22.11.2013 Aufrufe

Uli Limpf - Was heißt Gnade

Uli Limpf - Was heißt Gnade

Uli Limpf - Was heißt Gnade

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Predigt: Grundbegriffe des Glaubens – <strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> <strong>Gnade</strong> / <strong>Uli</strong> <strong>Limpf</strong> / Seite -1-<br />

Liebe Stadtmissionsgemeinde,<br />

bevor ich zu unserem heutigen Predigtthema komme, will ich noch einige Vorbemerkungen<br />

zur Predigt vom vergangenen Sonntag machen.<br />

Als Prediger gibt es Predigten, auf die man wenig Rückmeldungen oder auf die man<br />

viele Rückmeldungen bekommt und es gibt Predigten, wo man danach selbst zufrieden<br />

ist und Predigten, wo das Gefühl zurückbleibt: „<strong>Was</strong> ich gesagt habe, ist nicht<br />

recht durchgedrungen, ich hab es nicht recht an den Mann oder an die Frau bringen<br />

können.“<br />

Die Predigt vom vergangenen Sonntag „<strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> Buße“ gehörte zu der Sorte, auf<br />

die ich einige Rückmeldungen bekommen hatte. Diese Rückmeldungen reichten von<br />

„Gut, dass dieses Thema einmal offen angesprochen wurde“ bis zu „Mit der Predigt<br />

habe ich herzlich wenig anfangen können.“ Und sie gehörte zu der Sorte von Predigten,<br />

wo ich selbst danach nicht sehr glücklich war. Lange habe ich am Sonntagnachmittag<br />

mit Gabi darüber geredet – und sie mit mir.<br />

Schwerpunkt dieser Predigt vom vergangenen Sonntag war: Glaube – ohne dass<br />

man Buße, Umkehr im Leben erlebt hat – gibt es nicht. Buße gehört auch zum Leben<br />

eines Christen in der Nachfolge dazu. „Schön und gut“, werden sich manche gedacht<br />

haben, „und jetzt – was kommt jetzt?“ – aber da war diese Predigt dann auch schon<br />

zu Ende. Viele haben auf praktische Anleitungen und Schritte gewartet. Wie macht<br />

man Buße? Wie geschieht sie? <strong>Was</strong> soll man jetzt tun? Aber von alldem habe ich<br />

nichts erzählt. Und ich glaube, auch heute noch könnte ich herzlich wenig von dem<br />

erzählen. Ich glaube, Buße ist nicht etwas, das man machen kann. Hier kann man<br />

keine Technik lernen – Buße kann man auch nicht mit Disziplin einüben. Buße kann<br />

in unserem Leben eigentlich nur geschehen, wenn Gott unsere Herzen anrührt, wenn<br />

wir von ihm getroffen werden, wenn es uns deutlich wird. Wer kann merken, wie oft<br />

er sündigt? Zur Buße kommt es in unserem Leben dann, wenn wir über unser Wesen,<br />

unsere Sünde – ja, auch über unsere Verlorenheit – erschüttert werden. Wenn<br />

uns bewusst wird: „Ich tue ja nicht nur ab und zu etwas Falsches – ich bin im tiefsten<br />

Grunde meines Herzens ein Sünder.“ Gottes Geist muss unter uns wirken – sonst<br />

wird es in unserem Leben nicht zur Buße kommen.<br />

An dieser Stelle will ich auch eine Aussage meiner Predigt vom letzten Sonntag korrigieren.<br />

Ich hatte gesagt: „Buße ist keine Angelegenheit des Gefühles. Buße ist eine Frage<br />

unseres Willens.“ Das würde ich heute so nicht mehr sagen. Tatsächlich ist es schon<br />

so, dass bei dem Thema Buße auch unser Herz berührt sein wird. Wenn Gott uns<br />

nicht treffen kann, wenn wir unbewegt bleiben, wird es nicht zur Buße kommen.<br />

<strong>Was</strong> ich meinte mit dem „Buße ist eine Frage unseres Willens, unserer Entscheidungen“,<br />

ist das, dass Buße nicht nur beim Emotionalen-Angerührt-Sein stehen bleiben<br />

darf. Buße muss zu konkreten Schritten in unserem Leben führen. Aber bis es dahin<br />

ist Buße schon auch eine Angelegenheit unseres Herzens.<br />

Eigentlich möchte ich uns die Frage stellen, die mir tatsächlich immer wieder auf dem<br />

Herzen brennt. Darf Gott uns noch anrühren? Darf er uns noch in Frage stellen? Geschieht<br />

es noch, dass sein Wort uns umtreibt – oder perlt alles wie Regentropfen auf<br />

einem Regenmantel an uns ab? Wenn das der Fall ist – dann sind wir mit unserem<br />

Christsein an einem kritischen Punkt angelangt. Dann sind unsere Herzen verstockt.<br />

Dann sind wir eigentlich an dem Punkt, wo wir ganz dringend umkehren müssten.


Predigt: Grundbegriffe des Glaubens – <strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> <strong>Gnade</strong> / <strong>Uli</strong> <strong>Limpf</strong> / Seite -2-<br />

Dies wollte ich noch zum letzten Sonntag ergänzen und euch Mut machen: „Bleibt an<br />

diesem Thema dran!“ Auch wenn ihr zunächst einmal den Eindruck gehabt habt: „Damit<br />

kann ich wenig anfangen.“<br />

Vielleicht darf ich es abschließend noch einmal an einem biblischen Beispiel deutlich<br />

machen, was Buße bedeutet. Ich will es deutlich machen an zwei Personen des Alten<br />

Testamentes, die so unterschiedlich mit dem Thema Buße umgegangen sind. Ich<br />

meine Saul und David. Saul hatte sich an Gott versündigt – er hatte in der Auseinandersetzung<br />

mit den Amalekitern Gottes Auftrag unvollständig ausgeführt, nur die<br />

Hälfte von dem getan, was Gott ihm aufgetragen hatte. Samuel stellt ihn deswegen<br />

zur Rede. Er sagt ihm: „Saul, du warst Gott ungehorsam.“ Wie sah Sauls Buße aus?<br />

Saul sagte: „Das Volk, das um mich herum war, die haben eben die Befehle nicht<br />

vollständig ausgeführt – das Volk, die sind schuld!“ Und im Blick auf seinen eigenen<br />

Anteil an Schuld sagte er: „Ja, ja, du hast ja schon recht – aber jetzt mal Schwamm<br />

drüber. Ja, Samuel ich habe gesündigt – aber ehre mich doch jetzt vor den Ältesten<br />

meines Volkes und komm mit mir mit, dass wir den Herrn anbeten.“ War das Buße?<br />

Hat Saul seine Schuld bereut? War das Umkehr – Sinnesänderung? Saul schob zuerst<br />

den anderen die Schuld in die Schuhe und dann wollte er rasch zur Tagesordnung<br />

übergehen. Saul kannte das Thema Buße in seinem Leben nicht – deshalb<br />

konnte er nicht länger König sein.<br />

David hatte auch gesündigt – wir kennen die Geschichte – Ehebruch und anschließend<br />

Mord. Aber David tat Buße. Er sagte: „Ich erkenne meine Missetat und meine<br />

Sünde ist immer vor mir. An dir allein habe ich gesündigt.“ Wenn wir diese beiden<br />

Männer studieren, werden wir erkennen, worum es bei dem Thema Buße geht.<br />

Jetzt müssen wir die Kurve kriegen zum Thema des heutigen Sonntags. Fortsetzung<br />

bei „Grundbegriffe des Glaubens“ – und wir stellen uns auf dieses Thema noch einmal<br />

ein, indem wir zuerst noch ein Lied miteinander singen: „Allein deine <strong>Gnade</strong> genügt.“<br />

<strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> <strong>Gnade</strong>?<br />

<strong>Gnade</strong> – wieder stehen wir vor solch einem mächtigen Wort. <strong>Gnade</strong> – und jetzt sollen<br />

wir in 25 Minuten definieren, was <strong>Gnade</strong> ist. Bei der Vorbereitung dachte ich: „Du bist<br />

doch ein Esel, über solche Themen an einem Sonntag predigen zu wollen. Und Friedemann<br />

ist auch noch ein bisschen schuld daran – denn das hatten wir ja beide gemeinsam<br />

miteinander überlegt.“<br />

Wieder stehen wir vor solch einem mächtigen Wort, das man ja auch nur schwer anfassen<br />

kann – <strong>Gnade</strong>. Man kann nicht drei Pfund <strong>Gnade</strong> kaufen und dann getrost<br />

nach Hause tragen.<br />

Das griechische Wort für <strong>Gnade</strong> „chara“ meint so viel wie „sich freuen, Freude weitergeben“.<br />

Wenn ein anderer mir gnädig ist, dann legt er mir dadurch Grund zur<br />

Freude in mein Leben. Eine mir höhergestellte Person erweist mir Gunst und<br />

Wohlwollen. Wer <strong>Gnade</strong> erfährt, kann sich wirklich zutiefst freuen.<br />

Ich will einmal versuchen, uns das Wort <strong>Gnade</strong> in drei Bedeutungsnuancen näherzubringen.


Predigt: Grundbegriffe des Glaubens – <strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> <strong>Gnade</strong> / <strong>Uli</strong> <strong>Limpf</strong> / Seite -3-<br />

1. <strong>Gnade</strong> meint Begnadigung<br />

In unserem normalen Wortschatz kommt das Wort <strong>Gnade</strong> eigentlich kaum mehr vor.<br />

Es spielt in unserer Sprache keine Rolle mehr. Wir kennen es nur noch aus dem Bereich<br />

des Rechtes und der Justiz. Wenn bei uns ein Mensch schwere Verbrechen<br />

begangen hat und er einen Teil seiner Strafe abgesessen hat, dann kann er ein Begnadigungsgesuch<br />

stellen. Wir haben diese Möglichkeit in Deutschland in den vergangenen<br />

Monaten wieder heftig diskutiert an der Frage, ob der RAF-Terrorist Christian<br />

Klar nach 25 Jahren Haft begnadigt werden soll. Sein Anwalt stellte ein Begnadigungsgesuch<br />

an den Bundespräsidenten – dieses Gesuch wurde geprüft. Manchmal<br />

begnadigt der Bundespräsident einen Menschen und manchmal tut er das nicht<br />

– wie das bei Christian Klar der Fall war.<br />

Dieser Sinn von Begnadigung ist der Sinn des Wortes <strong>Gnade</strong>, das uns auch bei der<br />

christlichen <strong>Gnade</strong> zuerst einfällt.<br />

Eph. 2, 8<br />

denn aus <strong>Gnade</strong> seid ihr selig geworden durch Glauben und das nicht aus euch. Es ist<br />

Gottes Geschenk an euch – nicht aus den Werken, auf dass sich nicht jemand rühme.<br />

Wegen deiner Schuld und Sünde, wegen deiner Zielverfehlung im Leben hat Gott ein<br />

durch und durch gerechtes Urteil über deinem Leben ausgesprochen. Dieses Urteil<br />

<strong>heißt</strong>: Verdammnis in der Hölle – ewiger Tod! Aber Gott ist nicht bei diesem Urteil<br />

stehen geblieben – er bietet <strong>Gnade</strong> an. Menschen, die ihn um seine <strong>Gnade</strong> bitten,<br />

begnadigt er – errettet er vom Tod. Gott erlässt dir deine Schuld – er befreit dich aus<br />

dem Kerker der Gottesferne.<br />

Gott ist dir gnädig! <strong>Was</strong> diese <strong>Gnade</strong> bedeutet, will ich an einem drastischen Beispiel<br />

deutlich machen. Stell dir vor, du hast Kinder und jemand bringt dein Kind um. Dann<br />

hast du drei Möglichkeiten, wie du darauf reagieren kannst:<br />

• Wenn du jetzt diesem Mörder nachgehst – wenn du ihn schädigst, wo du nur<br />

kannst – wenn du versuchst, ihn jetzt selber zu töten – dann ist das Rache.<br />

• Wenn du ihn vor ein Gericht schleppst und dafür sorgst, dass ihm der Prozess<br />

gemacht wird – dann ist das Gerechtigkeit.<br />

• Wenn du ihm aber vergibst und ihn in deine Familie aufnimmst und er fortan an<br />

deinem Tisch sitzen darf – dann ist das <strong>Gnade</strong>.<br />

Dieses Beispiel ist für uns eigentlich unvorstellbar. Ich habe noch nie gehört, dass<br />

jemand den Mörder seines Kindes in die Familie adoptiert hat. Aber genau das tut<br />

Gott! Unsere Sünde hat seinen Sohn Jesus umgebracht – er starb und wir können<br />

jetzt Gottes Kinder werden. Das ist <strong>Gnade</strong>! Und wenn das kein Grund zur<br />

Freude ist, wenn wir uns daran nicht mehr freuen können, dann weiß ich manchmal<br />

nicht, ob uns noch zu helfen ist.<br />

Kennst du diese <strong>Gnade</strong> in deinem Leben? Wenn du dir diese Familie Gottes vorstellst<br />

– wie stehst du zu dieser Familie? Bist du hineinadoptiert? Bist du Gottes Kind<br />

geworden? Stehst du am Rand? Schleichst du um das Haus und weißt nicht, ob du<br />

es wagen sollst, um <strong>Gnade</strong> zu bitten? Bist du als Sünder noch auf der Flucht? Ich<br />

sage dir: „Gott sinnt nicht auf Rache! Für Gerechtigkeit hat er gesorgt. Heute geht es<br />

ihm um <strong>Gnade</strong> – er kommt zu dir und hat ein Begnadigungsschreiben in der Hand.“<br />

Ist denn einer unter uns, der das ausschlagen möchte?


Predigt: Grundbegriffe des Glaubens – <strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> <strong>Gnade</strong> / <strong>Uli</strong> <strong>Limpf</strong> / Seite -4-<br />

Und das Überwältigende ist – wir müssen dem überhaupt nichts mehr hinzufügen.<br />

Ja, wir können dem sogar überhaupt nichts mehr hinzufügen. Gott ist uns gnädig,<br />

ohne dass wir uns das verdienen müssten. <strong>Was</strong> wollten wir ihm auch geben für dieses<br />

Geschenk der <strong>Gnade</strong>?<br />

Stellt dir vor, du und auch noch andere sind beim Bundespräsidenten ins Schloss<br />

Bellevue nach Berlin eingeladen. Er hat ein herrliches Abendessen vorbereiten lassen.<br />

Die Tische sind voll der erlesensten Speisen. Es gibt wunderbare Dinge. Du<br />

hast einen wunderbaren Abend, ein tolles Programm, isst und trinkst, bist du kugelrund<br />

bist. Die Stimmung ist prächtig. Am Schluss des Abends geleitet der Bundespräsident<br />

dich persönlich zum Ausgang und verabschiedet dich. Im Hinausgehen<br />

machst du noch deinen Geldbeutel auf und drückst ihm 10 Cent in die Hand. „Danke,<br />

Herr Bundespräsident, für den schönen Abend.“ Das wäre unverschämt, das wäre<br />

beleidigend! Aber genauso machen wir das oft als Christen. Wir nehmen Gottes<br />

<strong>Gnade</strong> an und meinen, ihm dafür etwas geben, bezahlen zu können. Das ist geradezu<br />

beleidigend für Gott. Gott lädt uns ein zu seinem Fest, an seinen Tisch. Er schenkt<br />

uns alles, was wir brauchen – und das völlig umsonst. Das ist <strong>Gnade</strong>!<br />

2. <strong>Gnade</strong> macht das Leben reich<br />

<strong>Gnade</strong> geht aber weit über das hinaus, was wir als Begnadigung – als Errettung vom<br />

ewigen Tod – verstehen.<br />

Paulus sagt zum Beispiel in Eph. 1, 7:<br />

In ihm haben wir die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner <strong>Gnade</strong>.<br />

<strong>Gnade</strong> macht unser Leben reich.<br />

Im Timotheusbrief schreibt Paulus, dass die <strong>Gnade</strong> Gottes in seinem Leben immer<br />

reicher geworden ist.<br />

Der Apostel Johannes schreibt in seinem Evangelium: Von seiner Fülle haben wir<br />

alle genommen <strong>Gnade</strong> um <strong>Gnade</strong>.<br />

Kann man denn mehr haben als eine Begnadigung? <strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> das: „<strong>Gnade</strong> um<br />

<strong>Gnade</strong> ...“?<br />

Wenn Gott uns <strong>Gnade</strong> schenkt, dann macht er unser Leben reich – er legt Fülle ins<br />

Leben. Wenn Gott etwas gibt, dann gibt er nie kärglich, dann ist er nie sparsam, dann<br />

gibt er überfließend. In Psalm 23 betet David: Du schenkst mir voll ein. Mein Becher<br />

fließt über ...<br />

<strong>Gnade</strong> ist auch eine neue Grund(be)stimmung im Leben. Ich muss mich nicht mehr<br />

selbst behaupten und ständig in der Angst leben, dass es reicht, was ich bin, kann<br />

und leiste; in der Sorge, was ich wert bin. <strong>Gnade</strong> beschreibt eine größere Wirklichkeit,<br />

in der ich mich geborgen fühle trotz allem, was dagegensteht – einschließlich<br />

meiner schlechten Meinung, die ich über mich selbst habe. <strong>Gnade</strong> erlöst mein Leben<br />

aus der Beschränktheit. Sie macht dankbar. Nicht nur für Wohlergehen, sondern<br />

dass ich es mit dem Größten, mit Gott, zu tun haben darf; deshalb kann man auch in<br />

Problemen, Leid und Krankheit <strong>Gnade</strong> erfahren.<br />

<strong>Gnade</strong> <strong>heißt</strong>, in mir wächst die Hoffnung, dass noch weit mehr von ihr da ist, auch für<br />

andere.<br />

In allem glauben zu können – auch das wird als <strong>Gnade</strong> erlebt.<br />

<strong>Gnade</strong> stellt unser Leben in einen weiten Raum – <strong>Gnade</strong> weitet unsere Grenzen –<br />

<strong>Gnade</strong> führt uns zu einer neuen Grundstimmung in unserem Leben.


Predigt: Grundbegriffe des Glaubens – <strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> <strong>Gnade</strong> / <strong>Uli</strong> <strong>Limpf</strong> / Seite -5-<br />

Es gibt einen alten Streit, ob <strong>Gnade</strong> faul macht, wie viel eigenes Tun doch noch nötig<br />

ist und ob es <strong>Gnade</strong> ein für allemal oder immer wieder neu gibt. Ich glaube, wer<br />

<strong>Gnade</strong> erfahren hat, braucht diesen Streit nicht. <strong>Gnade</strong> bringt neue Wahrnehmung,<br />

Ermutigung, Aufgaben, Begabung. Und <strong>Gnade</strong> wird immer wieder neu empfunden,<br />

auch wenn sie im Grunde die Gleiche ist wie am Anfang.<br />

„Wie geht es Ihnen?“ – Ein Christ müsste auf diese Frage eigentlich immer mit der<br />

Überzeugung antworten können: „Danke, es geht mir besser als ich es verdiene.“<br />

3. <strong>Gnade</strong> <strong>heißt</strong>, Gott gibt eine neue Chance<br />

<strong>Gnade</strong> <strong>heißt</strong> für mich: Gott gibt mir eine neue Chance! Gott gibt mir immer wieder die<br />

Möglichkeit eines neuen Anfangs – noch einmal neu beginnen zu können, wenn ich<br />

Mist gebaut habe in meinem Leben. Ich glaube, das ist für mich das herausragendste<br />

Merkmal von <strong>Gnade</strong>. So hat Gott seine <strong>Gnade</strong> immer wieder über sein Volk ausgesprochen<br />

und ausgegossen.<br />

Als das Volk Israel durch die Wüste marschierte und sie immer wieder gegen Gott<br />

gemurrt hatten, erlebten sie auch immer wieder Zeiten der Buße und der Umkehr zu<br />

Gott. Und Gott hat ihnen wieder einen neuen Anfang geschenkt – hat sich wieder<br />

neu zu ihnen gestellt. Hat ihnen gesagt: „Ich mache mit euch weiter! Ich vertraue<br />

euch“ – und das, obwohl er wusste, dass sie ein halsstarriges Volk waren. Das ist<br />

<strong>Gnade</strong>!<br />

Als die Israeliten im Land Kanaan wohnten und die Richter über sie herrschten, erlebten<br />

sie ein ständiges Auf und Ab. Mal dienten sie Gott von ganzem Herzen, mal<br />

liebäugelten sie mit den Göttern der Völker um sie herum und beteten diese Götter<br />

an. Als sie dann in der Patsche saßen und zu Gott umkehrten und zu Gott schrien,<br />

schenkte Gott ihnen immer wieder einen Retter, der die Feinde besiegte. Gott<br />

schenkte ihnen eine neue Chance, zog einen Schlussstrich unter die falschen Wege<br />

der Vergangenheit und schenkte ihnen einen neuen Anfang, wie wenn nichts zuvor<br />

gewesen wäre. Das <strong>heißt</strong> <strong>Gnade</strong>!<br />

Als David zum Ehebrecher und Mörder geworden war, beugte er sich unter seine<br />

Schuld, betete er :<br />

Ps. 51, 3<br />

Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte, / und tilge meine Sünden nach deiner großen<br />

Barmherzigkeit.<br />

Und Gott ließ ihm durch Nathan ausrichten: „So hat der Herr deine Sünde weggenommen,<br />

du wirst nicht sterben.“ Das ist <strong>Gnade</strong>!<br />

Als das Volk Israel nach der babylonischen Gefangenschaft wieder in das Land zurückkehrte,<br />

ließ Gott die Stadtmauer von Jerusalem neu bauen – der Tempel wurde<br />

wieder aufgerichtet und sie konnten wieder neu beginnen. Gott gedachte ihrer Sünden<br />

nicht mehr. Er hatte sie versenkt im Meer, wo es am tiefsten war. Und es gab<br />

eine neue Chance. Das ist <strong>Gnade</strong>!<br />

Vielleicht sagt ihr, das sind alles Geschichten aus alter Zeit. Ich will es deutlich machen<br />

an einer Geschichte von heute:<br />

Eine Bekannte von mir hatte den Führerschein gemacht. Ihr Vater hatte ein altes Auto:<br />

18 Jahre alt, das nur noch wenige Wochen TÜV hatte. Dieses Auto lieh die Bekannte<br />

immer wieder vom Vater aus. Sie war die erste, die im Jugendkreis den Führerschein<br />

hatte und sie fuhren zu missionarischen Einsätzen – das ganze Auto voll


Predigt: Grundbegriffe des Glaubens – <strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> <strong>Gnade</strong> / <strong>Uli</strong> <strong>Limpf</strong> / Seite -6-<br />

junger Leute. An einem Tag rumste sie mit dem Auto beim Einparken gegen eine<br />

Wand – im alten Peugeot war eine kräftige Beule. Aber das machte ja nichts, das<br />

Auto wurde eh eine Woche später aus dem Verkehr gezogen. Dann stand in dieser<br />

Familie das neue Auto vor der Tür: ein neuer Mercedes. Und wisst ihr, was der Vater<br />

tat? Er gab dieser Bekannten auch den neuen Mercedes mit. Sie durfte damit fahren<br />

– und das, obwohl sie eine Woche vorher das alte Auto verbeult hatte. Das ist <strong>Gnade</strong>!<br />

<strong>Gnade</strong> gibt eine neue Chance. <strong>Gnade</strong> gewährt Vertrauen, auch wenn man was<br />

verbockt hat. <strong>Gnade</strong> <strong>heißt</strong> nicht nur, dass du Gott vertraust, sondern Gott vertraut dir!<br />

Ich weiß nicht, wie sich dieser Satz für dich anhört – aber ich finde ihn überwältigend.<br />

Gott vertraut dir! Er hat Zuversicht in dich. Er glaubt, dass du es hinbringst. Und dieses<br />

Vertrauen ist so stark, dass man sogar ohne Furcht zu Hause beim Vater anrufen<br />

könnte, wenn man in den neuen Mercedes wieder eine Beule hineinfahren würde.<br />

So ist Gott zu uns. Er gewährt dir eine neue Chance. Du hast Mist gebaut im Leben.<br />

Gott vertraut dir neu und investiert weiter in dich. Dir ist einiges im Leben misslungen.<br />

Keiner mehr gibt dir einen Vorschuss oder einen Kredit. Gott investiert neu in dich.<br />

Und du musst keine Furcht davor haben, die Sache wieder in den Sand zu setzen.<br />

Das ist <strong>Gnade</strong>, dass ich immer wieder mit der gleichen Schuld zu Gott kommen<br />

kann. Mit den Dingen, die mir schon hundert Mal danebengegangen sind.<br />

<strong>Gnade</strong> meint Begnadigung<br />

<strong>Gnade</strong> macht unser Leben reich<br />

<strong>Gnade</strong> gibt eine neue Chance<br />

Spüren wir, wie überwältigend diese <strong>Gnade</strong> Gottes ist?<br />

Liebe Stadtmissionsgemeinde, so eine Predigt kann man sich nicht nur anhören und<br />

mit dem Kopf abnicken. Gottes <strong>Gnade</strong> sucht in unserem Leben immer nach einer<br />

Antwort. Das ist überhaupt Gottes Wesen – er sucht unsere Antwort. Wie antwortest<br />

du auf diese <strong>Gnade</strong> Gottes? <strong>Was</strong> wäre eine angemessene Reaktion von dir auf diese<br />

<strong>Gnade</strong> Gottes? <strong>Was</strong> machst du heute fest, was machst du heute mit Gott aus?<br />

<strong>Was</strong> willst du deinem Gott für eine Antwort geben auf seine <strong>Gnade</strong>? Ist es ein ganz<br />

tiefer Dank und eine neue Dankbarkeit ihm gegenüber?<br />

Ist es, dass ich anfange, auch denen <strong>Gnade</strong> zu gewähren, denen ich in meinem Herzen<br />

eigentlich ungnädig bin, denen ich keine <strong>Gnade</strong> gewähre? Auch das könnte eine<br />

Antwort an Gott sein: Gottes <strong>Gnade</strong> ist ja schon überwältigend – wenn ich andere<br />

Leute bei mir in Ungnade lasse – wenn ich festhalte an meinem Ungnädigsein, dann<br />

bin ich ein kleinkarierter Mensch. Und kleinkariert ist für mich in dem Augenblick das<br />

Gegenteil von großzügig.<br />

<strong>Gnade</strong> kommt von „chara“ = „sich freuen“. Auch das könnte eine Antwort an Gott<br />

sein: zu entdecken, ich habe ja wirklich etwas zum Freuen in meinem Leben ...<br />

Vielleicht lautet aber deine Antwort auch ganz schlicht: „Hier bin ich, Herr Jesus –<br />

mein Leben gehört dir. Ich will zu dir gehören – mit meinem ganzen Leben.“<br />

Welche Antwort willst du Gott heute geben?<br />

Wir sind jetzt einige Minuten still und ich bitte euch, dass ihr Gott eine Antwort gebt.<br />

Gebet von Martin Luther


Predigt: Grundbegriffe des Glaubens – <strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> <strong>Gnade</strong> / <strong>Uli</strong> <strong>Limpf</strong> / Seite -7-<br />

Arbeitshilfe für Kleingruppen<br />

1. Tragt zuerst einmal einige Bibelstellen zusammen, in denen das Wort „<strong>Gnade</strong>“<br />

vorkommt. Man kann dazu ja eine Konkordanz zur Hilfe nehmen. Versucht diese<br />

Bibelstellen einzuordnen: Zu welchem Predigtpunkt gehören sie?<br />

• <strong>Gnade</strong> meint Begnadigung<br />

• <strong>Gnade</strong> macht unser Leben reich<br />

• <strong>Gnade</strong> gibt eine neue Chance<br />

2. Es gibt Menschen, die behaupten: „<strong>Gnade</strong> macht faul“. Bonhoeffer hat den Begriff<br />

von der „billigen <strong>Gnade</strong>“ geprägt. Dieser Begriff geht in dieselbe Richtung wie der<br />

Satz: „<strong>Gnade</strong> macht faul“. Hier ein Ausschnitt aus Bonhoeffers Buch Nachfolge.<br />

Diskutiert über diesen Satz. Helfen kann dabei auch die Beispielgeschichte vom<br />

Abendessen beim Bundespräsidenten.<br />

3. Wir bleiben noch einen Augenblick bei der Beispielgeschichte „Einladung beim<br />

Bundespräsidenten“ stehen. Welches sind die 10-Cent-Stücke, die wir ihm unter<br />

Umständen noch in die Hand drücken wollen? Können wir diese in unserem Leben<br />

benennen?<br />

4. Der letzte Punkt der Predigt lautete: „Gott gibt eine neue Chance.“ Wie oft?<br />

Wie oft traue ich mich, mit einem „verbeulten Auto“ nach Hause zu kommen?<br />

5. Die Stadtmission Lörrach hat als Gemeindevision das Wort „<strong>Gnade</strong>“ gewählt.<br />

<strong>Was</strong> tut eine Gemeinde mit dieser Vision? Wie lebt man in ihr? Welche Atmosphäre<br />

will diese Gemeinde prägen?<br />

(Die Stami Lörrach hat diese Vision dann noch aufgedröselt und ihre Gemeindevision so beschrieben:<br />

GNADE: G = <strong>Gnade</strong>, N = Nachfolge, A = Anbetung, D = Dienst, E = Evangelisation.<br />

Ich vermute aber, dass die Konkretisierung in diesen Begriffen im Hauskreisabend nicht weiterhilft, sondern<br />

eher dazu führt, dass man sich verzettelt)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!