Ausgabe 1/2013 - BLLV
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OBERPFÄLZER SCHULGESCHICHTE<br />
Unterricht im Höflarner Getreidespeicher<br />
Notschule<br />
133 Kinder sollten ab Oktober 1945 in der wieder eröffneten<br />
Volksschule Perschen unterrichtet werden, ein Teil vormittags,<br />
ein Teil nachmittags. In dieser Notlage wurde in Höflarn eine einklassige<br />
Notschule errichtet. VON JOSEF EIMER<br />
Nach monatelanger Unterbrechung<br />
öffnete die Volksschule Perschen<br />
bei Nabburg am 4. Oktober 1945<br />
wieder ihre Pforte. Hauptlehrer Anton<br />
Gleißner begrüßte 133 Buben und Mädchen<br />
(darunter zahlreiche Flüchtlingskinder),<br />
die er in zwei Klassen wechselweise<br />
betreute. Weil dieser Zustand selbst<br />
in der chaotischen Nachkriegszeit untragbar<br />
erschien, gründete die Regierung der<br />
Oberpfalz am 8. Januar 1947 in Höflarn<br />
eine einklassige Notschule für die Sprösslinge<br />
aus dem südlichen und westlichen<br />
Teil der Gemeinde Diendorf.<br />
Warum wurde Höflarn ausgewählt? Im<br />
ersten Stock des einstigen Landsassenschlosses<br />
bot sich ein großer Raum, der<br />
bis dahin als Getreidespeicher gedient<br />
hatte, als Schulsaal an. Gleich nebenan<br />
war noch Platz für Lehrer Josef Würstl,<br />
der zusammen mit der Gutsbesitzerfamilie<br />
und dem Gesinde verpflegt wurde.<br />
Die Treppenstufen belagerten im Winter<br />
Holzpantoffeln, weil es an Lederschuhen<br />
mangelte und die Strümpfe mehrfach<br />
„gedoppelt“ wurden. Vom Frühjahr<br />
bis in den Spätherbst brauchte man ohnehin<br />
keine Fußbekleidung. Die Kommune<br />
lieferte das „Schulholz“, das von einer<br />
einquartierten Flüchtlingsfrau gesägt,<br />
gehackt und aufgeschlichtet wurde. Ging<br />
es zur Neige, mussten Buben Nachschub<br />
holen. Als „Toiletten“ dienten zwei Trockenklosetts<br />
und eine „Pinkelrinne“ im<br />
Hof. 72 Kinder sämtlicher Jahrgangsstufen<br />
brauchten Mobiliar. Es bestand aus<br />
„Oberpfälzer Mehrsitzerbänken“ in vier<br />
Größen ohne bewegliche Teile. Die Stirnseite<br />
des Raumes beherrschten ein Lehrerpult<br />
ohne Podest, eine dreh- und klappbare<br />
Wandtafel mit vier Schreibflächen<br />
und ein Ständer für die Oberpfalz-, Bayern-<br />
und Europakarte. Neben der Tür war<br />
ein stattlicher Holzofen platziert. Wurde<br />
er beheizt, schwitzten die vorne Sitzenden,<br />
während die Hinterbänkler froren!<br />
Küche und Werkraum fehlten. Eine Wiese<br />
und Hutweide mussten als Pausen- und<br />
Sportplatz herhalten. Dicht gedrängt saßen<br />
unter den Einheimischen 22 Flüchtlingskinder,<br />
von denen die meisten aus<br />
dem Sudetenland stammten und sich erstaunlich<br />
schnell integrierten.<br />
Bis 21.7.1947 blieb die Schule Höflarn<br />
einklassig mit acht Jahrgängen. Ehemalige<br />
Schüler erinnern sich, dass der Klassenlehrer<br />
streng, aber gerecht, besonnen,<br />
kompetent und aufgeschlossen war. Seine<br />
Stärke war das Rechnen als Vorbereitung<br />
für Handwerksberufe. In der Freizeit<br />
brachte Josef Würstl interessierten Buben<br />
das Veredeln von Obstbäumen bei. Mit<br />
seinen Schulkindern hatte der Pädagoge<br />
keinerlei Disziplinprobleme. Dazu trug<br />
auch bei, dass Unbotmäßige hin und wieder<br />
den Haselnussstock auf Hand oder Hosenboden<br />
zu spüren bekamen. War dieses<br />
Schmerz auslösende Instrument auf wundersame<br />
Weise „verschwunden“, musste<br />
ein Schüler eine neue Rute am nahen<br />
Weiher abschneiden.<br />
1947/48 und 1948/49 stellte sich nur auf<br />
dem Papier eine Verbesserung ein. Zwar<br />
gab es jetzt zwei Klassen (1–4 und 5–<br />
8), doch wurden sie weiterhin allein von<br />
Lehrer Würstl schichtweise geführt. Zusätzlich<br />
musste er sich um die zweijährige<br />
Landwirtschaftliche Berufsschule<br />
kümmern: An zwei Abenden sowie sonnund<br />
feiertags unterrichtete er ca. 15 Entlassschüler,<br />
die berufslos oder landwirtschaftlich<br />
tätig waren, in den Fächern<br />
Fach-, Bürgerkunde, Deutsch und Rechnen.<br />
Die Landwirtschaftliche Berufsschule<br />
(Bezeichnung seit 1941) hieß 1803 erst<br />
Feiertagsschule (6 Jahre Dauer – 1856: 3<br />
Jahre), 1913 Volksfortbildungsschule (3<br />
Jahre) und 1938 Ländliche Berufsschule<br />
(ebenfalls 3 Jahre). Erst 1949/50 wurde<br />
der Lehrer nachhaltig entlastet, und zwar<br />
durch Anne-Liese Regn.<br />
Die Schulpflicht wurde von sämtlichen<br />
Kindern anstandslos erfüllt. Doch monierten<br />
beide Lehrkräfte: „Das Fehlen<br />
eines zweiten Saales fördert Lernfortschritte<br />
nicht gerade!“ Folglich konnten<br />
die Lehrplanziele nur mühsam erreicht<br />
werden, zumal die Raumtemperatur<br />
an Sommernachmittagen auf 30 Grad<br />
und mehr stieg. Entsprechend gering war<br />
dann die Aufnahmefähigkeit. Die Kinder<br />
wurden regelmäßig zu schweren körperlichen<br />
Arbeiten auf Hof, Feld und Wiese<br />
herangezogen, so dass für Hausaufgaben<br />
oft keine Zeit blieb. Trotz Geldmangels<br />
ließ der Sachaufwandsträger den Saal tünchen<br />
sowie Türe, Hausgang und Treppengeländer<br />
mit Ölfarbe „geschmackvoll“<br />
streichen. Für ein Radio zum Abhören<br />
von Schulfunksendungen und Bildwerfer<br />
(Dia- und Episkop) reichten die Mittel<br />
aber nicht. Sollten Medien gezeigt werden,<br />
musste man Projektoren aus Nabburg<br />
herbeikarren.<br />
Dass der zwei bis drei Kilometer lange<br />
Schulweg per pedes zurückgelegt wurde,<br />
versteht sich von selbst. Therese Lorenz<br />
schwärmt noch heute: „Wir konnten<br />
die herrliche Natur genießen und die Vögel<br />
zwitschern hören. Unbeschwert und<br />
furchtlos gingen wir tagein tagaus diesen<br />
Weg. War die Schule zu unserer Freude<br />
einmal früher aus, nützten wir die geschenkte<br />
Zeit, spielten Völkerball oder<br />
Räuber und Gendarm. Daran mussten<br />
sich alle beteiligen. Ansonsten hätten die<br />
Eltern etwas bemerkt und uns arbeiten<br />
lassen. Im Winter stapften wir in Holzpantoffeln<br />
durch den tiefen Schnee, der<br />
an den Sohlen klebte und das Gehen erschwerte.<br />
Aber das nahmen wir mit Humor!<br />
Bisweilen zogen wir den Schlitten<br />
mit und fuhren auf dem Heimweg die<br />
steilen Abhänge hinunter.“<br />
Die Ära der Schule Höflarn endete am<br />
30. August 1953, als ein neues Gebäude<br />
in Diendorf eingeweiht wurde. Es bot separate<br />
Säle für die Jahrgänge 1 – 4 und 5<br />
– 8, ferner Küche, Werkraum, Pausenhof,<br />
Sportplatz und Duschen. Außerdem gab<br />
es nun eine Lehrer- und Schülerbücherei,<br />
Film-und Diaprojektor. Wesentlich kürzere<br />
Schulwege stellten eine weitere Annehmlichkeit<br />
dar. Zum ersten Diendorfer<br />
Schulleiter berief die Regierung Alfons<br />
Haseneder, geb. 1911 in Treffelstein. Der<br />
spätere Gründer des Oberpfälzer Bauernmuseums<br />
Perschen (1961) starb am 22.<br />
Juni 1983.<br />
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Oberpfälzer Schule <strong>2013</strong>/1 – 35. Jahrgang