Volltext Prokla 22
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Ludmilla Muller<br />
Kinderaufzucht im Kapitalismus - wertIose Arbeit;<br />
tiber die Folgen der Nichtbewertung der Arbeit der Mutter<br />
fUr das Bewu~tsein der Frauen als Lohnarbeiterinnen*<br />
1. Einleitung<br />
Die vorliegende Arbeit ist entstanden aus dem Interesse an def Emanzipation der<br />
Frauen und def dabei sogleich sich stellenden Frage, warum Frauen im allgemeinen<br />
so wenig manifestes Interesse an ihrer gesellschaftlichen und politischen Emanzipation<br />
haben, vielmehr haufig zu konservativen Verhaltensweisen neigen. Zugleich<br />
mit def persbnlichen Erfahrung und Beobachtung der Anstrengung und der Anforderungen,<br />
denen Frauen als Mutter ausgesetzt sind und die sie von vielen, besonders<br />
den bffentlichen Aktivitaten ausschlief!,en, ergab sich die Frage, welche Rolle die<br />
Arbeit der Kinderaufzucht als reale Basis dieser konservativen Einstellung und der<br />
ihr entsprechenden Verhaltensweisen spielt. Die Frage spitzte sich zu auf den Widerspruch<br />
zwischen der Erwartung vieler Sozialisten, die einzige Mbglichkeit zur<br />
Emanzipation def Arbeiterfrauen sei ihre Einbeziehung in die gesellschaftliche Produktion<br />
und ihre dadurch zu erreiehende aktive Beteiligung an def Arbeiterbewegung,<br />
und def nieht zu ubersehenden Tatsache, daf~ diese Einbeziehung def Frauen<br />
* Dieser Aufsatz 1st bis auf die kurze Inhaltsubersicht in der Einleitung die unveranderte<br />
Fassung meiner Diplomarbeit, die ich im Fruhjahr 1972 im Fachbereich Philo sophie und<br />
Sozialwissenschaften der Freien UniversiHit Berlin vorgelegt habe. Mit mehreren Mitgliedern<br />
der Redaktionskonferenz hatte ich vor einiger Zeit ausfiihrlich fiber diese Arbeit<br />
diskutiert; dabei wurden zu verschiedenen Aspekten Anregungen gegeben, die ich<br />
im Sinne einer Erganzung meiner Argumentation in der ufsprunglich geplanten Uberarbeitung<br />
berucksichtigen wollte. lnzwischen hat das Thema der Arbeit jedoch - uberraschender-<br />
und erfreulicherweise - verbreitetes Interesse gefunden, was auch ZUI Folge<br />
hatte, da£ ich meine unveroffentlicht kursierenden Manuskripte haufig verwendet (z.B.<br />
in Zeitschriften, auf Konferenzbeitragen), aber leider nicht erwahnt fand. Ich hielt es<br />
deshalb ruT sinnvoll, den Aufsatz in seiner Originalfassung von 1972 zu veroffentlichen,<br />
so wie er aus den Diskussionen in Universitatsseminaren und Arbeitskreisen fiber Probleme<br />
der Sozialisation und Frauenemanzipation entstanden ist. Die in der Arbeit formulierten<br />
Probleme und Thesen haben an Aktualitat m.E. kaum, an Provokation im Vergieich<br />
wm damaligen Diskussionsstand innerhalb der Linken durch die Verbreiterung der<br />
Emanzipationsdiskussion vielleicht doch etwas verloren. 1m ilbrigen ist es interessant,<br />
welche Argumentationen inzwischen von der Entwicklung ilberholt, bzw. bestatigt<br />
worden sind (z.B. von dem offensichtlichen Zusammenbruch der sozialdemokratischen<br />
Reformhoffnungen und der Wirtschaftskrise). Auf solche Punkte und auf die mir heute<br />
besonders wichtig erscheinenden Modifikationen meiner Argumentation vor drei lahren<br />
weIde ich in einem Nachwort eingehen. Das 6. Kapitel ist iibrigens in einer ilberarbeiteten<br />
Fassung abgedruckt worden in: Blatter fUr deutsche und internationale Politik, September<br />
1973, S. 988-1004 (Titel: Einbeziehung de! Frauen in die Produktion als Weg ZUI<br />
Emanzipation?).<br />
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