Volltext Prokla 22
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Verdrangung dieser ganz realen Last, die sich fUr diejenigen Frauen nahelegt,<br />
fUr die die "Berufstatigkeit" aufgrund ihrer Ausbildung und Herkunft eine relativ<br />
befriedigende Alternative zur Existenz als "Hausfrau und Mutter" ist. So<br />
k6nnen wir unsere Untersuchung der Forderung nach def "Teilnahme der Frau<br />
an der gesellschaftlichen Produktion" kurz zusammenfassen. Man kann sich auch<br />
heute oft des Eindrucks nieht erwehren, daf~ die gUnstigen (herkunftsmaBigen bzw.<br />
psychischen, bildungsbedingten) Voraussetzungen der Frauen gehobener, "burgerlicher"<br />
Schichten fUr eine Emanzipation in def Berufsarbeit unbewulH als Folie<br />
dienen, wenn so emphatisch von def emanzipatorischen Wirkung def "Erwerbstatigkeit"<br />
tiberhaupt oder von dem positiven EinfluB def Einbeziehung in die<br />
Produktion gesprochen wird. Was jedenfalls die Lage der wirklieh vom Kapital<br />
in def Produktion angewandten Arbeiterinnen betrifft, so ist sie in der Vergangenheit<br />
und auch heute noch zunachst einmal alles andere als ein Lobgesang auf die<br />
befreiende Wirkung der Frauenarbeit (und auch die Auswirkungen auf die Entstehung<br />
eines proletarischen BewuBtseins sind nieht unbedingt tiberzeugend). Dazu<br />
ist es notwendig, die Lage der Arbeiterinnen etwas genauer zu betrachten, zunachst<br />
einmal in der Vergangenheit.<br />
Die Anfange o.er massenhaften Einbeziehung def Frauen und Kinder in die<br />
kapitalistische Produktion zur Zeit der Entstehung der groBen Industrie sind von<br />
entsetzlichem Elend begleitet (66). Zwar ist es das Elend des ganzen Proletariats,<br />
das diese unglaublich menschenschindende Entstehungsepoche des Kapitalismus<br />
kennzeiehnet - trotzdem waren auch hier die Frauen und Kinder am schlimmsten<br />
dran. Die Kinder wurden urn ihre minimalsten Lebensrechte gebracht, haufig starben<br />
sie schon kurz nach ihrer Geburt oder wurden zu Krtippeln, frtihen Greisen,<br />
Opfern der kapitalistischen Produktion. Die Frauen muEten unter katastrophalen<br />
Bedingungen, die haufig frtihes Siechtum und Tod bedeuteten, fUr einen Spottlohn<br />
arbeiten, def nieht einmal fur sie allein zum dtirftigen Leben reichte. Und in dieser<br />
qualenden Arbeits- und Familiensituation konnten sie sieh nieht einmal auf die<br />
Solidaritat def mannlichen Arbeiter sttitzen, die sie als Lohndrtickerinnen und<br />
Schmutzkonkurrenten beschimpften, was zwar objektiv die ihnen vom Kapitalisten<br />
zugewiesene Funktion war, aber andererseits besonders fUr die Ehefrauen und<br />
Mutter die einzige M6glichkeit bedeutete, bei den zumindest zeitweise unter das<br />
physische Existenzminimum sinkenden Mannerl6hne die Familie vor dem Verhungern<br />
zu bewahren.<br />
Jiirgen Kuczynski Hefert uns in seinen "Studien ZUI Geschiehte def Lage der<br />
Arbeiterin" eine ntichterne Korrektur zu einer emphatischen Beschreibung von<br />
Clara Zetkin tiber wie sie sagt, das "Hinausgehen" def Arbeiterin "in das wirtschaftliche<br />
Leben" und die "Erringung der wirtschaftlichen Unabhangigkeit" dadurch<br />
66 Vgl. u.a. die Schilderungen in den folgenden Arbeiten: Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1,<br />
MEW Bd. 23; Jilrgen Kuczynski, Die Geschichte der Lage der Arbeiterin ... , a.a.D., August<br />
Bebel, Die Frau und der Sozialismus, Berlin 1964; Clara Zetkin, Ausgewahlte Reden,<br />
... , a.a.D., Bd. I u. III; Gedenkbuch. 20 Jahre osterreichische Arbeiterinnenbewegung.<br />
Hrsg. Adelheid Popp. Wien o.J. (1912). Die Frauenfrage im Lichte des Sozialismus,<br />
a.a.D.<br />
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