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Forschungsbericht

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Die Perspektive der Opfer<br />

zu mitbetroffenen Opfern erwähnen. Es ist möglich, dass die Opfer vor allem ihr<br />

Bedürfnis an interpersonellem Kontakt durch Kommunikation mit mitbetroffenen<br />

Opfern decken, anstatt Kontakt mit dem/den Täter(n) zu suchen.<br />

4.5 Standpunkte von Familienangehörigen von Entführungsopfern<br />

Im Folgenden werden die polizeilichen Maßnahmen auf der Grundlage der Aussagen<br />

von Familienangehörigen von Entführungsopern erörtert, die an den Verhandlungen<br />

als Vermittler beteiligt waren und folglich umfangreiche Kontakte mit der Polizei<br />

hatten. Familienangehörige erwähnen vor allem das Gefühl der Verantwortung, das<br />

sie hatten. Ein Familienangehöriger drückte dies folgendermaßen aus: „Man denkt<br />

über alles Mögliche nach (...). Schließlich entscheidet man ja, wie die Dinge laufen<br />

werden, und man fühlt sich voll und ganz dafür verantwortlich. Man entscheidet<br />

tatsächlich über das Leben eines anderen Menschen.“ Auch Gefühle der<br />

Unsicherheit spielen eine Rolle, wie die folgende Aussage zeigt: „Anfangs hatten wir<br />

einen Verdacht, dass er verschwunden war, aber wir waren uns nicht sicher. Offiziell<br />

war er noch immer auf einer Reise, aber wir hatten seit einigen Tagen keine E-Mails<br />

mehr erhalten. Wir wussten, dass etwas passiert war, weil das nicht normal war.“<br />

Familienangehörige gaben auch an, dass es wichtig war, von der Polizei Unterstützung<br />

zu erhalten. Ein Familienangehöriger sagte beispielsweise: „Die Polizei<br />

brachte am Abend chinesisches Essen mit; man denkt selbst gar nicht ans Essen.<br />

Ein anderes Familienmitglied sagte: „Es ist nett, dass ein Außenstehender dich auf<br />

den Boden der Tatsachen zurückbringt und dir Mut macht. Sie sind sehr oft hierher<br />

gekommen und haben uns wirklich unterstützt; sie haben uns wirklich geholfen, dass<br />

wir den Mut nicht verloren haben.“<br />

Erwähnt wurde auch die Bedeutung der fachlichen Kompetenz der Verhandlungsführer.<br />

Jemand meinte: „Sie waren sehr hilfreich für uns, sie konnten auf ihre<br />

Erfahrungen zurückgreifen (...). Man könnte sagen, sie waren unsere Psychologen,<br />

an die man sich immer wenden konnte, wenn was falsch lief.“<br />

Die folgenden Bemerkungen zeigen auch, dass es nicht nur auf guten Sachverstand<br />

ankommt: „Der Verhandlungsführer erklärte mir gut, was ich zu sagen hatte. Wir<br />

haben verschiedene Szenarien durchgespielt.“ Eine andere Person äußerte sich<br />

ähnlich: „Wie haben gleich mit der Polizei besprochen, was bei einem Anruf zu tun<br />

wäre, was wir zu tun hätten und was die Polizei tun würde.“<br />

Trotz der Tatsache, dass die befragten Familienangehörigen im Allgemeinen mit dem<br />

Vorgehen der Polizei zufrieden waren, berichteten sie auch über zahlreiche weniger<br />

positive Aspekte. Negative Erfahrungen mit der Polizei sind oft mit der Tatsache<br />

verbunden, dass die Polizei Informationen zurückhielt. Dies kann u. a. dazu führen,<br />

dass die Opfer nicht das Gefühl haben, die Polizei würde tatsächlich Maßnahmen<br />

ergreifen. Ein indirektes Opfer drückte dies folgendermaßen aus: „Sie waren recht<br />

langsam am Telefon; wir hatten den Eindruck, dass sie nicht viel unternommen<br />

haben.“ Eine andere Person sagte: „Wir erhielten kaum Informationen über die<br />

Fortschritte der Polizei. Wir hatten den Eindruck, dass die Polizisten mehr wussten,<br />

als sie sagten, und dass sie uns bestimmte Informationen vorenthielten.“<br />

Die Aussagen von Familienangehörigen in Bezug auf die Vorgehensweise der<br />

Polizei zeigten, dass ihre Bedürfnisse weitgehend mit den Bedürfnissen der direkteren<br />

Opfer übereinstimmten. Sie gaben beispielsweise an, dass sie es schätzten,<br />

emotionale Unterstützung sowie Informationen über den Stand der Dinge zu erhalten.<br />

Abgesehen davon zeigte sich auch, dass die Glaubwürdigkeit des Verhand-<br />

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