Volltext Prokla 22
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nicht im Unklaren dariiber, welches die besonderen Griinde daflir sind, d~ eine<br />
umfassende Bildungsreform geplant werden und in dieser dem Elementarbereich<br />
besondere Bedeutung zukommen muB. Es heiBt dort ganz allgemein: "Bildung solI<br />
den Menschen befahigen, sein Leben selbst zu gestalten. Sie solI durch Lemen und<br />
Erleben demokratischer Werte eine dauerhafte Grundlage fliT freiheitliches Zusammenleben<br />
schaff en und Freude an selbstandig-schOpferischer Arbeit wecken." (41)<br />
Und etwa konkreter: "Das umfassende Bildungsangebot solI den einzelnen und<br />
damit die Gesellschaft auch dazu bef::ihigen, durch Leistungen den technischen<br />
Fortschritt zu meistern und damit die soziale Sicherheit flir alle zu gewlihrleisten"<br />
(42). Und auch dariiber, warum diese notwendigen Leistungen bisher noch nicht so<br />
recht befriedigend erbracht werden konnten, erfahrt man etwas: "Die Ergebnisse<br />
der intemationalen Begabungsforschung haben erbracht, d~ Begabung und Lemfahigkeit<br />
starker als bisher angenommen von der sozialen Umwelt und den komplexen<br />
Wechselbeziehungen zwischen dem Betlltigungsfeld eines Kindes und den<br />
Angeboten und Anforderungen seiner Umgebung abhlingen. Es ist Aufgabe eines<br />
demokratischen Staates, im Bildungswesen eine durch ungiinstige soziale Umweltbedingungen<br />
verhinderte oder behinderte Entfaltung von vorhandenen Anlagen auszugleichen.<br />
Diese Aufgabe stellt sich vordringlich in der Elementarerziehung, weil<br />
hier die Wirkungsmoglichkeit kompensatorischer M~nahmen am groBten ist."<br />
(43)<br />
Von den realen okonomischen Zwlingen, die das auslosende Moment flir eine<br />
defart umfassende Planung der gesellschaftlichen Kindererziehung sein mtissen und<br />
die auch allein ihre Realisierung bzw. Finanzierung erzwingen konnen, erfahrt man<br />
im Bildungsbereicht so gut wie nichts, dafiir allerdings umso mehr tiber den gewm<br />
aufrichtigen Glauben der Bildungsplaner an die Freiheit und Gleichheit aller Individuen<br />
auf der Ebene des bfugerlichen Scheins, der die entscheidende Ungleichheit<br />
als Grundlage der kapitalistischen Gesellschaft, die Trennung in Besitzer von Produktionsmitteln<br />
und solche von bloBer Arbeitskraft, nicht zur Kenntnis nimmt.<br />
Der Hinweis auf den "technischen Fortschritt", den es "durch Leistungen zu meistem"<br />
gilt (43a), deutet immerhin in die Richtung, die weiter verfolgt werden muB,<br />
will man den Ursachen der Versuche zur Bildungsreform auf den Grund gehen.<br />
"Technischer Fortschritt", "technischer Wandel" (44), "wissenschaftlich-technische<br />
Revolution" (45) - alle diese Begriffe meinen den fortwlihrenden und um-<br />
Erziehungsinstitutionen sich nicht notwendigelWeise in einer stiirkeren "Einbeziehung<br />
von Frauen bzw. Miittern in die gesellscliaftliche Produktion" niederschlagen muB.<br />
41 Ebd., S. 9<br />
42 Ebd., S. 10<br />
43 Ebd., S. 37<br />
43a Ebd., S. 10<br />
44 Exemplarisch wird dies im Titel eines Forschungsprojekts des Rationalisierungs-Kuratoriums<br />
der Deutschen Wirtschaft (RKW) e.V. klar, wo der technische Wandel als Motor<br />
. verstanden wird, der wirtschaftliche und soziale Aspekte hat: Wirtschaftliche und soziale<br />
Aspekte des technischen Wandels in der Bundesrepublik Deutschland, 9 Bande, Frankfurt/M.<br />
1970.<br />
45 Diesen Begriff gebraucht Gunnar Heinsohn (a.a.a.), wahrscheindlich angeregt von der<br />
DDR-Literatur.<br />
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