihre kaum zu überschätzende Macht über die Politik Osteuropas. »Wir Deutschen«, schreibt sie, »haben ganz vergessen, daß nur der Westen, der sich mit uns in einer Art Kalter-Krieg-Allianz befindet, mit dem Mantel des Vergessens bedeckt, was Deutschland in Europa angerichtet hat. Hier dagegen ist dies alles noch ganz wach.

GOLD MANN<br />

Politik. Solche Bequemlichkeit ist nicht Gräfin Dönhoffs<br />

Art. Sie sieht die Unterschiede in der Zeit: Das<br />

Ungarn von heute ist nicht das Ungarn von vorgestern.<br />

Sie sieht die Unterschiede im Raum: Aus <strong>den</strong> und <strong>den</strong><br />

historischen Grün<strong>den</strong> sind die Dinge in Jugoslawien<br />

ganz anders als in Rumänien. Sie sieht die menschlichen<br />

Unterschiede: Bei dem einen ist der dogmatische<br />

P anzer schwer, bei dem anderen leicht, der eine <strong>den</strong>kt<br />

mehr an die Sache und ist besseren Willens, der andere<br />

<strong>den</strong>kt mehr an sich und ist schlechteren Willens.<br />

So, sich an das Konkrete haltend, hat Gräfin Dönhoff<br />

uns von der historischen, der aktuellen wirtschaftlichen<br />

und politischen, der menschlichen Wirklichkeit Osteuropas<br />

unterschei<strong>den</strong>de Bilder gezeichnet, die eine<br />

deutsche Ostpolitik informieren könnten und sollten.<br />

Mehr als seine Kenntnisse und Urteile anbieten kann<br />

der Publizist nun einmal nicht. Ob sie nützlich gebraucht<br />

wer<strong>den</strong> oder nicht, liegt bei anderen.<br />

Die Freiheit von Vorurteilen .. . gegenüber Menschen,<br />

die uns die Heimat nahmen, die das Schloß der Väter<br />

samt allem Reichtum in Jahrhunderten gesammelter<br />

Schönheiten verbrannten, kann sie so leicht nicht <strong>zu</strong> erwerben<br />

gewesen sein, aber sie spricht aus jeder Zeile<br />

dieser Berichte. Auch in der schlimmsten Zeit, in der<br />

Stalin-Ära, sei nicht alles unvernünftig gewesen. Bei<br />

allen Härten, welche die sozialistische Planwirtschaft<br />

<strong>den</strong> Leuten auferlege, bringe sie ihnen auch Vorteile,<br />

die wir nicht haben.<br />

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