Forschungsbericht

Analyse der Verhandlungen
Weitere Ergebnisse: Individuum im Vergleich zur Gruppe, die Rolle Dritter und die
Frage des Gesichtsverlustes
Auf der Grundlage weiterer Analysen von Verhandlungen und Polizeiakten, die Aufzeichnungen
von Vernehmungen enthielten, möchten wir drei Themen in Bezug auf
den kulturellen Kontext aufgreifen.
Individuum im Vergleich zur Gruppe
Die untergeordnete Bedeutung des Individuums und die Betonung der Bedeutung
der Gruppe war in vielen Fällen festzustellen. Ein Entführer chinesischer Herkunft
zum Beispiel sagte bei seiner Vernehmung aus: „Es war keine Entführung, sondern
eine geschäftliche Meinungsverschiedenheit. Das habe ich auch dem Kind gesagt.
Es war keine Entführung, weil wir das Kind nicht geschlagen haben und es immer
gefragt haben, was es haben möchte. Wir haben ihm was zu essen und zu trinken
gegeben 11 und es durfte auch fernsehen."
Wir stellten außerdem fest, dass die Gruppen, denen die Parteien angehörten, häufig
auf die eine oder andere Weise involviert waren. Dies zeigte sich beispielsweise
ganz klar in dem folgenden Wortwechsel mit einem Erpresser marokkanischer
Herkunft:
(E = Erpresser, O = Opfer)
E: „Versprichst du, dass das erledigt wird?“
O: „Ja.“
E: „Sicher?“
O: „Ja, das wird erledigt.“
E: „Schwörst du es beim Leben deiner Kinder?“
O: „Was?“
E: „Du musst es beim Leben deiner Kinder schwören.“
O: „Ja.“
E: „Dann schwör‘s!“
O: „Ich schwöre beim Leben meiner Kinder...“
E: „...und dem deiner Frau...“
O: „und meiner Frau...“
E: „...dass?“
O: „Ich schwöre beim Leben meiner Kinder und meiner Frau, dass ich mit dem Geld
kommen werde.“
E: „...und dass alles in Ordnung ist.“
O: „Ja.“
E: „Ja. Du musst es sagen.“
E. „Ich schwöre beim Leben meiner Kinder, dass alles in Ordnung ist.“
E: „OK.“
11 In vielen anderen Fällen mit Tätern aus einer High-Context-Kultur wurde der Umstand, dass
gemeinsam gegessen und getrunken wurde, als ein Zeichen für ein gutes Verhältnis genannt bzw.
als Hinweis vorgebracht, dass man sich um jemanden gekümmert habe.
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