Volltext Prokla 22
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Forderungen und Quertreibereien" (95). Die starken antifeministischen Tendenzen<br />
in def Arbeiterbewegung, die die Frauen Heber im Haus statt in def Fabrik sehen<br />
wollten, trugen das ihre dazu bei, den Frauen das Eintreten fUr die Ziele def Arbeiterbewegung<br />
wesentHch als abstrakt-moralisches Postulat erscheinen zu lassen, das<br />
entweder durch "treue" Unterstutzung des Mannes oder, in EinzeWillen, durch Verleugnung<br />
def frauenspzeifischen Probleme und weitgehende Anpassung an die Mannerrolle<br />
erflillt wurde.<br />
In gewisser Weise ist die Verstandnislosigkeit der Sozialisten fUr die<br />
besonderen Probleme def Arbeiterinnen, speziell der Mutter unter ihnen, eine ungewollte<br />
Bestatigung def in def kapitalistischen Okonomie objektiv begrtindeten<br />
Wertlosigkeit der Hausfrauen- und Mutterarbeit, die in krassem Widerspruch zu dem<br />
tatsachlichen Ausma£ ihrer Bedeutung fUr die gesamte Existenz def Gesellschaft<br />
steht. Da die Mehrzahl der Frauen Kinder hat und auch in Zukunft haben wird<br />
(96), zudem, wie wir gesehen haben, die Geschichte def Frauen und das daraus entstandene<br />
BewuBtsein der Frauen generell (und zwar auch der Nichtmutter!) von<br />
dieser grundlegenden Tatsache bestimmt ist, sehen wir in def zunachst einmal<br />
wenigstens ernsthaften Kenntnisnahme dieses Problems einen unabdingbar notwendigen<br />
Schritt, ohne den bewu£tseinsverandernde Prozesse in Richtung einer gesellschaftlichen<br />
bzw. politischen Perspektive der Mehrzahl def lohnabhangigen Frauen<br />
nicht in Gang kommen kbnnen (97).<br />
Sobald diese Kenntnisnahme allerdings nur als rein taktisches Mittel zur besseren<br />
Agitation verstanden wird, kann man sein Scheitern schon jetzt voraussagen.<br />
Gerade das ist eine alte Erfahrung der Frauen, die sie skeptisch gemacht hat<br />
gegenuber abstrakten Forderungen und Ansprtichen, da£ sie namlich im Konfliktfall<br />
mit der Solidaritat def Manner in "ihrem", dem hauslichen Bereich, nicht rechnen<br />
kbnnen, vielmehr die Folgen allein ausbaden mussen. Ihre Verstandnislosigkeit fUr<br />
gesellschaftliche Prozesse infolge ihrer Absorbierung durch die Last def Verantwor-<br />
95 Ebd., S. 28.<br />
96 Die "Losung" des Kinderproblems durch gewollte Kinderlosigkeit ist entweder ein individueller<br />
Ausweg (z.B. fiir intellektuelle Frauen, fUr die der Konkurrenzkampf besonders<br />
gnadenlos und die Arbeitskraft total beanspmcht ist) oder ein politisches Konzept de!<br />
bewu:l1ten und massenhaften Verweigemng. Ais solches ware es durchaus diskutabel, aber<br />
erst auf der Grundlage einer bereits erreichten massenhaften Mobilisiemng; zweifellos<br />
wurde es das Eingreifen des Staates herausfordern, der ein drastisches Nachlassen de! Zufuhr<br />
an Arbeitskraft bzw. das Versiegen der Mehrwertquelle nicht zulassen konnte (die<br />
Familiengesetzgebung in Frankreich nach de! Ersten Weltkrieg ist ein Beispiel dafUr).<br />
97 Nicht von ungefahr spielen die Miitter im Werk von Bertolt Brecht eine so wichtige Rolle.<br />
Die gutmlltige, abe! weltfremde Shen Te im "Guten Menschen von Sezuan" verwandelt<br />
sich immer haufiger in den hartherzigen, abe! realistischen Shui Ta, jenaher die Geburt<br />
ihres Kindes riickt, das sie vor dem Verhungern bewahren will. Am eigenen Leibe, dUTch<br />
die Vorsorge fUr das noch ungeborene Kind, eriebt und begreift sie die Widerspri\chlichkeit<br />
einer Gesellschaft, in der Freundlichkeit gegenllber den einen nur dUTch Harte gegen<br />
IIber den anderen gesichert werden kann. Auch Pelagea Wlassowa, die "Mutter", erfahrt<br />
ihre Bewu~tseinsveranderung liber die starke mlltterliche Zuneigung zu ihrem Sohn, die<br />
ihre Aufmerksamkeit, fast gegen ihlen Willen, fUr die Worte der Genossen offnet, wo sie<br />
sich sonst verschlossen hatte.<br />
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