Volltext Prokla 22
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Abhangigkeit, die auf personlichen Diensten und dafUr geleisteter Versorgung<br />
beruhen, einer Beziehung, die von wechselseitiger Unterstlitzung und Vertrauen<br />
bis zu extremer Ausbeutung reichen kann. Das entscheidende gemeinsame Merkmal<br />
ist, daB aile diese Beziehungen nicht durch Austauschakte auf dem Markt vermittelt<br />
sind. 1m Gegensatz zu dem besonderen Merkmal der Lohnarbeit im Kapitalismus<br />
(Tendenz zur Gleichgilligkeit gegenliber dem konkreten Inhalt def Arbeit) ist def<br />
nlitzliche Charakter aIler dieser Arbeiten und der von ihnen geschaffenen Produkte<br />
den Abhiingigen noch unmittelbar einsichtig, selbst wenn schlechte Behandlung, ja<br />
Schinderei sie die Arbeit hassen und mit widerwilliger Gleichgilltigkeit verrichten<br />
lassen. Die Gleichgilltigkeit ist in den beiden Fallen qualitativ verschieden. Der leibeigene<br />
Knecht im Weinberg ist nicht gleichgilltig gegenliber dem besonderen Charakter<br />
des von ihm erzeugten Weins; sein Widerwillen richtet sich gegen seinen Herm,<br />
der ihn diesen Wein nicht trinken lii£t. Das entscheidende gemeinsame Merkmal<br />
alIef direkten Abhangigkeitsverhaltnisse ist, da1~ sie nicht durch Austauschakte auf<br />
dem Markt vermittelt sind.<br />
Soweit konnen wir Margaret Benston zustimmen. Was sie mcht sieht, ist def<br />
Schein von Gleichheit auf dieser Ebene des Austauschs, der die grundlegende Trennung<br />
der Tauschpartner in Besitzer von Produktionsmitteln und solche von blo£er<br />
Ware Arbeitskraft verhlillt. Nach ihrer Auffassung sind "Manner ... fUr die Warenproduktion<br />
zustandig (responsible)", wahrend Frauen hier "als Gmppe keine stmktureIle<br />
Verantwortlichkeit" haben; sie bilden "eine Gruppe, die auBerhalb def Geldwirtschaft<br />
arbeitet" (18). Es ist eine ungeheure Verkennung def Verhiiltmsse in<br />
def kapitalistischen Warengesellschaft, der Mehrheit der Manner, namlich den Lohnarbeitern,<br />
"stmkturelle Verantwortlichkeit" zuzusprechen; diese kommt vielmehr<br />
nur den Kapitaleigentlimem bzw. den von ihnen beauftragten Managern zu.<br />
Wir finden also unter kapitalistischen Verhiiltnissen die widerspruchliche<br />
Situation, daB die fUr die Existenz def Gesellschaft unentbehrliche Arbeit def Aufzucht<br />
und Erziehung von Kindem okonomisch gar nicht bewertbar ist, wertlos ist,<br />
zumindest soweit diese Arbeit von Mlittern (und anderen Familienangehorigen) geleistet<br />
wird. Einzelne Funktionen der Familie werden nun aus dieser ausgelagert<br />
und teilweise von staatlich angestellten Erziehern libernommen. 1m Zusammenhang<br />
mit der hier gestellten Frage nach dem Charakter verschiedener Arbeiten im Kapitalismus<br />
mti£te die bezahlte Erzieherarbeit im Vergleich zm unbezahlten Arbeit<br />
der Mutter naher bestimmt werden (ein Problem, das in dieser Untersuchung nicht<br />
im einzelnen entwickelt werden kann). Denn als Arbeit fUr Lohn oder "Gehalt"<br />
erscheint sie ja auf dem Markt und unterliegt damit ahnlichen Bedingungen wie die<br />
Lohnarbeit, auch wenn diese im strengen Sinn nur gegenliber dem Kapital so genannt<br />
wild - und kapitalistisch betriebene Erziehungsinstitutionen sind immer<br />
noch sehr selten. Was uns in diesem Zusammenhang besonders interessiert, ist, ob<br />
auch in der Erziehungsarbeit Tendenzen erkennbar sind, wie wir sie flir die Lohnarbeit<br />
im Kapitalismus allgemein festgestellt haben - namlich die Gleichgliltigkeit<br />
gegenuber dem konkreten Inhalt def Arbeit und ihrer Produkte, das an anderer<br />
18 Ebd., S. 16.<br />
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