Volltext Prokla 22

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22.11.2013 Aufrufe

davon gesprochen, da~ die zunehmende Nachfrage nach weiblicher Arbeitskraft zu einer fortschreitenden Auslagerung von Funktionen def Familie, besonders der wichtigen Funktion def Kindererziehung ftihren mtisse. Dabei wird meistens nicht gentigend bedacht, wie problematisch solche Prognosen flir kapitalistische Lander sind, deren Entwicklung widersprtichlich und in kaum exakt vorhersagbaren Phasen verlauft. Der Versuch selbst einer vorsichtigen Prognostizierung von Uingerfristigen Tendenzen mti~te sich auf eine umfangreiche, grtindliche und nach sehr vielen Gesichtspunkten differenzierte Analyse stutzen, die es bisher offensichtlich noch nicht gibt. 1m Rahmen dieser Arbeit kbnnen und solien nur bereits vorhandene oder erkennbare AnsiHze zu einer Ubernahme familialer Erziehungsfunktionen durch Offentliche Institutionen erwahnt und besonders die Grenzen aufgezeigt werden, die nach Ansicht def Verfasserin die kapitalistischen Bedingungen def gesellschaftlichen Produktion einer weiteren Vergesellschaftung der Erziehung entgegenstellen. Diese Fragen konnen aber erst dann fundiert eingeschatzt werden, wenn eine ihrer wesentlichen Voraussetzungen, die vielfach behauptete Zunahme def Erwerbstatigkeit von Frauen (23), genauer untersucht worden ist. Dieser Aufgabe werden wir uns zuerst zuwenden. Bei den meisten Belegen ist nm von def "Erwerbstatigkeit" der Frauen die Rede. DieserBegriff wird aber in dem Augenblick ungentigend, wo mit def Zunahme der Erwerbstatigkeit die Erwartung verbunden wird, dadurch wi.irde die Familie vergesellschaftet oder das politische BewuBtsein def Frauen gefOrdert. Aber "Erwerbstatigkeit" ist nicht mit def "Einbeziehung der Frau in die gesell- 23 Besonders, aber nicht ausschliej),jjch Hndet sich diese Auffassung in zahlreichen linken Veroffentlichungen de! letzten Zeit. Es folgen einige Hinweise. Relativ vorsichtig heillt es in dem einflu:ll.reichen Buch von Dietrich Haensch (Repressive Familienpolitik. Sexualunterdrtickung als Mittel der Politik. Reinbek bei Hamburg 1969, S. 133): "Die expandlerende lndustrie und das besonders stark ausgeweitete Dienstleistungsgewerbe verlangen unter den Bedingungen der Voll- und Uberbeschiiftigung so stark nach der weiblichen Arbeitskraft, da:ll. die Familienpolitik sich diesen Bedi:lrfnissen nicht mehr entgegenstellen kann." (Auszeichnung dUTch den Verfasser) Jutta Menschik (Gleichberechtigung oder Emanzipation? Die Frau im Erwerbsleben der Bundesrepublik. Frankfurt 1971, S. 100) bezieht sich auf Haensch, behauptet aber ganz allgemein, "die Anzahl der im Erwerbsleben stehenden Frauen" habe sich "in den letzten Jahren ... standig erhoht". Uberpriift man die von ihr aus der Frauenenquete (vgl. unten) iibernommenen Zahlen, so zeigt sich, da:ll. die Erhohung nUT in den fUnfziger lahren standig war; die ietzten Zahlen gelten fiir 1964. Nicht selten Hndet man so allgemeine Feststellungen wie diese: "Da letztlich auch Qualitat und Quantitat der Berufstatigkeit de! Frau zugenommen hat, ..." (Dagmar Holzer/Renate Reder/Juliane Schuhler, Frauenemanzipa­ Hon in der Bundesrepublik. In: Kilrbiskern Nr. 1/71, S. 131). Vgl. auch Juliana Schuhler-Klitzing, Die Frau in Ehe und Familie. In: Fiir die Befreiung der Frau. Hrsg. M. Konze. Frankfurt/M. 1972, S. 88/89, 91,94. Marianne Konze, Die Deutsche Kommunistische Partei, konsequente Interessenvertreterin der Frau. In: Fiir die Befreiung der ..., a.a.O., S. 168, 169. 1m Statistischen lahrbuch 1971 wild von einer "langfristig zu beobachtenten Tendenz" der "Zunahme der Frauenerwerbstatigkeit" gesprochen (S. 120). Vgl. auchden Bericht der Bundesregierung tiber die Situation der Frauen in Bernf, Familie und Gesellschaft (Frauenenquete) 1966, BT-Drncksache V/909. In fast allen VerMfentiichungen ist von der ,,Erwerbstatigkeit" bzw. der Erwerbsquote die Rede (vgl. die foJgende Kritik). 27

davon gesprochen, da~ die zunehmende Nachfrage nach weiblicher Arbeitskraft<br />

zu einer fortschreitenden Auslagerung von Funktionen def Familie, besonders<br />

der wichtigen Funktion def Kindererziehung ftihren mtisse. Dabei wird meistens<br />

nicht gentigend bedacht, wie problematisch solche Prognosen flir kapitalistische<br />

Lander sind, deren Entwicklung widersprtichlich und in kaum exakt vorhersagbaren<br />

Phasen verlauft. Der Versuch selbst einer vorsichtigen Prognostizierung von<br />

Uingerfristigen Tendenzen mti~te sich auf eine umfangreiche, grtindliche und nach<br />

sehr vielen Gesichtspunkten differenzierte Analyse stutzen, die es bisher offensichtlich<br />

noch nicht gibt. 1m Rahmen dieser Arbeit kbnnen und solien nur bereits<br />

vorhandene oder erkennbare AnsiHze zu einer Ubernahme familialer Erziehungsfunktionen<br />

durch Offentliche Institutionen erwahnt und besonders die Grenzen<br />

aufgezeigt werden, die nach Ansicht def Verfasserin die kapitalistischen Bedingungen<br />

def gesellschaftlichen Produktion einer weiteren Vergesellschaftung der Erziehung<br />

entgegenstellen. Diese Fragen konnen aber erst dann fundiert eingeschatzt<br />

werden, wenn eine ihrer wesentlichen Voraussetzungen, die vielfach behauptete Zunahme<br />

def Erwerbstatigkeit von Frauen (23), genauer untersucht worden ist. Dieser<br />

Aufgabe werden wir uns zuerst zuwenden.<br />

Bei den meisten Belegen ist nm von def "Erwerbstatigkeit" der Frauen die<br />

Rede. DieserBegriff wird aber in dem Augenblick ungentigend, wo mit def Zunahme<br />

der Erwerbstatigkeit die Erwartung verbunden wird, dadurch wi.irde die<br />

Familie vergesellschaftet oder das politische BewuBtsein def Frauen gefOrdert.<br />

Aber "Erwerbstatigkeit" ist nicht mit def "Einbeziehung der Frau in die gesell-<br />

23 Besonders, aber nicht ausschliej),jjch Hndet sich diese Auffassung in zahlreichen linken<br />

Veroffentlichungen de! letzten Zeit. Es folgen einige Hinweise. Relativ vorsichtig heillt<br />

es in dem einflu:ll.reichen Buch von Dietrich Haensch (Repressive Familienpolitik. Sexualunterdrtickung<br />

als Mittel der Politik. Reinbek bei Hamburg 1969, S. 133): "Die expandlerende<br />

lndustrie und das besonders stark ausgeweitete Dienstleistungsgewerbe verlangen<br />

unter den Bedingungen der Voll- und Uberbeschiiftigung so stark nach der<br />

weiblichen Arbeitskraft, da:ll. die Familienpolitik sich diesen Bedi:lrfnissen nicht mehr<br />

entgegenstellen kann." (Auszeichnung dUTch den Verfasser) Jutta Menschik (Gleichberechtigung<br />

oder Emanzipation? Die Frau im Erwerbsleben der Bundesrepublik. Frankfurt<br />

1971, S. 100) bezieht sich auf Haensch, behauptet aber ganz allgemein, "die Anzahl<br />

der im Erwerbsleben stehenden Frauen" habe sich "in den letzten Jahren ... standig<br />

erhoht". Uberpriift man die von ihr aus der Frauenenquete (vgl. unten) iibernommenen<br />

Zahlen, so zeigt sich, da:ll. die Erhohung nUT in den fUnfziger lahren standig war;<br />

die ietzten Zahlen gelten fiir 1964. Nicht selten Hndet man so allgemeine Feststellungen<br />

wie diese: "Da letztlich auch Qualitat und Quantitat der Berufstatigkeit de! Frau zugenommen<br />

hat, ..." (Dagmar Holzer/Renate Reder/Juliane Schuhler, Frauenemanzipa­<br />

Hon in der Bundesrepublik. In: Kilrbiskern Nr. 1/71, S. 131). Vgl. auch Juliana Schuhler-Klitzing,<br />

Die Frau in Ehe und Familie. In: Fiir die Befreiung der Frau. Hrsg. M.<br />

Konze. Frankfurt/M. 1972, S. 88/89, 91,94. Marianne Konze, Die Deutsche Kommunistische<br />

Partei, konsequente Interessenvertreterin der Frau. In: Fiir die Befreiung der ...,<br />

a.a.O., S. 168, 169. 1m Statistischen lahrbuch 1971 wild von einer "langfristig zu beobachtenten<br />

Tendenz" der "Zunahme der Frauenerwerbstatigkeit" gesprochen (S. 120).<br />

Vgl. auchden Bericht der Bundesregierung tiber die Situation der Frauen in Bernf, Familie<br />

und Gesellschaft (Frauenenquete) 1966, BT-Drncksache V/909. In fast allen VerMfentiichungen<br />

ist von der ,,Erwerbstatigkeit" bzw. der Erwerbsquote die Rede (vgl. die<br />

foJgende Kritik).<br />

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