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Volltext Prokla 22

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Familien und deren Kinder, auf die sie ihre Freundlichkeit und Zuwendung nicht<br />

auszurichten vermogen. Obwohl diese Kinder sind wie fure eigenen Kinder, gehoren<br />

sie doch im BewuBtsein def Mutter schon zur feindHchen Umwelt.<br />

Die Sorge fUr die eigene Familie war und ist auch heute noch haufig eine der<br />

Ursachen fUr das mangelnde politische Verstandnis def Frauen bzw. ihr objektiv<br />

konservatives, ja reaktionares Verhalten; was keineswegs nUT fUr die Frauen zutreffen<br />

muB, die burgerlicher Herkunft und Interessen sind. Aus Angst vor dem<br />

Verlust def okonomischen Sicherheit, den sie bei der Versorgung ilner Kinder besonders<br />

krass erleben und aushalten mussen, halten sie ihre Manner davon zurUck,<br />

sich politisch zu exponieren, an Streiks teilzunehmen usw. (92). Dber das mangelnde<br />

solidarische Verhalten def Frauen in den Klassenkampfen wurde oft in der<br />

Arbeiterbewegung geklagt, aber wenig Verstandnis fUr die Ursachen dieser oft<br />

reaktionaren Funktion def Hausfrauen und Mutter gezeigt. Auch die Arbeiterin,<br />

die aus den bereits dargestellten Griinden, besonders also, wenn sie Kinder hatte,<br />

sich nicht mit ihrer Rolle als Arbeiterin identifizieren konnte, war schwer fUr die<br />

politischen Zielsetzungen der Arbeiterbewegung zu gewinnen. Gundula BoIke<br />

weist in ihrer Arbeit "Die Wandlung def Frauenemanzipationstheorie von Marx<br />

bis zur Ratebewegung" mit Nachdruck auf die schwache Stene in der sozialistischen<br />

Emanzipationstheorie hin: "Die politische Zielsetzung mhrt zu einer immer<br />

starkeren Vemachlassigung des Aspekts def FamiJie und der Notwendigkeit ihrer<br />

Veranderung fUr die Frauenemanzipation. Die bestehende Familie wurde als eine<br />

Gegebenheit hingenommen, die sich in der wzialistischen ZunkunftsgeseHschaft<br />

wandeln wiirde. Ihre Funktion unter kapitalistischen Verhaltnissen als Produzentin<br />

der Abhangigkeit und Unterordnung def Frau durch die Autoritatsstruktur in ihr,<br />

die dem Mann die Vorherrschaft nieht nur im gesellschaftlichen Leben, sondern<br />

auch in def Familie zusicherte, v.urde nicht mehr reflektiert. Hier machte sich der<br />

entscheidende Mangel der sozialistischen Emanzipationstheorie bemerkbar, nam­<br />

Uch das Fehlen psychologischer Kategorien, das sie bei sozialen und politischen<br />

Postulaten stehenbleiben lief!" die von den Frauen eine Assimilation an die Manner<br />

erforderte und ihre Geschlechtlichkeit verleugnete." (93)<br />

Clara Zetkin sah zwar, daB wesentlich der Mangel an Zeit bei den Arbeiterinnen<br />

sich deren massenhafter Organisierung entgegenstellte, da sie als Fabrik- und<br />

Haussklavin cine doppelte Arbeitslast zu tragen hatten (94); andererseits aber lobte<br />

sie das Verhalten der Proletarierinnen im Wahlkampf als "rtickhaltloses Eintreten<br />

in die allgemeine Bewegung" "durch das ZUrUckdrangen und Aufgeben besonderer<br />

92 Wahrend der Streikbewegung in England 1971 horte man wiederholt von protestierenden<br />

Ehefrauen, die die kiirgli(;hen Zustande ohne Lohn einfach nicht ruehr hinnehmen wollten<br />

und dabei z.B. zum alten weiblichen Machtmittel de! geschlechtlichen Verweigerung<br />

griffen, urn ihre Manner "gefUgig" zu machen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die<br />

Darstellung Max Horkheimers, a.a.O., S. 68-69.<br />

93 Gundula BoIke, Die Wandlung der Frauenemanzipationstheorie von Marx bis ZUI Ratebewegung.<br />

Berlin usw. o.J. (etwa 1969), S. 21. (Diese Arbeit ist eine de! ganz wenigen<br />

unter den in den letzten J ahren veroffentlichten Arbeiten, in der wir viele der uns<br />

interessierenden Gesichtspunkte differenziert vertreten finden.).<br />

94 Clara Zetkin, a.a.O., Bd. I, S. 40.<br />

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