Forschungsbericht
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Praktische Empfehlungen<br />
diese Punkte vorzubringen, enttäuscht oder nicht ernst genommen. Es ist empfehlenswert,<br />
als Verhandlungsführer jemanden einzusetzen, der vor allem als zuverlässiger<br />
Gesprächspartner fungieren kann. Kurz gesagt, jemanden, der etwas für den<br />
Täter tun kann und der ihn ernst nimmt. Insgesamt scheint ein eher geschäftsmäßiges<br />
Vorgehen mit besonderem Augenmerk auf inhaltliche Aspekte eine positive<br />
Wirkung zu haben.<br />
Die kriminelle Belagerung<br />
Ungeachtet der Tatsache, dass die kriminelle Belagerung meistens nicht geplant ist,<br />
ähnelt diese Art von Geiselnahme einer geschäftlichen Transaktion, vergleichbar<br />
einer instrumentalen Verhandlungssituation. Es fällt auf, dass die Anfangsphase<br />
häufig nur geringe Kontakte zwischen der Polizei und dem Geiselnehmer aufweist,<br />
wie dies auch bei der idealistischen Belagerung der Fall ist. Dafür gibt es offensichtlich<br />
zwei Gründe: In dieser Phase konzentriert sich der Geiselnehmer darauf, die<br />
Lage unter Kontrolle zu bringen, und er ist misstrauisch gegenüber der Polizei. In<br />
dieser Zeit besteht ein beträchtliches Risiko, dass die Opfer misshandelt werden.<br />
Beunruhigend ist, dass es keine spezielle Einflussstrategie des Verhandlungsführers<br />
gibt, die die Gefahr der Einschüchterung durch den Geiselnehmer vergrößert oder<br />
verringert. Dies unterstreicht die Unberechenbarkeit eines aggressiven, einschüchternden<br />
Verhaltens des kriminellen Geiselnehmers.<br />
Die folgenden konkreten Einflussstrategien erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer<br />
erwünschten Reaktion:<br />
• Gleichberechtigung (Betonung von gemeinsamen Interessen und<br />
gegenseitigen Abhängigkeiten)<br />
• direkter Druck (neutrales, aber beharrliches Vorgehen).<br />
Im Hinblick auf unerwünschte Reaktionen stellen wir fest, dass Tauschverhalten ein<br />
instrumental-kompetitives Verhalten auszulösen scheint, in Form des Auferlegens<br />
einer Beschränkung. Auch Freundlichkeit ist einer positiven Reaktion nicht förderlich,<br />
sondern führt vielmehr zu einer festeren Position des Geiselnehmers, indem er seine<br />
Glaubwürdigkeit in Bezug auf die mit der Position verbundene Macht betont.<br />
Andererseits zeigt eine stärker instrumentale und kompetitive Haltung des Verhandlungsführers<br />
auch wenig Wirkung; sie scheint lediglich zu einer Wiederholung<br />
der Standpunkte zu führen. Kurzum, man sollte sich bei Interaktionen mit kriminellen<br />
Geiselnehmern bewusst sein, dass bei einer zu weichen Haltung die Gefahr der<br />
Ausnutzung und bei einer zu kompetitiven Haltung die Gefahr der Eskalation besteht.<br />
Es ist offensichtlich besser, auf neutrale Weise beharrlich zu sein, um klar die eigene<br />
Position darzulegen und, falls möglich, gemeinsame Interessen und gegenseitige<br />
Abhängigkeiten herauszustellen.<br />
1.3 Opfer von Belagerungen<br />
Die Befragungen ehemaliger Geiseln zeigen eindeutig, dass die Betreuung der<br />
Geiseln wichtig ist. Die Erfahrungen zeigen, dass Verhandlungsführer manchmal<br />
dazu neigen, sich in erster Linie auf den Geiselnehmer zu konzentrieren. Dies ist<br />
verständlich, da der Verhandlungsführer mit dieser Person zu einer Lösung gelangen<br />
muss. Ist ein Opfer am Telefon – dies kommt regelmäßig vor – und verhält es sich<br />
emotional und schwer lenkbar, ist der Verhandlungsführer rasch geneigt, dies als<br />
umständlich zu erachten. Er strebt an, so schnell wie möglich wieder mit dem Täter<br />
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