Volltext Prokla 22
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die "professionellen Vorurteile" auf das entwickelte Kapitalverhaltnis tibertragt.<br />
Eine solche Ubertragung scheint allein unter zwei altemativen Voraussetzungen<br />
moglich, die das Projekt nicht auseinanderhiilt (65): Entweder werden die professionellen<br />
Vorurteile als historisch tiberkommene Relikte analysiert, die im Zuge<br />
der reelen Subsumtion unters Kapital aufgelost werden oder hochstens noch in<br />
isolierten, nicht dem Kapital subsumierten Formen fortexistieren. In diesem Fall<br />
ginge es urn den Widerspruch zwischen der Weiterexistenz vorkapitalitischer und<br />
spezifisch kapitalistisch bestimmter BewuBtseinsformen. Oder es wird eine Neuinterpretation<br />
des Gegesatzes von gebrauchswertbestimmter Identifikation und<br />
tauschwertbestimmter Gleichgi.iltigkeit fUr das entwickelte Kapitalverhiiltnis gegeben,<br />
das selbst neue Schranken der Gleichgi.iltigkeit des Kapitals gegentiber def<br />
Arbeit und der Arbeiter gegentiber den besonderen Arbeitsinhalten produziert.<br />
Das Projekt halt die hier skizzierten Altemativen nicht auseinander, und sofern<br />
es versucht, eine Neuinterpretation des Verhaltnisses von Identifikation und<br />
Gleichgilltigkeit fUr das entwickelte Kapitalverhaltnis zu geben, kommt es zu falschen<br />
SchluBfolgerungen (66). Es ist unter diesen Bedingungen nicht erstaunlich,<br />
daB def Materialien-Band eine Vielzahl unzulassiger Verallgemeinerungen bzw.<br />
krasser Fehldeutungen enthalt. Die Begriffe der "professionellen Vorurteile" bzw.<br />
der "Identifikation" werden auf BewuBtseinsformen angewandt, die mit dem traditionellen<br />
HandwerkerbewuStsein kaum noch etwas zu tun haben. Das gilt sowohl<br />
fUr das BewuBtsein def technisch-wissenschaftlichen Lohnarbeiter als auch def<br />
durchschnittlich qualifizierten Lohnarbeiter, die auf einfache Arbeit reduziert sind.<br />
Die Vereinseitigung des einfache Arbeit leistenden Lohnarbeiters ist mit der Vereinseitigung<br />
des Handwerkers in keiner Weise zu vergleichen und tritt def Anforderung<br />
an Variabilitat def Arbeitsverausgabung und des Arbeitsvermogens vollig anders gegentiber<br />
als die Idendiflkation mit den besonderen Inhalten der Arbeit: die.se ver-<br />
65 Die Unklarheit in der Beurteilung dieses Problems kommt in den beiden folgenden Zitaten<br />
zum Ausdruck: "In ihrer konkreten Bestimmtheit enthalten diese professionellen<br />
Vorurteile meist auch tradierte, historisch iiberlieferte Momente, wie sie sich zum Beispiel<br />
in den traditionellen handwerklichen Berufen ausdri1cken. Diese bewuf.tseinsbestimmenden<br />
Momente werden tendenziell durch die Entwicklung und Durchsetzung der<br />
kapitalistischen Produktionsweise aufgelost." (Projekt Klassenanalyse (1973), S. 245.)<br />
Hier sind die professionellen Vorurteile also eindeutig Reste der vorkapitalitischen Produktionsweisen.<br />
"Doch auch in de! entwickelten kapitalistischen Produktion werden<br />
mit de! Herausbildung der GJeichgiiltigkeit gegeniiber dem bestimmten Inhalt def Tatigkeit<br />
diejenigen - immer wieder neu produzierten - Illusionen aufgeiost, die sich an dem<br />
besonderen Geschick des Berufs odeT den spezifischen Bedingungen einer Branche ode!<br />
eines Einzelkapitals festmachen; Illusionen also, die def kollektiven Organisation der Arbeiterklasse<br />
entgegenstehen." (Ebenda, S. 253.) Hie! sind es also die spezifisch kapitalistischen<br />
Formen der Identifikation mit def Arbeit. Aber wie konnen dies die traditionellen<br />
"professionellen Vorurteile" sein, wenn diese aufgelost werden? Damit zeigt sich,<br />
da£ das Projekt Klassenanalyse keinen Begriff der modernen Formen def Bindung des<br />
Arbeiters an die bestimmten Inhalte der Tatigkeit hat, obwohl es den Widerspruch von<br />
Variabilitat und Vereinseitigung nennt.<br />
66 Vgl. dazu auch unten, Abschnitt 3.3.<br />
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