Diätologischer Prozess - Verband der Diaetologen Österreichs
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Diätologischer Prozess Falldarstellung einer Patientin mit Insulinpflichtigem Diabetes Mellitus Typ II Maria Magdalena Wulz Diätologin Christian-Doppler-Klinik Ignaz-Harrer-Strasse 79 5020 Salzburg m.wulz@salk.at
- Seite 2 und 3: Inhaltsverzeichnis 1 Personenbezoge
- Seite 4 und 5: 1.4 Diagnosen Hereditäre hämorrha
- Seite 6 und 7: Insulatard und morgens, mittags und
- Seite 8 und 9: Vor dem stationären Aufenthalt hat
- Seite 10 und 11: ausschließlich gekochter Form zu s
- Seite 12 und 13: Die Menübestellung im Essensbestel
- Seite 14 und 15: Obstsorten mit hohem Fruchtzuckerge
- Seite 16 und 17: 4 Umsetzung des ernährungsmedizini
- Seite 18 und 19: 5 Ernährungsmedizinische Beratung
- Seite 20 und 21: 6 Abschließende Arbeiten 6.1 Evalu
- Seite 22 und 23: zu mittag und abends zu kontrollier
- Seite 24: 7 Literaturverzeichnis Arbeitsgrupp
<strong>Diätologischer</strong> <strong>Prozess</strong><br />
Falldarstellung einer Patientin mit Insulinpflichtigem Diabetes Mellitus Typ II<br />
Maria Magdalena Wulz<br />
Diätologin<br />
Christian-Doppler-Klinik<br />
Ignaz-Harrer-Strasse 79<br />
5020 Salzburg<br />
m.wulz@salk.at
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Personenbezogene Daten ...................................................................................... 3<br />
1.1 Eckdaten .......................................................................................................... 3<br />
1.2 Anthropometrische Daten .............................................................................. 3<br />
1.3 Labordaten ....................................................................................................... 3<br />
1.4 Diagnosen ........................................................................................................ 4<br />
1.5 Medikamente ................................................................................................... 4<br />
1.6 Problemidentifizierung ................................................................................... 4<br />
1.7 Krankengeschichte ......................................................................................... 5<br />
1.8 Ernährungsanamnese ..................................................................................... 6<br />
2 Diaetologische Befundung und Beurteilung ........................................................ 9<br />
3 Planung <strong>der</strong> Ernährungstherapie ........................................................................ 11<br />
3.1 Bedarfsberechnung und Kostform .............................................................. 11<br />
3.2 Behandlungsziel ............................................................................................ 12<br />
3.3 Patientenziel .................................................................................................. 12<br />
3.4 Ernährungsmedizinische Intervention ........................................................ 13<br />
4 Umsetzung des ernährungsmedizinischen Therapiekonzeptes ...................... 16<br />
5 Ernährungsmedizinische Beratung / Schulung ................................................. 18<br />
6 Abschließende Arbeiten ...................................................................................... 20<br />
6.1 Evaluierung .................................................................................................... 20<br />
6.2 Dokumentation .............................................................................................. 21<br />
6.3 Abschlussbericht .......................................................................................... 22<br />
6.4 Reflexion ........................................................................................................ 23<br />
7 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 24<br />
2
1 Personenbezogene Daten<br />
1.1 Eckdaten<br />
Initialen:<br />
R.E.<br />
Geschlecht:<br />
weiblich<br />
Alter: 51<br />
Beruf:<br />
Sekretärin<br />
familiäre Situation:<br />
verheiratet, 4 erwachsene Kin<strong>der</strong><br />
Staatsbürgerschaft:<br />
Österreich<br />
Beson<strong>der</strong>heiten:<br />
LKW-Führerschein<br />
1.2 Anthropometrische Daten<br />
Größe gemessen in cm:<br />
165 cm<br />
Gewicht gewogen in kg:<br />
100 kg<br />
BMI: 36,7<br />
1.3 Labordaten<br />
Klinische Chemie gemessener Referenzbereich<br />
Wert<br />
Glucose nüchtern 133 mg/dl 70-100 mg/dl<br />
HbA1C 8,4 % 4,8-6 %<br />
Cholesterin 253 mg/dl 150-220 mg/dl<br />
HDL-Cholesterin 82 mg/dl 48-70 mg/dl<br />
LDL-Cholesterin 139 mg/dl 50-150 mg/dl<br />
Triglyceride 130 mg/dl 1-200 mg/dl<br />
Tab.1: Labordaten vom Tag <strong>der</strong> Aufnahme<br />
3
1.4 Diagnosen<br />
Hereditäre hämorrhagische Telangiektasie (Osler-Weber-Rendu Syndrom), ED<br />
08/2008, heterozygote Mutation im Exon 9 des ACVRL-1 Gens<br />
Angiodysplasien des Magens und Duodenums mit Z.n. Argonplasmakoagulation<br />
10/2008<br />
In Ileocoloskopie keine Angiodysplasien 10/2008<br />
Rez. Epistaxis mit Eisenmangel<br />
Diabetes Mellitus Typ II seit 2004<br />
Fersensporn<br />
Z.n. TBC, therapiert vor 25 Jahren<br />
Sigmadivertikulose 10/2008<br />
Anpassungsstörung und Depression<br />
1.5 Medikamente<br />
Thyrex 100 mg 1/0/0/0<br />
Enalapril HCT 1/0/0/0<br />
Cipralex 10 mg 11/2/0/0/0<br />
Simvastatin 0/0/1/0<br />
Insulatard 6 I.E./0/0<br />
Novo Rapid 2 I.E. pro BE (bisher 3 I.E./BE)<br />
1.6 Problemidentifizierung<br />
Im Februar 2010 wird die Patientin mit Überweisung vom Hausarzt an <strong>der</strong><br />
Suizidprävention Station aufgenommen. Sie ist depressiv und hat zeitweilig<br />
Suizidgedanken, distanziert sich aber von Ausführungsabsichten. Zu vermerken ist,<br />
dass eine schwierige familiäre Situation vorliegt. Ihr Ehemann hat Alkoholprobleme.<br />
Sie zeigt sich mit depressiven Symptomen, hat schlaflose Nächte hinter sich und<br />
berichtet über diverse Schmerzen. Unter an<strong>der</strong>em klagt sie über massive<br />
Magenschmerzen. Sie berichtet von bis zu zehn mal Stuhlgang am Tag mit breiiger<br />
bis flüssiger Konsistenz.<br />
4
1.7 Krankengeschichte<br />
2004 wurde durch den Hausarzt Diabetes Mellitus Typ II diagnostiziert und mit<br />
oralen Antidiabetika begonnen. Aus <strong>der</strong> Familienanamnese geht hervor, dass sie<br />
sowohl mütterlicher als auch väterlicher seits eine genetische Prädisposition<br />
aufweist. Damals wurde sie nach Erstdiagnose mit 800 mg Diabetex eingestellt. Die<br />
Dosis wurde später auf 1000 mg erhöht und zusätzlich mit einem Sulfonylharstoff<br />
ergänzt. Zwei Jahre später wurde sie nach entgleistem Blutzucker im Krankenhaus<br />
nach ausgereizter Tablettentherapie auf Mischinsulin umgestellt. Sie hatte damals<br />
schon oft depressive Phasen, wodurch sie große Schwierigkeiten hatte eine<br />
regelmäßige Mahlzeitenverteilung einzuhalten. 2008 erfolgte während eines<br />
Kuraufenthaltes die Umstellung auf Basis- Bolustherapie. Sie erhielt während des<br />
Aufenthaltes eine Diabetesschulung und wurde mit Insulatard und Novo Rapid<br />
entlassen. Die Insulindosis in <strong>der</strong> Patientenkurve an <strong>der</strong> Suizidprävention Station ist<br />
lediglich mit dem Vermerk „weiß Patientin selbst“ dokumentiert. Die Patientin gibt<br />
beim diätologischen Erstgespräch an sich nicht mehr an die Entlassungsdosis nach<br />
<strong>der</strong> Kur 2008 zu erinnern. Auf die Frage wie viel Einheiten Insulin sie sich<br />
verabreicht gibt sie an, das Basisinsulin an die aktuellen Blutzuckerwerte „nach<br />
Gefühl“ anzupassen. Das kurzwirksame Insulin berechnet sie morgens, mittags und<br />
abends mit 3 internationalen Einheiten (I.E.) pro Broteinheit (BE) ohne<br />
Korrekturfaktor.<br />
Die Patientin führt ein Diabetestagebuch. Aus <strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong><br />
Blutzuckerwerte geht hervor, dass sie sich tatsächlich jeden Tag unterschiedliche<br />
Dosen basales Insulin appliziert. Demnach fallen auch die Blutzuckerwerte extrem<br />
unterschiedlich aus. Die Patientin ist auch nicht in <strong>der</strong> Lage das Protokoll plausibel<br />
zu erläutern. Die Blutzuckerselbstkontrolle führt sie drei bis vier Mal täglich vor den<br />
Mahlzeiten durch. Nach dem Essen misst sie nie. Das Insulin wird während des<br />
stationären Aufenthaltes sachgemäß im Kühlschrank gelagert. Die Inspektion <strong>der</strong><br />
Bauch- und Oberschenkelregion zeigt keinerlei Verletzungen o<strong>der</strong> Hinweise auf<br />
eine unkorrekte Spritztechnik.<br />
Während des stationären Aufenthaltes an <strong>der</strong> Suizidprävention Station wird sie am<br />
10. Februar 2010 dem Internisten vorgestellt. Er schlägt zu Beginn morgens 6 I.E.<br />
5
Insulatard und morgens, mittags und abends 2 I.E. pro BE Novo Rapid vor. Frau<br />
E.R. erhält einen Korrekturfaktor. Sie soll Blutzuckerwerte um 200 mg/dl mit 2 I.E.,<br />
Werte über 200 mg/dl mit 3 I.E. und Werte über 260 mg/dl mit 4 I.E. korrigieren. Die<br />
Patientin soll insgesamt 15 BE mit einer Verteilung von 5 BE in <strong>der</strong> Früh, mittags<br />
und abends erhalten. Weiters schlägt er auf Grund <strong>der</strong> Hypercholesterinämie und<br />
einem LDL- Cholesterin von 139 mg/dl den Beginn mit Simvastatin 20 mg ab 10.<br />
Februar vor. Beim Kontrolltermin eine Woche später ist <strong>der</strong> Internist mit dem<br />
Blutzuckerprotokoll zufrieden. Die Patientin soll diesen Schema zu Hause weiter<br />
führen. In 3 Monaten soll sie zur HbA1c- Kontrolle zum Hausarzt gehen.<br />
1.8 Ernährungsanamnese<br />
Die Patientin versucht regelmäßig drei Mahlzeiten zu essen. Durch die<br />
Depressionen schläft sie oft bis circa 11:00 Uhr vormittags, wodurch meist ihr<br />
Essrhythmus durcheinan<strong>der</strong> kommt. Als Frühstück nimmt die Patientin zwei bis drei<br />
Scheiben Vollkornbrot mit einem Esslöffel Marmelade pro Brotscheibe ohne Butter,<br />
eine Schüssel Müsli und eine Tasse Tee mit Süßstoff zu sich. Das Müsli bereitet sie<br />
mit 180 ml Fruchtjoghurt und 3,6% Fett und einem Esslöffel Fertigmüslimischung<br />
zu. Meist trinkt sie im Laufe des Vormittags 500 ml Tee mit zwei Süßstofftabletten.<br />
Manchmal isst sie eine Hühner- o<strong>der</strong> Rindsuppe mit Gemüse und etwa 100 g<br />
Nudeln zum Frühstück. Normalerweise stellt ein warmes Mittagessen die<br />
Hauptmahlzeit dar. Die Patientin isst sehr wenig Fleisch wobei sie Geflügel den<br />
Vorzug gibt. Sehr gerne isst sie Fisch mit Kartoffeln o<strong>der</strong> Reis und Gemüse.<br />
Gemüse mag sie nur in gekochter Form. Sie fügt hinzu, dass sie generell Rohkost<br />
auf Grund ihrer gastroenterologischen Situation bedingt durch den Morbus Osler<br />
eher meidet. Daher isst sie zur Jause sehr selten Rohkostgemüse und Salat nicht<br />
wie empfohlen zu je<strong>der</strong> Hauptmahlzeit. Es gibt Tage an denen sie nicht kocht.<br />
Beson<strong>der</strong>s wenn ihr Ehemann nicht zu Hause ist. An diesen Tagen bereitet sie sich<br />
eine Brotjause mit Streichkäse, o<strong>der</strong> Butter, Marmelade und Honig zu. Meist wählt<br />
sie drei Scheiben Brot o<strong>der</strong> zwei Stück Gebäck. Nach dem Genuss einer Jause ist<br />
die Gefahr groß, dass sie nicht richtig satt ist, und über den ganzen Tag verteilt<br />
Süßigkeiten nascht. Als Nachspeise mag sie gerne ein Obstdessert in Form von<br />
6
Kompotten o<strong>der</strong> ganzem Obst. Abends mag sie gerne einen Hühner- o<strong>der</strong><br />
Rin<strong>der</strong>suppentopf mit Gemüse, Grießkoch o<strong>der</strong> eine Jause, wenn sie mittags warm<br />
gegessen hat. Der Verzehr von Weißmehlprodukte hält sich sehr gering. Sie achtet<br />
auf eine gesunde Brotauswahl, bei <strong>der</strong> Vollkornprodukte im Vor<strong>der</strong>grund sind. Die<br />
tägliche Trinkmenge beträgt meist 1,5 Liter in Form von Wasser- o<strong>der</strong><br />
Mineralwasser. Fruchtsäfte und Limonaden kommen eher selten vor. Kaffee- und<br />
Teegetränke süßt sie immer mit Süßstoff. Auf Kaffee verzichtet sie auf Grund ihrer<br />
chronischen Magenschmerzen völlig. Beson<strong>der</strong>s abends verfällt sie dem<br />
Heißhunger und isst viele Süßigkeiten und Knabbereien. Die Portionsgrößen sind<br />
nach Angaben von Frau E.R. eher klein. Sie würde sich nicht als „Vielesserin“<br />
bezeichnen. Im Gegenteil, sie versteht nicht wieso sie bei eher geringen Mengen<br />
nicht abnimmt. Die Frage, ob sie in <strong>der</strong> Nacht aufsteht und isst, negiert die<br />
Patientin.<br />
Bis vor <strong>der</strong> Geburt des ersten Kindes 1976 war Frau E.R. normalgewichtig. Bei<br />
je<strong>der</strong> ihrer vier Schwangerschaften nahm sie während <strong>der</strong> Schwangerschaft jedes<br />
mal circa 20 kg an Gewicht zu. Während diverser Kuraufenthalte konnte sie immer<br />
wie<strong>der</strong> erfolgreich ihr Körpergewicht reduzieren. Jetzt ist sie mit einem Body Mass<br />
Index (BMI) von 36,7 kg/m 2 sehr mit ihrem Gewicht unzufrieden. Sie möchte gerne<br />
von 100 kg circa 20 kg abnehmen. Von ihrem Hausarzt erhält sie die Empfehlung<br />
nur 1000 kcal pro Tag zu essen. Er händigt ihr eine Broschüre mit Beispielen von<br />
möglichen Speiseplänen aus. In diesem Kontext dürfte sie auch die Illusion<br />
entwickelt haben, eine Reduktion des Basalinsulin würde sie bei <strong>der</strong><br />
Gewichtsreduktion unterstützen, da sie in diesem Zusammenhang erwähnt hat,<br />
dass Insulin zur Gewichtszunahme führen kann.<br />
Zurzeit macht die Patientin für ihre Verhältnisse viel Bewegung. Sie geht <strong>der</strong>zeit bis<br />
zu drei Mal täglich eine kleine Runde spazieren. Durch die Depressionen gibt es<br />
Tage an denen sie das Haus nicht verlässt. Sie besitzt einen Hometrainer, den sie<br />
in letzter Zeit selten in Anspruch nimmt. 2008 hatte sie eine Knieverletzung,<br />
wodurch sich die Bewegung deutlich vermin<strong>der</strong>te. Der HbA1c- Wert hat sich damals<br />
deutlich verschlechtert.<br />
7
Vor dem stationären Aufenthalt hatte sie bis zu zehn Mal täglich Stuhlgang mit sehr<br />
flüssiger Konsistenz. Sie beklagt ständige Übelkeit ohne Erbrechen und<br />
Magenschmerzen. Die Situation verbessert sich während <strong>der</strong> Zeit im Krankenhaus.<br />
Die Stuhlfrequenz vermin<strong>der</strong>t sich unter <strong>der</strong> Einnahme von drei Messlöffel Optifibre<br />
pro Tag auf vier bis sechs Mal pro Tag.<br />
Die Patientin hat einen LKW- Führerschein. Als Nebenerwerb ist sie bei einer<br />
Pferdetransportfirma tätig. Eine Fahrt dauert dabei teilweise bis zu acht Stunden.<br />
8
2 Diaetologische Befundung und Beurteilung<br />
Die Patientin liegt mit einem BMI von 36,7 kg/m 2 nicht im Normbereich (vgl.<br />
Biesalski et al. 2004, S 15). Um den Zielwert für ihre Altersklasse von 24 BMI-<br />
Punkten zu erreichen ist bei einer Körpergröße von 165 cm eine langsame und<br />
langanhaltende Gewichtsreduktion von 100 kg auf 65 kg notwendig (vgl. Schau<strong>der</strong><br />
et al. 2006, S 707). Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass pro Woche nicht<br />
mehr als ein halbes Kilo, und pro Monat nicht mehr als zwei Kilo abgenommen<br />
werden (vgl. Schau<strong>der</strong> et al. 2007, S 12). Die Gewichtsreduktion soll durch eine<br />
Ernährungsumstellung, sowie körperliche Bewegung erfolgen (vgl. Toeller et al.<br />
2005, S 76).<br />
Zwei Scheiben Brot und ein Esslöffel Müsli entsprechen <strong>der</strong> für sie<br />
bedarfsgerechten Kohlenhydratmenge zum Frühstück (vgl. Toeller et al. 2005, S<br />
81). Sie muss jedoch nicht ganz auf den Verzehr von Streichfetten verzichten. Eine<br />
mo<strong>der</strong>ate Menge von 20 g Streichfett in Form von pflanzlicher Margarine ist möglich<br />
(vgl. Toeller et al. 2005, S 78). Die Fruchtzuckerzufuhr liegt mit einem Esslöffel<br />
Marmelade pro Scheibe Vollkornbrot bei zwei bis drei Brotscheiben pro Mahlzeit zu<br />
hoch (vgl. Toeller et al. 2005, S 85). Das Müsli weist durch den Einsatz von 180 ml<br />
Fruchtjoghurt mit 3,6% Fett einen zu hohen Fett- und Zuckeranteil auf (vgl. Toeller<br />
et al. 2005, S 78). Der Einsatz von Fertigmüslimischungen birgt die Gefahr einer zu<br />
hohen Zuckerzufuhr. Beson<strong>der</strong>s wenn, die Mischungen reich an Dörrobst o<strong>der</strong><br />
Schokolade sind, o<strong>der</strong> dem Müsli zusätzlich Zucker zugesetzt ist. Die<br />
Verzehrsmenge von isoliertem Zucker ist zu vernachlässigen, da Frau R.E. warme<br />
Getränke, Cremen, Puddings und Joghurtdesserts immer mit Süßstoff süßt (vgl.<br />
Toeller et al. 2005, S 85). Die Hühner- o<strong>der</strong> Rindsuppe entspricht mit vier bis fünf<br />
BE Nudeln einer bedarfsangepassten Mahlzeit (vgl. Toeller et al. 2005, S 81). Die<br />
Telleraufteilung im Sinne von 50% Gemüse, 25% Fisch o<strong>der</strong> Fleisch und 25%<br />
Getreide- und Getreideprodukte ist in Ordnung (vgl. Kluthe et al. 2004, S 246).<br />
Positiv zu vermerken ist, dass die Patientin den Fleischkonsum unter drei Mal pro<br />
Woche hält und mindestes zwei mal pro Woche einen heimischen Süßwasserfische<br />
isst (vgl. Toeller et al. 2005, S 81). Obwohl die Patientin sehr reichlich Gemüse in<br />
9
ausschließlich gekochter Form zu sich nimmt, entspricht die Menge nicht den<br />
Empfehlungen von drei Mal Gemüse o<strong>der</strong> Salat am Tag (vgl. Toeller et al. 2005, S<br />
83). An den Tagen, an denen sie keine warme Hauptmahlzeit zu Mittag einnimmt,<br />
verläuft die Mahlzeitenaufteilung nicht sehr günstig. Da sie nur Streichkäse<br />
verwendet, scheint sie Lebensmittelauswahl sehr einseitig. Es ist anzunehmen,<br />
dass <strong>der</strong> Fettanteil, vor allem wenn sie noch Butter verwendet, zu hoch liegt (vgl.<br />
Toeller et al. 2005, S 78). Wenn zum Frühstück Marmelade o<strong>der</strong> Honig als<br />
Brotbelag gewählt wird, sollte Mittags darauf verzichtet werden, da sonst <strong>der</strong><br />
Fruchtzuckeranteil zu hoch ist (vgl. Toeller et al. 2005, S 85). Der Einsatz von Obst<br />
o<strong>der</strong> Obsterzeugnissen als Dessert kann durchaus beibehalten werden. Die<br />
Obstverzehrsmenge insgesamt über den Tag verteilt liegt aber mit bis zu fünf Stück<br />
über den empfohlenen Mengen. Der Anteil an komplexen Kohlenhydraten liegt im<br />
empfohlenen Bereich, da sie bevorzugt Vollkornprodukte zu sich nimmt (vgl. Toeller<br />
et al. 2005, S 84). Die tägliche Trinkmenge liegt mit 1,5 Liter im unteren<br />
Normbereich. Positiv zu vermerken ist, dass Frau R.E. bevorzugt Wasser- und<br />
Mineralwasser, ungezuckerte Tees und sehr selten Obstsäfte und Limonaden als<br />
Durstlöscher einsetzt (vgl. Toeller et al. 2005, S 85).<br />
10
3 Planung <strong>der</strong> Ernährungstherapie<br />
3.1 Bedarfsberechnung und Kostform<br />
Der Grundumsatz wird mittels Harris Benedict Formel (RU(kcal)=655,1+9,56<br />
KG+1,85 H-4,68 A) errechnet und ergibt einen täglichen Kalorienbedarf von 1608,3<br />
kcal (vgl. Elmadfa 2004, S 63). Als Leistungsumsatz wird ein Physical activity level<br />
von 1,4 für sitzende Tätigkeit mit wenig anstrengenden Freizeitaktivitäten, also<br />
leichte Tätigkeit, angenommen, was einen Leistungsumsatz von 2251,6 kcal ergibt<br />
(vgl. Schau<strong>der</strong> 2006, S 202 sowie ÖGE 2001, S 27). Der tägliche Flüssigkeitsbedarf<br />
liegt mit einer Berechnung von 20 ml pro kg Körpergewicht pro Tag bei 2 Liter<br />
Flüssigkeit (vgl. Schau<strong>der</strong> 2006, S 218). Die Broteinheiteinverteilung ist jeweils zu<br />
den Hauptmahlzeiten, in <strong>der</strong> Früh, zu Mittag und am Abend fünf BE, was eine<br />
Tagessumme von 15 BE, also 1500 kcal ergibt. Hier wurde ein Energiedefizit von<br />
500 kcal ausgehend von einem Kalorienverbrauch von 30 kcal pro kg<br />
Körpergewicht berücksichtigt (vgl. Schau<strong>der</strong> 2006, S 707).<br />
Frau E.R. erhält während des stationären Aufenthaltes an <strong>der</strong> Christian-Doppler-<br />
Klinik Stoffwechseldiät mit berechneten BE. Diese Kostform eignet sich für<br />
Diabetiker mit intensivierter Insulintherapie. Es handelt sich hierbei um eine<br />
Mischkost nach dem Prinzip <strong>der</strong> Vollkost laut Rationalisierungsschema (vgl. Kluthe<br />
et al. 2004, S 246). Hierbei wird beson<strong>der</strong>s Augenmerk auf den Purin- und<br />
Fettgehalt <strong>der</strong> Speisen gelegt. Außerdem sind die Gerichte regional und saisonal<br />
um eine optimale Vitamin- und Mineralstoffzufuhr zu gewährleisten. Auf<br />
Haushaltszucker wird hier vollständig verzichtet. Alle Kuchen, Kompotte o<strong>der</strong><br />
Fruchtmuse werden ausschließlich mit Süßstoff gesüßt. Schnell aufschließbare<br />
Zucker werden durch komplexe Kohlenhydrate ausgetauscht. So werden als<br />
Beilage z.B. Vollkorn- o<strong>der</strong> Vollkornserviettenknödel und zum Frühstück und<br />
Abendessen Vollkornbrot angeboten. Auf individuelle Bedürfnisse wird bei <strong>der</strong><br />
Bestellung des Essens eingegangen. Die Patientin erhält insgesamt 15 BE pro Tag.<br />
Die Energiezufuhr entspricht mit circa 1500 kcal pro Tag einer Reduktionskost für<br />
diese Patientin (vgl. Kluthe et al. 2004, S 247).<br />
11
Die Menübestellung im Essensbestellsystem an <strong>der</strong> Christian-Doppler-Klinik wird<br />
von <strong>der</strong> Diätologie vorgenommen, um eine genaue Aufteilung <strong>der</strong> BE zu<br />
garantieren. Die Patientin wird angehalten keine zusätzlichen Mahlzeiten zu sich<br />
zu nehmen.<br />
3.2 Behandlungsziel<br />
Das ernährungsmedizinische Behandlungsziel <strong>der</strong> Diätologie als auch des<br />
Ärzteteams ist es, die Blutzuckereinstellung zu optimieren. Das heißt einen HbA1c-<br />
Wert von 6,5 mg % anzustreben, um Folgeschäden zu vermeiden beziehungsweise<br />
die bereits manifeste Polyneuropathie nicht weiter fortschreiten zu lassen (ÖDG<br />
2009, S 9). Das soll durch eine auffrischende Diabetesschulung passieren. Geplant<br />
ist die Teilnahme an einer Gruppenberatung zum Thema „Gesunde Ernährung“ mit<br />
anschließenden Einzelberatungen mit dem Schwerpunkt „Ernährungsumstellung bei<br />
Diabetes Mellitus Typ II“ und einer kurzen Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> richtigen Einschätzung<br />
von BE <strong>der</strong> Speisen und das sich daraus ergebende Berechnen <strong>der</strong> genauen<br />
Insulindosis, sowie die Korrektur eines zu hohen o<strong>der</strong> zu niedrigen Blutzuckers.<br />
Auch die Insulinreduktion bei Bewegung wird besprochen. Außerdem werden die<br />
Erkennung und Maßnahmen bei einer Hypoglykämie wie<strong>der</strong>holt. Der theoretische<br />
Hintergrund <strong>der</strong> Basis- Bolustherapie wird an Hand von anschaulichen<br />
Blutzuckerkurven verdeutlicht, um die Patientin zur Einsicht zu bringen, dass<br />
Insulindosen nicht eigenverantrwortlich dosiert werden dürfen. Die dreimonatigen<br />
Kontrollen des HbA1c beim Hausarzt sollen beibehalten werden. Bei wie<strong>der</strong>holten<br />
Entgleisungen ist ein Kuraufenthalt in einer Institution mit Schwerpunkt Diabetes<br />
angedacht (ÖDG 2009, S 25).<br />
3.3 Patientenziel<br />
Von Seiten <strong>der</strong> Patientin ist das Ziel das Basalinsulin richtig zu dosieren, um den<br />
Blutzucker im Normbereich halten zu können. Dadurch können<br />
Blutzuckerschwankungen und Hypos vermieden werden. Sie möchte zu Hause<br />
wie<strong>der</strong> drei regelmäßige Mahlzeiten zu sich nehmen und den Verzehr von<br />
Süßigkeiten minimieren.<br />
12
Um das Idealgewicht zu erreichen muss Frau E.R. 35 kg abnehmen. Da sich die<br />
Umsetzung als sehr schwierig gestaltet, fühlt sie sich nicht in <strong>der</strong> Lage dieses Ziel<br />
zu erfüllen. Somit einigt sich die Patientin gemeinsam mit <strong>der</strong> Diätologie auf ein zu<br />
erreichendes Gewicht von 80 kg. Diese Zielvereinbarung kann aus<br />
ernährungsmedizinischer Sicht ebenfalls gut vertreten werden.<br />
3.4 Ernährungsmedizinische Intervention<br />
Es sollen vermehrt Vollkornprodukte zum Einsatz kommen. Der Ballaststoffanteil<br />
soll durch Gemüse und gekochte Salate mit Gemüsesorten, die für die leichte<br />
Vollkost geeignet sind, erhöht werden. Die Ballaststoffaufnahme soll bei mehr<br />
als 40% liegen (vgl. Toeller et al. 2005, S 83). Beson<strong>der</strong>s wenn die<br />
Kohlenhydrataufnahme bis 60% <strong>der</strong> Gesamtenergie liegt, ist es beson<strong>der</strong>s<br />
wichtig auf Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index zu achten. Menge<br />
und Art <strong>der</strong> Kohlenhydrate muss auf die Basis- Bolustherapie angepasst werden<br />
(vgl. Toeller 2005, S 81). Der Anteil an isoliertem Zucker und Fructose muss<br />
reduziert werden. Eine Fructoseaufnahme von bis zu 30 g pro Tag ist<br />
akzeptabel. Schnell aufschließbare Kohlenhydrate (Honig, Kristallzucker,<br />
Marmelade, Fruchtsäfte, Dörrobst etc.) sollen eingeschränkt werden. Die<br />
Patientin soll eine Aufnahme freier Zucker 10% <strong>der</strong> Gesamtenergie nicht<br />
überschreiten (vgl. Toeller 2005, S 85). Somit soll die morgendliche<br />
Kohlenhydratzufuhr auf zwei Scheiben Vollkornbrot und einem Esslöffel Müsli<br />
beschränken. Um den Zuckerkonsum niedrig zu halten, soll Fertigmüsli gegen<br />
Naturflocken ohne Zusätze ausgetauscht werden. Als Brotbelag eignet sich<br />
pflanzliche Margarine und Diabetikermarmelade. Der süße Aufstrich soll von einem<br />
Esslöffel auf einen Teelöffel reduziert werden. Bei <strong>der</strong> Zubereitung des Müslis soll<br />
in Zukunft ein mageres Naturjoghurt verwendet werden. Zum Süßen kann Süßstoff<br />
verwendet werden. Dieser soll auf alle Fälle weiterhin auch zum Süßen aller<br />
warmen Getränke, Cremen, Pudding und Joghurtdesserts verwendet werden. Es<br />
kann weiterhin Obst als Dessert eingesetzt werden. Allerdings soll die<br />
Verzehrsmenge von zwei Stück Obst am Tag nicht überschritten werden.<br />
13
Obstsorten mit hohem Fruchtzuckergehalt wie überreife Bananen, Weintrauben,<br />
Marillen o<strong>der</strong> Zwetschken sollen immer Handteller groß sein.<br />
Fettarmen Lebensmittel, insbeson<strong>der</strong>e Milch- und Milchprodukte mit niedrigem<br />
Fettgehalt und fettreduzierte Wustwaren sollen vermehrt in den Speiseplan<br />
eingebaut werden, da die Gesamtfettaufnahme nicht über 35% <strong>der</strong><br />
Gesamtenergie liegen darf. Gesättigte Fettsäuren sollen weitgehend gemieden<br />
werden. Sie sollen zusammen mit trans-ungesättigten Fettsäuren unter 10% <strong>der</strong><br />
Gesamttagesenergie liegen. Bei erhöhten LDL- Werten kann eine Aufnahme von<br />
8% nützlich sein. Pflanzliche Öle, welche reich an einfach und mehrfach<br />
ungesättigten Fettsäuren sind die günstigsten Fettlieferanten. Einfach<br />
ungesättigte Fettsäuren können bis 20% <strong>der</strong> Gesamtenergie ausmachen (vgl.<br />
Toeller 2005, S 78). Zubereitungsarten wie dünsten o<strong>der</strong> braten in wenig<br />
Pflanzenöl sollen bevorzugt werden. Die Patientin soll daher weiterhin den<br />
Fleischkonsum gegenüber dem Fischkonsum nie<strong>der</strong> halten. Als Maßnahme um den<br />
Anteil an protektiven Omega-3-Fettsäuren zu erhöhen soll eine Portion heimischer<br />
Süßwasserfisch gegen einen fetten Meeresfisch wie Thunfisch, Lachs, Makrele<br />
o<strong>der</strong> Hering ausgetauscht werden. An Tagen an denen zu Mittag die warme<br />
Mahlzeit ausfällt und durch eine kalte Jause ersetzt wird, soll vor allem ein<br />
Augenmerk auf die Fettzufuhr gelegt werden. Es soll nicht nur Streichkäse als<br />
Brotbelag verwendet werden. Als Alternative eignen sich fettarme Wurstsorten wie<br />
Schinken, Bündnerfleisch o<strong>der</strong> kalter Braten. Bei Käse soll <strong>der</strong> Fettgehalt nicht über<br />
35% Fett in <strong>der</strong> Trockenmasse liegen. Auch hier soll wie beim Frühstück ein fein<br />
vermahlenes Vollkornbrot, Grahambrot o<strong>der</strong> Sauerteigbrot zum Einsatz kommen.<br />
Hierbei kann <strong>der</strong> glykämische Index beziehungsweise die glykämische Last und die<br />
Leichte Vollkost berücksichtigt werden.<br />
Der Verzehr von Gemüse, in ausschließlich gekochter Form, ist im Sinne einer<br />
leichten Vollkost durch den Morbus Osler diätetisch gut vertretbar. Die Patientin soll<br />
weitgehend auf schwer verdauliche Gemüsesorten wie Kraut- und Kohlgemüse und<br />
Hülsenfrüchte verzichten. Da durch den Verzicht von Gemüse als Rohkost die<br />
Empfehlung von drei mal täglich Gemüse und Salat nicht eingehalten werden kann,<br />
14
sind Salate in gekochter Form wie zum Beispiel gekochter Karotten-, Sellerie- o<strong>der</strong><br />
Roter Rübensalat eine perfekter Ersatz. Als Alternative zu Vollkornbrot wird ihr ein<br />
fein vermahlenes Vollkornbrot, Grahambrot o<strong>der</strong> Sauerteigbrot angeboten. Generell<br />
soll das Brot für eine gute Verträglichkeit altbacken sein.<br />
15
4 Umsetzung des ernährungsmedizinischen Therapiekonzeptes<br />
An <strong>der</strong> Suizidprävention Station wird für alle Patientin als Pflichtveranstaltung eine<br />
Gruppenberatung zum Thema „Gesunde Ernährung“ von <strong>der</strong> Diätologie angeboten.<br />
In dieser Veranstaltung werden die Grundzüge <strong>der</strong> gesunden Ernährung mit <strong>der</strong><br />
Lebensmittelpyramide nach den Leitlinien <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für<br />
Ernährungsmedizin mittels einer Power- Point Präsentation gelehrt und dauern 50<br />
Minuten. Weiters werden beispielsweise mittels Verpackungsmaterial von<br />
Lebensmitteln Vergleiche im Fett- und Zuckergehalt demonstriert. Spielerisch wird<br />
zum Beispiel anhand von leeren Limonadenflaschen o<strong>der</strong> Saftpackungen gezeigt<br />
wie viel Zucker in einem Liter Getränk ist.<br />
Patienten mit ernährungsrelevanten pathologischen Werten (Cholesterin, Glucose<br />
nüchtern, HbA1c, Harnsäure) erhalten eine vertiefende ernährungsmedizinische<br />
Beratung im Ausmaß von 15 bis 30 Minuten. In <strong>der</strong> Beratung wird auf individuelle<br />
diätetische Indikationen des Patienten eingegangen. So wird im Fall von Frau E.R.<br />
beim ersten Termin eine ausführliche Ernährungsanamnese durchgeführt. Da<br />
anamnestisch festzuhalten ist, dass die Patientin korrekt<br />
Broteinheiteinberechnungen durchführen kann und keine Probleme beim Insulin<br />
spritzen o<strong>der</strong> Blutzuckermessen hat, wird eine BE- und<br />
Blutzuckermessungsschulung nicht für notwendig erachtet und somit nicht<br />
eingeplant.<br />
Beim Anamnesegespräch am 16.02. kommt wie bereits erwähnt heraus, dass sich<br />
die Patientin das Basisinsulin selbst anpasst. Da bereits ein internistisches Konsil<br />
ausgeschrieben ist und laut Bericht keine Abän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Insulindosis geplant<br />
sind, fand ein interdisziplinäres Beratungsgespräch zwischen Diätologie und<br />
Internisten statt. Beim Arztgespräch ist scheinbar nicht aufgefallen, dass die<br />
Insulindosis nicht klar festgelegt ist. Der Internist schil<strong>der</strong>t, dass die Angaben <strong>der</strong><br />
Patientin sehr plausibel sind. In Folge dessen wurde die Insulindosis vom<br />
Internisten neu festgelegt. So wurde das basale Insulin mit morgens 6 I.E.<br />
16
festgehalten und das schnell wirksame Insulin mit 2 I.E. pro BE. Die Patientin wird<br />
angehalten über eine Woche bis zum Kontrolltermin ein Blutzuckertagesprofil zu<br />
führen. Aus diätologischer Sicht wird eine Gesamtenergiemenge von 1500 kcal pro<br />
Tag fixiert. Gemeinsam wird entschieden, dass die BE morgens zu mittag und<br />
abends fünf BE betragen sollen, da das Einnehmen von Zwischenmahlzeiten<br />
hin<strong>der</strong>lich bei <strong>der</strong> Gewichtsabnahme ist. Sollte die Patientin nicht zurechtkommen,<br />
kann sie eigenverantwortlich auf eine Aufteilung von drei BE früh, mittags und<br />
abends mit Zwischenmahlzeiten am Vor- und Nachmittag zu je zwei BE umstellen.<br />
17
5 Ernährungsmedizinische Beratung / Schulung<br />
Die ernährungsmedizinischen Beratungen finden stationär statt. Die<br />
Suizidpräventionsstation verfügt über einen Aufenthaltsraum. Der Raum ist in sehr<br />
freundlichen Farben gestaltet und hat eine lichtdurchflutete Loggia. Frau E.R. bekommt<br />
eine Diabetesschulung, die aus einer Gruppenberatung und drei Einzelberatungen<br />
zusammengestellt ist.<br />
Begonnen wird mit einer Gruppenberatung zum Thema „Gesunde Ernährung“. Hier<br />
werden die ernährungsmedizinischen Grundzüge, anhand <strong>der</strong> Lebensmittelpyramide<br />
vermittelt. Das erste Einzelberatungsgespräch am 16.02.2010 dauert 50 Minuten. Es<br />
wird die Pathogenese des Diabetes, <strong>der</strong> Glucosestoffwechsel und die Insulinwirkung im<br />
Körper als auch die Spätschäden eines gestörten Zuckerstoffwechsels erklärt. In diesem<br />
Zusammenhang wird lange auf die Theorie <strong>der</strong> Basis- Bolustherapie eingegangen, da<br />
sich die Patientin wie bereits erwähnt die Basisinsulindosis selbst anpasst. Anhand von<br />
Broteinheitenberechnungsbeispielen geht hervor, dass sich Frau E.R. durch bereits<br />
absolvierte Diabetesschulungen bei diversen Kuraufenthalten bestens auskennt. Daher<br />
wird kein Modul zu diesem Thema angesetzt. Bei <strong>der</strong> Inspektion <strong>der</strong> Bauch- und<br />
Oberschenkelregion sind keine Spritzfehler anamnestisch festzuhalten. Auch eine<br />
Blutzuckermessschulung wird nicht geplant. Bei <strong>der</strong> zweiten Einzelberatung wird das<br />
Thema „Ernährungsumstellung bei Diabetes Mellitus Typ II“ behandelt. Dabei wird die<br />
gesunde Ernährung wie<strong>der</strong>holt, Lebensmittel und Getränke, die den Blutzucker<br />
ansteigen lassen und solche die es nicht tun, cholesterinreiche Lebensmittel und die<br />
Mahlzeitenverteilung durchgenommen. Außerdem werden die Beson<strong>der</strong>heiten bei <strong>der</strong><br />
Ernährung mit Insulin, beim Essen im Restaurant, bei langen LKW- Fahrten und bei<br />
depressiven Phasen durchgenommen. Eine frühe Erkennung von Hypoglykämien mit<br />
dementsprechen<strong>der</strong> Maßnahmenplanung werden besprochen. Die Beratung dauert<br />
ebenfalls 50 Minuten. Bei <strong>der</strong> letzten Beratung vor <strong>der</strong> Entlassung wird nach<br />
Umstellung <strong>der</strong> Insulindosis gemeinsam mit <strong>der</strong> Patientin das Blutzuckerprotokoll<br />
durchgesehen, Unsicherheiten werden geklärt. Frau E.R. wird darüber aufgeklärt, dass<br />
sie alle drei Monate ihren HbA1c- Wert kontrollieren soll und einmal im Jahr zur<br />
Fußinspektion und zum Augenarzt gehen sollte (ÖDG 2009, S 25).<br />
18
Frau E.R. zeigt sich beim Erstkontakt zu Beginn eher zurückhaltend und<br />
verunsichert. Im Laufe des Gespräches zeigt sie immer mehr Interesse. Beson<strong>der</strong>s<br />
als ihr Hintergrund und Handling <strong>der</strong> Basis- Bolustherapie erklärt werden. Beim<br />
zweiten Termin zeigt sie sich in einem deutlich besseren Allgemeinzustand. Zu<br />
diesem Zeitpunkt erfolgt eine Medikamentenumstellung und sie berichtet von einem<br />
guten verlaufendem Therapiegespräch.<br />
19
6 Abschließende Arbeiten<br />
6.1 Evaluierung<br />
Die Patientin wird während eines stationären Aufenthaltes an <strong>der</strong><br />
Suizidpräventionsstation wegen ihres pathologischen Langzeitzuckerwertes dem<br />
Internisten und <strong>der</strong> Diätologie vorgestellt. Demnach erfolgt durch den Arzt die<br />
Optimierung <strong>der</strong> Insulindosis, da hervorgeht, dass die Patientin zur Abdeckung <strong>der</strong><br />
Basalrate sehr unterschiedliche Dosen Insulin verabreicht. Frau E.R. erhält<br />
außerdem ein Korrekturschema. Seitens <strong>der</strong> Diätologie wird die Kostform von<br />
Normalkost auf ein stoffwechseltaugliches Menü laut Rationalisierungsschema<br />
umgestellt. Es erfolgt eine Anpassung <strong>der</strong> Kohlenhydratzufuhr an das<br />
Spritzschema. Es werden ihr morgens, mittags und abends in Absprache mit dem<br />
Internisten je fünf BE angeboten. Die Patientin wird angehalten die 1500 kcal pro<br />
Tag aufzuessen, damit sie sich nicht unter ihrem Grundumsatz ernährt und somit<br />
die Fettverbrennung optimal funktioniert. Sollte sie zu einer Mahlzeit die<br />
vorgegebene Menge nicht schaffen, kann sie eigenverantwortlich auf drei BE bei<br />
den Hauptmahlzeiten reduzieren und Zwischen- und Spätmahlzeiten zu je zwei BE<br />
einbauen. Weitere ernährungstherapeutische Maßnahmen sind die Teilnahme an<br />
einer Gruppenberatung, zwei Einzelberatungen und einem Abschlussgespräch. In<br />
<strong>der</strong> Gruppenberatung werden die Grundlagen <strong>der</strong> gesunden Ernährung gelehrt. Das<br />
Erstgespräch beinhaltet eine ausführliche Ernährungsanamnese. Der ausführlichste<br />
Teil, die Ernährungsumstellung bei Diabetes Mellitus Typ II zum zweiten<br />
Einzelgespräch bildet den Kern <strong>der</strong> Ernährungstherapie. Im Abschlussgespräch<br />
wird die Patientin über die Wichtigkeit von regelmäßigen Kontrollterminen<br />
aufgeklärt. Die Kontrolle des Blutzuckertagesprofils nach einer Woche stationärem<br />
Aufenthalt zeigt eine deutliche Verbesserung <strong>der</strong> Glucosewerte. Frau E.R. freut<br />
sich über den Therapieerfolg und zeigt sich sehr motiviert.<br />
Die durchgeführten ernährungsmedizinischen Beratungen sind sehr gut verlaufen.<br />
Anfänglich zeigte sich die Patientin eher distanziert. Bisher war sich Frau E.R. über die<br />
Tragweite eines langjährigen Diabetes Mellitus Typ II meiner Meinung nach nicht<br />
20
ewusst. Die Betreuung beim Hausarzt verlief meinem Eindruck nach nicht optimal.<br />
Trotz erhöhter HbA1c- Werte wurden keine Maßnahmen gesetzt. Die ausgehändigte<br />
Informationsbroschüre mit <strong>der</strong> Empfehlung 1000 kcal pro Tag zu sich zu nehmen, um<br />
Gewicht zu reduzierten, entspricht absolut nicht den empfohlenen Leitlinien. Durch die<br />
ausführliche Aufklärung über Spätfolgen und Funktion <strong>der</strong> Basis- Bolustherapie wurde<br />
bei <strong>der</strong> Patientin Interesse und Eigenverantwortlichkeit gegenüber ihrem Diabetes<br />
geweckt. Mit je<strong>der</strong> Folgeberatung konnte die Patientin mehr motiviert werden. Durch die<br />
neue Dosierung <strong>der</strong> Insuline, genaue Broteinheitenverteilung des stationären Essens<br />
und regelmäßigen Selbstkontrollen <strong>der</strong> Blutzuckerwerte konnte Frau E.R. selbst die<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Werte sehen, was sie wie<strong>der</strong>um bestärkte konsequenter ihren<br />
Diabetes zu managen.<br />
6.2 Dokumentation<br />
Am 4. Februar 2010 findet <strong>der</strong> erste Teil einer Ernährungsberatung in <strong>der</strong> Gruppe zum<br />
Thema „Gesunde Ernährung“ statt, bei <strong>der</strong> Frau E.R. teil nimmt. Den zweiten Teil<br />
besucht sie zwei Wochen später am 18. Februar. Im ersten Teil werden allgemein das<br />
Thema „Adipositas und Stoffwechselstörungen“ behandelt. Es werden anhand <strong>der</strong><br />
Lebensmittelpyramide die Themen Getränke, Obst, Gemüse und Salat, Getreide,<br />
Getreideprodukte und Milch- und Milchprodukte dargestellt. Durch<br />
Anschauungsmaterialien und Schätzspiele wird vor allem näher auf das Thema<br />
Lipidzufuhr und Fettmodifikation eingegangen. Im zweiten Abschnitt werden die Kapitel<br />
Fleisch und Wurstwaren, Eier, Fette und Öle sowie Süßigkeiten behandelt.<br />
Abschließend wird auf die Pathologie und ernährungsmedizinische Intervention von<br />
Hyperlipidämie und Diabetes eingegangen. Am 15. Februar ist die Patientin trotz<br />
Terminvergabe nicht anwesend, da sie im Qui Gong Kurs teilt nimmt. Am 16. Februar<br />
kommt es zur ausführlichen Ernährungsanamnese. Vorab wird am 15. Februar<br />
telefonisch mit dem behandelnden Arzt die Insulindosis und Zufuhr <strong>der</strong> BE fixiert. Der<br />
Patientin wird am 15. Februar das neue Insulinschema mit Korrekturfaktor erklärt und es<br />
erfolgt eine Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Berechnung von BE. Es folgt ein Aufklärungsgespräch<br />
über die Stoffwechseldiät und Aufteilung <strong>der</strong> BE. Durch die Diätologie passiert die<br />
Umstellung <strong>der</strong> Kostform von Vollkost auf Stoffwechseldiät. Die Menüwahl wird von <strong>der</strong><br />
Diätologin ins Bestellsystem eingegeben, um die genaue Zufuhr von fünf BE morgens,<br />
21
zu mittag und abends zu kontrollieren. Im Anschluss an die Gruppenberatung am 18.<br />
Februar findet <strong>der</strong> ausführlichste Teil, die eigentliche ernährungsmedizinische Beratung,<br />
statt. Dem diätologischen Dokumentationsbericht ist zu entnehmen, dass gesättigte und<br />
trans- ungesättigte Fettsäuren zusammen unter 10% <strong>der</strong> Gesamtenergie liegen sollen.<br />
Öle, die reich an einfach ungesättigten Fettsäuren sind günstige Fettlieferanten. Der<br />
Verzehr von zwei bis drei Portionen Fisch (bevorzugt fetter Meeresfisch) pro Woche und<br />
pflanzliche Lieferanten von n-3-Fettsäuren (z.B. Rapsöl, Nüsse und einige grünblättrige<br />
Gemüse) hilft eine angemessene Aufnahme von n-3-Fettsäuren sicherzustellen . Die<br />
Aufnahme von Cholesterin soll 300 mg pro Tag nicht überschreiten und weiter reduziert<br />
werden, wenn das LDL- Cholesterin erhöht ist. Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst und<br />
Getreideprodukte aus vollem Korn sollen Bestandteil <strong>der</strong> Kost sein. Die<br />
Ballaststoffmenge soll Idealerweise bei mehr als 40 g pro Tag liegen. Auf stärkereiche<br />
Kohlenhydrate und rasch resorbierbare Zucker, wie Haushaltszucker als Süßungsmittel,<br />
Honig und Ahornsirup muss weitgehend verzichtet werden. Eine mo<strong>der</strong>ate<br />
Alkoholaufnahme von bis zu 10 g pro Tag ist für Diabetikerinnen, die Alkohol trinken<br />
möchten, akzeptabel.<br />
6.3 Abschlussbericht<br />
Die Patientin ist insulinpflichtige Typ II Diabetikerin. Die Erstmanifestation passiert 2004<br />
durch den Hausarzt. Nach ausgereizter oraler Medikation mit Metformin und<br />
Sulfonylharnstoff wird sie 2006 erstmals mit Mischinsulin eingestellt. Auf Grund<br />
schlechter Compliance und unregelmäßiger Mahlzeitenverteilung bedingt durch<br />
Depressionen wird sie erstmals während eines Kuraufenthaltes auf Basis- Bolustherapie<br />
eingestellt. Nach eigenen Angaben stellt sie keine Berechnungen an und spritzt das<br />
Basisinsulin nach Gefühl. Durch die diätologische Betreuung an <strong>der</strong> Suizidprävention<br />
erfolgt eine auffrischende Diabetesberatung mit einem ausführlichen Ernährungsteil. Bei<br />
Erstkontakt erfolgt eine Ernährungsanamnese, auf <strong>der</strong> die Ernährungsberatung<br />
aufgebaut wird. Die Grundlagen werden durch die Teilnahme an einer Gruppenberatung<br />
zum Thema „Gesunde Ernährung“ gelehrt. In vertiefenden Einzelberatungen wird auf<br />
individuelle Ernährungsempfehlungen bei Diabetes mit Basis- Bolustherapie<br />
eingegangen. Eine Schulung zur Berechnung <strong>der</strong> BE, Hypoglykämieschulung und eine<br />
Schulung zu Blutzuckermessung wird nicht als notwendig erachtet, da sich die Patientin<br />
22
hier bestens auskennt. Während des stationären Aufenthaltes wird die Insulindosis<br />
durch den Internisten festgelegt. Die Kostform wird auf ein diabetesgerechtes<br />
Stoffwechselmenü umgestellt. Frau E. R. erhält früh, mittags und abends fünf BE. Da sie<br />
für ihren LKW- Führerschein vierteljährlich zur HbA1C- Kontrolle muss, erscheint sie<br />
regelmäßig zu den Kontrolluntersuchungen beim Hausarzt. Dieser hat sie offenbar nicht,<br />
wie empfohlen, einmal im Jahr zum Augenarzt und zur Fußinspektion überwiesen. Im<br />
diätologischen Abschlussgespräch wurde sie über notwendige Kontrolltermine<br />
informiert.<br />
6.4 Reflexion<br />
An <strong>der</strong> Christian-Doppler-Klinik gibt es keine Diabetesambulanz. Patienten mit Verdacht<br />
auf Diabetes o<strong>der</strong> manifestem Diabetes werden über ein internistisches Konsil vom<br />
Internisten untersucht. Für mich als Diätologin ist es eine Herausfor<strong>der</strong>ung auf<br />
Stationen, welche nicht als Schwerpunkt mit Diabetikern arbeiten, den Patienten optimal<br />
zu versorgen. Oft wird im Gegensatz zu internistischen Stationen beispielsweise dem<br />
Blutzuckertagesprofil o<strong>der</strong> <strong>der</strong> korrekten Broteinheitenverteilung und Insulingabe zu<br />
wenig Bedeutung beigemessen. Am Fallbeispiel Frau E.R. konnte gezeigt werden, wie<br />
erfor<strong>der</strong>lich eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Internist und Diätologe/in<br />
ist. Die ernährungsmedizinische Beratung fungiert gewissermaßen als Bindeglied<br />
zwischen <strong>der</strong> stationären Ärzteschaft und dem Internisten. Durch die supportive<br />
ernährungsmedizinische Intervention konnte eine verbessernde Blutzuckereinstellung<br />
erzielt werden. Für mich persönlich fehlt die anschließende Nachbetreuung. Es konnten<br />
lei<strong>der</strong> nur Empfehlungen bezüglich diabetischer Kontrolltermine gegen werden. Eine<br />
ambulante Nachbetreuung für unsere Diabetiker könnte in Zukunft, in Zusammenarbeit<br />
mit <strong>der</strong> internistischen Abteilung, angedacht werden.<br />
23
7 Literaturverzeichnis<br />
Arbeitsgruppe „Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr“, Frankfurt am Main: Umschau<br />
Braus GmbH, 1. Auflage; 2001<br />
Biesalski, H. et al.: Ernährungsmedizin, Stuttgart: Thieme Verlag, 3., erweiterte Auflage;<br />
2004<br />
Ibrahim, E.: Ernährungslehre, Stuttgart: Eugen Ulmer GmbH&Co; 2004<br />
Kluthe, R. et al.: Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher<br />
Ernährungsmedizin; 2004<br />
Schau<strong>der</strong>, P. et al.: Ernährungsmedizin Prävention und Therapie, München:<br />
Urban&Fischer, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage; 2006<br />
Toeller, M. et al. : Evidenz-basierte Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und<br />
Prävention des Diabetes mellitus; 2005<br />
Österreichische Diabetesgesellschaft: Leitlinien Diabetes Mellitus für die Praxis<br />
Kurzfassung, überarbeitete und erweiterte Ausgabe; 2009<br />
Internet<br />
www.Adipositas-gesellschaft.de, Juni 2010<br />
24