Volltext Prokla 22

politische Burokratie" (56), die Produktionsmittel kollektiv. Mit der ausschliel1-
lichen Verftigungsgewalt tiber den Staatsapparat, der def Kontrolle durch das Proletariat
entzogen wurde, besitzt die Btirokratie auch die verstaatlichten Produktionsmittel
und verfUgt tiber das geseHschaftliche Mehrprodukt (57).
Ein zweiter Unterschied zum westlichen Kapitalismus besteht darin, daB es
einen Markt im eigentlichen Sinn nicht gibt (58). SoIche Unterscruede in der Form
(59) andem nichts daran, daf~ die geplante staatskapitalisHsche Wirtschaft nichts
anderes zum lie! hat als der weitgehend ungeplante private Kapitalismus: eine
maximale Steigerung der Ausbcutungsrate wm Zwecke der Akkumulation unabhiingig
und auf Kosten von den Bediirfnissen der Arbeiterklasse (60).
Die tibereinstimmung im Produktionsziel ist kein Zufall, kein ideologischer
MiBgriff oder bioBer Willkiirakt der Btirokratie. Deshalb hat es bisher auch noch
keine langfristig erfolgreichen Versuche gegeben, die Produktion an den Bedtirf-
56 Del Begriff stammt von Kuron/Modzelewski (s. Anm. 3). - Er unterscheidet sich we sentlich
vom Begriff "Staatsbourgeoisie", wie er von Bettelheim mit einem sehr verschwommenen
"Staatskapitalismus"-Begriff eingefiihrt worden ist. (Vgl. Ch. Bettelheim, Okonomischer
Kalkiil und Eigentumsformen, Berlin 1970, S. 81ff und 89f:l). B. ftihIt die Entstehung
der "Staatsbourgeoisie" auf das Fortbestehen kapitalistischer Elemente, insbesondere
der Unternehmensform. wahrend def Ubergangsperiode zuruck. Weil 5ie aufgrund
politischer Schwii.chen der Parteiftihrung nicht zuruckgedriingt wurden, bemachtigten
sich die kapitalistischen Elemente letzten Endes die Unternehmensleiter - mehr
und mehr auch des Staatsapparats und ordnen ilm den Profitinteressen de! einzeinen
Unternehmen unter. "Staatskapitalismus" bedeutet bei B. also DUfchsetzung de! Profitinteressen
einzelner Unternehmen mittels staatlicher Planung. - Demgegeniiber besteht
nach T. Cliff die staatskapitalistische Konterrevoiution darin, daB sich die biirokratisierte
Parteifiihrung tiber die "politische Expropriation des Proletariats" (Trotzki) die Produktionsmittel
angeeignet und sie - durchaus gegen die lnteressen einzeiner Unternehmer
- seit dem ersten Fiinfjahresplan 1928 dem Produktionsziel, staatliches Kapital zu akkumuJieren,
unterworfen hat.
57 Vgl. die Auf>erung von ChI. Rakowski, einem der ftihrenden Mitglieder der trotzkistischen
Opposition: "Unmittelbar vor unseren Augen hat sich eine umfangreiche Klasse
von Herrschern gebildet und bildet sich weiterhin ... Die grundlegende Stiitze dieser
neuartigen Klasse ist eine Form, eine neuartige Form von Privateigentum, namlich def
Besitz der Staat.smacht." (Chr. Rakowski [1930] zit. in: M. Shachtman, The Bureaucratic
Revolution, New York 1962, S. 79.)
58 Mattick spncht von einem "Quasi-Markt", da entweder im voraus dUTch die Planung oder
nachtraglich durch staatliche UmverteilungsmaBnahmen auch andere Proportionen hergestellt
werden konnen, als dies unter reinen Marktverhiiltnissen de! Fall ware. (Vgl. P.
Mattick, Marx and Keynes, Boston Mass., 1969, S. 289ft) In der "bewuJl>ten Anwendung
des Wertgesetzes" seit den Wirtschaftsreformen sieht M. vor aHem ein ideologisches
Manover. Die Maf,nahmen de! Btirokratie sollen damit den Anschein von unabanderlich
wirksamen objektiven Gesetzen bekommen (ebd. S. 317:1).
59 Darauf beziehen sich die Einwiinde def orthodox trotzkistischen Kritiker. Vgl. E. Mandel,
Die Widerspriiche der Theone des Staatskapitalismus; W. Olle, Zur Theone des
Staatskapitalismus; (8. Anm. 3). Vgl. als Entgegnung auf Mandel: ChI. Harman, The Inconsistencies
of Ernest Mandel, in: lnterational Socialism, No. 41, Dec/Jan. 1969/70;
,Oeconomicus', ZUI Analyse der Okonomie der UdSSR, in: Pro tind Contra, 2. Jg. Nr. 9,
Sept. 1951,S. 129-31.
60 Siehe nebenstehende Tabelle
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