Volltext Prokla 22
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von der Personlichkeitsblldung mitschwingt (48) - vor der prosaischen Aufgabe der<br />
QualifIzierung der Arbeitskraft verschlie~t dieser Begriff die Augen,. vielleicht weil<br />
dann zu ntichtem die Arbeit fUr das Kapital als entscheidende Aufgabe der Besitzer<br />
der Arbeitskraft benannt ware.<br />
Die letzte Bemerkung kann vielleicht auch erklaren, was aus unserer vorange·<br />
gangenen kurzen Darstellung der okonomischen Ursachen der Bildungsreform noch<br />
nicht recht verstandlich werden kann, warum namlich ausgerechnet def gesellschaft·<br />
lichen Kleinkindererziehung in Kindergarten und Vorschule besondere Bedeutung<br />
zukommen soIl, da ja Bildung hier noch auf einer ganz allgemeinen Ebene ge·<br />
sehieht, die mit dem komplizierten Proze~ der QualifIzierung im Ausbildungsbe.<br />
reich wenig zu tun haben scheint. Den Schltissel zur Erklarung fInden wir im Bil·<br />
dungsbericht '70 unter dem Stichwort ,,kompensatorische M~nahmen" (49). In<br />
einem moglichst frtihen Alter soIl durch individuelle Forderung eine allgemeine<br />
Basis der Lemflihigkeit und - motivationund der Beweglichkeit geschaffen wer·<br />
den, die Benachteiligung durch ungiinstiges soziales Milieu ausgleicht und den Bo·<br />
den fur alle spiiteren Lemprozesse in der Schule und im Beruf bereitet. "Es ist Auf·<br />
gabe eines demokratischen Staates", so he~t es, getreu dem Verfassungsgrundsatz<br />
der Chancengleichheit, gleiche Bildungschancen fUr alle zu schaffen (50). Es ist<br />
wohl nicht zufaIlig - und hierin ist der Bildungsbericht durchaus reprasentativ -,<br />
d~ die Ausdehnung der Elementarerziehung fast ausschlie~lich mit dem Grund·<br />
satz der Chancengleichheit begrtindet wird und daB der Zusammenhang mit der<br />
Verbesserung der QualifIkationsstruktur im Zuge des "technischen Wandels" nur<br />
ganz allgemein hergestellt wird (51), anders als bei den hOheren Stufen des Bil·<br />
dungssystems. Der Bogen von den "Bedtirfnissen des Kapitals" zu der "Notwendig.<br />
keit der Vergesellschaftung der Elementarerziehung" ist weit und dUnn; konkreter<br />
gesprochen: die Verbesserung· der beruflichen QualifIkationsstruktur mag fUr das<br />
zuktinfIge Gedeihen der kapitalistischen Produktion in der BRD so wichtig sein,<br />
d~ gegen alle Widerstande und Hindemisse hier entscheidende Veriinderungen und<br />
Reformen zu erwarten sind - die Verbesserung der Kleinkindererziehung durch<br />
Auslagerung aus der Farnilie ist aber von diesem Zentralpunkt der ,,Bildungsre·<br />
form" relativ am weitesten entfemt. Die Berufung auf den Verfassungsgrundsatz<br />
der Chancengleichheit, wie wir sie bei vielen mit der Bildungsreform im Vorschul·<br />
48 Vgl. ebd. S. 9: "III. Allgemeine Grundsiitze jUr die Reform des Bildungswesens. 1. Ober·<br />
stes Ziel ist ein demokratisches, leistungs- und wandlungsfahiges Bildungssystem, das<br />
jedem BUrger von der Vorschulerziehung bis zur Weiterbildung zu seiner personlichen,<br />
beruflichen und politischen Bildung offensteht. 2 .... Bildung soll den Menschen befahigen,<br />
sein Leben selbst zu gestalten. Sie soll durch Lemen und ErJeben demokratiscber<br />
Werte eine dauerhafte Grundlage fUr freiheitIiches Zusammenleben schaffen und Freude<br />
an selbstandig-schopferischer Albeit wecken."<br />
49 Ebd., S. 37<br />
50 Ebd., S. 37, vgl. S. 9<br />
51 "Die Ergebnisse der intemationalen Begabungsforschung haben erbracht, d~ Begabung<br />
und Lernfiihigkeit starker als bisher angenommen von der sozialen Umwelt und den komplexen<br />
Wechselbeziehungen zwischen dem Betatigungsfeld eines Kindes ulld den Angeboten<br />
und Anforderungen seiner Umgebung abhangen." Ebd., S. 37.<br />
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