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Volltext Prokla 22

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daher relativ privilegiert gegenuber allen ubrigen lohnabhangigen Frauen, ob Arbeiterinnen<br />

oder Angestellten, und auch gegenuber den mannlichen Arbeitern und<br />

teilweise den Angestellten. Und zwar privilegiert sowohl nach der Hohe des Lohns<br />

und der zusatzlichen Sozialleistungen wie nach der Sieherheit des Arbeitsplatzes<br />

und nicht zuletzt der relativ hohen Dispositionsfreiheit bei der Arbeit. Aile diese<br />

Punkte und besonders der letzte machen es nun begreiflich, daB sich erst fUr diese<br />

Frauen ernsthaft das Interesse an der Erlangung "okonomischer Unabhangigkeit"<br />

gegenuber dem Mann stellen kann, verbunden namlich mit einem ill Vergleieh<br />

zur Hausarbeit hohen Grad an Befriedigung aus der Berufsarbeit.<br />

Hier zeigt sieh die Basis fUr den Unterschied zwischen "btirgerlicher" und proletarischer<br />

Frauenemanzipationsbewegung, zugleich aber auch fUr die Gemeinsamkeiten<br />

zwischen beiden. Die Frau der "bildungsbtirgerlichen" Schicht erlebte und<br />

erlebt den AusschluB von den Berufsmogliehkeiten der Manner dieser Schicht als<br />

personliche Behinderung ihrer individuellen Entfaltungsmogliehkeiten, auf die sie<br />

besonders bei Herkunft aus einem liberal-burgerlichen Elternhaus durchaus einen<br />

Anspruch geltend machen konnte. Gerade die Betonung der "finanziellen Unabhangigkeit"<br />

yom eigenen Mann zugleieh mit dem Wunsch nach individueller Anerkennung<br />

und Aufwertung der Personlichkeit durch eigene Leistung ist kennzeiehnend<br />

flir die btirgerliehe Frauenemanzipationsbewegung. Aber dieser Wunsch ist<br />

erst moglich, wo die elementarsten Note und Zwange der alltagliehen Lebenserhaltung<br />

flir Mann und Frau nieht mehr bestehen. Wie privilegiert und daher verstiindlicherweise<br />

in der Mehrzahl unwissend gegenuber den realen Problemen<br />

ihrer proletarischen Geschlechtsgenossinnen diese Frauen tatsachlich waren,<br />

zeigt ihre Ablehnung einer besonderen Schutzgesetzgebung zugunsten der Arbeiterin<br />

mit der Begrtindung, diese bedeute "einen Eingriff in die Freiheit der Frau<br />

und ihre Gleichberechtigung gegenuber dem Manne." (63).<br />

Diese Ablehnung des Frauen- und Mutterschutzes kann aber auch auf eine<br />

Gemeinsamkeit zwischen den beiden Formen der Frauenbewegung hinweisen.<br />

Denn auch Clara Zetkin, ftihrender Kopf der sozialistischen Frauenbewegung,<br />

lehnte ursprtinglieh jeden besonderen gesetzlichen Schutz der arbeitenden Frau<br />

mit Ausnahme des Mutterschutzes ill engsten Sinn ab; es dauerte einige Zeit,<br />

bis sie von diesem in der Tendenz ganz ahnlichen "politisch-radikalen" Standpunkt<br />

abkam und den Mutterschutz nicht als reformerische Handwerkelei,<br />

sondern als notwendig fUr das einfache Uberleben aller arbeitenden Mutter und<br />

Kinder begriff (64). Diese Gemeinsamkeit, die noch an anderen Punkten belegt<br />

werden konnte, dtirfte darin begriindet sein, daB die eigene Erfahrungsbasis auch<br />

vieler Wortftihrerinnen der proletarischen Frauenbewegung die gleiche war (und<br />

ist) wie die der btirgerlichen Frauenbewegung: namlich erstens das vergleichsweise<br />

63 Aus einer gegen diese Auffassung gerichteten Entschlie~ung des Internationalen Sozialistischen<br />

Arbeiterkongresses in Ziirich 1893, Protokoll des Kongresses, Ziirich 1894,<br />

hier zitiert nach: Die Frauenfrage im Lichte des Sozialismus. Hrsg. Anna BIos. Dresden<br />

1930, S. 156.<br />

64 Vgl. Clara Zetkin, Ausgewahlte Reden ... , a.a.D., Bd. 1, S. 9-10; vgl. auch Die Frauenfrage<br />

... , a.a.D. S. 53.<br />

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